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KUNST UN
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In
MODATSSCHRIFT- DES-KKÖSTE
HUSEUHQFCER-KZIDSFUDDZIDDIJS
VERLAG VON ARTARIA 8x Co. IIT VIER.
I. JAHRG. 1898.
INHALTSVERZEICHNIS S0
SITTE Carnillo, Aus der Burg Kreuzenstein 95,
WICKHOFF Franz, Die Zukunft der Kunstgewerbe-Museen x5
BERLEPSCH H. E., Felician von Myrbach 20
HUNGERFORD-POLLEN, Englische Möbel seit Heinrichs VII. Thronbesteigung
4I12x513341385
LACHER K., Weizersaal im Museum zu Graz 49
FALKE O. v., Kölnische Steinzeugkriige 54
BRAUN Edm. Wilh., Hans Thema und die nationale Kunst 8x
BING S., Die Kunstgläser von Louis C. Tiffany 105
BERLEPSCH E. H., Eugene Graifet x29
NEWTON E., Die Architektur und das englische home x64
MODERN Das Schreibzeug einer Erzherzogin aus der Renaissancezeit x77
SCHUMANN Paul, Constantin Meunier zox
SEIDLITZ W. v., Die Bedeutung des japanischen Farbenholzschnittes für unsere
Zeit 233
LLEISCHING J., Die Buchausstellung im Brünner Gewerbemuseum 248
DEININGER oh., Tiroler Erker 265
MÄDL Karel, Altorientalische Gläser 273
SCI-IMID Max, Alfred Rethel als Caricaturen-Zeichner 28g
VOLBEHR Th., Ästhetische Urtheile und kunstgeschichtliche Würdigung 297
FORRER R., Malerische Interieurs aus dem Schlosse Issogne 303
SCHNÜTGEN A., Der neue Tafelaufsatz der Stadt Köln 307
LATOUR Vincenz Graf von, Englisches Silber aus dem XVIII. jahr-
hundert 317
FRIMMEL Th. v., Aus den Wiener Gemäldesammlungen 327
HEVESI Ludwig, Arthur Strasser 349
WEESE Artur. Neue Wege im Münchener Kunstgewerbe 367
MÜNTZ Eugene, Gegenstände aus dem Besitze des Königs Matthias Corvinus in
den Pariser Sammlungen 380
AUS DEM WIENER KUNSTLEBEN VON LUDWIG HEVESI so
Österreichischer Kalender 1898 59, 4x 1. Ein modernes Interieur 60. Bilder-
bogen für Schule und Haus 65, 41x.Wereschtschagin-Ausstellung 66. ZurnbuscHs
Billroth-Büste 67ßAlphons Mucha 67. Max Slevogt ößaweihnachtsausstellung
im Künstlerhause 69. Das Wiener Gutenberg-Denkmal, 111. Eine Porrrätplaque
von Prof. Stefan Schwanz x12. Bilder aus der österreichischen Grossindustrie
113. Ver sacrum Monatsschrift x14. Künstlerhaus Aquarellistenclub x15.
Schönn Alois künstlerischer Nachlass 116. Die jubelausstellung irn Künstler-
hause 18x. Ausstellung der Secession" x85. Eine Myrbach-Ausstellung 188. Eine
Wiener Landschaft von Rudolf Alt 18g. Eder j. M., Über Farbenlichtdruck 18g.
Die Jubiläums-Ausstellung im Prater 224. Das Haus der Secession 227. Ausstellung
der Musterzeichner 228. Das Raimunddenkmal 254. Das Makartdenkmal 256.
Fünfzig Jahre östereichische Malerei 402. Das Haus der Secession 405. Die
Ausstellung der Secession 407. Das Congresswerk 412.
KLEINE NACHRICHTEN sw-
ANKÄUFE des Allerhöchsteu Kaiserhauses 258. BRINCKMANN, Zur
Geschichte der japanischen Töpferkunst 28x. BRÜNN, Buchausstellung x20,
229. DRESDEN, Historisches Museum 229. Kunstgewerbemuseum x2x.
FRITZ Georg, Handbuch der Lithographie x94. GRAZ, Preisausschreibungen
des steiermärkischen Kunstgewerbe-Vereines x20. INSTITUT, Das k. k.
österreichische Archäologische, in Wien xx8. JAl-IRHUNDERT, Das neun-
zehnte, in Bildnissen xx9. JUBELPANORAMA 257. KARLSRUHE,
Professor Läugefsche Kunsttöpfereien 72. KUNSTAUFTRÄGE, Staatliche in
Österreich 70. KUNSTPFLEGE, Staatliche, ih Österreich, 3.3. MEISSEN,
Königliche Porzellan-Manufaktur x2x. MODERN I-I., Die Perlxnutterbecher
Franz Hillebrandts x92. PRAG, Preisausschreiben des kunstgewerblichen
Museums 22g. REICHENBERG, Das nordböhmische Gewerbemuseum 71.
SAMMLUNG l-Iirth 258. SCHUMANN P., Georg Lührich x91.
MITTI-IEILUNGEN AUS DEM ÖSTERREICHISCHEN MUSEUM
Allerhöchstes I-Iandschreiben Seiner k. u. k. Apostolischen Majestät 4x3.
Allerhöchste Anerkennung an die Mitglieder des bisherigen Curatoriums 4x4.
Ernennung des Präsidenten des Curatoriums, Freiherrn von Gautsch 4x4.
Auszeichnungen 4x4. Seine Majestät der Kaiser Besichtigung der Kaiserstatue
x22. Curatorium 4x5. Statuten des k. k. Österreichischen Museums für Kunst und
Industrie 4x5. Ernennung der Mitglieder des Curatoriums 4x8. Stiftung Seiner
k. und k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer für die Kunst-
gewerbeschule 4x 9.Ernennung des Custosadjuncten Dr.MorizDreger4xg.Ernennung
des Kanzlisten Ferdinand Nagler x22. Keramische Sammlung 75. Neuordnung der
Sammlungen 3x5. Bibliothek des Museums x23, 344. Neu ausgestellt x23, x97, 259.
Geschenk des k. k. Unterrichts-Ministeriums 259. Geschenke an das Museum 230.
Winter-Ausstellung x8g7f8 74, x898j9 x95, 258, 4x9. Vorlesungen 75, x23, 420.
Besuch des Museums 75, x23, 197, 230, 25g, 283, 3x6, 345, 420. Kunstgewerbe-
schule G. Verzierte Initialen 5. Zuschrift des Directors des k. k. Österreichischen
Museums an den Präsidenten des Wiener Kunstgewerbevereines 420. Lüneburger
Pokal 74. Silberrähmchen 74. Italienischer Holzrahmen 230. Gruftgitter aus
Schmiedeeisen 283. Mittelalterlicher Wandteppich 3x6. Renaissanceschmuck 343.
Wandann aus Schmiedeeisen 344.
LITTERATUR DES KUNSTGEWERBES
77. 124. 198. 23x. 260. 283. 345-
ABBILDUNGENSP
TAFELN so
Vierundzwanzig Tafeln Österreichischer Jubiläums-Kalender von Heinrich
Lefler und Josef Urban, lithographischer Farbendruck der k. k. Hof- und Staats-
druckerei, zwei Tafeln als Beilage zu jedem Hefte. Kreuzenstein, Pfaßenstube,
zu Seite 14. Thema Hans, Mainlandschaft, zu Seite 88. Alt Rudolf, Der letzte
schöne Baum am Wienflusse, zu Seite 190. Miniatur von Attavante, zu
Seite 253. Mittelalterlicher Wandteppich, zu Seite 3x6.
ABBILDUNGEN IM TEXTEso
ARCHITEKTUR. Das nordböhmische Gewerbemuseum in Reichenberg 71.
Schlosshof von Issogne 304. BRONZEN und verwandte Metallarbeiten. Wein-
kühler v. H. E. Berlepsch 370. Wandarme für elektrische Beleuchtung 374. Wand-
brunnen v. H. E. Berlepsch 375. Bowle v. H. E. Berlepsch 379. BUCHEIN-
BAND v. E.H.Berlepsch 378. EISENARBEITEN. Oberlichtgitter 72.Wandarm
aus Schmiedeeisen 345. ELFENBEINARBEIT. Triptychon im Louvre 383.
GLAS. Glasfenster 63. Kunstgläser von L. C. Tiffany 106, 107, 108, 109, 110.
GRASSET Eug. Selbstporträt, Skizze 131. Studien 132, 134, 135, 136. Aus Quatre
fils Aymon" 133. Aus dem Kalender pro 1886 der Magasins du Bon Marche" 137.
Aus dem Programm der Madrider Jubiläums-Ausstellung 1894 137. Skizze 138.
Aus Douze mois de la belle Jardiniere 13g. Plakat 140. Titelblatt zu einer
Composition von J. Mallenet 141. Mosaik in der Kirche zu Briare 142. Illustration
zu Jean des Figues" 143. Entwurf für eine Glasmalerei 144. Illustration Le
Printemps de Jadis" 145. Anzeige für das Lexikon Larousse 146. Der Herbst"
aus Icon0graphie decorative" 147. Entwürfe für Betten 148, 14g. Stuhl 150.
Credenzschrank 151. Details hiezu 152, 153, 154. INTERIEURS. Weizersaal in
Graz 51, 52. Intarsia-Füllung daselbst 51. Modernes Interieur im Österreichischen
Museum 60, 61. Charlemont H., Aus der Fabrik in Neustadtl 114. Charlemont I-L,
Webesaal in Jungbunzlau 115. Interieurs aus dem Schlosse Issogne 306, 307.
Interieurs der Münchener Ausstellung 1898 36g, 371. KERAMIK. Kölnische
Steinzeugkrüge 55, 56, 57, 58. Thongefässe von Läuger 73. KREUZENSTEIN.
Burg Kreuzenstein 5. Burghof 7. Kreuzgruppe 9. Erzengel Michael 11. Stiege in
der Halle 12 Halle, Innenansicht 13. Altar in der Kapelle 96. Frühchristliches
Relief 98. Romanisches Taufbecken 99. Westlicher Abschluss des Kapellen-
schiffes 100. Hemicyklus in der Kapelle 101. Heiliger Florian 102. Paramenten-
schrein 103. Eingang in die Sakristei 104. Rüstkammer 156. Glöcknerstube 156.
Loggia mit Söller 159. Relief, St. Georg 161. Kreuzenstein als Ruine im Jahre
1824 163. LEFLER H. Friese 118, 119. Applicationspolster 121. Tapete 62.
MALEREI. Lührig, Im Kehricht der Grosstadt 192. Kiyomasu, Courtisane und
Priester 235. Masänobu, Der Saketrank 236. Toyonobu, Frauengestalt 237.
Koriusai, Dame im Schnee 238, Courtisane und Kamuros 239, Junger Mann 240.
Shunsho, Courtisane 241, Schauspieler 242. Korins Art, Löwenzahn 243. Ruysdael
Sal. v., Flusslandschaft 328. Dou Gerrit, Student in seiner Stube 329. Ferraresisch-
bolognesischer Meister, Die heilige Katharina 331. MEUNIER. Der Ge-
richtete 203, Das schwarze Land 204. Steinkohlengrube 205. Die Puddler 206.
Der Hammermeister 20g. Heimkehr der Bergleute 210. Die Industrie 211. Gruben-
arbeiter 212. Der Säemann 213. MÖBEL. Schrank von Pössenbacher 373.
MÖBEL, ENGLISCHE. Tisch, Eichen, um 1610 42. ArmstuhLNussholz, um 1650 43.
Stuhl, Eichen, um 1620 43. Schreibtisch, Mahagoni, um 1790 44. Bücherschrank,
Mahagoni, um 1750 45. Armstuhl und Stuhl, Nussholz, um 1770 46. Toilettetisch,
Satinholz, um 1800, mit Bildern von Angelica Kauffmann 47. Bank, Mahagoni, um
1770 48. Bank, Mahagoni, von Chippendale 216. Stühle in Eschen- und Nussholz,
Chippendale 217.Cabinet,Chippendale218.Bettstätte in Eichen, um 1640 21g. Lehn-
stuhl, um 17 50 220. Stuhl mit gobelinartigem Gewebe, um 1770 220. Sopha, Maha-
g011i,um 1790 221. Tisch,Mahag0ni,Chippendale 221.Spieltisch,Nussl-1olz,um1780
221. Candelaber, um 1780 222. Thronsessel, um 1820 223. Armsessel, um 1660 335.
Buffet, um 1620 335. Schrank, um 1750 336. Windsor-Armsessel, um 1710 337.
Armsessel, Chippendale, um 1750 337. Bank, um 1750 337. Schreibtisch, Sheraton,
um 1780 338. Ecksessel, um 1780 339. Armsessel, Adam, um 1800 339. Whatnot,
Chippendale 340, Sopha, um 1790 340. Stuhl, um 1790 341. Schrank, um 1650 386.
Armsessel, um 1620 387. Tisch vom Jahre 1606 387. Schrank, um 1560 388.
Wiege vom Jahre 1687 389. Schubladkasten, um 1660 390.Armsessel, um 1660 391.
Armsessel, um 1710 391. Settee, um 1710 392. Spiegelrahmen, Queen Anne 393.
Armstuhl, um 1720 394. Commode, um 1730 395. Settee, um 1740 396. Bank, um
1760 396. Stuhl, um 1750 397. Tisch, um 1750 397. Doppelschubladeschrank, um
1775 397. Spieltisch, Sheraton 398. Tisch, Adam 398. Armsessel, Sheraton 398.
Schreibtisch, um 1790 398. Tisch, um 1800 399. Hall Chair 399. Armsessel, um
1800 399. Blumentische, Chippendale 401. MYRBACH Frhr. v., Studie
aus Dalmatien 21. Studien zu Life of Napoleon" 24, 25. Marche aux Heurs,
Paris 27. Studie aus Völkermarkt 29. Jesuitenkirche in Rom 32. Bahnhof Charing
Cross in London 33. Studie aus Leeds 34. Seebad Margate 35. Auf den alten Wällen
von Chester 37. Kaiser Franz Joseph und FM. ErzherzogAlbrecht auf demManöver-
felde 39. NEWTON E., englische Architektur. Landhäuser 165, 166, 167, 168,
169, 171, 175. Interieur 173. RETHEL A., Caricatur des Malers Preyer 290.
Die engen Stiefel 291. Selbstporträt, Caricatur 292. Concertscene 293. Der Liebes-
brief 294. Hamlet 295. Der Polarforscher 295. Die Beichte 296.- SCHWARTZ St.,
Porträtplaque 13. SILBER, ENGLISCHES. Mug, von T. Henning 317. Tankard
von J. Langlands 318. Mug, London 1780, 318. Kanne, London 178586 318. Por-
ringer, London 1705 318. Two-Handle Cup, Dublin 1740 319. Vase, von Adam
3T0."Vase, London 177980 220. Zuckerschale, London 1773f74 320. Soup-Tureen
Dublin 176465 321. KaHeekanne, von Th. Whipham 322. Tasse, London 1743 322
Kaffeekanne, London 1759160 323. Tasse, v. R. Abercr0mby1745, 323. Epergne, von
R. Henne 324. Epergne, London 1750 325. Englische Beschauzeichen 326.
SILBER- UND GOLDSCHMIEDE-ARBEITEN. Silberrähmchen 74. Lüneburger
Pokal 75. Schreibzeug aus der Renaissance-Zeit 179. Buchschliesse aus Silber 250.
Buchbeschläge aus Silber 251. Tafelaufsatz der Stadt Köln 309. Renaissance-
schmuck 343. Kelch 344. Tafelaufsatz v. F. v. Miller 377. STRASSER.
Porträt 350. Ölstudien 350 355. Kairener Wasserträger 356. Das Gebet des
Hindu 357. Arabischer Musikant 358. Das Geheimnis des Grabes 359. Indischer
Priester 360. Der Blick in die furchtbare Ewigkeit 361. Das Krüglein 362. Egyp-
terin 363. Nubischer Knabe 363. Königstochter Si-Ling-Chi 365. Prinzessin
Yuriaku 365. Ein Sklave Neros 366. TEXTILES. Tapete von H. Lefier 62.
Seidenpolster 64. Vorsatzpapier 249. THOMA HANS. Hans Thomas
Frau und Tochter 83. Kinderreigen 86. Frühling 92. Sommer 93. WAFFEN.
Tartsche des Königs Matthias Corvinus 381.
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Montag. nuroia. eh-rb.
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Mittwoch. cnnurusmu
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TEIGERUNG des Interesses und
der Freude an den Schöpfungen
auf dem Gebiete des Schönen bei
den Gebildeten aller Classen
Hebung des Geschmackes beim
Erzeuger sowie beim Erwerber
ortentwicklung der Lei-
stungsfahigkeit des Kunsthand-
werks Herstellung thunlichst enger Beziehungen
zwischen der hohen Kunst und dem Handwerk, sorg-
same Förderung derselben Studium und Pflege guter
moderner Bahnen, welche Kunst und Kunsthandwerk
in unsern Tagen einschlagen mögen
Dies einige der bedeutsamen Aufgaben, welche die
Leitung eines modernen Kunstgewerbe-Museums vor
Augen haben muss.
Für die Lösung derselben hierzulande scheint die
Umgestaltung und Erweiterung der bisher erschienenen
Mittheilungen des k. k. Österr. Museums für Kunst und
Industrie zu einem Organ der Anstalt geboten, das in
Wort und Bild diesem Zwecke dient.
So tritt denn die Monatsschrift
KUNST UND KUF
ins Leben.
Eine Reihe ausgezeichneter Männer des In- und
Auslandes darunter Autoritäten allerersten Ranges
hat mit wärmstem Interesse unser Beginnen begrüsst
und nicht wenige derselben haben die Mitarbeiterschaft,
zu der sie sich bereit erklärten, sofort durch Beiträge
bethätigt.
Ein Staatsinstitut von unbestrittenem Rufe die
k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien bürgt für die
tadellose Herstellung des Blattes, der k. k. Graphischen
Lehr- und Versuchsanstalt in Wien wurde die Ermäch-
tigung ertheilt, das Unternehmen thatkräftig zu fördern
und auch andere erste Anstalten sollen zur illustrativen
Ausschmückung herangezogen werden; ein verständ-
nisvoller, rühriger Verleger Artaria Co. hat den
Vertrieb übernommen.
Was wir mit unserer Monatsschrift wollen, haben
wir oben angedeutet; die Art, wie wir unseren Zielen
näher zu kommen gedenken, mögen die folgenden
Blätter darlegen.
Wien, November 1897.
A. V. Scala
AUS DER BURG KREUZENSTEIN 1. Sie
VON CAMILLO SITTE-WIEN E4-
TÜNDE diese Burg mit ihren Kunst-
schätzen in Spanien oder England, so
müsste man eigens dorthin reisen, um
das alles zu sehen; umso erfreulicher ist
es, dass ein solches Werk bei uns ent-
steht in nächster Nähe von Wien."
In diese Worte fasste Seine kaiserliche
Hoheit der kunstsinnige Erzherzog Franz
Ferdinand sein Urtheil zusammen, nach
eingehender mehrstündiger Besichtigung.
Was ist nun dieses merkwürdige Bauwerk?
Die erste Anregung zum Beginn des Baues gab die Absicht zur
Errichtung einer neuen Familiengruft. Hiezu wählte der Erbauer
Graf Hans Wilczek den Ort der eine Stunde nordwestlich von
Korneuburg gelegenen, in altem Familienbesitz befindlichen Burgruine
Kreuzenstein, wegen ihrer eigenen Denkwürdigkeit und auch wegen
ihrer herrlichen Höhenlage mit prächtiger Aussicht über die ganze
Donaugegend, wie sie sich zu Füssen des Kahlenberges ausbreitet.
Die Gruft selbst wurde der Lage nach kryptenartig angelegt,
unter der ehemaligen Burgkapelle, deren Fundamente mit deutlich
gothischem Achteck-Chor noch vorhanden waren. Darüber erhob sich
in neuer Gestalt, aber im Grundrisse verschiedene Unregelmässig-
keiten der alten Anlage beibehaltend, eine gothische Kapelle von so
eigenartigerErtindung undDurchführung, dass man es nicht empfindet,
hier einem Werke neuester Zeit gegenüber zu stehen.
Schon die Unregelmässigkeiten in der Haupteintheilung wider-
sprechen der starr symmetrischen Reissbrettarchitektur unserer Zeit,
noch viel mehr aber die naturwüchsige Art des Aufbaues, die reiche
ungemein feine Farbenstimmung, die Gliederung der Einzelheiten und
die Fülle von merkwürdigen Kunstwerken, welche allenthalben immer
neu entdeckt werden, je länger, je öfter man irgend einen Theil
des Ganzen betrachtet.
Nirgends eine Wiederholung, nirgends blosse Raumfüllung oder
blosse architektonische Gemeinplätze; nirgends ist auch nur eine
Spur von jener hastigen Eile zu sehen, mit der gegenwärtig selbst
Monumentalbauten höchster Bedeutsamkeit emporgejagt werden. Im
Banne dieses so eigenartig dastehenden Kunstwerkes überkommt
jeden Beschauer eine seltene weihevolle Stimmung, wie sie nur von
echten Kunstwerken ausströmt, eine Stimmung des reinen Sich-
hingebens an die mächtige Wirkung dieser Raumgestaltung.
Die grosse Menge von kunstgeschichtlich höchst wertvollen
Figuren, Bildern, Glasmalereien, Arbeiten in den verschiedensten
Materialien und Techniken, die man hier vereinigt sieht, ist nicht blos
mit feinstem Kunstsinn zusammengetragen, sondern auch in künstle-
rischer Schaffensfreude zusammengebaut und diese Liebe zur Sache,
diese Begeisterung für das eigene Werk ist es, welche hier ein so
harmonisches Ganzes entstehen liess.
Die ganze Sammlung, welche nur zum Theile jetzt schon auf
Burg Kreuzenstein untergebracht wurde, ist so umfangreich und
zählt so viele Stücke von kunstgeschichtlicher Bedeutung, ja eine so
stattliche Reihe von sehr seltenen Stücken, dass selbst von öffentlichen
Kunst- und Kunstgewerbemuseen nur die hervorragenderen damit
verglichen werden können, wozu noch als im besonderen wertvoll der
Umstand kommt, dass die Sammlung nur auf mittelalterliche Kunst
beschränkt blieb, also auch vorn wissenschaftlichen Standpunkte aus ein
geschlossenes Ganzes bildet.
Von diesem Standpunkte aus soll dieser Sammlung und ihrer
künstlerisch so wertvollen Unterbringung vorläufig eine kurze Schilde-
rung in allgemeinen Umrissen hier gewidmet sein. Eine erschöpfende
Monographie wird nach Vollendung des Baues erscheinen.
Unser erstes Bild stellt die Westansicht der Burg dar nach dem
Bauzustande, als noch der Saalbau an der linken Seite fehlte, weshalb
hier die reich gegliederte Silhouette noch nicht im vollen Gleich-
gewichte erscheint. Trotzdem ist auch so schon die Wirkung höchst
malerisch und erinnert der Gesammteindruck lebhaft an den, in der
alten höfischen Dichtung Parsival beliebten Vergleich, wonach statt-
liche schöne Burgen so aussehen, als ob hier Thurrnsamen aufgegangen
wäre. Eine äussere zinnenbewehrte Vormauer zieht sich quer über
die ganze Breite bis zu dem runden Thorthurm rechter Hand, archi-
tektonisch als ruhige fensterlose Basis des ganzen Aufbaues wirkend.
Ihre linke Hälfte besteht aus einer vorgeschobenen geraden Mauer-
flucht, an welcher blos die Endigungen durch beiderseitige Brust-
wehrerker hervorgehoben sind mit unauffälliger, aber gefiihlsmässig
nothwendiger und wohlthuender Unsymmetrie in der Durchbildung.
Die rechte Hälfte ist im Gegensatz dazu hufeisenförmig einspringend
angeordnet und befindet sich im geschützten Mittelgrunde das Haupt-
eingangsthor zu der Burg mit dem ganzen mittelalterlichen Ver-
theidigungsapparat regelrecht ausgestattet, theils getreu nach alten
Motiven, theils aus echten alten Bestandtheilen zusammengebaut.
So ist unter Anderem der mächtige Fallgatter ein altes Stück;
ebenso der Eisenbeschlag über der Zugbrückenstreu, während die
ganze I-Iebevorrichtung von Brücke und Fallgatter, von Herrn Stefan
von Götz ausgeführt, den Mechanismus alter Werke vor Augen stellt.
Der runde Thorthurm ist im Stile und der Befestigungsart der
maximilianischen Zeit gedacht, also Ende fünfzehntes jahrhundert.
Sein von mächtigen Consolen und Steinbogen getragener Wehrgang,
aus stärksten Balken gezimmert, ist mit alten, theilweise aus
Burg Kreuzenstein
Basel stammenden, glasirten Ziegeln gedeckt. Oberm Thor ragt eine
geschlossene Pechküche mit Pechnase hervor, nebst beiderseitigem
gedecktem Wehrgang. Das links in die Burgmauern eingelassene
Steinrelief stellt den heiligen Martin vor und stammt aus der Gegend
von Bamberg; Thor und Thürl selbst sind nach altem Vorbilde der
Burg Schaumburg bei Linz gemacht.
Innerhalb dieses äusseren Befestigungsgürtels ragen hoch empor
diejenigen Bautheile der inneren Burg, welche den oberen Burg-
hof gegen Westen begrenzen; in der Mitte die Aussenwände der
Burgkapelle mit dem grossen gothischen Orgelchorfenster, einem
kleineren Doppelfenster mit Wimberg darüber zu dem Oratorium und
dazwischen der zierliche, gothische Glockenthurm, rechts der grosse
viereckige I-Iauptthurm, der Bergfried oder Wartthurm; links ein im
Grundriss dreieckiger Thurm, der Nordwestthurm; also wieder, wie
bei der vorspringenden Brüstungsmauer darunter, eine im Grunde
symmetrische Anordnung, jedoch nur mit sozusagen unbewusst
wirkender, zur Einheit bindender Gewalt, weil ausser der sym-
metrischen Massenvertheilung alles Übrige nach grösster Mannig-
faltigkeit gedacht ist, zum Beispiel ein runder, ein dreieckiger, ein
viereckiger, ein sechseckiger Thurm noch obendrein von denkbarster
Verschiedenheit nach Grösse, Proportion, Einbindung in das übrige
Mauerwerk, Dachbildung u. s. w.
Sowie in diesen Grundzügen der Conception ist auch im Einzelnen
mit unendlich feinem Kunstgefühle die grosse Regel alles künstlerischen
Schaffens, nämlich strengste Einheit bei möglichster Mannigfaltigkeit,
in so mustergiltiger Weise verkörpert, dass man bei der Analyse
dieses architektonischen Meisterstückes allzugeme länger verweilen
möchte, wenn es die hier einzuhaltende Absicht, die Burg und ihre
Schätze zunächst als Museum mittelalterlicher Kunst zu schildern,
gestatten würde. Nur Eines sei noch kurz erwähnt die Bindung zu
einheitlicher Wirkung geschieht noch, ausser durch das gelungene
Massengleichgewicht, durch wohlthuende Stetigkeit eines nicht geglie-
derten kräftig wirkenden Quadermauerwerkes, ohne irgend welche
Störung durch den architektonischen Schulkram von Lesenen, Strebe-
pfeilern, Masswerken, Fialen und dergleichen. Auf dieser ruhigen
Mauerfläche heben sich die günstig vertheilten reicheren Einzelheiten
naturgemäss sehr wirksam ab. Es sind dies meist alte Originale oder
Copien nach solchen und soll vorläufig nur auf Folgendes besonders
aufmerksam gemacht werden
Die weithin sichtbare Kreuzgruppe unter dem grossen gothischen
Musikchorfenster in überlebensgrossen Figuren stammt aus der
Meraner Gegend und ist ein Werk ersten Ranges der alten Tiroler
Plastik; die gründliche Anatomie und vortreffliche Proportion der
Figuren, der schöne Faltenwurf und die virtuose Behandlung alles
Technischen zeigen dies auf den ersten Blick. Geradezu sprechend
ist der Gesichtsausdruck der drei Figuren, aber ganz besonders
merkwürdig die ungewöhnliche Auffassung der beiden Schächer-
figuren der zur Rechten von Christus, der im letzten Augenblicke
reuig in sich kehrt, hebt gnadeflehend, soweit es seine Fesselung
gestattet, beide Arme in anbetender Stellung Hilfe erbittend gegen den
Himmel. Seine Stellung ist die der antik-griechischen Adoranten, also
so typisch gemeinverständlich und schön ausdrucksvoll als möglich,
zugleich rhytmisch symmetrisch. Der der Hölle verfallene Häscher,
der selbst im Augenblicke des
Todes sich nicht bekehrt, wird
gemeiniglich als thierisch ver-
worfenes Individuum, unfähig jeder
Burghof
höheren geistigen Regung, dargestellt mit mehr weniger abstossenden
Gesichtszügen, zuweilen sogar absichtlich in gleichfalls rohen gemeinen
Körperformen und durch die gewaltsamen unschönen Windungen
seines Körpers und den blos ärgerlichen, zornigen Gesichtsausdruck
andeutend, dass er, folgend seiner steten thierischen Lebens-
empündet.
Nichts von alledem in der Figur des unbekannten Tiroler Meisters.
Eine schöne Gestalt mit zwar unsymmetrischer, aber gleichfalls
schöner Arm- und Handstellung und von einer so packenden Deut-
lichkeit in dem Ausdrucke dessen, was dieser Mensch am Todesholze
jetzt kalten Blutes denkt und sagt, dass es Einen kalt überläuft. Das
ist kein gemeiner Mörder, das ist ein Mörder der eigenen Seele, des
eigenen beseeligenden Glaubens an eine höhere Bestimmung des
Menschen, an eine höhere Weltenordnung.
Man hört ihn sprechen
Du so grosser Gott! zeige jetzt, was Du kannst! Befreie Deinen
eigenen Sohn jetzt von dem schmachvollen Marterholz! Zeige Dich
allmächtig! Zeige Dich allgütigl Aber nicht wahr, Du kannst nicht,
weil Du nicht willst, und Du willst nicht, weil Du nicht kannst, und so
kannst Du auch mir den Himmel nicht spenden, weil Du nicht willst,
uncl die Hölle nicht geben, weil Du nicht kannst."
Solcher I-Iohn höllischer Verneinung liegt in dieser Figur. Dieser
Sterbende ist die Personification des Unglaubens, der Verspottung
aller menschlichen und göttlichen Weltordnung und dafür gibt es
allerdings keine Gnade, keine Erlösung, auch nicht einmal in unmittel-
barster Nähe des Weltenerlösers selbst, als dessen Leidens- und
Sterbensgenosse.
Wer solches unzweideutig und sofort sicher erkennbar zu sagen
vermochte in einer holzgeschnitzten Figur, das war ein grosser
Künstler, ein grosser Philosoph, und wenn es auch nur ein Tiroler
Herrgottschnitzer, nur ein Bauemphilosoph war, so war es Einer, der
in der Tiefe und Gewalt seines Fühlens, Denkens und auch Könnens
hinanreichte bis an Dante und Michelangelo. Was sein Können an-
belangt, so steht er beiläufig auf der I-Iöhe von Veit Stoss oder
des gleichfalls noch unbekannten Schnitzmeisters des Pacher'schen
St. Wolfgang-Altares. Ein solches Werk vor dem Untergang oder
mindestens der Verschleppung gerettet zu haben, ist allein schon
ein grosses Verdienst, umsomehr, da ihm hier ein so schöner Platz
angewiesen ist.
Die sehr gut dazu passenden Figuren von Maria und Johannes
sind nicht von derselben Hand. Die gesammte Gruppe ist vor Regen
und Schnee sicher geschützt durch ein mächtiges Vordach, dessen
glasirte Ziegel vom Baseler Münster stammen, und zwar wahrschein-
lich von dessen 380 nach einem vorhergegangenen Brande erfolgter
Neueindeckung.
z.
Die feinsculptirte Säule des spätromanischen Oratoriumfensters
besteht durchaus aus alten Bestandtheilen, die trotz der verschieden-
sfen Herkunft vortrefflich zusammenpassen; die Basis mit Löwen aus
rothem Salzburger Marmor stammt aus Berchtesgaden; das Capitäl
aus Pola, der Verdeantico-Schaft aus Neapel. Die zwei Wasserspeier
am Wimberge darüber vom Dome zu Kaschau gehören dem Ende
des XIV. Jahrhunderts an.
Der zierliche gothische Glockenthurm enthält drei alte italienische
Glocken von Serravalle aus dem XIV. Jahrhundert; die Säule vor
der Nische ist von Sienit aus Konopischt. Ein merkwürdiges Werk
ist die den Thurm krönende Gestalt des Erzengels Michael. Die
Statue selbst ist alt XVI. Jahrhundert und stammt aus Trier; Flügel,
Nimbus, Schild und Schwert sind nach Zeichnungen von Graf I-Ians
Wilczek in Bronzeguss ausgeführt von dem Bronzegiesser und
Galvanoplastiker I-Iaas in Wien; als Auflager der Figur, die so
wuchtig ist, dass zum Vergiessen ihrer I-Ielmstange und aller Ver-
ankerungen über hundert Pfund Blei erforderlich waren, dient eine
156 Kilo schwere kupferne Locomotivkesselplatte aus der Fabrik
von Chaudoir und Zipper, deren Specialität solche Platten sind. Die
ganze Figur ist also auch in technischer Beziehung eine Merk-
würdigkeit.
Einen wieder eigenartig von allem Übrigen sich abhebenden
Schmuck erhielt der dreieckige, an den Ecken abgefaste Nordwest-
thurm in einer stattlichen Reihe von Wappen der älteren Burgherren
und Landesfürsten, so die Wappen der Fornbacher aus dem XI. Jahr-
hundert, der Erbauer des Schlosses; der Waserburger aus dem
XII. Jahrhundert, der Babenberger, als älteste Landesfürsten, ferner
Ottokars von Böhmen und der Habsburger. Unter den Wappen
befindet sich auch ein Türkenkopf, sogenannter Trutzkopf, weil die
Burg 152g von den Türken nicht eingenommen werden konnte. Eine
Fortsetzung findet die Wappenreihe im Oratorium.
Der vierte und grösste Thurm, der Bergfried kommt noch besser
zur Geltung in der Innenansicht des oberen Burghofes. Er lehnt
sich an die Formen der Thürme von Perchtoldsdorf und Freistadt
in Oberösterreich an. Das riesige Zifferblatt aus dem XV. Jahrhundert
mit der Devise Wer rastet, roste auf streng stilistisch durch-
geführtem Spruchband stammt aus Überlingen amBodensee. Der
im Zubau begriffene Tradt wird Bibliothek und Archiv umfassen.
Das gothische Gitter an der zugehörigen Ecke ist eine alte Tiroler
Arbeit, und der Eingang in die Halle links unterm Thurm hat ein
gothisches Portal aus Wels.
Unmittelbar davor, im Hofe unter dem Bretterdach befindet sich
der 58 Meter tiefe Brunnen der ehemaligen Burg, bei dessen Aus-
räumung zu unterst in Wasserhöhe ein jüdischer Grabstein aus dem
XIII. Jahrhundert gefunden wurde. I-Iiezu wäre daran zu erinnern, dass
damals in dem benachbarten Korneuburg sich eine starke Juden-
gemeinde befand. Der Brunnenschacht hat zwei
Meter Durchmesser. Neben demselben, gegen
die Mitte des Hofes zu, steht ein von Graf
Wilczek selbst hieher verpflanzter Lindenbaum.
An der Mauer entlang lehnen eine Reihe noch
unterzubringende Grabsteine, theilweise von be-
deutendem künstlerischen Wert, deren Namens-
träger den Geschlechtern von Kreuzenstein
angehören oder zur Geschichte von Nieder-
österreich in Beziehung stehen. Der an der Ecke
des Kapellenschißes eingemauerte Marmorlöwe
ist eine alte Venezianer Arbeit.
Die Loggia im Hintergrunde des Hofes
gegen Westen hat im Untergeschosse zwei
mächtige Bogen auf mittlerer Crranitsäule, deren
Capitäl aus der Basilika von Padua herrührt,
während das Obergeschoss fünf Bogenöffnungen
zählt über theilweise gleichfalls alten Säulen. Der
ornamentirte Bogenfries darüber ist neu ausgeführt nach Zeichnungen
von Graf I-I. Wilczek, von Bildhauer Spira aus Venedig. Die an der
Wandfläche verwendeten Ziersteine undZierplatten sind alu-omanische
italienische Arbeit. Das darüber befindliche Pultdach im Stile des
XIV. Jahrhunderts wurde ausgeführt von Zimmermeister Öster-
reicher und gedeckt mit alten Original-Hohlziegeln des XV. Jahr-
hunderts aus der Gegend von Meran.
Das Materiale zum Thurm-Mauerwerk ist Tuffstein von einem am
Inn demolirten alten Thurrn und wurde dasselbe auf einer Plätte den
Inn und die Donau heruntergebracht, und auch das Holz der Plätte
zum Bauen verwendet.
Von beiden Stockwerken dieser Loggia aus gelangt man in die
Kapelle theils ebenerdig, theils auf den Musikchor und das Ora-
torium.
In der Kapelle befindet man sich in dem künstlerischen Centrum
des Ganzen. Eine derartig weihevolle Stimmung, wie sie hier jeden
Beschauer beherrscht, vermögen nur architektonische Kunstwerke
ersten Ranges im Vereine mit Sculptur und Malerei hervorzurufen.
Es ist schwer, den Anfang und Faden zu einer Beschreibung auf-
zugreifen, die nothwendigerweise unverhältnismässig weit hinter
dem Selbstgesehenen zurückbleiben muss.
Dasjenige, was zuerst den
Blick fesselt, ist der I-Iochaltar
mit seiner nächsten Umgebung.
Eine Symphonie von Farbe
und Helldunkel, das ist der
erste Eindruck und es ist auch
das letzte Wort, das man mit
Bewusstsein darüber aus-
spricht nach Kenntnisnahme
aller Einzelheiten und aller
Hilfsmittel, welche hier ange-
wendet wurden, dieses Meister-
stück zu schaffen.
Das Ungewöhnliche und
in der neueren Kunst einzig
Dastehende des hier Erreich-
ten nöthigt dazu, hier weiter
auszuholen, um die Eigenheit
des Geleisteten recht deutlich
zu machen.
Die hier erzielte Farben-
Smg, stimmung mit irgend einer der
nach Hunderten und Tausen-
den zählenden neueren gothischen Kirchen mit ihrer Innenbemalung
und Vergoldung zu vergleichen, geht schlechterdings nicht an; der
Unterschied ist zu gross, zu principiell.
Nur wenige Werke besonders hervorragender Art können da zur
Vergleichung herangezogen werden, und zwar besonders solche, bei
denen es von vomeherein Aufgabe war, die Freiheit und Harmonie
alter Künstler nachahmend zu erreichen; also polychrome Restau-
rirungen alter Kapellenräurne von hervorragendem Kunstwerte. Es
wären dies etwa für Italien die theilweisen Restaurirungen von Wand-
malereien von Giotto, besonders in den Querschiffkapellen von Santa
Croce zu Florenz; in Frankreich die polychrome Ausschmiickung der
Sainte-Chapelle zu Paris, in Deutschland die Restaurirung und Aus-
malung der Marien-Kirche zu Nürnberg.
Die italienische Leistung wird in der Geschichte der italienischen
Malerei von Crowe und Cavalcaselle als mustergiltig gepriesen; wenn
man aber bemerkt hat, wie die Köpfe weichlich modernisirt wurden,
so dass sie für den Historiker die so charakteristischen Verkürzungs-
fehler einbüssten, zugleich aber den, Giotto eigenen, geradezu drama-
tischen Ausdruck; ebenso die Hände etc. und wie endlich die
Ornamentstreifen in eintönigen Farben so echt modern fabriksmässig
angestrichen sind, ja sogar mit Beihilfe von Patronen, so kaxm man
diesem Lobe nicht beipflichten.
Dasselbe gilt von der Ausmalung der Sainte-Chapelle, die niemand
Geringerer leitete, als der als Architekt wie als Archäolog gleich her-
vorragende Viollet-le-Duc. Auch dieser vermochte den Bann moderner
fabriksartiger Technik nicht zu brechen.
Am deutlichsten trat aber der Zwiespalt zwischen innerer Ab-
sieht und Erfolg der Ausführung wohl bei dem Nürnberger Beispiele
hervor. Leiter dieser Arbeit war der Direcftor des germanischen
Museums, der hervorragende Architekt und Archäolog Essenwein.
Wohl selten ist zu einem solchen Werk eine geeignetere Person
gefunden worden, selten hat wohl ein Künstler mit grösserem Feuer-
eifer sein Werk begonnen. Wer das umfassende Wissen und Können
Essenweins auch in malerischer Richtung und selbst auf figuralem
Gebiete, wozu sein Bildercyklus für St. Gereon in Köln Teinen gross-
artigen Beleg bietet, zu würdigen verstand, der musste sich einen ausser-
ordentlichen Erfolg versprechen.
Der Mann, der sich zunächst diesen Erfolg versprach, war Essen-
wein selbst und so arbeitete er an seinem Werke mit innerster Liebe,
mit Hingebung, mit Leidenschaft. Es war geradezu berückend, ihn in
dieser Begeisterung seine Absichten an Ort und Stelle auseinander-
setzen zu hören. Als aber das Werk fertig war, wollte er nichts mehr
davon wissen; die Erwartungen der mit geistigem Auge gesehenen
Farbenwirkung hatten sich nicht erfüllt. Die Ursache davon liegt aber
auch hier wieder in der modernen maschinellen, fabriksmässigen Her-
stellungsart. Essenwein hätte nicht nur alle Figuren und Decorationen
zeichnen, alle Farben angeben müssen, sondern er hätte selbst den
Pinsel ergreifen, sich etwa nur einen oder zwei geeignete Gehilfen
suchen, an diese einzige Arbeit seine Lebenszeit daranwenden müssen.
Alles das, was in unserer fieberhaft rasch producirenden Zeit nirgends
geschieht und nirgends geschehen ist, das gelang hier zu Kreuzenstein.
Was bei den genannten Arbeiten dem leitenden Künstler vorschwebte,
hier wurde es erreicht, und zwar offenbar mit förmlich spielender
Leichtigkeit, weil alles ebenso naiv, ebenso der reinen Empfindung
folgend, in nothwendiger Musse gemacht wurde, wie bei den Werken
der Alten. Zur näheren Begründung nur ein Beispiel.
Die Gewölbszwickel über dem Hochaltar enthalten feines Gold-
linien-Ornament auf blauem Grunde. Diese Idee, in gewöhnlicher,
moderner Fabriksmanier ausgeführt, gäbe, trotzdem sie gut ist, ein
widerwärtiges Resultat, wie zahllose goldbestemte Blaugründe auf
modernen Kirchengewölben bezeugen. Der blaue Grund würde ein-
förmig gestrichen, wobei die Fleckenlosigkeit der Stolz des modernen
Handlangers wäre; die Verzierung würde glatt in Vergoldung darauf
Is
gesezt, wobei die Spiegelung in einer gewissen Beziehung blenden, nach
anderer das Gold aber gar nicht wirken würde.
In Kreuzenstein wurde das Blau verschieden gedämpft, theils ins
Grünliche, theils ins Weisse und vorn Dunkelsten beim Schlussstein
beginnend, bis zum Lichtesten herunter abgetönt; ausserdem mittelst
Schablonenschnitten die richtige Grösse, Stärke und Raumfüllung der
Omamentirung ausprobirt und für dieselbe dann vorher ein Wachs-
grund aufmodellirt und nach allen Seiten gebuckelt und gefurcht, so
dass die vergoldeten Striche nach allen Seiten hin einen milden Gold-
schimmer werfen und überall gleichmässig sichtbar bleiben.
DIE ZUKUNFT DER KUNSTGEWERBE-
MUSEEN 50' VON FRANZ WICKHOFF-
WIENW
NGESICHTS der neuen Richtung der
OmamentirungundFormengestaltung, die
nun überall durchdringt, drängt sich die
Frage auf, was mit den Vorbildersamm-
lungen geschehen soll, die unsere Ge-
werbemuseen füllen, wegen deren diese
Museen errichtet wurden. Der neue Stil,
der seine Ornamente frei aus der Natur
schöpft, der seine Constructionen dem
Bedürfnisse anpasst, braucht sich nicht
ängstlich umzusehen, wie die Griechen in alterZeit einenTopf bemalten,
wie die Italiener des XVI. Jahrhunderts ihre Stühle bauten, oder wie
die Perser und Inder ihre Wände belegten. Er ist selbst ein historisches
Product, wie es die Antike war, wie die Gothik oder die Renaissance
aus den Bedingungen des modernen Lebens, aus der Entwicklung
der modernen Kunst erwachsen und völlig auf sich selbst gestellt.
Nur ist er so neu nicht als er jetzt, wo er die Welt erobert hat,
erscheinen will.
Suchen wir nach seinen Wurzeln in England, wo er aufwuchs,
so müssen wir gar tief graben; denn es ist nicht zu leugnen, dass
er dort in der Mitte des vorigen Jahrhunderts schon wie ein
schönes schlankes Bäumchen voll früchteverheissender Blüten stand.
Der neue Stil ist ein englischer Stil, wie die Antike ein griechischer
Stil war, wie die Gothik ein französischer, wie die Renaissance ein
italienischer. Auch im Alterthum oder im Mittelalter und am
Beginne der neuen europäischen Cultur hatte sich der Stil, der der
herrschende für alle civilisirten Völker werden sollte, immer wieder
von einem Cemrum ausgebreitet, war von einem Volke, wenn man
so sagen darf, erfunden worden, war ausgewandert und hatte sich
fremden ethnischen, klimatischen und socialen Bedürfnissen unter-
worfen oder angeschmiegt. Dürfen wir uns wundern, wenn sich
heute, wo durch täglich sich häufende technische Erfindungen das
moderne Leben umgestaltet wird, wo neue sociale Probleme, fast
der einzige Gegenstand der Politik, Lösung suchen und nach Lösung
drängen, wo alles darauf deutet, dass eine neue Periode der europäischen
Geschichte begonnen hat, dürfen wir uns wundern, sage ich, wenn
sich heute das alte Phänomen der Stilbildung wiederholt, wenn wir
wieder einen nationalen Stil durch die ganze Welt wandern sehen,
überall freudig, ja mit Enthusiasmus aufgenommen. Die Bewegung
war nicht von den Gewerbemuseen und nicht von den Kunstschulen
ausgegangen, wo überall, während die neue Richtung Künstler und
Kunstfreunde schon mächtig anzog, noch die Tendenzen der voraus-
gehenden Periode mit ihrem Nachempfinden alter Stilarten sorgfältig
gepflegt wurden. Sie war von der grossen Kunst ausgegangen, vor
allem der Malerei, die in unseren Tagen wieder so herrlich aufblühte,
wie nicht seit den Tagen Rembrandts und Velasquez'; ihr war die
hohe Entwicklung der Technik begegnet, die bei ihren Eisenconstruc-
tionen, bei ihrem Schiffsbau und bei ihren Eisenbahnen die alten
Stilgebilde nicht mehr brauchen konnte. In England, wo die moderne
Malerei schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in Hogarth
ihren Begründer gefunden hatte, in England, von wo aus sich die
grossen technischen Erfindungen verbreiteten, hatte man schon zu einer
Zeit, wo im übrigen Europa der Zopfstil und das Rococo Geräth und
Möbel im Sinne der herrschenden Baustile umgebildet hatte, diese
Formen wenig beachtet, sondern zuerst das Möbel den modernen, sich
eben bildenden Bedürfnissen entsprechend construirt und dann im
Laufe diesesjahrhunderts eine Umbildung aller Geräthe und Ornamente
durchgeführt. So kann sich das ahrhundert an seinem Ende eines neuen
einheitlichen Stiles in hoher Kunst und in angewendeter Kunst erfreuen,
der wie in den alten Hochzeiten der Geschichte wieder die Künstler
und das geniessende Publicum zu einer grossen begeisterten Gemeinde
vereinigt.
Da wird es nun überall dort, wo man in den Kunstgewerbemuseen
hinter der modernen Bewegung zurückgeblieben war, nöthig sein, die
Sammlungen im Sinne dieser Bewegung zu ergänzen. Es wird für
jeden einzelnen Zweig der Kunstindustrie die Akme, die reichste Blüte
in seiner neuen Entwicklung aufzusuchen sein, mag sie, wie bei den
Möbeln in das England des vorigen Jahrhunderts oder wie in der
Keramik in das moderne Holland und Dänemark fallen; die besten
Muster in jedem Zweige müssen aufgesucht und als Typen vorgeführt
werden.
In der Mitte dieser Bewegung war ein merkwürdiges kunst-
geschichtliches Ereignis eingetreten. Die ostasiatische Kunst, wie wir
jetzt durch Forschungen hervorragender Gelehrter wissen, hatte sich
ursprünglich gerade so wie die abendländische durch Anregungen der
griechischen Kunst entwickelt. Im fünften und vierten Jahrhundert vor
Christus und wohl auch noch in der römischen Kaiserzeit waren
griechische Muster über Indien in den fernen Osten gewandert, dann war
der Zusammenhang unterbrochen worden und die Kunst hatte sich erst
in China, dann in Japan selbständig weiter entwickelt. Mit Staunen
sahen die Künstler, die in London und Paris an der Spitze der modernen
Bewegung standen, in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts, dass
Vieles, was sie anstrebten, die Japaner schon geleistet hatten, dass die
Japaner, ein Volk von so feinem Kunstsinne wie nur immer die alten
Griechen, der europäischen Kunstbewegung vorausgeeilt waren und
sich die Fähigkeit durch alle Zeiten gewahrt hatten, ihre Schmuckformen
direct aus der Natur zu holen. So waren die beiden Kunstströme, der
europäische und der ostasiatische, wieder in ein Bett zusammengelaufen.
Die ostasiatischen Sammlungen der Gewerbemuseen werden überall
auszugestalten sein, damit diese eigenartige Entwicklung der japa-
nischen Kunst begriffen werde und weiter anregend wirke.
Die Bedeutung, die für alle diese Bestrebungen das schöpferische
Individuum hat, das in die Natur hineingreift und sich aus ihrer breiten
Fülle die Muster zur künstlerischen Gestaltung holt, wird die Kluft,
die gerade die abgelaufene Periode der Nachahmung historischer
Stile zwischen Künstlern und Kunstgewerbetreibenden unnöthig
erweitert hatte, wieder schliessen, wenn die führenden Geister
der modernen Kunst, die modernen Maler, wie es schon in London,
in Glasgow, in Paris und zum Theile auch in München geschieht, zu
den Aufgaben der angewendeten Kunst herangezogen werden. Die
Folgen werden überraschen. Niemand ist vielleicht so sehr mit
dem mütterlichen Boden verwachsen, auf dem er entstanden, als der
wahre Künstler. Darum reden wir von einer florentinischen und vene-
zianischen Schule, von einer Schule von Nürnberg und Augsburg, weil
gerade in den grossen Meistern, die diese Städte erzeugten, der heimat-
liche Geist, der Genius des Ortes, wie ein guter Dämon lebte, der ihnen
seine Erfindungen eingab. So wird sich unter Einwirkung der
Künstler, und es ist das ja bereits vielfach geschehen, der neue Stil
überall der heimatlichen Weise nach etwas verschieden ausgestalten,
und bei aller Gleichheit der Tendenz wird ihm wie in den vergangenen
Jahrhunderten eine schöne Mannigfaltigkeit erst den rechten Wert
verleihen.
Dabei kommt nun zu Tage, dass wie in England, so auch aller
Orten die Elemente für sinngemässe Construction und für zartes Natur-
empfinden vorhanden waren; sie sind nur zurückgedrängt worden, und
man wird bei geschicktem Sammeln die heimischen Beispiele für die
Entwicklung auffinden, sie den bestehenden Sammlungen angliedem,
damit sie im heimischen Sinne weiter anregend wirken können.
Dann ist doch jede Nation, jedes Land, ja jede Provinz schon
durch ihre verschiedenen Bodenerzeugnisse auf gewisse Techniken
gewiesen. So hat zum Beispiel in den waldreichen Alpenländern
immer die Holzschnitzkunst geblüht und Österreich ist voll von
kirchlichen und weltlichen Schnitzwerken, die, oft von Künstlern
höchsten Ranges ausgeführt, in Gold und bunten Farben schimmern.
Auch Wien stand immer unter dem Banne dieser I-Iolzbildnerei.
Ein österreichisches Museum kann durch geschickte Auswahl auf
diesen Mittelpunkt des Kunsttreibens in den österreichischen Provinzen
hinweisen, in Originalen und Nachbildungen die jahrhundertlange
Bedeutung dieses Kunstzweiges erläutern, der von dern Altar Pachers
in St. Wolfgang, dem bedeutendsten Werke der deutschen Plastik, bis
zu den Consolen und Panneaux der Rococo-Schlösser führt.
Diese österreichische und die sich anschliessende bayerische Holz-
schnitzerei, die leider noch zu wenig gewürdigt und bekannt gemacht
sind, übertreffen an Technik und künstlerischer Durchbildung alles, was
anderswo in dieser Art gemacht wurde, und stehen thurmhoch über
der einförmigen Decoration am prachtliebenden französischen Hofe.
Eine solche Sammlung von heimischen Holzschnitzereien würde
die Vertreter der modernen Richtung auf diesen im Volke ruhenden
Schatz hinweisen, den Wetteifer erregen, durch seine erprobte Technik
belehren, so dass in Österreich wieder ein Kunstzweig erblühen könnte,
der einzig und weil anderswo der natürliche Nährboden, der in der
jahrhundertlangen Übung liegt, fehlen würde, unnachahmlich wäre. Das
nur als Beispiel. So wird sich bei der ortentwicklung der Aufgaben
die heimische Tradition und das heimische Bedürfnis von selbst in den
Mittelpunkt stellen. Man wird dann nicht mehr nach rhodischen Tellern
oder spanischen Schüsseln haschen, als wären sie der Betrachtung
allein wert, sondern auf das, was unsere Väter geschaffen, stolz
zurückblicken, und ihnen nicht durch Nachahmung, sondern durch
neue, unserer Zeit entwachsene Schöpfungen würdig zur Seite zu
treten suchen.
Die Kunstgewerbemuseen waren überall auf geschichtlicher Basis
gegründet worden, aber nicht so, dass man an eine Weiterentwicklung
der damals bestehenden Kunstfonnen gedacht hätte. Sondern, bei
aller Wandlung und Ausdehnung des Geschmackes der Winckel-
mann-Lessing'schen Periode gegenüber, hatte man von ihrer Grund-
idee, dass es musterhafte Kunstzeiten gab, die man einfach nachzu-
ahmen hätte, nicht abgelassen. Hat sich heute sogar die Pflege der
Geschichte als Wissenschaft völlig geändert, bleibt man nicht mehr
bei den Staatsactionen stehen, sondern sucht man durch ausgedehnte
Untersuchung aller historischen Lebensäusserung, der geistigen wie
der wirtschaftlichen, ein tieferes Eindringen in vergangene Zeiten zu
erlangen, so darf auch die Kunstgeschichte nicht stehen bleiben, nicht
als Künstlergeschichte und Geschichte der Stilarten weiter behandelt
werden, sondern sie muss sich, und dazu ist ja aller Orten der Anfang
schon gemacht, zu einer allgemeinen Formengeschichte ausweiten. Da
müssen die Kunstgewerbemuseen eintreten, wo seit lange schon für
solche Formengeschichte das Material aufgespeichert wurde. Wollen
wir logisch und sachlich vorgehen, so muss sie dies mit der Behand-
lung der Formengeschichte in den einzelnen Ländern beginnen. Dazu
wurde im Österreichischen Museum in Wien auf breitester Basis
der Grund gelegt. In dem letzten stillen Lustrum dieser Anstalt, als
man es immer wieder verschoben hatte, der neuen Kunstrichtung
Rechnung zu tragen, hatten zwei der Beamten des Museums, Custos
Masner und Professor Alois Riegl, den Plan gefasst, eine grosse Formen-
geschichte, wie sie sich auf österreichischem Boden abgespielt hat, zu
schreiben. Sie haben sich mit namhaften Gelehrten verbunden, alle
Hindernisse, die ihnen in den Weg gelegt worden, besiegt, und sind,
unterstützt von dem gegenwärtigen Unterrichtsminister, der die
Wichtigkeit dieser Aufgabe sogleich erkannt hatte, nun an der Arbeit,
die antike Periode und die Periode der Völkerwanderung zu behandeln.
Wird sich die Durchforschung der späteren Jahrhunderte und Stil-
perioden dem Begonnenen anschliessen, so wird man immer trachten
müssen, die Sammlungen des Museums als den Mittelpunkt zu erhalten,
von dem sich diese Studien weiter ausbreiten. Mit dieser That hat sich
das Österreichische Museum an die Spitze aller ähnlichen Anstalten
gestellt, denen es damit die Wege gewiesen hat. Ist einmal die
zunächstliegende Aufgabe, den neuen Stil in Osterreich zu recipiren
und fortzuentwickeln, gelöst, und es ist zu hoffen, bei der Energie, mit
der sie angegriffen, dass ihre Lösung bald gelingen wird, dann steht
20
das Museum geschult da für die Lösung einer anderen grösseren
Aufgabe. Im grossen und im kleinen wird es berufen sein, die Geschichte
der Heimat und ihrer Eriindungskraft zu erläutern und so in Verfolgung
der Absicht zu wirken, in der es gegründet ist, als Bildungsstätte für
das Volk im edelsten Sinne.
FELICIAN VON MYRBACH 54b VON H. E.
VON BERLEPSCH-MUNCHEN fo-
LLES Illustrationswesen, auch scheinbare
Abnormitäten, wie sie unsere Tage auf-
zuweisen haben, bietet ein Spiegelbild
der künstlerischen Zeitanschauung, denn
der Ursprung wird der Hauptsache nach
stets in der Malerei zu suchen sein. Das
Wirkungsfeld indessen ist ein ungleich
grösseres; denn das bedruckte Blatt fliegt
in alle entlegenen Erdenwinkel, weit weit
hinaus über den ziemlich engen Rayon,
innerhalb dessen Ausstellungen und Galerien ihren Einfluss fühlbar
machen. Ohne hier näher auf eine auch noch so kurze Entwicklungs-
geschichte des Illustrationswesens einzugehen, kann doch der Unter-
schied nicht unbetont bleiben, den der Stand der heutigen Schwarz-
Weisskunst", wo es sich um Massenauflagen handelt, gegenüber den
gleichen Resultaten aufweist, wie sie noch vor wenigen Decennien die
Welt befriedigten oder zu befriedigen suchten. Hier spricht ein Factor
mit, der bei der Malerei völlig in Wegfall kommt Die Verbindung
zwischen eigentlich künstlerischer Arbeit und den Erfindungen auf dem
Gebiete der Vervielfältigungsarten jeglicher Gattung. Die letzteren
ermöglichen heute ein directes Umsetzen der künstlerischen Arbeit
in Druckbereitschaft, ohne dass erst eine Mittelsperson, von der unter
Umständen das völlige Gelingen oder Misslingen abhängig ist, zur
Mitarbeiterschaft herangezogen wird. Der Kupferstecher, der Holz-
schneider, der Lithograph waren in den weitaus meisten Fällen die
Vermittler zwischen dem Urtext, wenn ich so sagen soll, und dem
Lesebegierigen. In ihre Hand war, ihrer Befähigung entsprechend, das
Wohl oder Wehe des künstlerischen Originals gelegt. Sie waren und
sind imstande, den künstlerischen Gehalt einer Arbeit bis zum Null-
punkte herabzudrücken; ebenso kann durch ihre Hand das Geringe
und das Mittelgut auf eine Stufe gehoben werden, die es präsentabel"
"au"... 1....; ""15, 5mm auäcacucu vuul Aylugfäplltll, 21118111 SCHUH
davon ab, wie z. B. die zeichnerische Übertragung auf den Holzstock
Studie aus Dalmatien
vor sich ging. War der erfindende Künstler und das ist bei sehr vielen
der Fall gewesen nicht in der Lage, sein Werk selbst für den Holz-
schneider in die entsprechende Zeichen-Technik zu übertragen, so
ging seine Arbeit vor dem Drucke durch die Hand zweier Interpreten.
Was dann von individueller Ausdrucksweise übrig blieb, hing rein nur
von diesen beiden ab. Seit die Photographie hier überall eingriff, ist
es wesentlich anders geworden. Sie gibt die Handschrift so wie sie ist,
nicht besser, nicht schlechter, vielleicht oft etwas abgeschwächt davon
später, sie ist zum zwingenden Umstand für das Facsimile geworden.
Sie hat aber nicht bloss nach dieser Seite eine Umwälzung fundamen-
taler Art nach sich gezogen, sie hat auch in unzähligen Fällen den
Künstler selbst, ob er es wollte oder nicht, in neue Bahnen gedrängt.
Über den guten oder gegentheiligen Einfluss der Photographie
auf die Kunst im allgemeinen sich auszulassen, ist dies nicht der
Ort. So viel steht fest, dass sie dem illustrirenden Künstler, und mit
diesem haben wir es hier in allererster Linie zu thun, zu ungleich
schärferer Beobachtung der Wirklichkeit zwang, als sie früher gang
und gäbe war. Freilich, ein Menzel zeichnete seine Illustrationen zum
Leben Friedrichs des Grossen schon mit einer sozusagen photographi-
schen Schärfe, lang ehe die Camera in den Dienst des Illustrators trat.
Aber Menzel war eben Menzel und neben ihm gab es keinen anderen
von gleich scharfem Beobachtungsvermögen für die gesammte
Erscheinungswelt. Heinrich Lang, der geniale Zeichner, stellte
Bewegungsmomente am Pferde fest, deren Richtigkeit später durch
die Momentphotographie erwiesen wurde, indes sind solche Fälle
äusserst selten geblieben. Das künstlerische Benützen der Photographie
erst hat zu manchem geführt, was vordem einfach nicht existirte; es
hat vor allem den Anstoss zu einer verallgemeinerten Präcisirung der
Form gegeben und damit die Ansprüche speciell im Gebiete des
Illustrationswesens nach vielen Seiten hin erhöht. Wir geben uns
heutzutage, zumal wo es sich um ganz concrete Erscheinungen
handelt, nicht mehr mit dem ungefähr so", wie es noch vor dreissig
Jahren genügte, zufrieden; wir verlangen scharfe Charakteristik und
wäre sie auch nur durch ein paar Striche gegeben, wir verlangen sie
selbst da, wo kein actueller Gegenstand vorliegt. Was andere Zeiten
durch die unausgesetzte Schulung des Auges erreichten, wir gewannen
es ein wenig schmeichelhaftes Factum wieder durch die Ver-
mittlung des maschinellen Sehens. Daraus ist nach und nach eine
Rückwirkung auf das künstlerische Sehen starke Individualitäten
gingen natürlich trotzdem ihre eigenen Wege, indes sind sie ja
Ausnahme-Fälle" überhaupt entstanden, die den diesbezüglichen
Producten unserer Zeit litterarische nicht ausgenommen, denn auch
da spielte die photographische Wiedergabe ihre Rolle einen ganz
bestimmten Stempel aufdrückt. Man sehe illustrirte Zeitschriften der
Fünfziger- und Sechziger-Jahre gegenüber den Leistungen unserer
Tage an. Der Unterschied im Sehen und in der Wiedergabe des
Gesehenen muss dem schlichtesten Verstande auffallen. Was für
wesentlich andere Anschauungen über die Bewegungen von Mensch
und Thier haben sich entwickelt gegenüber den früheren! Es sei nur
an das eine Factum erinnert, dass manche neuere Reiterstatuen
Bewegungen zeigen, die sich an der Hand fortlaufender Moment-
aufnahmen, wie sie z. B. Anschütz machte, als durchaus falsch
erwiesen, so dass wenn z. B. eine Schrittbewegung dargestellt werden
sollte, sie in der That einen bestimmten Moment des Galoppes
freilich unfreiwilligerweise darstelltf" So wenig nützlich die
Photographie dem Unerfahrenen ist, der in erster Linie Zeichnen
lernen sollte, ein so vortreffliches Erinnerungsmittel ist sie für den
reifen Künstler geworden, der seine Erinnerung mit ihrer Hilfe
wesentlich zu beleben imstande ist, sofern ihm nicht ein geradezu
phänomenales Erinnerungsvermögen, wie es z. B. Böcklin besitzt,
beschert wurde.
Es wurde vorhin gesagt, die Anwendung photographischer Pro-
ceduren gebe in manchem Falle trotz der Facsimile-Reproduction
ein etwas abgeschwächtes Bild des Originals. Das ist in erster Linie
da der Fall, wo tonige Zeichnungen in Tonwerte für Reproduction
maschinell umgesetzt werden. Die manuelle Umsetzung, durch Holz-
schnitt, erlaubt die Wiedergabe aller Tonwerte, vom tiefsten sammt-
artigen Schwarz bis zum höchsten Licht. Das thut die Autotypie nicht,
kann es nicht thun, aus rein technischen Gründen. Selbst ihr höchstes
Licht bleibt, sofeme nicht geschabt wird, Ton; ihre Tiefen aber be-
kommen nie die saftige Sattheit des mit Tusche oder Schwarz behan-
delten Originals. Ähnlich verhält es sich mit der Heliogravure, die
ohne manuelle Nachhilfe selten ganz gute Resultate liefert. Das sind
Schattenseiten der Reproductionsverfahren, ohne Zweifel. Indes hat
Der Amerikaner Muybridge hat nach dieser Seite hin eine ganze Reihe antiker Momente
untersucht. Durch seine Feststellungen an der Hand solcher Suiten von Momentphotographien ist
dargethan, dass hier die Thierbewegungen durchwegs richtig aufgefasst sind. Er sagt in einem seiner
Vorträge Von all den antiken Reiterüguren, die ich in Bezug auf die Richtigkeit des Bewegungs-
mcrnents, zu controliren imstande war, hat sich keine als fehlerhaft erwiesen, ebenso wenig jene der
grossen Renaissance-Meister, wogegen die neueren Reiterstandbilder in dieser Hinsicht fast durch-
wegs grobe Fehler aufweisen. Das Reiterstandhild König Ludwig I. zu München z. B., das scheinbar
eine ruhige Gangart des Pferdes zeigt, ist, wenn man der Sache auf den Leib rückt, eigentlich in einem
Moment schärfster Carriere dargestellt unfreiwillig, denn der Bildhauer wusste ganz einfach nicht,
was er machte. Die beiden ruhig neben dem reitenden König hergehenden Pagen müssten, wenn sie
wirklich Schritt mit dem Pferde halten wollten, rennen wie besessen". Dies nur ein Beispiel.
24
hier die Anwendung der Farbe, das heisst
des Farbendruckes wiederum Dinge er-
laubt, wodurch dergleichen Unzukömm-
lichkeiten, zum Theile wenigstens, para-
lysirt werden. Eine etwas graue Tiefe
gewinnt durch Überdruck von Blau,
Roth, Grün ungemein, und so sieht man,
vielleicht nicht in letzter Linie, aus den
angeführten Gründen, heute bei der
Buchillustration die Anwendung von
farbigen Drucken weit häufiger als früher;
ist es doch unter Anwendung von drei
Tönen allein, Schwarz abgerechnet,
schon möglich, eine riesige Erscheinungs-
Steigerung zu erzielen. Dem Künstler ist
also dadurch ein Weitergeben als es das
Schwarz-Weiss" allein erlaubt, wesent-
lich erleichtert.
Durch die solcherArt gewonnene Er-
leichterung der Herstellung illustrativer
Beigaben ist aber eine gewisse Gefahr
erwachsen, welche direct den innerlichen
Gehalt der künstlerischen Arbeit be-
triHt. Es gibt Verleger genug, die
nicht nach den besonderen künstle-
rischen Neigungen des Illustrators
fragen und jeder hat doch mehr oder
weniger solche sondern im Geschick,
womit ein Thema behandelt ist, die Be-
fähigung erblicken, alles, sei es wess Inhalt
es wolle, zu bemeistem. Wie heillos dabei
neben das Ziel hinaus geschossen wird,
davon erzählt keine Illustratoren-Er-
scheinung stärkere Stückchen, als jene, die
man wie einen Halbgott ansah, Dore. Seine
bestechende Mache half den Verlegern über
alle Scrupel hinweg. Die Folge davon war eine ganze lange Reihe
höchst unglücklich ausgefallener Dinge. Ist er mit seinen tollen
Phantastereien in den Contes drolatiques von Balzac geradezu unüber-
trefflich, so wirkt seine Behandlung anderer Stoffe, deren volles
Verständnis eine gewisse tiefe Empfindung an und für sich schon
Studie zu Life of Napoleon"
Studie zu "Life of Napoleon", Chasseurs de la Garde
voraussetzt, geradezu abstossend. Das nämliche wiederholt sich auch
in anderen Fällen. Man möchte das Goethe'sche Wort Eines
schickt sich nicht für Alle" hier beinahe umkehren und sagen Alles
schickt sich nicht für Einen." Aber was fragt der Unternehmergeist
nach solchen Dingen! Vermagst Du Dich an den Autor und seine
geistige Art anzuschliessen oder nicht, das bleibt sich gleich, wenn
Deine Arbeit nur pikant unter Umständen heisst es auch züchtig",
siehe deutsche Familien-Journale, oderbillig", siehe ebenda ausfällt"
das ist leider, leider in den meisten Fällen die ausschlaggebende
Anschauung der Verleger, die von ihrem Publicum das Gleiche
halten, was der Theater-Direötor im Vorspiele zum Faust vom
seinigen sagt. Man muthet dem illustrirenden Künstler in einem
Athemzuge zu, sich dem Lyriker ebenso anzuschliessen als dem
Dramatiker, die Figuren des Romanciers, der bestimmte Gesell-
schaftskreise schildert, ebenso präcis in den eigenen Beobachtungskreis
zu ziehen, wie jene des Schilderers militärischer Vorgänge. Und zu dem
allem muss er Landschafter sein, muss die architektonischen Formen
aller Stile an den Fingern herzählen können, und muss obendrein
schnell arbeiten! Wie viele Glückliche gibt es, die all diesen Dingen
zu entsprechen vermögen?
FELICIAN VON MYRBACI-I ist einer der Wenigen. Die Zahl
der von ihm gelieferten Arbeiten auf allen möglichen Gebieten ist eine
unglaubliche, der Reichthum des dabei geoffenbarten Könnens steht
damit auf gleicher Höhe. Den Schlüssel hierzu bietet vielleicht die
Entwicklung des Künstlers, der eigentlich einem der Kunst weit abge-
wandten Stande angehörig, den nächstliegendsten, den strengsten
Pflichterfordernissen ebenso nachzukommen wusste, als er dabei sein
ideales Ziel im Auge behielt. Myrbach war Linien-Oßicier von Beruf,
Künstler von Geburt. Der letztere behielt die Oberhand, ohne dass
der erstere einfach ohneweiters hatte fallen gelassen werden können.
Aus solch widerstreitenden Lebensumständen pflegen gewöhnlich
andere Resultate hervorzugehen als da, wo das vorgesteckte Ziel die
einzige Richtschnur abgibt, zumal wenn obendrein die materielle Frage
des Lebens keine Schwierigkeiten beut.
Es ist eine nicht zu leugnende Thatsache, dass der weitaus
grössere Zugang zu jenen Berufskreisen, die man später mit mehr
oder weniger Recht Künstler" nennt, sich nicht aus Elementen
zusammensetzt, an denen eine gute Vorbildung starke Spuren hinter-
lassen hat. Das sind Umstände, die selbst dem I-Iöchstbeanlagten
zeitlebens anhaften bleiben und seinen Arbeiten, ohne dass er es selbst
merkt, ein gewisses unverwischbares Timbre geben. Freilich liegt die
Marchä aux Heurs, Paris
Zeit nicht weit zurück, wo es beinahe als Programmnummer wahren
Künstlerthums galt, alles was ausser dem Bereiche des Pinsels liegt,
mit einer gewissen Verächtlichkeit zu behandeln, ja mit einer gewissen
Ungeschliffenheit und Bildungslosigkeit zu kokettiren. Dass in solchen
Kreisen Künstler nicht grossgezogen werden, denen sich der Horizont
stetig erweitert, ist klar. Hat Sir Joshua Reynolds in seinen aka-
demischen Reden auch manchmal Dinge gesagt, die wir heute durchaus
nicht mehr bedingungslos unterschreiben würden, in Bezug auf das,
was er vom Einflüsse wirklicher Bildung auf die Kunst und deren
Vertreter sagte, wird er immer Recht behalten.
Was die Entwicklung unseres Künstlers betrifft, so lässt man
ihm wohl am besten selbst das Wort. Er schreibt an den Verfasser
dieser Zeilen
Geboren bin ich im Februar 1853 in einer kleinen galizischen
Stadtf deren Orthographie mir heute noch immer bei Ausfüllung eines
Polizei-Meldezettels die grössten Schwierigkeiten macht, woraus zu
entnehmen, dass ich kein Pole, sondern von deutscher Herkunft bin.
Schon im neunten Jahre wurde ich zur militärischen Laufbahn
bestimmt, trat mit elfen dann in das I-Iainburger Cadetten-Institut,
wurde jedoch schon zwei jahre vorher von einem Feuerwerker
mein damaliger Meister ist heute General zu den militärischen
Studien vorbereitet. Das war gewiss gründlich und gut gemeint und
dennoch gründlich verfehlt. In Hainburg fungirten als Aufseher und
Erzieher k. k. Feldwebel. Einen davon, dessen Erscheinung
jeden herausgefordert hätte, zeichnete ich. Man erwischte die
Zeichnung und schleppte mich vor den Inspections-Officier, der die
Klage des Feldwebels anhörte, dann laut auflachte, die Ähnlichkeit des
Conterfeis mit dem Original lobte und das Heft unter den Officieren
der Anstalt circuliren liess. Vor allem der Zeichenlehrer nahm ein
Das Städtchen heisst Zaleszczyki.
grosses Interesse an der Sache, und ich war damals schon fest
überzeugt, dass dies mein eigentlicher Beruf sei. Weiter also drei
Jahre Hainburg, dann vier Jahre Wiener-Neustädter Militärakademie.
Gelernt musste werden und eigentlich hatte ich das grösste Ver-
gnügen, wenn ich strafweise mit meinen Kameraden nicht zum Spiel-
platze gehen durfte. Dann war ich ja allein im weiten Classensaal und
konnte schmieren und componiren, dass es nur so eine Freude war.
Im Jahre 1871 wurde ich als Lieutenant in ein Jäger-Bataillon aus-
gemustert, kam in die Nähe Wiens in Garnison und erinnere mich
noch lebhaft an die wonnigen Stunden, welche ich verbrachte, als ich
infolge eines Stiefeldruckes während dreier Wochen das Zimmer hüten
musste. Da konnte ich doch ungestört malen. Der Dienst liess mir
übrigens immer Zeit übrig, in der ich meiner Neigung nachzugehen
Gelegenheit fand. Auf der Wache wurde immer gezeichnet, und als
ich im Sommer 1872 an das Militär-Geographische Institut berufen
wurde, bot sich mir gleichzeitig Gelegenheit, als Gast" in die
Wiener Akademie der bildenden Künste einzutreten. Der Dienst bean-
spruchte nur die eine Tageshälfte. Ich zeichnete nach dem Act unter
Professor Eisenmengers Leitung, in dessen Specialschule, obschon
gleichzeitig noch Ofiicier, ich später Aufnahme fand. Dieser glückliche
Zustand nahm ein Ende, als ich im Jahre 1875 nach Dalmatien
commandirt, wieder echter, rechter Truppenofficier wurde. In Spalato
richtete ich mir für die langen Winterabende einen kleinen Actsaal
ein. Mit zahlreichen kleinen Peüoleumlampen, an einem von der Decke
niederhängenden Stricke befestigt, wurde die Beleuchtungsfrage gelöst.
Meine Modelle waren Jäger, die mit ihrer Thätigkeit nach dieser
Seite hin manchen schlechten Witz verbanden. Glücklicherweise
war die Sache dem Commandanten nicht nur kein Dorn im Auge, er
interessirte sich vielmehr für mein Streben und munterte mich auf.
So konnte ich, abgesehen von den abendlichen Studien nach dem
Nackten, auch sonst eine Masse von Natur-Studien in diesem so
eigenartigen, oft über alle Massen farbenprächtigen Lande machen.
Das Jahr 1878 brachte den Feldzug gelegentlich der Occupation
Bosniens und der I-Iercegovina. Ich machte ihn mit, wurde bald
nachher als Zeichen-Lehrer an die Wiener Cadettenschule berufen
und trat nun abermals bei Eisenmenger ein. Da entstand mein erstes
Bild Die Feuerlinie des 19. Jäger-Bataillons im Gefechte von
Kremenac". Das Bild, obwohl im Künstlerhause sehr hoch gehängt,
wurde vom Kaiser bemerkt und sogleich angekauft, natürlich auch
in den Blättern besprochen. Der unerwartete Erfolg machte mich
während zweier Tage förmlich krank. In der Specialschule des Thier-
ihmdiuvzm? mnu 0222m
malers Huber trieb ich dann speciell Pferdestudien und malte
daneben ein Bild Episode aus der Einnahme von Sarajewo",
ohne Pferde notabene. Das Bild war weniger gut als das erste. Ich
verliess dann Wien und zog im Spätjahre 1881 nach Paris, um dort
drei Jahre zu bleiben. Schon nach einem Jahre wollte ich zurück, aber
ich hatte kein Geld, blieb also, und zwar sechszehn Jahre dort. 1883
stellte ich im Salon ein grösseres Bild Am Boulevard St. Michel" aus
und hatte Erfolg. Es war damit indes noch etwas verbunden,
das geradezu ausschlaggebend für mich wurde. Ich lieferte nämlich
für den illustrirten Katalog eine Zeichnung; nun kamen mit einem-
male Illustrationsaufträge, und zwar bald in solcher Menge, dass ich
zum Malen keine Zeit mehr fand. Im Paris illustre" erschienen die
ersten solchen Arbeiten, dann aber kamen Bücher, Bücher und wieder
Bücher dran. Das ist etwa, was ich von mir selbst zu berichten habe".
Im October 1897 wurde der Künstler als Professor an die Kunst-
gewerbeschule des Österreichischen Museums berufen, hat mithin
sein Domicil wieder und hoffentlich endgiltig in der Heimat auf-
geschlagen.
Myrbach ist der Self made man" im besten Sinne des Wortes,
eine Natur, die sich durch nichts irre machen liess und mit einer
Zähigkeit und Ausdauer ohnegleichen seine Zeit ausnützte, seiner
Kraft die rechten Wege selbst bahnte. Er wusste nichts von jenem
laisser aller", das so manchem als die unbedingte Begleiterscheinung
künftigen Künstlerthums dünkt. Dass rastloses Arbeiten allein zum
Ziele führe, ist eine Wahrheit, die leider so vielen gerade in jenen
Jahren verborgen bleibt, wo die Natur am andauemdsten Anstren-
gung erträgt, und wo das Fundament gelegt werden muss, das sich
in späteren Jahren nur schwer oder gar nicht mehr legen lässt.
Vielleicht, wahrscheinlich sogar, ist es für Myrbach ein Glück gewesen,
dass er den akademischen Drill nicht von bis durchgemacht hat,
sondern ein gut Theil der Zeit ganz und gar nur auf seine eigene
Beobachtungsgabe verwiesen war. Dadurch wurde er selbständig.
Er hat nicht durch die Brille eines anderen, sondern mit eigenen, mit
kerngesunden Augen sehen gelernt. Er hat keine Schulbilder gemalt,
denen man auf die Entfernung hin schon den Einfluss des Lehrers
ansieht. Seine Haupterzieherin war die Natur. Wenn er seine Soldaten
ausschwärmen, vorwärts springen, Deckung suchend sah, so sah er
nicht bloss die Erscheinung im grossen Ganzen, er sah vielmehr die
Körperbewegung in ihrer Ursächlichkeit; daher resultirte bei ihm
schliesslich jenes leichte Concipiren und Arbeiten, das nur dem gegeben
ist, der versteht und rasch ergreift". Das aber lernt man nicht im
Atelier allein machten doch die griechischen Künstler ihre Studien
auch hauptsächlich in der Palaestra und im Gymnasien. Dieses stete
Beobachten, das zur zweiten Natur geworden, spricht sich deutlich in
Myrbachs sämmtlichen Arbeiten aus. Es bildet zusammen mit den
Erwerbsresultaten eingehender Einzelstudien den Grundstock seiner
Ausdrucksweise. Er hat das völlige Erfassen einer Situation, die blitz-
schnelle Erkenntnis dessen, worauf es ankommt, zu einer unglaublichen
Höhe gesteigert und dies allein befähigte ihn, in so vielseitiger Weise
sich auszudrücken, als er es gethan. Er ist Zeichner, ja, aber überall
drängt sich die malerische Empfindung, das Begreifen der Tonwerte in
den Vordergrund, sonst wäre bei Ausführung seiner Arbeiten sicherlich
nicht der Pinsel sein Lieblingsinstrument. Nicht als ob er etwa Scheu
vor dem Strich, vor der präcisen, zugespitzten Ausdrucksweise hätte.
Eine Unzahl seiner mannigfaltigen Studien landschaftlicher wie figür-
licher Art hat er, den Stift in der Hand, vor der Natur gemacht. Hatte
er aber auf diese Weise den Grundzug, das Wesentliche sich ange-
eignet, was hätte ihn dann abhalten sollen, das Erworbene in frei
malerischer Weise zu geben? In der Kunst muss jeder selbst am
besten wissen, was ihm taugt, alle Principienreiterei ist von Übel.
Wie etwas gemacht ist, das bleibt ziemlich gleichgiltig, die Haupt-
sache ist, dass es gut gemacht sei und den Nagel auf den Kopf treffe.
Myrbach ist ein durch und durch moderner Künstler. Er geht in
allererster Linie der Wesenheit der Sache auf den Grund, er betont
bei aller malerischen Auffassung immer das Charakteristische, das
Ausschlaggebende, wobei ihm ein Reichthum von Detailstudien der
mannigfachsten Art zur Seite steht, der ihn aber nie dazu verleitet,
sich ins Detail zu verlieren. Er weiss die Richtigkeit des Einzelnen
stets dem Ganzen im wahren Verhältnisse unterzuordnen, weil er nie
den Grundgedanken aus dem Auge verliert. Das allein schon hebt
ihn hoch über das Durchschnitts-Niveau. Was hat er nicht allein
an Uniformstudien aller Art zusammengebracht, die für Schilderungen
aus dem Soldatenleben vergangener Zeit zur unumgänglich noth-
wendigen Bedingung wurden. Er hat daraus aber keine Requisiten-
Malerei gemacht. Die menschliche Erscheinung in ihrer den zwingen-
den Umständen entsprechenden Art ist ihm immer Hauptsache
geblieben. Das aber lernt man nicht wie das Abc, es ist vielmehr eine
Parallel-Erscheinung zum Zuge des Charakters, der, allen hindernden
Umständen trotzend, einem gesteckten Ziele zustrebte. Der weniger
Starke bleibt am Einzelnen hängen, es wird ihm zum Bleigewicht,
das er nicht abzustreifen vermag. Seine Arbeit sinkt herab zur
Tiftelei.
Eine der ersten grösseren Il-
lustrationsarbeiten, die Myrbach
übertragen wurde, betraf Daudets
Tartarin de Tarascon" 1887 und
Tartarin sur les Alpes". Fürwahr,
die Aufgabe war nicht leicht,
handelte es sich doch nicht schlecht-
weg darum, gewisse vom Schrift-
steller geschaffene Situationen ein-
fach bildlich auszubeuten, sondern
jenem durch beide Bücher sich
ziehenden ebenso humorvollen, als
satirisch scharfen Tone künstlerisch
Ausdruck zu geben, darin jenes
gewisse Etwas festzuhalten, was
der Autor schon durch das Motto
En France tout le monde est un
peu de Tarascon" als Grundzug
seiner Arbeit charakterisirt hat, jenes bald schärfere, bald mildere
Geisseln eines durchgehenden Charakterzuges einer ganzen Nation,
der nun, wie soll ich sagen im starken Auftragen", das sich bis
zum Karikaturenhaften steigert, besteht. Eine Art von modernem
Don Quichote, im Grunde ein braver, aber überspannter Kerl,
ist Tartarin unter seinesgleichen nicht so sehr auffällig als überall da,
wo er sich fremder Eigenart gegenüber gestellt sieht. Äusserlich
fehlen ihm jene traditionell gewordenen Charakteristika, die den
edlen Ritter von der Mancha komisch erscheinen lassen, ob er im
Hemd oder Harnisch auftritt. Tartarin ist ein wohlgenährter Klein-
städter und macht sich erst zur Karikatur durch all das Zeug,
womit er sich umgibt und womit er der eigenen Person Relief zu
verschaffen bestrebt ist. Myrbach hat diesen Umstand in absolut
richtiger Weise erfasst. Er outrirt nicht, wo es sich um den Helden
der Geschichte handelt, er gibt ihn vielmehr in seiner komischen
Bonhomie, voll von falsch aufgefasstem I-Ieldenthume. Der Künstler
hat in kluger Weise den Autor nicht zu übertrumpfen versucht, er
accompagnirt ihn decent und lässt ihm die leitende Stimme. Die
Register seines Könnens, die er da gezogen, sind nicht surcharges",
nicht in bombastischer Weise betont.
Myrbach hat eine ganze Reihe weiterer Arbeiten Daudets mit
Illustrationen geschmückt. Überall derselbe feine Zug des Verständ-
nisses für den Autor, überall eine Liebenswürdigkeit der Arbeit, die
jesuitenkirche in Rom
33
beim ersten Blicke für sich einnimmt. Es waren nacheinander die
Werke Sapphoß 1887, Trente ans de Paris", 1887, L'Immortel",
Femmes d'artiste" und Jack", 1889, Rois en Exile", 1890, La
Menteuse", 1893, Les Meres" 1896, dar-
unter einige wenige, wo er sich mit anderen
,';,..
Bahnhof Charing Grcss in London
Künstlern, so mit Rossi,
in die Arbeit theilte.
Daudet sagte einmal zu
Myrbach Ich verlasse
mich in jeder Beziehung
auf Ihre Auffassung, denn mit den Büchern, welche von Ihnen illustrirt
sind, habe ich immer Glück gehabt." Kein Wunder! Mit einem
höchst seltenen Geschick des Vortrages verbindet Myrbach z. B.
eine Kenntnis des Chic der Damenwelt, wie ihn selbst viele
französische Künstler nicht wieder zu geben wissen. Das will für
einen Deutschen etwas heissen. Myrbach ist der Darsteller par
excellence der Pariser Gesellschaft geworden.
Ins Jahr 1888 fällt die illustrative Bearbeitung von Victor Hugos
Notre Dame de Paris", der Geschichte jenes Zigeunermädchens
Esmeralda, das schliesslich dem Henker in die Hände gerieth. Neben
Myrbach waren Rossi, Bieler, Falguiere dabei thätig. Bedeutsamer
als diese unter verschiedene Künstler vertheilte Arbeit ist eine andere,
die ihm ganz allein zufiel. Es ist Madame Chrysantheme" von
Pierre Loti, jenes reizende Buch, in dem der geistreiche Marine-
Officier Eindrücke und Erlebnisse während eines längeren Aufenthaltes
in Japan schildert. Er heiratet für die Zeit seiner Anwesenheit ein
Kind des Landes, um im stündlich directen Verkehr seine Kenntnis
von Land und Leuten die er übrigens auch in den Japoneries
d'automne" niedergelegt hat möglichst schnell zu erweitern, die
ihn zu dem Schlussresultate bringen ce japon, comme aux petits
bons hommes et bonnes femmes qui Yhabitent, il manque decidement
je ne sais quoi d'essentiel. On s'en amuse en passant, mais on ne
s'y attache pas."
Der Wechsel der Scenen ist reich, überreich, immer wechselvoll,
t0uj0urs bizarre", immer gegensätzlich zu den Empfindungen eines
Europäers. Diesen Stoff illustrativ zu bezwingen, ohne aus eigenem
Augenschein schöpfen zu können, ist keine Kleinigkeit. Myrbach
hat sich der Aufgabe glänzend ent-
ledigt durch Studien, die er an japa-
nischen Bildern gemacht hat. Es gibt
wohl kaum ein aussereuropäisches
Volk, das unserem Verständnis durch
bildnerische Werke aller Art so nahe
gerückt ist, wie das japanische;
ungezählte colorirte Bilderbogen
und Bücher geben Aufschluss über
Haltung, Tracht, Hauseinrichtung,
Landschaft u. s. w. Für den Illustrator
hiess es nun ganz einfach, sich völlig
in dieseWelt einleben, ihr die charakte-
ristischen Seiten abgewinnen und
daraus etwas Neues schaffen, was bei
aller Festhaltung des Bezeichnenden
doch dem entspricht,was derEuropäer
Studie aus Leeds im weitem Sinne unter Illustration
Seebad Margate
versteht, denn das Verständnis für japanische Originale ist nicht in so
weite Kreise gedrungen, als man vielleicht voraussetzen könnte.
Myrbach hat hier ein Meisterstückchen geliefert. Sein Studienmaterial
belebte sich, er sah mehr als lediglich das fremdländische Gepräge
solcher Äusserungen. Man braucht nur eine Reihe kleiner land-
schaftlicher Bilder zu betrachten, so tritt das feine künstlerische
Verständnis für diese uns so weit entrückte Welt deutlich hervor.
Er copirt nicht japanische Originale, sonst wären seine Zeichnungen
unfreier, vielmehr setzt er seine Pinselzüge hin, als wären sie vor der
Natur entstanden.
Wiederum in eine ganz andere Sphäre hatte er sich bei dem 188g
erschienenen Romane von Edmont About Tolla" einzuleben. Der
Inhalt des seinerzeit viel besprochenen und mit Unrecht als ein Plagiat
bezeichneten Werkes, dessen verrückter Einband-Umschlag in Relief-
Sammet einen höchst merkwürdigen Begriff von dem gibt, was man
in Frankreich für einen Luxusband hält, ist eine Geschichte aus der
römischen Gesellschaft der Vierziger-Jahre unseres Säculums. Die
höchst üppige illustrative und durchwegs in brillanten Holzschnitten
von Ch. Barbant, Ch. Baude, Clement Bellenger, Florian Panne-
maker, Leon Rousseau und Ruffe ausgeführte Ausstattung rührt
die reizenden Vignetten von A. Giraldon abgerechnet durchwegs
von Myrbach her, dessen ganz eminentes Können sich auch hier
im glänzendsten Lichte zeigt. Gesellschaftsbilder, Familienscenen und
dergleichen malerisch zu geben, ihre Alltäglichkeit von der interessan-
ten Seite anpacken zu können, ist der Prüfstein künstlerischer Befähi-
gung oft in weit höherem Masse als die Darstellung pikanter oder
dramatisch bewegter Sujets. Myrbach hat die Sache mit dem ihm
eigenen Blick fürs Richtige erfasst und künstlerisch zu formen gewusst.
Es würde zu weit führen, sollten hier all die umfangreichen
Arbeiten, die bald als Begleiter novellistischer Schöpfungen, zu
Romanen P. Bourget, Mensonges", Cosmopolis" u. s. w., zu
poetischen Werken wir nennen hier die Oeuvres completes" von
Francois Coppee mit dreihundert Zeichnungen, zu Reise-Ein-
drücken Sketches of England by Myrbach Villars oder zur
Ausstattung von jugendschriften bei I-Iachette erschienen entstanden,
einzeln namhaft gemacht werden. Das ist Aufgabe eines Biographen,
der sich detaillirt mit dem ganzen Lebenswerke des Künstlers befasst.
Dagegen aber sei zum Schlusse in nachdrücklichster Weise jener
Schöpfungen Erwähnung gethan, wo Myrbach ganz und gar in seinem
Element ist, wo man so zu sagen auf Schritt und Tritt Reminiscenzen
seines eigenen Lebens auftauchen sieht, jener Schöpfungen nämlich,
wo aus ihm nicht der Interpret der Gedanken anderer spricht, sondern
eigene Erfahrung. Es sind die Arbeiten des Soldatenmalers Myrbach.
So lange er zweifarbig Tuch trug, war sein Sinn, dachte er an
Erreichung von künftigen Zielen, nicht in erster Linie darauf gerichtet,
sich selbst einmal, den Federnhut auf dem Kopfe, die Linien der
Regimenter entlang sprengen zu sehen. Und dennoch hat diese Zeit
die allerstärksten Eindrücke bei ihm hinterlassen. Er kennt den
Soldaten, wie ihn nur einer kennen kann, der selbst vom Handwerk ist
und alles das mit durchlebt hat, was gerade für diese Welt eigenartig
und bezeichnend ist. Wie viele Soldatenmaler gibt es, wie wenige sind
aber darunter, deren Werken die künstlerische Wärme den Stempel
des Selbsterlebten gibt. Mit Uniformen und Waffenstücken allein
malt man noch keine leibhaftigen Soldaten, ebenso wenig wie
man Marinestücke und Mariniers malt, wenn man sich an Schiffs-
modelle halten muss und Statisten als Theerjacken herhalten müssen,
die ebenso zufällig dazu kommen, den Matrosen zu spielen wie sie
ein andermal zu einem Mönch, einem Landsknecht, einem Wilddieb
oder einem Heiligen Modell stehen. Die naiven alten Meister malten die
Belagerung von jerusalem durch Titus oder ähnliche Dinge unbe-
fangener Weise, indem sie da Karthaunen spielen und die römischen
Centurionen im geschlitzten Wams des XVI. Jahrhunderts aufmar-
schiren liessen. Das war wenigstens wirklich naiv. Sieht man aber
zuweilen gewisse moderne Soldatenbilder an, so spricht hieraus für
jeden, der diese Atmosphäre einmal gründlich genossen hat, die volle
Unkenntnis dessen, was den Soldaten ausmacht. Kaiser Wilhelm I.
37
soll einmal, als er eine grosse Leinwand, auf der eine Attake preussischer
Kürassiere zu sehen war, sah, gesagt haben Stattliche Leute das,
können auch tüchtig reiten, jeder für sich. Aber für so eine Attake würde
ich mich bedanken. Das ist ja das reinste Tirailleur-Gefecht." jeder
Knopf, jede Schnalle, jede Borte sass am rechten Fleck und doch war's
kein Bild, das soldatischen Begriffen entsprach. Das betrifft aber nicht
bloss die Richtigkeit des Taktisches-W, es betrifft auch gar oft die
Einzel-Erscheinung. Der eigentliche Soldat ist eine andere Erschei-
Auf den alten Wällen von Chester
nung als das erste beste Modell, dem man eine Uniform anzieht.
Myrbachs Soldaten sind Soldaten, weil er selbst einer war und im
fortwährenden Verkehr die tausend kleinen Züge, die charakteristi-
schen Bewegungen zu beobachten Gelegenheit hatte, die dem Unein-
geweihten einfach entgehen. Seine Arbeiten sind durchzogen von jenem
Hauche echt soldatischen Geistes, ohne den man einmal keine
typischen Erscheinungen solcher Art schafft. Detaille und de Neuville
haben selbst unter'den Fahnen gestanden und Pulver gerochen,
deshalb athrnen ihre Bilder etwas von der Wirklichkeit. Genau
S0 ist es bei Myrbach. Seine Soldatenfiguren haben etwas Über-
zeugendes, es sind keine Gliederpuppen, denen man das Gewehr an
die verdrehten Finger womöglich festgebunden hat und denen die
Uniform am Leib schlottert, weil kein Lebewesen darunter sitzt. Eines
aber ist äusserst charakteristisch für die Auffassung so vieler Situationen
Es ist das vorzügliche Verständnis für das Verhältnis von Figuren-
Erscheinung und Terrain, wie denn überhaupt die Auffassung des
Räumlichen bei allen Arbeiten Myrbachs eine äusserst zutreffende,
präcise ist. Eine Figur, eine Reihe von Figuren, eine Colonne richtig
ins Terrain hineindenken", das ist für gar viele Maler eine ernsthafte
Klippe.
Eine der ersten Leistungen Myrbachs auf diesem Gebiete -Skizzen
und Studien aus der eigenen Militärzeit abgerechnet dürfte
wohl die Darstellung österreichischer Soldatentypen in den Cahiers
d'enseignement" sein. Bald nachher folgte das Buch von A. Danzer
Unter den Fahnen, Die Völker Österreich-Ungams in Waffen".
Hier gab er, was ihm aus eigener Anschauung in Fleisch und Blut
übergegangen, Figuren, mit denen er selbst so oft in Berührung
gekommen war. Sie sind aus dem Leben gegriffen. Genau denselben
Eindruck aber gewinnt man anderen Arbeiten seiner Hand gegenüber,
die er mit einer geradezu erstaunlichen Lebenswahrheit hinzusetzen
verstanden hat.
Die Ereignisse der Jahre 1870 und 1871 haben in Frankreich eine
ganze Litteratur von kriegerischen Reminiscenzen wachgerufen, um
dem heutigen Geschlechte zu sagen Schaut, so schlugen sich Eure
Vorfahren. Macht es ihnen nach, wenn für Euch die Stunde da sein
wird." Es handelt sich nicht bloss um' den Cultus jener nationalen
Figur, die, für Frankreich bezeichnenderweise une femme", bei-
nahe National-Heilige geworden ist, der Pucelle d'Orleans nämlich,
sondern um eine ganze Reihe von Erzählungen Unbekannter, die bei
diesem oder jenem Regiment eingereiht, die Feldzüge zur Zeit der
ersten Republik und Napoleon I. oder spätere mitgemacht haben.
Da ist in erster Linie das von Frederic Masson herausgegebene
Werk Aventures de Guerre. Souvenirs et recits de Soldats".
Der Herausgeber sagt ausdrücklich, es sei ihm durchaus nicht darum
zu thun, allgemein Bekanntes zu recapituliren und die ganze Trocken-
heit der ofiiciellen Geschichtsschreibung in erneuerter Auflage zu
bringen. Vielmehr habe es sich für ihn darum gehandelt, jene oft
namenlosen, manchmal die Thatsachen untereinander werfenden
Stimmen zu hören, die ein weit charakteristischeres Zeitbild abgeben
als Generalstabs-Berichte. Was diese Leute die Soldaten erzählen,
ist ein Abbild ihrer selbst; es gibt die Seele, den Geist, der ihre
Kameraden durchzog, es schildert den Glauben an das, um dessent-
willen sie sich schlugen, es gibt ihre Anschauung über Leben und
Sterben."
Kaiser Franz Joseph und FM. Erzherzog Albrecht auf dem Manöverfelde
Es hat ja natürlich für den Künstler, zumal wenn er selbst Soldat
gewesen, eine weitaus grössere Anziehungskraft, solchen Spuren zu
folgen, als sich mit der bekannten Sorte von Generalstabs-Malerei
abzugeben, die eigentlich mehr Repräsentations-Bilder als eigentliche
Schilderungen ausschlaggebender Momente verlangt, wohl ein Grund,
weshalb der grosse deutsche Feldzug in Frankreich so zu sagen
keine namhaften künstlerischen Resultate im Gefolge hatte, während
auf französischer Seite eine grosse Reihe vorzüglicher Arbeiten
entstand, die sich freilich weniger mit dem" manchenorts unum-
gänglichen Personen-Cultus als mit der Sache selbst befasste. Wo
nun der einzelne Soldat sein Schicksal, seine Erfahrungen erzählt, ist
für den Künstler weitaus mehr zu holen, weitaus mehr Anregung als
sonstwo. Und so hat denn auch Myrbach die Sache von einer Seite
anzufassen gewusst, welche auf den ersten Blick die Intimität mit dem
Stoffe verräth; beim Lesen dieser einfachen, schlichten Erzählungen
muss sein eigen Soldatenherz ja wohl geschlagen haben. Wo es sich
um tapfere, brave Kerls handelt, ist der Soldat viel gerechter als der
gewöhnliche Mensch Er lässt auch dem Feinde Gerechtigkeit wider-
fahren und ist weit von jener Gehässigkeit entfernt, die den hinterm
Ofen sitzenden patriotisch gesinnten Schreiber kennzeichnet. Tiefer
in die einzelnen Charakterfiguren einzudringen, als Myrbach es bei
Schilderung dieser Helden der Revolutionsarmeen gethan, hätte wohl
kaum ein Franzose selbst fertig gebracht. Die von Myrbach hier
gegebenen Erscheinungen sind Franzosen, nicht x-beliebige andere
Menschen, es sind Kinder jener Zeit, sie tragen nicht bloss die damals
übliche Tracht und es ist ein wahres Vergnügen, diese Erzählungen zu
durchblättern.
Nicht weniger gilt dies von einem anderen Werk, soweit es
wenigstens den Antheil der Myrbachschen Zeichnungen betrifft
Souvenirs du Capitaine Parquin 1803 1814", ebenfalls von Masson
herausgegeben. Auch da volle l-Iingebung an den Stoff, starkes
persönliches Mitempfinden. Ein drittes Buch, von Maxime du Camp
verfasst und Bons coeurs et braves gens" betitelt, culminirt ebenfalls
in soldatischen Erinnerungen. Myrbach hat auch das köstlich zu
illustriren verstanden.
Eine der umfangreichsten Arbeiten dieser Art, die Myrbach
geliefert, ist das für das Century-Magazine" New-York geschaffene
Life of Napoleon BonaparteßnVor kurzem ist ein anderes grosses
Werk des Künstlers an die Öffentlichkeit getreten Verlag von
F. Tempsky, Wien und Prag. Es betrifft einen Kriegshelden seiner
Heimat und trägt den Titel Feldmarschall Erzherzog Albrecht". Eine
von Artaria in Wien zu untemehmende Ausstellung von Aquarellen
wird speciell den Soldatenmaler Myrbach in seiner Thätigkeit
zeigen.
Soll nun ein Resume gezogen werden? Es ist kaum nöthig. Dass
es sich um einen der vielseitigsten modernen Künstler handelt,
wenn man von Myrbach spricht, ist nach dem Gesagten selbstver-
ständlich.
ENGLISCHE MÖBEL SEIT HEINRICH VII.
THRONBESTEIGUNG I. S0 VON HUNGER-
FORD-POLLEN-LON ON S0
Nachstehenden sei der Versuch ge-
macht, die Entwickelung des englischen
Möbels vom Schlusse des Mittelalters
an bis zur Zeit Georg IV. darzulegen.
Es zeigt sich dabei von vomeherein als
richtiger, die verschiedenen Moden und
Veränderungen unter den einzelnen
Herrschern einer Betrachtung zu unter-
ziehen, als dieselben nach Jahrhunderten
zu behandeln.
Jeder neue Regent gibt der Nation gewisse Impulse; die Hoffnung
auf günstige Veränderungen belebt alle Herzen. Das Handwerk
darunter das des Möbelerzeugers sieht neuem Erwerbe entgegen,
man wagt es, Neues zu schaffen, hoffend, dass ein junger Herrscher
manches neu haben wolle.
In der That waren die Könige aus dem Hause Tudor und deren
Nachfolger führend auf dem Gebiete der Mode. Ein glänzender Hof-
staat umgab sie und in der einen oder anderen Richtung wurden die
Moden des Hofes zu jenen des Volkes und des Landes.
Die imJahre 1896 vom Londoner Science- and Art Departrnent
inscenirte Möbelausstellung bestand zumeist aus Stücken, die hohe
Staatsfunctionäre und Private dem Museum für diesen Zweck zur
Verfügung stellten. Sie umfasste die Zeiten der Tudor-Souveräne
Heinrich VII., Heinrich VIII., Eduard VI., Marie und Elisabeth, von
1487 bis 1603. Der Mehrzahl nach waren es aber Gegenstände aus
dem XVI. und XVII. Jahrhundert, ein ansehnlicher Theil aus der Zeit
von 1701 bis 1820. Aber schon zu weit früheren Zeiten hatte man in
England Prunkmöbel im Gebrauche.
Heinrich VII. bestieg 1487 nach der Schlacht von Bosworth,
in welcher Richard III. sein Leben verlor, den Thron. Mit dem Tode
Richards fand das Feudalsystem sein Ende, während die Bürger-
kriege der beiden Rosen durch den Sieg des Hauses Lancaster zum
Abschluss gebracht wurden.
Nicht allein der Kampf hörte auf, es gab auch keine Dynastie
mehr, die des Königs Rechte bekämpfen konnte. Die Ausrottung des
alten Feudalsystems gab seiner Herrschaft völlige Sicherheit. Die
Schreckensherrschaft und Zwangsvorschreibungen des Bürgerkrieges
hatten die alten Familien ruinirt. Heinrich VII. trug dafür Sorge, dass
die Kopfzahl des Gefolges der grossen Lords eine gewisse Höhe
nicht überschritt, er selbst aber wurde, da er diesen Massregeln
durch schwere Geldbussen Geltung verschaffte, reicher als irgend
einer seiner Vorgänger.
Er war supremer Herr, ohne Furcht vor den kleinen, aber
doch rasch zu vereinenden Armeen, welche den Bürgerkrieg leicht
machten; seine Herrschaft war eine solche des Friedens, er konnte
Bauten aufführen und für deren innere Ausstattung sorgen, wie es
ihm beliebte.
Vor Heinrichs Zeiten konnten die königlichen Höfe nur wenig
erwerben, was als Erbstück an die Nachwelt übergegangen wäre; ein
nur selten unterbrochener Zustand des Kampfes kennzeichnete diese
Zeit. Daher musste die Wohnungseinrichtung leicht zu packen und
Tisch, Eichen, um 16m
zu transportiren sein." Allerdings war auch zu
Kriegszeiten ihre Ausstattung meist prunkvoll.
Die Zelte wurden mit flämischen Gobelins
behangen, die man in Eichenkisten rnit sich
führte. Froissart erzählt, der Duke of Lancaster
empfing den König von Portugal zwischen
Monacal und Malgaco in seinem Zelte, das mit
Gobelins aus Arras behangen war, als ob er
sich in I-Iertfort, Leicester oder irgend einem
andern seiner Edelsitze befunden hätte.
In Friedenszeiten zogen die mittelalter-
lichenKönige von einem Landeigner zum andern
und consumirten seine Producte an Ort und
Stelle. Auch sandten sie Aufträge an die Sheriffs,
damit man Fürsorge für die Beschaffung dessen
treffen konnte, was in dem einen oder andern
Schlosse oder Landsitze nicht aufzutreiben war.
So kam es, dass die Schätze des Haushaltes
Stuhl, Eichen, um 1520
Lady Beaurnont
unserer früheren Könige, in Gold- und Silbergefässen und sonstigem
beweglichen Eigenthum bestehend, häufig Verwandten vermacht
werden konnten und in Kriegszeiten nicht selten völlig verschwanden.
Was hier von Königen und Prinzen gesagt wird, gilt auch für den
Feudal-Adel und die Eigner der alten Schlösser, von welch letzteren
so manche noch bestehen, die
heute mit jedwedem modernen
Comfort ausgestattet, nur selten
Überreste mittelalterlicher Möbel
und Geräthe aufzuweisen haben.
Von wirklich mittelalterlichen
Möbeln besitzen wir in England
nur wenige Stücke. So sei der
Krönungsstuhl in der Westminster-
Abtei genannt, ein Stück, in Eichen
ausgeführt, mit hohem Giebel, im
Rücken von zwei schmalen Zinnen
flankirt, ehedem von zwei Löwen
überragt, die Seiten getäfelt, das
Ganze ehemals vergoldet und be-
malt, vielleicht auch mit farbigem
Glase eingelegt. Dieser Stuhl gehört
dem XIII. Jahrhundert an. Ein ganz
Armstubl, Nussholz, um 1650
merkwürdiges Stück von Holz-
schnitzerei, ein eichenes Truhen-
brett, wurde vom South Kensington-
Museum angekauft; es hat keinerlei
architektonischen Schmuck, sondern
trägt die Darstellung der Legende
vom heiligen Georg und dem
Drachen in Holz geschnitzt. Der
Ritter trägt die Bewaffnung aus
dem XIV. Jahrhundert, Sattel
und Zaumzeug gehören derselben
Periode an; die Scene stellt ein
felsiges Terrain mit wilden Thieren
in ihren Höhlen dar, ferner die Stadt
Memphis mit König und Königin,
aus zwei Fenstern herabschauend.
Der Ausdruck jeder der Personen ist mit lebendem Realismus zur
Darstellung gebracht. Moderne Akademiker würden das Object als
kindisch in der Composition bezeichnen, gleichwohl zeigt es intelligente
Beobachtungsgabe, kühne und geschickte Darstellung im Stile jener
Zeiten; und urtheilt man nach dem Gegenstande der Darstellung, so
lässt sich vermuthen, dass diese Truhe dereinst Kleidung und juwelen
enthalten haben möge, die einem Ritter des Garter St. George
gehörten. Die Sacristei der Kathedrale von York birgt einen Kasten
mit ähnlichen Holzschnitzereien.
Der Juwelenschrank Richards von Cornwall, welcher lange Zeit
im Schatze zu Aachen aufbewahrt war, befindet sich dermalen in
Wien; er gehört der ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts an, ist
von Eichenholz, mit schmiedeeisernen Drehbändem, Schloss und
Klammern, und mit Metallbeschlägen versehen, auf welchen sich
ernaillirte heraldische Schilder befinden."
Abgesehen von Fragmenten von Holzschnitzerei dieser Art, von
welchen noch mehrere Stücke da sein mögen, und den alten, in Land-
kirchen noch vorhandenen Truhen, die zur sicheren Aufbewahrung
der Kirchenbücher dienten, kommen Möbelstücke der alten Zeit in zu
geringer Anzahl vor, um uns eine fortlaufende historische Darstellung
zu geben.
Was unseren modernen Comfort betrifft, so war er unseren
Vorfahren aus dem XV. und sogar XVI. Jahrhundert vollkommen
unbekannt; die Sitze des Speisesaales waren gepolsterte Bänke, die
Schreibtisch, Mahagoni, um 1790
Bock, Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, Appendix 45.
sehenen Thronhimmel oder
einem auf einem Rahmen
gespannten Stück Staats-
Tuch" iiberdeckte. Auf ein
Trompetenzeichen nahmen
die Gäste platz, die Diener
boten die Speisen kniend
dar. Das Essen bei grossen
Bankets wirkte grossartig
durch die Masse und durch
die Art einzelner Speisen,
Werke culinarischer Kunst;
aber von dem, was wirCom-
fort nennen, war wenig zu
sehen. Das Leben war von
der Art, wie man es im Lager
führte.
Heinrich VII. war der
erste unserer englischen
Könige, der eine neue Art
des täglichen Lebens ein-
führte. Er richtete seine
Paläste ein, kaufte Bilder,
errichtete eine Bibliothek. Er
berief italienische Künstler
und nahm sich wahrschein-
lich die zeitgenössischen
Fürsten von Italien zum
Muster. Gleichwohl wies
seine Zeit eine ausgezeich-
Bücherschrank, Mahagoni. um 1750 UndervSecretary
uf Stare for India
nete Schule von englischen I-Iolzschnitzern auf, die über das ganze
Land verbreitet waren. Die Chorstühle in der Westminster-Abtei
aus der Zeit Heinrich VII. sind inländische Arbeit, ausgezeichnet in
ihrer Art.
Wie die italienischenFiirsten nahm Heinrich dieRenaissance in den
Luxuskiinsten auf. Bis in das XVII. Jahrhundert herab finden wir den
Wettstreit zwischen dem neuen classischen Geschmack und der
älteren Gothik. Die Mischung der Stile charakterisirt sowohl die
häusliche Architektur als auch die ornamentale Decoration vom Ende
des XV. Jahrhunderts, durch das XVI. und XVII. bis zu den Tagen
Karl I. Während des grösseren Theils dieser Periode behielt der alte
Stil seine Geltung, mit einer Beimischung modernen Geschmacks.
In der grossen Halle
von Hampton-Court,
ebenso im Wolsey-
College und in Oxford
fühlt man sich in das
Mittelalter zurückver-
setzt. Andererseits
wieder liess Hein-
rich von Torregiano,
einem Zeitgenossen
Michelangelos, den
Entwurf zu seinem
eigenen Denkmal und
dem der Königin in
der Westminster-
Abtei, im Stile der
classischen Renais-
Armstuhl und Stuhl, Nusshulz, um 1770 South Kensington-
Museum sance zeichnen und
ausführen. Es besteht
aus Figuren, die auf reich verzierten Sarkophagen mit Engeln liegen,
das Ganze von einem Gitter umgeben. Das Material ist vergoldete
Bronze.
Die während der Regierungen Heinrich VII. und Heinrich VIII.
gebauten Häuser sind Vorläufer der Elisabethinischen Bauten der
Renaissance. Compton Winyates in Warwickshire und einzelne Theile
von Haddon I-Iall in Derbyshire stammen aus der erstbezeichneten
Epoche. Beide I-Iäuser bedecken eine grosse Fläche. Zu den Zimmern
führen kurze Treppen. Sie haben mehr den Charakter der Colleges
in Oxford und Cambridge und von Inns of court, den Collegien für
urisprudenz in London, als den der mehr compacten Anordnung der
Elisabethinischen Periode, welche sich für das Familienleben geeigneter
zeigte. Das hervorragendste dieser Gebäude ist I-Iampton-Court an der
Themse. Von Cardinal Wolsey gebaut, wurde es Heinrich VIII. zum
Geschenk gemacht, der nun selbst wieder Anbauten machte. Die
älteren Theile konnten, nach dem Stil zu schliessen, hundert Jahre vor
Wolseys Zeit erbaut worden sein. Es hat. einen kirchlichen Charakter,
muss aber bei der Ubergabe an Heinrich schon prunkvoll eingerichtet
gewesen sein. Welcher Art war wohl die Einrichtung? Darüber haben
'fl
wir nur ganz fragmentarische Nachrichten. Auf Rath des veneziani-
schen Gesandten sendeten die Signori orientalische Teppiche, um den
Cardinal bei Laune zu erhalten und um günstige Bedingungen für
den Import nachVenedig zu
erhalten.
Zerstreute Notizen
über die Höfe der beiden
I-Ieinriche finden sich in den
Publicationen der Gesell-
schaft der Antiquare. In
denselben berichtet man
über Heinrich VII. Bett;
dasselbe hatte eine, jede
Nacht frisch gefüllte Ma-
tratze, ein Federbett,
Decken,Tücher vonRaynes
Rennes in England. Die
Vorhänge zeigten reichen
Stoff und betreffs des Aus-
breitens der Decken be-
standen genaue Vor-
schriften. Die äussere Decke
war aus Hermelin und
anderem Pelzwerk ange-
fertigt.
Manchmal hingen Bett-
vorhänge von'den Decken-
Balken herunten Bett" Toilette-Tisch, Saiinholz, um xßoo, mit Bildern von
Statt waf mituntgf ging Angelica KauEmann W. H. Spottiswoode Esq.
Art Truhe mit einer Ein-
fassung oder Galerie um den Deckel herum. Das Bett Richard III.,
des letzten Königs aus dem Hause York r487, war eine Kiste, auf
deren Grund das Geld, welches er während der Reise mit sich führte,
in einem geheimen Fach aufbewahrt war. Lange Zeit war es zu
Bosworth aufbewahrt, wo er die Nacht vor seinem Tode zubrachte.
Das Geld 300 Pfund, für damalige Zeiten eine grosse Summe
bestand in Gold und führte ein ahrhundert später zu einem grau-
samen Mord.
Die grossen Edelsitze hatten Hallen, grosse Refectorien, in denen
die Eigenthümer Gastfreundschaft übten; die I-Iäuser selbst führten
damals und viele führen auch heute noch die Bezeichnung Hall".
qu
In diesen grossen Räumen sind die mächtigen Holz-Giebel die
imposantesten Theile. Es sind dies keine Erfindungen der Tudor-Zeit.
Der Giebel von Westminster Hall ist um ein Jahrhundert älter. Durch
eine zweckentsprechende Anordnung der kleineren Theile wird das
grosse Gewicht des Eichendaches bis auf die halbe Höhe der Wände
des Gebäudes heruntergebracht. Die hölzernen I-Iauptträger sind in
Form geflügelter Engel geschnitzt, die das Ganze zu halten scheinen.
Der Giebel zu Westminster ist das prächtigste Bauwerk dieser Art im
Lande; aber auch in vielen der grossen Hallen des XVI. Jahrhunderts
finden wir Giebel ähnlicher Art, wenn auch klein in den Dimensionen
und von geringerer Pracht.
Ohne einigerrnassen mit diesen Constructionen bekannt zu sein,
ist es nicht leicht, sich einen richtigen Begriff von der in Rede stehenden
Periode zu machen.
Bis hinauf in die Zeit der Tudors hatten die älteren Hallen eine
Feuerstelle in der Mitte und eine Laterne am Giebel darüber, die
einen Rauchfang vertreten sollte. Penshurst Kent und die Schulhalle
in Westminster haben diese Centralfeuerstelle beibehalten. Mit den
Königen aus dem Hause Tudor kamen die Feuerungsstellen in der
Wand und halbclassische geschnitzte Verkleidungen in die Mode. Wir
finden sie in Häusern der Tudor- und der Elisabethinischen Zeit in
grosser Mannigfaltigkeit und was Grösse und Pracht betrifft, in ver-
schiedenen Abstufungen. London in seinen älteren Theilen wies viele
Stücke solcherArt auf, von denen einige sich jetzt imSouthKensington-
Museum befinden.
Bank, Mahagoni, um 1770 South Kensington-Museum
DER WEIZERSAAL
GRAZ iß VON K. LACH
49
ZU
NTER der stattlichen Reihe altsteirischer
Original Wohnräume unseres neuen
steierrnärkischen culturhistorischen und
Kunstgewerbe-Museums kann der aus
dem Schlosse Radmannsdorf in Weiz
stammende Prunksaal als das bedeutend-
ste Werk bezeichnet werden.
Der Saal gelangte im Erdgeschosse
des Museums unverändert zur Aufstellung
und bildet nun daselbst den Kernpunkt
jener zahlreichen Sammlungen, welche den vornehmsten historischen
Besitz des Landes Steiermark zur Darstellung bringen. Aber auch
im Vergleiche mit den im Lande noch vorhandenen Resten einstigen
Kunstschaffens kann der Weizer Saal als ein würdiger und charakte-
ristischer Repräsentant jener Prunkgemächer angesehen werden, wie
solche die Frührenaissance in grösserer Anzahl in den Schlössern der
Steiermark erstehen liess, der allen anderen gegenüber noch den
grossen Vorzug seiner nahezu vollständigen Erhaltung aufweist.
Das Schloss Radmannsdorf dürfte schon um 1550 wahrscheinlich
durch den Schöpfer des Grazer Landhauses Domenico de Lalio unter
Otto von Radmannsdorf erbaut worden sein, während die Ausstattung
unseres Prunkgemaches erst vierzehn Jahre später und, wie wir
noch sehen werden, von deutschen Meistern erfolgte. Das Schloss
wechselte des öfteren seinen Besitzer, gelangte im XVII. Jahrhundert
an das Jesuiten-Collegium und verblieb ihm, bis der Orden im
Jahre 1773 aufgehoben wurde, worauf es unter die Herrschaft der
Staatsgüter-Administration kam.
Als ich im Jahre 1875 diesen gänzlich unbeachteten Schatz des
im übrigen vollständig für Kanzleizwecke der k. k. Bezirkshauptmann-
Schaft umgestalteten Schlosses auffand, diente der Saal als Rumpel-
kammer und enthielt das alte Actenmaterial des genannten Amtes und
in einer Ecke aufgeschlichtet die Reste des Archivs der Marktgemeinde
Weiz. Der vornehmste Schmuck des Saales, seine Holzdecoration
war noch nahezu vollständig erhalten. Alle Holztheile waren grau, die
Thüren überstrichen und von den schönen Intarsien war für das unge-
übte Auge nichts zu sehen. Nur eine Säule und ein Theil der umlau-
fenden Bank fehlten erstere war einige Tage vor meiner Ankunft
zu Brennholz verarbeitet worden. Die Fenster zeigten noch die gut
erhaltenen alten Umrahmungen aus Kalkstein, wie sie Dom. de Lalio in
Steiermark inaugurirt hatte, also auch die ursprünglichen Lichtquellen
waren noch erhalten, den Eingang flankirte ein Steinportal und an
verschiedenen Stellen konnte nach Entfernung einiger Farbschichten
die ursprüngliche Bemalung der Wände entziffert werden.
Es gelang mir, diesen Saal, ein schönes Beispiel deutschen
Gewerbefleisses, vor dem Untergange zu retten und in seiner
ursprünglichen Gestalt im neuen Museum dem Lande zu erhalten,
wobei ihm auch nach aussen hin durch die Verwendung der
erwähnten Steinarbeiten sein Charakter gewahrt blieb.
Bei einer Höhe von 3'g Meter beträgt die Länge des Saales
8'83 Meter und seine Breite 8'o5 Meter; der übereck angebaute,
geräumige Erker ist 2'58 Meter tief und 2'55 Meter breit. Der Saal
enthält nach zwei Seiten je zwei flachbogige Nischen, jede derselben
mit einem Doppelfenster, während der Erker ein grosses Doppel-
fenster und zwei seitlich angebrachte kleinere Fensterchen aufweist.
Sein Holzschmuck besteht aus einer Cassettendecke, zwei Thüren
mit bis zur Decke ausgebildeten Thürumrahmungen, einem Wasch-
kästchen, einigen Wandschränken, einem in zwei Drittel der Saal-
höhe umlaufenden Gesimse und der Bank. Die Fensterpartien und
die Wände oberhalb des Gesimses sind durch Malerei belebt, während
die Wände vom Gesimse abwärts bis zur Bank mit einer Stoifver-
kleidung versehen sind. Letztere wurde einem alten Muster nachge-
bildet, während die Malereien nach meinen Aufnahmen zur Ausfüh-
rung gelangten.
Der ursprüngliche Ofen war nicht mehr vorhanden. Doch war
sein Standort genau ersichtlich und fand sich im Schlosse Poppendorf
bei Gnas ein entsprechendes Stück, das zwar erst um 1650 ausgeführt,
jedoch gewiss aus älteren Formen hergestellt war, die noch der Mitte
des XVI. Jahrhunderts angehören dürften. Die Decke ist aus fünfzehn
grösseren Cassetten, neun Kreuztheilungen und zwölf rechteckigen
Zwischenfeldern, jene des Erkers aus vier Cassetten gebildet. Die
grösseren Cassetten enthalten in der Mitte je eine reich profilirte
Rosette, während die Kreuzfüllungen gedrehte Zapfen enthalten. Die
rechteckigen Zwischenfüllungen sind mit aufgelegten Steinen, von
einer eingelegten Perlenschnur umgeben, geziert. Die Decke ruht auf
einem kräftig gegliederten Gesimse mit eingeschobenen geschnitzten
Eichenholz-Consolen. Dabei gelangten folgende Holzarten in An-
wendung Für sämmtliche Friese Eibenholz, für die Kehlleisten Linden-
holz, für die Füllungen der Cassetten Lärchen- mit Einfassungen aus
51
Nussholz, die Steine der kleinen Füllungen sind aus Lärchen- und
die Urnrahmungen derselben aus gebranntem Bim- und Ahornholz.
Den beiden Fensterwänden
stehen zwei Wände mit reich aus-
gebildeten, bis zur Decke reichen-
denPortalen gegenüber. Neben den
edel gehaltenen Architekturformen
bildet den I-Iauptschmuck aller
Holzarbeiten ihre künstlerische Be-
lebung durch das Flachornament.
I-Iolzintarsien füllen nicht nur alle
grösseren Flächen, auch die Säulen
am Unterbau der Portale sind
vollständig eingelegt, wobei die
glückliche Vertheilung der ver-
schiedenen Holzarten eine male-
rische Wirkung erzielt.
Das Portal, dem sich ein
Waschkästchen anreiht, ist aus
folgenden Holzarten angefertigt
Der Grund des Unterbaues und Intarsia-Füllung aus dem Weizersaal
jener der Säulenpostamente, so-
wie sämmtliche profilirte Leisten sind aus Eichenholz, während die
Leisten der Thüre aus Lindenholz gefertigt sind; die Füllungen und
die Säulentrommeln enthalten auf einem Grunde aus Ahomholz
Intarsien aus Nuss-, Eiben-, Birn- und Erlenholz; die Eichenholz-
consolen des Gesirnses erheben sich auf einem Friese aus ungarischem
Eschenholz; an dem Aufsatze sind der Grund, die Gesimse, sowie
alle Leisten aus Erlenholz, die Säulchen und die mit Nussholz-
einlagen umrahmten Füllungen des Gesimsfrieses aus ungarischem
Eschenholz; die Füllungen enthalten auf einem Grunde aus Ahom-
holz Einlagen aus Nuss-, Eiben- und Birnholz. Der rechtsseitige
von den beiden, das zweite Portal flankirenden Wandschränken
weist eine Thür zum Herabklappen auf, welche in horizontaler Lage
auf einer Eisenstange ruhend als Anrichttisch gedient hat. Er
zeigt folgende Vertheilung des Holzes Der Grund des Unterbaues
Nuss- und jener der Säulenpostamente Eichenholz, sämmtliche
profilirte Leisten, auch die der Thüre des Gesirnses, sowie die an
denselben befindlichen Consolen sind aus Erlenholz, der Fries
zwischen diesen Consolen zeigt Eschenholz mit Eibenholzeinlagen,
die übrigen Füllungen enthalten theils ungarisches Eschen-, theils
Ahornholz mit Einlagen aus Nuss-, Erlenmaser-, Eiben- und Birnholz;
an dem Aufsatze sind der Grund und sämmtliche profilirte Leisten
aus Erlenholz, die Säulentrommeln und der Fries des Gesimses
ungarisches Eschenholz mit Einlagen aus Eibenholz; die kleinen
Füllungen bestehen aus gebranntem Birnholz mit Ahomholzeinlagen,
während bei dem grossen Mittelfelde Ahorn- mit Nuss-, Eiben- und
Bimholz verwendet wurde.
Die Wandkästchen sind im Grunde aus Nussholz und in
ähnlicher Holzvertheilung eingelegt wie die beschriebenen Portale;
ebenso der mit einem Zinneinsatze versehene Waschkasten. Das
fortlaufende Wandgesimse ist aus Eichenholz mit einem Friese aus
Ahornholz mit Nussholzeinlagen. Die Bank ist aus Fichtenholz mit
einem eingelegten Streifen aus Nussholz und mit gedrehten Füssen
aus Lärchenholz.
Eine Thüre trägt die Jahreszahl 1563. Die charakteristische
Erscheinung, dass hierzulande an der Grenze deutscher und italienischer
Der Weizersanl im Museum zu Graz
Cultur das kunsthandwerkliche Schaffen sich vollständig im Geiste
der süddeutschen Stammesgenossen bewegte, während die Architektur
zumeist unter italienischer Führung stand, findet sich auch an unserem
Weizer Schlosse bestätigt.
Auf den muthmasslichen Erbauer des Schlosses Domenico de
Lalio wurde schon hingewiesen; die Meister der I-Iolztäfelungen nennt
uns die in einem Sockel überlieferte Aufzeichnung M. eister
Nicolaus Keuthel von Lundershausen nae bey I-Ieldrungen gelegen
im lantt zu Doeringen gelenn hat mich gemacht I. 5. 6. 4. Michael
Czschidnich von Cametz aus Ober Lausnitz hatt mich gemacht
anno 15 im 64 Jahr."
KULNISCHE SIIEINZEUGKRUGE VON
o. v. FALKE-KÖLN
Steinzeuges hat die Stadt Köln, die der
ganzen Ware während der Blütezeit
dieser Industrie ihren Namen geliehen
hat, bisher nur eine sehr bescheidene
Rolle gespielt. Die Thatsache, dass in
Köln selbst im XVI. Jahrhundert braune
Steinzeugkrüge mit künstlerischer Ver-
zierung hergestellt worden sind, war
zwar durch verschiedene Krugfunde und
namentlich durch die Aufdeckung eines Töpferofens in der Komödien-
strasse mitsammt seinem Ausschusslager im jahre 1890 ausser Frage
gestellt worden. Aber einerseits schien es, da die damals nur unge-
nügend durchforschten Quellen des Archivs keine Aufschlüsse darboten,
sich nur um eine vereinzelte Erscheinung zu handeln, andererseits war
die Mehrzahl der damals gefundenen Krüge in Hinsicht ihrer Ver-
zierung nicht von hervorragender Bedeutung. Sie gehörten vorwiegend
zu jener mit Bartmasken, Akanthuslaub, Medaillons und Eichenranken
geschmückten Gattung, die noch heute allgemein, wenn auch ohne
Beweis, dem bei Köln gelegenen Töpferort Frechen zugeschrieben
wird. Bei der geringen Zahl der nachweislich kölnischen Denkmäler
konnte noch M. L. Solon, der in seinem vortrefflichen Werke The
ancient Art Stoneware" London 1892 zuletzt das rheinische Steinzeug
zusammenhängend behandelt hat, der Anschauung huldigen, dass die
kölnische Werkstatt nur einer vorübergehenden Niederlassung von
Raerener Töpfern ihre Entstehung verdanke. Der kölnische Betrieb
war für ihn nur ein Versuch, die in Raeren bereits blühende Steinzeug-
industrie in die Grosstadt zu übertragen. Aber auch Solon war bereits
das Missverhältnis aufgefallen zwischen der Bedeutung Kölns als eines
Mittelpunktes im Kunstleben des Rheinlandes und der anscheinend so
geringfügigen Betheiligung der Stadt an einem Kunstzweige, der im
XVI. und XVILJahrhundert mit Recht und besonders durch den Handel
Kölns sich eines Weltrufes erfreute. Die Erkenntnis dieses Miss-
Verhältnisses hat Solon die vorschauende Vermuthung äussern lassen,
dass vielleicht weitere Funde in Köln unsere Kenntnis über den
Ursprung und die Erfindung des braunen, salzglasirten Steinzeuges
erschüttern oder selbst umwerfen würden. Diese Umwälzung der
bisherigen Anschauungen ist in der That eingetreten. Die Veranlassung
bot die neuerliche Ausgrabung eines alten Töpferofens in der
Maximinenstrasse, die ihrerseits wieder eine eingehendere Durch-
arbeitung der archivalischen Quellen zur Folge hatte. Die Ausbeute
war nach beiden Richtungen über Erwarten ergiebig.
Die Ausschusslager und Scherbengruben der Werk- in
statt in der Maximinenstrasse haben eine Sammlung
von über hundert Steinzeugkrügen neben zahl-
reichen Scherben zu Tage gefördert, die dem
städtischen Kunstgewerbe-Museum zu Köln ein-
verleibt werden konnten. Die Sammlung ist so reich
an Krügen ersten Ranges und so ausserordentlich Dmilw Abbildung
vielseitig an ornamentalen und figürlichen, zum
grossen Theil noch ganz unbekannten Verzierungen, dass die stadt-
kölnische Steinzeugindustrie, wenn auch nicht in commercieller, so
doch in künstlerischer Hinsicht auf eine Stufe mit derjenigen der
berührnteren Betriebscentren Sieg-
burg und Raeren zu stellen ist.
Obwohl es nicht den Anschein
hat, dass die Fundstücke den ganzen
Formenschatz der Kölner Werk-
stätte lückenlos wiedergeben, er-
hält man aus dern Vorhandenen
doch ein deutliches Bild der gang-
barsten und daher am häufigsten
hergestellten Gattungen. Die
eigentliche Massenware der Fa-
brik, die sich auch ausserhalb
des neuen Fundes in zahlreichen
Exemplaren erhalten hat, bilden
neben den ganz unverzierten oder
nur mit Bartmasken auf sonst
glatter Fläche ausgestatteten Ge-
fässen die Krüge mit aufgelegten
Eichenranken oder Rosenzweigen
in unendlicher Variation der Blatt-
und Blütenfonnen. Die ältesten
Exemplare, zu welchen die beiden bekannten Krüge mit dem
Stammbaum Christi im Museum zu Darmstadt gehören, zeigen
noch Ranken von rein spätgothischer Stilisirung. Später scheinen
die Ranken des QuenteYschen Modelbuches Köln, I. Auflage von
1527 als Vorbilder gedient zu haben. Ein Krug dieser Art ist bereits
Abbildung
auf einem Stich des Lucas von Leyden B. 77 vorn Jahre 151g
abgebildet.
Abwechslung bietet sich innerhalb dieser Gruppe trotz des immer
wiederkehrenden Rankenmotivs genug durch die verschiedene Aus-
bildung der Hälse. Zumeist sind sie
durch aufgelegte Masken mit ge-
nßgai 11.11.1 fy-QJ-s flochtenen, gewellten oder glatt ge-
kämmten Bärten als sogenannte Bart-
männer gestaltet vgl. Solon II, Tafel
und Fig. 50, Seite 21; in anderen Fällen wird der Hals durch Halb-
figuren unter gothischen Spitz- oder Rundbogen, durch antikisirende
Köpfe in Rundfeldem, durch Rosetten, Thierköpfe und Anderes
geschmückt. In das Rankenwerk sind gelegentlich Thiere, besonders
Falken und Eulen und Wappen eingeordnet. Unter den letzteren
erscheinen häufig die Stadtwappen von
Amsterdam und Antwerpen, was auf
eine bereits für die Ausfuhr arbeitende
Industrie schliessen lässt. In seltenen
Fällen ist die Bartrnaske durch weibliche
Brustbilder und durch Narren mit Dudel-
Säcken ersetzt. Die Bildung der Bart-
masken ist bei einiger Idealisirung natura-
listisch gehalten; niemals zeigt sich jene
fratzenhafte Stilisirung, die den nach-
weislich in Frechen gemachten Bart-
männem eigenthümlich ist. Es ist ferner
festzuhalten, dass die Verzierung mit
Eichen- oder Rosenzweigen in Frechen
.. bisher nicht nachzuweisen ist.
Abbildung Die künstlerisch höchststehende
Gruppe der Medaillonkrüge wird durch
die Abbildung Höhe des Originales 24 Centimeter ausreichend
veranschaulicht.
Die Formen sind durchweg kugelig gebaucht, mit scharf ab-
gesetzten, engen oder weiten I-Iälsen. Beachtenswert ist bei diesen,
wie bei anderen Krügen aus der Blütezeit, die feine Proiilirung von
Hals und Fuss; ein Vorzug, der bei den Arbeiten der späteren Zeit
verschwindet. Der Durchmesser der Medaillons mit Brustbildern steigt
bei grossen Exemplaren bis zu Cenümeter. Ebenso unbekannt wie
diese Gattung sind die Krüge mit Groteskenornament, von kugeliger
oder birnförmiger Gestalt Abbildung Höhe des Originales
Halsomarnent von Kölnischen Krügen
25 Centimeter. Die gleichen Reliefs, aus männlichen Masken und
weiblichen Halbfiguren bestehend, die in Blattranken auslaufen, finden
sich in rechteckige Felder vextheilt auch auf grossen Schnellen,
wo sie die ganze Aussen-
fläche in regelmässiger
Wiederholung bekleiden. Mit
den beiden genannten Arten
verbindet sich die Verzierung
durch reihenweise aufgelegte
längliche Buckelungen, ein
der Treibarbeit in Metall ent-
nommener Gefasschmuck, der
bei kleineren Krügen häufig
den einzigen Decor neben
dem mittleren Blattfries und
den figürlichen Reliefs des
Halses bildet Abbildung
Höhe 27 Centimeter, ferner
Solon II, Tafel I7. Eine
Specialität der Werkstatt in
der Maximinenstrasse waren
ersichtlich Krüge in Eulen-
und Löwenform, bei welchen
der Kopf des Thieres den
Deckel des Kruges bildet. Es
wurden mehrere Exemplare
in verschiedenen Grössen ganz, eine grosse Zahl in Bruchstücken
gefunden Abbildung Höhe 27 Centimeter; ferner Solon Figur 136,
Seite 198. Eulenkrüge, jedenfalls eine Anspielung auf die Bezeichnung
der kölnischen und Siegburger Töpfe als Uelner, wurden späterhin
auch in Siegburg nur in weisser Masse niemals aber in Raeren
hergestellt. Rein figürliche Darstellungen hat man nur auf den glatten
Flächen der Schnellen und Pinten angebracht. Grosse Exemplare
sind selten, die kleinen dagegen in Massen gearbeitet worden. Die
Abwechslung der Motive ist ausserordentlich gross; mit jedem neuen
Scherben kamen neue Figuren zu Tage. Bei einzelnen Exemplaren,
namentlich einem Krug mit der Anbetung der heiligen drei Könige, ist
eine merkbare Verwandtschaft mit dem Stile des in Köln thätigen
Malers und Holzschneiders Anton Woensam von Worms zu erkennen,
ohne dass aber in seinem Holzschnittwerk directe Vorbilder auf-
zufinden sind. Die häufigsten Darstellungen sind Landsknechtfiguren,
Abbildung
der Sündenfall nach Marc Anton, die Planetenliguren nach den Blei-
plaketten im Stile des Peter Flötner und Gruppen nackter Kinder, zum
Theil musicirend, die an die Initialen des Anton von Worms erinnern
vgl. Solon Figur 43, Seite 83. Ver-
einzelt fanden sich Schnellen, die als
Schanzkörbe mit Halbfiguren am oberen
Rand ausgebildet sind, und solche mit
schräglaufenden Ranken nach dem Model-
buch Quentels.
Die Entstehungszeit dieser Krüge ist
durch die Omamentik, die Tracht der
Figuren und durch äusserliche Anhalts-
punkte mit Sicherheit festzustellen. Der
Betrieb mag wenig vor x52o begonnen
haben und ist in der zweiten Hälfte des
XVI. Jahrhunderts eingegangen. Das ist
annähernd dieselbe Periode, in welcher die
KölnerKrugbäcker in den Rathsprotokollen
der Stadt sehr häufig erwähnt werden.
Die archivalischen Aufschlüsse und
die für die Geschichte des rheinischen
Steinzeugs durch den Fund gewonnenen
Ergebnisse mit Gründen und Beweisen
aufzuführen, bietet dieser kurze Vor-
bericht keinen Raum. Es möge an dieser Stelle genügen, auf die
folgenden Grundsätze hinzuweisen
1. Die Fabrication des braunen Steinzeugs hat in Köln begonnen
und ist hier zuerst zu einem Kunstzweige ausgebildet worden. Von
Köln aus ist der Antrieb zu künstlerischer Verzierung des Steinzeugs
mit aufgelegtem Reliefschmuck in die als Töpferorte älteren Betriebs-
stätten Raeren, Siegburg und Frechen vorgedrungen.
2. Die Raerener Töpferei hat die Herstellung verzierter Krüge nach-
weislich mit der mehr oder minder gelungenen Nachbildung kölni-
scher Originale begonnen. Später allerdings hat Raeren die Kölner
Industrie überflügelt, namentlich auf dem Gebiete der Bildung
neuer und vollendeter Gefässformen, auf dem Köln Bedeutendes nicht
geleistet hat. Köln bezeichnet die Frührenaissance, Raeren dagegen die
Hochrenaissance des deutschen Steinzeugs.
3. Siegburg, obwohl schon im XVJahrhundert mit Reliefauflagen
beginnend, steht in der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts unter dem
Einflusse Kölns, dessen Krüge vielfach in Siegburg copirt worden sind,
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