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HUSEUNQlTER-KZIDSTUDDIIDDIIS
HERAUSGEGEBElTZlRDREDIGIRT-V lkk
AVOD-SCALA.
MOHATSSCHRIFT-DES-KKÖSTE
VERLAG vom ARTARIA Co. VIER. x. JAHRG. 1901. HEFT 1,.
Mit Tafel zu Seite 24g
KUNST UND KUNSTHANDWERK
1111 JÄHRLICH 12 HEFTE 131
PREIS 24 KRONEN OHNE POSTVERSENDUNG
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im k. k. Osterreichischen Museum, sowie von der Verlags-
handlung Artaria Co., I., Kohlmarkt Nr. übernommen
Inhalt
Seite
Englische Arbeiter
dörfer. I. Bournville
von H. E. von Ber-
lepsch-Valendas x85
Das Schlafzimmer von
Hartwig Fische! 228
Aus demWienex-Kunst-
leben von Ludwig
Hevesi 248
Kleine Nachrichten 25
Mitteilungen aus dem
k. k. Österreichischen
.....z64
50'
ENGLISCHE ARBEITERDÖRFER. I. BOURN-
VILLE 54b VON H. E.VQN BERLEPSCH-
VALENDAS-PLANEGG-MUNCHEN Sie
IE Entdeckung neuer Seewege am Ende des XV. und
im XVI. Jahrhundert änderte die Stellung der
westlichen Länder Europas vollständig. Sie
werden von dem Moment ab, wo der offene
Ozean die Verbindung mit andern Weltteilen
bildet, die Ausgangspunkte des Welthandels;
ihnen gegenüber schwindet die vorherrschende
Bedeutung der früher mächtigen südeuropäischen
Handelsemporien, entsprechend natürlich auch
die Bedeutung der im Innern des Kontinents
gelegenen Städte, deren Blüte mit dem Mittelmeer-
handel in enger Beziehung stand. Die Entwicklung der maritimen Macht
Spaniens, Portugals, Frankreichs, Englands und Hollands rnußte zu Kämp-
fen um die Suprematie führen. Trotz der riesigen überseeischen Land-
erwerbungen ist Spanien relativ rasch zurückgeblieben. Das Ansehen, das der
Betrieb von Handel und Gewerbe genoß, war zu gering, um eine mächtige
Entfaltung zuzulassen. Das mehr als ausgiebige Zuströmen von Edelmetall
allein reichte nicht hin, um zu einer Dauerherrschaft, die nur durch Tätigkeit
gesichert wird, zu führen. Es fehlten jene Vorbedingungen, die Frankreich
zur hohen Auffassung kulturpolitischer Gesichtspunkte führte, es fehlte ein
Richelieu, Colbert, Mazarin, es fehlte die Einsicht für die außerordentliche
Bedeutung einer exportfähigen Industrie, die Frankreich groß und reich
machte. Das gleiche trifft für Portugal zu. England ist trotz vielfach erfolg-
reicher Gegenwehr der übrigen westeuropäischen Staaten aus dem langen
Ringen um die Erschließung außereuropäischer Besitzungen als Vormacht
hervorgegangen. Wohl waren auch deutscherseits Ansätze nach dieser
Richtung vorhanden. Die Welser von Augsburg besaßen in Venezuela
blühende Niederlassungen, aber kein starker Arm schützte sie. Die Hansa,
früher Beherrscherin des englischen Ein- und Ausfuhrhandels eine Nieder-
lassung in London bestand bis 1597 war bedeutungs- und machtlos
geworden. Als dann vollends der dreißigjährige Krieg eine gründliche
Zerrüttung der inneren Verhältnisse Deutschlands herbeiführte, war
überhaupt jede Möglichkeit einer Machtentfaltung zur See, ohne die keine
Kolonialpolitik möglich ist, für lange Zeit ausgeschlossen. Wohl hat ein
weitausschauender Souverän, der große Kurfürst von Brandenburg, die
Wichtigkeit des Kolonialbesitzes erfaßt; in Guinea wurde sogar der Anfang
dazu gemacht; aber mit dem Jahre 1720 verschwand die brandenburgisch-
preußische Flagge wieder vom offenen Meer und die Schiffe, von denen sie
einst geweht, verfaulten-England führte den ersten großen, entscheidenden
Schlag durch die Vernichtung der spanischen Armada. 1600 erhielt die
ostindische Kompagnie den ersten Freibrief; ins Jahr 160g fällt die Besetzung
der den Spaniern abgenommenen Bermuda-Inseln und damit der Beginn
des Entstehens englischer Staatengebilde in Nordamerika. Während des
XVII. und XVIII. Jahrhunderts reiht sich unter fortwährenden Kämpfen, bei
denen auch gründliche Niederlagen nicht ausblieben, eine Gebietserwerbung
an die andere, so daß mit Ende des Jahrhunderts ein englisches Weltreich
existierte, größer als irgend eines der vorangegangenen. Damit hängt jene
fundamentale Umwälzung zusammen, die aus einem ackerbautreibenden
Lande einen Industriestaat machte und eine völlig andere Richtungnahme
der Wirtschaftspolitik bedingte. Die Entwicklung ist indes keineswegs bloß
merkantilen Wegen gefolgt. Mit der stetigen Erweiterung der äußeren
Machtsphäre hat die innerpolitische und geistige Schritt gehalten. Hundert
Jahre früher als die französische Revolution das Prinzip L'etat c'est moi"
durchbrach, fiel in England mit dem I-Iaupte Karls I. die Idee des Gottes-
gnadentums; älter als J. J. Rousseaus Lehren ist die Begründung neuer
philosophischer Anschauungen in England durch Locke; länger schon als
in irgend einem anderen Lande die von Geschlechtern" damals schlecht
regierte, dem Namen nach republikanische Schweiz nicht ausgeschlossen
war die Redefreiheit in England zur Tatsache geworden. Gerade diese
Umstände wollen in Betracht gezogen sein, wo es sich um die Behandlung
neuzeitlicher Errungenschaften handelt.
Wer die mittelalterlichen Bauten Englands studiert, wird sich des Ein-
drucks nicht entschlagen können, daß daran nicht bloß eine Unsumme
künstlerischer Erfindungskraft verausgabt sei, vielmehr wirkt der dabei zu
Tage tretende Sinn für konstruktiven Aufbau, für zweckdienliche Behandlung
des Materials mindestens ebenso stark. Mit dem Auftreten wesentlich anders
gearteter Entwicklungsforderungen wird all diese Intelligenz in neue Bahnen
gelenkt, dasWort Necessity mother of inventions" tausendfältig bewahrheitet.
1690 schon hatte der Marburger Gelehrte Dionysius Papin aus Blois, gestützt
auf ältere Versuche Brancas, Torricellis, Guerickes, eine durch Anwendung
von Dampfkraft zur Hebung von Lasten in Bewegung gesetzte Vorrichtung
erfunden, ja er fuhr wenige Jahre später auf einem durch Dampf getriebenen
Schiffe auf der Fulda. Der Erfolg war für Deutschland gleich Null. Der
Engländer Savery konstruierte, gestützt auf den ersten Papinschen Versuch,
einen durch Dampfkraft betriebenen Entwässerungsapparat für Bergwerke.
Ausschlaggebend aber wurde erst James Watts Erfindung, die Dampf-
maschine, die eine völlige Veränderung der fabriksmäßigen Produktion
hervorrief, ein gut Teil des Handbetriebs überflüssig machte, vor allem im
Textilgewerbe. 1738 schon hatte Lewis Paul durch die Verbindung der von
ihm erfundenen Streckwalzen mit den Flügelspindeln des Spinnrads die
Spinnmaschine hergestellt, mit der er 250 Spindeln gleichzeitig in Bewegung
setzte. Die Verbesserungen ließen nicht lange auf sich warten. Ackwright
Hargrave Jenny-Maschine, vor allen Crompton führten weiter ausgebildete
Mechanismen ein, die eine nahezu ungeheuerliche Vermehrung der Spindeln
Abb. x. Broadway, Straße mit alten Häusern
mit sich brachten, bis der Selfakt0r" alles Bisherige überholte. Ein paar
Ziffern illustrieren den Aufschwung der Baumwollindustrie am besten. Nach
Nostizi betrug der Wert der eingeführten und verarbeiteten Baumwolle im
Jahre 1770 Million Pfund; 1775 Millionen Pfund; 1784 18 Millionen
Pfund; 1800 56 Millionen Pfund; 180g über 88 Millionen Pfund; 181g
133 Millionen Pfund; 185g 755 Millionen Pfund Sterling. Die Verwendung des
Dampfes als motorische Kraft brachte vor allem den Steinkohlenabbau,
der bisher nicht von großem Belang war, schnell in die Höhe; damit wiederum
stand das rapide Anwachsen der Eisenindustrie, die ebenfalls bisher keine
wesentliche Rolle gespielt hatte, im Zusammenhang. In England und Wales
wurden zum Beispiel an Roheisen gefördert 1740 17.000 Tonnen; 1788
68.000 Tonnen; 1802 170.000 Tonnen; 1806 250.000 Tonnen; 1825
442.000 Tonnen; 1840 1,500.0o0 Tonnen und so weiter.
Noch im Jahre 1770 betrugen die englischen Staatseinnahmen aus land-
wirtschaftlichen und Handelsexträgnissen gleichviel, je 60 Millionen Pfund
Sterling. Außer London gab es um dieselbe Zeit keine Stadt von über
30.000 Einwohnern. Das änderte sich mit der Zunahme der für den Export
arbeitenden Großbetriebe außerordentlich rasch, denn derZuzug der ländlichen
Bevölkerung, die gezwungenermaßen den Pflug mit der Beschäftigung an
der Maschine eintauschte, wuchs schnell ins Enorme. Er bildet den Grund
zu jener Wohnungsnot, die geradezu unglaubliche Zustände mit sich brachte,
nicht bloß hinsichtlich der Wohnungsdichtigkeit allein, sondern auch in
H. v. Nostiz, Das Aufsteigen des Arbeilerstandes in England, Jena 190a. Dem Werke sind verschiedene
hier benutzte Angaben entnommen.
25'
x88
Bezug auf den sittlichen Zustand einer nach vielen Millionen zählenden
Bevölkerungsklasse. Der Ansammlung fast unermeßlicher Reichtümer auf der
einen Seite entsprach Not, krassestes Elend, Verkommenheit in jeder Hinsicht
auf der andern. Da die Anteilnahme an der Tätigkeit der gesetzgebenden
Körperschaften vom Umfang des Grundbesitzes abhängig war, mithin nur die
Gentry im Staatswesen ein
Wort mitzureden hatte, stellte
sich bei dem rasch reich ge-
wordenen, bürgerlichen Krei-
sen entsprossenen Fabriks-
herren- und Kapitalistenstand,
der mit dem ins Ungemessene
anwachsenden Geldbesitz all-
ein keineswegs zufrieden war,
das Bedürfnis nach einer dem
Besitz entsprechenden sozia-
len Stellung ein. Der alteng-
lische Feudaladel war ohnehin
außerordentlich zusammenge-
schmolzen; heute vermögen
nur ganz wenige Familien
ihren Ursprung bis ins XVI.
Jahrhundert zurück zu ver-
folgen. Es wurden also große
Summen im Grundbesitz an-
gelegt. Der selbständige Bauer
verschwand vollständig. An
seine Stelle trat der Landar-
beiter, dessen Stellung keines-
wegs viel besser war als die
desstädüschenI.ohnarbeüers
In Bezirken, wo weniger In-
dustrie war, sank die ländliche
Bevölkerungsziffer enorm; in
Abb. z. Rochester, Alte Fachwerkbaulen den Fabriksdistrikten Stieg Sie
in ebendemselben Maße. Im
Jahre 18g! zählte man nicht ganz Millionen Landarbeiter gegen Mil-
lionen gewerblicher Arbeiter. Der stetige Zuzug von Arbeitskraft nach den
Industriezentren ermöglichte die Herabdrückung der Löhne. Um diese immer
stärker zurückzuschrauben, wurde, wo es nur immer anging, Frauen- und
Kinderarbeit bevorzugt. Mochten dabei Überanstrengung, Krankheiten und
so weiter auch eine abnorme Sterblichkeit hervorbringen das kam nicht
in Betracht. Überschuß an Arbeitsangebot war stets vorhanden. Das berüch-
tigte Sweating" Schweißaustreiben, das heißt übermäßiges Ausdehnen der
.152.
mr-r-mwl
109
Arbeitszeit ohne Lohnerhöhung in überfüllten Werkstätten, dessen gemein-
gefährliche Seiten übrigens erst 1890 durch einen Bericht des königlichen
Ausschusses für die Arbeiterfrage" im vollsten Umfang festgestellt worden
ist, trotzdem der Fall Peel"' x842 schon das Unmenschliche der Zustände
aufgedeckt hatte, bildete nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Da die An-
lage von auch nur einigermaßen geeigneten Wohnungen in keiner Weise
Schritt hielt mit der Bevölkerungszunahme der Städte, entstand eine riesige
Preissteigerung der vorhandenen und auf dem an Wert natürlich immerfort
Abb. 3. Straße mit alten Häusem in Broadway
steigenden Boden nur in ungenügendem Maße geschaffenen neuen Wohnun-
gen, deren Erstellung ausschließlich in den Händen rücksichtsloser Spekulan-
ten lag. Man hielt, zäh wie man in England nun einmal ist, am Einfamilien-
haus" fest, belegte die auf solche Weise erbauten Quartiere aber in einer
Weise, die nicht glaublich erschiene, wären nicht die Berichte der verschie-
denen Regierungskommissionen das unzweifelhafteste Quellenmaterial, in
dem ziffernmäßig, durchaus parteilos alles aufgedeckt wurde, was es da
aufzudecken gab. Und das war nicht wenig."
Die Tochter des Ministers Peel erkrankte lebensgefährlich, weil ein für sie bestimmtes Ballkleid in dem
elenden Arbeitsraum, wo es entstand, zum Zudecken eines mit ansteckender Krankheit behafteten Kindes be-
nützt worden war. Ähnliche Fälle sind mehrfach vorgekommen. Die Arbeitszeit der Schneider wie der
gesamten Arbeiter der Bekleidungsbranche, die speziell auch heute noch vorn Schweißaustreiben betroffen
werden, schwankt zwischen 12 bis 22 Stunden. Die Löhne sind erbärmlich, die Kost infolgedessen unzureichend
und schlecht, die Wohnungsverhältnisse ebenso.
Es seien hier nur einige wenige Angaben bezeichnender Art gemacht, wie sie durch amtliche Fest-
stellungen sich seit dem ersten Bericht über den Gesundheitszustand der Arbeiterbevölkerung r84z bis in die
neueste Zeit darstellen. Die Hauptklage wendet sich zunächst gegen die vollständig vernachlässigten Abzugswege
aller Arten von Abfallstcffen. die, vermengt mit verwesenden Tier- und PHanzenstoHen, große Quartiere einfach
verpesten. Am tollsten sieht es in den Höfen aus, wo der Inhalt der Abortgruben den Boden zollhoch über-
schwemmt. Daß Hunderte von Menschen auf die Benutzung eines Abortes angewiesen sind, dessen Abzüge nicht
Liest man, daß die Bevölkerungsziffer zur Zahl der I-Iäuser in England
im Durchschnitt sich verhalte wie 5,32 in London wie 7,72 so daß also
5,32 beziehungsweise 7,72 Personen auf ein Haus kommen Volkszählung
von 1893, so ginge man sehr irre, diese Durchschnittsverhältnisziffern bei
den Arbeitervierteln von London und Liverpool, Manchester, Birmingham,
Leeds und einer ganzen Reihe anderer Städte als Norm anzunehmen. Daß
ein und derselbe Raum durch zwei Familien besetzt ist, die darin wohnen,
funktionieren, ist in unzähligen Fällen nachgewiesen; in Manchester beispielsweise kommen in den Arbeitera
vierteln auf 250 Menschen meist zwei Aborte; diese befinden sich in Höfen, die gleichzeitig bewohnt sind.
Keller-Wohnungen sind allgemein im Gebrauch. So leben zum Beispiel in Liverpool 35.000 bis 40.000 Menschen
in 8000 Kellern. In Manchester liegen die meisten dieser Kellerwohnungen unter dem Wasserspiegel des
morastigen, stinkenden lrk. Fälle wie in Gateshead, wo Familien von neun Köpfen einen kleinen Raum und
zusammen zwei Betten haben, sind in größeren Fabrikstädten zahlreich. Nach amtlicher Untersuchung in
50 Städten wurde nicht in einer derselben zweckdienliche Beschleußung vorgefunden. In Liverpool wohnen
70.000 Personen in 2400 Höfen. Die Miete vieler Hausbewohner wird aus dem Erträgnis der Dilnger-
haufen in diesen Höfen bestritten. In einem Bette wurden verschiedene Frauen während des Tages vorgefunden,
die nicht ausgehen konnten, weil andere ihre Kleider trugen. Gleichzeitige Bettbenutzung durch mehrere Personen
verschiedenen Geschlechts ist eine häufig wiederkehrende Tatsache. Die Trinkwasserversorgung liegt in der
Hand von Spekulanten, welche die Leitungen sperren, falls nicht sofortige Bezahlung erfolgt. In einem von
ro.ooo Menschen bewohnten Viertel Londons hat etwa die Hälfte derselben ein halbes Zimmer zum
Bewohnen. Den schlimmsten baulichen Unfug bilden die Back-to-hack-Häuser, das heißt jene, deren Rückseiten
direkt aneinander stoßen. In Leeds bewohnten noch 1893 200.000 Menschen solche l-Iäuser, deren Zahl
seither jährlich um 1200 stieg. Ein Bericht von r885 bezeichnet die Wohnungsdichtigkeit als öffentliche Schande
und betont, daß diese Zustände in London nicht ab-, sondern zunehmen. Die tollsten Beispiele von Verwilderung,
die in diesen Quartieren herrscht, gibt Booth, Labour and life of Lhe people of London, 1891, ebenso die in den
Daily News erschienene Artikelserie Horrible London" und die ebendaselbst 1899 erschienene Arbeit von Haw,
No room to live. The plsint of overcrowded London". Zusammenfassendes Literaturverzeichnis bei Nostiz.
Abb. 4. Broadway, Haus aus der Mitte des XIXJahrhunderts
Abb. 5. Bournville, Älterer Typ der einfachen Arbeixerhäuser. Alex. Harvey, Architekt
arbeiten, essen, schlafen, ist keine Seltenheit. Es kommt aber auch vor,
daß sich noch fremde Schlafgänger dazu gesellen und so der Belag eines
Zimmers von wenigen Quadratmetern Bodenfläche aus sechs, acht, zehn und
zwölf Personen beiderlei Geschlechts, Erwachsenen und Kindern besteht.
Die aus solchem Zusammenleben entstehenden Zustände schildert Booth in
dem sechsbändigen Werke Labour and life of the people of London", mit
ihm eine Reihe anderer Autoren, unter denen sich durch schonungslose
Geißelung der Zustände Staatsmänner der neuesten Zeit wie Salisbury,
Chamberlain und andere auszeichnen. Der ständigen Seuchengefahr, die in
diesen Verhältnissen, zumal durch die denkbar schlechteste Ableitung der
Abfallstoffe liegt, gesellte sich eine andere nicht minder drohende die außer-
ordentliche Mehrung krimineller Fälle. Abgesehen davon, daß ungesundes
Wohnen die Lebensdauer der Erwachsenen kürzt, die gesunde Entwicklung
einer unter solchen Verhältnissen geborenen Generation zur Unmöglichkeit
macht, die Leistungsfähigkeit kommender Geschlechter also direkt in Frage
gestellt wird, bewirken die Begleitumstände ein allgemeines Sinken aller
Begriffe ethischer Art. Die allerniedrigste Lebensanschauung bildet die Regel,
das Verbrechen ist unlösbar damit verbunden, denn wo die einfachsten Vor-
aussetzungen sittlicher Art fehlen, ist es kein Wunder, wenn all das fort-
während geschieht, was für den unter höheren Gesichtspunkten Entwickelten
mindestens einen moralischen Defekt bedeutet. Will man dabei bedenken,
daß bis vor zwei Dezennien das Volksschulwesen ganz im argen lag, die
Regelung des Elementarunterrichts erst eine Errungenschaft der aller-
1.31
neuesten Zeit ist, aber auch jetzt noch ein gut Teil der schulpflichtigen Kinder
keinen Unterricht besucht, so läßt sich der Grund für den in kaum einem
anderen Kulturstaat in gleichem Maße vorhandenen, ganz außergewöhn-
lichen Tiefstand eines großen Bruchteils der Bevölkerung erklären. Die
Wirtschaftslehren des XVIII. Jahrhunderts hatten die rücksichtsloseste Aus-
beutung der Arbeitenden systematisch eingeleitet und weiter ausgebildet. Die
Volksmassen aber, die diesem Schicksal verfielen, wuchsen an Umfang durch
den Zuzug, den die immer höher entwickelte Industrie verlangte, der aber
auch ganz von selbst eintrat dadurch, daß weite Strecken des besten Kultur-
landes in Jagdgründe verwandelt, die bisherigen Kultivatoren desselben mit-
hin brotlos und zum Abzug nach den Städten gezwungen wurden. Die staat-
liche Gewalt verhielt sich dezennienlange den immer weiter am Lebensmark
des Volkes zehrenden Verhältnissen gegenüber vollständig passiv. Das liegt
in der Natur der englischen Zustände. Die Gegenbewegung, am heftigsten
ausgedrückt durch den Chartismus, der eine allgemeine Revolution beinahe
unausbleiblich erscheinen ließ, setzte schon zu Anfang des XIXJahrhunderts
durch die Begründung von Gewerkvereinen ein, wurde anfangs unterdrückt,
hat sich aber dennoch siegreich behauptet, nicht zum mindesten allerdings
durch die Tüchtigkeit der organisierten Arbeiter selbst, die indes nur einen
Bruchteil der Gesamtarbeiterschaft ausmachen. Vor allem wurde die Be-
wegung gestützt durch die Assistenz hervorragender Geister, die dem zu-
nehmenden Materialismus den Wert großer, edler Anschauungen, aufgebaut
Abb. 6. Bournville, Das Alle Dorfwirtshaus". Alex. Harvey, Architekt
193
Abb. 7. Bournville, Ein- und Zweifamilienhaus. Alex. Harvey, Architekt
auf philosophischer ebenso wie praktischer Überlegung, entgegen zu setzen
hatten. Daneben beschritt die innerstaatliche Entwicklung, hervorgerufen
durch die Wandlung in der Zusammensetzung des Unterhauses und seine
wachsende Bedeutung, Bahnen, die dem einseitigen Vorwiegen der durch
Besitz sozial Emporgestiegenen allmählich jene Grenzen schuf, aus welchen
das moderne, vorwiegend demokratische England hervorgehen konnte. I-Iat
auch vielleicht die Angst vor gesundheitlicher Schädigung der Allgemeinheit
und vor Gefahren anderer Art allmählich die Begriffe über Notwendigkeit des
Arbeiterschutzesl in etwas präzisiertere Formen als früher gebracht Ur-
sache und stärkste Einwirkung ist jedenfalls weit mehr auf Seite derjenigen
zu suchen, die nicht im Joche des heißhungrigen Gelderwerbs stehend, gegen
die Leiden ihrer Mitbürger und Mitmenschen Front machten und den starren
Sinn der Kapitalmächtigen allmählich durch das Platzgreifen besserer Einsicht
beugten, sei es durch die ideale Art ihres Auftretens, wie das bei Carlyle,
Denison Maurice, Malcolm, Ludlow, Hughes, Kingsley dessen Roman Alton
Locke von höchster Bedeutung war, Pusey, Disraeli und anderen der Fall
war, sei es durch praktische Reformvorschläge, wie sie zum Beispiel von Lord
Shaftesbury in Bezug auf das Wohnungswesen der arbeitenden Klassen
durchgesetzt wurden. Die stetig weiterschreitende Ausbildung der Trade
Wie es bis vor nicht gar langer Zeit um diesen bestellt war, möge ein Beispiel unter zahllosen anderen
illustrieren. Nostiz berührt es pag. 362; es handelt sich um das Schornsteinfegergewerbe. Kinder im Alter bis
zu vier jahren herunter, auch Mädchen wurden zum Schomsteinfegen verwendet. Sie rnußten als Borstwische
mit ihrem Leibe, oft nackt, dienen. Um sie herauf zu treiben, stach man sie in die Fllße oder zündete Stroh
unter ihnen an. Die Verwendung und grausame Behandlung ganz junger Kinder hörte bis zum Gesetz von 1875
nicht auf; durch den tödlichen Unfall eines ,jährigen und die tödlichen Mißhandlungen eines r4jährigen
Kaminfegerlehrlings wurde es ins Leben gerufen.
26
Unions, der Gewerkvereine von Arbeitern des gleichen Gewerbes, die nicht
bloß die materielle Besserstellung, sondern vor allem auch die kulturelle
Hebung ihrer Mitglieder bezweckt, den Genuß geistiger Getränke verpönt,
dafür aber die Benutzung von Bibliotheken, den Besuch von Vorträgen
hauptsächlich naturwissenschaftlichen Inhalts und so weiter nach Tunlich-
keit fördert, hat anderseits aufs stärkste mitgewirkt. Unterstützt wurden diese
Bestrebungen durch die aktive Anteilnahme der gesellschaftlich höchsten
Kreise. So seien hier nur die University settlements" Universitätsnieder-
lassungen erwähnt, die sich überall in den Arbeitervierteln der großen Städte
gebildet haben und durch den ständigen, freundschaftlichen, nicht bloß be-
lehrenden Verkehr zwischen Gelehrten der englischen Hochschulen und dem
Arbeiter den Boden für weit ausholende Kulturarbeit gelegt haben. Toynbee
Hall, mitten im verrufensten Londoner Viertel, dem durch die scheußlichen
Frauenmorde bekannt gewordenen Whitechapel gelegen, ist eines der glän-
zendsten Beispiele dafür. Bezeichnend für englische Verhältnisse ist, daß
zum Beispiel bei dem Orchester, das sich unter den Hörern der Lehrkurse
an dieser Anstalt gebildet hat, Minister Balfour als Mitglied tätig ist, während
bei einer andern, die Hebung des Arbeiterstands bezweckenden Gründung,
dem Working Mens College im Vorstand neben dem Obersten Richter von
England und dem Erzbischof von Canterbury der radikale Gewerkvereinsführer
John Bums sitzt und die Liste der unbezahlten Lehrer daselbst die hochge-
achtesten Namen aufweist Lord Roseberry, Herzog von Devonshire, Lord
Kimberley, Huxley, Tindall, Rosetti, Burne Jones, Sir John Lubbok, Sir
Th. Brassey und andere.
Natürlich steht die Wohnungsfrage bei allen gemeinnützigen Unterneh-
mungen mit in vorderster Linie. Sie bietet durch die lange Zeit andauernde
Vernachlässigung die meisten Schwierigkeiten. Um so bedeutungsvoller in
jeder Hinsicht sind daher zwei gleich mit Aufwand großer Mittel und von
großen Gesichtspunkten aus geleitete Vorstöße dieser Art die Gründung von
Boumville bei Birmingham durch George Cadbury und jene von Port Sun-
light bei Liverpool durch Lever Bs., deren wesentlicher Zweck, die Seßhaft-
machung des Arbeiters in einer Anlage, die himmelweit von jedem Anklang
an eine Art von Kasemierung entfernt ist, vollständig erreicht wurde, und
zwar unter Begleitumständen, die Gesundheitsverhältnisse, richtiges Verhält-
nis der Ausgabe für Wohnung zur Gesamteinnahme, freie Bewegung der
Bewohner in jeder Richtung, Schaffung aller zu einem Gemeinwesen nötigen
Kulturinstitute und künstlerische Behandlung aller in Frage kommenden
Schöpfungen in gleichem Maße berücksichtigt zeigen. Diese Gründungen
sind von Großindustriellen unter Ausschluß jedweden spekulativen Gedan-
kens ins Leben gerufen worden. Sie bilden heute die Basis einer ganzen Reihe
verwandter Projekte, die in verschiedenen Gegenden Englands und Schott-
lands zur Ausführung gelangen. Der National Housing Reform Council",
xgoo ins Leben gerufen, ist wohl die größte, auf kooperativen Prinzipien
aufgebaute Vereinigung, hat sie doch in nicht ganz sechs Jahren ihres
ARBEITERDORF BOURN
am BIRMINGHAM.
SCHVLE
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RUSKIN nnu.
GVMNASIVM
ßovnuvnuc HALL
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100 100 zoo soo 40a soo sno von noo wo woo ENGL-FUSS
Abb. B. Situationsplan
15a
Bestehens bereits die Summe von fünf Millionen Pfund Sterling auf die
Lösung der Arbeiterwohnungsfrage verwendet. Auch ist solch eine, alle
Kreise der Bevölkerung umfassende Korporation allein im stande, dem
Bodenwucher in wirksamer Weise entgegenzutreten und die nötigen Gesetze,
die keine bevorzugte Klasse im Staat anerkennen, zu schaffen. Dem
Housing Council" ge-
hören zur Zeit über roo
Parlamentsmitglieder,
Vertreter der einzelnen
Ortsgruppen an. Es ist
ganz natürlich, daß un-
ter diesenVerhältnissen
ganz andere Möglich-
keiten der Ausführung
vorliegen, als wenn
Städte und Gemeinden
vereinzelt auf diesem
Gebiet vorgehen. In
Deutschland gibt Ulm,
nebenbei gesagt, ein
glänzendes Beispiel ge-
meindlicher Fürsorge
nach dieser Richtung.
Ein im Sommer 1907
stattfindender interna-
tionaler Housing Con-
gress" wird alle einschlä-
gigen Fragen auf seinem
Programm enthalten und
gleichzeitig Aufschluß
geben über alle paral-
lel laufenden, in ver-
schiedenen Stadien des
Werdens begriffenen
Pläne. Die Garten-
stadt" ist, da auch hie-
Gmxitnmtnrn Qeivmrn Qawntuots atsüxn
mauern am stsrmntn wer. Qnaruutn
ttacunt ntutt snwum Dwtn nennst-
annvtn oasreßvnr
Abb. g. Bournville, Bebauung der
Einzelgrundstücke. Alex. Harvey,
Architekt
für bereits bedeutungs-
volle Anfänge in Hit-
chin gemacht sind,
ebenfalls als Thema für
die Verhandlungen vor-
gesehen. Das Gesetz
über Zwangsexpropria-
tionen aber Labouring
Classes Dwelling I-Iou-
ses Act dürfte damit
wohl einer weit aus-
gedehnteren Anwen-
dung als bisher ent-
gegengeführt werden.
Boumville"
Port Sunlight unter-
scheiden sich von allen
übrigen Wohnungsver-
besserungsuntemehmun-
gen dadurch, daß sie
nicht auf Grund von Sa-
nierungsprojekten ent-
standen sind, außerdem
aber die Wohnungs-
frage nicht einseitig ge-
löst zeigen, insofern als
lediglich für eine men-
schenwürdige Unter-
kunft gesorgt, sondern
ein weit höheres Ziel
dabei ins Auge gefaßt
wie
wurde Die Heranziehung von Kulturmenschen, denen alle Wege zu einer
freien Entfaltung auf Grund erzieherischer Maßnahmen geebnet werden. Das
Der Bericht über Boumville, der in dem Report nf Co-operative Congress" niedergelegt ist, sagt "Das
DurfBournville ist mehrals ein bloßesMusterdorf, angelegtvon einemMenschenfreunde. Solch eine Gründung aus
eigenen Mitteln ins Leben gerufen, Männern, Frauen, Kindern zu einem glücklichen Dasein verholfen zu habemver-
dientean sich die größte Anerkennung, indes würde damit bloß die Macht eines reichen Mannes klargestellt werden
sein. Ein tatsächlich wichtiger Beitrag zur nationalen Lösung des Wohnproblerns wäre es jedoch nicht gewesen.
Das Wichtige ist, daß Mr. Cadbury etwas für sich Lebensfähiges schuf, das vor allern unseren Stadtverwaltungen
zum Muster dienen kann. Cadbury selbst äußerte sich, als der Londoner Grafschaftsrat daran ging, große
Miethäuser für die Arbeiter zu bauen Ich bedaure es aufs tiefste und halte es für einen beklagenswerten MißgrifT.
Abb. xo. Bournville, The Triangle". Zwischen Sycamoxe und Laburnum-Road. Alex. Harvey, Architekt
ist nur möglich unter den Verhältnissen, wie sie hier obgewaltet haben Der
Lostrennung großindustrieller Betriebe aus großstädtischer Umgebung, der
Gründung neuer Ansiedlungen auf freiem Land und nach völlig neuen
Prinzipien. Obschon in erster Linie rein menschlichen Regungen entsprungen,
sind beide keineswegs bloß milde Stiftungen oder Geschenke an Arme, viel-
mehr stellen sie an die Nutznießer gesunderweise jene Forderungen, die
erfüllt sein müssen, soll der Bestand der vorhandenen und die Gründung
ähnlicher Schöpfungen dauernd möglich sein. Sie weisen aber gleichzeitig
die Wege, wie alles spekulative Unternehmertum ein- fürallemal auszuschalten,
dem Bodenwucher ein Ziel zu setzen ist und wie weit der Besitzende, sofern
er ethische Interessen gegenüber dem wirtschaftlich Schwachen kennt, in der
Sorge für Erleichterungen aller Art, auf durchaus geschäftlicher Basis gehen
kann, ohne sich selbst zu schädigen oder dem andern allzuschwere Lasten
aufzuerlegen. Die Frage, ob der Grundbesitz bedingungslos in den Händen
Weniger sich befinden dürfe, oder ob das für die Staatswohlfahrt durch seine
Arbeit tätige Volk ein Anrecht auf Grundbesitz habe und ob Zwangsent-
eignung auch da eintreten könne, wo gemeinnützige Zwecke in Frage kommen,
also nichtbloß beiFestungs-, Kanal-, Straßen-, Eisenbahnbauten und so weiter,
dürfte in England wohl zuerst zum Austrag gelangen und den Grund zu
neuen Begriffen über die Verpflichtung des einzelnen der Gesamtheit gegen-
über legen.
Sanierungsprojekte für die dichtbebauten Stadtquartiere der englischen
Industriezentren sind seit Mitte des XIX. Jahrhunderts in Menge gemacht,
daß der Arbeiter künftig, wenn auch in anderer Weise ebenso eingepfercht sein soll wie bisher und daß also nur
die Bildung neuer S1ums" in Aussicht genommen ist. Unsere Aufgabe muß darin bestehen, unserer Nation eine
gesunde physische Entwicklung zu sichern. Nachdem offenes Land noch zu billigen Preisen zu haben ist, möchte
ich dem Londoner Grafschaften! und allen munizipalen Körperschaften die Entwicklung des Wohnproblems
nach dieser Seite hin empfehlen". Philanthropische Renten gibt es wohl kaum. Städteverwaltungen, Genossen-
schaften, kurzum alle Organisationen müssen mit verzinsbaren, im Laufe der Zeit rückzahlbaren Kapitalien
rechnen, sonst taugt das Rechenexempel nichts. Bournville aber ist ein durchaus richtiges Rechenexempel.
195
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MAAESE n-a MErEm-i
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BPAUSUNNE FÜR EIN HFNS aeoom
AU5ITHE NOBEL UIE-RBE AHD U5 COFrABES BOVRHVlIL-E
ARCHT- AL EX HAPxV EY
Abb. n. Bournville, Arbeilerhaus
zum Teil auch ausgeführt
worden. Indes wurde eine
gründliche und allgemeine
Besserung der Verhält-
nisse doch nicht in vollem
Umfang erreicht, einmal
weil trotz Aufwands sehr
großer Summen die Neu-
bebauung aller in Be-
tracht kommenden Quar-
tiere nicht ausführbar war,
sollte die Finanzielle Seite
der Sache sich nicht ins
Ungeheuerliche steigern.
Dagegen spricht die kühle
englische Überlegung, die
sich nicht mit utopischen
Dingen befaßt. Dann aber
mußte, um gesundheitlich
akzeptable Bauten zu
haben, ein Plus an Luft
und Licht geschaffen, die
alte Baustätte also nicht
wieder im früheren Um-
fang überbaut werden. Da-
mit ging Raum verloren,
mithin wurde für weniger
Bewohner als früher Platz
geschaffen. Weiters durfte
die Wohnungsdichtigkeit
nicht den früheren Grad
erreichen. Damit war aber-
mals ein Teil der früher auf
dem gleichen Boden An-
sässigen verdrängt. Den
Verdrängten aber mußte
schließlich doch auch wie-
der eine Unterkunftsstätte
geschaffen werden. Man
machte dabei die Erfah-
rung, daß durch die Nieder-
legung großer, schlechter
Quartiere bloß eine noch
stärkere Überfüllung der
x99
nächstliegenden Viertel, also eine tatsächliche Verschlimmerung der Zustände
eintrat. Trotz der Verausgabung von Millionen und Millionen ist daher beim
Umbau städtischer Arbeiterquartiere relativ wenig erreicht worden. Bei vielen
dieser Sanierungsprojekte wurde das bisherige System, das Einfamilienhaus",
durch die vierstöckige Mietskaserne ersetzt. Die Nachteile dieses Wohnungs-
systems, zumal für Leute, die Ordnung, Reinlichkeit und halbwegs gute
Aufführung nicht als einen wesentlichen Faktor des Zusammenlebens Vieler
unter einem Dache anerkennen, sind zu offenkundig, als daß sie hier des
näheren erörtert zu werden brauchen. Dementsprechend sind auch die
englischen Erfahrungen ausgefallen. Wenn aus schlechten, ungeziefer-
erfüllten" Höhlen auf diesem Wege
kommende Men- nicht allzu viel zur
schen, bei denen völ- Besserung beigetra-
lige Verkommenheit gen. Ein tatsäch-
aller Lebensanschau- licher Umschwung
ungen die Regel bil- war nur zu erwarten,
det, sich plötzlich ge- wenn ein guter Teil
meinsam der Forde- der bisherigen Quar-
rung gegenüberge- tiere gänzlich frei und
stellt sehen, die ihnen in erster Linie jenen
unter dem gleichen reserviert wurde, die
Dache angewiese- durch die Art ihrer
nen Räume gut im Beschäftigung Gele-
stand zu halten und genheitsarbeit beim
in sich selbst auch Schiffsverkehr zum
etwas lichteren Mög- Beispiel an die Stadt
lichkeiten Raum zur gebunden sind, wäh-
Entfaltung zu gön- rend der eigentliche
nen, so versagen sie industrielle, einer be-
in den allermeisten Abi;Zg,fj;'jlfflj,fjffrjjjajjgzi2?" stimmten Gewerbe-
Fällen. Es war also branche angehörende
Arbeiter seinen Wohnsitz außerhalb der Stadt nehmen, zwecks Verbindung
mit der Arbeitsstätte die zahlreichen Verkehrswege unter Zugeständnis be-
sonderer Begünstigungen Arbeiter zahlen ermäßigte Preise benützen konnte.
Das ist zum Teil mit Glück versucht worden, beispielsweise in Richmond
bei London. Es sei hier auf die einschlägigen Ausführungen von Walther
Lehwess, Englische Arbeiterwohnungen, Berlin 1904, weiter auf den Artikel
in der Concordia, Zeitschrift der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrich-
tungen" Zwölfte Informationsreise der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtsein-
richtungen nach England und Schottland, 1904, bis und 1905, verwiesen.
Lord Shaftesbury erwähnt unter anderem in seinen Berichten, daß bei der Niederlegung einzelner
Straßen die beim Abbruche der Häuser beschäftigten Arbeiter aus Ekel vor dem alle Wände bedeckenden
Ungeziefer die Flucht ergriffen und man zur Beseitigung dieser zahllosen Bewohner der Einfamilienhäusew
anhaltende Wassergiisse, durch Feuerspritzen appliziert, anwendete. In der Artikelserie Horrible London",
welche die Daily News" in den verfiossenen Achtzigerjahren publizierten, sind ähnliche Dinge besprochen.
George Cadbury, dessen große Kakaofabriken früher in Birmingham
sich befanden, verwarf den Plan, die von seinen Arbeitern hauptsächlich
bewohnten Viertel einem Umbau zu unterziehen oder, wie er selbst sagte,
neue Slums" Unterkunftsstätten geringster Art an Stelle der alten zu
setzen, ging doch seine durchaus richtige Überzeugung dahin, daß mit einer
Verbesserung der Wohnung allein keine nennenswerten Resultate für die
allgemeine kulturelle Hebung des Arbeiterstands erreicht würden. Sein
weiter Blick hatte andere Ziele im Auge Er wollte erzieherisch nicht bloß
durch eine von Grund aus verbesserte Art der baulichen Gestaltung wirken,
nicht bloß alte Schäden mehr oder minder gut ausbessern, sondern den
Arbeiter auch außer den nächstliegenden Existenzfragen auf eine höhere
Entwicklungsstufe heben. Freilich hatte er dabei das Entgegenkommen
intelligenter Menschen zu erwarten, die unter weit schwierigeren Verhält-
nissen als zum Beispiel der deutsche Arbeiter die eigene ständige Hebung
und materielle Besserstellung anstreben und dabei den Standpunkt nicht aus
dem Auge verlieren, daß die Bezeichnung eines Gentleman" auch ihnen
nicht abhanden kommen dürfe. Die englischen Gewerkvereine sind trotz
aller gegenseitig festen Abmachungen zum Schutze der eigenen Interessen
niemals jener Verhetzung verfallen, die auf dem Kontinent ein Merkmal der
Arbeiterbewegung geworden ist und zu einer Art des Verkehrs in strittigen
Angelegenheiten geführt hat, den kein englischer Gewerkvereinler mehr als
gentlemanlike" bezeichnen Würde.
Vier englische Meilen sechs Kilometer südwestlich von Birmingham
liegt das umfangreiche, hügelige, zum Teil mit prächtigen alten Bäumen
bestandene Terrain siehe Situationsplan, Abb. fiinfthalbhundert Acres
Acre gleich 4046,71 Quadratmeter groß, das Cadbury im ganzen erstand,
um darauf eine Neuschöpfung erstehen zu lassen, der zwar hinsichtlich der
Gestaltung der Bauweise ein ähnliches Prinzip zu Grunde liegt, wie es Nor-
man Shaw bei der Anlage seiner Einfamilienhäuser-Kolonie in Turnham
Green bei London zum ersten Male in Anwendung brachte, die aber als
Arbeiterdorf" dennoch ganz neu war und anfangs viele Zweifel hinsichtlich
ihrer Rentabilität wachrief. Cadbury hat indes, ohne für sich auch nur den
entferntesten Gedanken eines Gewinns zu hegen, mit außerordentlichem
Scharfblick nicht bloß alle materiellen Fragen günstig gelöst, sondern, nach-
dem die Lebensfähigkeit seiner Art des Vorgehens glänzend erwiesen war,
den Anstoß zu einer Reihe ähnlicher Unternehmungen gegeben, die zweifels-
ohne von ganz außerordentlichem Einfluß auf die zukünftige Gestaltung der
englischen Arbeiterfrage sein werden. Diese entwickelt sich ja überhaupt auf
wesentlich anderer Basis als der Traum eines Zukunftsstaates in den ent-
sprechenden Kreisen des Kontinents.
Die ganze Anlage ist verteilt auf zwei Hügelrücken, zwischen denen ein
prächtiger, bachdurchßossener Talgrund sich hinzieht, eingenommen zum
Teil durch einen schönen Park, weiter von Teichen zum Baden und von
dem größten aller Spielplätze, deren Bournville verschiedene aufzuweisen
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Abb.
214
BOURHUIEEI PREITEIUJSEE HAUS ARCH-AHAKVEY
-1,5-
.. 4,45 --.-.-
201
hat. Die Bebauung ist, wie aus dem Plan ersichtlich, weit entfernt von jener
Terrainteilung in quadratische Blocks, die bei den meisten kontinentalen Ar-
beiterniederlassungen die architektonische Bildwirkung von vornherein zur
Unmöglichkeit machen. Die Straßenzüge wurden vielmehr, der Terrain-
bewegung folgend und mit Rücksicht auf möglichst ausgiebige Besonnung
der daran liegenden Häuserkomplexe, gleichzeitig aber auch mit unglaublich
viel künstlerischem Geschick für die Entwicklung reizvoller Bildwirkung, der
Hauptsache nach in der Richtung von Nord nach Süd, in einer Breite von
12,30 Meter angelegt. Beispiel einer Straßenanlage Abb. 10. Rechnet man
die den Häusergruppen vorgelagerten 6,05 Meter tiefen Vorgärten hinzu, so
ergibt sich von einer Hausreihe zur gegenüberliegenden eine Breite von
25 Meter. Größere baumbestandene Flächen zum Beispiel The Green"
zwischen den Haupthäusergruppen, die Baumbeplianzung der Straßen, im
Talgrunde der Park, am südlichen I-Iügelhang ein großer Recreation Ground",
dessen hochwipfelige Silhouette die davor liegenden Architekturen überragt
all das schafft Blicke von größtem Reize, wozu natürlich die einzelnen
Gebäudekomplexe, vor allem die in bevorzugter Lage errichteten öffentlichen
Gebäude Schule, Gemeindehaus, Ruskin Hall, Gymnasium, Bournville Hall
und so weiter, in ihrer mannigfaltigen Ausbildung wesentlich beitragen. Der
Blick von den Höhen in die weite, schöne Landschaft, über der mächtige
Wolkengebilde dahinziehen, ist geradezu entzückend. Ausgehend von dem
erzieherisch vorzüglichen Prinzip, daß die arbeitende Bevölkerung in ihren
freien Stunden sich mit Gartenkultur beschäftigen solle, hat der Gründer der
Anlage Sorge dafür getragen, daß jedem Hause ein genügend großes Stück
Gartenland durchschnittlich 600 Yard, gleich etwas über 50 Quadratmeter,
Vorgarten nicht mitgerechnet zwecks Gemüse- und Obstbau zugehöre.
Siehe Plan, Abb. 9.
Bei Bezug eines Hauses durch den Mieter oder Käuferl wird der Garten
in bebautem Zustand mitübergeben. Der Vorgarten dient ausschließlich der
Blumenzucht, die in wahrhaft künstlerischer Weise betrieben, zu den all-
jährlich veranstalteten Blumenausstellungen Rosen, Chrysanthemen und so
weiter ganz hervorragende Resultate liefert. Der Gemüse- und Obstbau da-
gegen reicht nicht bloß für die Bedürfnisse der Hausbewohner hinlänglich
aus, er bringt vielmehr einzelnen, die mit ganz besonderem Eifer der Sache
obliegen, durchschnittlich für jede Woche des Jahres eine Überschußein-
nahme von Shilling, womit die ohnehin sehr billigen Mieten zum Teil
bezahlt werden. Trotz Verbauung des Terrains durch Häuser, Straßen und
so weiter liefert der Boden infolge der vorzüglichen Kultur heute den sechs-
fachen Ertrag dessen, was er früher hervorbrachte, ein Resultat, das in
weiter ausgedehntem Maßstab erzielt nationalökonomisch von höchster Be-
deutung werden kann. Die englische Bodenkultur liefert, wohl infolge des
Pachtsystems, das nicht, was sie bei intensiverer Inangriffnahme zu liefern
im stande wäre. Um den Bewohnern, die des Gartenhaus unkundig sind, die
nötige Anleitung zu geben, sind zwei Obergärtner mit einer Reihe von Ge-
hilfen vorhanden. Für die Jugend sind Gärtnerklassen eingerichtet. Um das
Anfangs wurden die Häuser verkauft, indes ist man davon abgekommen. Sie sind zum größeren Teil
vermietet, ohne daß die Stabilität der Bevölkerung Schaden gelitten hat.
Abb. x4. Bournville, Älteres Drei-, neueres Zweifamilienhaus. Alex. Harvey, Architekt
Bild zu vervollständigen, das dem großherzigen Gründer vorschwebte, als er
den Grundsatz aussprach, der Arbeiter rnust be brought back to the land",
sei hinzugefügt, daß die ganze auf 250.000 Pfund gewertete Stiftung, zu der
später noch die Schenkung eines Schul- und Gemeindehauses sowie andere
Abb. x5. Boumville, Gruppenbau von vier Häusern. Alex. Harvey, Architekt
27h
...v-,.
Zuwendungen traten, seit Dezember IQOO dem Bournville Village Trustm"
überwiesen wurde unter völliger Verzichtleistung auf jeden Anspruch von
Seite des Gründers und seiner Erben. Es wurde nur der Wunsch aus-
gesprochen, die Unternehmung möge gemäß dem bisherigen Zwecke weiter
entwickelt, der Ausschank von alkoholischen Getränken auch in Zukunft ver-
mieden werden. Ausgeschlossen sollen wie bisher alle einseitig politischen
und religiösen Beeinßussungen bleiben. Die Nutznießung involviert keinerlei
Verpflichtungen irgendwelcher Art, wie sie sehr häufig bei Arbeiterwohl-
fahrtseinrichtungen auf dem Kontinent als Conditio sine qua non, zum Bei-
spiel in politischer Beziehung, vorausgesetzt werden. Auch soll dieselbe
-"Fm',.....i
Abb. 16. Bournville, Doppelwohnhaus mit Verkaufsladen. Alex. Harvey, Architekt
keineswegs ausschließlich den Arbeitern der Cadburyschen Fabriken zu Gute
kommen. Dieser Umstand erklärt es, daß etwa 50 Prozent der Einwohner
von Bournville in gar keinen Beziehungen zu dem dortigen Etablissement
stehen, sondern in anderen Betrieben und Geschäften ihr Brot verdienen.
Aller Gewinn, der aus den Einnahmen sich ergibt, muß zu Erweiterungen
der Unternehmungen des Trusts verwendet und darf keinem andern Zweck
zugeführt werden. Neuerdings hat ein anonymer Schenker dem rust weitere
44 Acres Land überweisen lassen.
Der heutige Bestand an Gebäuden beträgt zirka 600 Einfamilienwohn-
häuser mit einer Bevölkerung von etwas über 3000 Seelen. Gegenüber der
Sterblichkeit in den Städten, die beim Durchschnitt von vier Jahren 10,5 vom
Dem Vorstande des Boumville-Trusts, Herrn john Barlow, sei an dieser Stelle gedankt für sein liebens-
würdiges Entgegenkommen, das er dern Verfasser dieser Zeilen persönlich durch Überlassung aller einschlägigen
Materialien angedeihen ließ, ebenso Herrn Alexander Harvey, dem architektonischen Schöpfer von Bournville.
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Abb. 18. Bournville, Schulhaus. Alex. Harvey, Architekt
Tausend, für ganz England und Wales 15,7 vom Tausend beträgt, zeigt sie
für Bournville die niedrige Ziffer von 7,3. Stärker ist der Unterschied in der
Kindersterblichkeit Bournville Vierjahrdurchschnitt 72,5 von IOOO Lebend-
geburten Städte x00 vom Tausend, ganz England inklusive Wales 134,5,
also das Doppelte. Natürlich wurde bei einer so großzügig geplanten Anlage
keine hygienische Forderung übersehen. Ausreichende Versorgung mit gutem
Trinkwasser und Kanalisation sind gleich vom Anfang an als grundlegende
Faktoren berücksichtigt worden. Desgleichen wurden auch sofort alle Rohr-
stränge für Beleuchtungszwecke im Planentwurfe vorgesehen und auf diese
Weise das ewige Aufreißen der Verkehrswege, wie es in verschiedenen
kontinentalen Großstädten ständig in Szene gesetzt wird, vermieden. Wer
Bournville eingehend studiert, lernt überhaupt einsehen, was weitblickende
Menschen alles in den Bereich ihrer Überlegung ziehen, gegensätzlich zu
der vielenorts eingebürgerten Gepflogenheit, immer recht schön langsam
eines nach dem andern mit bureaukratischer Bequemlichkeit zu tun.
Die Baupachtzeit lease beträgt in England durchschnittlich gg Jahre,
das heißt, Grund und Boden mitsamt den daraufstehenden Gebäuden gehen
nach Ablauf dieser Zeit an den eigentlichen Besitzer wieder über. In Bourn-
ville ist der Termin auf die zehnfache Zeit, 99g Jahre, verlängert worden, so
daß das erworbene Eigentumsrecht sozusagen ein dauerndes ist. Wird ein
Haus vom Eigentümer verkauft, so kann es nur an den Trust übergehen, der
es entweder weiterhin vermietet oder käuflich ohne Preisaufschlag veräußert.
Auf diese Weise ist dem Spekulationswucher ein für allemal ein Riegel ge-
schoben, ein Verfahren, das auch bei den neuen Arbeiterniederlassungen in
207
Abb. 19. Bournville, Halle im Gemeindehause. Alex. Harvey, Architekt
Ulm an der Donau eingehalten wird. Da der Staat, nicht bloß in England,
der Arbeiterwohnungsfrage, dem wichtigsten Problem auf dem Gebiet der
sozialen Entwicklung, durchschnittlich wenig Interesse gezeigt, die Haupt-
sache vielmehr den Privat- oder gemeindlichen Unternehmungen überlassen
hat, so erscheint es, um allen Eingriffen der Bodenwucherer einen Riegel
zu schieben, durchaus notwendig, daß da, wo Munizipien sich mit der Sache
befassen, gerade dieser Umstand in allererster Linie Berücksichtigung finde,
die Spekulation ein für allemal von Eingriffen in die Entwicklung und den
Bestand solcher Kolonien ausgeschlossen werde.
Die Häuser sind entweder Einzelobjekte oder zu zweien, dreien, öfters
auch zu vieren in Gruppenbauten vereinigt. Die möglichst vorteilhafte Grund-
rißlösung des kleinen bürgerlichen Wohnhauses ist, wie schon früher bemerkt,
zuerst in der Kolonie von Turnham Green bei London durch Norman Shaw,
den bekannten Bahnbrecher für neuzeitliche Wohnhausanlagen," anfangs der
Sechzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts festgelegt, worden. Auf seine
Arbeiten baut sich ein gut Teil dessen auf, was die Charakteristik des moder-
nen englischen, in sich abgeschlossenen Einfamilienwohnhauses ausmacht,
Vergl. Hermann Murhesius, Das englische Haus, I. x99 Berlin, Wasmuth. Muthesius hat das große
Verdienst, als erster in zusammenfassender Weise die Entwicklung des englischen Hausbaues klargelegt zu
haben. Schreiber dieses dankt ihm für die mannigfaltigen Anregungen, die ihm sowohl durch das genannteWerk
als auch durch persönliche Hinweise zu Teil wurden.
auch die Lösung des Arbeiterhausproblems, wie sie in Bournvillei und Port
Sunlight zum ersten Male, und zwar gleich in umfangreichem Maßstabe
praktisch Gestalt gewann. Begonnen wurde mit dem Bau einiger I-Iäuser in
Bournville 187g. Die Hauptbauperiode aber fällt auf 1895 und die folgenden
Jahre. Damals entstanden im ersten Sommer gleich 200 I-Iäuser, die sich in der
Grundrißdisposition, vor allem aber in der äußeren Erscheinung ganz wesent-
lich von den ersten Ansätzen unterscheiden. Früheste Häuser siehe Abb. 5.
Sie bedeuten neben den Anlagen von Port Sunlight überhaupt das beste,
was auf diesem Gebiet bisher geschaffen worden ist. Auf sechs Acres
2428o,26 Quadratmeter stehen, Straßen mit eingerechnet, durchschnittlich
sechs Wohnhäuser. je nach der Höhe des Miet-, beziehungsweise Kauf-
preises variiert die Zahl und Größe der Wohngelasse. Bezeichnend wie für
das englische Haus überhaupt ist auch bei diesen Anlagen die Berücksichti-
gung der wirtschaftlichen Nebengelasse. Nicht ein Haus ist ohne Spülküche,
die meisten enthalten Badegelegenheiten oder Badezimmer, Speisekammern,
eigenen Raum für Brennmaterial, oft auch Werkzeugkammern, fest einge-
baute Schränke. Dagegen fällt die Unterkellerung überall weg, was hinsicht-
lich der Baukasten von Belang ist. Wohnküche und Spülküche nebst Wirt-
schaftsgelaß im Parterre, drei Schlafzimmer, wovon eines von bescheidenen
Dimensionen, enthalten selbst die billigsten Wohnungen, deren Wochen-
mietpreis Shilling Pence jährlich rr Pfund r4 Shilling gleich 235 Mark
beträgt. Die darauf entfallenden Steuern hat der Mieter selbst zu tragen.
Abbildung rr gibt den Typus einer Doppelanlage solch eines einfachen
Hauses. Man könnte ihn den Cottage-Typus" schlechtweg nennen. Aus den
Maßen erhellt, daß die Stockwerkshöhen geringer genommen sind, als man
sie zum Beispiel nach deutschen Bauvorschriften zu bemessen hätte, um das
gesetzlich kubische Luftmaß, wie es sich der Kopfzahl der Bewohner ent-
sprechend bei Neubauten" zu gestalten hat, zu erreichen. Das englische
Klima erlaubt eine weit ausgiebigere, andauernde Lüftung der Wohnungen
als das kontinentale. Der Engländer ist überhaupt mehr Luftmensch als die
nördlichen Kontinentalen es sind, die sich wozu ist nicht recht klar
selbst in den Wohnungen des Mittelstands Zimmerhöhen leisten, die ohne
Die hier mitgeteilten Grund- und Aufrisse sind dem Buche Alex. Harveys The Model Village and its
Cottages Boumville, London, bei Batsford, 1906, mit Genehmigung des Autors entnommen. Harvey ist, wie
schon früher bemerkt, der architektonische Schöpfer von Bournville. Neuerdings ist auch Architekt H. B. Tylor
daselbst tätig.
Daß eine große Zahl deutscher derart belegter Arbeiterwohnungen den gesetzlichen Vorschriften keines-
wegs entspricht, erhellt zur Genüge aus den Mitteilungen, wie sie zum Beispiel in der Schrift Dr. K. Singers,
stellvertretenden Direktors des statistischen Amtes von München, Die Wohnungen der Minderbernittelten in
München", weiter C. Schirmers Das Wohnungselend der Minderbemittelten in München", und anderer auf
Grund statistischer Erhebungen gegeben sind. Unter den in Deutschland vorhandenen Ansätzen zur Lösung der
Wohnungskalarnität ist manches von privater Seite geschehen. Indes ist die Nutzberechtigung dabei vielfach von
der Erfüllung gewisserVoraussetzungen abhängig gemacht,die dem Arbeiter jedwede freie Bewegungsmöglichkeit
versagen und ihn durchaus abhängig machen vom Fabriksherrn. Daher denn auch die ziemlich allgemeine Ab-
neigung gegen die Ansiedlung in Kolonien. Näheres darüber im 14. Band der Schriften des Vereins für Sozial-
politik. Der neue deutsche Reichstag, dessen liberale Partei bei den Wahlen vor allem Ausbau der sozialen
Gesetzgebung" versprach, hätte eigentlich genügende Gelegenheit, einmal die Frage des Wohnungselends der
Minderbemittelten zum Gegenstand nicht bloß von Prüfungen und Untersuchungen deren gibt es gerade genug,
sondern von Taten zu machen.
Abb. 20. Boumville, Gemeindehaus. Alex. Harvey, Architekt
weiters als irrationell bezeichnet werden müssen. Anderseits erhebt weder
der Verstand der Mieter, noch weniger aber derjenige der baulichen Gesetz-
geber Einspruch gegen die Anlage großer, von Ost nach West laufender
Straßenzüge, deren eine Seite, die Front nach Norden, nie von einem Sonnen-
strahl getroffen werden. In einer der neuen Villenkolonien nächst München
ist beispielsweise die anderthalb Kilometer lange Hauptstraße sorgsam so
angelegt worden, daß Treppenhäuser, Küchen,Wasserklosettes und so weiter
der einen Straßenseite nach Süden, also nach der Sonnenseite liegen, die
Wohnräume aber nach Norden. Dafür zieht man aufs Land! Dafür sind die
Erbauer solch irrationell angelegter Kolonien studierte" Leute! Es er-
ben sich Gesetz und Regel wie eine ewige Krankheit fort
Die Horizontalausmaße der Räume dieser Arbeiterwohnungen entspre-
chen dem Erfahrungsresultat, daß in Häusem, wo keine Dienstboten zwecks
Verrichtung der Hausarbeit vorhanden sind, ein gewisses Höchstmaß nicht
überschritten werden soll. Geschieht es dennoch, so ist die sorgsame Instand-
haltung nicht mehr möglich, zumal da nicht, wo die weiblichen Mitglieder
kleiner Haushaltungen für häusliche Verrichtungen nicht gerade begeistert
sind. Wo weiter die Entwöhnung vom Alkoholgenuß die Menschen zu rich-
tigem Überlegen führt, treten offenbar auch in dieser Hinsicht andere Ver-
hältnisse ein. Bournville liefert den Beweis dafür.
Die Preise für größere, an Raumzahl reichere Häuser, man könnte sie
Parlour-Häuser" nennen, in Bournville, gehen von dem genannten niedrigsten
Satze er gilt für I5 Häuser aufwärts zu fünf Shilling drei Pence 62 Häuser,
28
210
sechs Schilling x22 Häuser bis zu acht Shilling die Woche 416 Mark pro
Jahr. Letztere müssen als geradezu elegant bezeichnet werden. Eine Stadt-
wohnung von gleicher Qualität, aber nicht mit den nämlichen gesundheit-
lichen Vorzügen, wäre nicht um den doppelten, selbst nicht um den drei-
fachen Preis zu haben. Abbildung I3 gibt eine Dreihäuseranlage der Parlour-
Art, aus der ersichtlich ist, auf welcher Höhe der Ausbildung sich die bes-
seren Wohnungen befinden. Was beim Hause des Wohlhabenden in den
Wohnräumen eine große Rolle spielt der fast ganz in Glas ausgeführte
Erker, der Fenstersitz und der Kaminwinkel er fehlt auch diesen Arbeiter-
wohnungen nicht, von denen auch nicht eine einzige zu vermieten oder zu
verkaufen war, als Schreiber dieser Zeilen einige Zeit in Bournville weilte.
Die Stuben sind außerordentlich behaglich, sonnig, hell. Es ist ein Vergnügen,
II,
ruiniert
Abb. 2x. Bournville, Postgebäude und Verkaufsladen. H. B. Tylor, Architekt
die Häuser zu besuchen." Badegelegenheit fehlt nur bei den ältesten. In den
neueren ist sie verschiedenartig untergebracht versenkt im Boden der
Abwaschküche, in Verbindung mit Warm- und Kaltwasserzuleitung und
gewöhnlich mit einem in Falzen liegenden Deckel verschlossen; bei
anderen ist die Badewanne um die Zuleitungsrohre als Achse drehbar,
im Stande der Nichtbenutzung in einem Wandschrank untergebracht,
versperrt also keinen Platz. Bei den räumlich ausgedehnteren Wohnungen
des zweiten Typus ist durchwegs ein eigentliches Badezimmer im Plane
vorgesehen. Sorgfältigste Berücksichtigung erfuhr die ausgiebige Belichtung
der Räume. Das Fenster ist seiner ursprünglichen Bestimmung wieder zu-
geführt, nicht bloß als überhöhter Mauerschlitz, sondern als horizontal aus-
Man vergleiche damit, was E. DückershoiT, ein in den Bergwerken von Newcastle tätiger deutscher
Bergarbeiter, in seiner Schrift Wie der englische Arbeiter lebt" Dresden, V. Böhmen, in dieser Beziehung
äußert Ich habe in Deutschland sehr viel Arbeiterkolonien besucht. Das Äußere ist da immer sehr schön im
Vergleich zu den englischen Arbeiterkolonien, aber inwendig sieht es manchmal recht trübselig aus, wogegen
man hier in jeder Arbeiterfamilie einen gewissen Wohlstand wahrnimmt" und so weiter.
ZII
BOURNVIIL-E-ALMsr-covses- vgrgil-rltlllilnätk Särgen nur gebildete Öffnung behan
33 Aßwtwwümi "QMWRAV" delt, so daß selbst in den
Zeiten niedrigen Sonnen-
stands ausgiebige Durch-
strahlung stattfindet.
Der meist bis ins erste
Dach- Geschoß empor-
m-v-x-w- Serrvotwss geführte Erker läßt eine
Abb. 22. Ewen Harper, Architekt von Licht einfanelm
Das Sprossenwerk ist
durchwegs in weißer Ölfarbe gestrichen. Gegensätzlich zu deutschen Vor-
schriften, die selbst bei Arbeiterhäusern Meter Treppenbreite verlangen
bei Einfamilienhäusern eine überliüssige Raumverschwendung sind die
Verbindungen von Stockwerk zu Stockwerk höchstens 70 Zentimeter breit
Abb. I2. Das genügt für den gegebenen Fall vollauf; eingebaute Schränke
machen den Transport umfangreicher Möbelstücke über die Treppen über-
Hüssig. Die Dicke der technisch vorzüglich ausgeführten Mauern beträgt
durchwegs einen Stein, nicht mehr. Das ist freilich auch nur in dem milden
insularen Klima, wo Schnee nie lange liegen bleibt, und bei der Wohlfeilheit
der Kohle möglich. Weitere Ersparnisse, nicht etwa auf Kosten der Soli-
dität des Baues, werden dadurch gemacht, daß die I-Iolzstärken bei Stock-
werksfußboden und Dachgebälk weit geringere sind, als auf dem Kontinent.
Die Dachkonstruktion ist einfach, die äußere Form überall von ausgezeich-
neter Wirkung. In der Einfachheit der aufgewendeten Mittel liegt überhaupt
der wesentliche Reiz aller I-Iäuser in Bournville, mögen sie nun in Putz-
Abb. 23. Bournville, Hof der Almshousesü Ewen Harper, Architekt
28'
flächen, in sau-
ber verfugtem
Backstein oder
in Riegelwerk
ausgeführt sein.
Die Anlehnung
an das alte eng-
lische Bauern-
haus Abb.
ist viel-
fach geradezu
betont, jedoch
in ganz an-
derer Art, als
es zum Bei-
spiel in den
deutschen, den
Schweizer Al-
pen an Land-
häusern, Gast-
höfen und so
weiter der Fall
ist. Nirgends
auch nur eine
Spur von über-
flüssigen Bei-
gaben, nirgends
kleinlich spie-
lerische Mo-
tive, wie sie
das unglück-
selige Zeitalter
der Neu-Deutschrenaissance mit sich brachte und noch bringt, nirgends das
gänzlich verfehlte Übersetzen großer Formen ins dimensional Kleine, überall
Sachlichkeit, strengstes Maßhalten, dabei technische Vollkommenheit und
nirgends ermüdende Wiederholungen. Die englischen Architekten studieren
nicht bloß die dekorative Wirkung älterer Bauten, sie lehnen sich vor allem
an das handwerklich Vorzügliche alter Bauweise an. Verfasser dieses hatte
unter anderem Gelegenheit, unter persönlicher Führung des Architekten
Ashbee den Ausbau einer nicht sehr umfangreichen, ziemlich ruinösen früh-
mittelalterlichen Anlage in der Nähe von Campden zu sehen und dabei die
technische Sorgfalt zu bewundern, womit die Ausbesserung der alten Teile,
der Anschluß der neuen bewerkstelligt wurde. Der Kampf der Arbeiter um
ihre Rechte hat in England jenen Rückgang der handwerklichen Tüchtigkeit
Seitenteil eines spätgotischen Altars aus der Marienkirche in Lübeck
21-3
Mittelalterlicher Schlafraum aus der landesfürstlichen Burg in Meran
nicht zur Folge gehabt, wie er anderweitig in vielfach geradezu erschreckender
Weise nach und nach sich einstellt. Die Gewerkvereine setzen als Grund-
bedingung der Mitgliedschaft ein durchaus geschultes Können voraus und
ihre Mitglieder halten den Grundsatz als etwas Selbstverständliches ein, daß
gutbezahlte Arbeit auch die Verpflichtung zu solider Leistung nach sich ziehe.
Obschon nun dieses gründliche Kennen der alten Technik seine unbe-
streitbaren Vorzüge, seine großen Reize hat, wird sich doch mit der Zeit bei
Objekten, die billig und nicht für eine Dauer von Hunderten von Jahren,
sondern für zwei, höchstens vielleicht drei Generationen hergestellt und dann
durch Neues ersetzt werden, die Grenze zeigen, bis zu der man in dieser
Hinsicht gehen kann.
Die Zukunft einer großen Bewegung zu Gunsten der Entlastung der
Städte hängt mit der Möglichkeit zusammen, Mittel und Wege zu finden,
um auf billig erworbenern Grund und Boden billig und dennoch gesundheit-
lich zweckentsprechend zu bauen, die bisher angewandten Materialien und
ihre Bearbeitung so zu gestalten, daß dadurch an Kosten gespart werden
kann und die Ersetzung alter, zur Bewohnung nicht mehr tauglicher Häuser
durch neue nicht an eine Technik gebunden ist, die stetig teurer wird; Das
zxq
ist eine der einschneidensten unter den Fragen, die mit der Lösung des
Wohnproblems zusammenhängen. Hat der Schiffsbau unter der Verwendung
neuer Hilfsmittel, die man früher nicht kannte, eine gründliche Wandlung
durchgemacht, warum sollte Ähnliches nicht auch in der Nutzbaukunst sich
vollziehen können? Gerade darin zeigt sich, daß unsere Zeit trotz aller Er-
rungenschaften der Technik, des eigenen Ausdrucks in mancher Hinsicht
noch entbehrt. Die Stilfrage tritt noch immer allzusehr in den Vordergrund.
Das hängt mit dem zum Teil noch völlig irrationell betriebenen Studien-
gang der Schulen, die das Bauen, nicht aber das Motivsammeln und -ver-
werten lehren sollen.
Die Einzeler-
scheinungen der Ar-
beiterhäuser von
Bournville zu be-
sprechen, ist über-
flüssig. Sie sind zur
Genüge aus den
Abb. I0, I4
und 16 ersichtlich.
Auffallend im all-
gemeinen, am ein-
zelnen Hause wie
im Gesamtbild ist
lung der Dachsil-
houetten, zu deren
Wirkung natürlich
die meist sehr kräf-
tig ausgebildeten
Kamine wesentlich
Deutsches Ben aus Eichenholz, XVJahrhundei-t, nach Bajot beitragerL Das
ten ungezählte kon-
tinentale Architekten auch allmählich einsehen und schätzen lernen. Was
bei der Ausbildung von breiten Giebeln, die zwei aneinander stoßenden
Häusern angehören, dem Architekten in England erleichtemd zur Seite steht,
ist die im englischen Baugesetz wesentlich anders als bei vielen kontinentalen
Bestimmungen lautende Vorschrift über Brandmauern. Sie brauchen weder
über Dach emporzugehen, noch durch irgend welche Betonung innerhalb der
Giebelfläche hervorzutreten, wie dies zum Beispiel in Deutschland Vorschrift
ist. Überhaupt greift in England das Gesetz nicht so sehr ins Gebiet der
künstlerischen Möglichkeiten wie in anderen Ländern, wo jeder Gesetzgeber
am grünen Tisch sich auch als oberste Instanz auf dem Felde der Formenwelt
betrachtet wissen will. Vorzüglich ist durchweg das Verhältnis zwischen
vorspringenden, lichtfangenden und schattenwerfenden Partien einerseits und
die große Abwechs-
EFN zum 4,23m 555.5". m3. uvnounh
nimm nun ütvuzznkcnhäwä mvv 95.5.. Jcnvanunumw man zum munumiuü
Mittelalterliches Bettgestell aus dem
Bayerischen Nationalmuseum in München, 1470
zurücktretenden, im
Schatten liegenden an-
dererseits. Die vertiefte
Vorhalle, die zuweilen
unter einen mächtigen
Bogen zusammen ge-
faßt die Eingangstüren
zu zwei I-Iäusern ent-
hält, ist bei der Ge-
samtwirkung überall
in gleichem Maße be-
rücksichtigt, wie die
über die Bauflucht vor-
tretenden Anbauten,
die für das ältere eng-
lische Haus sehr
bezeichnend sind.
Überall ist die Kom-
bination eine neue,
wirksame und mit
einfachen Mitteln
erreicht Als
George Cadbury
mit der Begründung
von Bournville be-
gann, war ihm nicht
bloß die Hebung der
materiellen Existenz
der Arbeiter Her-
zenssache. Bloß
gute gesunde Woh-
nungen zu schaffen,
das Familienleben
auf diese Weise zu
bessern, derMoral
insanity" soweit wie
möglich vorzubeugen durch die Fernhaltung des Alkohols, der beim eng-
lischen Arbeiter eine außerordentlich verderbliche Rolle spielt siehe Dückers-
hoff, pag. 31, konnte einem solch weitblickenden Geiste nicht genügen. Es
mußten für eine Ansiedlung von solcher Ausdehnung, die sich außerdem
ständig erweitert, auch jene Vorkehrungen getroffen werden, die außerhalb
des Familienkreises liegen, dennoch aber zu seiner allseitigen Ausbildung bei-
tragen oder Gelegenheit bieten, die physischen Kräfte zu stählen. Schöpfungen
allgemein fördernden Zwecks, öffentliche Gebäude, das war der weitere Teil
der Aufgabe. Dahin zählt zunächst die Schule Plan und Ansicht, Abb. 17 und
I8, ein Geschenk Cadburys an die Gemeinde Situationsplan 1. Der daselbst
vorhandene Platz für zirka 600 Kinder reicht heute bereits nicht mehr aus
und der Trust geht daran, einen zweiten Neubau aufzuführen, damit aber
gleichzeitig den Rahmen des Unterrichtswesens abermals zu erweitern.
Denn bei der ersten Schule wurden nicht bloß vorzügliche Unterrichtsräume
geschaffen, vielmehr enthält das Gebäude auch alle Einrichtungen zur Ab-
haltung von Koch-. Näh-, Bügelkursen für erwachsene Mädchen, gleichzeitig
aber auch ein Laboratorium, Bibliothek und so weiter. Die Ausfüllung der
Lücke, die England hinsichtlich der sehr späten Regelung des Volksschul-
wesens aufweist, wird unter dem EinHuß des gesteigerten Interesses gerade
der reichen Bürger, vor allem aber durch die rührige Anteilnahme der auf-
wärtsstrebenden Arbeiter selbst an allem, was ihre geistige Hebung betrifft,
bald ausgeglichen
sein. Vielleicht ist
gerade der Umstand,
daß mit gänzlich
veralteten und ver-
knöcherten Prinzi-
pien, wie sie viel-
fach noch die kon-
tinentalen Schulen
beherrschen, nicht
erst langsam, Schritt
für Schritt, gebro-
chen werden mußte,
vonVorteil. Bourn-
ville ist eine selb-
ständige Gemeinde,
mithin bedurfte sie
auch einer geeigne-
ten Lokalität für all-
gemeine Bespre-
chungen. Von G.
Cadbury wurde
ihr diese in dem
Meeting House"
Abb. 19 und 20, Si-
tuationsplan zum
Geschenk gemacht.
Es finden daselbst
nicht bloß Versamm-
lungen allgemeiner
Bettgestell
Aft, SOIIGCITI auch aus dem Thsulow-Museum in Kiel, Frührenaissance
29
218
Vorträge und religiöse Akte statt. Die innere Wirkung ist wie die äußere
das Gebäude beiindet sich wie die Schule in dominierender Lage kraftvoll.
Weiter wäre zu erwähnen Ruskin Hall" Situationsplan so genannt zur
Erinnerung an den großen englischen Kunstgelehrten, der bei Shefüeld speziell
80,... .0
II. 3621!.
Deuxsches Renaissanceben, Tirol, nach F. 0. Schmidt
für die Arbeiter eine Kunstsammlung und Bibliothek mit Vortragssälen ge-
baut hat. Bournville besitzt in diesem Gebäude die Anfänge einer Galerie,
vorzüglich eingerichtete Lesezimmer und Bücherräume, deren Benutzung in
liberalster Weise allen möglich gemacht ist. Youths Club" ist ein Gebäude
mit Lesesaal, Vortragsräumen und Bibliothek zur Benutzung für junge Leute
Eine deutsche Wochenstube der Renaissancezeit, aus einem Flugblatt dzs XVI Jahrhunderts
e.
ev
f.
49'
Dänisches Himmelbett aus der Zeit Christians lV., Kopenhagen
unter 21 Jahren. Der große Pavillon auf dem Girls recreation Ground" dient
der Gesellschaftlichkeit junger Mädchen bei schlechtemWetter, hauptsächlich
aber musikalischen Übungen. Die Aufführungen der Orchestral Society", bei
denen Männer und Frauen mitwirken, vollziehen sich unter Leitung eines
musikalisch gebildeten Dirigenten. Am südlichen Berghang, über dem
weit ausgedehnten Play Ground" Spielplatz, Situationsplan 11 liegt ein
äußerst reizvoller Riegelbau, das Gymnasium" Situationsplan Architekt
G. H. Lewin, in dessen ausgiebig bemessenen Räumen die männliche Be-
völkerung Bournvilles ihre Leibesübungen betreibt, während Bournville
Hall" Situationsplan höher am Berghang unter herrlichen alten Bäumen
Schlafzimmer, Renaissance, auf Schloß Gripsholm, Schweden
Bauemstube aus Bollnäs. Stockholm, Skansen Freiluflmuseum
222
gelegen, den Mädchen und Frauen zu gleichem Zwecke dient. Zu jeder
dieser beiden Anstalten gehören, im Talgrund gelegen und von dem dort
fließenden Bache gespeist, große Schwimmbassins Situationsplan 12. Na-
türlich ist auch für die Kranken und Erholungsbedürftigen in ausgiebiger
WM.
..-. via. w..,",'
.-..
4.
211i
.1,
Französisches Himmelbett aus der Zeit Louis XIII, XVhjahrhundert
Weise gesorgt. Die Schuljugend aber und die jüngere Kinderwelt haben ihre
eigenen weiten luftigen Spielplätze Situationsplan II c. Zu den Bauten
allgemeinen Zwecks zählt endlich noch die mit Verkaufshallen verbundene
Post Abb. 2x. Zu dem Gesamtbild, das Bournville gibt, gehört noch eine
Stiftung, die von dem verstorbenen Bruder G. Cadburys, Richard Cadbury
223
herrührt. Es sind die Almshouses" Situationsplan eine Anlage von eben-
erdigen, im Grundriß sehr geschickt gelösten, anmutigen Einzelhäusern
Grundriß, Abb. 22, enthaltend ein großes Wohnzimmer mit Kochofen,
geräumiges Schlafzimmer, Scullery, Kohlenraum, Abort und kleinen, gras-
bewachsenen Hof. Die Gebäude gruppieren sich um einen riesigen offenen,
mit Bäumen bepflanzten und mit Rasenfiächen versehenen Hof Abb. 23. Es
sind Unterkunftsstätten für alte, erwerbsunfähig gewordene Arbeiter und ihre
Schlafzimmer des Prinzen Engen in Schloßhof
Frauen, die ein aus Versicherungen etc. herrührendes Jahreseinkommen von
mindestens I5 und nicht über 50 Pfund Sterling haben. Gas, Wasser sowie
drei Tonnen Kohlen jährlich sind frei, ebenso die Benutzung des vom Trust
gelieferten, sehr komfortablen Mobiliars. Außerdem bekommt jeder Bewohner
ein Stück Gartenland. Zu meinen liebsten Reiseerinnerungen gehört ein in
dieser reizvollen Anlage verbrachter Sonntagvormittag. Einer der Insassen,
ein siebzigjähriger Mann, mit dem ich mich lange Zeit eingehend unterhielt,
bot mir in seiner mit blühenden Blumen reichgeschmückten, sonnendurch-
glänzten Wohnung eine Tasse Tee an. Auf dem Tische lag ein ganzer Stoß
der in Paris erscheinenden Semaine litteraire". Der Alte hatte ohne jed-
E.
F.
r.
h.
.n
weden Unterricht zusammen mit andern Arbeitern in jungen Jahren ran-
zösisch gelernt und sprach, wenn auch mit englischem Akzent, fließend und
in geschickter Redewendung. Über der Türe zum Meeting I-Iouse des
Almshouses steht der Spruch In as much as ye did it unto one of these
my Brethren ye did it to unto me!" Cadbury spricht keinen der Arbeiter
seiner Fabrik anders an als My brother!"
Die Tätigkeit des Bournville Trusts beschränkt sich keineswegs auf die
eine Örtlichkeit, vielmehr äußert sie sich auch in der Entwicklung ver-
wandter, unter gleichen Grundsätzen ins Leben gerufener Unternehmungen,
so in Ealing, Seven Oaks, der Garden City", kurzum bei all jenen energischen
Verstößen zur Lösung der Wohnungsfrage, die von den immer mächtiger
sich entwickelten Copartnership Tenant Societies" ausgehen und England
neuerdings den Ruhm sichern, bahnbrechend in großen kulturellen Angelegen-
heiten gewesen zu sein. Andere Nationen könnten daraus sehr, sehr Vieles
lernen. Volkswirtschaftlich von höchster Bedeutung ist der bereits früher er-
wähnte Umstand, daß der von den Bewohnern Bournvilles äußerst rationell
215
,siä'w'hv...,..ä- ...,.wvr-ßä,.
lixxF"I'lxlißE1.-"i uI-TrLZ-ißiiv Tvfv;
ä-gv"
..
Schlafzimmer aus dem Schlosse Ansbach
betriebene Gartenbau heute trotz Wegfalls des von Straßen und Häusern ein-
genommenen Platzes rechnerisch den sechsfachen Ertrag dessen liefert, was
er vorher einbrachte. Es klingt vielleicht optimistisch, wenn sich an diese
Tatsache Hoffnungen knüpfen, die für die Zukunft eine stärkere Eigen-
produktion an Nahrungsmitteln in Aussicht stellen, als England sie zur Zeit
besitzt. Bekanntermaßen wird in Großbritannien ungeheuer viel gerade an
Nahrungsmitteln eingeführt. Die Eigenproduktion deckt den Bedarf nicht,
könnte ihn aber decken, wenn die vorerst noch der waidmännischen Sports-
welt Englands zum Tummelplatz dienenden, sehr ausgedehnten, meist brach-
liegenden Gelände volkswirtschaftlich gesünderen Zwecken entgegengeführt
sein werden. Daß es dazu kommt, unterliegt ja in England keinem Zweifel,
denn die zunehmend demokratische Richtung der ganzen inneren Entwick-
lung wird die bisher immer weiter zurückgedrängten Vorrechte der numerisch
Schwächeren auch weiterhin auf ein bescheideneres Maß zurückzuführen
suchen.
Sollten kühle Rechner, wie die Engländer es sind, unerfüllbaren Erwar-
tungen sich hingeben, wenn von einer stärkeren Besiedlung des Landes durch
Arbeiter Erträgnisse im großen erwartet werden, die tatsächlich in kleinem
Maßstabe eingetreten sind? Eine noch vor kurzem so gut wie unmöglich
30
220
erscheinende Bewegung ist heute im vollsten Flusse und arbeitet mit ebenso-
viel Intelligenz als pekuniären Mitteln. Was beides in einem Lande vermag,
dessen Bewohner den Sinn für das Wohl der Allgemeinheit in dem Maße
besitzen wie der weitaus größere Teil der Engländer, ist unberechenbar,
das auf die Arbeiter angewandte Wort George Cadburys They die Ar-
beiter must be brought back to the land" keine utopische Redensart. Daß
übrigens auch andere als industrielle Betriebe, losgelöst vom ruhestörenden
Trubel der Großstadt, in ihren Zielen sich stetig höher zu entwickeln ver-
Geschnitztes Bettgestell aus dem Stifte St. Florian
mögen unter dem Einfluß der ständigen Berührung mit der Natur, beweist
die von dem bekannten Künstler Ashbee 1888 begründete Guild of Handi-
craf die all ihre Werkstätten in ein stilles, altes, seit hundert und mehr
Jahren im Aussehen kaum verändertes Landstädtchen, es heißt Campden
und liegt in Gloucestershire, verlegt hat. Die Flucht aufs Land, deutlich
genug charakterisiert durch die Entstehung heute schon beinahe zahlloser
Week-End-Cottages, ist in England nicht Modesache. Ihr liegt Ernsteres
zu Grunde Die Rückkehr der Menschen zu sich selbst. Nach einer langen
Periode unausgesetzten Jagens nach Erwerb kommen mit Macht Regungen
anderer Art zur Geltung, die das Wort Benthams wahr zu machen scheinen
Das Glück eines Volkes ist nur das Glück der einzelnen Menschen. Das
Glück aber ist das Erstrebenswerte, und das größtmögliche Glück der größt-
möglichen Zahl ist der Staatszweck". In einem Lande, wo der Erziehung
von Männern mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird als der Erziehung von
Bücherschreibern, mußten diese Regungen die Oberhand behalten. Es ist die
natürliche Reaktion gegen den hetzenden Geist des Gewinns, der Viele
reich, Millionen bettelarm gemacht hat und jetzt die Menschen hinaustreibt,
zu gesunden unter den breitastigen Wipfeln jahrhundertealter Bäume.
Ovaler Schlafraum mit Alkoven aus einem Schlosse bei Stockholm
Merry old England" es existiert nicht mehr! Aber alle Anzeichen lassen
darauf schließen, daß die Zukunft ein Healthy new England" schaffen wird
durch die zunehmende Erkenntnis, daß das, was dem Arbeiter an Ver-
besserungen seiner Verhältnisse geboten wird, kein Almosen, kein Geschenk
in menschenfreundlicher Absicht sein kann, noch sein darf, sondern daß ganz
einfach die Selbsterhaltung gebieterisch umfassende Rücksichtnahme der-
jenigen fordert, die unablässig an der Erhaltung des gesamten National-
wohlstands mitarbeiten. Das ist ein Zeichen von Gesundheit. Geleistete Arbeit
verlangt nicht nach Gnadenbeweisen, sondern nach wohlerworbenen Rechten
in jeder Hinsicht. Nicht das menschenfreundliche Moment der Cadburyschen
30'
Stiftung bedingt in erster Linie ihre Bedeutung. Der auf rechnerisch gesun-
der Basis unternommene Vorstoß vielmehr ist es, der die Charakteristik des
ganzen Unternehmens bildet. Vom gleichen Geiste beseelt ist ein zweites,
nicht minder bedeutsames Unternehmen Das Arbeiterdorf Port Sunlight bei
Liverpool. Davon in einem weiteren Artikel.
DAS SCHLAFZIMMER 5h VON HARTWIG
FISCHEL-WIEN S0
lange das Zinshaus unser Wohnungswesen be-
herrscht, sind auch alle Bestrebungen zur künst-
lerischen Gestaltung des bewohnten Raumes ein-
geengt und behindert. Überall, wohin wir unser
Augenmerk richten, sei es zur Tätigkeit der Ver-
gangenheit oder Gegenwart, sei es zur Heimat
oder Fremde, überall werden wir nur dort ein
Gedeihen und Blühen des Wohnungswesens ent-
decken, wo auch die Liebe zum Heim, die Wert-
schätzung dessen, was der Volksmund die
eigenen vier Wände" nennt, zu finden ist. In der
jüngsten Entwicklungsperiode des fast plötzlichen Anwachsens der Städte,
des Dominierens der Mietskaserne, der Bauschablone, ist die Bedeutung der
Wohnungskunst, der Kunst im Hause" auf ein bedauernswertes Niveau ge-
sunken. Wie ein Schiff ohne Steuer ist die Wohnung durch wechselnde
Mode, durch den Einfiuß historischer Stile, die einander ablösten oder auch
gleichzeitig zusammen einwirkten, hin und her geschoben worden, gar oft
zum I-Iohne dessen, was gleichzeitig als Vorbild gepriesen wurde.
Erst die wachsende Liebe zum Familienhaus, erst das Interesse am
individuell gestalteten Bau hat der künstlerischen Bildung der Wohnung
neue Impulse zugeführt. Und das glänzende Beispiel des Nordens, besonders
der Einfluß Englands hat in der jüngeren Generation wieder das Vertrauen
gefestigt, das einer allmählichen Entwicklung einer modernen Wohnungs-
kultur hoffnungsvoll entgegensieht.
Die gleichzeitig wiedererwachte Beachtung jener Periode, welche der
Kongreßzeit folgte und bis vor kurzem so geringschätzig abgetan wurde,
hat eine bemerkenswerte Tatsache neu bekräftigt, die für das Studium älterer
und alter Kunst von großer Bedeutung ist.
Wie derselbe Text eines alten Buches von verschiedenen Generationen
verschieden gelesen wird, so hängt auch die Wertschätzung alter Kunst gar
sehr mit den geistigen Bedürfnissen der Zeit zusammen. Das inhaltreiche
Buch der Geschichte ist wie das Bilderbuch alter Kunst allen Generationen
ein anderes gewesen. Jede Zeit hat das Recht, die Vergangenheit in ihrer
Weise zu deuten, und diese Deutungen werden so lange wechseln, als neue
schungsergebnisse
zeitigen, als neue Er-
fahrungen und Be-
dürfnisse unser Ver-
hältnis zur Vergan-
genheit verschieben.
Eine solche Er-
fahrung war für die
Kunst im Hause das
Mißlingen aller Ver-
suche, durch Kopie-
rung derWerke alter
Kunstrichtungen eine
Gegenwartskunst zu
fördern, und wenn
wir neuerdings wie-
der das Studiurn der
Vergangenheit auf-
leben sehen, wenn
das Interesse an der
Vergangenheit durch
moderne Reproduk-
tionstechniken und
dadurch geförderte
populäre Publikatio-
nen, durch großartige
Ausstellungen in die
weitesten Kreise ge-
tragen wird, so sind
es heute ganz andere
Schlüsse, welche ge-
zogen werden, als vor
einem Menschen-
alter. Das trostlose
Ergebnis, welches
einerseits die Zins-
hauswohnung, an-
derseits die Stilkopie
zeitigten, hat unserer
Ben aus der Kollektion Löwengard, Epoche Louis XIV, nach Bajot
Generation die Augen darüber geöffnet, wie notwendig ein neuer Standpunkt
in der künstlerischen Behandlung der Wohnungsfrage geworden ist. Bei
jedem Kapitel dieser Frage wird das Studium seiner Entwicklungsgeschichte
IJU
zu einem ähnlichen Resultat führen. Und wenn wir heute aus der Reihe der
wichtigen Raumgestaltungen des Hauses den Schlafraum herausgreifen, so
soll uns auch hier wieder in erster Linie der Ausblick auf das leiten, was
wir heute für uns aus der Vergangenheit ableiten können.
Das Verhältnis ver-
schiedener Länder und Na-
tionalitäten zu diesen Fra-
gen ist ein deutlich unter-
schiedenes. Je bedeutender
die Reste alter Kultur, je
lebhafter die Nachwirkun-
gen jüngerer Perioden der-
selben noch fühlbar sind,
desto mehr wird auch in
der Gegenwart noch ein
konservativer Zug hervor-
treten. Die charakteristi-
schen Gegensätze in diesem
Zustande werden von
Frankreich und England
verkörpert.
Das auf geistigem Ge-
biet so lebhafte und be-
wegliche Frankreich, das
auf dem Gebiet der bilden-
den Kunst so maßgebend
wirkte, so oft schon revo-
lutionierte und intensivem
Vorwärtsdrängen Raum
gab, ist heute gerade auf
dem Gebiet des Woh-
nungswesens, der Raum-
gestaltung des I-Iausinneren
merkwürdig konservativ.
Es lebt noch immer von
Himmelbett nach 1.3 Lande, XVIILjahrhundert Seine!" glorreichen Vergan-
genheit, obwohl es nicht
an energischen Unternehmungen gefehlt hat, die dort auch in der dekorativen
Kunst den neuesten Strömungen Förderung entgegengebracht haben und
obwohl auf gewissen Spezialgebieten des Kunstgewerbes, wie in der Keramik
und der juwelierkunst, Frankreich voranschritt. Und das demokratisch re-
gierte, republikanisch gesinnte Frankreich blickt noch immer mit zäher Ver-
ehrung auf die prächtige Raumkunst des ersten Kaiserreichs, auf die graziöse
Mache des Ancien regime" zurück und überschwemmt noch immer das
231
übrige Europa mit Kopien und Nachahmungen von Möbeln, Stoffen, Ge-
brauchsgegenständen jener Zeiten; die einzige Konzession an die späteren
Epochen bildet vielleicht noch ein Kompliment vor der Zeit der Restau-
ration", in der Frankreich aber nicht
mehr jene unbestrittene Herrschaft
über Europa geübt hat, wie in den
früher genannten Perioden.
Den Besuchern der Jahrhun-
dertausstellung von Igoo war diese
Tatsache eine auffallende. Der
Glanzpunkt der Abteilungen für
Innenkunst war in den zahlreichen
retrospektiven Schaustellungen zu
suchen und heute dürften die Ver-
hältnisse auf diesem Gebiete kaum
wesentlich anders liegen, wie der
Spott beweist, mit dem Frankreich
die moderne Bewegung in anderen
Ländern verfolgt hat. Alle jene
Kreise, welchen Frankreich heute
noch als dasVorbild
guten Geschmacks
gilt, als die Quelle
von maßgebenden
Einflüssen, werden
jeder Neuerung kühl
ablehnend gegen-
überstehen.
Wesentlich an-
ders liegt die Sache
in England, das lange
Zeit als barbarisch
in Kunstfragen ver-
schrien war.
Sicher ist, daß
auch dort noch ein
großer konservativer
Teil der obersten
Schichten der Be-
völkerung seine Anregungen und Belehrungen bei Geschmacksfragen in
Frankreich sucht, es ist aber auch schon lange festgestellt worden, daß be-
sonders auf dem Gebiet der Malerei die große Umwälzung des modernen
Geschmacks ihren Ursprung in England hatte und von dort den Weg nach
Frankreich nahm. Und auf dem ganzen großen Gebiet der modernen
Bett der Maria Antoinette in Versailles, nach Bajot
künstlerischen Kultur des Bürgertums ist
der bedeutungsvolle Einfluß Englands
überall anerkannt, sogar in Frankreich.
Die Anglomanie reicht noch in jene Epo-
chen zurück, in welchen der moderne
Engländer als gleichzeitig komische und
halbbarbarische Fi-
gur den Zeitge-
nossen tendenziös
vorgeführt wurde.
Heute ist er schon
lange das Bild eines
bewußten, ener-
gischen Lebens-
künstlers, der auf
dem sicheren Bo-
den einer prakti-
schen und doch
veredelten, einer
Geschnitztes Holzbett aus dem xvm. Jahrhundert, nach Bajol durch Alter ge
festigten und durch
Fortschrittsinn belebten, in bestem Sinn modernen Lebensanschauung steht,
die der Kunst sehr entgegenkommt. England besitzt die herrlichsten Samm-
lungen alter und die besten Pfianzstätten moderner Innenkunst. England hat
an eine sehr alte, heimatliche und im Volkscharakter begründete Wohnungs-
kunst angeknüpft und doch ein durchaus modernes, sehr entwickeltes und
künstlerisch beeinfiußtes Wohnungswesen geschaffen, das früher als überall
am Kontinent eine moderne Blütezeit erlebte.
Und während das radikale und temperamentvolle Frankreich in seinem
Wohnungswesen und vielfach noch im gesellschaftlichen Leben die Erbschaft
einer aristokratischen Kultur weiterpfiegt, ist das konservative, bedächtige
und zielbewußte England zu einer sehr entwickelten und festgefügten bürger-
lichen Wohnungs- und Lebenskultur gelangt.
Wenn wir die Entwicklung einer Raumbildung, wie jener des Schlaf-
raums verfolgen, so werden wir diese eben besprochenen Gegensätze sehr
deutlich ausgeprägt finden und werden gleichzeitig den Zusammenhang be-
leuchten können, den sie mit der heimischen Wohnungskunst besitzen.
Den natürlichen Ausgangspunkt solcher Betrachtung wird am besten
das Mittelalter bilden. Es zeigen sich hier die ersten und darum auch die am
tiefsten wurzelnden Schöpfungen einer selbständigen Wohnungskultur nörd-
lich der Alpen; sie sind im Grunde nie ganz vergessen worden, wenn später
auch zeitweilig der EinHuß der antiken Welt lebhaft in den Vordergrund
getreten ist. Österreich ist in der besonders glücklichen Lage, eine sehr reiche
und sehr vornehme Reihe von gut erhaltenen Innenräumen aufweisen zu
Schlafzimmer Napoleons I. in Fontainebleau
können, die seit ihrem Entstehen im Mittelalter wenig Veränderungen er-
fahren haben. Wir brauchen nur auf die prächtigen Veröffentlichungen über
malerische Innenräume Kunstschätze aus Tirol hinzuweisen, um ein reiches
Material an sehr belehrenden Darstellungen erhaltener Schätze der Heimat
zu nennen. Die vielen uns erhaltenen Darstellungen auf alten Bildern, Stichen
und Miniaturen wie jene im Kulturhistorischen Bilderbuch und im Formen-
schatz von I-Iirth oder die vom Kunstwart, von Muther, Bode und anderen
publizierten, ferner die zahlreichen farbigen und plastischen Darstellungen
auf mittelalterlichen Werken kirchlicher Kunst wie die prächtigen Szenen
aus dem Marien-Leben in deutschen Kirchen und den in Krakau erhaltenen
Altären von Veit Stoß geben ein anschauliches Bild von der allgemeinen Ge-
stalt und Benutzungsweise mittelalterlicher Schlafräume. Wir reproduzieren
ein solches Relief, das eine Vorstellung von einer mittelalterlichen Wochen-
stube vermittelt, ferner ein Bild aus einem Tiroler Schloß, das ein altes
Schlafzimmer im heutigen Zustand darstellt.
Beide Einrichtungen, aus dem späten Mittelalter stammend, lassen eine
sehr sichere und bewußte handwerkliche Tüchtigkeit im Verein mit einem
entwickelten dekorativen Sinn erkennen, die trotz der nach unseren Begriffen
noch rohen und primitiven Sitten sich glänzend entfalten konnten. Das frühe
Mittelalter hat den Lebensluxus der späteren Epochen noch nicht gekannt.
3x
234
Die weitgehende Spezialisierung der Raumbedürfnisse im häuslichen Leben
war noch nicht vollzogen und so istuursprünglich für den Hausbau die ge-
meinsame Halle noch Mittelpunkt und Ausgangsform, bei welcher die Ein-
fügung der Unterteilungen für die intimeren und nicht gemeinsamen Bedürf-
nisse oft nur temporärer Natur waren oder, wo sie definitiv auftraten, eine
ziemlich bescheidene Rolle als Anbauten spielen.
Wir haben in früheren Besprechungen bereits Gelegenheit gehabt,
darauf hinzuweisen, daß ähnliche Verhältnisse beim niederdeutschen Bauern-
haus sogar heute noch bestehen, daß ganz reich gebildete und künst-
lerisch wertvolle Hausanlagen in den Vierlanden etc. den Ursprung aus dem
ältesten Typus des Hallenhauses erkennen lassen. Gleichzeitig können wir
darauf hinweisen, daß England in neuester Zeit bei einfachen Cottage-
anlagen zu dieser
Urform wieder zu-
rückkehrt. Sehr in-
teressante Versu-
che in dieser Rich-
tung stammen von
Baillie Scott, der
dem einräumigen
Hallenhaus nahe
zu kommen sucht,
indem er gewisse
Empfangsräume,
das Speisezimmer,
Arbeitsräume als
Einbauten der ge-
meinsamen Halle
ausführt, die durch
bewegliche Unter-
teilungen gelegentlich abgeschlossen werden können. Was hier aus dern
Wunsche entsteht, auch bei einfachsten Verhältnissen eine gewisse Groß-
räumigkeit und künstlerische Wirkung zu erzielen, war ursprünglich aus einer
primitiveren Lebensweise hervorgegangen, die mit einem sehr lebhaften
Kunstgefühl vereinbar war.
So darf es uns nicht wundernehmen, wenn auch Dürer noch das Himmel-
bett Mariens in eine große Diele stellt, welche den verschiedenartigsten häus-
lichen Bedürfnissen gleichzeitig zu dienen hat.
Vielleicht ist sogar die Form des l-Iimmelbettes überhaupt aus solchen
Verhältnissen entsprungen, weil sie dem Bett die Bedeutung einer ganzen
Schlafkammer zu geben in der Lage war. Daß die Anwendung von textilen
Überdeckungen und seitlichen Vorhängen sehr alten Ursprungs ist, wissen wir
aus bildlichen Darstellungen; sie waren schon zu einer Zeit in Verwendung,
wo am Bett selbst an einzelnen Teilen noch die antike Metalltechnik lebendig
Französisches Bett aus der Epoche Louis XVI, nach Bajot
935
war. Das hölzerne Spannbett sowie die Ausbildung der hölzernen Eckpfosten,
endlich die Umschließung von drei Umfangsseiten des Bettes mit Holz-
Wänden sind ein allmählich fortschreitendes Werk mittelalterlicher Woh-
nungskunst.
Es läuft parallel mit der Umwandlung der Wandfiäche, die auch den
textilen Behang, die zeltmäßige, bewegliche Stofftapete allmählich einem Ge-
täfel weichen läßt, das die Herrschaft des Holzes an Decke, Wand und Gerät
besiegelt.
Abgesehen von manchen Verirrungen des Details, die uns hier nicht be-
schäftigen sollen, ist die getäfelte Schlafstube des späteren Mittelalters eine
künstlerisch oft sehr hochstehende Leistung, welche mitunter schon fast das
Vollkommenste in sich schließt, was in dekorativer Hinsicht hier überhaupt
jemals geleistet
werden konnte.
Wenn auch
die Täfelung
vom technischen
Standpunkt eben-
so wie die ganze
Holzbehandlung
der Möbel noch
mehr an den
Zimmermann er-
innert als an den
Tischler wie ja
die Raumbe-
zeichnung Zim-
rirlezn Fußende eines Bettes aus der Zeit Louis VXVI, nach Bajot
ren Holzbau ent-
spricht, so ist doch die Gesamterscheinung sehr reif. Die primitivere hand-
werkliche Technik hatte eine große Einfachheit der Flächenbehandlung und
kräftiges Detail zur Folge und wo nicht durch Nachahmung der architek-
tonischen Schmuckforrnen anderer Materialien gesündigt wurde, ist die Über-
einstimmung vom Material und der Verwendungsart, von der Raumgröße
und der Raumgliederung sehr wohltuend. Wir sehen den Einüuß einer
strengen Disziplin, die aus architektonischem Empfinden hervorgeht; wir
finden die wichtigsten Möbel eingebaut und der Raumgliederung unter-
geordnet, was um so natürlicher war, als das Sitzmöbel noch kaum über die
Form der Bank hinausgekommen war und die Truhe noch als Verwahrungs-
gerät die Hauptrolle spielte. Außerdem kam vielfach die notwendige Ein-
schränkung und Raumausnützung in Frage.
Mit dem beginnenden Aufblühen der Städte und bei der gebotenen Rück-
sicht auf Befestigungsanlagen war sowohl das Innere des städtischen Hauses
31'
-Trianon
.m
Ü.
als auch das der freiliegenden Burg räumlich sehr behindert. Was in dem
einen Fall durch dieEnge des Platzes innerhalb der Stadtbefestigungen her-
vorgerufen war, ist im anderen Fall durch die enorme Stärke des Mauer-
werks verschuldet, die dem Innenraum sehr wenig Spielraum gestattete. Es
gibt erhaltene Kemenaten, Frauengemächer von entzückender dekorativer
Durchbildung, die aber fast nur durch Aussparung von Hohlräumen im Mauer-
werk entstanden und für die ein kleiner Erker oder Turmvorsprung aus-
schlaggebenden Raumgewinn bedeutete.
Die neueste Zeit hat mit ihrem Streben nach Entwicklung des Einzel-
hauses sehr oft aus Finanziellen Gründen mit sehr beschränkten Raumver-
hältnissen zu rechnen und viele vortreffliche moderne Lösungen in England
und Skandinavien erinnern lebhaft an die mittelalterlichen Raumbildungen,
die jeden Winkel praktischen Zwecken nutzbar zu machen wußten.
Besonders England und in neuester Zeit auch Finnland wie fast der
ganze skandinavische Norden greifen stets gern auf einheimische mittel-
alterliche Anregungen zurück, die aber im besten Sinne eine Anpassung und
Neubildung erfahren. Trotzdem die rein formale Seite hier eine untergeord-
nete Rolle spielt, wirkt der mittelalterliche konstruktive Sinn und raum-
Schlafzimmer für Gäste in Compiägne
bildende Geist trefflich weiter. Solche Gesinnung zeigt eine bessere Wür-
digung alter Kunst als die zufällige Verwendung von echtem oder kopiertem
mittelalterlichen Hausrat in einer sonst durchaus nicht einheitlichen Woh-
nung, oder als die direkte Übertragung und Nachahmung ganzer alter Ein-
richtungen in einem modernen Hause erkennen läßt.
Die vom Mittelalter geschaffene grundlegende Art der architektonischen
Bildung des Wohnraums ist im Schlafraum darum besonders augenfällig, weil
hier der sprechende Teil, das Bettgehäuse, auch räumlich eine so bedeutende
Rolle spielt und in seiner bis auf die Ausmaße stabilen Anlage der strengen
Anordnung entgegenkommt.
Tatsächlich hat sich der Einfluß des architektonischen Apparats hier
in der weiteren Fortbildung eher verschärft als verringert, wenn auch nicht
weiter vertieft. Die Renaissancezeit hat nördlich der Alpen den mittelalter-
liehen Hausrat wohl formal gemodelt, bequemer, reicher gestaltet, den Um-
fang und die Zahl der Einrichtungsstücke vermehrt, aber den Geist der
Raumbildung noch nicht überall wesentlich verändert. In der Wandbildung
des hölzernen Bauernhauses ist er bis in die jüngste Zeit fast unverändert
lebendig geblieben und das Kastenbett der nordischen Bauernwohnung wie
es uns die skandinavischen Sammlungen für volkstümliche Kunst und andere
238
nordische Museen zeigen ist trotz seiner hygienischen Nachteile noch heute
vielfach in Gebrauch.
Wo der engere Anschluß an das Mittelalter stark gewahrt blieb, bleibt
eine strengere und einfachere Anordnung oft auch bis zum XVII. Jahr-
hundert aufrecht. Mit der zunehmenden Vervollkommnung des Tischler-
handwerks, das im Rahmen- und Füllungswerk, in der bildhauerischen
Schnitzarbeit, in Vergoldung, Bemalung und Intarsia immer feiner geartete
künstlerische Ausdrucksmittel entwickelt, wird aus dem geradlinig geformten
Möbel ein lebendiges, beweglich gegliedertes Gebilde, aus der vom Balken
und vom Brett abhängigen Decken- und Wandbildung ein Schauplatz mannig-
faltiger Schmuckformen für Getäfel, für flaches und plastisches Ornament.
Bett Napoleons I. aus Groß -Trianon, nach Bajot
Dort, wo der zunehmende Wohlstand Üppigkeit mit sich brachte und
das äußerliche Bedürfnis nach Prunk auch in die intimsten Raumbildungen
eindrang, tritt die Entfremdung von mittelalterlicher Enge und Strenge
immer deutlicher zu Tage.
Die spätere Epoche der Renaissancebewegung zeitigte sogar vielfach,
besonders im Norden Deutschlands, eine Überladung an bildhauerischem
Detail, das den konstruktiven Aufbau der Möbel ganz verschwinden läßt;
durch figurales wie ornamentales Beiwerk entstehen oft recht phantastische
Bildungen, die das Möbel seinem Zweck ganz entfremden und die Wand
und Decke ihrer Flächenhaftigkeit berauben.
Hier tritt ein Element der Dekorationsweise auf, das wohl zu den
gröbsten Verstößen gegen den gesunden Sinn geführt hat. Es ist die Über-
tragung der Steinarchitektur in das Innere des Hauses, die äußerlich deko-
rative Anwendung des ganzen Apparats der Säulenordnungen und der
43H
Bguralen Symbolik, welchen die antike Welt im Tempelbau zu so großer
Vollkommenheit entwickelt hatte.
Wie schon das späte Mittelalter die Verwendung des Maßwerks, der
Fialen, Strebebogen und Zinnen zu äußerlichen Schmuckbedürfnissen höl-
zerner Geräte kennt, so konnte sich die spätere Rennaisancezeit in einem
ähnlichen Mißverstehen der Säulenordnungen bedienen. Das Bettgestell gab
wiederholt Veranlassung zu den reichsten Aufbauten, die horizontalen und
vertikalen Linien verschwanden oft ganz in verzierten Stützen und kuppel-
Architektonisch gegliederte Bennische, Empire, aus einem Schlcsse bei Stockholm
förmigen Überdachungen. Die Wand wurde durch Portale mit Giebeln,
Nischen und Risaliten auf das kräftigste bewegt. So glänzend diese Arbeiten
in der Regel als formale und handwerkliche Leistungen bestehen, so wenig
können sie heute noch unmittelbar anregend oder vorbildlich wirken.
Auch die Erneuerung derRennaisanceschwärmerei, der glänzendeTraum
der Makart-Zeit im verüossenenjahrhundert übte auf viele einen verlockenden
Reiz und manche nachteilige Wirkung dieses malerischen Interrnezzos trat
lange Zeit und tritt gelegentlich heute noch einer natürlichen Entwicklung
moderner Innenkunst in den Weg.
Die natürliche Folge war ja der charakteristische Umstand, daß sich
manche Künstler des XIX. Jahrhunderts lange Zeit nur in der malerischen
240
Ben in Schiffsgestalt, von Percier, nach Bajot
Kleidung des XVI. und XVII. Jahrhunderts wohl fühlten, nur so in ihre
räumliche Umgebung stimmten. Man empfand das Bedürfnis, einer drohenden
Ernüchterung, die bunten Schöpfungen einer bewegten, farbenfreudigen
Kunstepoche der Vergangenheit gegenüber zu stellen und wurde, indem man
sie kopierte, theatralisch.
Man verzögerte nur die Anpassung an die geänderten Produktionsver-
hältnisse, neuen Zeitbedürfnisse und Zeitforderungen, indem man sich die
Wiederbelebung einer für immer entschwundenen Epoche vortäuschte.
Es ist eine merkwürdige Erscheinung, welche sich nach dem Ende der
mittelalterlichen Epoche mehrmals im Wandel der Jahrhunderte wiederholt
hat, daß sich große geistige Umwälzungen, die Befreiung von unerträglich
gewordenen Einrichtungen des Staates und der Gesellschaft, unter abwech-
selnder Berufung auf eine der beiden selbstschöpferischen Kunstepochen auf
die antike Welt der gräko-italischen Völker oder auf die mittelalterliche
der germanischen vollzog. Die Kunstformen derVergangenheit machten dann
stets einen merkwürdigen Erneuerungs- und Assimilierungsprozeß durch.
Einen großen Einfluß auf die spezielle Richtung solcher Anlehnungen
spielte auch immer das Zusammentreffen mit Entdeckungen auf dem Gebiet
der Kunst durch Ausgrabungen und kriegerische wie wissenschaftliche Ex-
peditionen.
Und ganz wesentlich für die Bedeutung der Leistungen ist das Maß von
Selbständigkeit, das sich in dieser Aufnahme fremder Elemente äußert. Die
Renaissancebewegung nördlich der Alpen kam nie ganz über ein Kompromiß
zwischen mittelalterlicher und antiker Kunst hinaus und ihre feinsten und
edelsten Schöpfungen entstammen einer intimen bürgerlichen Kultur, wenn
auch der reiche und vornehme Bürger den höfischen Kreisen sehr nahe
kommt.
Bett in Schiifsgesxalt, von Percier, nach Bajot
Die südlich der Alpen unter dem Einfiuß hoher Kirchenfürsten und selb-
ständiger Despoten kleinerer Staatsgebilde begünstigte Kunstverjüngung hat
einen viel innigeren Anschluß an die klassische Welt und einen viel mäch-
tigeren Ausdruck einer aristokratisch gearteten Kunstpflege gefunden.
Hier ist auch die Intimität des Schlafraums, welche der Norden trotz
aller formalen Wandlungen behält und pflegt, fast ohne Boden, während die
großen Fest- und Staatsräume die kühnste und prächtigste Durchbildung
erfahren.
Sprechenden Ausdruck geben für diesen Gegensatz dieWerke der hollän-
dischen und deutschen Maler der Renaissance, welche die malerischen Reize
des Wohnraums entdeckten und die einfachsten Vorgänge des täglichen
Lebens im Zusammenhang mit der künstlerisch hochstehenden bürgerlichen
Wohnungskultur mit Liebe und feiner Empfindung für Licht- und Farben-
probleme schildern. Die italienischen Maler der Renaissancezeit wenden dort,
wo sie nicht religiöse Gegenstände behandeln, ihr Augenmerk vorwiegend dem
Prunk hötischer Feste, dem Glanz fürstlichen Haushalts zu.
Als durch die kriegerischen Erschütterungen und Umwälzungen der
Reformationszeit die Kunstblüte des europäischen Nordens vernichtet wurde,
gelangte dort zum zweiten Male der Einfluß romanischer Kunstpflege zur
Macht und diesmal in weit kräftigerer Form. Gefördert durch das erneute
Aufblühen der kirchlichen Macht Roms und die Konzentrierung der politischen
Macht in den Händen großer Staatslenker, entwickelt sich eine merkwürdige,
großzügige Kunstperiode, die starke formale Unabhängigkeit von den Gesetzen
der Vergangenheit bekundet. Die Kunst der Barockzeit hat den prunkvollsten
Ausdruck eines despotischen Willens geschaffen, der, über den Kleinen und
wenig Bemittelten hinwegschreitend, stets auf glänzende Repräsentation.
gerichtet war.
Die Schlafräume der Großen werden zu Prunksälen, das Bett zu einem
Paradestück vonmonumentalen Dimensionen und glänzenderAusschmückung.
Die berühmtesten und imponierendsten Leistungen dieser Zeit weist Frank-
32
242
reich auf, dessen Einiiuß auf Sitten und Leben wie auf die Kunstäußerungen
auch das schwerfälligere deutscheVolk eroberte. Es ist die Glanzzeit höiischer
Moden, die dem Bürger nur als Staffage Raum gönnen, und darum ist bis
heute eine Nachahmung und Widerspieglung dieser Epoche in äußerlicher
Wiederholung auch dort noch beliebt, wo man den Reiz der Geselligkeit
im Glanz der Repräsentation zu suchen pflegt. Wie weit ist aber das selbst-
bewußte Empfinden des schöpferischen Grandseigneurs alter Zeit von der
Kopie seiner Gesten und Moden durch den modernen Parvenu und Dollar-
Entwurf für einen Schlafrlum, aus der Wiener Zeitschriß" X818
magnaten entfernt! Und wie fremd erscheinen uns heute die Sitten des
täglichen Lebens, welche jene Raumbildungen bestimmten. Gerade der
Schlafraum bietet hier Gelegenheit zu charakteristischen Feststellungen.
DurchAuflösung aller strengen Formen in freien Linienschwung, welchen
die Beweglichkeit der Spätrenaissance verbaute, verwandelt sich der architek-
tonisch aufgebaute Bettkasten in eine Nische, den Alkoven, mit eingebautem
Ruhebett. Es ist die intimere Form der Bettanordnung, die dem prunkvollen
Paradebett ausweicht. Aber trotz dieser Geschmeidigkeit der Formen bleibt
der repräsentative Charakter gewahrt. War der Schlafraum der Frau seit
altersher ihr Wohnraum, so wird er im XVIII. Jahrhundert geradezu ihr
243
Ernpfangsraum. Angekleidet, aber im Bett ruhend, empfängt die Dame des
Hauses ihre Morgenbesuche, die Besuchenden selbst finden aber keine große
Bequemlichkeit vor, der Mangel an Sitzmöbeln zwingt die Herren oft auf
ihren Mänteln am Boden Platz zu nehmen, wenn sie selbst in den reservierten
Raum der Intimen zugelassen werden. Die nächste Umgebung des Bettes
ruelle genannt, nach einer mittelalterlichen Sitte ist nämlich nach außen oft
sichtbar abgesondert durch eine Schranke, und so wird der strengen Etikette
Entwurf für einen Toiletternum, aus der Wiener Zeitschrift" 1818
selbst im sonst behaglichsten Raum des Hauses ein großer Einfluß eingeräumt.
Wir sehen schließlich gegen das Ende jenes Jahrhunderts eine Reaktion
gegen das System selbst in den höchsten Kreisen auftreten. Wer davon einen
lebhaften Eindruck gewinnen will, lese die Briefe Maria Antoinettens an ihre
Mutter Maria Theresia, die Ameth veröffentlicht hat, und andere Dokumente
ihrer Zeit. Die merkwürdige Szene, wie der jungen Königin das Auskleiden
in ihrem kalten Schlafraum zur Qual wird, weil stets neue Damen ihres Hof-
staates eintreten und der höhere Rang der Eintretenden immer die Ausübung
der I-Iilfeleistung verhindert, welche erwartet, aber fortwährend unterbrochen
wird, bleibt in der Erinnerung.
32'
der Moden, die Kompliziertheit der Toi-
lette und die unglaublichen Haartrachten
bedenken, die Unnatürlichkeit der äußer-
lichen Körperpflege, so werden wir leicht
einsehen, warum der moderne Mensch in
seinem englischen Kleide so gar nicht in
den barocken Raum stimmen kann. Die
Formen, wie die Gebrauchsstücke haben
für uns ihren Sinn und ihre Bedeutung
verloren; sie werden uns aber als Zeugen
einer ungemein durchgebildeten und ent-
wickelten formalen Geschmacksäußerung
von großem Werte bleiben. Zum ersten
Mal tritt in der neueren Zeit hier auch die
Einwirkung ostasiatischer Kultur stark in
denVordergrund, aber charakteristischer-
weise sind es gerade die bizarren Chinoiserien, die durch ihre innere Ver-
wandtschaft mit dem Empfinden der Barockzeit von dieser so rasch assi-
miliert werden konnten, während die tiefer liegenden Seiten ostasiatischen
Wesens erst später Einiluß gewinnen.
Ferner sehen wir trotz aller Prunkliebe den Sinn für Intimität manchmal
auch noch in höchsten Kreisen gewahrt und neu aufleben. In Versailles sind
die privaten Wohn- und Schlafräume von Ludwig XVI. und Maria Antoinette
eingebaut zwischen eine Gruppe von Sälen mit mächtigen Dimensionen,
indem kleine Appartements von ge-
ringer Geschoßhöhe und mit sehr
schwachen Zwischenwänden über-
einander gestellt und durch Zwischen-
treppen verbunden sind.
So kam das berühmte kleine
Schlafzimmer-eben der unglück-
lichen Königin zu stande, das in
seiner graziösen und diskreten De-
koration eine Perle ist. Auch die
anmutigen Bilder Chardins wie die
Stiche Chodowieckis erzählen von
intimen bürgerlichen Räumen, in
denen das kühne Pathos und der
sprühende Übermut der aristokrati-
schen Lebenskunst fremd sind, hin-
gegen sanfte, gefällige und vor allem
bequeme und einfache Bildungen den
Bedürfnissen einfacherer Menschen Hydfia aus Anm, Hogmuswm in Wim
Pyxis Hofmuseum in Wien
245
entsprechen. Diese
Abschwächung und
Milderung nähert sich
unserem modernen
Empfinden sehr. Ähn-
lich und noch inter-
essanter für uns ist
die folgende Periode
verlaufen. Die Barock-
zeit und ihr Aus-
klingen, das Rokoko,
hatten sich so weit
von der Antike ent-
fernt, daß ein neuer-
liches Zurückgreifen
auf die Kultur des
klassischenAltertums
stattfinden konnte.
Aber trotzdem die er-
neute Anlehnung an Antikes Leinengewebe mit Dionysoskopl Hofmuseurn in Wien
das römische Bürger-
tum mit der Erhebung des Bürgerstandes gegen das aristokratische Regime
einsetzte, verwandelte das Kaiserreich in Frankreich die strenge antike
Formgebung sofort in ein geeignetes Ausdrucksmittel der eigenen Macht-
und Kraftgefühle zu einem neuen Prunkgewand.
Die glänzenden Repräsentationsräume des Empire und darunter die
prunkvollen Schlafräume Napoleons undjosephinens sind unserem modernen
Empfinden und Bedürfnis nicht minder fremd wie die Staatsräume
Ludwigs XIV. und Ludwigs XV.
Wir haben sie ebenso nur als die antreibenden Kräfte zu schätzen, die
neben sich und nach sich einer intimen Kunst des Bürgertums Raum gaben,
bei der wir heute sehr viele Anknüpfungsmöglichkeiten finden. Und gerade
die relative Beschränktheit der Verhältnisse, die Einfachheit der Ausdrucks-
mittel, welche nach der Kongreßzeit überall auftreten, machen uns diese
Epoche in künstlerischer Hinsicht so sympathisch. Es ist der große Gewinn
der letzten Jahrhundertausstellungen gewesen, daß wir so viele anregende
und tüchtige, bisher ungekannte Künstler kennen lernten, die neben den offi-
ziellen Großen von akademischem Rang und Namen wirkten. Während die
letzteren uns immer mehr entfremdet werden, lernen wir die intime und
liebenswürdige Kunst immer
mehr schätzen, die von
ihnen in den Hintergrund
gedrängt wurde. Aber es
Fibel mit Widderko Hofmuseum in Wien Wäfß verfehlt 211 lallben
daß wir den Faden nur auf-
zunehmen brauchen, den
unsere Großväter fallen
ließen, damit wir ihn auf
unsere Maschinen spannen
und in unseren Großbetrie-
ben verarbeiten. Die Kluft,
welche die zweite Hälfte
des XIX. Jahrhunderts mit
ihren enormen wirtschaft-
lichen und technischenVer-
änderungen und ihrem schwachen Kunstgefühl geschaffen, ist nicht so leicht
zu überbrücken. Darum haben unsere Lehrmeister jenseits des Canal la
Manche viel weiter zurückgegriffen, viel tiefer eingesetzt.
Die Anknüpfungen an alte Kunstrichtungen sind ja nichts Ungewöhn-
liches seit dem Mittelalter. Sie sind, wie wir sahen, an der Tagesordnung
gewesen bei jeder großen Umwälzung sozialer und politischer Art, bei jeder
Erschöpfung eines ästhetischen Programms. Aber es war stets auch ein
Beweis für die Lebensfähigkeit der neu auftauchenden Ideen, daß man die
nährenden Quellen in ein eigenes Bett zu leiten vermochte, um einen pro-
duktiven Boden zu befruchten.
Wer die moderne englische Wohnung in künstlerischen Cottageanlagen
studiert, wie sie dem architektonischen Empfinden Rechnung trägt, das ein-
gebaute Möbel entwickelt und doch auf der andern Seite den raffinierten
modernen Bequemlichkeitsbedürfnissen Raum gibt und das persönliche
Behagen an erster Stelle berück-
sichtigt, der wird darin kaum den
mittelalterlichen Kern sofort ent-
decken. dem sie entsprungen ist.
Und doch war es gerade das
Zurückgreifen auf das Mittelalter,
zuerst das literarische der roman-
tischen Epoche, dann das kon-
struktive und handwerkliche der
Morris-Schule, was dem modernen
englischen Kunstgewerbe einen
festen Rückhalt und eine boden-
ständige Entwicklung sicherte.
Hatte die romantische Zeit
durch oft zu äußerlichesVerwerten
formaler Reize mitunter gesündigt,
so wußte die kräftige und gesunde
Reorganisation der nachfolgenden
Medaille auf johann Armbruster und Frau Avers und Revers
Hofmuseum in Wien
Goldmedaille
Penode den konstruktlven Gelst, auf die Fluch! Pius IX4, 1848 Hofmuseum in Wien
ÄJICUC ZLIIH ClgCIICIl 1131111,
die dominierende Stellung
undVerbreitung des Ein-
zelwohnhauses in Eng-
land alle Bestrebungen
der Künstler, die auf
das Zusammengehen des
Innern und seiner Benutzungsweise mit der formalen Ausbildung des Äußern
das Hauptgewicht legten.
Nur dann entstehen jene vollkommenen Innenräume, wenn bei der An-
lage des Grundrisses, bei der Planung des Hauses, schon auf den Charakter
und die Form der inneren Einrichtung Rücksicht genommen wird. Wie der
Aufbau und die Umgebung des Hauses soll auch die Ausgestaltung des
Innern aus einem und demselben Geist entspringen.
Diesen idealen Zuständen sind wir noch nicht sehr viel näher gekommen.
Der Kontinent ist aber auf dem besten Wege dazu, für seine eigenen Bedürf-
nisse dieselben Grundideen zu verwerten. Natürlich kann bei uns nicht der-
Plakette von Anton Scharf! Hofmuseum in Wien
selbe Weg gegangen werden; die
ästhetischen wie die praktischen Be-
dürfnisse und Vorbedingungen sind
bei uns naturgemäß andere und
müssen zu anderen formalen Er-
gebnissen führen.
Die Grundsätze der einheitlichen
Raumgestaltung, der Anpassung an
die Fortschritte und Bedürfnisse der
Zeit, an die technische Solidität, kon-
struktive Ehrlichkeit und Korrekt-
heit werden aber dadurch nicht ver-
ändert. Wir finden sie heute überall
und stetig fortschreitend siegreich
werden, wo denkende Künstler und
aufrichtige Ratgeber amWerke sind.
Es ist die Wahrheit, die auf dem
Wege ist und die auch dort endlich
Zutritt finden muß, wo heute noch
das Abhängigkeitsgefühl von der
eklektischen Anschauungsweise des
verflossenen Jahrhunderts mächtig
nqu
ist. Es ist das Streben nach einer Einheit höherer Art, das sich endlich
durchsetzen rnuß und über alle alten Anregungen und Vorbilder hinaus einen
Zusammenhang zwischen Wohnung und Bewohner, zwischen Schmuck und
Zweckform, zwischen Material und technischen Hilfsmitteln herstellt und da-
durch eine Kunstform schafft, die eine neue Etappe in der Entwicklung der
Kunst überhaupt verkörpert, die sich der Vergangenheit ebenbürtig anreiht.
AUS DEM WIENER KUNSTLEBEN 50' VON
LUDWIG HEVESI-WIEN 5b
LEINE AUSSTELLUNGEN. Aus der Galerie Miethke ist einiges Neues zu
melden. In den Räumen am Graben sind zwei jüngstrnoderne Pariser eingekehrt. Der
eine ist der geistreiche Karikaturist, Satiriker, Farbenstiftmensch und so weiter Hermann
Paul. Der Nachfolger Forains am Figaro", der Illustrator der Straße im Courrier Francais"
und politische Humorist des Cri de Paris". Man sieht hier eine lange Reihe dieser Ergötz-
lichkeiten ausgestellt, daneben aber auch Buntstiftstudien in Lebensgröße, Akte und be-
sondersBildnisse, für diePaul einen besonderen Schick aufzuwenden hat. Einige dieserKöpfe,
in ihrer ganz knappen Umrißfassung und dicht unter dem Kinn abgeschnitten, erinnern
sofort an Quentin La Tour, den Pastellxneister der Pompadour-Zeit. Anderes, zum Beispiel
die Akte, erinnert durch die Schraffenführung, welche so unterwegs die Modellierung be-
wirkt, an die Handschrift in den Radierungen Anders Zorns. Zu den besten Porträten in
Farbstiften gehört das der Frau Amalie Szeps schwarzes Kleid, weißes Haar, Beschäftigung
mit ihrer bekannten Perlenstickerei, wo aus fast nur Schwarz und Weiß ein luftig feines
Ensemble von Ton gegeben ist. Dann das auf zarte Gelblichkeiten gestimmte, lebhafter
pointierte Bild der hübschen Madame Menard und eine alte Dame im Korbstuhl wiederholt,
die mit kleinen farbigen Akzenten aufgepulvert ein Virtuosenstück diskreten Kolorismus
darstellt. Überhaupt ergeben sich dern Künstler aus der Technik selbst originelle Nuancen;
so wenn er durch seine Schraffen quadrillierte KleiderstoEe, Federhüte und so weiter unwill-
kürlich stilisieren muß. Der andere Pariser ist der junge Farbenstürmer Pierre Laprade.
Nebenbei gesagt ein Verehrer von Wien, wie seine große hier nicht ausgestellte Litho-
graphie ,.Le Carnaval de Vienne" bekundet. Seine hieher gelangten, ans Phantastische
streifenden Impressionen haben ohne Zweifel ihre eigene Note. Namentlich Weiß und Blau-
violett, die eine große Rolle spielen, tönen und mischen sich ihm zu eigenem Reiz. In seinen
Stilleben wendet er darum gerne weiße, auch bunt dekorierte Majoliken und saüige Blumen
an. In einer Gartenszene mit weißen Jalousien, weißen Rosen und einer weißen Toilette
kommt eine interessante Simfonik heraus. Andere Parkszenen wühlen in einem schönen,
ausgiebigen Grün. Bei einem größeren Publikum werden diese Bilder, da sie rein das
Farbenproblem suchen und auf Form verzichten, weniger Anklang finden. In der Doro-
theergasse, wo einen Monat lang Gauguin die große Anziehungskraft war, hat Wilhelm List
ein Gemach im ersten Stoeke mit seinen neuen Bildern gefüllt. Er ist einer der Ausgetretenen
derSezession und gehtseine eigenen,suchendenPfade,dieins ewigeAbseitsführen. Eristeiner
der Stilsucher und Ornamentalen, von feiner Empfindung der Linie, Kurve, Fläche. Seine
große Porträtstudie einer Dame, mit mehrfachen weißen Schlangenlinien des weit-
bauschigen Kleides, ist von besonderer, gleichsam andeutungsweise vorhandener Wirkung.
Auch landschaftliche Motive behandelt er in dieser vereinfachenden, omamentierenden
Weise. Die Farbenskala hält sehr zurück; blasse Töne von Weiß, Grau, Rosig, in gewissen
Fällen stark mit Gold durchschossen. So in den drei Bildern Die Heilige" Rosenwunder,
Tod, Verklärung, wo der Künstler sich eigentlich in lauter Abstraktionen des Striches und
Tons bewegt, ohne doch unwirksam zu werden. In jenen oberen Räumen Miethkes sieht
ßnf!
man noch einige einzelne Raritäten. Ein Porträt Georges Clemenceaus von Manet; als
Redner, stehend, in schwarzem Schlußrock, die ganze Haltung schwärzlich, alles mit
skizzenhafter Leichtigkeit hingesetzt, doch fest geschlossen. Dann ein lebensgroßes, weib-
liches Sitzbildnis von Millet; jedenfalls frühe Arbeit, mit Anstößigkeiten der Zeichnung,
ungehobelt im Vortrag, aber mit einem Duft von Zeit und von Aniängertum eines Zukünf-
tigen. Im Kunstsalon I-Iirschler hat sich ein lange Zeit verschollener Österreichisch-
Schlesier geboren r872, Paul Kutscha-Arend, wieder als präsent gemeldet. Er war mit im
Künstlerhaus, als die Münchener Sezession dort 1894 ihr großes Gesamtgastspiel abmachte.
Er ist nämlich in München gebildet, bei Liezen-Meyer und dem verstorbenen Herterich,
und hat dann in Paris Weiteres aufgenommen. Weite Reisen führten ihn unter die Tropen,
zu den Antipoden. Er schlug sich in Ceylon und Australien herum, zeichnete und malte
massenhaft und verschleuderte es in Melbourne zu Nullpreisen, während schlechte Möbel-
bilder dem dortigen Publikum zu xo bis 15 Pfund Sterling dem australischen Normalpreis
mehr konvertierten. Er illustrierte auch weidlich und solche Zeichnungen und Aquarelle sind
hier zahlreich ausgestellt. Der blaue Hafen von Sidney ist so ein gutes Aquarell. Er schätzt
aber auch den Norden; die grauen
Häfen von Hamburg, mit dem
Rauch seiner Schlote, und von
Stettin, mit seiner weiß auf dem
Wasser wogenden Sommersonne,
liegen ihm ebensogut. Er ist ein
sehr geschickter Vedutist, hat auch
jetzt in Wien wieder dergleichen
gemalt und gleich verkauft Einblick
in die Taborstraße. Als Ganzes ist
er gemäßigter Impressionist, ohne
optische Abenteuerlichkeiten. Für
seine Gabe, Natureindrücke sach-
lieh wiederzugeben, sind einige
Landschaftsbilder seiner letzten
Wiener Zeit gute Beispiele Ober- Tabatiere aus dem Besitze Lanners Hofmuseum in Wien
St. Veit im Winter, von seinem
Atelier aus gesehen, Bachmotiv von Weidling. Wenn Paul Kutscha-Arend sich irgend-
wo seßhaft machen wird, dürfte derselbe noch den richtigen Aufschwung nehmen.
KÜNSTANSTALT LÖVVY. Auf der Galerie des k. k. Österreichischen Museums
hat diese hervorragende graphische Anstalt, die jetzt ihr fünfzigjähriges ubiläum feiert,
eine panoramische Ausstellung ihrer neueren Erzeugnisse veranstaltet. Der kaiserliche Rat
J. Löwy geboren Preßburg 1835, gestorben 1902 war ein künstlerisch gestirnmter Mensch,
besuchte auch die Akademie und lithographierte, erst als Zögling in der Siegerschen
Werkstatt, später Porträte nach der Natur im Atelier des Malers Neustätter, malte aber auch
Pastell. Diese Anregungen verknüpften sich alsbald mit der Photographie, als er I8 einen
solchen Apparat zum Geschenk erhielt. Schon 1856 hatte er sein eigenes photographisches
Atelier in der Unteren Donaustraße. Dort wagte er sich bereits an die erste große photo-
graphische Tat in Wien, das Folioalbum der eben tagenden Naturforscherversammlung,
mit über 300 Porträtaufnahmen nach der Natur. Es war das erste solche Werk, das im
Wiener Kunsthandel auftauchte. Als im nächsten Jahre der k. k. Maria Theresien-Ritter-
orden seinen hundertjährigen Bestand feierte, wurde Löwy bereits berufen, das Pracht-
werk darüber anzufertigen. Die Freilichtaufnahmen wurden vom Balkon des Galvagni-Hofes
aus gemacht. Das erste aquarellierte Exemplar wurde von Seiner Majestät entgegen-
genommen. Der Lohn blieb nicht aus. Man räumte ihm für ein neues Atelier einen Garten-
grund beim alten Zeughaus in der Renngasse ein, von wo er 186g in die Gartenbaugesell-
33
ersuenstanun ullu rnunnn pusnonyu. ...............-, nnnaavslqvunc, 1.11 cunnucuun nun, nutotypie,
bis auf den neuesten Intagliodruck herauf, machten da ihre ganze Entwicklung durch. Der
Intagliodruck ist der jüngste Triumph der Technik; er ermöglicht den Druck der Heliu-
gravüre auf der Schnellpresse, und zwar bei gesteigerter Bildwirkung. Dadurch können
nun Bilder in großen Auflagen so vervielfältigt werden; Beispiel dafür die Osterbeilage
der Leipziger Illustrierten Zeitung", die in 50.000 Exemplaren bei Löwy hergestellt wurde.
Überhaupt ist die Anstalt vielfach für das Ausland tätig; für Paris Piazza, Sedelmeyer,
Leipzig Seemann, Berlin Fischer und Franke, Grote, Krakau, Budapest und so weiter.
Für Wien hat sie den Farbenschmuck einer ganzen Reihe erstklassiger Werke geliefert. Aus
den letzten Jahren seien bloß einige ganz hervorragende genannt das Segantini-Werk
Merkur, Bleistatuette von
Rafael Donner l-Iofmuseum in Wien
Gerlach, das Werk über den Wiener Kongreß Artaria,
das über die österreichische Bildnisminiatur ebenda,
deren Farbenlichtdrucke lobenderweise schon die reine
Fälschung" genannt wurden, das Walcher-Mo1thein-
sche Werk über bunte I-Iafnerkeramik Gilhofer und
Ranschburg. In die unmittelbar vorangehende Epoche
fallen die Aufnahmen aus der kaiserlichen Gemälde-
galerie, in drei verschiedenen Formaten, mittels einer
Drehbühne, die zu diesem Zwecke im Belvederegarten
aufgestellt wurde. Die Rückschau auf diesen ganzen Le-
benslauf des Unternehmens macht den Männern, die es
geschaffen, alle Ehre. Der jetzige Leiter ist l-Ierr Gustav
Löwy, ein Neffe des Begründers.
EREINIGQNG DER MÖBELPOSAMEN-
TIERER ÖSTERREICHS. In einem Saal-
einbau des Österreichischen Museums Saal VIII ist
gegenwärtig eine interessante kleine Spezialausstellung
zu sehen, die vielleicht berufen ist, das kunstgewerb-
liche Auge auf einen sozusagen untergehenden öster-
reichischen Gewerbezweig von hohem Verdienst zu
lenken. Es ist die Posamentierarbeit, die derrnalen,
ebenso wie die früher blühende l-Iolzschnitzerei, durch
die Mode aus den Interieurkünsten verdrängt ist. Der
Verein ist durchaus zu loben, daß er sich nach Kräften
wehrt und seine Leistungsfähigkeit einmal so unab-
weisbar ad oculos demonstriert. In drei Gemäehern, die
Baurat Professor Fabiani mit Geschmack in quasi-
amerikanischer Weise entworfen hat, sieht man ge-
diegenste Passementerie in allen erdenklichen Gestal-
tungs- und Anwendungsformen. Reich erfundene Fran-
sengehänge, Quastenwerk, Bordüren, Borten, Schnüre,
tassels" und clasps", an Vorhängen, Möbeln, Wand-
bezügen, Zeltplafonds passend angebracht. Die Arbeit
ist schlechthin vollkommen, die zierlichsten Stücke
wirken schon geradezu wie Spitzen. Man rnuß sich in
der Tat sagen, daß diese schöne Industrie ganz gut
fv-
auch in moderner Weise arbeiten könnte. Wenn sich die Entwerfer ihrer annehmen, wie
seinerzeit unseres Spitzengewerbes, so könnten alle jetzt gangbaren Stilarten sich ohne-
weiters auch wieder der Posamentierarbeit bedienen. Es wäre zu wünschen, daß die An-
regung des Vereins in dieser Richtung praktische Folgerungen habe.
KLEINE NACHRICHTEN S0
IEN. ZUWACHS DER KAISERLICHEN KUNSTSAMMLUNGEN IM
JAHRE 1906. Die ANTIKENSAMMLUNGEN des Allerhöchsten Kaiserhauses
haben im vorigen Jahre sowohl der Zahl als der Qualität nach erfreuliche Vermehrung
aufzuweisen. An erster Stelle sind hier einige Gegenstände zu nennen, welche durch die
beim Bericht über die Münzensammlung im folgenden noch näher zu besprechende
Schenkung des Freiherrn Albert Bachofen von Echt an das kunsthistorische Museum
kamen eine goldene Kette mit gefaßten römischen Gold-
münzen von erlesener Schönheit, eine silberne gravierte
Schale, eine bronzene Kette mit Amuletten und ein bron-
zener römischer Gefaßstempel. Diese Gegenstände ebenso
wie die in 35 Kisten eingelangte interessante und reich-
haltige Ausbeute aus den vorjährigen Grabungen von
Ephesos werden an geeigneter Stelle noch eingehendere
Würdigung erfahren.
Von sonstigen Widmungen wären zu erwähnen
zwei bronzene Amulette und eine bronzene Satyrherme
von Dr. Wilhelm v. Mauthner, eine Reihe von Bronze-
gegenständen darunter eine schöne Hydria und ein byzan-
tinisches Kreuz sowie von Tongegenständen vom k. k.
österreichischen archäologischen Institut, eine römische
Fibel aus Westungam von Dr. Münsterberg.
Das Lapidarium erhielt Zuwachs durch Stücke aus
der zum Verkauf gelangten Sammlung Widter in Wien,
darunter ein ravennatischer Inschriftstein, der schon im
XVI. Jahrhundert als Besitz des Erzbischofs Matthäus
Lang von Salzburg bekannt war, eine Inschrift aus Knittel-
feld in Steiermark, eine interessante Bauinschrift aus
Sarmizegetusa Värhely, der Hauptstadt Dakiens; dazu
zwei steinerne Urnen, von denen eine aus Aquileja.
Für die Abteilung der Bronzen wurden außer den
schon oben erwähnten Stücken einige wertvolle Gegen-
stände erworben, so ein merkwürdiges Gewicht in Form
eines tierischen Wirbelknochens, aus Gela stammend,-
welches bei einer Wiener Auktion erstanden wurde, die
Statuette einer Tänzerin in jonischem Chiton, mit Krotalen
in den Händen 7,5 Zentimeter hoch aus Klazomenä, in
ihrer schlichten archaischen Formengebung und den
kurzen Proportionen des Figürchens ein kleines Juwel alt-
jonischer Kunst; der Bügelhenkel einer I-Iydria, der in
seinen Attachen je eine Amazone auf sich bäumendem
Pferde im archaischen Stil zeigt, aus Civitavecchia; ein
anderer, in Neapel erworbener Henkel mit der Relieffigur
des Perseus, der das Haupt der Medusa trägt; ein Paar
Venus, Bleislatuette von
Rafael Donner Hofmuseum inWien
33'
232
bogenförmige, mit Widderköpfen gezierte Fibeln aus Val di Chiana; der Gurtring von
einem Gladiatorengespann in Form eines l-Ielmes, aus Italien; die vorhin erwähnte
Hydria aus Athen in der schönen Form, die im V. Jahrhundert vor Christi in Attika
üblich war; der Oberteil eines byzantinischen Kreuzes mit eingravierten Bildern des
Heilands, der Erzengel, der Muttergottes und der Apostelfürsten, aus Ephesos. Heimischen
Fundortes aus Kleinmünchen bei Linz sind ein bronzener Schuber und ein Bronzegefäß.
Von den Erwerbungen der Vasensammlung sind drei zierliche Gefäße zu nennen
ein Öliiäschchen aus Ephesos, korintischen Stils, mit einem um den Gefaßbauch
laufenden Tierfries, die Figur einer Sirene am Henkel und die eines Hahnes letzteren
A.v. Penenkofen. Russisches Biwak Hofmuseum in Wien
von feiner Zeichnung, auf dem Boden zeigend; ein attisches Lekythion mit prächtigem
schwarzen Fries und zwei in Deckfarben darauf gemalten Figuren. Die eine in roter, die
andere in weißer Farbe, wodurch die Vase ein technisches Unikum bildet; eine schwarze
Pyxis mit Ornamenten in weißer und roter Farbe. Diese beiden Stücke, aus Südrußland
stammend, stellen in der kaiserlichen Sammlung bisher nicht vertretene Varietäten dar.
Ein hübsches buntfarbiges Alabastron verdient gleichfalls Erwähnung.
Die Terrakottensammlung erfuhr Bereicherung durch 25 Figuren und Köpfe aus
cyprischen Ausgrabungen des Mr. Myres; nebstdem kamen ihr zu ein mykenisches Idol
aus dem Nachlaß des Archäologen Wolfgang Reiche, ein phallisches Alabastron mit dem
Antlitz eines Silens und einer Inschrift aus Scalanova und ein aus Italien stammender
Gefaßstempel aus christlicher Zeit mit dem Kreuzessymbol und einer Inschrift.
Eine völlig neue Gruppe innerhalb der Sammlung bilden die antiken Leinenstoife
mit eingewebten Ornamenten aus den Gräbern von Oberägypten, die der Teppichhändler
uavon eines lIlK uer aiegesgomn, das andere mu uerxopxen, ein axaraoaus aus mana-
achat mit einer vertieft geschnittenen Kriegerfigur in goldenem Bügel, ein goldener Ring
mit der niedlichen hoekenden Figur eines Negerknaben in iiachem Relief, aus Sizilien; ein
Intaglio aus Smaragdplasma mit der Figur eines in der Stellung unserer ephesischen
Statue ganz analogen Epheben, begleitet von einem Hunde; eine Glaskamee mit einem
.m
z.
fv
römischen Porträtkopf; der Henkel eines Glasgefaßes mit der Marke einer sidonischen
Fabrik.
In der MÜNZEN- UND MEDAILLENSAMMLUNG hat die Abteilung für antike und
byzantinische Münzen im verflossenen jahre bedeutenden Zuwachs erhalten, von welchem
ein größerer Teil auf die bereits erwähnte Widmung der bekannten römischen Münzen-
samrnlung des Freiherrn Bachofen von Echt entfällt. Diese durch die große Zahl von Gold-
Stücken aus der Kaiserzeit und von römischen Medaillons außerordentlich wertvolle
Kollektion bewirkte eine in jeder Richtung hochwillkomrnene Ergänzung des kaiserlichen
Münzkabinetts, das sich nun für diese Periode den großen numismatischen Kabinetten
ebenbürtig an die Seite stellen darf. Die griechische Abteilung wurde planmäßig für die
kleinasiatischen und speziell ephesischen Reihen ergänzt. Erwähnung verdient auch die
Erwerbung einer größeren Zahl von Prägungen des Küstengebietes des Schwarzen Meeres
und syrischer Provenienz sowie der sogenannten barbarischen Fürsten an der mittleren
254
Donau. Zuwendungen des
österreichischen archäo-
logischen Instituts kamen
hauptsächlich den klein-
asiatischen Reihen in sehr
erwünschterWeise zu gute.
Unter den Neuerwer-
bungen für die mittelalter-
liche und moderne Abtei-
lung des kaiserlichen Münz-
kabinetts verdient in erster
Reihe genannt zu werden
eine Sammlung alchimisti-
scher und astrologischer
Medaillen, Talismane, Pest-
pfennige und dergleichen,
welche, aus altern gräflichen
Besitz stammend, en bloc
erworben werden konnte.
Es sind x37 Stück, größten-
teils Raritäten, einige ohne
Zweifel Unica. Zusammen
mit den wertvollen Stücken
dieser Art, welche das Ka-
binett bereits früher besaß,
ergeben sie ein eigenarti-
ges und kulturhistorisch
hochinteressantes Ganzes,
wie es kaum eine andere
Münzsammlung besitzen
dürfte und wie es heute
Peter Fendi, Die Neugierige Hofrnuseum in Wien kaum noch mit den größten
Opfern zusammengebracht
werden könnte. Gleicher Provenienz sind eine St. Georgsmedaille von Christian Maler mit
einem Totentanz auf der Rückseite; eine hübsche Wappenmedaille der Eheleute Franz
Kamper und Fiorapaß von Parr Paar vom Jahre 1537, sodann die anmutige Porträtrnedaille
des Jahres x6o3 auf Johann Armbruster, Oberdreißiger in Preßburg und seine Frau Anna
Kamperin, dem Stil nach zu urteilen, eine Arbeit des Alessandro Abondio, des Sohnes
Antonios Abondio.
Eine andere wichtige Erwerbung verdankt das kaiserliche Kabinett der Liberalität
eines ungenannt sein wollenden Spenders die 114 Dukaten schwere Goldmedaille, welche
Papst Pius IX. irnjahre 1848 auf den damaligen königlich bayerischen Gesandten am päpst-
lichen Stuhle Karl Grafen von Spaur aus Dankbarkeit für dessen Hilfeleistung bei der Flucht
des Papstes nach Gaeta prägen ließ. Die Vorderseite zeigt das Brustbild Pius IX., die
Rückseite eine Ansicht von Gaeta, mit der Widmung KAR SPAVR LEGATO
BAVARICO PIVM -IX ROMA EXTORREM CAIETAM SEQVVTO. Das
historisch so interessante Stück, das jedenfalls in Gold nur einmal ausgeprägt worden sein
dürfte, war nahe daran, in den Schmelztigel zu wandern, als es durch die Pietät jenes Un-
genannten gerettet wurde.
Andere bemerkenswerte Stücke sind eine Wappenmedaille der Familie von Codelli-
Fahnenfeld, ein Taler des Erzherzogs Ferdinand Karl von Tirol, der, als Schraubentaler
adjustiert, in seinem Innern die ölgemalten Porträte eines jungen vornehmen Ehepaares
"33
zeigt; ferner ein Sal-
vator-Dicktaler und
Stück Joachimsthaler
Medaillen mit reli-
giösen Darstellungen
aus der Mitte des XVI.
Jahrhunderts; drei
Plaketten von L. Heu-
berger mit religiösen
Darstellungen, ein
Zwanzigdukatenstück
des Erzbischofs Sigis-
mund von Salzburg
und andere.
Aus einer nach-
gelassenen Sammlung
konnte eine große
Zahl gegen 600
Münzen, hauptsäch-
lich sächsische und
österreichische Taler
und Medaillen erwor-
ben werden. Außer-
dem wurden viele
moderne ausländische
Geldsrücke und so-
dann eine ansehn-
liche Reihe moderner
Medaillen und Pla-
ketten erstanden, unter
denen insbesondere
alle naxnhaftenWiener
Medailleure gut ver-
treten sind, so der ver-
ewigte Anton Scharff Peler Ftndi, Sämann Hofmuseum in Wien
durch eine seiner
schönsten Arbeiten, die Plakette auf den Abgeordneten Wolfrum und durch zwei große
gegossene Neujahrsplaketten und andere.
Die SAMMLUNG KUNSTINDUSTRIELLER GEGENSTÄNDE hat gegenüber dem
Vorjahr nur verhältnismäßig wenig Erwerbungen von Bedeutung aufzuweisen. Durch eine
neuerlicheWidmung des Herrn GustavBenda kamen die beiden vortrefflichen Bleistatuetten
G. R. Donners, Merkur und Venus, die sich seinerzeit in der Kollektion Kratzer befunden
hatten, in die Sammlung, wo sie eine höchst willkommene Ergänzung der österreichischen
Vitrine in der Abteilung für Kleinplastik ausmachen. Außerdem wurde käuflich ein
hübsches Stückchen Altwien erworben, eine goldene Tabatiere mit feinem blauen Email
im Biedermeiergeschmack, laut der Tradition und dem auf dem Deckel in einer Lyra an-
gebrachten Monogramm nach aus dem Besitz F. Lanners, dem sie von Erzherzog
Karl verehrt worden sein soll. Die Dose, noch im alten goldgepreßten Lederetui erhalten,
trägt einige bisher noch nicht eruierte Marken Prag und das Prager Repunzierungs-
zeichen aus dem Beginn des XIX. Jahrhunderts.
Für die KAISERLICHE GEMÄLDEGALERIE ergab sich in dem abgelaufenen
Jahre keine Gelegenheit zu einer nennenswerten Ergänzung des Bestandes an alten
aau
Meistern." Dagegen konnte, getreu der schon seit einer Reihe von Jahren befolgten
Maxime, einer weiteren Ausgestaltung der modernen Abteilung in Bezug auf die Wiener
Schule des XIX. Jahrhunderts durch einige Erwerbungen Rechnung getragen werden. Vor
allem sind hier zwei Akquisitionen aus der Auktion Königswarter zu nennen Karl
Schindlers Rekrutierung" und August von Pettenkofens Russisches Biwak". Das erst-
genannte Bild dürfte wohl unbestritten als die hervorragendste Leistung dieses leider
schon im Alter von 2x Jahren verstorbenen begabtesten Schülers von Peter Fendi be-
zeichnet werden können. Mit der Jahrzahl 1838 signiert, bildet es für den damals erst
xyjährigen Künstler eine geradezu verblüffende Talentprobe. Die volle Beherrschung des
Perspektivischen wie des Kolorits, die Sicherheit und Leichtigkeit, mit welcher der Vor-
gang auf dem Bild erzählt wird, all das verrät den künftigen Meister, dessen frühen Hintritt
Friedrich Gauermann, Die Pferdesehwemme Hofmuseurn in Wien
die österreichische Kunst nur tief beklagen kann. Bei seinem jugendlichen Alter sind nur
verhältnismäßig wenig Bilder von Karl Schindler bekannt geworden; um so wichtiger war
es für die kaiserliche Galerie, sich seines I-Iauptwerks zu versichern. Eine ähnlich erfreu-
liche Bereicherung bildet das mit vollendeter Meisterschaft behandelte Russische Biwak"
von Pettenkofen signiert r852. In einem an Pettenkofens Lithographenzeit gemahnenden
grauen Ton von wunderbarer Feinheit gehalten, behandelt es in miniaturartiger und doch
breiter und pastoser Technik eine Episode aus dem ungarischen Feldzug 1848 bis r849.
Durch dieses Stück ist die Kollektion Pettenkofenscher Bilder in der Galerie, welche bisher
nur Genre- und Marktszenen enthielt, um ein wertvolles Werk vermehrt worden, das den
Meister als Schilderer militärischen Lebens charakterisiert.
Durch Widmung des Herrn Gustav Benda gelangten aus der Auktion Oppolzer in München vier wert-
volle Gemälde zwei Altartiügel von Hans Sueß von Kulmbach, ein Bild von Metsu und eines von Gillis
Hondekoeter an die Galerie. Da diese Bilder erst im Jahre 1907 definitiv in den Besitz der Galerie über-
nommen wurden, sollen sie im Berichte pro 1907 ausführlichere Besprechung finden.
257
Peter Fendi, in der Galerie bereits durch eine größere Zahl von Arbeiten vertreten,
figuriert unter den Erwerbungen des Jahres 1906 mit zwei Stücken. Eines derselben
behandelt die Parabel vom Sämann ein junger, kräftiger Bauer von ausgesprochen
niederösterreichischem Typus wirft mit weitausholender Gebärde das Korn aus; im Hinter-
grund vor stürmischem grauen Himmel ein Dorfkirchlein, zu dem sich ein Leichenzug
bewegt. Fendi behandelt hier im Geiste seiner Zeit das Thema vom Werden, Sein und
Vergehen" auf genrehafte Weise, doch nicht ohne eine gewisse Größe, die sich in den
großzügigen Linien der Hauptfigur und Landschaft, wie in der ernsten Stimmung des
Bildes manifestiert. Das zweite Gemälde Die Neugierige" zeigt uns mit der ganzen
schalkhaften Anmut der Biedermeierzeit ein junges Mädchen im Neglige, welches mit
Rudolf v. Alt, Götlschachbach, Aquarell Hufmuseum in Wien
sichtlichem Interesse durchs Schlüsselloch ins Nachbargemach blickt. Ein feines kleines
Frauenbildnis von Michael Neder ergänzt die in der Galerie bereits vorhandenen Arbeiten
dieses älteren Wiener Meisters. Von Friedrich Gauermann wurde ein kleines Bild von
saftiger Farbe der Galerie einverleibt. Es ist die Studie zu dem später in großem Formate
ausgeführten bekannten Bild Die Pferdeschwemme". Auf Papier in Ölfarben gemalt, ist
dieses Blatt von Gauermann für den Kunsthändler und Sammler Bühlmeyer, in dessen
Galerie es einen Ehrenplatz einnahm, zum vollendeten Gemälde ausgestaltet und auf Holz
geklebt worden.
Die Reihe der in der Galerie vorhandenen Gemälde Friedrich von Amerlings ist
durch eine charakteristische und bedeutende Arbeit des Meisters vermehrt worden durch
das Porträt eines vlämischen Bürgermeisters". Das von den Holländern des XVII. Jahr-
hunderts stark beeinßußte Bild stellt einen Mann in der Tracht dieses Jahrhunderts dar,
34
Larnaiscische Darstellung, Göttin Ushnlshasltä Hofrnuseum in Wien
jedoch nicht etwa das Porträt eines Bürgermeisters in Arntstracht, sondern sicherer
Tradition nach das eines Wiener Opernsängers mutmaßlich Kunz, der dem Künstler
oEenbar nur als Modell für eine Kostümstudie gesessen ist.
Von Josef Neugebauer, einem im Jahre 1895 hochbetagt verstorbenen, seinerzeit
geschätzten Blumenmaler kamen zwei sorgfältig durchgeführte Blumenstücke sowie ein
Selbstporträt an die Galerie. Das letztere reiht sich in die schon vorhandene nicht
unbeträchtliche Zahl von Bildnissen österreichischer Künstler.
Für die Sammlung von Aquarellen und Handzeichnungen wurden drei Aquarelle aus
der Nachlaßauktion Rudolf von Alts erworben ein Interieur mit Figuren Wirtsstube in
Sand" aus dem Jahre 1875, die virtuose Naturstudie Göttschachbach bei Gastein" aus
des Meisters letzter Periode und ein Blatt Streifwagen", welches für die sichere und
minutiöse Detailbeobachtung des unermüdlichen Künstlers besonders charakteristisch ist.
Zu den in größerer Zahl bereits vorhandenen landschaftlichen und Architekturveduten
259
aus älterer Zeit bilden diese
drei Stücke eine willkom-
mene Ergänzung.
Unter den zahlreichen
und ethnologisch bedeu-
tungsvollen Erwerbungen
der ETHNOGRAPHISCHEN
SAMMLUNG des NATUR-
HISTORISCHEN HOF-
MUSEUMS im Jahre 1906
wären vom künstlerischen
und kunsttechnischen Ge-
sichtspunkt die Sammlungen
aus dem malayischen Archi-
pel, von Ostgrönland und
vor allem die lamaistisch-
mongolische Kollektion aus
Urga des Reisenden Hans
Leder zu nennen. Dank den
durch die Reisen des Di-
rektors der ethnographischen
Abteilung am Naturhisto- Lamaistisches Kultgerät, Stupa Hofrnuseum in Wien
rischen Hofmuseum Regie-
rungsrates Franz Heger in ava und den Sundainseln gewonnenen Beziehungen sind noch
Ende 1905 von verschiedenen Punkten des malayischen Archipels unter anderem eine
Reihe wertvoller und künstlerisch bedeutsamer Textilien eingelaufen, unter welchen eine
erlesene Sammlung der slimoet" genannten Tücher von Roti, Savoe, jumba und Timor
hervorzuheben ist.
Eine Kollektion von javanischen Holzlarven für das populäre javanische Schauspiel,
in welchem stehende Typen zur Darstellung der alten, aus den indischen Epenstoffen über-
nommenen l-leldensagen der Kavi-Dichtung auffallen, verdient ebenfalls Erwähnung.
Ebenso eine kleine Sammlung schöner und reicher Waffen, Lanzen und Krisse aus Süd-
Celebes, die das Museum neben anderem Material von Lombok, Bali und Sumbawa Herrn
E. Hulster in Medan, Sumatra, verdankt.
Von West- und Ostgrönland hat die Expedition der Herren Dr. Rudolf Trebitsch
und Dr. Robert Stiaßny eine bei dem gegenwärtigen völligen Niedergang der eigen-
artigen Eskimokultur doppelt willkommene und bedeutsame Sammlung eingebracht.
Bekannt ist die sowohl in bildnerischer wie zeichnerischer Beziehung hervorragende
künstlerische Begabung der Eskimo, die alle charakteristischen Züge der echten Jäger-
kunst aufweist. Die reiche Omamentierung in Bein und Holz, welche die Gebrauchs-
gegenstände der Ostgrönländer zeigen, sowie die in den Weiberarbeiten, Gürteln,
Täschchen, verschiedenem Schmuckzeug sich äußernde reiche textile Musterung sind
ebenso viele Bestätigungen für die bekannten künstlerischen Neigungen der polaren Jäger-
Stämme.
Wirkliche Kunstleistungen im engeren Sinne des Wones liegen in der großen
lamaistisch-mongolischen Sammlung von Götterbildern, Tempelfahnen, Miniaturen, Kult-
geräten und so weiter vor, die der österreichische Tibetreisende Hans Leder aus der west-
lichen Mongolei, zumeist aus Urga, dem mongolischen Rom, in die Heimat gebracht hat.
Lamaistische Sammlungen, welche das äußerst komplizierte nordbuddhistische Dogmen-
system und die verwickelte, mehrfach geschichtete Ikonographie das Lamaismus in Tibet
nebst seinen mongolischen und chinesischen Ausstrahlungen zu illustrieren bestimmt sind,
verdienen heute auch in kunsthistorischer Beziehung Beachtung. Es liegen in diesen
34'
Gürtelblech von WatSCh Hofmuseum in Wien
Sammlungen die Zeugnisse künstlerischen Schaffens vor, das in den zahlreichen Klöstern
Tibets und der Mongolei unter Ausbildung strengster Kunststile und verschiedener Maler-
schulen von etwa xzoo bis 1800 nach Christi abgelaufen und von China wie von Indien ab-
wechselnd beeinflußt worden ist. Von dieser fast 600 Nummern zählenden Sammlung
ist namentlich auf die stattliche Serie plastischer Götteriiguren in Bronze, Ton und Papier-
machemasse hinzuweisen, die durchgehends als Klosterarbeiten zu gelten haben und in
teilweise sehr berühmten Werkstätten, vielfach auch in Lhassa, dem Sitze des Dalai-Lama,
hergestellt wurden. Von diesen ist hier eine schöne Darstellung des Tsongkapa, des
bekannten Reformators des Lamaismus XIV. Jahrhundert, der heute in der Mongolei
fast ebenso verehrt wird wie der Religionsstifter Gantama Buddha selbst, zur Ansicht
gebracht. Unter denTempelfahnen odei-Tempelbildermvon denen über 50 hervorragende zu-
meist auf Seide gemalte und stilvoll adjustierte Exemplare vorliegen, sind Darstellungen
der wichtigsten Göttergestalten, zumeist in Begleitung zahlreicher Nebenbilder vertreten;
anbei die Abbildung der Göttin Ushnishasitä mit 24 Nebenbildern in lichten Deckfarben
und Gold auf Seide gemalt. Auch die lamaistischen Kultgeräte, Hausaltäre, Lama-Omate und
die verschiedenen kleinen oder größeren Stupas, die gewöhnlich mit Reliquien, Gebeten und
sonstigen Amuletten angefüllt zu sein pBegen, sind in Leders Sammlung in ausgesuchten
Exemplaren vertreten; ein Miniaturstupa aus sogenannter SchauerPapiermachemasse
in Form eines achtseitigen Tumulus mit Reliefdarstellungen und bunter Bemalung reich
verziert, ist hier abgebildet.
Die PRÄHISTORISCHE SAMMLUNG des NATURHISTORISCI-IEN HOF-
MUSEUMS erhielt eine wertvolle Bereicherung durch die Auswahl von 27 Stück der
Fürst Ernst zu Windisch-Graetz-
schen Sammlung. In dieser Aus-
wahl befindet sich das berühmte
ügural verzierte Gürtelblech von
Watsch in Krain, aus dem V.
Jahrhundert vor Christi Geburt,
ein schon im Altertum vielfach
repariertes Stück, auf welchem
in getriebener und ziselierter Ar-
beit ganz nach Art der übrigen
ligural verzierten Bronzen jener
Zeit eine Kampfszene dargestellt
ist, an der sich zwei mit Lanzen
und Streitbeil bewaffnete Reiter
ohne Sattel und Sporen und Fibeln und Riemenhalter, prähistorisch Hofmuseum in Wien
hinter jedem derselben ein schwer bewaHneter Fußgänger mit Streitbeil, zwei Lanzen,
Schild und bebuschtem Helm, beteiligen. Am rechten Ende des Bleches ist noch eine am
Kampf unbeteiligte Mantelhgur mit breitkrämpigem l-Iute angebracht. Von derselben Fund-
stelle und aus annähernd gleicher Zeit enthält die Auswahl noch eine sehr große gerippte
Bronzeciste, eine Schlangenfibula mit aufsitzendem Vögelchen, zwei Zweirollenfibeln,
einen kleineren Gürtelhaken, einen kleinen Riemenhalter in Gestalt eines Mausköpfchens
etc. Von anderen Fundorten einen etruskischen und einen jonisch-italischen Helm, ein
unteritalisches Kurzschwert mit Bronzeblechscheide, ein italisches Bronzebeil, das ge-
flügelte Ortband einer hallstättischen Schwertscheide und anderes. Von sonstigen Er-
werbungen sind zu erwähnen Ein bei Asten in Oberösterreich gefundener etruskischer
Krempenhelm und eine kreisrunde, mit geometrischen Mustern reich ornamentierte italische
Bronzescheibe von 21 Zentimeter Durchmesser. Von dem großen Gräberfeld von Statzen-
dorf in Niederösterreich, welches der älteren Stufe der Hallstatt-Periode, also dem ersten
Drittel des Jahrtausends vor Christi Geburt angehört, gelangten durch die fortgesetzten
Ausgrabungen des Museums wieder zahlreiche Grabbeigaben in Form von mannigfaltigen
Tongefäßen und von kleineren Bronze- und Eisenobjekten in die Sammlung. Unter den
Prähistorische Tongefäße aus Ungarn Hofmuseum in Wien
durchwegs aus freier Hand gemachten Tongefäßen sind besonders gewisse braune Henkel?
töpfe von 10 bis 20 Zentimeter Höhe wegen ihrer konsequent durchgebildeten Verzierung
in einer Art von Kerbschnitt in kunsthandwerklicher Beziehung bemerkenswert. Aus
mehreren Fundorten des Baranya-Komitats in Ungarn, besonders aus Duna Pentele und
Vörösmarth erhielt die Sammlung bronzezeitliche Tongefäße in den verschiedensten
Größen von bis 30 Zentimeter Höhe, welche durch einen eigentümlichen, für die
ungarische Bronzezeitstufe charakteristischen Dekor mit weiß ausgefüllten Band- und
Hängemustem ausgezeichnet sind.
Die KUPFERSTICHSAMMLUNG der K. K. I-IOFBIBLIOTl-IEK wurde im Jahre
1906 um 780 Inventarnummern vermehrt, denen 2094 Blätter Kupferstiche, Radierungen,
Holzschnitte, Lithographien, Photographien oder photomechanische Reproduktionen, be-
ziehungsweise Bände oder Mappen entsprechen. Durch Kauf wurden 397 Nummern er-
worben, als Ptlichtexemplare 76, als Geschenke 82 entgegengenommen, 225 endlich durch
Einreihung aus alten Depotbeständen gewonnen. Eine Teilnahme an derAuktion Gute-
kunst Stuttgart ermöglichte, die Werke Albrecht Diirers und Hans Baldung Griens durch
zwei kostbare Drucke zu ergänzen, eine solche an der Auktion Spitzer Wien bei Wawra
brachte der Sammlung der älteren österreichischen Künstler namhahen Zuwachs. Diese
Abteilung der Kupferstichsammlung nach Möglichkeit zu vervollständigen, bildete in diesem
Jahre wieder den Gegenstand besonderer Sorgfalt.
Unter den Geschenken, die in diesem Jahre der Sammlung zugewendet wurden, seien
folgende hervorgehoben Das Oberstkämmereramt widmete farbige Originalradierungen von
Danilowatz, Lux und Suppantschitsch, ferner 845 Blatt Pigmentdrucke, die von der Firma
Bruckmann in München nach Gemälden der kaiserlichen Galerie hergestellt wurden.
Seine Erlaucht Graf Harrach spendete mehrere Porträte von Angehörigen seines Hauses,
Kustos Menöik einige Porträte, der Verlag G. Stalling in Oldenburg einen Dreifarbendruck
Porträt Seiner Majestät des Kaisers Franz joseph I." nach einem Gemälde von Sigi-n.
l'A.llemand, Herr A. Artaria zwei Radierungen von Alphons und eine Lithographie von
Kriehuber, Dr. Mascha einige Lithographien von Rops, Dr. C. Giehlow in Wien und Mr.
C. Dodgson in London mehrere Radierungen, Herr Maler J. Engelhardt mehrere graphische
Blätter seiner Hand, endlich Herr j. C. Robinson eine prachtvolle Serie seiner kostbaren
und seltenen Originalradierungen.
EREIN ZUR HEBUNG DER SPITZENINDUSTRIE. Unter dem Vor-
sitze der Frau Gräfin Lanckoronska fand am 24. d. M. im Österreichischen Museum
die Generalversammlung des Vereines zur Hebung der Spitzenindustrie in Österreich
statt. Unter den Anwesenden bemerkte man Prinzessin Klementine Metternich-Sandor,
Fürstin Lubomirska, Gräfin Kinsky-Wilczek, Baronin Beck, Baronin Dina Buschmann,
Baronin Königswarter, Frau v. Miller zu Aichholz, Frau v. Mayer-Gunthoi Grafen Karl
Lanckoronski, Sektionsschef Grafen Wickenburg, Hofrat Dr. Adolf Müller, den Vertreter
der Wiener I-Iandels- und Gewerbekammer kaiserlichen Rat Kitschelt, Hofrat A. v. Scala,
Direktor Minkus, Prokuristen Mühlbacher und andere. In ihrer Ansprache kennzeichnete
Gräfin Lanckoronska das ersprießliche Wirken des Vereines während des dritten Jahres
seiner Tätigkeit und sprach vor allem der Protektorin des Vereines, Erzherzogin Marie
Therese, den Dank für das stete Wohlwollen aus, welches sie dem Unternehmen von
Anbeginn an gezollt hat. In gleichem Sinne gedachte die Vorsitzende der Förderung des
Vereines durch die Regierung und hob das erfolgreiche Wirken der leitenden Dame des
Vereines Baronin Helene Beck sowie der Sekretärin Frau Hilde Mühlbacher anerkennend
hervor. Der durch den kommerziellen Beirat Prokuristen Emil Mühlbacher vorgetragene
Jahresbericht konstatiert eine Hebung der Spitzenindustrie in Österreich in erster Linie
durch den k. k. Zentralspitzenkurs, mit welchem der Verein in engster Fühlung steht.
Das günstige Resultat des verflossenen jahres ermöglicht es dem Vereine, seine Tätigkeit
wesentlich zu erweitern und in einer großen Anzahl von Sommerfrischen und Kurorten
des In- und Auslandes Niederlassungen für die Dauer der Saison zu errichten.
DIE NEUEN PUBLIKATIONEN DES BREVIARIUM GRIMANI
UND DES HQRTÜLÜS ANIMAE." Die Fortschritte, die das photo-
mechanische Reproduktionsverfahren fast ununterbrochen macht, haben zur Publikation auch
solcher Miniaturenhandschriften verlockt, die schon veröffentlicht sind, oder besser gerade
solcher, die es schon sind und dadurch dem unternehmungslustigen Verleger nicht nur
ihre Bedeutung, sondern auch den finanziellen Erfolg zu verbürgen scheinen. Die Monstre-
publikation des Breviarium Grimani durch Sijthoff und Hiersemann scheint Epoche machen
zu wollen. Der kostbare Schatz der Marciana, in gleicher Weise durch den Reichtum
seiner auf hohem künstlerischen Niveau stehenden Illustrationen und durch seine treff-
liche Erhaltung ausgezeichnet, ward bereits im Jahre x86 publiziert, wobei die wichtigsten
Miniaturen durch Photographien Antonio Perinis, zwei davon sogar sorgfältig mit der
Hand koloriert, wiedergegeben wurden. Francesco Zanotto schrieb dazu eine umfang-
Das Breviarium Grimani in der Bibliothek von San Marco in Venedig. Vollständige photographische
Reproduktion. Herausgegeben durch Scato de Vries und S. Morpurgo. Leiden, A. W. Sijthoff. Leipzig, Karl
W. l-liersemann, 1904 h". Seelengärtlein. I-Iortulus animae. Cod. Bibl. Pal. Vindob. 2706. Photomechanische
Nachbildungen der k. k. l-lof- und Staatsdruckerei in Wien. Herausgegeben unter der Leitung und mit kunst-
geschichtlichen Erläuterungen von Friedrich Dömhölier. Frankfurt a. M., jos. Baer Comp., 1907 tT.
liche kunstgeschichtliche Erläuterung, die seither freilich besonders durch Paul Durrieu
wesentlich korrigiert ward. 1903 erschien eine kleine billige Ausgabe, die die wichtigsten
Illustrationen in schwarzen Klischees brachte. 1904 nun kamen die ersten in farbigem
Lichtdruck hergestellten Tafeln der neuen Sijthoff-Hiersemannschen Publikation heraus.
Durch die Brügger Ausstellung vom Jahre 1902 war das Interesse an der frühen nieder-
ländischen Kunst neu geweckt worden und das Publikum fing an, voll Behagen bei der
subtilen Malerei alter und älterer Meister vom Spachtelauftrag gewisser Zeitgenossen
Erholung zu suchen. Jene ersten Blätter bedeuteten wirklich für alle Kunstliebhaber ein
freudigst begrüßtes Ereignis, gaben sie doch die Miniaturen mit einer Vollendung wieder,
wie man sie bisher noch nicht erlebt hatte. Kostbare illuminierte Handschriften farbig zu
reproduzieren, war ja schon öfter versucht worden. Ich erinnere nur an die rührenden
Prachtausgaben von Jean Fouquets Livre d'heures für Etienne Chevalier oder von Jean
Bourdichons Gebetbuch der Anne de Bretagne. Diese waren unter der Herrschaft des
Farbendrucks" entstanden, auf den man heutzutage so verächtlich herabsieht, obwohl
er sich in neuer Gestalt bereits wieder einzubürgern droht. Nun aber, nach der entsagungs-
vollen Zeit der einfarbigen Heliogravüren und Phototypien, schien der Dreifarbenlichtdruck
in Wirklichkeit arbeitet er bekanntlich fast immer mit mehr als drei Farben das Problem
der farbigen Reproduktion gerade von Miniaturen ebenso überraschend wie glänzend
lösen zu wollen. Doch dämpfte sich die Freude über die neue Publikation bald beträchtlich,
als man sah, daß nicht alle Tafeln gewiß häufig infolge der verschiedenen Eignung der
Originale zur Vervielfältigung auf der gleichen Höhe standen und selbst die bestge-
lungenen hinter ihren Vorbildern erheblich zurückblieben, mehr noch, als man sich bewußt
wurde, was es heißt, einen so dickleibigen Kodex Seite für Seite und jede Seite auf einem
eigenen Blatt zu reproduzieren, am meisten aber, als man sich angesichts der nicht enden
wollenden Reihe von Riesenbänden fragte, ob es denn auch wirklich der Mühe wert war,
all den langweiligen Text und die zahllosen doch recht eintönigen Zier-leisten in so kost-
spieligen Faksimiles wiederzugeben, und diese Frage ehrlich verneinen mußte.
Aber die Publikation des Breviarium schlug ein, und dieser Erfolg verleitete zur
Nachahmung. Der von Eduard Chmelarz bei seiner Publikation einer vlämischen Minia-
turenhandschriü vom Beginn des XVI. Jahrhunderts gewählte Titel Ein Verwandter des
Breviarium Grimani in der k. k. Hofbibliothek" machte die Wahl des möglichst vollständig
und getreu zu reproduzierenden Kodex' leicht und so kam, da die Bemühung von Sach-
verständigen, die Publikationslust auf ein anderes vielleicht geeigneteres Objekt zu lenken,
vergeblich war, das im Verlage von Josef Baer Komp. in Frankfurt a. M. erscheinende
Werk zu stande, das den Kodex 2706, einen sogenannten Hortulus animae, publiziert und
dessen erste Lieferung nunmehr vorliegt.
Es wird 5x4 Tafeln mit xog farbigen, 857 schwarzen und 62 einfach getönten Seiten
sowie eine kunsthistorische Einleitung aus der Feder Dr. Friedrich Dörnhöifers, des Leiters
der Kupferstichsammlung der k. k. Hofbibliothek, enthalten. Das Werk, dessen Heraus-
gabe über drei Jahre verteilt wird, erscheint in xx Lieferungen, von denen jede 60 Mark
kostet. In deutscher Sprache werden bloß zoo numerierte Exemplare gedruckt. Alle
m9 Seiten der Handschrift mit iigürlichem Schmuck werden durch mehrfarbigen Licht-
druck, die übrigen durch einfarbige Photolithographie wiedergegeben. Den Schrift- und
den leeren Seiten wird eine Tonplatte aufgedruckt, die den Pergamentcharakter wieder-
geben soll. Die Tafeln sind dem Original entsprechend doppelseitig bedruckt, so dall die
Nachbildung dieselbe Zahl und Reihenfolge der Seiten wie jenes haben wird. Auch das
Papier ist mit Sorgfalt ausgewählt, um die Treue der Reproduktionen zu erhöhen.
In der bereits ausgegebenen ersten Lieferung sind von den Monatsbildem, die ja um
jene Zeit bereits ausgesprochene Genreszenen geworden sind, der Jänner, Februar, April,
Mai und Juni reproduziert, von den religiösen Darstellungen die Kreuzigung Christi, der
heilige Jakob, der heilige Christoph das bekannte Gegenstück des Bildes von Dierk Bouts
in der Münchener Pinakothek und die heilige Katharina, von den bloß ornamentalen
Kompositionen ist eine Seite mit einer Initiale und einem aus abwechselnden Streifen
stilisierter Ranken und naturalistischen Streublumen zusammengesetzten Zierrahmen
wiedergegeben. Von Schriftseiten sind 76 reproduziert.
Der Ruf der Staatsdruckerei bürgt für die Höhe der künstlerischen Reproduktion
und doch sind die Mängel, die dem farbigen Lichtdruck anhaften, auch hier nicht zu
verkennen. Der Gesamteindruck ist Hau, häufig geradezu verschwommen und eine der
drei wichtigsten Mischfarben, das Rot, das Blau oder das Gelb schlägt immer vor. Diesem
Einwand muß sich ein anderer, bereits oben angedeuteter, zugesellen. Obwohl der Text des
Manuskriptes mit Sebastian Brant in Verbindung steht und die Abschrift eines offenbar
verschollenen Druckes zu sein scheint, ist er doch keineswegs von solcher Bedeutung, daß
jede Seite im Faksimile reproduziert werden müßte.Ebenso hätten nicht alle Ornamentseiten
wiedergegeben werden müssen, sondern nur die charakteristischesten, sind doch die meisten
einander ähnlich und kommt doch dergleichen in hundert vlämischen Handschriften der
Zeit vor. Es macht sich hier dieselbe unkritische Übertreibung geltend, die in Lapidarien
Steine anhäuft, die wertlos sind, wenn ihre lnschriften gelesen sind, und in Bibliotheken
Tagesblätter aufstapelt, in denen allen das gleiche steht. Schließlich aber muß, um abermals
auf etwas schon Geäußertes zurückzukommen, hervorgehoben werden, daß sich, so kostbar
und wundervoll auch das Seelengärtlein nach den verschiedensten Richtungen hin ist, doch
andere illuminierte Handschriften hätten Finden lassen, die es weit mehr verdient hätten,
so luxuriös publiziert zu werden. Ich nenne nur das Kleinod frühfranzösischer Malerei, das
die Hofbibliothek birgt, den Kodex 2597, König Renes Cuer d'amours espris".
Von Friedrich DörnhöiTers Text ist noch nichts erschienen. Man kann mit vollstem
Recht darauf gespannt sein, um so mehr als die Frage nach den Künstlern durch Chmelarz'
Zuweisung der Miniaturen an die Werkstatt Gerhard Horebouts ja noch nicht endgültig
gelöst worden ist. Arpad Weixlgärtner
MITTEILUNGEN AUS DEM K. K. ÖSTER-
REICHISCHEN MUSEUM 50
ÜSZEICHNÜNG. Seine k. und k. Apostolische Majestät haben mit Allerhöchster
Entschließung vorn 20. April d.. dem Direktor des ÖsterreichischenAMuseums, Hof-
rate Artur von Scala dasKomturkreuz des Franz Joseph-Ordens mit dem Sterne allergnädigst
zu verleihen geruht.
USSTELLUNG ALTER GOLD- UND SILBERSCHMIEDEARBEITEN.
Montag den 5. d. M. um Uhr vormittags wurde im Österreichischen Museum in
Anwesenheit zahlreicher geladener Gäste die Ausstellung alter Gold- und Silberschmiede-
arbeiten eröffnet. Als Vertreter Sr. Exzellenz des Herrn Ministers für Kultus und Unterricht
Dr. Gustav Marchet wohnte Sektionschef Dr. Max Graf Wickenburg mit dem Ministerialrat
Dr. Adolph Müller der Eröffnung bei. Wir werden in den nächsten Heften unserer
Monatsschrift reich illustrierte Berichte über diese Ausstellung veröffentlichen.
Die Ausstellung ist täglich von Uhr vormittags bis Uhr nachmittags geöffnet.
EU AÜSGESTELLT. Ausstellung der Vereinigung der Möbelposamentierer
Österreichs Saal VIII; Graphische Arbeiten der I-Iofkunstanstalt J. Löwy in Wien
I. Stockwerk, unter den Arkaden. Über beide Ausstellungen wird an anderer Stelle
dieses Heftes berichtet.
ESÜCH DES MUSEÜMS. Die Sammlungen des Museums wurden im Monate
März von 3984, die Bibliothek von 2021 Personen besucht.
PREISAUSSCHREIBUNG der Firma REGENI-IART 8c RAYMANN
k. und k. Hof- und Kammerlieferanten in FREIWA LDAU, Österreichisch-Schlesien.
Einlieferungstennin 1. Oktober 1907.
Einlieferungson Regenhzrt Raymann, Freiwnldnu, Östern-Schlesien.
Die Firma Regenhan Rayrnann in Freiwaldau, Östern-Schlesien, veranstaltet einen Wettbewerb zur Er-
langung künstlerischer Entwürfe
A. 11h ein weißes Tafeltuch in der Größe von aoolzoo cm;
B. für ein weißes Tafeltuch mit färbiger Borde in der Größe von 171170 cm.
Folgende Preise sind ausgesetzt
Für Wettbewerb A.
I. Preis xono Kronen
II. 50a
III. 300
insgesamt. 1800 Kronen
Für Wettbewerb B.
I. Preis .400 Kronen
II. .zoo
III. xoo
insgesamt. 700 Kronen
BEDINGUNGEN Die preisgekrönten Entwürfe
gehen in das ausschließliche Eigentum der Firma über;
die Firma behält sich ferner vor, nicht preisgekrönte
Entwürfe anzuksufen, welche dann gleichfalls mit allen
Rechten in ihren ausschließlichen Besitz übergehen.
Zur Teilnahme an diesem Wettbewerb ist jeder
Künstler berechtigt.
Die Entwürfe müssen noch nicht ausgeführte oder
veröffentlichte Originalentwürfe sein, welche sich für
die Ausführung in Leinentischzeug eignen.
Bezüglich der Geschmacksrichtung werden solche
Entwürfe gesucht, die ANLEHNUNG an historische
Stile haben, aber frei komponiert sind. Es sind jedoch
auch Entwürfe mit naturalistischen Motiven und solche
mit ganz freier Geschmacksrichtung vorn Wettbewerb
nicht ausgeschlossen.
Bezüglich der Form sind nur Skizzen für viereckige
Tücher gesucht und werden daher Zeichnungen für
runde Tafeltllcher nicht akzeptiert.
Außerdem ist die Verwendung üguraler Motive
irgendwelcher Art ausgeschlossen.
Für den Wettbewerb A. müssen die Entwürfe in
natürlicher Größe sorgfältig ausgeführt sein und min-
destens ein Viertel des Tuches zeigen; spezielle Tei-
lungen werden hiefür nicht vorgeschrieben.
Bei dem Wettbewerb B. steht für die fürbige Borde
ein Raum in der Breite von Maximum 25 cm zur
Verfügung. in welchem die farbigen Effekte beliebig
disponiert werden können, ohne daß jedoch der ganze
dafür verülgbsre Raum damit ausgefüllt werden müßte.
Auch hieülr ist in natürlicher Grüße zu zeichnen.
Die Entwürfe sind ohne Nennung des Namens und
ohne sonstigeKennzeichen der Künstler, aber mit einem
Kennwortversehen, an den oben genannten Einlieferungs-
ort bis r. Oktober 1907 portofrei einzusenden.
Ein beiliegendes Kuvert, auf der äußeren Seite mit
dem gleichen Kennwort versehen wie der Entwurf, muß
den Namen und die genaue Adresse des Künstlers ent-
halten, sowie den Preis, zu welchemder Entwurf ver-
käuflich ist.
Später eingesandte Entwürfe oder solche, die den
vorstehenden Bedingungen nicht entsprechen, können
bei dem Wettbewerb nicht berücksichtigt werden.
Das Preisricbteramt haben nachstehende Herren
übernommen
Arthur von Scala, k. k. Hofrat und Direktor des
k.k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie
in Wien.
Oskar Beyer, k. k. Professor, Direktor der Kunst-
gewerbeschule des k. k. Österreichischen Museums für
Kunst und Industrie in Wien.
EinVertreter der Aktiengesellschaft derZyrardower
Manufakturen von Hielle Dittrich in Zyrardow Russ.
Polen.
Ernst Regenhart, Chef der Firma Regenhart
Raymann in Wien.
Erwin Weiß, Prokurist der Firma Regenhsrt
Raymann in Freiwaldau.
Die Kuverts mit dem Kennwort der preisgekrönten
Arbeiten werden sofort nach Bekanntgabe des Urteiles
der Preisrichter geöffnet.
Die Entscheidung des Wettbewerbes wird mög-
lichst innerhalb 14 Tagen nach erfolgter Preisverteilung
bekanntgegeben werden.
Die Firma behält sich vor, auch solche Kuverts,
welche auf nicht preisgekrönte Arbeiten Bezug haben,
deren Ankauf jedoch beabsichtigt wird, zu öffnen.
Die beim Wettbewerb preisgekrönten, ebenso wie
die angekauften Entwürfe, die also in das Eigentum der
Firma übergehen, dürfen ohne Einverständnis derFirma
in Zeitschriften nicht veröffentlicht werden.
Die nicht priimiierten und nicht angekauften Ent-
würfe werden dem Einsender postfrei zurückgesandt.
Mit den vorstehenden Bedingungen erklären sich
die Bewerber einverstanden. Eventuelle Anfragen
sind an die ausschreibende Firma zu richten.
FREIWALDAU, im April 1907.
REGENHART RAYMANN
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PRAG GRABEN a1. BUDAPEST WAITZNERSTBASSE zs.