NOITATSSCHRI FT'HERAU 7;.
II
GEGEBED-VOM- K.K.OSTE
VERIAG VON RKPÄRIA Co. IN VIER. XXLUAHRGJQIB. HEFF uno
KUNST UND KUNSTHANDWERK
um JÄHRLICH 12 HEFTE um
PREIS 24 KRONEN" OHNE POSTVERSENDUNG
Abonnegnents werden in allen Buch- und Kunsthandlungen,
im k.k. Osterreichischen Museum, sowie von der Verlags-
handlung Artaria Co., I., Kohlmarkt Nr. übernommen
Inhalt
Seite
Werke der Kleinplastik
in der Galerie des
Grafen Erwein No-
stitz zu Prag von Ed-
mundWilhelmBraun 79
Das Märkische Museum
zu Berlin von Dr.
Kurt Freyer 96
Der Bildhauer Hubert
Gerhard in München
und Innsbruck von
Rudolf Artur Peltzer m9
Aus demWienerKunst-
leben von Hartwig
Fischel 152
Kleine Nachrichten 156
Mitteilungen aus dem
k. k. Österreichischen
Museum .167
Literatur des Kunstge-
werbes x68
Sie
WERKE DER KLEINPLASTIK IN DER GA-
LERIE DES GRAFEN ERWEIN NOSTITZ ZU
PRAG St- VON EDMUND WILHELM BRAUN-
TROPPAU 51b
AS älteste Verzeichnis der Gemälde im gräflich Nostitz-
schen Besitze, die heute zu einer wichtigen und
bedeutenden Galerie vereint sind, wurde im
Jahre 1736 angelegt," doch ist diese Speziiika-
tion" leider nicht mehr erhalten, aber es ist als
sicher anzunehmen, daß die Sammeltätigkeit des
Hauses bis in das XVI. Jahrhundert zurückgehen
muß, das verbürgen außer Bildern aus dieser
Epoche vor allem zahlreiche Meisterwerke des
Kunstgewerbes aus der Renaissance und der
Rudoltinischen Periode, die sich in der Galerie
und den Wohnräumen des Palais auf der Prager Kleinseite noch vor-
finden. Die Galeriebilder sind in dem beschreibenden und illustrierten
Katalog Bergners der Wis-
senschaft erschlossen worden,
außerdem hat sie Loewy in
Wien durch vortreffliche pho-
tographische Reproduktionen
bekannt gemacht, einige der
kunstgewerblichen Werke sind
in Ausstellungen des Prager
Kunstgewerbemuseums expo-
niert und in dem zweibändi-
gen Werke von Jan Koula
Pamatky umelecko prümys-
love Öechach na Moravö,
Denkmäler des Kunstgewerbes
in Böhmen und Mähren" ver-
öHentlicht worden, aber eine
der wichtigsten und interes-
santesten Gruppen des Nostitz-
schen Kunstbesitzes, die schö-
nen
plastischen Arbeiten, ist fast
vollständig unbekannt und
unpubliziert geblieben. Seiner
Paul Bergner, Verzeichnis der Gräf-
lich Nostitzschen Gemäldegalerie zu Prag",
Prag rgo5, Seite ff.
und wertvollen klein-'
Abb. x. Bronzesratuene von Riccio Galerie des Grafen Nostitz
in Prag
Exzellenz dem Herrn Grafen Erwein Nostitz-Rieneck, dem jetzigen Majorats-
herrn, der mir in liebenswürdigster Weise die Erlaubnis zur photographischen
Aufnahme derselben gestattet hat die graphische Anstalt Stenö in Prag
hat sie in vortrefflicher Weise ausgeführt, statte ich an dieser Stelle den
ergebensten und höflichsten Dank ab.
Nach einer Mitteilung des jetzigen Besitzers sind die in der Galerie
befindlichen italienischen Werke der Kleinplastik mindestens seit dem Jahre
1765 daselbst aufgestellt und wurden wohl von dem Grafen Franz Wenzel
von Nostitz-Rieneck gesammelt, welcher in demselben Jahre gestorben ist.
Eine kleine, aber gewählte Anzahl italienischer Renaissancebronzen dürfte
derselbe wohl aus Italien mitgebracht
haben. Neben einer der Bronzewieder-
holungen der Marc Aurel-Statue in klei-
nem Format sind einige Güsse aus der Pa-
duanerWerkstätte des Riccio zu erwähnen,
so ein größerer und ein kleinerer Krebs
und der hübsche, mit gekreuzten Knien
sitzende Jüngling auf
dem Säulensockel,
der in beiden
Armen vor
derBrust
Abb. z. Bronzestatuene der Caritas von Guglielmo della Pona Galerie des Grafen Nostitz in Prag
einen Kübel hält Abb. und von der es andere Exemplare bei Pierpont
Morgan" und im Wiener kunsthistorischen Hofmuseum gibt. Der Guß bei
Graf Nostitz hat eine schöne dunkelbraune Patina.
Als ein Werk von außerordentlich starkem künstlerischem Reize erweist
sich die Bronzefigur einer liegenden nackten Frau mit aufgestütztem rechtem
Ellbogen, die in beiden Händen ein nacktes Kind hält, welches sie an ihrer
rechten Brust säugt, während hinter ihr, längs ihres linken Schenkels, ein
zweites nacktes Kind rücklings liegt Abb. Länge 20 Zentimeter, Höhe
n'5 Zentimeter. Die Gestalt ist von starker und origineller Bewegung,
wodurch eine Fülle feiner Motive dem Blicke des Beschauers sich darbieten.
Das gefällig frisierte Haupt ist emporgehoben und in der Richtung der
Körperachse gewendet und leicht auf die linke Schulter zu gesenkt. Die
schöne Linie, die linke Hüfte und das ausgestreckte Bein entlang, wird bei
Bude, Italienische Bronzzstatuetlen", Tafel XXXVII.
der Vorderansicht durch die graziöse Erhebung des rechten Knies unter-
brochen, welche durch die Krümmung des Beines hervorgerufen wird.
Prachtvoll modelliert ist der kräftige Rücken der Gestalt Abb. und zahl-
reiche feine Einzelbeobachtungen erfreuen uns an den schönen, sorglos
und behaglich vegetierenden Kinderliguren. Das Ganze ist eine sehr an-
sprechende und frische Arbeit nach dem lebenden Modell, die ursprünglich
in Wachs ausgeführt und in der verlorenen Form in Bronze gegossen
wurde, sie ist unziseliert und trägt eine warme braune Lackpatina. Ihre
Entstehung ist in das dritte Viertel des XVI. Jahrhunderts zu setzen. Ein
weiteres Exemplar der Figur besitzt Herr C. von Hollitscher in Berlin und
eine weniger feine Variante derselben mit zwei spielenden
Kindern hinter dem ausgestreckten linken Beine das
Museum zu Oxford." Bode hat auch den Weg gezeigt,
auf dem man zu einer Bestimmung des Meisters
unserer Figur gelangen
kann. Er verweist näm-
lich auf die zwei ge-
lagerten weiblichen
Tugenden, die
GerechtigkeiW
Abb. 3. Bronzeslatuette der Caritas von Guglielmo della Porta Galerie des Grafen Nosxitz in Prag
und die Klugheit", zu Füßen des Grabdenkmals des Papstes Paul III.
Farnese in den Katakomben der Peterskirche zu Rom." Die Gerechtig-
keit", eine jugendliche Frau mit stolzem, feinem Kopfe, für die angeblich die
schöne Giulia Famese, Pauls III. Schwester, die mit einem Orsini vermählt
war, das Modell gewesen sein soll, kommt hier zunächst in Betracht, obwohl
sie Oberkörper und die Oberschenkel bekleidet hat; aber auch die andere
Tugendiigur, die K1ugheit", die als ältere, strenge, hagere Frau mit nacktem
Oberkörper gebildet ist, bietet eine Reihe von Übereinstimmungen, die sich
auf die Bewegtheit des Körpers, die Haltung und Stellung der Arme, Beine
und des Kopfes erstrecken, so daß der Schluß Bodes auf die Urheberschaft
durch den Meister des Paul-Grabmals, Guglielmo della Porta, sehr viel
Wahrscheinlichkeit für sich hat. jedenfalls geht der Stil und das künst-
Bode, Die italienischen Bronzestamenen der Renaissance", II, Seite 17, Tafel CXXXVI.
Abbildung nach der Photographie von Alinari bei M. Reyrnond, La sculpture liorentine XVI. siecle",
Seite x38, und bei A. E. Brinckmann, Barockskulpturß Seite 80.
82
lerische Temperament der
kleinen Bronze in letzter Linie
auf Michelangelo zurück, eben-
so wie die beiden Tugenden"
des Porta von den Liege-
figuren Michelangelos auf den
Mediceer-Gräbern abzuleiten
sind. Nach Burkhards Cice-
rone" II. r. 2., g. Auflage, Seite
554 befinden sich übrigens
im großen Saale des Palazzo
Famese noch zwei weitere
Figuren dieser Art von der
Hand des Guglielmo della
Porta, die gleichfalls ursprüng-
lich für das Grabmal des
Papstes bestimmt waren; sie
müßten auch mit der Bronze-
iigur zu Prag verglichen wer-
den, die wir ebenfalls wohl
als eine Tugendgestalt, und
zwar als eine Caritas" anzu-
sehen haben. Was die kleine
Bronzegruppe an Unmittelbar-
keit und natürlicher, reizvoller
Schlichtheit vor den großen
Liegefiguren des Porta voraus
hat, ist durch ihren näheren
Zusammenhang mit der Natur
erklärt.
Abb. 4. Holzrelief nach Lucas van Leyden, x5z4 Galerie des Denn Während die gfoßen
6mm Nom" Liegefiguren des Grabmals
unter dem mächtigen Drucke Michelangelos eine klassisch idealisierende
Abprägung" erhalten haben, wie A. E. Brinckmann treffend gesagt hat, ruht
die schöne kleine Bronze als direktes Aktrnodell auf der sicheren Linie der
frischen und einfachen Natürlichkeit.
Sehr beachtenswert ist ein Buchsrelief in einem wohl nicht viel später
geschnitzten Rahmen aus Pappelholz Abb. Aufnahme in Originalgröße,
das auf der Rückseite in alter Tinte folgende Aufschrift trägt Idolino fatto
da luca de Leiden nel 1524". Wir erblicken auf einem profilierten vierseitigen
Postament, das die Jahreszahl 1524 in arabischen Ziffern trägt, einen auf
einer Muschel sitzenden, nach links gewendeten nackten, kräftigen, hart-
losen Mann, der in der Linken einen skelettierten Tierkopf und in der
Rechten ein gewundenes gotisches Zepter hält; die langen Haare sind
Abb. 5. Holzrelief mit der Domenkrönung, schlesisch? um x52o Galerie des Grafen Nostitz in Prag
zurückgestrichen und am Scheitel durch ein Band zusammengehalten,
während sie dahinter in vier einzelnen geflochtenen Strähnen abstehen.
Vorne am Ansatz der Haare legt sich über dieselben ein geflochtenes
Doppelband. Den Hintergrund bildet ein turmförmiger Quadermauerbau
mit kleinen Rundbogenarkaden in der unteren Hälfte und zwei viereckigen
Fensteröffnungen im oberen Teil, von denen eine das Monogramm des
Lucas van Leyden, das einfache trägt.
Das Vorbild dieses merkwürdigen Idolino" finden wir in dem 1514
datierten Stich des Lucas van Leyden B. 50, mit dem Götzendienst des
Königs Salomo. Die Darstellung zeigt den König, empfohlen von seinem
Weib, vor einer Altannensa kniend, auf welcher genau derselbe nackte
Abb. 6. Holzrelief mit der heiligen Sippe", schlesisch? um 1510 Kaiser-Friedrich-Museum, Berlin
Mann mit Tierschädel und Zepter sitzt, nur ist das kugelförmige Gebilde,
auf welchem er ruht, nicht in Muschelform, sondern glatt, als Globus gebildet.
Das Gesicht ist auf dem Stich so weit nach der Seite gewandt, daß von
dem Profil nichts zu erblicken ist. Die Jahreszahl 1514 des Stiches ist in
arabischen Ziffem ausgeführt und die Zahl in der bekannten gotischen
Form in Gestalt einer nach unten offenen einfachen Schleife. Jedenfalls hat
der Bildhauer diese Vier aus dem Stiche des Lucas für seine Datierung 1524
übernommen. Allerdings läßt sich die Möglichkeit nicht ablehnen, daß dem
Schnitzer vielleicht gar nicht der Stich, sondern die Originalstudie zu dem-
selben, eine Zeichnung des Lucas, vorgelegen hat. Hierfür spricht die genaue
Durchbildung der Details und das sorgfältig gezeichnete charakteristische
Profil des Idolino", für die der Stich zu wenig Anhaltspunkte bietet.
Es gibt übrigens noch eine weitere Kopie in Buchsholz nach einem
Werke des Lucas, nämlich nach dem Stiche mit dem heiligen Antonius
B. 116, die sich in dem Cabinet des Medailles der Bibliotheque nationale
zu Paris befindet.
Handzeichnungen des Leydener Meisters, die zum Vergleiche hervor-
zuziehen wären, befinden sich im British Museum; Sidney Colvin," hat sie
besprochen und teilweise abgebildet. Unter den von Colvin reproduzierten
Blättern ist eine Silberstiftzeichnung mit dem Monogramm abgebildet
Seite 167 die einzige, die für unsere Untersuchung in Betracht kommt, zwei
nackte Männer, die auf einem Globus sitzen; der eine von ihnen, von vorne
gesehen, hält einen Stab und einen Zweig, der zweite, vom Rücken gezeichnet,
Jahrbuch der königlich preußischen Kunstsammlungen", XIV, 1893, Seite x65 3., 23x H.
trägt ein Ruder. Colvin versetzt das Blatt ungefähr in das Jahr 1525. Wir
müssen natürlich von einer stilistischen Nebeneinanderstellung absehen, da
das Prager Buchsrelief unter der Hand und dem Schnitzmesser seines Meisters
sicherlich Abweichungen von der Vorlage erlitten hat, aber in der Haltung
und der Eriindung der beiden Vorwürfe lassen sich doch Analogien erkennen,
auch das Haar der beiden Figuren auf der Londoner Zeichnung flattert ähnlich
in einzelnen Strähnen vom Kopfe weg.
Bei dem jetzigen Stand unseres Wissens von der Kleinplastik der
deutschen Frührenaissance kann man schwerlich schon einen bestimmten
Meister für das Buchsrelief vorschlagen, am nächsten kommt demselben
vielleicht noch die Art des Christoph Weiditz, den kürzlich Georg Habicht
schärfer vor uns hingestellt hat.
Ein zweites kleines Buchsrelief Abb. mit der Darstellung der Domen-
krönung Christi ist in mehrfacher Richtung äußerst interessant. Das rechts
oben in der Ecke sichtbare Monogramm Dürers ist natürlich in keiner
Weise authentisch, sondern
wurde später eingeschnitten.
Gustav Glück weist in seinem
wertvollen Aufsatze Fälschun-
gen auf Dürers Namen aus
der Sammlung des Erzherzogs
Leopold Wilhelm"? darauf
hin, daß in alten Inventaren
und Verzeichnissen sehr häufig
plastische Arbeiten Albrecht
Dürers erwähnt werden, so auch
in der dieses Erzherzogs, die
heute nicht mehr nachweisbar
sind. Wir haben nun heute wohl
allgemein die Überzeugung,
daß Dürer auch in Holz oder
Stein geschnitten hat das
beweisen seine Medaillen, dann
der weibliche Rückenakt, der
früher bei Felix war und jetzt
in der Pierpont Morganschen
Sammlung sich befindet, end-
lich auch die Notiz im Nieder-
Jahrbuch der königlich preußi-
schen Kunstsammlungen", 193; Archiv
Mednilleu- und Plnkettenkunde" x. Die
deutschen Medailleure des XVI. jahrhunderts,
Seite 30 bis 35.
"Jahrbuch der kunsthistorischen
Sammlungen des Allerhöchsten Kaiser- Abb. 7. Buchsrelief mit den Aposteln Petrus und Paulus, Augs-
hllllei", Xxvm, Seite z. burg, vom Meister 1522 Galerie des Grafen Nostitz in Prag
86
ländischen Tagebuch, in welcher der Meister selbst von einem geschnittenen
Kindlein" berichtet aber ebenso sicher steht es fest, daß man zahlreiche,
besser ausgeführte Werke der deutschen Kleinplastik aus der ersten Hälfte
des XVI. Jahrhunderts nachträglich mit dem Dürer-Monogramm versehen
hat, um sie in den Augen des Sammlers wertvoller zu machen. Wann dies
geschehen ist, vermag zumeist nicht genau festgestellt zu werden, doch kann
dies häufig schon für die zweite Hälfte und um die Wende des Renaissance-
jahrhunderts anzunehmen sein, also zu derselben Zeit, in der Hans Hofmann,
johann Georg Fischer und Hans Brüderl ihre Dürer-Imitationen geschaffen
haben.
Wir finden zum Beispiel derartige, nachträglich eingesetzte Dürer-
Monogramme auf der Heiligen Sippe" des Kaiser-Friedrich-Museums Wöge,
287, mit Abbildung, ein Relief um 1510 bis 1520, also zu derselben Zeit, wie
unser Relief entstanden sein magd"; es trägt das Monogramm gar zweimal, auf
der Vorder- und Rückseite, und außerdem die irreführende Jahreszahl 1535.
Was dieses kleine Relief des Nostitzschen Besitzes Wissenschaftlich be-
sonders wertvoll macht, ist, abgesehen
von seinem künstlerischen Wert, der
Umstand, daß es unvollendet geblieben
und nur wenig über das Stadium der
Skizzierung hinausgekommen ist und
somit wertvolle Einblicke in das tech-
nische Arbeitsverfahren des Schnitzens
gewährt. Es ist zwar in seiner Relief-
bildung durchgeführt, aber die Ge-
sichter, Hände und übrigen Fleischteile
sowie auch teilweise die Gewandfalten
erscheinen mit dem Schnitzmesser nur
in einzelnen breiten Flächen und schar-
fen Kanten angelegt, wodurch die Tafel
außerordentlich lebendig und bewegt
wirkt.
Die Darstellung der Dornenkrönung
erscheint zu Anfang des XVI. Jahrhun-
derts zumeist in zwei Typen einmal in
Profilwiedergabe, wobei wir den Erlöser,
die Kriegs- und Henkersknechte sowie
die befriedigt oder höhnisch zuschauen-
den jüdischen Priester und Schriftge-
lehrten in Seitenansicht vor uns sehen
so in beiden kleinen Passionen" Dürers
Auch das Specksteinrelief mit Adam und Eva des
Abb. 8. Buchsrelief mit dem Apostel Jakobus Berliner Museums Vöge, 141, das in den Schulkreis des
dem Älteren von H. Schwarz, um 155 Kaiser- Loy Hering gehört, hat ein Dürer-Monogramm und die
Friedrich-Museum, Berlin Jahreszahl 1515.
und der Augsburger Passion von 1520
von I-Ians Weiditz, oder in frontaler
Auffassung, wie auf unserem Relief.
Auch Altdorfers Sündenfall und Erlösung
des Menschengeschlechtes", Wächtlin in
der Straßburger Passion" von 1522 und
Hans Schäuffelein im Speculum Pas-
sionis", Nürnberg 1507, geben die Szene
in dieser Weise wieder; ebenso Hans
Holbein der Ältere in seinem Entwurf zu
dem Bilde der Paulsbasilika zu Augsburg
Berlin,KöniglichesKupferstichkabinettyf
Sie hat den Vorzug der leichteren und
eindringlicheren Komposition, weil sie
eine gefälligere und eindrucksreichere
Gruppierung der mannigfach bewegten
Schauspieler und Zuschauer in ihrer
Beziehung zur Mittelperson gestattet.
Der Meister des Prager Reliefs hat sich
bei seiner Auffassung von den vielen
Übertreibungen, die wir auf den gleich-
zeitigen gemalten Plastischen und gfa" Abb. g. Allegorisches Augsburger Bolzrelief, um
phischen Darstellungen der Dornen- ms Kaiser-Friedrich-Museum.Berlin
krönung in ermüdender Vielseitigkeit
antreffen, freigehalten und die Bedeutung des Momentes psychologisch
und physiognomisch zu vertiefen gesucht. Auch das unumgänglich zum
Verständnis Notwendige an hartem Geschehen, nämlich das Aufdrücken
der Dornenkrone mit Hilfe der beiden Stäbe, hat er nicht so naturalistisch
wiedergegeben wie sonst üblich. Dafür hat er eine Reihe überraschender
und feiner Züge für die Haltung der Figuren und die Gesichter der den
Heiland Umstehenden gefunden. Die Relation aller dieser Leute zueinander
und zu dem Medium ihrer Erregung ist sehr glücklich empfunden und fein
durchgebildet. Kleine zierliche Züge und liebevolle Details, wie das Maßwerk
der kleinen Fenster der flachgewölbten gotischen Halle des Hintergrundes,
das Krönungsgestühl, das Hündchen vorne oder das graziös und spitzlindig
geschlungene Tuch links vorne am Sockel des Stuhlwerkes, das faltenreich
auf dem Gemäuer aufliegende Mantelstück des alten bärtigen Mannes rechts
sind noch als reizvolle spätgotische Werkstattresiduen aus der Jugend des
Schnitzers anzusehen. Schwierig ist die Bestimmung des Kunstkreises, in
dem das Relief entstanden sein mag. Einen gewissen Schulzusammenhang
mag man in dem schon erwähnten kleinen Heiligen Sippen-Relief des Berliner
Museums finden Vöge, 287, Abb. photographiert von G. Schwarz,
Berlin, das Vöge als süddeutsch um r51o bis 1520 bezeichnet. Allerdings
Abgebildet Jmitschek. Deutsch Malerei", Tafel zu Seite 27.
13
wüßte ich das Stück schwer dort einzureihen, obwohl es mancherlei Züge
aufweist, die an Schwaben denken lassen. Aber es sei hier noch eine zweite
Möglichkeit offengelassen, die nach Schlesien hinweist. Es ist nicht un-
möglich, daß sich dort ähnliche Werke nachweisen lassen, wenn einmal
Abb. xo. Allegorisches Augsburger Holzrelief, von 1536, Meister Sebastian
Loscher? Kaiser-Friedrich-Museum, Berlin
die Kunstaltertü-
rner dieser Pro-
vinzveröffentlicht
vorliegenwerden.
Meine Vermu-
tung wird durch
die Tatsache ge-
stützt, daß das
Berliner Sippen-
relief im Jahre
1855 zu Breslau
gekauft wurde.
Ebenso rät-
selhaft wie an-
sprechend und
wichtig ist ein
kleines Buchsre-
lief mit dem Mo-
nogramm und
der Jahreszahl
1522. Beide Hn-
den sich links und
rechts auf den
Sockeln zweier
Pfeiler, welche
beiderseits die
Darstellung ein-
rahmen Abb. 7.
ImVordergrunde
steht, von rück-
wärts gesehen,
den nimbierten
bärtigen Kopf
nach rechts ge-
wendet, der heilige Paulus, das Schwert in der Rechten haltend. Rechts
von ihm erblickt man St. Petrus, den Blick auf Paulus gerichtet, in der Linken
den Schlüssel haltend, während die unter dem Mantel hervorkommende
rechte Hand im Redegestus geöffnet ist. Die beiden Pfeiler tragen oben
einen rundbogigen Abschluß, der die vordere Öffnung eines quadratischen,
hohen Raumes mit Kreuzgewölbe, offenbar die Vorhalle eines reichen
gCSCIIUIJ, ual uucn IUISDAA ein ivuAAn-uv; v.,. ...-.......... u-.. ..
Rundbogenfenster des ersten Stockes. Eine in der Richtung der beiden
Figuren ziehende Mauer, mit durchbrochener Balustrade als Aufbau,
schließt die Szene gegen den mit Bäumen geschlossenen Hintergrund ab.
Sämtliche Bauteile sind in derbem Quaderwerk ausgeführt.
Die auf dem Relief
angegebene Datierung
1522 stimmtvollkommen
mit dem Stile desselben
überein. Auch seine Her-
kunft spricht sich in dem
kleinenfeinenWerkchen
deutlich aus. Es ist die
echte Augsburger Früh-
renaissance, die hier in
der Architektur sowohl
wie in den Figuren lebt.
Fäden lassen sich zu
Werken aus dem ersten
Jahrzehnt als auch zu
solchen aus einer etwas
späteren Zeit, also nach
1522, knüpfen. Die Apo-
stelfiguren haben in der
Haltung, auch in der Ge-
staltung des schief über
dem Haupte schweben- Abb. n. Zwei Alabasterreliefs mit den Brustbildem der Kaiser Maxi-
den geriefeltenScheiben- milian I. und Karl v., Augsburg, 530 Galerie des Grafen Nostitz in Prag
nimbus, ferner in der
breiten derben Faltengebung noch viel Verwandtes mit dem kleinen Buchs-
relief des Hans Schwarz im Berliner Museum, das den Apostel Jakobus den
Älteren darstellt Vöge, 135, Abb. photographiert von G. Schwarz-Berlin.
Nur in den energisch nach der Seite wallenden knittrigen Mantelfalten des
heiligen Paulus lassen sich andere modernere Einflüsse erkennen, die wohl
auf bayrische Vorbilder zurückgehen dürften.
Anderseits gibt es zwei kleine Augsburger Holzreliefs des Berliner
Museums, das eine aus der Zeit um 1525, das andere aus dem ahre 1536,
die dem Stil unseres Meisters nahestehen; das erstgenannte Vöge, x44,
Abb. photographiert von G. Schwarz-Berlin mit einer allegorischen Dar-
stellung Krieg oder Frieden? trug früher ein Monogramm, das von einem
Liebhaber" entfernt wurde, zeigt verwandte Architekturformen, und auch
in der etwas ungeschick-
ten unsicheren Art des
Stehens der Figuren er-
geben sich Analogien.
Das zweite Berliner Re-
lief Vöge, 146, Abb. ro,
photographiert von G.
Schwarz-Berlin ist
monogrammiert und zeigt
die Justitia in ähnlicher
architektonischer Umge-
bung; auch hier fällt die
merkwürdig unklare, sta-
tisch falsche Stellung der
Füße auf, so daß Vöge
wohl mit Recht auch das
allegorische Buchsrelief
des Berliner Museums
dem Meister zu-
schreibt, in welchem er
den Augsburger Bild-
hauer Sebastian Loscher
erkennen möchte, der
151 daselbsr zünftig wur-
de.DerSchnitzer des Apo-
stelreliefs in der Samm-
lung Nostitz, der Meister
von 525, ist also wohl
gleichfalls als ein Augs-
burgeranzusprechenDaß
das Monogramm bloß
aus einem Buchstaben besteht, ist nicht befremdlich und kommt auch in
jenen Zeiten vor, ich erinnere nur an das des Lucas van Leyden oder
an das des Medaillcurs von 1556." Leider läßt sich aus den von Robert
Vischer mitgeteilten Augsburger Meister- und Lehrlingslisten kein Name
mit Sicherheit festlegen. Gleichfalls Augsburger Ursprungs sind zwei Halb-
reliefs" aus weißem Alabaster, die auf einer viereckigen Platte von
schwarzem Marmor Abb. aufgelegt sind. Dargestellt sind die Brustbilder
des alten Kaisers Maximilian und seines Enkels Karl V. Oberhalb der Köpfe
steht auf der schwarzen Marmorfläche die Inschrift
IMP. CZES. MAXIMIL. IMP. CIES. KAROL
AVG. MDXXX AVG.
Habich, Die deutschen Medailleure des XVIJahrhundens", Seite 138.
Abgebildet in "Auswahl von kunstgewerbljchen Gegenständen aus der Retrospektiven Ausstellung,
Prag, Kunstgewerbliches Museum xägz", Tafel B9. Nr. 2.
Abb. xz. Solenhoferstein-Relief mit dem Reiterbild Karls V., von
H. Daucher Museum Ferdinandeum in Innsbruck
Derartige Gegenüberstellungen von Herrscherköpfen sind um diese Zeit,
um 1530, in Augsburg sehr beliebt gewesen. Von Hans Kels gibt es ein
1540 datiertes Medaillenmodell aus Buchsbaumholz im kunsthistorischen
I-Iofrnuseum zu Wien, welches in ähnlicher Weise hinter einer Art von
Balustrade die Reliefbüsten von Maximilian 1., Karl V. und seines Bruders
Ferdinand zeigt," und geradeso erscheinen die beiden Brüder Karl V. und
Ferdinand mit ihren Gemahlinnen einander gegenübergestellt auf einem
Buchsmodell, das neben der vollen Signatur Hans Kels die Jahreszahl 1537
trägt Kunstgewerbemuseum in I-Iamburgy" Auch Hans Daucher hat diese
Gegenüberstellung zweier Figuren in reiner Proiilstellung bei seinem herr-
lichen großen Solenhoferstein-Relief von 1527 gewählt, das früher bei Felix
in Leipzig war und jetzt in die Sammlung Pierpont Morgan übergegangen
ist;""'"" wir erblicken wieder-
um beide kaiserlichen Brü- ..
der Karl und Ferdinand in
ritterlicherTrachtzuPferde, "A3
wie sie sich die Hände rei-
chen. Von diesem Meister-
werk deutscher Kleinplastik
haben wir auch auszugehen,
wenn wir für das Prager
Alabasterrelief nach einem
Namen suchen, das dessen
künstlerische Zugehörigkeit
bezeichnen soll. Denn wir
haben in demselben offenbar
das Werk eines Bildhauers
vor uns, der unter dem
starken Eini-lusse des Hans
Daucher stand und der
vielleicht sogar seine beiden
Porträtköpfe nach Vorlagen
von der Hand dieses Mei-
sters geschnitten hat. Für
den Kopf des Maximilian
haben sich zwei Originale
des Daucher erhalten, näm-
lich auf dem prächtigen
I-Iabich, Hans Kels als Kon-
terfetter", Helbings Mouatshefte, lI, Seite
13, Abb. g.
I-Iabich, a. a. 0., Seite 14,
Abb. l.
Habich, Beiträge zu Hans
Daucher", I-Ielbings Monatshefte, III, Abb. 3. Bronzestatuene eines Bauersvon Pancraz Labenwolf, Nürn-
Seite Abb. 13. berg, um 1535 bis 1540 Galerie des Grafen Nostitz in Prag
Relief mit dem Reiterbild des Kaisers, das früher in der Sammlung des
Barons Adalbert von Lanna in Prag sich befand und jetzt dem kunst-
historischen Hofmuseum zu Wien
gehört", und auf einem zweiten
Relief, von 1522, das den Zwei-
kampf zwischen Albrecht Dürer
und Lazarus Spengler vor dem
Kaiser zum Inhalt hat Berlin,
Kaiser-Friedrich-Museum, Vöge,
136. Doch hat gerade von diesen
beiden Köpfen keines unserem
Bildhauer vorgelegen, denn sie
zeigen in starker Übereinstimmung
den Kopf der alten kaiserlichen
Herren viel starrer,. majestätischer
und monumentaler gegenüber dem
milderen, etwas senilen, müden
und resignierten Ausdruck auf
dem Nostitzschen Relief. Viel
näher steht aber der Kopf Karls V.
demjenigen auf dem 522 datierten
Relief Dauchers mit dem Reiter-
bilde des Kaisers, das sich im
Museum Ferdinandeum zu Inns-
bruck befindet Abb. xz und früher
in kaiserlichem Besitze war."
Aus der Werkstätte Peter
Vischers stammt das Modell des
kleinen sitzenden und sich kratzen-
den Hundes, von dem es in der
Sammlung des Grafen Nostitz ein
Exemplar mit schwarzer Lack-
patina gibt, das als Dose mit einem
zurückklappbaren Deckel auf dem
Rücken eingerichtet ist. In meiner
Veröffentlichung der Bronzen der
Sammlung Guido von Rhö in
Ablxxq.BronzestnrueneeinerBäuenfnvonPancrazLaben- Wien??? habe ich verschie-
wvlf. Nürnberg. um 1535 bis Isw Galerie Grafen denen noch erhaltenen Güsse des
""""""P"g Modells angeführt, die natürlich
nicht alle gleichalterig sind. Offenbar war das frische, gutbeobachtete Stück
Habich, a. a. 0., Seite 62, Abb. 13.
Abgebildet im Prodromus" von Slampnn-Brenner, Tafel XXVH. Das Relief ist bisher noch nicht
publiziert worden.
Österreichische Privatsamrnlungen", Band l. Wien, Anton Schroll Co., 1908, Tafel XXIV h.
sehr beliebt und wurde öfters
nachgegossen; der Prager Hund
gehört gleichfalls zu den späteren
Nachgüssen."
Einer zweiten, etwas späteren
Nürnberger Gießerwerkstätte, der
des Pancraz Labenwolf, schreibt
man jetzt die beiden prächtigen
Figuren eines Bauers und einer
Bäuerin Abb. 13 und x4 zu, die
auf den Markt ziehen. Das Weib
Höhe x8 Zentimeter, in langem
Rock, Schürze und Flügelhaube,
trägt auf dem Kopfe einen Milch-
kessel, den die Linke stützt. Die an
der Seite herabhängende Rechte
Abb. 15 und 15. Silber-Statuette einer Bäuerin, Nürnberg,
um 1530 Sammlung Professor Pringsheims in München
hält Fische und einen kleinen Beutel. Von dem Ledergürtel, der um die Hüften
gelegt ist, hängt ein Rosenkranz herab. Der Bauer Höhe 13 Zentimeter, mit
kurzem Leibrock, der durch einen schmalen Gürtel zusammengehalten wird,
von dem ein Messer in Scheide herabhängt, hält in der Linken den Stab
und in der Rechten einen geiiochtenen Henkelkorb. Der Kopf mit dem
runden Hut, den an einem Band vorne eine Rosette ziert, ist gesenkt. Die
beiden Statuetten sind ohne Patina, aus
Abb. I1. Bronzeatatuette
eines knienden Beters in der Art des Pancraz
Labenwolf Kaiser-Friedrich-Museum, Berlin
dem gelben,
das auch die Glockengießer verwendeten.
Weitere Exemplare der beiden Figuren,
zum Teil mit kleinen Varianten, besitzen
die Wallace Collection zu London, die
Sammlung Piet Lataudrie zu Paris" und
das Kaiser-Friedrich-Museum zu Berlin?"
Eine Nachahmung des Mannes und die
Statuette einer Frau von derselben Her-
kunft wie ersterer waren in der Samm-
lung von Rhö in Wienri- Schwankend sind
die Angaben über den Meister und das
Entstehungsland der beiden Nostitzschen
Figuren. In London gelten sie als italieni-
sches Quattrocento, was ohne weiteres als
unrichtig sich erweist, in Paris hält man
nordischen Bronzemetall,
Das Exemplar des Kaiser-Friedrich-Museums zu
Berlin wurde im Jahre r7o1 erworben. Vgl. Vöge, Bildwerke
elc.", Nr. 304.
Abgebildet Les Ans" xgog, Nr. 92, Seite 2x.
Vöge, Bildwerke etc.", Nr. 48r,'2.
Braun, a. a. O.,Tafel XXVII, Textseite 24 B". und 36.
V4
sie für französisch unter Hinweis auf
eine sitzende, melkende Bäuerin des
Louvre, die eine gewisse Ähnlichkeit
mit der schreitenden Bäuerin mit
dem Milchkessel hat. Auch sind
Analogien zu den französischen
buntglasierten Steinzeugiiguren des
Palissy und der Werkstätte zu St.
Avon bei Fontainebleau nicht abzu-
weisen. Gaston Migeon bezeichnet
Abb. 1B. Specksteinrelief mit mythologische Dar- die en der Sammlun
stellung, silddeutsch, Ende des XVI. Jahrhunderts beiden Statuen
qmm des am". Nosm, in Pfag Piet Lataudrie als Hämische Arbeiten
aus dem Anfang des XVII. Jahr-
hunderts und Bode sowie Vöge endlich nehmen den Ursprung derselben
in Labenwolfs Gießerei an. Realistische Darstellungen dieser Art aus dem
bäuerlichen Leben sind uns verbürgt. Man vergleiche Dürers Stiche B. 86
und 89 oder die Radierungen des H. S. Beham aus den Jahren 1520
Pauli, 19314, und die Theorie des Nürnberger Ursprungs wird unterstützt
durch eine kleine gegossene Silberiigur auf einer frühen Nürnberger Deckel-
kanne der Sammlung Pringsheim in München Abb. 15 und 16; das Gefäß
abgebildet im Forrnenschatz" 1908, Nr. 60. Stilistische Merkmale allgemein
gültiger Natur dürfen wir aber für die Labenwolfschen Güsse nicht an-
nehmen, denn es ist angesichts der aus dessen Werkstätte herausgegangenen
Werke als sicher festzustellen, daß er selbst nicht der Erfinder und An-
fertiger seiner Modelle war, sondern daß ihm dieselben vom Bildhauer
geliefert wurden. Für seine Reliefs am silbernen Jagellonenaltar des Krakauer
Domes am Wawel habe ich die Visierungen
als von Hans Dürer und die I-Iolzmodelle als
von Peter Flötner herrührend nachweisen kön-
nen." Den Meister des Modells für die beiden
Bauerntiguren können wir wohl am besten
unter den Nürn-
berger Kleinmei-
stem aus dem
zweiten Viertel
des XVI. Jahr-
hunderts suchen,
allerdings ist die
genaue Bestim-
Eine Folge von
Nürnberger Plaketten mit
Abb. 19. Specksteinreliefmit myrhologi- Passionsdarstellungen Abb. a0. Speckateinrelief mit mytholo-
scher Darstellung, süddeutsch, Ende des aus dem Dürer-Kreise", gischer Darstellung, süddeuzsch, Ende
XVI. Jahrhunderts Galerie des Grafen Kunst und Kunsthand- des XVI. Jahrhunderts Galerie des
Nostitz in Prag werk" xgx5, Seite 503 E. Grafen Nostitz in Prag
95
mung noch nicht möglich angesichts der geringen Anzahl verwandter
Stücke; am ähnlichsten ist den beiden Figuren die Bronzestatuette eines
knienden Mannes im Berliner Museum, die im Kostüm und der Faltengebung
dem schreitenden Bauer recht nahesteht Abb. 17, photographiert von
G. Schwarz-Berlin, Vöge, 483. Für die kleine Silbertigur der Sammlung
Pringsheim könnte
übrigens ein Entwurf
4."
von H. S. Beham an-
genommen werden.
Drei ovale Speck-
steinreliefs mit mytho-
logischen Darstellun-
gen Abb. 18, 19 und 20
dürfen wir als Guß-
modelle für Plaketten
oder Goldschmiedear-
beiten ansehen und bei
der großen Seltenheit
von solchen ist ihre
Veröffentlichung für
die Wissenschaft recht
wertvoll. Die beiden
querovalen Stücke zei-
gen uns jeweils eine ba-
dende oder schlafende
Nymphe,'die von einem
Manne belauscht wird,
und das dritte Relief
im Hochformat enthält
die Darstellung der an
den Felsen gefesselten
Andromeda, die von
dem aus den Wellen
auftauchendenDrachen
bedroht wird, während
oben aus den Wolken
der geflügelte Erretter in Miniaturgestalt herniederfährt, das Schwert in
der Rechten. Die Behandlung des Felswerkes und der Vegetation, die Stadt
im Hintergrund und die glatte typische Behandlung der nackten Körper reiht
diese Modelle einer ganzen Reihe von ähnlichen Stücken in Blei; Bronze-
und Silberguß ein, die wohl während der letzten zwei Jahrzehnte des
XVI. Jahrhunderts in süddeutschen Goldschmiedewerkstätten entstanden
sein dürften. Es ist interessant, hier anzumerken, daß solche Reliefs wie-
derum von den Elfenbeinschnitzern des XVII. Jahrhunderts als Vorlagen
Abb. 2x. Terrakottagruppe zweier Punen mit Lamm, in der Art des Jean
Baptist Pigalle Galerie des Grafen Nostiiz in Prag
14
benützt wurden. So wurden aus der Sammlung des bekannten Architekten
Karl König im Mai 1917 bei Gilhofer 8c Ranschburg in Wien zwei Elfen-
beinreliefs versteigert Katalog Nr. 169, 170, Tafel XV mit der Darstellung
der Entdeckung des Fehltrittes der Kallisto und einer von einem Faun be-
lauschten schlafenden Venus, von denen die erstere sich als die Kopie einer
deutschen Gußplakette der Spätrenaissance erweist.
Als das letzte kleinplastische Werk aus dem Nostitzschen Kunstbesitze
sei die entzückend modellierte Terrakottagruppe zweier Putten mitgeteilt
Abb. 21, die mit einem jungen Lamm spielen. Die liebenswürdige, feine
und graziöse Darstellung gehört nach der meisterhaften Komposition und
Durchbildung zu den besten Werken des späten französischen Rokoko und
dürfte wohl als ein Werk des Jean Baptist Pigalle 1714 bis 1785 anzu-
sprechen sein. Man vergleiche nur die reizende kleine Marmorskulptur des
Louvre, das sitzende Kind mit dem Käfig, das dieser Meister um 1750 für
den Schatzmeister Ludwigs XV., Paris-Marmontel, geschaffen hat photo-
graphiert Giraudon, Paris.
DAS MÄRKISCHE MUSEUM ZU BERLIN 50'
VON KURT FREYER-FLENSBURG 5b
ASS der Freund einer feineren und geschlossenen
geistigen Kultur Berlin nicht liebt, weil er hier
nur den stillosen Mechanismus der modernen
Großstadt sieht, beruht, soviel Grund dieses Urteil
haben mag, doch zum Teil auf Unkenntnis. Gewiß
vermag Berlin sich nicht mit Stätten alter, reicher
Kultur wie Wien und Prag, Augsburg und Dresden,
Lübeck und Danzig zu vergleichen. Sein Stadtbild
hat fast durchwegs das Gepräge des Zweckhaften,
während das künstlerisch Gestaltete an Straßen
und Plätzen nur selten, in einzelnen Einsprengseln
wirksam ist. Aber doch würde man, geht man darauf aus, manches Bauwerk
finden, das eine hohe Kultur vergangener Epochen bezeugt, manches auch,
das jenes Gute der Vergangenheit in die Gegenwart glücklich fortführt.
Dann käme man auf die Frage, die der Fremde hier zumeist vergißt, ob
nicht auch diese Stadt ein eigenes, geschichtlich erwachsenes und umgrenztes
Wesen habe. Man würde sich dem Gebiet, dessen Mittelpunkt diese Stadt
ist, der Mark Brandenburg, zuwenden und würde hier, weit mehr als in der
Hauptstadt selbst, durch zahlreiche alte Stadtanlagen und Bauwerke von
einem Bezirk, dessen Kultur besonders im Mittelalter in hoher Blüte stand,
Kunde erhalten. Wie aber kann man die hierdurch gewonnenen Andeutungen
vervollständigen? Wie den so geschaffenen Rahmen mit einem deutlichen
Bilde ausfüllen? Wo erfährt man etwas von den sonstigen Zeugnissen der
HI
Vergangenheit dieser Stadt und ihrer Umgebung? Befragt man die Museen,
so iindet man auch hier eine durchaus weltstädtische Einstellung Werke
aller Zeiten und Länder, eine Ansammlung aller Dinge, die nur künstlerische
oder wissenschaftliche Bedeutung haben, aber keine Antwort auf jene Frage.
Diese Antwort zu geben, die vergangene Kultur Berlins und der Mark
Brandenburg anschaulich darzustellen, ist das wesentliche Verdienst des
Märkischen Museums". Aber nicht sein einziges. Die inhaltlich eigenartige
Aufgabe, die diesem Museum gestellt war, hat auch zu eigenartigen Lösungen
m.
r.
b.
in der praktischen Durchführung die Anregung gegeben, so daß es in der
Entwicklung des modernen Museumswesens besondere Bedeutung hat.
Daher soll es hier unter diesen beiden Gesichtspunkten, seiner Anlage und
seinem Inhalt nach, dargestellt werden."
Auch die Museen sind ja Ausdrucksformen des Zeitgeistes. Der
Museumstyp, wie er, besonders in den Hauptstädten, heute vorherrscht, ist
eine Schöpfung der letzten Jahrzehnte des XIX. Jahrhunderts. Diese Epoche,
mit ihrer sachlichen Wissenschaftlichkeit, ihrer Organisierung des Massen-
Der Direktion des Museums bin ich für bereitwillige Auskunft und Förderung, besonders bei der Her-
stellung der Abbildungen, zu Dank verpflichtet.
haften, ihrer Neigung zur Repräsentation, hat den Museen den Charakter
von großen Magazinen gegeben. Da ist, unübersehbar, Ding an Ding gereiht,
in streng wissenschaftlicher Ordnung, jedes einzelne von irgend welchem
Interesse, Dokument irgend welcher historischer Tatsachen, eine Fülle von
Seltenheiten und Kostbarkeiten. Der jüngsten Epoche aber genügt das nicht.
Ist ihr geistiges Schaffen nicht so sehr auf die Tatsachen als auf das Wesen
gerichtet, strebt sie in ihrer Stellung zur Welt über das bloße Erkennen
hinaus zum intensiven Ergreifen, gehen die Forderungen mehr vom Indivi-
duell-Ästhetischen zum Sozial-Ethischen, so kommt diese Wandlung des
Geistes auch bereits in der Gestaltung einiger neuerer Museen zum Aus-
druck. Diese Museen und wenn sie noch nicht in voller Ausbildung da
sind, ist ihre Verwirklichung doch dringend zu fordern sind in ihrem
Abb. z. Das Märkische Museum zu Berlin. Große Halle mit kirchlicher Kunst
Wesen lebendiger,
aktiver, sie geben
keine Aneinander-
reihung von Ein-
zeldingen, sondern
sind ein organisches
Gebilde, das Abbild
einheitlicher An-
schauung, sie sind
weniger auf die
Mitteilung sachlich
historischer Tat-
sachen als auf die
Erregung mensch-
lich künstlerischen
Fühlens eingestellt.
Diesen Zielen ent-
spricht zunächst die
Auswahl des Inhal-
tes Die Zahl der
Gegenstände soll
beschränkt sein,
jeder Gegenstand
muß lebendige Be-
deutung haben. So-
dann die Art der
Aufstellung Die
Dinge dürfen nicht
als tote Erinnerun-
gen dastehen, kalt
in eine fremde Um-
gebung verbannt,
99
sondern müssen, soweit möglich, das innere Leben bewahren, das sie in
ihrer natürlichen Umgebung hatten. Schließlich muß die ganze Verwaltung
des Museums derart sein, daß ein lebendiger Hauch von ihm ausgeht, daß
zwischen dem Besucher und dem Inhalt des Museums ein inniger Zu-
sammenhang hergestellt wird.
Es liegt nahe, daß diese Forderungen besser durch die kleineren städti-
schen Museen verwirklicht werden können und auch zum Teil verwirklicht
worden sind, während die staatlichen Museen, von Natur mehr konservativ,
noch mehr oder weniger auf dem alten Standpunkt stehen, wie sie ja auch
durch ihre ofüzielle Stellung mehr auf die Aufgaben wissenschaftlicher
Vollständigkeit und auf die Ansprüche der Repräsentation hingewiesen sind.
Aus beiden Gründen leiden sie ich spreche hier hauptsächlich von den
Berliner Verhält-
nissen unter der
übermäßigen An-
häufung des Ma-
terials. Wird es
schon dem Fach-
mann schwer, unter
dieser Überfülle das
Wesentliche heraus-
zufinden, so bleibt
dem Laien zumeist
nichts als das Ge-
fühl der Unruhe und
der Beängstigung,
da der größte Teil
dieser Dinge ihm
wenig zu sagen ver-
mag. Dazu trägt
noch die Art der
Aufstellung bei, die
nicht nur allzu eng
ist, so daß der ein-
zelne Gegenstand
immer gleich von
den Nachbarn be-
drängt und über-
tönt wird, sondern
auch etwas Kaltes,
Gleichgültiges hat.
Schließlich wird
dort für die An-
nahenmg des Publ" Abb. 3. Das Märkische Museum zu Berlin. Kapelle mit mittelalterlicher Plastik
Abb. 4. Das Märkische Museum zu Berlin. Innungsraum
kums an den Museumsinhalt durch persönliche Wirkung Führungen, Vor-
träge fast gar nichts getan, durch literarische Kataloge, Führer nur in rein
historisch registrierender Weise. Die Museen dagegen, die sich zuerst jener
lebendigeren Wirkungsweise zuwandten, waren naturgemäß jene jungen
oder verjüngten Museen, die ganz oder zum Teil der Kunst der Gegenwart
gewidmet sind und schon dadurch, sofern sie nur ihre Aufgabe ernst und
kühn anfassen, in eine gewisse Beziehung zum Publikum, zum mindesten
eine kämpferische kommen müssen. Aber noch mehr Bedeutung hat es,
wenn auch die ältere Kunst lebendig aufgefaßt wird, und hier setzt die
eigentliche Aufgabe der städtischen und der Provinzialmuseen ein.
Für diese Museen scheint es zunächst ein großer Nachteil zu sein, daß
sie nicht volle Freiheit haben, alles, was künstlerisch oder wissenschaftlich
von besonderer Bedeutung ist, aufzunehmen, sondern daß sie durch ein
bestimmtes Programm gebunden sind ihr Sammelgebiet ist örtlich begrenzt,
und aus historischen und kulturhistorischen Gründen müssen sie sogar
manchem Gegenstand Aufnahme gewähren, der aus rein künstlerischen
Gründen keinen Anspruch hierauf hat. In dieser Beschränkung liegt aber ein
großer Vorteil. Sie hat zur Folge, daß die Sammlung auch nicht übermäßigen
Umfang annimmt, daß keine ermüdende Anhäufung gleichartiger Dinge
stattfindet. Das Wichtigste aber ist Alle Dinge, die das Museum enthält,
bilden, gemäß jenem engumrissenen Programm, eine organische Einheit, sie
gehören, als dem gleichen Boden entwachsen, zusammen wie Glieder einer
großen Familie, eins erklärt das andere in seinem Wesen und alle wirken
zusammen zu dem Gesamtbilde einer bestimmten Kultur. Dadurch können
selbst jene künstlerisch geringen Dinge, wenn sie nur durch die Aufstellung
in die richtige Beziehung zum Ganzen gesetzt werden, Leben und Bedeutung
erhalten. So liegt es hier am nächsten, jene Forderungen nach einheitlicher
und lebendiger Gestaltung des Museums zu verwirklichen.
Das ist nun dem Märkischen Museum zu Berlin in besonders glücklicher
Weise gelungen. Welche Leistung hier vorliegt, begreift man am besten,
wenn man sich vorstellt, wie auch dieses Museum, nach seiner um 1875 er-
folgten Gründung, aus der üblichen zufallsmäßigen Ansammlung von allerlei
Kram, Erinnerungen und Kuriositäten hervorgegangen ist vgl. Abb.
jetzt dagegen hat man mit feinem Gefühl alles ausgeschlossen, was nur
Kuriositätswert hat und das ist in solchen Heimatmuseen nicht leicht
und hat eine Überfüllung auch dadurch vermieden, daß man in manchen
Abteilungen, zum Beispiel in der prähistorischen, nur einen kleinen Teil des
Besitzes zur Ausstellung brachte." Dieses Prinzip der Auswahl, der kon-
sequenten Scheidung in Schau-
und Studiensammlung, wird im-
mer noch viel zu wenig in un-
seren Museen angewandt. Der
Besucher müßte sich gezwungen
fühlen, jedes einzelne Ding, das
ihm gezeigt wird, für bedeutsam
zu halten und daher eingehend
zu betrachten. Ist gar zu viel vor-
handen, was, auch für die Mehr-
zahl der Besucher, von Bedeu-
tung ist, so könnte man die Aus-
stellung von Zeit zu Zeit wech-
seln und würde dadurch erst
recht Leben in die Erscheinung
des Museums bringen.
Das Hauptproblem ist, ge-
rade bei Museen dieser Art, die
Anlage und Gestaltung der Räume
und die Aufstellung der Gegen-
stände. Gerade die Rrovinzial-
Über die ersten Anfänge des Museums
gibt Auskunft die Schrift Das Märkische Pro-
vincial-Museum, Festschrift zum 25jährigen Be-
stehen", Berlin xgox.
Über die beachtenswerten Grundsätze,
die hier bei der prähistorischen Abteilung an-
gewandt wurden, berichtet Dr. Kiekebusch in Abb. 5. Das Märkische Museum zu Berlin. Raum der prä-
der Museumskunde", Band XII, Heft rgrö. historischen Abteilung
museen waren ja in früheren Zeiten der Schrecken jedes feinfühlenden
Besuchers, weil sie im krausesten Durcheinander ein wusthaftes Gerümpel
darboten. Daß es früher auch im Märkischen Museum nicht besser war,
möge durch Abbildung einen drastischen Beleg erhalten. Daher war man
schon einen entscheidenden Schritt weiter, als man begriffen hatte, daß
es sich bei der Errichtung eines Museums überhaupt um eine organi-
satorische und künstlerische Leistung handelt. Eswaren hauptsächlich
zwei verschiedene Lösungen, die man dann zunächst für diese Aufgabe fand,
ich möchte sie als die romantische und die technische bezeichnen. Die
romantische Aufstellung bot, wie die Künstlerateliers jener Zeit, ein
malerisches Arrangement. die Gegenstände wurden zu dekorativen Grup-
pen zusammengetan, aus deren dunklem Gesamtton sie nicht herausfallen
durften, und die so erstrebte Stimmung" wurde noch durch eine die alten
Stile imitierende Raumgestaltung gehoben. Im Germanischen Museum zu
Nürnberg und im Münchner Nationalmuseum hat dieser Museumsstil seine
charakteristischeste Anwendung gefunden. Das Gegenteil stellt die heute
zumeist noch angewandte technische Art der Aufstellung dar. Hier sind in
einem stilistisch neutralen Raume die Gegenstände nebeneinandergereiht, die
Aufstellung erfolgt zumeist mit gutem, aber nüchternem Geschmack, das
Ganze hat etwas Kaltes und Starres, ist typischer Ausdruck einer sachlich-
Abb. 5. Das Märkische Museum zu Berlin. Rokokoraum mit Berliner Porzellan
-va
gfläßifäli
Abb. 7. Das Märkische Museum zu Berlin. Biedermeierzimmer
technischen Gesinnung. Das beste Beispiel dieser Art bieten gewisse Räume
des Berliner Kunstgewerbemuseums. Beide Methoden haben ihre Nachteile.
Ging bei jener der Gegenstand dadurch, daß der Eindruck von der Gesamt-
anordnung beherrscht wurde, in seiner Umgebung unter, so war er hier
durch Isolierung seines eigentlichen Wesens beraubt. Und gewiß ist es nicht
leicht, zwischen diesen beiden Gefahren den richtigen Ausweg zu finden.
Auf den ersten Eindruck scheint es, daß man sich bei der Einrichtung des
Märkischen Museums mehr der romantischen Auffassung angeschlossen
hat. Das gilt besonders von der äußeren Erscheinung des Museumsgebäudes,
das seit 1897 von dem Berliner Stadtbaurat Ludwig Hoffmann errichtet
wurde. Hier herrscht in der Tat die krasseste Stilromantik. Das Gebäude
ist aus Imitationen mehrerer alter Stile zusammengesetzt, zur Hälfte Gotik,
in der Art der norddeutschen Backsteinkirchen, zur Hälfte Renaissance mit
grauen verputzten Flächen, nichts läßt erwarten, daß drinnen ein moderner
Geist am Werke ist. Die drastische Wirkung wird noch dadurch erhöht,
daß das Museum sich mitten zwischen modernen Industriebauten befindet,
gegenüber einem der schönsten, ganz von modernem Geiste erfüllten Bau-
werke Alfred Messels. Betritt man dann das Innere des Museums, so bleibt
dieser Eindruck scheinbar bestehen Die I-Iaupträume scheinen bloße Imi-
tationen alter Stile zu sein, die große Halle Abb. ahmt einen mittelalterlichen
104
Kirchenraum nach, der Saal der mittelalter-
lichen Plastik Abb. eine Kapelle, die Waffen-
halle den Remter eines norddeutschen Ordens-
schlosses. Dringt man aber in das Wesen
dieser Räume tiefer ein, so erkennt man. daß
hier doch mehr und Besseres geschaffen
wurde. Zunächst ist schon im Architektoni-
schen die Stilimitation verhältnismäßig maß-
voll durchgeführt worden, es ist nur in den
I-Iauptformen die Grundstimmung gegeben,
zum Beispiel mit dem wirklich prächtigen
Netzgewölbe der Kapelle Abb. und alles
kleinliche Eingehen auf Einzelheiten ver-
mieden. Nur die schwerfälligen Fensterbil-
dungen der Halle und der Kapelle sind gar
zu aufdringlich. Dagegen ist von bester Wir-
kung die Licht-
führung ruhig und
gedämpft, auch
in der Tonstärke
wechselnd bis zu
einem für viele
Dinge durchaus
brauchbarenHalb-
dunkel, während
in anderen Mu-
seen das Licht zu-
meist gleichmäßig
kalt und grell ist
und vielen Wer-
ken, zum Beispiel
Abb. 8. Das Märkische Museum zu Berlin.
Figur eines Bischofs, XIV. Jahrhundert mlttelalterhcher
Plastik, die we-
sentliche Wirkung nimmt. Vor allem aber hat
hier der Museumsfachmann sich vom Archi-
tekten nicht verleiten lassen, jene Stilimitation
auch in "der Anordnung der Gegenstände weiter-
zuführen, sondern hat von diesen Räumen nur
die alte Stimmung ausgenutzt, bei der Anord-
nung der einzelnen Gegenstände aber jedem ein-
zelnen durch ruhige Sonderung, klaren Rhyth-
mus, zuweilen strenge Symmetrie das Eigen-
leben bewahrt. So scheint uns hier, in diesen Abb-g- Das Mämsd"
Berlin. Figur Christi, xv. 18h!-
histonsierenden Museumsraumen, zwar ein hundm
er.
Kompromiß geschlosssen zu sein, aber doch der Weg zu dem Neuen und
Richtigen gewiesen. Wo dem Museumsleiter nicht wirklich alte Räume zur
Verfügung stehen, wie das zum Beispiel der sehr glückliche Ausnahmefall
in Lübeck ist, da sollte er ruhig auf diesen Vorteil verzichten und sollte sich
vom Architekten moderne Räume schaffen lassen, modern sowohl in ihrer
Gesamtanlage was auch schon an dem Außenbau deutlich werden müßte
wie in den Einzelformen, und müßte nur dafür sorgen, daß der Grundton
jedes Raumes, seine
Gesamtstimmung ein-
heitlich ist und seinem
Inhalt entspricht. Auch
diese Forderung ist in
manchen Räumen des
Märkischen Museums
schon erfüllt, sehr glück-
lich zum Beispiel in
dem Raume Abb.
der die Innungssachen
enthält. Hier ist mit
der Verwendung ein-
facher, ziemlich hoch
geführter Holztäfelung
in modernen Formen,
nur durch die richtige
Anlage der Raumform
mit Fensternischen und
einer durch den ganzen
Raum geführten Tafel
eine ebenso würdige
wie festliche Stimmung
erzeugt, wie sie all
diesem Prunkgerät al-
ter Innungsfeste ent-
spricht. Auch für die
prähistorische Abteilung Abb. hat man mit der strengen Wölbung der
Kellerräume den richtigen Grundton gefunden. Leichter war die Aufgabe zu
lösen, wenn man für die Anlage der Räume altes Material verwenden konnte.
So wurde der Raum des Porzellans Abb. mit einer köstlichen Wand-
dekoration, Gemälden aus dem Gesellschaftsleben in typischem Berliner
Rokoko, ausgestattet, so wurde ein Biedermeierzimmer Abb. eingerichtet,
das eine Hauptepoche Berliner Kultur sogleich vor uns lebendig werden
läßtf auch wurde, zur Veranschaulichung der bäuerlichen Kultur der Mark,
Abb. xo. Das Märkische Museum zu Berlin. Glaspokal von H. jäger, Berlin,
urn x7oo
Näheres über dieses Zimmer berichtet die eine Studie von dem Leiter des Museums, Professor Pninwer,
in Westermanns Monalshefxen", Jahrgang 62.
ein ganzes Spreewaldzimmer in das Museum übertragen. Indem diese
Räume, die an sich Ausstellungsobjekte sind, mit den eigentlichen Ausstel-
lungsräumen abwechseln, indem auch die einzelnen Räume, je nach ihrem
Inhalt, Form und Größe ändern, wird die in vielen Museen so ermüdende
Aufreihung gleichartiger Räume vermieden und der lebendige Reiz in der
Gesamterscheinung dieses Museums von Anfang bis zu Ende wachgehalten.
Vielleicht ist man mit dem Programm für den Inhalt des Museums
etwas zu weit gegangen, indem man auch die Natur der märkischen
Heimat einbezogen hat. Denn die naturwissenschaftliche und die kultur-
historische Abteilung erfordern doch vom Besucher gar zu verschiedene
Einstellungen. Aber auch diese, die zoologische und biologische Abteilung,
zeichnen sich vor anderen naturwissenschaftlichen Museen durch weise
Beschränkung und anschauliche Darstellung aus. Die Überleitung zur
historischen Abteilung bildet dann die kartographische Sammlung und
ferner ein reiches Material von alten Abbildungen der märkischen Städte
und Bauwerke. Der Gang der historischen Entwicklung beginnt mit der
prähistorischen Abteilung. Hier empfindet man die strenge Auswahl des
Materials und die klare Aufstellung Abb. besonders angenehm. Die
einzelnen Epochen sondern sich deutlich voneinander, jede ist mit ihren
charakteristischen Erzeugnissen zur Anschauung gebracht, ohne den Wust
von Bruchstücken und Scherben, die, ohne dem Laien etwas zu sagen,
die prähistorischen Sammlungen so oft ungenießbar machen. Für den Fach-
mann ist das reiche prähistorische Material im Depot sorgfältig aufbewahrt
und bereitgehalten. Da man hier die Epoche nach der Abwanderung der
Germanen aus der Mark, die Wendenzeit VI. bis XII. Jahrhundert,
auch noch in die prähistorische Epoche einzubeziehen pflegt, beginnt
die eigentlich geschichtliche Zeit hier erst mit dem späteren Mittelalter.
Die bedeutsamsten Denkmäler dieser Zeit in der Mark sind ja die herr-
lichen und in ihrer künstlerischen Bedeutung viel zu wenig gewürdigten
Werke der Backsteinarchitektur. Aber auch auf anderen Gebieten der kirch-
lichen Kunst blieb die Mark nicht hinter den Nachbarländern zurück. Das
Museum zeigt schönes gotisches Kultgerät und vor allem einige Werke
der Plastik, deren Bedeutung weit über das Historische hinausgeht. Man
muß in der Mark wie in allen Gebieten, die mehr an der Peripherie der
Kultur liegen, zwei verschiedene Gruppen der mittelalterlichen Plastik
unterscheiden, die im ganzen Verlauf der Entwicklung nebeneinander her-
gehen, auch nicht ohne einander zu beeinflussen. Die eine, die hier durch
die schöne Bischofsfigur des XIV. Jahrhunderts Abb. vertreten sein mag,
ist die Kunst der kirchlichen, gebildeten Oberschicht, frei und reif im Stil,
aber nicht durchaus selbstständig, sondern beeinflußt von der Kunst der
benachbarten Kulturzentren. Die andere dagegen ist, wie die Figur des
leidenden Christus aus dem XV. Jahrhundert Abb. zeigt, mehr die Kunst
des Volkes, einfacher, unbeholfener, aber auch ursprünglicher und stärker
erfüllt von dem Ausdruck einer schlichten Religiosität. So verdienen überhaupt
in diesem Mu-
seum die Erzeug-
nisse der volks-
tümlichen Hand-
werkskunstbeson-
dere Beachtung
die prächtigen
schmiedeeisern en
Grabkreuze und
gußeisemenOfen-
platten, die einfa-
chen, aber charak-
tervollen Töpfe-
reien, die Truhen
mit Schnitzereien,
Einlegearbeiten
oder Beschlag-
werk. Aber auch
diekunstindustriel-
len Erzeugnisse,
besonders auf
dem Gebiete des
Glases und der
Keramik, sind
wohl geeignet,
das Vorurteil von
der Kunstlosig-
keit der Mark zu
widerlegen. Weit über die Mark hinaus ging ja der Ruf ihrer Glashütten
Potsdam, Grimnitz, Zechlin, die Kunkelschen Rubingläser gehörten schon
früh zum Inventar der Kunstkammern und vornehmen Sammlungen, aber
auch im Glasschnitt und -schliff entstanden höchst reizvolle Arbeiten, wie
zum Beispiel der Pokal Abb. 10, der von der Hand des Heinrich Jäger in
Berlin um 1700 gefertigt wurdef Auf dem Gebiete der Keramik waren die
Abb. n. Das Märkische Museum zu Berlin. Porzellanfiguren von Fr. E. Meyer,
Berlin, x768
mit dem Böttgerschen braunen Steinzeug konkurrierenden Erzeugnisse von
Plaue und die mehr allgemeine Gebrauchsware darstellenden ayencen
von Rheinsberg schon länger bekannt. Neuerdings hat man auch, dank den
Forschungen Riesebietersf" den Fayencen von Potsdam mehr Aufmerk-
samkeit geschenkt und das mit gutem Recht, weil sie bei aller Einfach-
heit durch ihre ausdrucksvollen barocken Umrisse, ihre freie und lebhafte
Bemalung, ihre feine und klare Glasur, nicht geringe dekorative Wirkung
haben. Das Berliner Porzellan bedarf ja nur noch der Erwähnung. Es
Vgl. R. Schmidt, Brandenburgische Gläser", Berlin 1914, Seite 77.
O. Riesebieter, Die Fayeneefabriken zu Berlin und Potsdam", Cicercne", IV igzz, Seite 9x5 6'.
wird im Märkischen Museum in einer nicht zu umfangreichen und gut
ausgewählten Kollektion gezeigt. Bis zu welcher Höhe die künstlerische
Gestaltung der Manufaktur in ihrer besten Zeit kam, daran sei durch Vor-
führung der prächtigen Chineseniiguren von Friedrich Elias Meyer um 1768
erinnert Abb. n. Für den schlichten Sinn des Märkischen Kunsthand-
werkertums ist es charakteristisch, daß es auch ein so unscheinbares Material
wie das Gußeisen zu feinster künstlerischer Gestaltung zu bringen wußte.
Was in der 1804 gegründeten Eisenmanufaktur, besonders durch die Mit-
wirkung von Künstlern wie Posch, Schinkel, Schadow und Rauch, geleistet
worden ist, ist ja durch neuere Publikationen zur Genüge bekannt geworden."
Abb. n. Das Märkische Museum zu Berlin. Titelhlätter zum Tanzkalender. Kupferatiche von
j. W. Meil, 1800
In einem besonderen Saale des Märkischen Museums wird uns in über-
sichtlicher Anordnung gezeigt, daß sich noch auf einem anderen Gebiete
die Entwicklung der Märkischen Kunst verfolgen läßt. Während Malerei und
Plastik seit dem Ausgang des Mittelalters bis zum Beginn des XIX. jahr-
hunderts hier nie zu volkstiimlicher Bedeutung gekommen sind, ist die
weniger anspruchsvolle Kunst der Graphik schon von Anfang an gepflegt
worden. Die Entwicklung beginnt mit der mittelalterlichen Buchillustration,
aus der der 1493 in Kloster Zinna entstandene Marienpsalter besonders
hervorgehoben werden muß, kommt zu besonderer Blüte im XVIII. jahr-
hundert mit Künstlern wie Georg Friedrich Schmidt, Bernhardt Rode, dem
auch weiter bekannten Chodowiecki und dem neben diesem zu Unrecht
übersehenen Johann Wilhelm Meil Abb. I2 und führt im XIX. Jahrhundert
Vgl. H. Schmitz, Berliner Eisenkunstguß", München 1917.
zu einer besonders auch auf dem Gebiete der Lithographie höchst umfang-
reichen und bedeutenden Produktion. Über Th. Hosemann, Franz Krüger
Abb. 13 und Menzel ist die Entwicklung mit Max Liebermann bis in die
Gegenwart weitergeführt.
Schließlich wird das Bild der Märkischen Kultur noch vervollständigt
durch einige Räume, die in Bildnissen die führenden Geister auf allen
Gebieten vorführen. Mit Recht ist dabei Theodor Fontane besonders hervor-
gehoben, mit gleichem Rechte auch dem in zahlreichen Flugblättern ver-
ewigten Berliner Humor ein besonderer Raum gewidmet.
Daß die Leitung des Museums bemüht ist, den vielfältigen Inhalt des
Museums auch dem Publikum innerlich zugänglich zu machen, das zeigt
schon die durchgehende sorgfältige Beschriftung der Gegenstände, der zu
geringem Preis herausgegebene Führer, die Veranstaltung von Führungen
und Vorträgen. Es ist bezeichnend, daß kein Museum so oft und so gern
von der Jugend aufgesucht wird wie dieses. Und so wird, ohne viel
Tendenzpredigt und Herabsetzung des Fremden, von solch einem'Museum
die Liebe zur Heimat geweckt, jene Liebe, die nicht auf Phrasen, sondern
auf Kenntnis beruht und immer das Wort Goethes beherzigt Geh' vom
Häuslichen aus und verbreite Dich, so Du kannst, über alle Welt."
DER BILDHAUER HUBERT GERHARD IN
MÜNCHEN UND INNSBRUCK Saß VON RUDOLF
ARTUR PELTZER-MUNCHEN Sh
ÜNCHEN und Augsburg bergen eine Fülle von Bronzen
der Spätrenaissance wie keine andere Stadt nörd-
lich der Alpen. Monumentale Brunnenanlagen und
imposante Mausoleen, umfangreiche dekorative
Skulpturen zum Schmuck der Fassaden, Standbilder,
heilige und profane Figuren, Epitaphien und Reliefs
aus Erz sind in so großer Zahl vorhanden, daß die
wissenschaftliche Forschung, ohnehin befangen
in alteingewurzelter Voreingenommenheit gegen
die Kunst dieser Zeit, sich meist mit einer sum-
marischen Aufzählung der Werke und der Kon-
statierung ihres einheitlichen internationalen" Stiles begnügt, ohne in eine
Untersuchung des Einzelnen und eine Scheidung der Hände einzutreten.
Und doch dürfte ein derartiges Unternehmen, wie es hier für einen Teil des
Materials versucht wird, in mancher Hinsicht lohnend sein." Gilt es doch,
den besonderen Charakter dieser Plastik Süddeutschlands, die die Tendenzen
Den Herren Professor Halm, Direktor des Bayrischen Nzüonalmuseums, und Professor Hsbich,
Direktor des Münzkabinelts in München, bin ich für mannigfache Unterstützung meiner Studien zu besonderem
Danke verpßichter.
v. ............... navannmuaauaulellvlxvli u"... uav AlAulvAx-luuAALl-xavu LAMA Aualn vaauval LIADIQLVI
zu umgrenzen. Der Holländer Hubert Gerhard, dessen Schaffen und Werke
hier besprochen werden sollen, ist im Süden Deutschlands der Hauptmeister
jenes in Giovanni da Bologna kulminierenden italienisch-niederläindischen
Stiles, der den Übergang
von der Renaissance zur
eigentlichen Barockkunst
vermittelt. Auch auf das
Grenzland Tirol erstreckt
sich die Einwirkung seiner
Kunst, wie unsere Unter-
suchung ergeben wird.
Das Dunkel, das über
Gerhards jugendzeiti und
dem mit Notwendigkeit vor-
auszusetzenden längeren
Studienaufenthalt in Italien
liegt, vermögen wir zwar
noch nicht aufzuhellen, im-
merhin lassen sich aber
doch die wichtigsten Da-
ten seines Lebens und da-
mit der äußere Rahmen für
sein Wirken einigermaßen
Fixieren. Gerhard muß in
den Jahren 1540 bis 1550
geboren sein, da er 1605
ein alter Mann" genannt
Abb. 13. Das Märkische Museum zu Berlin. Bildnis der Großherzogin Wlrd- E1" Starb nach einer
Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, Kreidezeichnungvon Franz neueren Fgststellung erst
Krüger in hohem Alter im ahre
Daß Gerhard Holländer war, beweist auch der Zusatz Hollandß bei seinem Namen auf einem Stich
des Lukas Kilian nach dem Erzengel der Michaelskirche. Nach Bub" stammte er aus Herzogenbusch Augsburg
in der Renaissancezeit", Bamberg r8g3, Seite 94. Rogge erwähnt Huberts Bruder Heinrich Gerhard von Gorkbum
Gorinchem als Mitarbeiter am Augustusbrunnen Die Augsburger Brunnen", Zeitschrift für bildende Kunst,
XVII, r882, Seite 6. Vgl. R. Viseher, Über das Denkmal des Hans Fugger in Augsburg", Jahrbuch der König-
lich preußischen Kunstsammlungen". VIII, r887, Seite zog, und Buchwald, Adriaen de Vries", Leipzig 189g,
Seite 98. Auch Nagler kennt einen Bildhauer Heinrich Gerard, der r6o2 in Diensten des Herzogs Maximilian
von Bayern in München tätig ist Künstlerlexikon". Seite ro3, vgl. Seite r. Heinrich ist auch der Vorname
des ältesten Sohnes Huberts. Es ist daher möglich. daß Hubert zur Familie des aus Amsterdam gebürtigen
Bildhauers Heinrich Gerhard gehörte, der, während des niederländischen Befreiungskrieges nach Kiel ver-
schlagen, 1585 in Danzig starb und dessen Sohn unter dem Namen Gerhard Heinrich als Stadtbaumeister und
renommierter Erzhildner bis zu seinem Tode vor 155 in Breslau wirkte.
Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses", Band XIX,
Reg. 16574. Über diese Urkunde siehe weiter unten im Text.
III
1620.? So können wir sein Wirken jetzt durch den ansehnlichen Zeitraum
von 40 Jahren verfolgen,
während die Forschung
bisher den Künstler schon
Mitte der Neunzigerjahre
aus den Augen verlor.
Um das Jahr 1581
taucht Gerhard in Süd-
deutschland auf, und zwar
in Augsburg. Er ist dort
für die Fugger mit Ar-
beiten beschäftigt, deren
Umfang und Bedeutung
auf einen Künstler von
schon anerkanntem Ruf
schließen läßt. Man möch-
te vermuten, daß der be-
kannte Kunstmäzen Hans
Fugger der Erbauer des
Schlosses Kirchheim, der
den Friedrich Sustris aus
Italien berufen hatte, auch
unseren Künstler nach
Deutschland zog. Hans
Fugger stand damals in
Verbindung mit vene-
zianischen Bildhauern.
Schon 1574 war Gerolamo
Campagna in Augsburg
für ihn tätig gewesen und
gerade in denjahren 1580
bis 1583 arbeitete Ales-
sandro Vittoria an einem
Bronzealtar für die Kirch-
heimer Schloßkapellef"
Die naheliegende Hypo-
Stoecklein im Archiv für
Medaillen- und Plakeltenkunde",
1913 14, Seite 45. Anmerkung r.
G. Lill, Hans Fugger und
die Kunst", Leipzig 1908, Seite 151 ff.
mit Abbildungen. Campagna schreibt
nach seiner Rückkehr in die Heimat
an Fugger, er habe in Augsburg wohl
gesehen, daß der Freiherr zu der-
gleichen Sachen große Lust habe,
aber in Augsburg nichts haben könne.
i.
Abb. 1. Hubert Gerhard, Hauptgruppe des Kirchheimer Brunnens
München, Bayrisches Nationalmuseurn
16
"iaßäiarta;
.....-Jw.'-.-..-....-...ü
Abb. 2. Hubert Gerhard, Der Augustusbrunnen in Augsburg
these, daß Gerhard mit diesen Schülern Jacopo Sansovinos in Berührung
gestanden habe, kann aber an dem Charakter seiner Werke keine sichere
Stütze finden, dagegen führen zahlreiche Verbindungsfäden, wie wir sehen
werden, nach Florenz in den Kreis seines großen Landsrnannes Giovanni
da Bologna, von dessen Werkstatt aus ja ein reger Austausch künstlerischer
Kräfte mit dem Norden stattfand.
Über Gerhards Arbeiten auf Schloß Kirchheim, die sich bis ins Jahr
X595 hinzogen, sind wir gut unterrichtet. Er schuf dort zum Teil gemeinsam
mit dem Italiener Carlo Pallago, der bereits anfangs der Siebzigerjahre für
Hans Fugger tätig gewesen war und auch später als Gehilfe Gerhards
erscheint, die zwölf überlebe-nsgroßen Statuen von Helden und berühmten
Frauen aus gebranntem Gips, sowie den großen Kamin in dem imposanten
Großen Saal, dekorativ sehr wirksame Arbeiten, die zum Besten gehören,
was aus dieser Zeit in Deutschland zu finden ist. Der Kamin, einfach und
streng im architektonischen Aufbau, hat als I-Iauptschmuck drei Aktliguren,
Abb. 3. Huber Gerhard, Die Singold vom Augusmsbxunnen in Augsburg
prächtige Gestalten von ganz italienischem Gepräge, die kaum einen nieder-
ländischen Zug erkennen lassen, sind auf volutenförmig geschwungenen
Steinpolstern, ähnlich den Sarkophagliguren Michelangelos, gelagert; mitten
über ihnen etwas zurück sitzt, wie dort der Medici, so hier der schmiedende
Vulkan. Das bedeutendste
Werk Gerhards für Kirch-
heim war aber eine gewaltige
Brunnenanlage mit zahl-
reichen Bronzeliguren, von
denen nur noch die über-
lebensgroße Mittelgruppe,
Mars und Venus in zärt-
licher Umschlingung sitzend,
mit Amor zu Füßen,im Hofe
des bayrischen National-
museums in München vor-
handen ist Abb. I. Eine
etwas ungefüge Schöpfung,
holländisch-derb in der Auf-
fassung des Themas, die
an ähnliche gemalte Szenen
Sprangers gemahnt, schwer-
fällig in den Bewegungs-
motiven und der Bildung der
Körper, namentlich der über-
großen Extremitäten, aber
doch als Hauptdekorations-
stück einer Brunnenanlage
mit einer gewissen Kühnheit
konzipiert. Schließlich ent-
warf Gerhard noch das ein-
drucksvolle Grabmal desI-Ians
Abb. 4. Hubert Gerhard. Dxläulglsgilagh vom Augustusbrunnen in Fugger in der Ulrichskirche
in Augsburg mit dem einfach
und schlicht aufgefaßten ruhenden Toten, das bis auf den Kopf von Alexander
Colin in Innsbruck nach Gerhards Modell in Marmor ausgeführt wurde.
Über eine der frühesten Augsburger Arbeiten Gerhards, einen leider
untergegangenen Bronzealtar, den Christoph Fugger in den Jahren 1581 bis
1583 in der Dominikanerkirche errichten ließ, haben kürzlich aufgefundene
Urkunden einige Aufklärung gebracht" Gerhard fertigte die Wachsmodelle
H. Wiedenmann, Die Dominikanerkirche in Augsburg", Zeitschrift des historischen Vereins für
Schwaben und Neuburg, 43. Band, x9r7. Seite 43 ff. Der hier genannte Bildermzcher Robert Gerard" ist
niemand anders als Hubert Gerhard. Die Veränderung des Vornamens. die, wie hier gleich vorweg gesagt sei, die
Forschung wiederholt in die Irre geführt hat, erklärt sich einfach aus der Verwechslung des holländischen
Abb. 5. Der Brunnenlech vom Augustusbrunnen in Augsburg
IIO
Abb. 6. Das Grabmal Kaiser Ludwigs in der Frauenkirche in München
zu einer Auferstehung, einer Himmelfahrt, zu vier Propheten und zwei
Putten, sowie zu einem den Altar tragenden Engel auf"
Die Arbeiten für die Fugger rnußten die Aufmerksamkeit der Augsburger
Stadtherren, die in der Begeisterung für die modische Kunst der Italianisten
hinter anderen nicht zurückstellen wollten, auf Gerhard lenken. Entwurf
und Aufrichtung eines großen Stadtbrunnens wurden ihm anvertraut. In
den Jahren r58g bis 1594 entstand so der Augustusbrunnen," der Gerhards
Huibrecht von Hubertus, dem Bischof von Tongem mit dem bayrischen Hruprecht von Rupertus, dem
Schutzpatron Bayerns. Man nannte den Künstler in Bayern meist nicht Hubert, sondern Ruprechr. Gelegentlich
tritt dann für Ruprecht sogar die französische Form Robert auf.
Ursprünglich hatte der aus Florenz über Innsbruck berufene Carlo Pallago "Carlo Ballas" den Auftrag
erhalten. Der nach seinen Modellen von Jeremias Reisinger ausgeführte Guß mißlang aher.
Schon hier taucht das Märchen von der Bete gung Pieter Candids an den künstlerischen Arbeiten
Gerhards auf, das schon durch die vor der Ankunft Candids r586 in Kirchheim entstandenen Werke hinreichend
widerlegt wird. Paul Ree hat in seinem wichtigen Buche über Candid Leipzig 1885 den Maler auch als Plastiker
hinzustellen versucht. Er beruft sich dabei auf eine Stelle van Manders, der erzählt, daß Candid auch gut in
Ton bossiere, was ihm beim Malen von großem Vorteil sei. Diese Bemerkung Manders weist aber doch
offenbar nur auf die in italienischen Malerateliers seit alters geübte, auch Candid geläufige Praxis hin, größere
Figurenkompositionen zur besseren Beurteilung der Wirkung vor der Ausführung in Ton zu modellieren vgl.
darüber von Schlosser im Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses",
XXXI, Seite ru Hi, kann aber nicht als Beweis für die behauptete Betätigung Candids als Bildhauer bewertet
werden, die auch von der neueren Forschung zurückgewiesen wird. Vgl. Bassermann-jordan, Die dekorative
Malerei am bayrischen Hofe", München rgoo. Seite 163; Lill, a. a. O. Seite 117, Anmerkung 11; Riezler,
Geschichte Bayerns", VI, München 1903, Seite 495, und Baum in Thiemes Kiinstlerlexikon", r911,
Seite 494.
Abb. 7. Hubert Gerhard, St. Michael an der Michaelskirche in München
Namen berühmt machen sollte Abb. bis 5. Steht doch der Augustus-
brunnen als erster aus dem Geiste des italienischen Frühbarocks geschaffener
wahrhaft monumen-
taler Brunnen an der
Spitze zahlreicher ähn-
licher Anlagen nörd-
lich der Alpen und ist
so gewissermaßen der
Ahnherr einer Reihe
nordischer Brunnen
geworden, unter denen
wir den Le op oldsbrun-
nen des Kaspar Gras in
Innsbruck und den be-
rühmten Neuen Brun-
nen Raphael Donners
in Wien nennen. Wie
neu und ungewohnt
um nur eins hervorzu-
heben die Klarheit
des Aufbaues und der
einzelnen Formen, die
Einfachheit und Be-
schränkung auf das Not-
wendige, der Mangel
an unnützen, schnör-
kelhaften Verzierun-
gen auf die Zeitgenos-
sen wirken mußten,
zeigt nicht nur eine Ver-
gleichung mit gleich-
Abb. a. Hubert Gerhard, Der Engel mit dem Weihwasserbecken in zeitigen Brunnen, wie
Michaelskirche zu München etwa dem bekannten
Tugendbrunnen Wurzelbauers in Nürnberg 589, dem Petrusbrunnen
Ruprecht Hoffmanns in Trier r595W oder dem Prachtbrunnen, der 1591 93
in Prag errichtet wurde," sondern erhellt auch aus Äußerungen gleichzeitiger
Künstler. Der württembergische Baumeister Heinrich Schickhardt notiert
im Jahre 1598 Die Vehl an diesem Brunnen send, das der Plaz zu klein,
das ober Posament under dem grosen Bild wie auch das Spacium zwischen
den Bildern uff dem Geschal ist zu winig geziert, sieht gar zu nackendt;
wehr auch schener, wen er noch ein Stafel oder heher stendeßi"
"Abbildung bei Balke, "Über die Werke des kunrierischen Bildhauers Hans Ruprecht HoffrnannHTrier xgrö.
O. Pollack im Jahrbuch der kunslhistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses",
XXIX, Seite x62.
W. l-leyd, Handschriften und Handzeichnungen Heinrich Schickhardts", Stuttgart 1902. Seite rg. Die
beigefügte Zeichnung gibt die ursprüngliche Gestalt des Posramentes vor der 1749 vorgenommenen Barocki-
sierung wieder. Vgl. auch Gertrud Gradmann, Die Monumentalwerke der Bildhauerfamilie Kern", Straßburg
1917, Seite 75.
in
Dennoch kann selbst ein Wendel Dietterlin, dessen von krauser Phantasie
überwucherte Architekturentwürfe so großen Einfluß auf die damalige
Zeit ausübten, sich dem Eindruck dieser Kunst nicht entziehen. Unter den
Entwürfen seiner 1598 erschienenen Architectura sind einige Fol. 122 und
123 offenbar nach Gerhards Brunnen entstanden, wenn auch in Dietterlins
Geschmack umgemodelt.
Der Augustusbrunnen geht in seiner Anlage auf den in Florenz aus-
gebildeten Typus des Barockbrunnens zurück. Hier, an Ammanatis 1575
vollendetem Neptunsbrunnen, finden sich auch jene auf den Rand der
Brunnenschale gelagerten
Bronzetiguren von Was-
sergöttem, die fast mit
dem Beschauer in unmittel-
baren Konnex treten, ein
schon ganz barocker Ge-
danke. Den mittleren Auf-
bau des Brunnens krönt
in Augsburg statt des
üblichen Beherrschers der
Fluten die Meter
hohe Bronzestatue des an-
geblichen Stadtgründers
Augustus. Der Kaiser ist
nach dem Vorbild antiker
Imperatorenbilder mit er-
hobener Rechten in der
zeremoniellen Haltung der
Adlocutio dargestellt. In-
dem Gerhard so mit dem
Brunnen den Denkmalsge-
danken verknüpft, verzich-
tet er auf die das Ganze be-
herrschende zentrale Idee,
wie sie dem Gefühle des
Barocks entsprechen wür-
de. Die reife Barockkunst
würde die einzelnen Fi-
guren, auf denen bei Ger-
hard doch immer noch der
Schwerpunkt der künstle-
rischen Wirkung beruht,
zugunsten eines überge-
ordneten Zentrums mehr
Abb. g. Hubert Gerhard, Standartenträger am Ludwigsgrab in der
zurücktreten lassen. Diese Frauenkirche zu München
vier Gestalten junger Frauen und alter Männer Abb. und zeigen
Gerhards an dem Schönheitskanon der italienischen I-Iochrenaissance
Abb. xo. Hubert Gerhard. Löwe mit Schild vor der Residenz in München
gebildetenGeschmack,
seine Sicherheit in der
Beherrschung der Kör-
performen und in dem
Herausarbeiten der Sil-
houettenwirkung in vol-
ler Entfaltung. Nament-
lich die beiden Quell-
nymphen sind Gebilde
von natürlicher, ju-
gendlich-frischerEmp-
Endung, die auf der-
selben Stufe künst-
lerischer Vollendung
stehen wie die Figuren
des Kirchheimer Ka-
mines. Bei den Greisen
fällt wiederum die An-
lehnung an Michel-
angelo auf; namentlich
die Art des Lagerns ist
sichtlich nach dessen
Fiurni gestaltetfk In der
Bildung der Musku-
latur hält sich aber
Gerhard von den übli-
chen Übertreibungen
derMichelangelo-Nach-
ahmer fern.
Außer dem Au-
gustusbrunnen scheint
Gerhard nichts weiter
für Augsburg geschaf-
fen zu haben. Er wurde
hier durch die beiden
BolognaschülerAdrian
de Vries, den Gerhard
im Jahre 1604 seinen
Vgl. die Abbildungen bei
Gottschewski, ,Ein Original-Ton-
rncdell Micbelangelos zu einem
Flußgott" im "Münchner jahr-
buch für bildende Kunst", 1905.
alten vertrau-
ten Gesellen
von langer Zeit
hero" nenntf
und Hans Rei-
chelw abgelöst.
Gerhards ei-
gentliche Wir-
kungsstätte war
seit der Mitte
der Achtziger-
jahreMünchen.
Vielleicht hängt
seine Berufung
an den bayri-
Schgn Hof mit Abb. n. Hubert Gerhard, Die Auferweckung des Lazarus, Bronzerelief in der Michaels-
der Besichti kirche in München
gung des Fugger-Schlosses Kirchheim durch Herzog Wilhelm V. im Jahre
1585"" zusammen. F. Sustris, der leitende Kunstintendant des Herzogs,
mag dabei seine Hand im Spiel gehabt haben. Nachweisbar ist Gerhard
1584 in München. Laut einer Rechnungsnotiz fertigte er damals einen
Gekreuzigten samt den Schächern, vermutlich in Holz oder Stuck, für die
Fronleichnamsprozession an. Im Jahre 587 wird er in einer Liste des Hof-
staates aufgeführtf In denselben Jahren, in denen die großen Brunnen in
Augsburg und Kirchheim entstanden, leitete Gerhard nicht minder umfang-
reiche Unternehmungen in München. Die Arbeit muß ihm außerordentlich
leicht von der Hand gegangen sein. Das Verhältnis zu Sustris darf man sich
dabei wohl so vor-
stellen, daß dieser
als Hofarchitekt
Jahrbuch der
kunsthistorischen Samm-
lungen des Allerhöchsten
Kaiserhauses", XIX,
Reg. 16481.
Über diesen
Künstler folgt ein Aufsatz
in dieser Zeitschrift.
Lill, a. a. 0.,
Seite x26.
Anzeiger für
Kunde der deutschen Vor-
zeit", N. F. XVIX 18712,
Seite 366. 1586 heißt es
hernachRuprechtGerhardo
dem bildterformierer urnb
Arbeit 150 G". Wesxenrieder,
Beiträge zur Vaterländi-
Abb. rz. Hubert Gerhard, Die Auferweckung des Jniri Töchterlein, Bronzerelief schen Historie", III. Band
in der Michnelskirche in München xygo, Seite 97.
Abb. x3. Hubert Gerhard, Christi Auferstehung, Bronzerelief in der
Michaelskirche in München
und Maler die Grund-
ideen zu den großarti-
gen Unternehmungen
des Herzogs angab,
wohl auch ab und zu
eine flüchtige Skizze des
geplanten plastischen
Schmuckes entwarf, bei
der Ausführung der ein-
zelnen Teile aber dem
Bildhauer völlig freie
Hand ließ. Als Gehilfen
standen diesem mehrere
Stukkateure zur Seite,
unter denen einige Ita-
liener, der schon mehr-
fach genannte Carlo
Pallago sowie Peter Martino und Michelangelo Castello, die bedeutendsten
waren. So entstand damals der prächtige Figurenschmuck der Michaels-
kirche, der so wesentlich zu dem feierlich-heiteren Gesamteindruck des
Innern beiträgt. Außer den Bronzen, die für ein in großem Umfang
geplantes Grabmal Wilhelms V. bestimmt waren, sind mehr als 20 Stuck-
figuren von Aposteln und Heiligen im Chor, 16 Engel mit Leidensinstru-
menten im Hauptschiff, alle weit überlebensgroß, in Nischen angebracht.
Es ist nötig, hier kurz auf die urkundlichen Belege für die Autorschaft
Hubert Gerhards an allen diesen Werken hinzuweisen, die früher schon
Abb. r4. Hubert Gerhard, Die Vision des Ezecbiel, Bronzerelief in der
Michaelskirche in München
wegen der großen an
ihn erfolgten Zahlun-
gen vermutet wurde.
Trautmandf hat dann
die Belege aufgefun-
den, aus denen her-
vorgeht, daß nicht nur
die meisten Bronzen,
sondern auch die zahl-
reichen Gipsüguren,
ja selbst die dekorativen
Teile, wie Konsolen
und Kapitäle, und der
reizende Engelskranz
des Tonnengewölbes
auf Modelle Gerhards
Altbayrische Monat-
schrifWJX 1909, xo,Seite 6. Der-
zurückgehen. Eine willkommene Bestätigung erfahren die nüchternen
Rechnungsnotizen durch den lebendigen Bericht eines Zeitgenossen, des
Augsburger Advokaten Fröschel, den Gerhard selbst im Frühjahr 1596,
kurz vor der Vollendung der Michaelskirche, in derselben herumführte.
Fröschel schreibt Am 24. April hat meister Ruprecht Gerhardi, ein Nieder-
länder, mit uns gen mittag gessen, welcher hie auf dem Perlach den götzen-
rörkasten" formirt und gossen und jetzt zu München in die neue Jesuiter-
kirchen ein gantzen haufen götzen, deßgleichen herzog Wilhelmen
begrebnus gar kunstlich mit gegoßnen bildern zugericht. Am 25. April hat
uns obengenann-
ter m. Ruprecht
Vormittags in der
Jesuiter noch un-
ausgebaute kir-
chen gefuert, da-
vor in einem ge-
mach beisammen
gesehen 25 gro-
ße heilgen bilder,
so in gedachte
kirchen kommen
sollen, größer als
menschengröße;
er liert uns auch
in sein werck-
statt, darnach
abends an andre
ort, alda wir
Abb. 15. Hubert Gerhard, Die Auferweckung des Lazarus, Bronzerelxef vorn Grab-
gßSeheü etliche mal des Dr. Meermann in der Frauenkirche in München
schöne stuck ca-
pitel und gesimps von schwartzem marmelstein, item ein großes cruciiix,
mannsgröß, von metall gossen, so der treilich künstler Joann de Bologna,
jetziger zeit zu Florentz, soll gemacht haben, item ein großen engel, große
Weibsbilder, helden oder ritter, vier lewen, alle zu dem fürstlichen epitaphio
gehörig, gar kunstlich von ime, m. Ruprechten, gemachtß" Die zuletzt auf-
gezählten Bronzen sind alle noch erhalten. Der große Engel mit dem Weih-
wasserbecken steht heute im rechten Seitenschiff der Michaelskirche, die
vier prächtigen Löwen sind seit 1615 vor der Residenz aufgestellt, während
selbe in München und seine Bauten", herausgegeben vom Bayrischen Architekten- und Ingenieur-Verein,
München rgu, Seite 98. Vgl. auch Nagler, Acht Tage in München", 1862, Seite 98, und Braun, Die
Kirchenbauten der Jesuiten", Band II, Freiburg rgxo, Seite 60, Anmerkung z. Anderer Meinung Frankl im
Münchner Jahrbuch für bildende Kunst", 1916, Seite rg, Anmerkung x53.
Gemeint ist der Augustusbrunnen.
F. Roth, Der Augsburger Jurist Dr. Hieronymus Fröschel und seine Hauschronik von r528-x6oo",
in der Zeitschrift des historischen Vereins für Schwaben und Neuburg", rgxz, Seite 57, Anmerkung 3.
Fröschel ist der Vater des für Kaiser Rudolf lI. tätigen Miniaturrnalers Daniel Fröschel.
124
die vier Ritter am Grabmal Kaiser Ludwigs in der Frauenkirche Abb. als
Wächter" verwendet wurden; unter den zwei großen Weibsbildern"
könnte man die auf dem Ludwigsgrab sitzenden allegorischen Gestalten der
Weisheit und Tapferkeit vermuten.
Die effektvolle,Kolossalgruppe des Erzengels Michael im Kampfe mit
Luzifer an der Fassade Abb. die als Werk Gerhards anderweitig gut
beglaubigt istf erwähnt Fröschel nicht. Sie bildet gewissermaßen außen ein
plastisches Gegenstück zu dem riesigen Altargemälde des Christoph Schwarz
im Innern der Kirche. Beide Erzengel, schlanke, hochaufgeschossene Gestalten
im Geschmack jener Zeit, gleichen sich hinsichtlich der Körperbildung und
der herabwallenden faltenreichen Gewandung. Während aber der Maler Engel
und Teufel durch einen weiten Raum scheidet, muß der Bildhauer, wenn er
nicht die Gruppe zerreißen will, beide Gestalten in körperliche Berührung
miteinander bringen. So steht bei Gerhard St. Michael mit beiden Fiißen auf
Leib und Brust des bockfüßigen Unholdes, der mit dem rechten Arm die Lanze
zurückzustoßen sucht. Eine andere Lösung versucht rund 15 Jahre später
der ganz italianisierte
Hans Reichel an der
Fassade des Augsbur-
ger Zeughauses. Hier
tritt der Engel, als
wenn er soeben aus
der Luft herabgefahren
wäre, nur mit einem
Fuß auf den nieder-
geschmetterten Satan
und schwingt hoch in
derRechten einSchwert.
1588 erhielt der Gießer
Martin Frey als Gießerlohn für
das Bild des St. Michael an der Je-
suitenkirche 300 Gulden Westen-
rieder, a. a. 0., Seite x01; vgl.
Zonrnann im Münchner jahr-
buch für bildende Kunst", 1910,
Seite 9x, Anmerkung 53. Die
Zahlung für das Formen und Ver-
schneiden des St. Michaelis-Bil-
des an Hubert Gerhard im Be-
trage von 80a Gulden wird in
einer Hofzahlamtsrechnung des
Jahres x59 gebucht Westen-
rieder, a. a. 0., Seite x09, und
Mitteilungen der Bayrischen Nu-
rnismatischen GesellschafFßXlX,
1900. Seite 35. Auf dem Stich
des Lukas Kilian nach einer will-
kiirlichenZeichnungCandidswird
die Gruppe als opus ex aere
Hubert Gerardi Holland." be-
Abb. x6. Pieta von Hubert Gerhard, gestochen von Jan Sadeler zeichnet.
Gerhards Gruppe wirkt
geschlossener, ein-
heitlicher. In der un-
ruhigen, eckigen, aber
schwungvollen Füh-
rung der Umrißlinien,
dem mannigfaltigen
Spiel der Lichter auf
den vielfach gebro-
chenen und gewun-
denen Flächen äußert
sich sein malerisch
empiindendes nordi-
sches Temperament,
während auf den Aus-
druck der Gemütsbe-
wegung in den Ge-
sichtszügen des Mi-
chael hier wie sonst
weniger Wert gelegt
ist. Die Psychologie
des Barockstils liegt
ihm noch fern. Das
Gewand ist so ange-
ordnet, daß die Körper-
formen und namentlich
die Funktionen der
Gelenke, zum Beispiel
lder Kniee, deutlich
Sichtbar werden, Als Abb. 17. nimm Gerhard, Holzgeschnitzte Pietä in der Michaelskirche zu
dekoratives Schau- Manch"
stück auch heute noch von starker Wirkung, muß Gerhards St. Michael
eine der bezeichnendsten und wertvollsten Leistungen der am Münchner
Hof begünstigten internationalen Spätrenaissance" Dehio genannt werden.
Einen ganz anderen Charakter weist seiner praktischen Bestimmung
gemäß der Engel mit dem Weihwasserbecken auf Abb. 8. In gerader
Haltung und völliger Frontalstellung, regungslos wie eine Karyatide, steht
er da, den Blick geradeaus gerichtet. Nur die eleganten, nervös auf dem
schwarzen Marmorbecken spielenden Finger verraten inneres Leben?! Die
leicht aufgestülpte Nase verleiht dem Gesicht einen rokokoartigen Typus,
der auch sonst in dieser Zeit nicht selten ist. Ruhig fließen die Falten an
der hohen Gestalt herab, deren Proportionen, wohl in Rücksicht auf den
Diese Finger und der Umstand, daß die Flügel angenietet sind, haben wohl zu der Legende Ver-
anlassung gegeben, daß der Engel ehemals eine heilige Cäcilie gewesen sei. Höhe der Figur 1'8c Meter.
geplanten Standort, einige Willkür erkennen lassen. Sehr gut läßt sich
an dieser Bronze beobachten, wie Gerhard die Augen behandelt. Im
Gegensatz zu Adrian de Vriesx und wohl auch zu Bologna sucht er stets
die Iris des Auges durch ein Loch plastisch darzustellen, strebt also auch
hier nach einer rein malerischen Wirkung. Durch die tiefe Unterhöhlung
des unteren Augenrandes und das Herüberziehen des oberen Augenlides,
das nicht in einem Winkel mit dem unteren zusammenstößt, erreicht
er eine größere Beschattung und damit ein stärkeres Hervortreten der
Augenpartien. Die mit großer Sorgfalt und Akkuratesse ausgeführte Model-
lierung aller Teile, namentlich der Schmuckstücke, Locken und des Ge-
üeders der Flügel, erhöht die anziehende Wirkung dieser Bronze.
Ähnlichen dekorativen
Zwecken dienten die knienden,
Standarten haltenden Krieger
Abb. und die Löwen," bei
denen daherauf die sorgfältige
Durchbildung des Omamen-
talen besonderer Wert gelegt
ist. Die prunkvollen Rüstungen
imfranzösisch-italienischenGe-
schmack, die Phantasiehelme
mit den Greifen und Hippo-
gryphen, allesist bedeckt, doch
nicht überladen, mit fein stili-
sierten groteskenartigen Zier-
formen Akanthusranken, die
aus Blütendolden hervorwach-
sen, Löwenköpfe, Fratzen,
Drachen, Tritonen, Seeweib-
chen und anderes, die ein im
Norden ungewöhnliches Ver-
ständnis für den reinen Adel
des Renaissanceornaments ver-
Buchwald, Adriane de Vries",
Leipzig 1899, Seite 3c; vgl. Seite 96.
Nur je ein Paar der Trabanten und
Löwen ist von Gerhard selbst modelliert,
und zwar, wie an der besseren Ausführung
zu erkennen ist, die beiden der Eingangstiire
zunächst aufgestellten Wächter und von den
Löwen die beiden, die das der Preisingstraße
gegenüber gelegene Residenzxor bewachen.
Die anderen hat Pallago im Anschluß an
Gerhards Vorbilder geschaßen. Vgl. K. Traut-
mann in Monatsschrift des historischen
Vereins von Oberbayern", 1896, Seite 1B,
Abb. 18. Hubert Gerhard, Engel in der Michaelskirche zu Nagler, Künstlerlexikonä XL, Seite 462,
München und Ree, a. a. 0., Seite m6.
127
raten und daher eine Fundgrube für moderne Ornamentzeichner geworden
sind. Trotzdem machen diese Krieger in ihrer GeschraubtheiW Lübke
mit ihren martialischen Bärten einen durchaus nordischen Eindruck. Dies
Individuelle ihrer Erscheinung unterscheidet sie vorteilhaft von ähnlichen
Grabwächtern der Zeit, wie etwa den Trabanten des Cornelis Floris am
Grabmal Christians III. in Roeskilde. Wahre Prachtstücke der ornamentalen
Zierkunst sind auch die mit einem sinnbildlichen Relief geschmückten Schilde
der Löwen Abb. m. Hier tritt ausnahmsweise bei Gerhard das Rollwerk
auf, in dessen Verwendung sich seine engeren Landsleute gerade in dieser
Zeit nicht genugtun können. Dies Kartuschenrollwerk ist jedoch derart
organisch empfunden, daß man eher an italienische Anregungen als an
nordische Vorlagen, wie die des
Vredeman de Vries, denken möchte;
auch die Fratzenbildungen, in die das
Rahmenwerk oben und unten aus-
läuft, erinnern an beliebte Motive der
Bolognaschule.
In der Michaelskirche hängen
vier Bronzereliefs mit Darstellungen
von Auferstehungen undAuferweckun-
gen Abb. bis 14, deren einstrnalige
Bestimmung für das Wilhelmsgrab
nicht zweifelhaft sein kann." Die
Wahrscheinlichkeit spricht daher
schon für die Autorschaft Gerhards.
Die vielfigurigen, wie Gemälde kom-
ponierten Reliefs" sind in dem kühlen,
fast klassizistischen Geschmack ge-
halten, der auch den Arbeiten der
Bolognaschule eigen ist. Von diesen
trennt sie aber der Verzicht auf eigent-
liche Tiefenwirkung. Diagonallinien,
Überschneidungen,Verkürzungenund
sonstige perspektivische Hilfsmittel
Vgl. die Erörterung des Wilhelmsgrah-Pro-
jektes von Trautmann in Kronseders Lesebuch zur Ge-
schichte Bayems", 1906, Seite rBg. Die Maße bewegen
sich nach eigener Messung zwischen 10g und x27 Zenti-
meter für die Breite und 76 bis 82 Zentimeter für die
Höhe. Die schweren Umrahmungen sind aus dem
gleichen schwarzen Marmor, aus dem auch andere Teile
des Wilhelmsgrahes bestehen.
Direkte Vorbilder lassen sich nicht nach-
weisen, sind auch kaum anzunehmen. An Candid
oder Sustris ist nicht zu denken! Christi Auferstehung
hat entfernte Berührungspunkte mit Sansovinos Relief Abb. xg. Hubert Gerhard, Engel in der Michaelskirche
an der Tür von San Marco. zu München
18
128
zur Herstellung der Raumesvorstel-
lung werden möglichst gemieden. Der
Künstler begnügt sich in gewollter
Primitivität mit zwei Flächen, einer
vorderen, aus der die Köpfe und
Hände vollplastisch hervorspringen,
und einer hinteren, in der die Land-
schaften und weitere ganz schwach
erhabene Figuren in kleinerem Maß-
stab eingeritzt sind. Es ist eine Mi-
schung von altertümlich strengem
und freiem Reliefstil. Im einzelnen ist
vieles vorzüglich die strenge Klarheit
der Bewegungsmotive wie der Ge-
wandbehandlung, die vielen charakter-
vollen Greisenköpfe, die sprechenden
Hände, die Zierlichkeit des 0mamen-
talen. Was uns in der Annahme be-
stärkt, daß diese Reliefs von Gerhards
Hand modelliert sein müssen, ist ihre
nahe Verwandtschaft mit der Auf-
erweckung des Lazarus vom Grabmal
des Dr. Meermann in der Frauen-
kirche Abb. 15, die stets für ein
Werk Gerhards gegolten hatfk Die
stilistische Übereinstimmung ist so
groß, daß ein und derselbe Autor an-
genommen werden muß. Stellt sich
doch das Meerrnann-Epitaph als eine
Umarbeitung der Auferweckung des
Lazarus in der Michaelskirche dar.
Abb. 2o. Hubert Gerhard. Engel in der Michaelskirche
1., München D16 samtlrchen sieben Figuren des
Vordergrundes finden sich mit ge-
ringen Abweichungen in der Frauenkirche wieder. Weggelassen sind nur
die zwei Apostel zur Rechten, während die anmutige Gestalt der neben
Lazarus knienden Schwester hinzugefügt ist; auch der Hintergrund ist
Schon bei Lipowski, "Bayrisches Künstlerlexikon", 18m, Seite 69, MarggralT. München und seine
Bauten", 1845, Seite x75 und Sighart, Geschichte der bildenden Künste in Bayern", München 186, Band II.
Seite 698. Vgl. Anton Mayer, Die Domkircbe in München", 1568, Seite 25g. Das Grabmonument des Dr. Thomas
Meerrnann von Schönberg aus rotem Marmor, dessen Schmuck dieses angeblich mit zooo Gulden bezahlte
Relief bildete, stand früher in der nahen Salvatorkirche, wo es noch Rittershausen, Merkwürdigkeiten der
Residenzstadt München", 1788, Seite x34, erwähnt. Da das Relief in der Georgskapelle der Frauenkirche in
der Nähe einer Grabinschrift aus dem Iabre x72! eingemauert wurden ist, sind die Kunstdenkmale des König-
reichs Bayem" Regierungsbezirk Oberbayern, 2. Teil, 1902, Seite 981 auf den Irrtum verfallen, dasselbe für eine
"trefflich komponierte und technisch vollendete, aber etwas leere Arbeit des XVlIl. Jahrhunderts" zu erklären;
ebenso Dehio, Handbuch der Kunstdenkmäler", III, Seite 298. Die Maße sind Höhe gx, Breite x21 Zenti-
meter. Das Relief ist also fast ebenso breit und nur wenig höher als die der Michaelskirche.
ähnlich behandelt. Durch diese Veränderungen ist nun aber die Handlung
deutlicher geworden, indem die Aufmerksamkeit sofort auf die Haupt-
personen, Christus und Lazarus, hingelenkt wird. Die störende Isokephalie
ist verschwunden; die Linie hebt und senkt sich jetzt über den Köpfen der
vorderen Figuren in gleichmäßiger Wellenbewegung. Durch das Höher-
stellen der Hintergrundfiguren und die Beschränkung auf zwei Felskulissen
erhalten die Hauptpersonen mehr Bewegungsfreiheit. So muß das Meermann-
Epitaph als die fortgeschrittenere Lösung derselben Aufgabe angesprochen
werden. Es ist das Werk eines reiferen Künstlers, eine Feststellung, die
mit den Entstehungszeiten der Reliefs übereinstimmt; denn Dr. Meermann
ist 1612 gestorben. Sein Grabmal dürfte also erheblich später als die Reliefs
für das Wilhelmsgrab entstanden sein. Der aus Köln stammende herzogliche
Leibarztt scheint übrigens ein besonderer Kenner und Verehrer der Kunst
des holländischen Bildhauers gewesen zu sein. Wir finden ihn 1597 in der
Kommission, die die fertigen
Bronzen der Michaelskirche
abschätzen soll," und weiter
erscheint sein Name auf
einem von Johann Sadeler
ihm gewidmeten Stich, der
eine Pietägruppe Gerhards
wiedergibt. Diese Beziehun-
gen sprechen für die Richtig-
keit der alten Tradition, nach
der er sein Grabmal durch
Gerhard anfertigen ließ.
Jener Sadelersche Stichwk
Abb. I6 führte mich auf die
Über Meermann siehe die All-
gemeine Deutsche Biographie", Band 2x,
und ,,A1tbayrisehe-Monatsschrift", III.
Trautmann, Monatsschrift des
historischen Vereins von Oberbayern",
Seite x18.
Folie. Die Unterschrift lautet
Hanc irnaginem serenissimi Bavariae
uducis statuarius Huberqus Gerardus
sculptarn clarissimo excellentissimoque
viro ac domino Thomae Mermanno prac-
fati principis consiliariis et medicis
dono dat Joann Sadeler scalpsit
excudit Monachii." Eine Kopie im
Gegensinne Hubert Gerard Inventor"
ist 1604 datiert. Der Stich dürfte zwischen
r584, in welchem Jahre Meermann den
Ratstitel erhielt, und 1586 entstanden sein,
da er noch nicht den ihm in letzterem
Jahre von Kaiser Rudolf II. verliehenen
Adelstitel von Schönberg führt; spätestens Abb. 2x. Hubert Gerhard, Der Apostel johannes in der Michaels-
1595 übersiedelte Sadeler nach Venedig. kirche zu München
x30
Spur der interessanten h0lzge-
schnitzten Gruppe Maria mit dem
Leichnam Christi, die vergessen
und verstaubt seit alters in einer
Nische neben dem Eingang zum
Oratorium derMichaelskirche steht
Abb. r7."' Sie ist eine Variation
desselben auf Michelangelo zurück-
gehenden Pietatypus, den auch
die gestochene, wahrscheinlich
gleichfalls in Holz gearbeitete"
Skulptur Gerhards wiedergibt.
Übereinstimmend imGegensatz
zu Michelangelo namentlich die
Vertikalen des rechten Armes und
der fast parallelen Unterschenkel
sowie das Sichtbarmachen des
linken Armes, der in der gesto-
chenen Gruppe allerdings nicht in
dieser preziösen Weise demon-
striert wird, weiter die wuchtige,
tief eingeschnittene Draperie, die
den Gedanken an ein Gußmodell
nahelegt. Der Christuskopf ent-
spricht dem von Bologna geschaf-
fenen Idealtypus, den ja auch
dessen das Wilhelms-Mausoleum
Abb. 22. Hubert Gerhard, Der Apostel Bartholomäus in krönender Crucisxus und in glei-
der Michaelskirche zu München cher Weise die besprochenen Re-
liefs Gerhards zeigen. Der meister-
haft durchgebildete Körper, der nicht so stark verkleinert ist wie bei
Michelangelo, verrät genaueste Kenntnis der Anatomie. Die Art der Auf-
stellung, die Größenverhältnisse, die Form des Postaments und anderes
deuten darauf hin, daß die Gruppe für diesen Platz geschaffen wurde.
Wenn auch die Ausführung in Holz nicht von Gerhards Hand herzurühren-
braucht, so dürfte doch angesichts der Ähnlichkeit jener gestochenen Gruppe
nicht daran zu zweifeln sein, daß der Entwurf auf ihn, den leitenden Bild-
hauer der Michaelskirche, zurückgehtfii"
Höhe etwa x50 Zentimeter, Breite am Sockel 95 Zentimeter; das Postarnent ist etwa 65 Zentimeter
hoch. Weißer Anstrich neuerer Zeit. In der kunsxhistorischen Literatur wird die Gruppe nirgends erwähnt.
Lipowski, a. a. 0., und Nagler, Kiinsderlexikonü Seite 11x, übersetzen
alten Überlieferung folgend, mit Seschnitzw.
Ähnliche Auffassung zeigt das in diesen jahren in München gemalte Vesperbild des Hans von Aachen
R. A. Peltzer im Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses", XXX, Fig. 25
und Tafel r.
sculptam", vielleicht einer
Vor den Bronzen
haben die StuckFiguren
die größere Frische
und Unmittelbarkeit
der Mache voraus.
Mit diesem teilweise
durch das Material
bedingtenVorzugrnag
es zusammenhängen,
daß sich hier die Ab-
hängigkeit von der
italienischen Kunst
noch weit stärker be-
merkbar macht als bei
den Gußwerken, die
doch immerhin noch
hinsichtlich Formen-
gebung und Inhalt
manche nordischen
Eigentiimlichkeitenbe-
sitzen. Diese großen
Statuen von Aposteln,
Heiligen und Engeln
dagegenkönneneben-
sogut am Arno wie an
der Isar stehen Abb.
18 bis 22 und de-
monstrieren so am
augenfälligsten die un-
geheure Umwälzung,
welchediesüddeutsche
Plastik in den letzten Jahrzehnten des XVI. Jahrhunderts durchgemacht
hat? Den architektonisch-dekorativen Zwecken entsprechend ist alles an
diesen Bildern groß gesehen. Eine ernst gemeinte hohe formale Schönheit,
Abb. 23. Pieta, Stuckrelief in der Michaelskirche zu München
Braun a. a. 0., Seite 6G, möchte daher dem italienischen Gehilfen Gerhards. Michele Castello, der
zo jahre später mit Antonio Castello die sehr gerührnten Stuckliguren und Reliefs in der Hofkirche zu Neu-
burg a. D. gemacht hat, einen Teil der Statuen der Michaelskirche zuschreiben. Wahrscheinlicher erscheint mir,
daß die Castelli, die später auch in der Münchner Residenz tätig sind, sich unter Gerhards Leitung zu dieser
Bedeutung aufgeschwungen haben. Diese Stuckatorenfamilie, deren Name noch im XVlll. Jahrhundert in Süd-
und Westdeutschland erscheint, verdiente überhaupt eine eingehende Untersuchung. Auch die Apostelfiguren
der Gabrielskapelle des Sebastian-Friedhofs in Salzburg von Elia Castello vgl. Walcher von Mollhein in dieser
Zeitschrift, XIII. igro, Seite 574 Thieme-Beckers Künstlerlexikonü VI, Seite 14g, und Osterreichische Kunst-
topographie", Band Xlll, xgi4, H. Tietze, "Stadt Salzburg", Seite x41 stehen mit denen in der Michaelskirche in
Zusammenhang, desgleichen die mehr handwerksmäßigen Arbeiten des Antonio und Pietro Castello im Kloster
Wettingen bei Zürich, die ich vergleichen konnte. Auch die Stuckdekorationen der Salvatorkirche in Prag
wären heranzuziehen. Anlehnung an Gerhard offenbaren auch die hölzernen Apostelfiguren der durch die
bayrischen Fürsten reichlich dotierten jesuitenldrche in Köln von Geisselbrunn.
die nach unserem Empfinden wenigstens von Pose" weit entfernt ist, kommt
überall zum Ausdruck. Unter den Engeln namentlich interessieren einige
durch ihre Ähnlichkeit mit antiken Genien oder Viktorien vgl. Abb. I8.
Die Gewandung ist manchmal wie von einer momentanen Bewegung
aufgebauscht und so malerisch drapiert, daß unwillkürlich die Erinnerung
an spätere Barockplastik lebendig wird. Stellt man dann aber den bronzenen
St. Michael in die Reihe ein, so tritt deutlich vor Augen, wie, abgesehen
von der Gleichheit der Körper- und Gesichtsbildung, der Übereinstimmung
der Tracht und des Faltenschwunges, bei allen diesen Engeln derselbe
malerisch empfindende Plastiker zu Wort kommt. In der Wahl der
Bewegungsmotive und in der Charakterisierung herrscht auch bei den
Heiligen eine große Abwechslung?" Während zum Beispiel der Apostel
Johannes wie ein Prediger mit dem Kelch in der Hand melancholisch da-
steht Abb. 2x, spricht aus den Bewegungen des cholerisch aufgefaßten
Bartholomäus eine innere Erregung, die sich bis in die Gewandbehandlung
hinein äußert Abb. 22. Im übrigen finden sich gerade bei den Aposteln
manche Berührungspunkte mit den Figuren der Bronzereliefs. Gemeinsam
ist fast allen Stuckfiguren Gerhards das Vorstrecken des einen Armes, eine
Eigentümlichkeit, die schon bei den Herrschern und Frauen des Kirchheimer
Saales auffällt und die wohl mit seiner Vorliebe für die weitausgreifende
Gliederung erlaubende Bronzetechnik zusammenhängt, aber auch bereits
die spätere Barockentwicklung ahnen läßt.
Welch schöne Blüten die Stucktechnik damals auch sonst noch in der
Michaelskirche hervorgebracht hat, möge ein kleines Relief illustrieren
Abb. 23, das vollkommen unbeachtet im Oratorium hängt," wiederum
ein Vesperbild", dessen Ernst aber durch die vielen graziösen Engelknäblein
gemildert wird. In der Zeichnung und der zarten Modellierung von einer
außerordentlichen Feinheit, dürfte dieses bemerkenswerte Werk Hubert
Gerhard oder doch seinem nächsten Kreise angehören.
Im Juli 1597 konnte endlich die Einweihung der Michaelskirche und
ihre Übergabe an die Jesuiten stattfinden. Bald nach der Erfüllung dieses
seines Herzenswunsches zog sich Herzog Wilhelm V., überdrüssig des
Kampfes mit seinen Ständen, die ihm Verschwendung vorwarfen, in die
Einsamkeit von Schleißheim zurück und überließ die Regierung seinem
sparsameren Sohn Maximilian. Das allzukühne Projekt des Wilhelms-
Mausoleums, dessen Vollendung auch Gerhards Ruhm weithin verbreitet
haben würde, war damit zu Grabe getragen, und für den Bildhauer ergab
sich daher die Notwendigkeit, einen anderen Wirkungskreis zu suchen. In
dem Deutschmeister Erzherzog Maximilian, dem Bruder Kaiser Rudolfs II.,
der nach Ferdinands Tod das Land Tirol verwaltete, sollte er einen neuen
Gönner und I-Ierrn finden. Im Jahre 598 muß Gerhard in dessen Dienste
getreten sein. Aus einer Urkunde, die Maximilian am 24. August 1613 in
Die geringwenigeren heiligen Figuren des Querschiifes können nicht von Gerhard sein.
Hoch 56, breit 4012 Zentimeter. Holzrahmen im Stile der Sustris-Zeir.
Innsbruck ausstelltef" erfahren wir, daß Robert Gerardi" durch 15 Jahre
dem Erzherzog als statuarius und possierer" treu und fleißig gedient hat.
Es geht aus dem Schriftstück hervor, daß der Erzherzog dem Bildhauer die
Entlassung nur wegen
seines hohen Alters
und auf sein Bitten er-
teilte. Maximilian re-
sidierte erst seit x6o2
nach einem sehr be-
wegten Leben ständig
in Innsbruck. In den
letzten Jahren vor sei-
ner Übersiedlung nach
Tirol weilte er bald im
Osten als Oberbefehls-
haber gegen die Tür-
ken, bald auf seinem
Schlosse zu Wiener-
Neustadt oder in sei-
nem Ordenssitze Mer-
gentheim im heutigen
Württemberg. In der
zweiten Hälfte des
Jahres 1599 besuchte er
auf einer Reise an die
deutschen Fürstenhöfe
auch München und die
Michaelskirche." Mög-
licherweise besteht
zwischen diesem Be-
such und der Berufung
Gerhards ein Zusam-
menhang. Dieser blieb
sicherlich zunächst in
München, wo er seit
590 ein Haus besaßfi"
Jahrbuch der kunsthi-
storischen Sammlungen des Aller-
höchsten Kaiserhauses", XVII,
g.
Abb. 4. Hubert Gerhard, Erzherzog Maximilian der Deutschmeister Düssel-
dorf, Direktor P. Pastor
Reg. 14784. Die im folgenden benutzten. schon vor längerer Zeit publizierten Urkunden sind wohl deshalb nicht
genügend beachtet worden -auch nicht von Josef I-Iirn, Erzherzog Maximilian der Deutschmeister, Regent
von Tirol"; I. Band, Innsbruck 1915 weil der Name stets in anderer korrumpierter Form, bald als Erhart
Rupertus, bald als Robert Gerardi, dann wieder als Gipsgießer Hubert" oder Hruprechw auftritt.
Adalbert Schulz. Die St. Michaels-Hofkirche", München, 1897, Seite B3.
Dieses in der heutigen Herzogspitalgasse gelegene Haus, für das Gerhard 2035 Gulden bezahlt hatte,
ging nach seinem Tod anzseinen Sohn Wilhelm, den Sekretär des Herzogs von Leuchtenberg, über Trautmann
in der Altbayrischen Monatsschrift", IX xgogäo, Seite B".
Seine zahlreiche Familie ließ er auch später dort zurück. Bei dem feierlichen
Empfang des Deutschmeisters am 8. Juli 1602 zieht unter dem stattlichen
Gefolge auch der Künstler" Rupertus Erhard mit seinen Gesellen in Inns-
bruck ein?" Für die nun folgenden Jahre bis in den Sommer 1613 müssen
wir zwar nicht einen ständigen, aber doch einen sich stets wiederholenden
Aufenthalt Gerhards in Innsbruck annehmen. Der Erzherzog spricht gelegent-
lich selbst von dessen Reisen nach I-Iaus".""' Maximilian schwebte offenbar
der Gedanke vor, die alten, durch Kaiser Maximilian I. und die Arbeiten für
dessen Grabmal begründeten Traditionen Innsbrucks als einer wichtigen
Pflegestätte der Erzgießkunst durch Hubert Gerhard mit neuem Leben zu
erfüllen. Denn der greise Alexander Colin vermochte nicht mehr viel zu
leisten. Ein tüchtiger Gießer aber war in der Person Heinrich Reinhards
vorhanden und in Kaspar Gras aus Mergentheim, den der Deutschmeister
zu Gerhard in die Lehre gabj-W" erstand diesem ein wertvoller Gehilfe, der
ihn später ganz ersetzen sollte.
Wer die Gesellen waren, die mit
Gerhard aus München kamen,
wissen wir leider nicht; es ist
möglich, daß der als Elfenbein-
schnitzer am Münchner I-Iofe
berühmte Bildhauer Christoph
Angermairi- aus Weilheim in
Hirn, Tirols Erbteilung etc." im
"Archiv für österreichische Geschichte" 92, II
1903, Seite 355, Anmerkung 4.
Schreiben vom 21. September r6o5
Jahrbuch der kuristhistorischen Sammlungen
des Allerhöchsten Kaiserhauses", XIX,
Reg. X6574.
Die bisher unbekannte Tatsache,
daß Kaspar Gras, der Schöpfer des Leopold-
brunnens in Innsbruck, ein Schüler Gerhards
ist, die schon aus dem stilistischen Zusammen-
bange zu vermuten war, wird durch einen
Kammerbericht aus dem jahre rözg zur Gewiß-
heit. Es heißt dort, daß Kaspar Gras, als die
in gott rhuende fürstliche durchlaucht erzherzog
Maximilian anno 1602 einen fürstlich
bayerischen statuarium und possierer nach
Innsbruck bringen lassen, von deme die kunst
des possierens erlernet und, nachdem er in
solches die erfahrenheit bekommen, irer durch-
laucht bis in dero ableben für einen statuarium
und possierer gedient und sonderlich mit ver-
fertigung hüchsernannter fürstlicher durch-
laucht ephitauii sowohl andern arbeiten vil
mühe und vleiß angewendt" Fischnaler, Bei-
träge zur Geschichte des Leopoldbrunnens",
Bote für Tirol und Vorarlberg" r894, Seite 295.
Christoph Angerrnayr, Bildhauer,
erhält unter dem 14. März 1506 für eine Bild-
Abb. 15. Hubert Gerhard und Kaspar Gras, Grabmal des hauerarbeit in die Karnmerkapelle Gulden
Erzherzogs Maximilian in der jaltobskirche in Innsbruck ausbezahlt Jahrbuch der kunsthistorischen
Oberbayern unter ihnen war, da
er im Jahre 1606 in Innsbruck
nachweisbar ist.
Auf Gerhards Tätigkeit in
Tirol wirft die Korrespondenz
des Deutschmeisters mit dem
Kammerdiener Kaiser Rudolfs,
dem berüchtigten Intriganten
Philipp Lang, aus den jahren
1604 und r6o5 ein interessantes
Licht" Der Kaiser, der von der
Anwesenheit Gerhards eine un-
gefähre Kunde erhalten haben
muß, äußerte den Wunsch, sein
Bruder möge ihm den Gips-
gießer" auf eine gewisse Zeit
überlassen. Aus der Antwort
Gerhards auf dieses Ansinnen
spricht der ganze Stolz des sei-
nesWertes bewußten Künstlers.
Es wölle ihrne schier ver-
schmachen, umb der gibsarbeit
allein erfordert zu werden", so
schrieb der Erzherzog unter
dem 28.uni16o4 dem Kammer-
diener, zumal der Kaiser den
Adrian de Vries an seinem Hof
habe, der es so wol können
als er und Sein alter vertrauter Abb. 26. Hubert Gerhard und Kaspar Gras, Grabmal des
Erzherzogs Maximilian in der jakobskirche in Innsbruck
gesell von langer zeit hero ge-
wesen, deme er nit gern eindranck thuen wolle." Er wisse wohl, fügt
Maximilian hinzu, daß Hubertus in früheren Zeiten sich auch mit dem Gips
abgegeben habe, aber für ihn habe er nur in metall und Silber" gearbeitet.
Übrigens kenne der Kaiser Huberts Kunstfertigkeit, denn der Erzherzog
habe schon früher zwei Stücke von seiner Hand nach Prag gesandt. die
jedoch nur zum theil aber doch nit allerdings" befriedigt hätten. Es war
das im Jahre 1602 gewesen. Rudolf soll damals geäußert haben, die Arbeit
Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses", XVlI, Reg. 14500. Vgl. Hirn, der unter demselben Datum
ein elfenbeinernes Jesuslcnäblein" im Besitz der Erzherzogin Anna Katharina anführt Erzherzog Maximilian",
Seite 37x. Es ist das die früheste Erwähnung des Bildhauers. Vgl. über ihn Thieme-Beckers Künstler-Lexikon",
Band I.
Erzherzog Maximilian an Lang, Innsbruck, 28. Juni r6o4 jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen
des Allerhöchsten Kaiserhauses", XIX, Reg. 1648i. Langs Antwort aus Prag vom ro. juli rGo4 in Band XVII,
2. Reg. r4556. Die weiteren Schreiben Maximilians an Lang vom 2x. September und 3x. Oktober r5o5 aus
Innsbruck in Band XIX, z. Reg. r5574 und 16589; in letzterem wird eine Antwort Langs vorn 25. Oktober 1605
erwähnt. Vgl. auch Reg. 16582.
sei subtil und sauber, aber die Darstellung etwas schlecht; Meister
Adrian machs um ein gutes besserf" Nun wollte der Kaiser wohl sein
strenges Urteil revidieren, denn er wünschte, wie Lang am 10.Juli 1604
mitteilt, daß der Künstler noch ein Stück von Metall für ihn gießen
möge. Von der Berufung nach Prag aber ist nicht mehr die Rede.
Abb. 17. Hubert Gerhard, Mars, Venus und Amor Wien, Hofrnuseum
Die Erledigung
des kaiserlichen
Wunsches ver-
zögerte sich bis
ins folgendejahr,
da Gerhard in-
folge mehrmals
furgefallenerleibs-
Schwachheit als
ein alter mann"
und wegen seiner
Reisen nach Hau-
se nicht rechtzei-
tig fertig wurde.
Erst am 21. Sep-
tember 1605 sen-
det Maximilian
die Arbeit an den
Kamrnerdienerab.
Es ist gewiß das
gegossen pild,
mit gewixtem
tuech überbun-
den", das der Vi-
zedom von Öster-
reich ob der Enns
am 10. Oktober
im Auftrag des
Erzherzogs Lang
Bericht des
Agenten Maximilians vom
Kaiserhofe vom LAugust
1601 Die vom Kaiser ge-
wünschten Bilder, die der
Gießer Maximilians ge-
macht, seien angekom-
men und durch den Kam-
merdiener Mschnwsky
iibergebenwordemdieser
habe obige Äußerung er-
zählt. Hirn, a. a. 0., Seite
352, Anmerkung z.
zogs Albrecht,
übermittelt?" Aus dem letzten Schreiben Maximilians in dieser Angelegenheit,
vom 31. Oktober r605, erfährt man noch, daß der Kaiser der Meinung war, sein
Bruder habe dem Bildhauer aus irgend welchen geheimnisvollen Gründen
bestimmte Anweisungen für seine Arbeit gegeben, was Maximilian bestreitet?
Zu Beginn des Jahres 1607 scheint Gerhard die Absicht gehabt zu
habemseinelnns-
brucker Stellung
aufzugeben und
in den Dienst des
Statthalters der
spanischen Nie-
derlande Erzher-
des dritten Bru-
ders Maximilians,
zu treten. In einer
vom 1. Februar
dieses jahres aus
Brüssel datierten
Urkunde nehmen
Albrecht und Isa-
bella den Hubert
Gerardi, statu-
aire et sculpteur
de 1'archiducq
Maximilien", auf
seinen Wunsch
unter ihre Diener
Jahrbuch der
kunsthistorischen Samm-
lungen des Allerhöchsten
Kaiserhauses", XIX,
Reg. M582.
Der Kammer-
diener solle irer majestät
keklich vermelden, das
wir uns nit zu erinnern
wissen, das wir derglei-
chen, darvon du anregung
thuest, weder bei irer
majestät gesehen noch
dem Huberto, wie oder
was gestalt er's machen
und formieren solte, in
wenigsten bevolhen ha-
ben, sondern hat's blos
also aus seinem kopf und
nach seinem eigenen wol-
gefallen passiert, wie es
da vorhanden ist". Abb. 28. Hubert Gerhard, Herkules, Dejanira und Nessus Wien, Hofrnuseum
auf und verleihen ihm deren Privilegien." In der Einleitung wird zwar gesagt,
der Bildhauer habe sich bereit erklärt, dem Rufe Albrechts und Isabellas
baldigst zu folgen, pour prendre par-deca fixe residence, aiin de s'employer
de temps aultre en ce qu'elles leursdictes Altezes luy en chargeront",
ein Aufenthalt Gerhards in Brüssel läßt sich aber aus diesem Wortlaut
nicht ohne weiteres folgern." In der sechs jahre später ausgestellten Ent-
lassungsurkunde Maximilians wird eine längere Unterbrechung seiner
Tätigkeit nicht einmal angedeutet.
Auf der Suche nach vorhandenen Werken Gerhards aus seiner Inns-
brucker Zeit leisten uns die allgemein gehaltenen Angaben der mitgeteilten
Urkunden leider nur geringe Beihilfe. Etwas präziser drückt sich dagegen
der stets gut orientierte Augsburger Kunstliebhaber Philipp I-Iainhofer in
seinen Briefen aus. Er spricht da 1610 von einer bronzenen Reiteriigur des
Deutschmeisters, erzherzog Maximilian auf ein pferdt sitzent, welches
I-Iruprecht rund und groß in brunzo" gemacht hatte, und erzählt weiter
Das obgedachte pferdt, darauf erzherzog Maximilian sitzet, hat anfangs
I-Iruprecht auß befelch ihrer durchlaucht rund und hoch in brunzo nach dem
leben gemacht", und soll diß ein ritratto vom pferdt sein, das ihr durch-
laucht auß ainer großen noth getragen hatßw" I-Iainhofer hat diese Reiter-
Figur nicht selbst gesehen, wohl aber ein Wachsrelief, das der in Augsburg
lebende niederländische Goldschmied jan de VossT nach der Vollfigur
Gerhards angefertigt hatte und das I-Iainhofer dem Herzog von Pommern
nach Stettin sandte. Solche Cavallini nach dem Muster der von Bologna
geschaffenen Mediceer-Denkmäler in Florenz waren bekanntlich ein be-
gehrter Kunstartikel an den damaligen europäischen Fürstenhöfenrl-i- In
Maximilians Nachlaßinventar aus dem Jahre 16191-1-1- findet sich ein der-
artiges Reiterbildnis unter zahlreichen Silberarbeiten auf einem Schreib-
tisch des Schatzgewölbes drei kleine silbern bilder, zue höchst ober ihr
durchlaucht zue roß passirt, beyderseits der Kayn und Hercules von metal".
Auch in der Kunstsammlung des Vertrauten Maximilians von Rosenberg
kommt ein Bild des Deutschmeisters zu Pferd aus Silber 200 Duk." vor"
und vielleicht war auch das in Erz gegossene Bildnis Maximilians, das
Pinchart, Archives des arts", I. Serie, III, Gent 1881, p. 241. Vgl. Wurzbach, Niederländisches
Künstlerlexilton", Seite 580, und Marchal, La sculpture helge", Brüssel 1895, p. 381 und 435, wo aber die
Identität mit dem Münchener Hubert Gerhard nicht erkannt ist.
Eine Tafelordnung vom 14. Mai 1607 fuhrt an der Tafel der Kammerdiener als letzten an Rupertus
Gerhardt, Künstler" Repenorium für Kunstwissenschaft", III, Seite 302.
Doering, Des Augsburger Philipp Hainhofer Beziehungen zum Herzog Philipp I1. von Pommern",
Quellenschriften fllr Kunstgeschichte", N. F., VI, Wien 1894, Seite 78 und 80. Unter der "großen Not" ist
wohl die Flucht Maximilians vor den Türken in der Schlacht bei Erlau am 26. Oktober 1596 gemeint; vgl. Hirn,
a. a. 0., Seite 5a.
Über Jan de Voss, der gleichfalls viel für Maximilian und Rudolf II. gearbeitet hat, vgl. G. I-Inhich,
Die deutschen Medailleure des 16. jahrhunderts", 1g16, Seite M7, und Wurzbach, Niederländischgs Künsq".
lexilton".
Vgl. von Schlosser im "Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiser-
hauses", XXXI. Seite 124.
1-1-1- Dudik, Des Hoch- und Deutschmeisters Erzherzog Maximilians Testament und Verlassenschaft von
1619" Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen", XXXIII, 1865, Beilage IV, Seite 23g.
Hirn, n. a. 0., Seite 364.
1.59
"als deutsche oder niederlän-
dieser 1602 mit anderen Weihgeschenken zur Erinnerung an die Befreiung
Großwardeins dem Kloster Einsiedeln stiftete," ein Reiterstandbild. Bisher
hat sich eine Reiterstatuette des Deutschmeisters noch nicht feststellen
lassen. Doch glauben wir, in einer kleinen Büste, die in mehreren Varianten
im habsburgischen Besitz und
sonst vorkommt," eine ver-
kleinerte Nachbildung jenes
Gerhardschen Modelles aus
dessen Werkstatt zu erkennen.
Die rechte Schulter ist nämlich
in einer bei der Büstenform
ganz unmotivierten Weise hoch-
gezogen. Man muß daher an-
nehmen, daß der Arm erhoben
war und die Hand etwa den
Kommandostab oder die Zügel
hielt; auch scheint die Feldbinde
auf eine militärische Aktion zu
deuten. Die vorzügliche Arbeit,
die wir hier nach einem in Düs-
seldorfer Privatbesitzw bei-ind-
lichen, sehr guten Exemplar ab-
bilden Abb. 24, reiht sich in
ihrer einfachen, ungekünstelten
Art zwanglos in das Werk Ger-
hards ein. Sie paßt durchaus zu
dem Kopf des Hans Fugger
und anderen Porträtarbeiten des
Meisters, die wir später zu be-
sprechen haben. Das Exemplar
des I-Iofmuseums wird zurzeit
dische Arbeit geführt.
Noch in Gerhards Zeit muß
der Plan und die teilweise
Ausführung des monumentalen Abb. 29. Hubert Gerhard, Epitaph des Erzgießers Martin
Grabdenkmals fallen, das der Frey in der Frauenkirche zu München
Deutschmeister gleich anderen auf ihren Nachruhm bedachten Großen
Hirn, a. a. 0., Seite 89'.
Zwei Exemplare im Hofmuseurn von Schlosser, Werke der Kleinplasük in der Skulpturensammlung
des Kaiserhauses", Band Wien xgxo, Fig. 14. Eine andere in den Kunstsammlungen des Hauses Esle
H. I. Hermann in der Zeitschrift Tlr bildende Kunst", XVII, xgoü. Seite 99. Schlosser stellt sie als nahe
verwandt zu den rund 3c Zentimeter hohen Büsten des Erzberzogs Albert und seiner Gemahlin Isabella, deren
Köpfe in Bronze gegossen sind, während das Übrige aus gelbiichem Alabaster gearbeitet ist a. a. 0., Tafel XXXIX.
Direktor Paul Pastor, vorher bei A. S. Drey, München. Höhe übereinstimmend mit dem Wiener
Bilstnhen 13 Zentimeter.
der Zeit schon bei Leb-
zeiten herstellen ließ und
das sich noch heute, in
zwei Teile zerrissen, in der
Jakobskirche zu Innsbruck
befindet Abb. 25 und 26.
Vier gewundene, von Wein-
laub umrankte hohe Bronze-
säulen tragen die Marmor-
platte, auf der Maximilian
lebensgroß im Gebet kniet,
beschirmt von dem erzge-
panzerten St. Georg, der
seineRechte empfehlend über
ihn hält, während der große
Drache sich zu seinen Füßen
ringelt. Die Grundidee zu
dieser Darstellung hat den
Erzherzog schon in jungen
Jahren beschäftigt, wie ein
Altargernälde aus seinem
SEhlosse zu Wiener-Neu-
stadfk dartut. Etwa um
die Jahrhundertwende dürfte
dann jenes gewandt und
sicher ausgeführte Tonrelief
in der Burgkapelle daselbst
entstanden sein, das wie eine
Vorarbeit zu dem Grabdenk-
mal aussieht und vielleicht
von Gerhard herriihrt." Als
Künstler des Grabmals gilt
Kaspar Gras. Mancherlei
Gründe sprechen aber gegen
dessen alleinige Autorschaft.
Zunächst muß der Entwurf
schon um das Jahr 1608 feste
Gestalt angenommen haben,
denn nach der Inschrifttafel
Ablmgo. Hubert GerhardJ-Ierzog Ferdinand von Bayern hat lD diesem
Mhche"'"'üigg'is'ki"h' Jahre das Denkmal tieri
jetzt im Nationalrnuseum zu Budapest Eber, Der Wiener-Neustädter Altar Erzherzog Maximilian 111.",
Zeitschrift des Ferdinsndeums", lll, 1905, Seite 339 flZ, mit Abbildungen.
Auch Hirn, a. a. 0., Seite 353, weist auf den Bildhauer Hubert als den mutmaßlichen Verferliger des
Reliefs hin. Abbildung auch bei Schönherr, Gesammelte Schriften, Innsbruck 1900, Seite 30.
Abb. 3x. Der Wittelsbaeherbrunnen in der Münchner Residenz
curavit"? Es ist aber unwahrscheinlich, daß nicht der berühmte Meister,
sondern der jugendliche Schüler mit dieser schwierigen Aufgabe, der größten,
die der Erzherzog zu stellen hatte, betraut worden wäre. Als Maximilian
1618 starb, war alles fertig bis auf die vier kleinen Engel an den Ecken und
den Guß der Säulen, die aber schon bossiert waren. Die Anfrage, die im
Februar 1619 namens der Tiroler Regierung an Gras gerichtet wurde,
ob er sich des noch übrigen Werks, weil das fürnembste albereit ver-
fertigt, an einandzubringen unterfangen wolteTb" klingt nicht so, als 0b
Gras der Urheber des Ganzen gewesen wäre. Er übernahm dann die
Modellierung der Engel und die Aufstellung. Ein wie tüchtiger Bildhauer
auch Gras war der Leopoldsbrunnen legt Zeugnis von seinem Können
tf Der Wortlaut bei Tinkhauser, Beschreibung der Diözese Brixen", II, Seite m6. Vgl. die Bestimmungen
bezüglich seiner metallnen Gedecbtnus" in der Stiftungsurkunde Maximilians für die Jakobskirche vom
29.uni 1614 bei Dudik, a. a.O., Seite 245, sowie "Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten
Kaiserhauses", XVlI, Reg. x481o.
"Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses". XVII, Reg. 14851..
Abb. 32. Hubert Gerhard, Der Winter München, Bayrisches National-
museum
es verstanden haben
mag, auf Gerhards In-
tentionen einzugehen,
der altertümliche, stren-
ge Stil des Grabmals
läßt in Übereinstim-
mung mit den ange-
führten Momenten auf
den älteren Meister als
den geistigen Urheber
schließen.
Von den drei Klein-
bronzen, die Gerhard
im Auftrage Maximi-
lians für Rudolf II. ge-
schaifenhatfhlsindmög-
licherweise zwei aus
der Prager Kunstkam-
mer ins Wiener Hof-
museum übergegan-
gen. Wir meinen die
Gruppen I-Ierkules,
Dejanira und Nessus"
58 Zentimeter hoch
und Venus, Mars und
Amor"4r'4Zentimeter
hoch, die schon Buch-
waldl" auf Grund
ihrer Verwandtschaft
mit den Figuren des
Augustusbrunnens zu
Gerhard in Beziehung
gesetzt hat Abb. 27
und 28. Schlosser
möchte sie wegen des kapriziösen, fast rokokoartigen Frauentypus dem
Nach Schönach Beiträge zur Geschlechtskunde tirolischer Künstler", Innsbruck 190g, Seite 49 starb
Kaspar Gras am 6. Mai 1630 zu Innsbruck. Der erzlürstlich österreichische possierer Caspar Gross", der r66x
eine Bezahlung für den vorzüglichen großen Pegasus in Salzburg erhält vgl. I-I. Tielze in dieser Zeitschrift,
XVII, 1914. Seire 263 ER, müßte demnach eine andere Person sein.
Eine vierte Kleinbronze Gerhards erwähnt I-Iainhofer Quellenschriften für Kunstgeschichte", VI,
Seite 238, 239 und 242. Im Jahre röxz übersendet dieser dem Herzog von Pommern eine Bronzegruppe vom
RuprechW, die er zusammen mit einer anderen Bolognas von der Witwe Fürleger in Nürnberg gekauft hatte.
Der Herausgeber bezieht diese Stelle irrigerweise auf den Maler johann Christian Ruprecht. In Augsburg war
der Künstler des Augustusbrunnens natürlich eine bekannte Persönlichkeit, deren Vornamen anzugeben genügte.
Adrian de Vries, Seite 114, Anmerkung 48.
'43
niederländischen Bologna-Schüler Francavilla zuschreiben" Dieser Typus
ist jedoch auch Gerhard nicht fremd; er läßt sich zum Beispiel an der
Wertach des Augustusbrunnens und dem Bronzeengel der Michaelskirche
konstatieren. Bei der Kleinplastik Gerhards, für die wir noch kein sicheres
Spezimen besitzen, dürfen wir ohnehin eine zierlichere ormengebung vor-
aussetzen. Die Übereinstimmung in der rustikalen Auffassung des Motivs
läßt Buchwald die Gruppe Mars und Venus mit Recht für eine Variante
der Kirchheimer Brunnenplastik halten. Darüber hinaus finden sich aber
auch in der Behand-
lung der Einzelformen
so viele Parallelen zu
Gerhards sicheren Ar-
beiten, die massiven
Hände, die gichtknoten-
artigen Verdickungen
der Gelenke an den
Zehen, das in einzel-
ne Locken aufgelöste
Haar, das charakteri-
stische Hinüberziehen
des obersten Augenli-
des und anderes mehr,
daß der früheren Zu-
schreibung an Gerhard
doch größere Berech-
tigung zukommen dürf-
te als der neuen. Wei-
tereArbeiten Gerhards
aus seiner Innsbrucker
Zeit, insbesondere sol-
che aus Silber, an der
Hand des hier dar-
gelegten historischen
Materials aufzufinden,
muß zukünftigen spe-
zielleren Forschungen
überlassen werden.
Es bleibt uns noch
übrig, auf Gerhards
Tätigkeit für München
seit seiner Übernahme
in die Dienste des
Deutschmeisters einen
A. a. 0., Tafel 35 und 36.
Abb. 33. Hubert Gerhard, Die Vinus München, Bayrisches National-
museum
Blick zu werfen, denn wir hörten schon, daß sein Aufenthalt in Innsbruck in
den Jahren 1602 bis 1613 stets nur von vorübergehender Dauer gewesen
sein rnuß und daß er erst 1620 starb. München besitzt einige hervorragende
Bronzen aus dieser Zeit, deren Zuweisung an Gerhard mangels fester
Lebensdaten bisher nicht mög-
lich war, die aber jetzt dem
Meister zugeteilt werden müs-
sen. Gleichzeitig sollen noch
einige andere Werke Gerhards
berührt werden, deren zeitliche
Entstehung sich nicht genau
fixieren läßt und die daher mög-
licherweise schon früher neben
den Arbeiten für die Michaels-
kirche entstanden sind.
Der altertümliche Relief-
stil der Tafeln der Michaels-
kirche und der Meermannschen
Auferweckung des Lazarus
begegnet auch auf dem schönen
Bronzeepitaph des r6o3 ver-
storbenen Erzgießers Martin
Frey in der Frauenkirche, das
in einer einfachen architek-
tonischen Umrahmung oben
Christus am Kreuz mit Maria,
Johannes und Magdalena und
unten zu Seiten der Inschrifts-
tafel die betende Familie vor-
führt Abb. 29.," An dem Re-
liefbild ist derselbe Verzicht
auf Tiefenwirkung, das Fehlen
eines Mittelgrundes zu be-
obachten. In der unruhigen
Umrißzeichnung, den spitz-
winkligen Falten der Gewän-
der, dern Christustypus gibt
sich durchaus Gerhards bekannte Manier zu erkennen." Der Verstorbene
Abb. 34. Hubert Gerhard, Die Bavaria. nach einem Gipsabguß
im Stadrmuseum zu München
Hoch 266, breit x35 Zentimeter. Kunstdenkmale des Königreiches Bayern", Oberbayern, 2.Seile 983.
Auf Gerhard als Urheber hat meines Wissens nur Sighart, a. 0., Seite 698, hingewiesen. Die Inschrift lautet
,.M artinus Frey Campidcnensi von Kempten im Allgäu serenissimorum Bavariae ducum fusori aulico non
vulgari Barbara uxor rnaesta una cum nlio Ferdinando haec fecit condiditque anno MDCIII V. Octobris.
G. S. D. V."
Über einen dem Frey-Epitaph verwandten marmornen Grabstein in Burghausen siehe Die Kunstdenk-
male des Königreiches Bayern", Oberbayern, 3. Teil, Seite 2431 und 2647. Vergleichsrnomente bietet auch die
Kreuzigung auf dem prächtigen silbernen Hausaltar des Maximilians-Museums in Augsburg.
war der herzogliche Hofgießer
und hat als solcher außer dem
St. Michael sehr wahrscheinlich
noch manche andere Form Ger-
hards gegossen; auch am Guß
des Fugger-Brunnens soll er
beteiligt gewesen sein. So ist
der Gedanke naheliegend, daß
Gerhard hier dem verdienst-
vollen Mitarbeiter als letztes
Zeichen seiner Dankbarkeit ein
bleibendes Denkmal hat setzen
wollen.
Der Reliefplastik muß auch
das sehr bemerkenswerte Bild-
nis des Herzogs Ferdinand von
Bayern, des infolge seiner Ehe
mit einer Münchner Bürgers-
tochter von romantischem Zau-
ber umkleideten Bruders Wil-
helms V. gestorben 1608, in
der Heiliggeistkirche Abb. 30
zugerechnet werden; denn nur
die bei Gerhard stets weit vor-
springenden Arme, der rechte
Unterschenkel und der größte
Teil des Kopfes sindvollplastisch
gebildet, der übrige Körper
steckt im Reliefgrund. Es ist ein
in die Plastik übertragenes Re-
präsentationsgemälde. Der Her-
zog steht in etwas gezierter
Haltung als siegreicher Feld-
herr mit dem Kommandostab
in der Rechten in einer zelt-
artigen Nische. Den linken Arm
lehnt er auf den Helm, der auf
einem Tische neben ihm steht.
Beinahe die gesamte Ober-
fiäche, die Rückwand, die Tisch-
decke und die Rüstung, alles
Abb. 35. Hubert Gerhard, Die Madonna vom Marienplatz
in München, nach einem Gipsabguß
ist wie bei den Wächtern des Ludwig-Grabes übersponnen mit köstlichen,
abwechslungsreichen Zieraten, die den Eindruck des Reichtums und der
Vornehmheit noch verstärken. Der Kopf selbst ist nach Gerhards Gewohn-
heit durchaus einfach behandelt; er erinnert an den Erzherzog Maximilian.
Das Werk hat mit Recht stets für eine Arbeit Gerhards gegolten, nur irrt
man wohl in der Annahme, daß es bereits 158g bei Errichtung der Kapelle
des herzoglichen Palastes entstanden sei, als Ferdinand 39 Jahre zählte.
Das Relief scheint vielmehr für einen Saal des Palastes bestimmt gewesen
zu sein, in dem der Herzog seine kriegerischen Taten verewigen ließ. Hain-
hofer, der in allen Residenzen herumstieg, hat das Bildnis im Jahre 1611
offenbar dort gesehen." Später mag es dann in die Grabkapelle versetzt
worden sein.
Die gleiche schlichte Wahrheitsliebe, der es fernliegt, dem Fürsten auch
den Stempel überragender geistiger Bedeutung aufprägen zu wollen, spricht
aus den beiden Bronzestatuen der I-Ierzoge Wilhelm IV. und Albrecht V. am
Ludwigs-Mausoleum siehe Abb. die von Dionys Frey, dem Sohn des
Martin, angeblich 1605 gegossen worden sind." Und wie in der Auffassung,
so entsprechen diese Standbilder auch in der geschmackvollen Ornamen-
tierung ganz dem Herzog Ferdinand. Nur wenige Bronzen in Deutschland
aus dieser Zeit lassen sich den Münchner ürstenbildnissen zur Seite stellen.
Am meisten verwandt sind die beiden Grabmäler in Regensburg und Eich-
stätt, die wir Hans Reichel zuschreiben möchten. Die sächsischen Kurfürsten
mit ihren Frauen von Carlo de Cesare im Freiberger Dom wären etwa zu
nennen. Auch hat de Vries einige Büsten verfertigt, die eine schärfere Indi-
vidualisierung auszeichnet, als sie Gerhard eigen ist. Das sichere Ebenmaß
der Proportionen, die Vornehmheit der Auffassung, schließlich die technisch
brillante Ausführung stellen diese Wittelsbacher Fiirstenbildnisse Gerhards
weit über die Erzeugnisse der deutschen Porträtplastik in Stein, wie sie etwa
durch die grobschlächtige Stuttgarter Ahnenreihe des Sem Schlör oder die
bei aller technischen Gewandtheit im Vergleich zu Gerhard schwerfälligen
Figuren der Werkstatt des Hans von Trarbach oder des Hans Werner,""""'i
um einige der besten zu nennen, repräsentiert wird. Die berühmten
Pfälzer Standbilder des Sebastian Götz am Friedrichsbau des Heidelberger
Schlosses, die hier heranzuziehen wären, sind nicht ohne Einwirkung der
Gerhardschen und Reichelschen Plastik man vergleiche des letzteren
Habsburger-Statuen an der Brixner Residenz denkbar, denn Götz hat.
Sein statua ist auch nach dem leben allda, stehet in ainem küriss mit sein schwert umbgürtet
und mit seinem schönen feldzeichen behengt, so er dazumal gebraucht hat. Neben ihm stehet sein helrnlin
und großer federbusch sambt dem schilt, den sein spißjung geführet hat" Häutle in der Zeitschrift des
Vereins für die Geschichte von Schwaben und Neuhurg", VIII, 188i, Seite m6. Die Erwähnung des auf
dem Relief nicht vorhandenen Helrnbusches kann leicht auf einem Gedäehtnisfehler Hainhofers beruhen.
Herzog Ferdinand hatte auch einen figurenreichen Brunnen errichten lassen, der 161i der schönste der Stadt
genannt wird.
Nach Ttaurmann und andern wären sie schon für das Wilhelms-Grab bestimmt gewesen. Dionys
Frey nennt sich als Gießer in einer Supplikation des Jahres r62o Heigel, Das Grabmal Kaiser Ludwig des
Bayern in der Münchner Frauenkirche", in "Geschichtliche Bilder und Skizzen", München 1897. Seite 359. Die
Jahreszahl r6o5, die Weese München", rgoß, Seite IUQ, und Baum in Thieme-Beckers Kiinsderlexikon",
Seite 494, angeben, vermag ich weiter nicht zu belegen.
Das Grabdenkmal des Hieronymus Kreß in Kraftshof bei Fürth nach 1596 erinnert an den Hai-wg
Ferdinand Gerhards Abbildung bei F. T. Schulz, Hans Werner", in den Mitteilungen aus dem Germanischen
Nationalmuseum", rgug, Tafel XXXI.
seine Ausbildung vor 1604
in München erhaltenf
Es würde zu weit füh-
ren, wollten wir in eine
Prüfung aller der Skulpturen
eintreten, die Gerhard zum
Schmuck der Gärten und
Brunnen der herzoglichen
Schlösser geschaffen hat.
Den Wittelsbacher Brun-
nen der Residenz Abb. 31
halten wir wegen der bis
ins einzelne zu verfolgenden
Analogien zum Augustus-
Brunnen im großen und gan-
zen für Gerhards Werkfk
auch die vier Jahreszeiten
Abb. 32 und die Virtus
Abb. 33V des bayrischen
Nationalmuseums dürften
aus seiner Werkstatt stam-
men. Auf eine der anmutig-
sten Erfindungen unseres
Meisters, die einer antiken
Diana vergleichbare viel-
gepriesene Bavaria auf dem
Rondell des Hofgartens
Abb. 34 sei jedoch hinge-
wiesen. Sie stand vorher
Vgl. hierüber von Oechelhaeu-
ser in den "Mitteilungen zur Geschichte
des Heidelberger Schlosses", II, rägo,
Seite 170 ff.
Die gleiche Verbindung des
Brunnens mit dem Denkmal. Ähnlich-
keit des Grundrisses und Aufbaues ver-
glichen mit dem ursprünglichen Zustand
des Augustus-Brunnens. Schließlich die
stilistischen Beziehungen der Figuren.
Das Nationalmuseum in München besitzt
einen heiligen Hieronymus, der nach
einem kleinen, wahrscheinlich von Ger-
hard herrührenden, etwas veränderten
Modell des Flußgottes mit dem Fisch
auf der Rückseite des Wittelsbacher-
Brunnens gegossen ist. Die Unter-
suchungen über den von jeher zu Ger-
hards besten Schöpfungen gerechneten
Abb. 36. Hubert Gerhard, Die Madonna auf der Säule des Marien-
platzes in München
Perseus-Brunnen im Grottenhof der Residenz, den Bassermann-jordan Münchner Jahrbuch für bildende
Kunst". 1906, Seite E3 H. dern F. Sustris zuschreibt, dürften noch nicht abgeschlossen sein.
148
mit einem Bären und einem Hunde als Begleiter auf einem Felsen im
Wasser und ist daher als Freitigur mit feinster Silhouettenwirkung nach
allen Seiten konzipiert. Von den weiblichen Aktfiguren Gerhards ist diese wohl
Abb. 37. Hans Krurnper. Epitaph des Georg Sigismund von Lösch in
Hilgertshausen in Oberbayern
die reifste Schöpfung;
sie übertrifft noch ihre
Schwestern am Au-
gustus-Brunnen und in
Kirchheim an Feinheit
und Eleganz der Aus-
führungWie dieNackt-
heit der schlanken Glie-
der durch allerlei zier-
liches Gerät, durch
Schleier, Bänder und
Schmuck mehr unter-
strichen als bedeckt
wird, das ist bezeich-
nend für den bei aller
Grazie etwas kleinli-
chen Geschmack der
Zeit."
Wie die Bavaria
als Gerhards Glanzlei-
stung unter seinen
profanen Figuren gel-
ten darf, so muß als
der Höhepunkt seines
Schaffens auf dem
Gebiete der religiösen
Kunst die Madonna der
Mariensäule auf dem
Marienplatz gewürdigt
werden Abb. 35 und
36. Gerhards Name ist
bisher noch nicht mit
diesem von den Ken-
nern bewunderten und
von der Menge fromm
verehrten Meisterwerk in Verbindung gesetztworden, das, durchaus italienisch
Auf die Ähnlichkeit mit der Singold vom Augustus-Brunnen und die Übereinstimmung derHelmbildung
bei den Wächtem des Ludwigs-Grabes haben schon Re'e a. a. 0., Seite 11g und x45 B1, Heigel a. a. 0., Seite 377
und Traunnann Monatsschrift des historischen Vereins von Oberhayem". Seite rr8, Anmerkung 24 hin-
gewiesen. Eine eingehende Vergleichung der Typen. insbesondere der Gesichtshildung die übergreifenden
Augendeclrelß, der Gewandbehandlung, des Omamentalen, läßt keinen Zweifel an Gerhards Urheberschaft auf-
kommen. Der Reichsapfel ist später hinzugefügt.
in der Form, doch auch wieder einen anheimelnden deutschen Charakter
besitzt. Lassen wir aber Ger-
hards Frauengestalten, von
den hoheitsvollen Erscheinun-
gen edler Damen im Kirch-
heimer Schlosse und den En-
geln der Michaelskirche bis
zur Bavaria, im Geiste an uns
vorüberwandeln, so muß die
nahe Verwandtschaft aller
dieser weiblichen Figuren mit
der Himmelskönigin sogleich
in die Augen fallen. Es sind
dieselben schlanken, hochge-
gürteten, feingliedrigen Ge-
stalten. Das Gewand, das bei
der Madonna aus einem eng-
anliegenden, nach antiker Art
unter dem Busen gegürteten
Untergewand und einem wei-
ten Königsmantel besteht, fällt
in den gleichen, vielfach ge-
brochenen und die Oberfläche
belebenden Falten herab, um
sich unten nicht zu stauen,
sondern zu verengen. Wenn
auch die Gruppe geschlossen
wirkt, so ist doch der ruhige
Fluß der Umrißlinien vielfach
unterbrochen. Vollends über
zeugend wirkt unseres Er-
achtens die Ähnlichkeit derGe-
sichtsbildung mit der Bavaria
und den Stuckengeln. Es ist
ein antiken Venus- und Juno-
statuen nachempfundener,"
dem deutschen Geschmack
etwas angepaßter Gesichts-
typus. Der verhältnismäßig
Ein ähnlicher Typus Endet sich
bei Gian da Bologna; man vergleiche das
Tonmodell des Kopfes der Virlu, das nach
Grünwald deutliche Anklänge an die kauern-
de Aphrodite und die Mediceische Venus
zeigt Münchner Jahrbuch für bildende Ahb. 38. Hans Krumper, Gedächtnistafel für Wilhelm de Lasso
Kunst", rgrz, Il, Seite x35 und x75. und Frau in der Peterskirche zu München
150
kleine, zart ovale Kopf sitzt auf einem langen, kräftigen Hals, dessen Begren-
zung mit der Wange fast eine Kurve bildet, eine für Gerhards Stilempfinden
bezeichnende Sonderbarkeit. In dem kleinen Gesicht sind die einzelnen Teile
groß gebildet. Die ziemlich starke und lange Nase ist an der Spitze wenig
abgestumpft; die Seitenansicht bietet kein reines griechisches Profil. Auch
die groß wirkenden Augen mit der malerisch behandelten Iris, die vollen,
leicht geschwungenen Lippen wird man unschwer bei Gerhards anderen
Frauengestalten wiedererkennen. Das gewellte Haar fällt aufgelöst wie bei
der Bavaria auf Schultern und Rücken lang herab. Dies nach deutscher
Sitte offen und unverhüllt getragene I-Iaupthaar verleiht der Madonna einen
intimen nordischen Zug, der in einem gewissen Gegensatze zu den welschen
Formen steht; denn eine Gottesmutter mit unverschleiertem Haar wäre
südlich der Alpen kaum möglich?" Wie die rechte Hand mit lässig-
eleganter Biegung im Gelenk das Zepter hält, der Kopf sich leicht zur
Seite neigt, das ist ganz ähnlich bei den Engeln zu sehen. Aucli das Kind
gleicht in seiner natürlichen Gelenkigkeit durchaus einem Bambino süd-
lichen Gepräges. Überall sind die Körperformen und die Gelenke unter
der eng anliegenden Gewandung herauszuspüren, so namentlich am
rechten Knie, wo sich eine charakteristische herausspringende Staufalte
gebildet hat. Die feingliedrigen Finger und Zehen mit den platten, kurzen
Nägeln entsprechen gleichfalls denen der anderen Frauen. Für die Be-
urteilung der beabsichtigten künstlerischen Wirkung ist die Konstatierung
wichtig, daß die Statue nicht als Zentrum eines Platzes gedacht war,
sondern ursprünglich nachweisbar schon 1613"" auf dem I-Iauptaltar
der Frauenkirche stand. Sie ist nur auf die Vorderansicht hin gearbeitet
und war auch nicht auf die starke Untenansicht berechnet, der sie jetzt
ausgesetzt ist.
Die Münchner Forschung hat für die Marienstatue und die anderen
Gußwerke der Zeit nach 1600 nur die Namen Candid und Hans Krumper
bereit. Candid haben wir schon als Plastiker abgelehntfif Mit mehr Berech-
tigung konnte man bisher Krumpers Namen nennen. Hat er doch in jungen
Jahren unter Gerhard in der Michaelskirche gearbeitetT und diesem seine
Die Krone, zum mindesten der obere Teil, in dem sich eine Reliquienltapsel befinden soll, dürfte eine
Zutat aus der Zeit der Errichtung um 1638 sein.
Anton Mayer, Die ,.Domkirche in München", Seite m7 h.
Hier sei noch auf die geringe Beweiskraft eines zweiten Argumentes hingewiesen, das für Candids
plastische Tätigkeit ins Feld geführt wird, nämlich die angebliche Ateliergemeinschaft mit Krumper. Eine
unbefangene Interpretation der betreffenden Rechnungsnoüz, die besagt, daß von abbrech- und wider aufsezung
öfen in des Khrumpers und P. Candido werckstazt fl. Xr. 23" ausgegeben wurden Ree, a. a. 0., Seite 87, wird
zu dem Ergebnis kommen, daß es sich ebensogut um zwei getrennte Werkstätten handeln kann; übrigens würde
ja auch die Gemeinsamkeit der Werkstatt nicht ein Zusammenarbeiten bedingen. Gemeint ist offenbar die
"Possirstube" Krumpers, die 1612 beim Neubau der Residenz errichtet wurde und die in den folgenden Jahren
oft erwähnt wird. Vgl. Nagler, "Künstlerlexikon", XV, Seite 460.
Hans Krumper von Weilbeim und Georg Müller sind 1587 "Jungen" bei Gerhard Anzeiger für Kunde
der deutschen Vorzeit", tB7o, Seite 366; vgl. auch Gmelin, Die Michaelskirche", Bamberg rage, Seite 67, und
Münchner Jahrbuch für bildende Kunst", 19m, Seite gr, Anmerkung 64. Nach einem Aufenthalt in Italien um
1590 zunächst von Herzog Wilhelm als "Privatarchitekt und Kunstintendant" beschäftigt, wurde er 160g als
Hofbildhauer von Maximilian angestellt. Als solcher entwickelte er eine rege Betriebsamkeit auf den verschieden-
artigsten Gebieten. Er ist als Architekt tätig. bossiert für den Erzguß, fertigt Kleinplastiken in Wachs an, malt
Ausbildung zu
verdanken. Er
wurde in Mün-
chen der künst-
lerische Erbe und
Nachfolger Ger-
hards wie Gras
in Innsbruck. Als
von seiner Hand
modelliert hat
Trautmann das
Bronzerelief mit
der Beweinung
vom Grabmal des
GeorgSigisrnund
von Lösch aus
dem Jahre 1617
inHilgertshausen
Abb. 37 nach-
gewiesenf" Die-
sem möchten wir
die stilistisch sehr
verwandte noch
unveröffentlichte
Gedächtnistafel
für Wilhelm de
Lasso und seine
Gemahlin aus
dem Jahre 1612
in der Münchner
Peterskirchemian-
Kirchenbilder, zeichnet
Entwürfe für Goldschmie-
de, kurzum er sucht sei-
nen 1599 verstorbenen
Schwiegervater Sustris
ZU EYSOIZBXI, SO gllt QS
geht. Krumper starb 1634.
Monatsschrift
des historischen Vereins
von Oberbayern", 1896,
Seite 111 ff. Gesamt-
Abb. 39. Hans Krumper, Die Patrona Bavaria an der Fassade der Münchner
Residenz
höhe a24 Zentimeter, Breite 140 Zentimeter. Krumper hat die Komposition für das Bronzeepitaph des Dr. Burck-
hardt in der Frauenkirche nochmals benutzt. Man beachte den Zusammenhang mit dem abgebildeten Stuckrelief
aus der Michaelskirche.
Höhe 263, Breite 86 Zentimeter. Nach der Inschrift von der Herzogin Maria Maximilians von Bayern
gestiftet. Kunstdenkmale des Königreiches Bayern", Seite 1061, und Geiß, Geschichte der Stadtpfarrei
St. Peter, München", 1868, Seite 217 und 431. Zuzuschreiben sind Krumper unter anderem noch die Reliefs
der Priesterbruderschafts-Sepultur in der Frauenkirche und die Auferweckung des Lazarus vom Grabmal des
21
schließen Abb. 38. Das Herz der Münchner hat sich Krumper aber mit
seinem Madonnenbild an der Residenzfassade um 1616 erobert, das zu
einem Vergleich mit Gerhards Madonna geradezu herausfordert Abb. 39.
Die Patrona Boiariae" ist volkstümlicher gehalten. Eine wohlgenährte
junge Frau aus dem Volke von etwas gedrungener Statur, nicht eine hoch-
gewachsene griechische Göttin hat Modell gestanden. Diesen derberen
Frauentypus liebt Krumper auch sonst. Unter dem Mantel trägt sie die
Landestracht, Hemd, Mieder, Rock und Schuhe, auf dem Haupt einen Kranz
von Blumen. Gegenüber dem sorgfältig überlegten edlen Faltenwurf der
Gerhardschen Madonna hat man hier die Empfindung, daß der Künstler
nicht recht Herr über die schweren Stoffmassen geworden ist. Die Körper-
formen verschwinden unter der Draperie, die Gelenkfunktionen sind kaum
betont. Welch große Distanz die beiden Künstler voneinander trennt, tritt
namentlich auch bei einem Vergleich der Kinder zutage. Wie wenig ge-
schickt ist die Stellung, wie plump die Behandlung des Gliederbaues bei
Krumper! Im allgemeinen erscheint Krumper flacher und gefälliger, fast
weichlich-sentimental, ohne den männlichen Ernst und die Reife seines
Lehrers. Die souveräne Beherrschung aller Mittel künstlerischer Gestaltung,
die allein einen so großen Wurf wie die Madonna der Säule gelingen lassen
konnte, geht ihm ab. Aber als Altbayer wußte er unter Benutzung des ihm
von Gerhard überlieferten Formenschatzes dem nationalen Empfinden mehr
entgegenzukommen. Krumper hat das Verdienst, die bayrische Plastik aus
den kühlen, formalabgeklärten Regionen der Spätrenaissance, in der sie
Gerhard heimisch gemacht hatte, hinübergeführt zu haben in die tempera-
mentvolleren, sturmbewegten Zeiten des Barocks.
AUS DEM WIENER KUNSTLEBEN Sie VON
HARTWIG FISCHEL-WIEN St.
EZESSION. Die Vereinigung bildender Künstler Österreichs Sezession" hat ihre
Räume einer Gruppe jüngerer Künstler zur Verfügung gestellt, die in ihrer Art selbst
eine neue Sezession darstellen. Als einst die hoffnungsreiche und wagemuüge Vereinigung,
deren künstlerisch produküvsten und maßgebendsten Persönlichkeiten zum Teil schon
heimgegangen, zum Teil in Amt und Würden tätig sind, in oEenem Kampf dem herrschenden
Klüngel entgegentrat, galt es vorerst überhaupt den Boden zu bereiten, auf dem neues und
ehrliches Streben zur Geltung kommen konnte.
Seitdem ist das Streben nach Neuem auf die Tagesordnung gekommen. Allerdings war
es nicht immer auch ein ehrliches Streben. Der Erfolg der Tüchtigen hat die Geschäitigen
bewogen, äußerlich ihre Verachtung gegen die Alltäglichkeit und gegen das allgemein
Gültige nachzuahmen. Aber nicht auch ihre Leistungen zu steigern. So ist das Mißh-auen
gegen die Besonderen" wieder eingekehrt, um so mehr als so viele, die einst die Ab-
sonderung betonten, in die Laufbahn der Gerechten und Loyalen eingetreten waren.
Philipp Gütz gestorben 1527 in der Allerheiligenkirche zum Kreuz. Auch ist auf ihn wohl die Aufstellung des
Ludwigs-Grabes zurückzuführen; die relieüenenBronzeengel an denSehmalseiten erinnern stark andas Löschsche
Epitaph, das geistlose Totenschiidelmotiv verwendet er überall.
schon beim Hagenbund zu Gaste war, manchmal bei Arnot oder anderwärts Sonder-
ausstellungen brachte; keiner ist ein Unbekannter, vielleicht ist auch kein starkes inneres
Band vorhanden, das die Gruppe zusammenschließt, außer dem Bestreben, daß jeder seinen
eigenen und besonderenWeg gehenwill, daß jeder einEigenes,Neues,Ungekanntes anstrebt.
Dann aber auch fühlt man hier wohltuend, daß die Absonderung im allgemeinen eine
natürliche und ungewollte Eigenbrödelei ist und nicht die Pose der unaufrichtigen Welt-
verächter zur Schau trägt. Es ist eine Gruppe von jungen Talenten, unter denen auch
starke, vielversprechende sind. Eine Gruppe, in der die konventionelle Konzession, die
freundlich lächelnde Miene zum verehrlichen Publikum verpönt ist.
Einer der stärksten, Egon Schiele, nimmt eine besonders schroffe und ablehnende
Haltung ein. Seine I-lerbheit grenzt an die Askese. Das hehige Spielen seiner Sinne grenzt
ans Perverse. Aber er kann so viel, ist ein so sicherer Meister seiner Hand, daß er auch
den innerlich Ablehnenden fesselt. Vor allem beherrscht er den Umriß, das zeichnerische
Ornament. Die Farbe ist ihm nur der letzte Akzent, den er sparsam und geistreich gebraucht.
Aber innerlich lebt und drängt das Erlebnis zum Ausdruck, ein starker und ernster Wille
schaüt in ihm.
Auch Moritz Melzer sucht das Ornament in Körpern und ihren Bewegungen; aber
ihm ist das Raumfüllen mehr als der seelische Ausdruck, so daß die Folge seiner Bilder
mit ihrem gedämpften, ruhigeren Kolorit an eine Reihe von Wandteppichen gemahnt. Der
rhythmische Fluß seiner Linien strebt einen Stilismus an, der modern und doch wieder so
alt ist wie die Geschichte der Kunst.
Als dritter und malerisch stärkster Künstler tritt Anton Faistauer mit einer größeren
Zahl von Bildern auf, die glücklicher ausgewählt sind, als die jüngst zur Schau gestellten.
Er ist ganz der Farbe ergeben, holt seine Werke aus seiner unmittelbaren Umgebung,
seinem Heim, seiner Familie. Nicht Symbole und Charaktere, nicht Gemütserregungen
will er spiegeln, sein Reich ist die Farbe, die tiefe, satte, abgestimmte und edle Palette. Er
huldigt ihr bis zur Verleugnung der plastischen Form. In dieser Bilderfolge weiß er aber
doch eine so glaubhatte und manchmal sogar auch überzeugende Richtigkeit des Körper-
lichen zu erreichen, daß er zu wesentlicher Vervollkommnung heranzureifen scheint.
Andere farbenfeine Künstler wie Georg Kars und Johannes Fischer erscheinen noch
weiter von jenem Ziele entfernt, das ein volles Ausreifen des Wollens und Könnens
bekundet. In Willi Nowak und Paris Gütersloh klingen fremde Einüüsse noch stark neben
eigenem Können mit, so reizvoll ihre Arbeit zu wirken vermag. Wir sehen im phantasie-
vollen Georg Merkel und in dem ornamentalen Franz von Zülow das Nachwirken ältester
Holzschnittkunst, in Ludwig H. Jungnickel das Verarbeiten japanischer Naturbeobachtung,
und überall jenes kräftige Wirken über die Anregung hinaus zu neuen Zielen, welches nur
den Zusammenhang festhält mit dem Ausgangspunkt des Strebens.
Aus solchen Eindrücken erkennen wir die Tatsache, daß auch in den jüngsten
Bestrebungen, die sich oft so eigenwillig gebärden, die Fäden nicht abgerissen sind, die
uns mit der alten Kunst verbinden, und daß anderseits ein geistiger Zusammenhang rnit
jenen Anschauungen und Strebungen gepiiegt wird, die außerhalb unserer Heimat in den
Arbeitszentren der Kunst herrschen.
Eben weil das Moment der Gefälligkeit und Käuflichkeit so ganz unberücksichtigt
bleibt und stärkere innere Strebungen vorwärtsdrängen, kann man das Wirken der jungen
Generation nur warm begrüßen. Hoffentlich neigt sich bald eine günstigere Sonne dem
künstlerischen Wirken, das nicht um die Gunst des Tages buhlt und um so mehr der
Wärme und Konzentriertheit bedarf, die heute kaum gefunden werden kann.
ÜNSTLERHAUS. KRIEGSBILDERAUSSTELLUNG. Eine neue Aus-
wahl aus dem reichen Vorrat der Bildersammelstelle des Kriegspressequartiers
füllt die Ausstellungsräume des Künstlerhauses. Seit der ersten derartigen Veranstaltung
154
Herbst 1915 sind schon zweiunddreißigmal solche Darbietungen in den österreichischen,
ungarischen, deutschen Ländern sowie im neutralen Ausland veranstaltet worden. Sie
haben den Ruf unserer Künstlerschaft in den schweren Zeiten des Krieges verbreiten und
vergrößern helfen, sie haben den notleidenden Künstlern Förderung und Hilfe zugeführt.
Dabei ist aber glücklicherweise auch die Qualität des Gebotenen immer besser
geworden. Immer neue Kräfte sind hinzugetreten und haben sich eingelebt in eine ihnen
fremde Erscheinungs- und Ereigniswelt und viele sind mitgerissen worden von der Größe
des Erlebten und Geschauten.
Diejenigen, die ihr mit manueller Geschicklichkeit und geschmeidiger Anpassungs-
fähigkeit geübtes künstlerisches Handwerk aus dem Salon in das Stabsquartier, aus der
Sommerfrische in das Etappengebiet gleichmütig übertrugen, sind glücklicherweise recht
weit zur Seite geschoben. In der überwiegenden Mehrzahl ist wirkliches Bewegtsein und
aufrichtiges Streben nach Ausdruck für das Erlebnis vorherrschend. Keine Zugehörigkeit
zu Gruppen und Vereinigungen hemmt das Nebeneinander geistig Zusammengehöriger.
Auch der Anschluß ungarischer Künstler bildet einen wertvollen Zuwachs. So durch-
schreitet man voll Interesse die Säle, die an ihren Wänden Schilderungen so aufregender
und ernster Dinge bergen.
Noch ist das Gegenständliche regierend. Stimmungen sind weitaus seltener maß-
gebend als Eindrücke. Die Raschheit der Niederschrift ist erkennbar und oft von Vorteil.
Die Größe der Naturschauspiele überwiegt manchmal die gewaltige Arbeit der Menschen
in ihnen. Aber auch dazu zeigen sich jetzt schon glückliche Versuche, das Mächtige,
Erschütternde des Krieges in Einzelschicksalen, Ausschnitten von konzentrierter Kraft zu
sammeln und zu verdichten.
Wohl überwiegt der Eindruck, daß der Aufzeichnung und Schilderung ohne Rück-
sicht auf Gestalten und Ausprägen vorwiegend alle Kraft dient. Aber auch hierin ist echte
Künstlerschaft anders und höher zu stellen als jene früher so oft bevorzugte konventionelle
Gefälligkeit, die nur dem, was gefällt, nachstrebt.
Es zeigt sich nun, wo alle Strömungen und Leistungen durcheinandergewürfelt,
mehr vom Zufall als von den Schranken beliebter Ausstellungsräume und Verbände
geführt sind, daß mancher sonst als extravagant oder ketzerisch verpönte Künstler in
Kreisen Eingang und Beifall fand, die ihm sonst aus Rücksichten konventioneller Kunst-
begriffe gänzlich verschlossen waren.
So reift ein Verdienst ganz ungewollter Art aus solchen Schaustellungen heran, das
der späteren heimischen Kunstentwicklung vielfältigen Nutzenlzu bringen vermag. Man
kann vermuten, daß die Anzahl künstlerisch wertvoller, innerlich bewegter Arbeiten einen
noch größeren Prozentsatz ausmacht, als die hier gebotene Auswahl zeigt, weil so mancher
starken Persönlichkeit der jüngeren Generation hier kein Raum gegeben wurde, die bei
anderen Gelegenheiten in demselben Zusammenhang schon hervortrat, wie dies bei der
Kriegsausstellung im Prater der Fall war.
So hat die Gewalt des Krieges auch alle künstlerischen Kräfte mobil gemacht und
sicherlich auch vielfach gewandelt. Und die stärksten, lebendigsten Wandlungen sind dort
fühlbar, wo die aufnahrns- und eindrucksfähigsten jungen Talente in den Bannkreis der
Kriegsgewalt gezogen wurden.
Die Zukunft wird lehren, ob ein Auswirken dieser Eindrücke und Erlebnisse in
höherem Sinne, als mit den Forderungen der Gegenwart erreicht werden konnte, möglich
sein wird.
KRIEGEREHRUNGEN. Die Landes-Beratungsstelle für Kriegerehrungen in
Niederösterreich hat im Gebäude des Gewerbeförderungsamtes, wo die Leitung der
Heirnatschutzbewegung ihren Sitz hat, eine kleine, aber sorgfältig gewählte Schaustellung
veranstaltet. In Lichtbildern, Zeichnungen und Modellen werden die verschiedenen nun
so häufig zu erörternden Möglichkeiten dargestellt, wie dem Andenken im Kriege Gefallener
in einfacher, würdiger und ausdrucksvoller Weise Denkmale errichtet werden können.
Unter Leitung Dr. Karl Giannonis wurde diese Beispielsammlung, von alten historisch und
künstlerisch anregenden Werken ausgehend, so angeordnet, daß für die mannigfaltigsten
Aufgaben dieses Gebietes vom einfachen Grabkreuz bis zum Heldenfriedhof gute Lösungen
vorgeführt wurden. Mit inniger Teilnahme und mitunter auch mit warmer Zustimmung
sieht man die Arbeiten, welche die Not des Augenblicks, dann aber auch solche, welche
die pietätvolle und tüchtige Wirksamkeit der im Felde stehenden Kräfte für ihre gefallenen
Kameraden schon geschaffen haben. Aus dem, was die Künstler im Hinterlande an Skizzen
und Projekten geboten haben, ist eine sinngemäße Auswahl getroffen worden, bei der
unsere Wiener Arbeiten gut vertreten sind. Eine nicht geringe Zahl von Veröffentlichungen
in Zeitschriften und Separatpublikationen liegt zur Einsichtnahme auf und zeigt, wie sehr
die deutsche Gründlichkeit, Sachlichkeit und Hilfsbereitschaft hier vorgearbeitet hat.
Wenn man diese Leistungen überschaut, fühlt man, daß hier eine Rückwirkung des
Krieges auf einen Zweig künstlerischer Betätigung heranreift, der vor allen anderen rasch
und zielbewußt einzugreifen berufen ist, um so mehr, als seinen Werken zugleich auch
lange Dauer bestimmt ist. Während Malerei und Plastik noch zögernd den unverarbeiteten
Eindrücken gegenüberstehen und nur schrittweise zu ihrer Verarbeitung vordringen
können, muß der Architekt zur Tat sofort bereit sein und ohne Zeitverlust zu schaffen
beginnen. Darum ist es wichtig und verdienstvoll, wenn allen öffentlichen Stellen, die
Anlaß zu solchen Arbeiten finden es werden deren sehr viele sein und all den
zahllosen Hinterbliebenen immer wieder von neuem gezeigt wird, daß mit denselben
materiellen Mitteln, die für marktgängige Geschmacklosigkeiten aufgewendet werden, in
der Regel auch einwandfreie und würdige Werke geschaffen werden können, welche
immer diejenigen ehren, denen sie gelten, aber auch jene, die sie errichtet haben.
Daß eine eigene Dienststelle geschaffen wurde, welche die Beratung und Förderung
künstlerischer Bestrebungen in selbstloser Art besorgt, ist eine sehr verdienstvolle Tat.
Die Schaustellung zeigt, daß diese Stelle in bester Weise vorgeht und es ist wohl zu
wünschen, daß viele bei ihr Rat zu holen geneigt sind und nicht vorschnell den For-
derungen des Augenblickes und dem Anbot der geschäftigen Mittelmäßigkeit nachgeben.
DEUTSCHMEISTERFONDS. Im Kunstsalon Wawra fand eine Kunstausstellung
und Auktion zugunsten des Witwen-, Waisen- und Invalidenfonds nach gefallenen
Deutschmeistern statt, die eine nicht geringe Reichhaltigkeit aufwies.
In den x76 Nummern, die Ölbilder. Aquarelle, Zeichnungen und Plastiken enthielten,
waren die Namen zahlreicher und geschätzter Wiener Künstler vertreten, die einem
öffentlichen Wohltätigkeitsakte, unter dem Protektorate der Frau Erzherzogin Maria
Josepha, ihren Pinsel, Stift und Meißel zur Verfügung stellten.
Man findet die österreichische Künstlerschaft stets bereit, hilfreich einzugreifen, wo
es gilt, ein schönes Werk der Wohltätigkeit zu fördern, wenn mancher auch selbst der
Förderung und milder Nächstenliebe gar sehr bedürftig wäre. Und jene so häufig bei uns
verbreitete Fähigkeit, eine leicht verständliche, gefällige Ausdrucksform, eine traditionelle
und beliebte Gegenständlichkeit zu pflegen, kommt solchen für die Aufnahme in weiten
Kreisen berechneten Veranstaltungen sehr zugute. Sie zeitigen einen sicheren Erfolg und
lohnen den Veranstaltern ihre Mühewaltung; dem guten Zwecke wird nicht vergeblich ein
Opfer gebracht.
Das galt auch hier und bewirkte lebhafte Teilnahme von allen Beteiligten und
wirksame Förderung von Seite des Publikums.
ALERIE ARNOT. EÜGEN STEINHOF. Eine Begabung von sehr be-
stimmter Willensrichtung, wenn auch nicht von ausgereifter Willenskraft tritt in
Eugen Steinhof an die Öffentlichkeit mit einer kleinen Sonderausstellung. Es ist die
äußerste Vereinfachung und Geschlossenheit von Form und Farbe, welcher er zustrebt
und die ihm manchmal überraschend gut gelingt, wo der Kontakt mit der Natur nicht
völlig abgeschnitten wurde. Aber so ganz über das Naturstudium hinweg zur Willkür
überzugehen, wie es einige Arbeiten tun, bei denen nur wenige Teile erträglich sind, das
fordert zu einer Kritik heraus, die auch den guten Seiten dieser Arbeit schädlich wird.
Es ist die höchste und schwierigste Aufgabe, die sich der Künstler stellte. DaB er ihr
manchmal gerecht werden konnte, ist genug, um sein Schaffen in gutes Licht zu rücken.
Man kann ihm nur wünschen, daß er den Boden nicht verliert, den aller Plastik und aller
Malerei die Kenntnis der Natur allein zu schaffen vermag.
ERKBUNDVERKAUFSTELLE. Die anziehenden kleinen Schaustellungen
in der Verkaufstelle des Österreichischen Werkbundes am Kärntnerring haben sich
erfreulicherweise schon eingelebt und bilden durch häulig wechselnden Inhalt und gute
Auswahl einen wichtigen Anziehungspunkt künstlerischer Art. Kürzlich wurde auch damit
begonnen, in kleinem Rahmen Mitgliedern eine gesonderte Vorführung ihrer Leistungen
zu ermöglichen. Katharina Schaffner zeigt Textilarbeiten und graphische Werke. In den
ersteren liegt eine Anwendung der in den letzteren niedergelegten Gedanken. Diese haben
einen ornamentalen Grundcharakter, der eine Neigung zur Mystik und manchmal auch
eine humoristische Spitze besitzt. Namentlich die Tonätzungen mit ihren weichen Linien
und Flächenbewegungen, die als Buchschmuck und Illustration gedacht sind, bilden den
Ausdruck eines feinen rhythmischen Empfindens. Humorvolle Federzeichnungen mit
paraphrasierten Tiergestalten bringen die andere Seite der Begabung zum Ausdruck. In
Modeldrucken auf Samt wirken diese Schmetterlingsilügelsymphonien reizvoll und fein.
Sicherlich wird die Absicht, dem Wiener Publikum einzelne Talente unter den
Bundesmitgliedern eindringlicher vorzuführen, besonders dann wohltuende Wirkungen
hervorrufen, wenn dadurch Persönlichkeiten gefördert werden, deren Begabung vor dem
Lichte der ÖHentliehkeit bisher verborgen war und zu demselben auch nicht leicht gelangen.
KLEINE NACHRICHTEN Sh
LEINSIEDELÜNGEN. In seinem neuen Buch Ausblicke für die kunsttech-
nische Zukunft unseres Volkes" Weimar r9i6 schreibt der Oberbaudirektor der
Hansestadt Hamburg, Fritz Schumacher, den tiefdurchdachten Erfahrungssatz Überall,
wo heute das innere Wesen der Organisation einer Kulturforderung voll ausgereift ist, hat
sich bald eine künstlerische Form dafür gefunden." Eine solche Kulturforderung ist zweifel-
los das Verlangen unserer Volksmassen, vor allem der industriellen Großstädte, nach
besseren Wohnungen. Die Mietkaserne, wie sie die neue weltwirtschaftliche Entwicklung
Deutschlands in den vier Jahrzehnten zwischen dem Siebziger- und dem jetzigen Krieg
geschaffen hat, wird in weiten Kreisen als unerträglicher Komplex von technischer und
hygienischer Unzulänglichkeit, wirtschaftlichem und rechtlichem Zwang und ästhetischer
l-Iäßlichkeit empfunden. Doch wo ein Wille ist, da ist auch stets ein Weg der Krieg hat
rnit so vielen Vorurteilen, inneren und äußeren Hemmungen aufgeräumt, er hat die Macht
organisierter Bestrebungen gezeigt, er hat die Utopie auf den realen Boden tatsächlicher
Ausführbarkeit gestellt. Wie die von wirtschaftsphilosophischer Ideologie zu praktischer
Volksarbeit fortschreitende deutsche Sozialdemokratie sich in dieser Entwicklung ganz dem
Wirklichkeitssinn der englischen Labour party" genähert hat, so hat auch unser Klein-
siedelungswesen die englischen und nordamerikanischen Gartenstädte", ursprünglich
unsere Vorbilder, heute längst erreicht oder sogar überilügelt dessen sind Zeuge viele,
sich stets noch mehrende Anlagen, wie sie nicht nur für Industriearbeiter, sondern auch
für Beamte, Kleinbauern, wohlhabender Mitglieder freier Berufe usw. Baukünstler wie
Hermann Muthesius, Heinrich Tessenow, Richard Riemerschmied, Georg Metzendorf,
Paul Schmitthenner, Theodor Fischer und Peter Behrens errichtet haben.
Das Architekturproblem der Kleinsiedelung ist ein doppeltes ein Problem des Stadt-
baues, das die günstigste Verwertung des zur Verfügung stehenden Geländes und die Fragen
der Straßenführung berührt, und ein Problem der Kleinwohnung, die Findung passender
Typen, die mit dem geringsten Aufwand an Raum, Material und Geld den größtmöglichen
realen und idealen Nutzen zu erlangen wissen.
Bereits im Bebauungsplan der Kleinsiedelung fordert die Anlage des Straßennetzes
in seiner sinngemäß zu erfolgenden Differenzierung nach Wohn- und Verkehrszwecken
solche ökonomische Überlegung. Allgemein hat man mit überilüssiger Straßenbreite einen
Luxus getrieben, der die anstoßenden Grundstücke und damit auch die Hauspreise und
Mieten unnötig verteuert hat. Denn für Straßen mit durchgehendem Verkehr, wie ihn die
halb ländliche Kleinsiedelung, die als Vorort weitab draußen vor der Großstadt liegt, höch-
stens nur einmal, in ihrer I-Iauptader, aufweist, ist eine Breite von xo Meter, für Wohn-
straßen dagegen von nur Meter erforderlich, während die Wohnwegeß wie sie unsere
Dörfer und alten Städtchen noch vielfach besitzen, sich sogar mit einer Breite von 1-50 Meter
begnügen können. Ebenso läßt sich eine beträchtliche Verbilligung durch die Straßen-
herstellung, am besten die einfache Chaussierung, erreichen. Die noch vor kurzem viel
erörterte Frage im Stadtbau, ob gerade oder krumme Straßenführung, behandelt man heute
allgemein in einer von Fall zu Fall individualisierenden Weise die krumme Straße ist vor
allem da am Platze, wo die Geländeverhältnisse, zum Beispiel ein zu überwindender Höhen-
unterschied, es verlangen. Die gerade Straße hingegen erscheint als der sinngemäßeste Aus-
druck der kürzesten Verbindung zweier wichtiger Punkte im Stadtplan, einer architektoni-
schen Zielstrebigkeit, die dann in monumental gehaltenen Abschlußbauten ästhetische
Form findet. Vor allem gilt es natürlich, beim stadtbaulichen Entwurf darauf zu achten,
daß der Straßenfernblick nicht ins Leere verläuft wie so häufig in den schematischen
Planungen moderner Großstädte sondern in gut gestellten Häuserfassaden stets seine
festen Blickpunkte erhält. Demgemäß sind denn auch die Straßenkreuzungen durch Vor-
schieben der Eckblöcke, Versetzen der Straßenmündungen usw. auszugestalten, wo an-
gängig als geschlossene Plätze auszubilden. Nur darf man nicht, wie das warnende Beispiel
des Potsdamer Platzes in Berlin zeigt, den Platz durch lauter Durchgangsverkehrslinien
in seiner Eigenart wieder zerstören, sondern man muß, selbst bei zentraler Lage, für seine
Abgeschlossenheit und umfriedete Stille, inmitten allen Verkehrs, Sorge tragen. Solche
durchaus geschlossenen Plätze sind vor allem auch als Kinderspielplätze in den Klein-
siedelungen auszunutzen. Sind sie von jeglichem Fuhrwerksverkehr verschont, so können
sie die architektonische Form von Wohnhöfen" erhalten, wie man sie beispielsweise noch
in den alten Hansestädten Lübeck und Bremen in reizender Heimeligkeit antrifft es ist
das ein zu einem Binnenplatz ausgestalteter Baublock, den man nur durch Toreinfahrten
betreten kann.
Die Forderung der größtmöglichen Verbilligung der Heimstätten der Kleinsiedelung
führt darauf, die Häuser möglichst typisch zu bauen. Der heute allgemein vertretene Grund-
satz ist hier der, im großen zu typisieren und dann durch Abwechslung im einzelnen und
kleinen individuellen Reichtum zu schaffen. Diese Typik verbilligt nicht nur den in der
Ausführung unendlich wiederholbaren Entwurf, sondern sie läßt auch eine fabriksmäßige
Herstellung der einzelnen Bauteile, wie etwa der Dachstühle, Türen, Fenster usw., zu.
Sie verbürgt schließlich auch einen ästhetischen Vorteil größter, stilvoll geschlossener
Einheit durch die sich proportional entsprechende Wiederkehr gleicher Baukörper, gleicher
Dachneigungen, geometrisch ähnlicher Tür- und Fensterößhungen einer Verhältnis-
mäßigkeit, deren große Bedeutung der bekannte Stadtbautheoretiker Professor Dr. A. E.
Brinckmann Platz und Monument", Berlin 1908, Deutsche Stadtbaukunst der Vergangen-
heit", Frankfurt am Main xgn, Stadtbaukunst des XVIII. Jahrhunderts", Berlin x9r4
mit Recht hervorgehoben hat. Ein weiteres Mittel zugleich der Verbilligung und der Ver-
einheitlichung besteht darin, das Einzelhaus gegenüber dem Reihenhaus zurücktreten zu
lassen. Beim Reihenhaus erspart man Wände, es besitzt größere Wärme; das dazugehörige
Gartengrundstück läßt sich ökonomischer einteilen; seine durchlaufende Fassade, nicht
zerrissen von der sinn- und zweckwidrigen Zäsur des stereotyp wiederkehrenden Bauwichs,
gibt in stadtbaulicher Hinsicht trefflich geschlossene Straßenwände. Nur an hervorragenden
Stellen des Siedelungsplanes ist das Einzelhaus, als etwas Einzigartiges und Besonderes,
zu errichten.
Was die Innengestaltung des Kleinhauses angeht, so hat hier selbstverständlich in
noch gesteigertem Maß der Grundsatz der Sparsamkeit zu walten der ökonomisch be-
schränkte Grundriß fordert gebieterisch die bestüberlegte Ausnützung der an sich kleinen
Baufläche. Das für den Industriearbeiter gedachte Haus enthält so an I-Iauplräumen die
Wohnküche, die gute Stube, die Spülküche und Schlafkammern. Da der Tagesaufenthalt
der einfachen Familie in der Wohnküche stattfindet, gilt es, aus ihr, dem reinen Wohnzweck
gemäß, alle jene Unsauberkeiten und Reinigungshantierungen zu entfernen, für die nun
eine besondere Spülküche vorgesehen ist. Daß natürlich die hygienischen Bedürfnisse der
Wasserversorgung, der Lüftung, Beheizung und Beleuchtung technisch erfahren gelöst
werden, versteht sich von selbst.
Es wird eine Hauptaufgabe der öffentlichen Körperschaften nach dem Kriege sein,
eine möglichst große Anzahl von Kleinsiedelungen zu errichten, sowohl für die aus dem
Felde zurückkehrenden Krieger, die mehr oder minder alle nach den langjährigen Feldzugs-
Strapazen daran denken, sich in friedsamer Behaglichkeit ein eigenes Heim zu gründen, wie
auch für die zur Großstadt drängenden ländlichen Bevölkerungsmassen, da erfahrungs-
gemäß nach jedem Kriege stets eine allgemeine Stadtflucht der Landbewohner einzutreten
pHegt. Deshalb müssen sich jetzt schon unsere Städte für diesen bestimmt vorauszusehen-
den Fall rüsten, damit nicht dieselbe Wohnungsnot in Deutschland entsteht wie nach dem
Kriege 187o7i. Sie dürfen vor allem nicht sich auf die Privatinitiative verlassen, die, wie
vor allem unsere deutsche Großindustrie man denke an die mustergültigen Anlagen der
Friedrich Krupp A.-G. von Baurat Robert Schmohl, die Kolonien Altenhof bei Essen an
der Ruhr und der Gewerkschaft Emscher an der Lippe, von Friedrich Metzendorf die
Kolonie Margarethenhöhe bei Essen zwar im Kleinsiedelungswesen schon Großartiges
geleistet hat, aber ohne die ständige Beihilfe von Stadt und Staat, vor allem auch in
finanzieller Hinsicht, bald am Ende ihrer Leistungsfähigkeit angelangt sein wird. Stadt und
Staat müssen daher den so gemeinnützigen Bestrebungen der Kleinsiedelungsgenossen-
schaften in weitestem Maße Boden zu ganz billigen Preisen, eventuell umsonst, das heißt
in unverzinslicher Erbpacht auf 99 jahre, und Baudarlehen zu ebenso billigen Zinsen
geben. Eine solche Großzügigkeit der Wirtschaftspolitik wird dann ihre schönsten Früchte
zum Wohlergehen des gesamten Volkes tragen. Fritz Hoeber, Frankfurt am Main.
SYCHOLOGIE DES KUNSTSAMMELNS." Als gegen Ende des XIX. und zu
Beginn des XX. Jahrhunderts eine größere Anzahl der wichtigsten und umfassendsten
privaten Kunstsammlungen zur Versteigerung gelangte, begann sich die Öffentlichkeit
damit in eingehender referierender Weise zu beschäftigen. Die behende moderne Jour-
nalistik erfaßte rasch den eigenartigen Reiz, den die öffentliche Schaustellung und Feil-
bietung alter Kunstwerke dem komplizierten Kulturemplinden unserer Zeit verschafft und
in immer eingehenderem Maß begleiteten gut beobachtete Feuilletons die Kunstauktionen
der letzten Jahre. A. Donath, ein in Berlin lebender österreichischer Journalist, hat schon
anläßlich der in drei Abteilungen zu Berlin bei Lepke verauktionierten alten Prager
Sammlung des Freiherrn Adalbert von Lanna viel Kluges und richtig Beobachtetes in
einer dortigen Zeitung niedergelegt und diese Büchtigen Betrachtungen des Tages haben
ihn wohl veranlaßt, eine Psychologie des modernen Kunstsarnmelns zu schreiben, die
allerdings angesichts der allerneuesten, auf rein kapitalistischer Basis beruhenden wider-
lichen Auswüchse bereits beinahe als veraltet gelten muß. Sein Thema hat der Verfasser
A. Donatb, Psychologie des Kunstsammelns". Bibliothek für Kunst- und Antiquitätensammler, Band g.
2. Auflage. Berlin, Rich. Karl Schmidt Co. Mit 5B Abbildungen.
nach allen Seiten ausgebaut und bearbeitet, auch die Anordnung des Stoffes in den
verschiedenen Kapiteln ist klar und übersichtlich.
Der erste Abschnitt behandelt den Trieb zum Kunstsammeln", also alle die
Momente und Funktionen, die zusammenwirkend einen Menschen veranlassen, Kunstwerke
zu sammeln. Naturgemäß Schließt sich dem eine historische Darstellung an, welche die
Entwicklung des Sammelns von der Antike bis zur Neuzeit enthält. Am ausführlichsten be-
spricht Donath das moderne Berliner Sammelwesen, welches ihm am bekanntesten und ge-
läufigsten ist. Dann schließen die Betrachtungen je ein Kapitel über die Preissteigerungen",
über die Aufstellung der Privatsammlungen" und endlich ein etwas mageres über die
Fälschungen, die allerdings bei der ungeheuren Ausdehnung und Kompliziertheit der
Materie eine besondere Behandlung erfordern; doch steht dem Sammler hierüber ander-
weitig genug Literatur zur Verfügung. Die Aufzählung der einzelnen privaten Sammlungen
in den verschiedenen Ländern und Städten ist teilweise lückenhaft und zuweilen sogar
ungerecht; allerdings sind solche Aufzählungen immer mißlich; das liegt im Wesen der
Sache. Der Satz Aus Spanien hört man nur wenig von der Schaffung neuer Privat-
sarnmlungen" ist sicher unrichtig und irreführend, denn die Madrider Sammlungen des Don
de Osma, des Pablo Bosch, des Don Francesco de Laigelesia besitzt die größte Kollektion
der seltenen Buen Retiro-Porzellane, über die er einen illustrierten ausführlichen Katalog
herausgeben ließ und des Herrn Traumann reihen sich beispielsweise den größten
europäischen Sammlungen würdig an. Auch über den Budapester Privatbesitz ist der Ver-
fasser nur unzureichend unterrichtet; dort fehlen zum Beispiel die Porzellansammlungen
des Dr. J. Bischitz, des Bankdirektors von Dobay und des Baron Karl Hatvany, ferner die
Kollektionen des Hofrates H. von Kileny im November 1917 versteigert, des Baron
Dirstay, der Baronin Grödel und andere mehr. Endlich ist noch ein Irrtum auf Seite 79 des
Donathschen Buches richtigzustellen. Der daselbst genannte Fürst Ludwig Liechten-
stein", welcher die graphische Sammlung des Herrn von Gundel 1783 ankaufte, hat nie
existiert. Gemeint ist der damals regierende Fürst Alois I. von und zu Liechtenstein, der
allgemein in der Familie und in der Gesellschaft Fürst Louis" genannt wurde; unter dieser
Bezeichnung erscheint er auch auf den gleichzeitigen Porträtstichen. Bei der leichten
Beweglichkeit des Verfassers und der geschickten Art des Buches ist eine neue Auflage bald
zu erwarten. Sie wird urn ein interessantes, aber schwierig zu komponierendes Kapitel zu
bereichern sein, welches die, sagen wir, Apsychologie des Kunstsammelns durch den
neuesten, so schwindelnd rasch und hoch in die Höhe geschossenen Reichtum zu
behandeln haben wird. Dr. E. W. Braun
AKOB BURCKI-IARDT ALS KUNSTSCHRIFTSTELLER." So wie der
Historiker Burckhardt nimmt auch der Kunstschriftsteller überall seinen Ausgangspunkt
von der lebendigen Anschauung. Er hat diesen schon als junger Mensch in einem Brief
an seinen Freund Beyschlag 14. Juni 1842 selbst als solchen bezeichnet Überhaupt
werdet ihr längst den einseitigen Hang meiner Natur zur Anschauung erkannt haben,"
schreibt er da, ich habe mein Lebenlang noch keinen einzigen Gedanken gehabt, der
sich nicht an ein Äußeres angeschlossen hätte. Wo ich nicht von der Anschauung aus-
gehen kann, leiste ich nichts Was ich historisch aufbaue, ist nicht Resultat der Kritik
und Spekulation, sondern der Phantasie, welche die Lücken der Anschauung ausfüllen
will." In der Geschichte wird ihm die Anschauung durch die zeitgenössischen Schrift-
steller Chronisten, Annalisten, Dichter vermittelt, in der Kunst durch die Denkmäler;
eine Arbeit zum Beispiel, wie sie Gronau über den von Burckhardt so hochgeschätzten
Antonello da Messina geliefert hat, in der der Nachweis erbracht wird, daß die Angaben
bei Vasari über diesen widerspruchsvoll und unhaltbar sind und über die Tätigkeit dieses
Malers nur ganz wenige und dürftige gesicherte Daten vorhanden sind, lag ganz außerhalb
des Rahmens, in der sich die Burckhardtsche Kunstschriftstellerei bewegte; um die
Zur hundertsten Wiederkehr seines Geburtstages 18. Mai 1918.
22
Urkunden über Antonello hat er sich nicht gekümmert, nur um die Bilder, die diesem von
der Tradition zugeschrieben werden diese sah er an, prüfte er, verglich er, schied das
Gemeinsame aus, gelangte dadurch zur Charakteristik eines eigenartigen bedeutenden
Künstlers; ob die Bilder mit Recht oder Unrecht einem Mann, der jenen Namen trug,
zugeschrieben werden, daran lag ihm wenig. wie er denn zuletzt überhaupt den Wechsel
in den Zuschreibungen hervorragender Kunstwerke gar nicht mehr verfolgte, über die
Attribuzler" und ihre so oft recht vergebliche Mühe spottete." Und so wie er als Historiker
seine Aussagen und Urteile sehr häufig verbringt, ohne zu ihrer Begründung irgend eine
Belegstelle zu geben, so weist er mitunter Kunstwerke ohne einen urkundlichen Anhalt
bloß nach seinem Gefühl unbedenklich einem bestimmten Künstler zu oder interpretiert
etwas in sie hinein. Für seine Auffassung des Konstantin bringt er darin haben ja seine
Kritiker recht kein einziges Beweisstück bei und wenn er ein Porträt der Munizipal-
galerie in Mailand ohne weiteres eben jenem Antonello zuschreibt und dies bloß damit
begründet, daß keine andere Attribution möglich ist", oder in der Madonna di S. Girolamo
des Correggio in Parma den Künstler eine neue Rechnung" die der moralischen Äquiva-
lente an Stelle der früheren malerischen beginnen läßt und hinzusetzt ob sich Correggio
oder sonst ein Meister hierüber Rechenschaft gegeben, wisse er nicht er habe nichts vor-
zubringen als seine Vermutung, so wird der exakte Forscher das Recht haben, sich damit
ebenso nicht zufrieden zu geben wie die Historiker, die seine Auffassung des Konstantin
abgelehnt haben. Aber nicht nur daß er seine Quellen nie in den Archiven suchte, sondern
auf Straßen und Plätzen, in Kirchen und Palästen, in Museen und Galerien, er stand auch
diesen mit einer souveränen Freiheit gegenüber, die bisweilen hart an Willkür streifte.
Der Vorwurf, daß er die einschlägige Literatur gar nicht oder doch zu wenig herangezogen
hat, trifft ihn hier ebenso wie dort seinen Vasari kannte er wohl sehr genau und noch
wenige Wochen vor seinem Tode fand ihn ein Besucher über der Lektüre alter Vite de'
pittori" die Katze läßt das Mausen nicht" sagte er aber neuere Arbeiten hat er
eigentlich nur ausnahmsweise herangezogen; es fällt einem ordentlich auf, wenn er zum
Beispiel in der Studie über das Altarbild einmal eine Monographie wie die von Cornelius
über Jacopo della Quercia zitiert; in den Erinnerungen an Rubens" findet sich von neuerer
Literatur nur Gurlitts Geschichte des Barockstiles", Fromentins Maitres d'autrefois",
das Waagensche Textheft zum Rubens-Album, Frimmels Handbuch der Gemäldekunde"
und Woermanns Geschichte der Malerei" also fast durchaus Nachschlagebücher
in den Fußnoten genannt. Es ist ja wahr, er kannte viel mehr als er nannte, aber immer-
hin ist da von einer Beherrschung der Literatur" ebensowenig die Rede wie etwa in
seiner griechischen Kulturgeschichte. Nicht aus Geringschätzung kümmerte er sich so
wenig um sie, sondern weil ihm das Studium der Denkmäler, das ihm unendlich wichtiger
schien, dafür keine Zeit ließ. Dazu kommt noch, daß ihm der Trieb, einen Gegenstand
völlig zu erschöpfen, der so manchen Gelehrten sein ganzes Leben in Untersuchungen über
eine kleine Spanne Zeit oder gar eine einzelne Persönlichkeit hinbringen läßt, ganz fremd
war. Seine Zeit Kaiser Konstantins" wie seine Kultur der Renaissance in Italien" hat
ihn ein jedes nicht länger als zwei Jahre in Anspruch genommen ein Jahr für die Quellen-
lektüre, ein zweites für die Ausarbeitung. Mehr Zeit nahm er sich eingestandenermaßen
überhaupt nicht für denselben Vorwurf zwanzig Jahre über einem Leben Raffaels zu
studieren wäre ihm bei allem Enthusiasmus für diesen Künstler ebenso unmöglich gewesen
wie über einem Leben Napoleons. Dazu war sein Interesse zu vielseitig, seine Neugier
auf zuviel Dinge und Menschen gerichtet. Und so sind denn auch alle seine Schriften über
Kunst, vom Cicerone" bis zu den Erinnerungen an Rubens", in verhältnismäßig kurzer
Zeit entstanden und was er einmal abgeschlossen hatte, auf das grilT er fast nie wieder
zurück. Eine Ausnahme wie die zweite Auflage der Zeit Konstantihs" gibt es in seiner
Kunstschriftstellerei nicht; vom ,.Cicerone" hat er bekanntlich schon die Besorgung der
zweiten und dann aller folgenden Auflagen anderen überlassen und wenn er in dem
Nach Wölfflin im Repertorium für Kunstwissenschafl", 1897, Seite 344.
Rubens-Buch ein Thema seiner Jugendschrift Kunstwerke der belgischen Städte" oder
in den Aufsätzen seiner letzten Jahre zur italienischen Kunstgeschichte einzelne Fäden
des Cicerone" wieder aufzunehmen scheint, so ist das eben nur Schein; es ist ein
ganz neuer Standpunkt, von dem er aus den alten Vorwürfen gegenübertritt, es sind neue
Augen, mit denen er sie ansieht.
Es ist gewill, daß durch diese seine Behandlungsart in seine Kunstschriftstellerei
ebenso wie in seine Geschichtsbetrachtung ein dilettantischer Zug kam, den er ja auch
selbst wiederholt zugegeben und hervorgehoben hat. Aber freilich ist es ein Dilettantismus
im höchsten Sinn, im Sinne eines Leonardo, eines Montaigne oder Goethes. Dieser Dilettan-
tistnus schließt die Fähigkeit einer fortwährend geistigen und gemütlichen Umwandlung,
Erneuerung, Verjüngung einf Die Geister dieser Art werden nie müde, zu schauen, zu
lernen, zu verstehen; in ihnen versteinert und vermodert nichts. In der Tat, wenn man
die Erinnerungen an Rubens" liest, so wird man mit C. Neumann" nicht genug über
das leidenschaftliche Schönheitsgefühl staunen können, welches wie Jugendglut in den
Sinnen und in der Seele des greisen Burckhardt loderte".
11K
Was man wissenschaftliche Leistungen" nennt, pflegen auf diese Weise nicht zu
entstehen. Burckhardt hat denn auch solche fast nur in seiner Lehrzeit geliefert; da zeigte
er, daß er so gut wie ein anderer angehender Privatdozent grundgelehrte Monographien
zu klittern verstand wir erinnern hier nur an seine Aufsätze über die Schweizer
Kathedralen 1838, über die vorgotischen Kirchen am Niederrhein 1843, die Kirche zu
Otmarsheim im Elsaß 1844. Aber sein erstes Buch Die Kunstwerke der belgischen Städte"
1842 werden gestrenge Kritiker schon geringschätzig als Feuilletonismus" brandmarken
können, es ist ein Wanderbuch mit eingestreuten kunstgeschichtlichen Exkursen. Dann
kam die Mitarbeiterschaft an den großen Werken seines Lehrers Franz Kugler, der zweiten
Auflage der Geschichte der Malerei" 1847, der zweiten und dritten Auflage des Hand-
buches der Kunstgeschichte" 1848 und 1856. Diese nötigte ihn zu einer systematischen
Durcharbeitung besonders der neueren Kunstgeschichte, er hatte sich der Kuglerschen Art
anzubequemen, mit seiner eigentlichen Persönlichkeit zurückzutreten. Wenigstens aus dem
I-Iandbuch" lassen sich wohl seine Zusätze meist glatt herausschälen", aber er ließ doch
die Ansichten Kuglers auch dort, wo er nicht mit ihnen einverstanden war, im großen und
ganzen bestehen so zum Beispiel dessen überschwengliche Schätzung Correggios.'""
Der Cicerone", der zwischen die beiden letzten Umarbeitungen fällt 1855, will nichts
anderes sein als ein Führer durch die Kunstschätze Italiens und eine Anleitung zu ihrem
Genuß", nur daß dabei eine Menge eigener Ansichten des Verfassers hervortreten; es ist ein
viel subjektiveres Buch als Reiseführer sonst zu sein pflegen, und schließt sich insofern an
die Kunstwerke der belgischen Städte" an. Die späteren Aufsätze über das Altarbild, das
italienische Porträt und die Sammler könnten allenfalls als eine Rückkehr zu den mono-
graphischen Arbeiten seiner Frühzeit angesehen werden, aber er läßt sich hier viel mehr
gehen; es sind doch mehr Essays in der Art der Franzosen, subjektive Betrachtungen
über Erscheinungen der Kunstgeschichte als gelehrte Abhandlungen darüber. Vollends
das Rubens-Buch ist viel mehr ein Dokument für seine eigene Art als für die des Rubens,
obwohl sich darin gewiß auch viele wertvolle objektive Beobachtungen über dessen Kunst
finden. Und so bleibt denn ein einziges Werk, das man als ein in erster Linie wissen-
schaftliches bezeichnen darf Die Geschichte der Renaissance in Italien" 1867, bekanntlich
eine Darstellung der italienischen Baukunst in dieser Periode; es ist, von den oben ange-
führten Erstlingsarbeiten abgesehen, das unpersönlichste Buch Burckhardts, eine syste-
Le dilettantisrne devient alors une science delicate de la metamorphose intellectuelle et sentimentale."
Bourget, Essais de psychologie contemporaine", 60 über Emest Renan.
In seiner Anzeige dieses Buches in den Preußischen Jahrbüchern", 1898, Seite 313 u. f.
Siehe Philippi, Begriß der Renaissance" 1912, Seite 134 u. f.
matische Vorführung der Architektur- und Dekorationsformen nach Sachen und Gattungen
in Winckelmanns Sinn gegenüber der im XIX. Jahrhundert üblichen erzählenden Kunst-
geschichte. Und hier hat denn auch Burckhardt ausnahmsweise einmal Schule gemacht
wenigstens die Arbeiten von Heinrich Wölfflin Prolegomena zu einer Psychologie der
Architektur" 1886, Renaissance und Barocke" 1889, Die klassische Kunst" r89g
verraten deutlich den Einfluß Burckhardts. Wie viel tiefer er sich auf diesem Gebiet in
spezifisch wissenschaftliche Fragen einließ, zeigt auch sein Briefwechsel mit l-I. Gey-
..
muller.
PIK
Es erhebt sich nun die Frage nach den Leitmotiven und den sachlichen Resultaten
seiner Kunstbetrachtung.
Schon auf der ersten Seite seiner Kunstwerke der belgischen Städte" kündigte sich
der künftige Großpriester der Renaissance", wie ihn Waagen genannt hat, an, wenn es da
vom Justizpalast in Lüttich heißt Die Säulen völlig in dem Stil gearbeitet, den wir Nord-
länder sehr unpassend Renaissance nennen. Dieser Name würde wesentlich nur auf Italien
passen, da die vom Norden hereingedrungene gotische Bauart es nicht zu einer einzigen
klassischen Produktion gebracht hat und wo man deshalb über die Wiederbelebung der
Antike welche dort inländisch war, bei uns nicht sich in der Tat freuen durfte. Im Norden
dagegen ist die sogenannte Renaissance nichts anderes als das endliche Durchdringen jenes
dekorativ-phantastischen Elementes, welches den germanischen Völkern vom Anfang an
eigen war, aber in den strengen Formen der gotischen Kunst lange gebunden gelegen
hatte. In seiner Bearbeitung der 2. Auflage des Kuglerschen Handbuches" macht er zu
dessen ursprünglicher Charakteristik der neueren Architektur einen Zusatz zu ihren Gunsten
gegen den spätgermanischen, wobei etwa auf den Rhythmus der Massen" in der italieni-
schen Baukunst von 500 hingewiesen und ihre Richtung eine malerische genannt, ferner
konstatiert wird, daß diese als Vorbild für die Unternehmungen der übrigen Länder gedient
habe; er macht auf die Verwandtschaft des Geistes der italienischen Nation mit dem der
Antike aufmerksam, aus der sich erkläre, daß sie zuerst mit Entschiedenheit auf die Formen
der antiken Architektur eingehe; das germanische gotische Bausystem komme bei ihr
nicht zu einer klaren Entfaltung. Im XV. Jahrhundert bilden die Italiener die antiken Formen
selbständig fort, später fügen sie sich mehr dem antiken Vorbild. Dies sind lauter Vor-
verkündigungen des Cicerone". In der Architekturabteilung desselben wird die italienische
Kunst des XV. Jahrhunderts zum erstenmal als Früh-ä die des XVI. Jahrhunderts als
I-Iochrenaissance" bezeichnet. I-Iier steht auch der berühmte Satz Die Renaissance in
Italien hatte schon lange gleichsam vor der Türe gewartet; in den romanischen Bauten
Toskanas aus dem XII. und XIII. Jahrhundert zeigt sich bisweilen eine fast rein antike
Detailbildung. Dann war der aus dem Norden eingeführte gotische Stil dazwischen-
gekommen, scheinbar allerdings eine Störung, aber verbunden mit dem Pfeiler- und
Gewölbebau im großen und daher eine unvergleichliche Schule in mechanischer Be-
Ziehung und dies war die Erbschaft, welche die Renaissance übernahm."
In der Malerei und Skulptur unterscheidet Burckhardt schon in den Kunstwerken der
belgischen Städte" eine idealistische und eine realistische Richtung, zunächst nur in Be-
ziehung auf die germanische Kunst. Diese Unterscheidung hat nicht er erst aufgebracht; er
fand sie schon in der Literatur seiner Zeit, auch Kugler hat sie. Aber in der Folge wird sie das
I-Iauptmotiv seiner gesamten Kunstbeurteilung. Seine Sympathien stehen vom Cicerone"
an durchaus auf Seite der idealen Kunst, die ihm gleichbedeutend mit hoher Kunst" ist;
er EUÖCÜQSIC zuerst in den Meisterwerken der griechischen Plastik, später in den gotischen
Dornen, in der gotischen Malerei und Skulptur, endlich in der Kunst eines Leonardo, RaEael
und Tizian. Es ist die Kunstauffassung unserer klassischen Zeit, von Winckelmann bis
Goethe und darüber hinaus. Doch läßt er auch die realistische Richtung, die auf Darstellung
der Wirklichkeit, des Momentanen, der Fülle des Daseins ausgeht, gelten, sofern sie inner-
Siehe meine Anzeige desselben in dieser Zeitschrift, xgx3, I-Ieft 12.
halb gewisser Schranken bleibt. Michel Angelo ist ihm bei aller Größe, die er zugibt, eine
unheimliche Erscheinung und ein Verhängnis für die spätere Kunst. In der Barocke sieht
er zuerst im Cicerone" eine Entartung und Verfall, nur ihre monumentale Baugesinnung,
die sich in der Großräumigkeit ihrer Kuppelkirchen und Paläste ausspricht, anerkennt er,
später wird er nachsichtiger und prophezeit ihr richtig eine zukünftige noch höhere
Schätzung. Und die Schwärmerei seines Alters war zuletzt ein Maler der Barocke. Ihm
verdankt die Kunstgeschichte auch die Konstatierung des Vorteils, der den Künstlern der
Antike, des Mittelalters und der Renaissance daraus erwuchs, daß sie nicht auf Originalität
ausgingen, sondern immer wieder denselben Vorwürfen neue Seiten abzugewinnen suchten.
Auch auf die Wichtigkeit des Materials und der Gesinnung der Besteller dürfte er zuerst
hingewiesen haben. Für die Kunst des XIX. Jahrhunderts, namentlich die ersten Erschei-
nungen der Moderne, fehlte ihm das Organ und auch der gute Wille, sich um ihr Verständnis
zu bemühen. Nur wenn sie, wie bei Böcklin, in den Spuren der großen alten Meister wan-
delte, hat er eine sparsame Anerkennung für sie.
1h 14
Es ist so nicht gar viel, was er an bleibenden Resultaten der Kunstgeschichte zugebracht
hat; das, was man seinerzeit als das Wichtigste ansah, seine Auffassung der Renaissance,
namentlich der außeritalienischen, wird schon längst bestritten, ja man hat von einem
Gespenst derBurckhardtschen Renaissanceauffassung" sprechen dürfen, das einer richtigen
Würdigung der deutschen Renaissance im Wege steht." Was wir heute an seiner Kunst-
schriftstellerei schätzen und, wie wir wenigstens glauben, immer als einen Reiz an ihr
empfinden werden, ist in der Tat etwas anderes. Zuerst die visionäre Kraft, mit der er die
Werke der Kunst anzudeuten versteht. Wir greifen auf Geratewohl aus der Fülle seiner
Bemerkungen über Bilder, wie sie sich zum Beispiel in dem Aufsatz über das italienische
Porträt ausgestreut finden, einige heraus Aus Raffaels Castiglione im Louvre sprechen ihm
leidensfähige Züge", aus Tizians Francesco della Rovere in den Uflizien eine schreckliche
Wahrheit", an dem Herzog von Norfolk desselben Malers fällt der unbeschreibliche, dem
Irrsinn nicht ganz ferne Blick" auf, ein Brustbild von Verrocchio in den Uflizien charak-
terisiert er als voll verschlossener Kraft und nicht ohne einen Zug von Kummer", der
Kardinal Poole des Sebastian dal Piombo ist ihm von wahrhaft königlichem Geblüt, ehr-
würdig in seinem Gram, einen Greis des Morone in Brescia als von unendlicher Lebens-
erfahnmg"; ein bejahrter Mann von Antonello-da Messina in der Sammlung Trivulzi in
Mailand ist ihm höchst merkwürdig durch den hinterhältigen Blick eine Voraussicht oder
Absicht des Schlimmen, welche sich heute jedermann im Porträt verbieten würde", von dem
rätselhaften" Herrn im Pelzrock des Parrneggianino in der Wiener Galerie, der soeben
durch eine Tür, an der eine Hellebarde lehnt, eingetreten ist, ergreift ihn der Gedanke,
ob der wohl durch diese Tür habe wieder hinausgehen dürfen. Aus den Antlitzen der am
Kalvarienberge eingeschlafenen Jünger des Herrn von Giotto liest er heraus, daß sie in
frommen Gedanken entschlummert sind, aus dem tiefernsten Ausdruck der vier Heiligen
auf der Disputa des Del Sarto im Palazzo Pitti, daB es sich in ihrem Gespräch um ein
Höchstes handelt; in der Madonna di Foligno hat ihm Ralfael das Wunder vollbracht,
seinen Sigismondo Conti so zu den drei ekstatischen Heiligen zu stimmen, wie ein tief-
ergrilfener armer Erdensohn zwischen höher beseelten Wesen erscheinen muß".
Zu dieser eigentümlichen Macht der Charakteristik kommt noch ein anderes. Schon aus
den gegebenen Beispielen spricht eine lebendige Teilnahme des Beschauers es ist kein
Kritiker, der mit seinem Notizbuch in der Hand die Bilder mustert, er steht vor den Werken,
die er schildert, wie jener Sigismondo Conti zwischen den Heiligen, in tiefer innerer
Ergriffenheit. Es geht dann durch den in der Regel vorwaltenden Ton des überlegenen
kühlen Raisonneurs wie ein leises Vibrieren, das nach dem Zeugnis seiner Zuhörer auch
die Höhepunkte seiner Vorträge bezeichnet haben soll. Dies geschieht zumeist, wenn er
H. Titze in den Kunstgeschichtlichen Anzeigen" von Wickhoftj 1906, Nr. 4.
auf die Spuren eines glücklichen Daseins kommt dies löst in ihm eine Glücksempiindung
aus und auch für uns, für seine Leser wird er einWeiser zum Mitgenuß eines solchen Glückes.
Bisweilen begnügt er sich, den Ausdruck des Glückes in dem Kunstwerk zu konstatieren,
so wenn er von dem bärtigen Dionysos in der Sala della biga des Vatikan sagt er blicke
mit hoher Wonne auf die von ihm beherrschte Welt". Die Schalkhaftigkeit der 16 Genien
um die Nilstatue derselben Sammlung ist ihm gleichsam nur ein Ausdruck für die stille
Seligkeit des gewaltigen Stromgottes". Ein andermal ist ihm das Werk ein Zeugnis für das
Glück seines Schöpfers so hat er schon bei Homer die Empfindung, daß dieser Dichter
glückselig gewesen sei. Dort, wo er die Behandlung der christlichen Symbolik in der
italienischen Skulptur des XIV. Jahrhunderts bespricht, sagt er Wenn man inne wird,
welchen heiligen Ernst und welche Treue Giotto und die Seinigen diesem Gedankenkreise
widmeten, so bleibt kein Zweifel, daß sie davon überzeugt und beglückt waren." Aus den
Bildern des Fra Angelico spricht ihm eine friedensreiche tiefe Seligkeit" und auch Murillo
war ja ein innerlich beglückter Mensch". Eine besonders reiche Glücksernte bereitet ihm
Rubens; gleich in der Einleitung seiner Erinnerungen" sagt er, man treffe in dessen Persön-
lichkeit und Lebenslauf an so vielen Stellen auf Glück und Güte wie kaum bei einem
andern von den großen Meistern". Claude Lorrain liebt er so, weil dieser als reingestimmte
Seele in der Natur diejenige Stimme vernimmt, welche vorzugsweise den Menschen zu
trösten bestimmt ist". Mit dem Hinweis auf diesen wie auf Nikolaus Poussin nimmt er im
Cicerone" bekanntlich Abschied von seinen Lesern, indem er ihnen das ruhige Glück der
Seele wünscht, das er bei Betrachtung der Kunstschätze Italiens genossen hat und dessen
Erinnerung ihm selbst aus den schwachen Nachbildungen jener hohen Meisterwerke so
übermächtig entgegenkommt". E. Guglia
RAÜTOFFS NICOLAS PQÜSSIN"."' Der Versuch einer Bibliographie über
Poussin umfaßt bei Grautoff 13 gespaltene Quartseiten; und doch fehlte unter dieser
Fülle an Material die eigentliche, wissenschaftlich zusammenfassende Monographie über
den klassischen Franzosen. Grautoff bietet sie hiemit; als ein monumental angelegtes
Werk in zwei starken, mit Abbildungen sehr reich ausgestatteten Bänden, deren erster
den Text und die Exkurse, deren zweiter Katalog und Abbildungen der Gemälde enthält.
Das Buch ist vor dem Kriege aus der Pariser Umwelt des Autors heraus ent-
standen, in einem künstlerisch und literarisch sehr vorgeschrittenen und entwickelten
Kreise, dem Romain Rolland, L. Hautecourt, Derain und andere Matisse-Nachfolger
angehörten, aus der neuerwachten Liebe zu der Größe und Gesetzmäßigkeit in Poussins
Werk, dessen Bedeutung gerade die den Impressionismus ablösenden Stilsucher voll
erkannten. Nicht was Poussin zum sogenannten Klassizisten stempelte, sondern was in
ihm lebensfähig und Anregung für die folgenden Jahrhunderte war, hat Grautoff betont.
Ja, er kann nicht nachdrücklich genug wiederholen, daß der Klassizismus nur eine und
nicht die wertvollste Seite der Kunst Poussins bildet, daß seine ausschließliche Beschlag-
nahme für den akademischen Klassizismus eine Geschichtsfalschung der französischen
Akademiker seit Lebrun darstellt, und daß es in der Mannigfaltigkeit und dem Reichtum
seiner Entwicklung Momente gibt, die nicht nur auf die vergangene französische Malerei,
sondern auch noch auf Gegenwart und Zukunft zu wirken vermögen. So hat Poussin auch
uns noch manches Lebendige zu sagen, so sehr wir geneigt sein mögen, ihn als eine
historisch abgeschlossene fremdsprachige Größe zu betrachten und zu bewundern.
Den I-Iauptnachdruck legt Grautoff auf die Herausarbeitung seiner künstlerischen
Entwicklung, in die er alle seine bekannten Bilder einfügt, mit genauen Analysen jedes
einzelnen. Über die tastenden Anfänge seiner Pariser und ersten römischen Zeit gelangt
er zu der barocken Periode, die so bezeichnete Stücke enthält wie die Marter des
heiligen Erasmus und den bethlehemitischen Kindermord in ihnen nimmt es Poussin mit
Otto Grautoh Nicolas Poussin. Sein Werk und sein Leben". Zwei Bände. München und Leipzig,
Georg Müller, 1914.
den stärksten Ausdruckskünstlern des römischen Barock auf. Es folgt die reiche wunder-
volle Zeit des Tizianschen Einflusses, den Poussin in selbständig französischer Weise
verarbeitet, und die wohl seine glücklichsten, harmonischesten Schöpfungen enthält.
Allmählich mischen sich antikisierende Ideen hinein. Die erste Epoche seines Klassizismus
ist noch eine völlige Umschmelzung des alten Ideals in französichen Sinn. Der wirkliche
Rationalismus, das mathematische Errechnen der Bildeinheit mit den statuarischen,
klassizistisch kühlen Figuren beginnt erst Ende der 1630er Jahre mit der ersten Folge der
Sieben Sakramente". Hier schreibt auch die Überlieferung Sandrarts und andere
Poussin die Verwendung beweglicher, mit nassem Zeuge bekleideter Wachsfiguren zu, die
er auf der Bühne hin und her rückte und beleuchtete, um die sicherste Gruppierung heraus-
zubekommen ein Beispiel, das in der Folgezeit wahrhaft verheerend wirkte. Sein Spät-
stil bezeichnet eine neue Nachfolge Ralfaels und seines Bühnenstils; nicht minder aber die
herrlichen ldeallandschaften und die zusammenfassende Synthese seiner letzten Jahre,
denen solche Meisterwerke angehören wie die Vier Jahreszeiten" und Apollo und
Daphne".
In die Exkurse hat Grautoff das Material verwiesen, das ihm die Darstellung unnötig
beschwert hätte, zum Beispiel über Poussins Lehrer Varin, Marino, das Problem der
Antike im XVII. Jahrhundert, Poussins Kunsttheorie, Maltechnik usw. Immerhin ist er
hier nicht ganz konsequent; manches steht im Text, manches in den Anmerkungen, was
eigentlich den Exkursen zukäme.
Diese technischen Einwände können aber nicht standhalten vor dem Gesamteindruck
des Werkes, dessen großer Stil und klare Präzisierung der Fragen dem Gegenstande gerecht
werden. Wir haben ein Buch vor uns, das endlich den ganzen Reichtum des Poussinschen
Geistes vor uns ausbreitet und die mannigfachen Fäden verfolgt und entwirrt, die ihn mit
seiner Zeit und den Nachfolgenden verbinden; das in einer würdigen Sprache uns ein
Bild des Künstlers übermitttelt, der einer der Größten des XVII. Jahrhunderts und einer der
führenden Geister Frankreichs war, obwohl er sein Leben fast ganz in Rom zugebracht hat.
Daß ein solches Buch von einem Deutschen so kurz vor dem Kriege geschrieben und
von einem deutschen Verleger im dritten Jahre des Weltkrieges herausgebracht werden
konnte, das soll uns ein günstiges Zeichen dafür sein, daß geistige Werte nach wie vor
keine nationalen Schranken kennen.
Papiernot sieht man dem dickleibigen Buche nicht an. Der Verleger Georg Müller hat
es an Sorgfalt nicht fehlen lassen; leise Wünsche bezüglich einer opulenteren Ausführung
des Bildermaterials müssen wohl vor der Tatsache ihrer Fülle und Reichhaltigkeit zurück-
treten. Dr. Paul F. Schmidt
ILIPPO BALDINUCCIS VITA DES GIO. LORENZO BERNINIF
Den problemreichen, anregenden und schönen Vorlesungen Alois Riegls über' Die
Entstehung der Barockkunst in Rom" Wien 1908, Verlag von A. Sehroll ließen die beiden
Herausgeber auch das Kolleg Riegls über Bernini folgen. Der große Gelehrte ging von der
bekannten geschichtlichen Hauptquelle, der Vita des Baldinucci, aus, welche er auszugs-
weise seinen Hörern vorlas, übersetzte und an der Hand von Reproduktionen der Werke des
Bernini auf das anschaulichste interpretierte. Dabei ergab sich beinahe Schritt für Schritt
die Notwendigkeit, sich mit dem großen und breit angelegten Werke Fraschettis über den
Barockmeister auseinanderzusetzen. Was Riegl in diesen Vorlesungen niedergelegt hat,
interessiert den Leser außerordentlich, nicht nur, weil es von ihm kommt, sondern auch
aus dem Grunde, weil wohl keiner vor ihm das Problem der frühen Barockskulptur so tief
und originell gesehen und gefaßt hat. Wir finden auch wertvolle Hinweise und Lösungs-
möglichkeiten dieses so überaus schwierigen Problems; so sind die Ausführungen Riegls
über Berninis Vater Pietro und dessen Kunst außerordentlich wichtig. Außer den von Riegl
Mit Übersetzung und Kommentar von Alois Riegl. Aus seinem Nachlass herausgegeben von Anur
Burda und Oskar Pollak. Mit 30 Tafeln. Wien, Verlag von Anton Sehroll Co.
angezogenen Zitaten aus der Lebensbeschreibung des Baldinucci haben die Herausgeber
in dankenswertester Weise auch die übrigen Stellen aus derselben abzudrucken sich
entschlossen, so daß ein vollkommener Neudruck der Originalausgabe dieses Vita del
Cavaliere Bernini" jetzt vorliegt. Das gedankenreiche Werk Riegls gewinnt übrigens noch
an erhöhter Bedeutung für uns, weil es bei dem allgemeinen und starken Interesse der
modernen Kunstwissenschaft für die Entwicklung der österreichischen und deutschen
Barockkunst eine tretfliche Hilfe gewährt, denn die Wurzeln der nordalpinen Plastik des
endenden XVII. und des XVIII. Jahrhunderts gehen größtenteils bis auf Berninis Werke
und deren starke Wirkungen zurück. E. W. B.
WIEN. VORTRAG MÜTHESIUS. Geheimrat Dr. Ing. Hermann Muthesius
hat, der Einladung des Österreichischen Werkbundes Folge leistend, über Massen-
erzeugnis und Handarbeit" gesprochen. Er hat damit eine aktuelle und wichtige Angelegen-
heit beleuchtet, die in ihrem Kern eigentlich die ganze kunstgewerbliche Entwicklung der
jüngsten Vergangenheit und der nächsten Zukunft beschäftigt hat und bewegen wird. Sie ist
als unmittelbare Folgeerscheinung der technischen Fortschritte ebensosehr zum Stolz wie
zur Sorge der Einsichtigen herangewachsen. Der Vortragende hat einerseits die ästhetisch-
formale wie die wirtschaftlich-praktische Seite der Frage eingehend behandelt. In seinem
ersten Teil kam er zur Verteidigung der Möglichkeit, bei den Massenerzeugnissen auch eine
ästhetisch befriedigende Gestaltung durchzusetzen, die ja im Buch, in der Kleidung und
bei verschiedenen anderen Produkten industrieller, mit maschinellen Hilfsmitteln bewirkter
Herstellungsweise heute schon erreicht erscheint. Sie besitzen jene Schönheit, welche ein
mit vollkommensten Hilfsmitteln und höchster Präzision hergestellter, wichtigen Be-
dürfnissen in vollendeter Weise entsprechender Gegenstand in der Regel besitzt und die
durch den menschlichen Instinkt zur Verfeinerung und Veredlung geführt wird, wenn
auch Zweckerfüllung und Massenproduktion die Erzeugungsweise vorwiegend bedingen.
Daneben wird die Schönheit individueller Handarbeit immer ihren Seltenheitswert und die
höhere künstlerische Qualität zu behaupten vermögen, wenn sie auch aus einem früher
allgemeinen in ein später eng begrenztes und höhergestelltes Gebiet gerückt wird.
Bei allen Verkehrsmitteln Auto, Eisenbahn, Flugzeug bilden allein schon die Über-
windung natürlicher Widerstände und die Erreichung höchster Leistungsfähigkeit form-
gebende Bedingungen von hoher Bedeutung; ebenso gilt dies von allen Gegenständen des
Gebrauches unserer täglichen Lebensbedürfnisse, die in bezug auf Material- und Zeit-
Ökonomie zur vollkommensten Erzeugungsweise gedrängt und damit auch zur einwandfreien
Gestalt gebracht werden. Wenn auf all diesen Gebieten dem Massenerzeugnis eine günstige
Prognose gestellt wird, so kann jeder, der sich von historisch rückblickender Betrachtungs-
weise zu einer gegenwartsfrohen und zukunftsicheren durchzuringen vermag, sicherlich
zustimmende Empfindungen und Gedanken zum Ausdruck bringen. Die nächste Zukunft
gehört sicher der technichen Produktion, der Ökonomie und Ausbildung aller Arbeitskräfte
und ihrer Werkzeuge ohne Sentimentalität und Nachahmungssucht vergangener Zeiten.
Anders und viel weniger günstig liegen die Verhältnisse für die derzeit in Übung be-
findlichen wirtschaftlichen Methoden. Der direkte Verkehr zwischen Besteller und Erzeuger
hat aufgehört und ihr Vermittler, der spekulative, geschäftskluge Händler, hat viel Unheil-
volles angerichtet. Das Warenhaus, damit zusammenhängend die Erzeugung für den Export,
geben noch immer ein berübendes Bild. Auch hier hat die Organisation das Machtwort zu
sprechen. Das Schreckwort billig und schlecht" muß als mahnendes Zeichen gelten, die
Verdrängung der Heimarbeit durch minderwertige Fabriksware muß als Warnungsruf
wirksam bleiben. Nur die zielbewußte Organisation der besten industriellen, künstlerischen
und kaufmännischen Kräfte zu gemeinsamer Wirksamkeit, welche nach Möglichkeit den
unverantwortlichen und gewissenlosen Vermittler ausschaltet und zurückdrängt, kann ein
aussichtsreicheres Bild aufrollen. Der Vortragende war auf diesem Gebiete bei Schilderung
der Zustände optimistischer und nachsichtiger, als man es bei uns zu sein gewohnt ist.
jener des Museuinsdirektors G. Pazaurek über den Hurra-Kitsch", wirft ein Streif licht auf
die momentane Lage. Die Massenerzeugung hat auf allen Gebieten des nicht vom Gebrauchs-
bedürfnis und vom Zwecke restlos erüillten Erzeugnisses, also auf jenem des schmückenden,
veredelten Ziergegenstandes, eine sehr verderbliche Bahn betreten. Nur die Anspannung
und Konzentrierung aller Kräfte, denen ja der Werkbund seine Entstehung und seine Ziele
verdankt, kann das Steuerruder in die Hand jener zurückbringen, die hier allein Abhilfe
schaffen können.
An Versuchen und Bemühungen, welche die Möglichkeit eines guten Resultates
bewiesen, hat es gerade in Österreich auch zur Kriegszeit nicht gefehlt, wohl aber an
Erfolgen solcher Bemühungen im Hinblick auf ihr Eindringen in weite Kreise, die immer
noch verständnislos ihre Auswahl üben.
Hoffentlich behält der Optimismus des Vortragenden recht, der auch hier eine Wand-
lung zum Besseren voraussieht und von dem Wirken zweckvoller Organisation erwartet.
IEN. VÜRTRAG BOLLE. Der Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz
in Niederösterreich veranstaltete eine Reihe von Vorträgen, unter denen besonders
jener des Hofrates J. Bolle hervorgehoben zu werden verdient. Er betraf die Gefährdung der
Kunstwerke auf Holz und ihre Rettung. Ein ungemein sachkundiger, mit wissenschaftlicher
Gründlichkeit ebenso wie mit begeisterter Liebe zur Kunst ausgestatteter Gelehrter und
Praktiker hat sich die Bekämpfung jener so gefährlichen Insektengruppe zur Lebensaufgabe
gemacht, die Verheerungen unter Bildern und Plastiken angerichtet haben und viel zu
wenig beachtet werden. Das ungemein eingehende Studium des Lebens dieser Zerstörer,
ihrer Verbreitung und Vermehrung zeitigte in dem tüchtigen Chemiker zugleich die
Entschlossenheit, alle Mittel, die erreichbar sind, zur Bekämpfung dieser Lebewesen auf-
zubieten und so große Kunstwerke vor dem Untergange zu behüten. Es ist ihm dies in
vielen Fällen gelungen und wird seiner Hingabe an diese wertvolle und domenvolle Tätigkeit
hoffentlich noch öfter gelingen. Sie verdient um so mehr in das Licht der Öffentlichkeit
gerückt zu werden, als wenige ahnen, wie weit verbreitet und gefährlich für den Bestand
an Kunstgut die Vernachlässigung dieser Angelegenheit ist. Die zahlreichen und vor-
trefflichen Lichtbilder, mit welchen der Vortragende seinen klaren und humorvoll poin-
tierten Vortrag unterstützte, mußten in jedem Freunde der Kunst einen sehr nachhaltigen
Eindruck hinterlassen und zugleich das Gefühl großer Dankbarkeit für die Wirksamkeit
des vortrefflichen Mannes auslösen.
MITTEILUNGEN AUS DEM K. K. ÖSTER-
REICHISCHEN MUSEUM 50'
ÜRATQRIUM. Seine k. und k. Apostolische Majestät haben mit Allerhöchster
Entschließung vom 26. April d. J. den Kuratoriumsmitgliedem, Großindustriellen und
Mitgliedern des Herrenhauses des Reichsrates Artur Krupp und Paul Ritter von Schneller
taxfrei die Würde eines Geheimen Rates allergnädigst zu verleihen geruht.
EU AÜSGESTELLT Im Säulenhof des Österreichischen Museums wurden im
März und April aus den Besitzständen der Bibliothek neu zur Schau gestellt eine
weitere Serie der indopersischen Originalillustrationen zu Harnzah-Nameh" XVI. Jahr-
hundert; Originalentwürfe der k. k. Wiener Porzellanmanufaktur aus der Blütezeit der
Fabrik unter Sorgenthal und Niedermayer x785 bis 182a; Farbentafeln aus dem Pracht-
werke von Molinier über die schönsten französischen Möbel und Bronzen aus der Zeit
Louis XIV, XV und XVI nach den Originalen im Louvre und in Versailles.
1a
besucht;
LITERATUR DES KUNSTGEWERBES Sh
lfTECl-INIK UND ALLGEMEINES.
ÄSTI-IETIK. KUNSTGEWERB-
LICHER UNTERRICHT
Forschungen in Salona, verötfentlicht vom öster-
reichischen archäologischen Institute. x. Bd. Mit
Taf. in Farhenlichtdr. und 25g Abb. im Texte.
VII, 15a S. Wien, A. Hölder. M. 66.-.
HÄUSELMANN, I. F. Vorn zukünftigen Heim des
kleinen Mannes. Innen-Dekoration, April.
SCHMIDT, K. Vom künstlerischen Handwerk
Deutschland. Innen-Dekoration, April.
Spielzeug aus der Hamburger Kunstgewerbeschule.
Dekorative Kunst, April.
II. ARCHITEKTUR. SKULPTUR.
BROMAN, G. Die neue schwedische Architektur und
ihre Holzbauten. Der Architekt. XXI, ro-rx.
BUSCHMANN, P. Cornelis Floris' Schoorsteenmantel.
Onze Kunst, jän.
DÜLBERG, F. Über den Bildhauer Frederik Engel
Jellema. Zeitschr. für hild. Kunst, März.
ECKERT, G. Balthasar Neurnann und die Würzburger
Residenzpläne. Mit 3x Abb. auf x5 Lichtdn-Taf.
XVl, x92 S. Studien zur deutschen Kunstgeschichte,
203. Heft. Straßburg, j. H. E. HeitzxM. 16.-.
HABICH, G. Ein Brunnen von Pankraz Labenwolf in
München. Münchner Jahrb. der bild. Kunst, 3.
HEUBACH, D. Ein Werk des Bildhauers Landolin
Ohmacht. Der Cicerone, 7-8.
PELTZER, R. A. Johann Gregor van der Schardt.
Münchner Jahrb. der bild. Kunst, 3.
SCH. Stuckreliefs von W. Nida Rümelin. lnnen-Deko-
ration, April.
SCI-INERICH, A. Das Denkmal Georg von Kheven-
hiillers in Hochosterwitz. jahrb. des kunsthist.
Institutes der k. k.Zentralkomm. ftlrDenkmalptlege,
Beibl.
SERVAES, F. Franz Metzner in seinen neueren Werken.
Der Architekt, XXl, ro-u.
STIERLING, H. Zwei unbekannte Vischer-Werke irn
Dom zu Meißen. Eine Entgegnung. Monatshefte
für Kunstwiss, jän.
TIETZE, H. Friedrich Ohmanns Entwurf fiir eine Neu-
gestaltung des Votivltirchenplatzes. Der Architekt,
XXI, io-t 1.
WOLF, G. J. Emanuel von Seidls Murnauer Bauten.
Dekorative Kunst, März.
III. MALEREI. LACKMALEREI.
GLASMALEREI. MOSAIK sie
ESCHER, K. Die Miniaturen in den Basler Bibliotheken,
Museen und Archiven. XI, 278 S. m. 41 Abb. u.
8a Taf. Basel, Kober. M. 185.-.
in
HEUBACH, H. Die Hamburger Malerei unter Meister
Bern-am und ihre Beziehungen zu Böhmen.
Jahrb. des kunsthist. Institutes der k. k. Zentral-
komrn. für DenkmalpHege, X.
KURTH, B. Über den Eintluß der Wolgemut-Werkstatt
in Österreich und im angrenzenden Süddeutschland.
jahrb. des kunsthist. Institutes der k. k. Zentral-
komm. für Denkmalpflege, X.
LUX, J. A. Gustav IClilnt f. Deutsche Kunst und Deko-
ration, März.
MATEjCEK, A. Die romanischen Wandmalereien in
der Rotunde der hl. Katharina in Znaim. jahrb.
des kunsthist. Institutes der k. k. Zentralkomm. Ftlr
Denkmalpßege, Beiblatt.
TIETZE, H. Gustav Klimt 1'. Kunstchrom, N. F. XXDK,
2x.
W. Zu Ferdinand Spiegels dekorativen Bildern. Deko-
rative Kunst, April.
WEINGARTNER, Josef. Die friihgotische Malerei
Deutschtirols. jahrb. des kunsthist. Institutes der
k. k. Zentralkomrn. Gir Denkmalpflege, X.
IV. TEXTILE KUNST. KOSTÜME.
FESTE LEDER- UND BUCH-
BINDERARBEITEN av-
FORRER, R. Kleiderverschliisse mit Wedgewood-Ein-
lagen. Berichue aus dem Knopf-Museum Heinrich
Waldes, II, 2-4.
HUSUNG, M. j. Zur Praxis und zur Psychologie der
älteren Buchbinder. Zeitschr. für Bücherfreunde,
N. F. IX, 12.
Mode, Deutsche. Dekorative Kunst, März.
SCHÄFER, E. Zur Geschichte der Stickerei. Stickerei-
und Spitzen-Rundschau, März.
SERVAES, F. Neue deutsche Tapeten. Deutsche Kunst
und Dekoration, März.
STARCKE, H. Kleiderverschlilsse in den königlichen
Sammlungen zu Dresden. Berichte aus dem Knopf-
Museum Heinrich, Waldes, II, 2-4.
TOMANEK, A. u. B. SETLIK. Beiträge zur Geschichte
der Perlmutter-Industrie in Österreich. Berichte
aus dem Knopf-Museum Heinrich Waldes, II, 2-4.
WEIDENMÜLLER, H. Die Seele des Ornaments.
Stickerei- und Spitzen-Rundschau, März.
V.SCHRIFT. DRUCK. GRAPI-I.
KUNSTE se
ANDERLE, F. Einige böhmische Künstler. Österr.
Exlibris-Gesellsch, XV.
BOSSCHERE, j. de. jules de Bruycker. Onze Kunst,
1511-
BRAUNGART, R. Die Exlibris von Bruno Hemux.
Österr. Exlibris-Gesellsch, xv.
Alle fiir ,.Kunst und Kunsthandwer bestimmten Sendungen sind an die Redaktion dieser Monatsschrift,
Wien, I., Stubenring zu richten. Für die Redaktion verantwortlich Franz Ritter.
gäcnneekensaeascm
K.z1.K. PHOTOCHÜXIGR.
K1! DSTR DSTH LT
917
EN XVII1.
ßk
J. vcwwvßsvcwcmncwäß.
L2
391101 y. Ellex. llehr
Reichenhoier Kunitidlloiierei
WlEIl lX. Bezirk
Soblesklgaiie 32
Ilöbel
in hiitorlidlen Stilen
IN WICII IX N1
Splttelauergaiie
IIODERIIE
KIJERNTHERSTRRSSE9
IIIIOIICIDICIDICZIJICIDCIDIDIEDIDQEIÄUICIDIQEIQEIQUCHiDIQDIQDIQÜIOEIICIDICIEICIEIIQI
IM VERLAGE VON ARTARIA 85 Co., WIEN, ERSCHIEN
JOSEF FÜHRICH
VON DR. MORIZ DREGER. I-IERAUSGEGEBEN
VOM K. K. MINISTERIUM FUR KULTUS UND
UNTERRICHT
IICICIICIDICIDICIÜßißßiüäDfblljßlDiClßiüICIDIOIDIOIDCIDCIDICIDIÜCIDICIEICIUCIDCIDIÖICI
Textband. 4'". 17 Bogen mit 45 Illustrationen in Lichtdruck
und Zinkätzung, davon farbig. Tafelband im Formate
4536 Zentimeter, mit 60 Tafeln in Lichtdruck und Heliogra-
vüre. Einmalige Ausgabe in SOO Exemplaren und 65 un-
verkäuflichen Dedikationsexemplaren. Subskriptionspreis
für beide Teile gebunden in Original-Halbleinenband 96.
Die Erhöhung des Preises wird vorbehalten.
Dieses Werk erschien als dritte Veröffentlichung in einer vom
k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht herausgegebenen
Serie von Werken, die das Schaffen hervorragender österrei-
chischer Künstler in musterhaften Wiedergaben und in monu-
mentaler Weise zur Anschauung bringen sollen. Der Verfasser,
Regierungsrat Vizedirektor Dr. Dreger, Dozent an der Wiener
Universität und an der Akademie der bildenden Künste in
Wien, hat sich seit langem mit Führich beschäftigt und konnte
bisnun anz unbekannte Quellen benützen. Der Tafelband
enthält ast durchaus Werke, die bisher niemals oder nicht
unmittelbar nach den Originalen wiedergegeben worden sind.
IDICIUIOIÜIOIDICIDIOIÜIC
IEIIOIDIGIIIIIQIUICICICID131DIECIIOICIIOIUIOIDICIUICIUICIUIÖÜIÖDICIUICIÄ DIOIDIOIUIOTEIIOÖD'OIDTOIDIOIÜÄCIÜ
ICIICIDIOIDIOIEIICIDQEIQIEIIQDIEDCIDIDQÜ1DIDEDQDÄUEDICIDMUICIDIOIDMCII
9.
ICIICIÜICIUIOIDIQIDÜCIDICIDIQÄDI
JOSEF FÜHRICHS WERKE
nebst dokumentarischen Beiträgen und Bibliographie, gesammelt von
HEINRICH VON WOER DLE unter Mitwirkung von ERICH
STROHMER. Herausgegeben vom k. k. Ministerium für Kultus und
Unterricht mit Abbildungen. Preis broschiert 15, in Original-
Leinenband 1660. Dieser Oeuvre-Katalog" bildet die Ergänzung
zu der oben angezeigten großen Monographie. Beide Werke sind zu
beziehen durch alle Buch- und Kunsthandlungen sowie durch den Verlag.
CIIOÄDICÄÜIQIUICIUICIUICIUICIUIÖQ
ICIICIEIICIDIOIDßIDßiCliDltilflßIüßlüCDCIÜCIÜIQUI IDIOIDICIDICIDQIDCIDÄDCIDÄEICIEIIQQiÜ
VERLAG VON ARTARIA 00., WIEN
Nach einen Aquarell von Rudolf All "Der Hohe Markt". 1835
RUDOLF ALT
SEIN LEBEN UND SEIN WERK
HERAUSGEGEBEN VOM K. K. MINISTERIUM FÜR KULIUS UND UNTERRICHT.
TEXT VON LUDWIG HEVESI,
nach dem hinterlassenen Manuskripte für den Druck vorbereitet durch KARL M. KUZMANY.
23 Bogen Gr. 4". 61 Tafeln, davon 31 farbig. 100 Textbilder, davon farbig. Gebunden in Original-Leinenband.
Einmalige Ausgabe in 500 Exemplaren und 50 unverkäuflichen Dedikationsexemplaren.
Subskriptionspreis 200.-. Die Erhöhung des Preises wird vorbehalten.
Dieses Werk erschien als zweite Verölfentlichung einer Serie von Monographien, die in monumentaler Weise
das Schaffen der öijten österreichischen Künstler des neunzehnten Jahrhunderts darstellen werden.
Der bildlichen undgl-Buchausstattung wurde besondere Sorgfalt gewidmet und unter vielen I-Iunderten
von Bildern 161 zur Re roduktion gewählt, so daij das Werk vermöge seines interessanten Inhaltes, der
reichen Ausstattung un der kleinen einmaligen Auflage sich als LIEBHABERAUSGABE repräsentiert.
K. K. PRIVTEPPICI-I UND DECKENFABRIKEN
J. GIKEY
MAFFERSDORF IN BÖHMEN
BERLIN S.W. WIEN PARIS
J. C. ERBS l., ROTENTURMSTRASZE 10 I3, RUE D'UZES
68, LINDENSTRASZE 15
NEW-YORK
34. UNION SQUARE, EAST
LONDON W.
14, POLAND STREET
EQQQEJ;SI'QQQQQO
...Ä.
KFlilKöNiüLPRivüfEPPiü-l ... was lSTOFP ...
FFIBREKEN
ums
KlIüPI-TllIlTü-ILOR"!
liSII-IE TEDDIiII-IEMäBNEYQ
SIOF LDECKENCIHPEIEN
vommua
NÜEDERI ENIBUDHPESIPRHGJRHE. lEMßv
senauunanüuuauusanum. vusm. enoas
warmem szEGEoiu DEBRECENMHRLSBH
Evmzaisnnumßknzsrmßuknkislznni
mNnGEup TURiN.ROM.FRBRiKENZ
EBERGFISSlN .NiED.'6SI'R.HI.iNSKO um
SIHWHDERBFICI-l IN BöHMENuv-rI-e-v-s-QA.
2.90 0045 o0 oooooooooooqgaoooqz;
000046000409909000
SQUQUQUQUQEQUQUQUQG
MARMORWAREN
PERMANENTE AUSSTELLUNG
VON KAMINEN
INNENDEKORATIQNEN
IN ALLEN STILARTEN
ORESTE BASTRERI
IICII WIEN,V.,1XNLIIIJSFE.S2gXQIQF;IääfBSSE 35-41
Qsasasasasasasasasa
A. E. KÖCHERT
K. UND K. HOF- UND KAMMER-
JUWELIER UND GOLDSCHMIED
TELEPHON NR. 569
ATELIER U. NIEDERLAGE
WIEN, I.,NEUER MARKT 15
Rilif. lllltl künigl. D013 llllll lltlillttüläßblldjbälltlltt
IUiCII Stil 1818 Üfäbül 21
ÜEQTÜIIGCI 1783 CEIIIDIJOII 18652
IDilbclm ßraumüllcr Sohn
Emptcblcn ihr gcwäbltts lagcr von mttkm übrr
Hmatcuvrbotograpnic, Runfv
gctmicbtc, der ICIJÜIIIIII mitfßw
fmattcn, Prachtwcrkcn etc. ctc.
Hnnabmt von Rbonncmcnts au! faimtlid mommß und monatstmrittm
Üorzellanbaus Emil Wabliß
Wien, I., Kämtnerftraße 17
Spezialitäten iüorzel
cm feinfreräusfübrung
fcafelfervicemitmonm neu bergeßellt aus den Originalarbeitsfonnen der
gramm oder Wappen ehemaligen WienerKaiferlicbenDorzellanfabrik
GIaSIdJaukaItQn
ohnu Illutallumrahmungcn m. ßaubdldyt abldyllcßend,
für fllumn, flusßcllungan norzüglld geuignet.
K. U. K.HOFJUWELIER
ANTON HELDWEIN
Spicgelfabrik, Glasldlleifcrei
Iobann Hrminger
IDien, XlLfz, Sdlallergaße 44
Tzlephonc 4183. 11265 Telzphone 4183, 11265
WIEN, I.,MILGHGASSE
RÜOKWÄRTS DER PETERSKIRGHE, ZWISCHEN
PETERSPLATZ UND TUCHLAUBEN TEL. I854I
I-IIIiIII-IHIHHHIHIICIÜICÄCIHHHIHIICIÄCIHHHHIQIIHHHIÄCIIIääIä
GEROLD 81 CQ
IN WIEN, I., STEPHANSPLATZ
BUCHHANDLUNG FÜR IN UND AUS
LANDISCHE LITERATUR
REICHHALTIGES LAGER VON PRACHT- UND ILLUSTRATIONS-
WERKEN SOWIE VON LEHR- UND HANDBUCHERN AUS ALLEN
GEBIETEN DER KUNST UND DES KUNSTGEWERBES IN
DEUTSCHER, ENGLISCHER UND FRANZÖSISCHER
SPRACHE. VORZÜGLICI-IE VERBINDUNGEN MIT DEM AUSLANDE
ERMÖGLICHEN DIE RASCHESTE BESORGUNG DER LITERARISCHEN
ERSCHEINUN GEN ALLER LANDER
UNTERHALTUNCSLEKTÜRE UND JOURNALE
IN DEN EUROPAISCHEN KULTURSPRACHEN
ÄIOÄIOIIOIÄOIIOIIOIÄOÄIOIIOÄÄOÄOIHiIbIßllÄlfßIlllllllllllH!!!HllllllßillßllH!
15101!!!KÜHNHHIIHHHIIÄIÄIIÄI
IXXÄIOIÄOÄÄOIÄOIIOIÄOIIOÄÄOÄÄOÄIOIÄOÄIOIIOIIIOÄ IÄOIIIOÄÄCÄÄOÄÄOIIOÄCIÄOIIÄOÄIOIIÄOIÄOIIOIÄOÄ
JIIÜ,
II Äquarellfarben
Zemperafarben
Ölfarben
Uollkommenste u. deghalb bevorgugteyte Marke
gchwar; und farbig, beherr-
Sehen den Weltmarkt!
Allilnlybr Fabrikat!!!
Günther Wagner, Jfannouer u. Wien, Xfi
Gegründet 1538 Man uurlunye spexialliaten 36 Ausdehnungen
Käif. lllld kiinigl. D015 lltld llninmitätsbumljändlcr
IUitIl Stil 1818 Üfilbßll 21
ÖCQIÜIIIICI 1783 CCICDIJOII 18652
Emptcblcn ihr gcwänltcs Lagcr von Itlcrkm übrr
HtllattlllvPlJotügräpljit, Rlltlftß
Qßfdjimtß, ÜU IDÜIICII IÜÜICIV
tDäfltIyPrätbtwttRtIl Ctlt. Ü.
HIIIIEIIJIIIC DOII HUUIIIIICIHCIIIS ällf ÜIIIIÜEIJC müdjßlll llilll mülläßflfljfiftm
JOSBÜLK
wMEPrwlElblihvHAU PTSTRI-Äxss 25' 27
HIEDERLKCE'BI'LK'PORZEL-AHFAKRIKTKHLALKEHWERTH
GECKU bET-1829
BEPUXRLSBAD
uf-Emoßawrn TFE
.-eä.;;,;-- .15! i-r
AR
BERNDOBFER-MEFAIL
WAREMFABRIH
ARTHURKRUPP
NIEDERLAGEN WEN IMOLLZEILE 12 Qsev LCRABEN 12.
v1. MARlAHlLFERSTRw-m.
PRAG! CRABEN 31. BUDAPEST WAITZNERSTHASSE 25
Alle für Kunst und Kunsthandwerk" bestimmten Sendungen sind an die Rednktinn dieser Monatsschrift, Wien, 1., Slubenring
zu richten. Fiir die Redaktion venntwortiich Franz Ritter.
Au der hlurl. kßnigl. l-lof- und Stutldruckerei.