VCRIAG VON RRTÄRIR Co. III VIUI XXLOAHRGJMB. HEFT 8,9 unuw.
KUNST UND KUNSTHAN DWEKK
UEI
JÄHRLICH 12 HEFTE
IIIEI
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im Osterreichischen Museum, sowie von der Verlags-
Inhalt
Seite
Giacomo Quarenghi
und das Modem-Pa-
lais in der Herren-
gasse zu Wien von
Moriz Dreger .273
Das steirische Gold-
schrniedehandwerk
bis ins XIX. Jahr-
hundert III. von
Josefjoos ,29o
Fünfzig-Jahre Kunst-
gewerbeschule von
Alfred Roller 336
Studien in Albanien und
Mazedonien von Leo-
pold Forstner 34g
Aus dem Wiener Kunst-
leben von Hartwig
Fischel 358
Kleine Nachrichten 362
Mitteilungen aus dem
ÖsterreichischenMu-
seum...'....37o
Literatur des Kunstge-
werbes 372
50
handlung Artaria 8z Co., I., Kohlmarkt Nr. übernommen
A.
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273
GIACOMO QUARENGHI UND DAS MODENA-
PALAIS IN DER HERRENGASSE ZU WIEN Sie
VON MORIZ DREGER-INNSBRUCK 5b
AS Modena-Palais, das heutige Ministerratspräsidium,
in der Herrengasse zu Wien liegt zwar in einer
der belebtesten Straßen der Stadt und wird gewiß
auch von vielen Personen aufgesucht, gleichwohl
darf man sagen, daß es in künstlerischer Hin-
sicht wenigstens zu den mindest bekannten
Gebäuden Wiens zählt. In den Handbüchern über
Wien findet man gewöhnlich die Nachricht, daß
die Außenseite im Renaissancestil errichtet sei, und
daß sich im Innern bemerkenswerte Louis-XVI-
Räume befänden. Leider ist aber beides unrichtig.
Das Bauwerk, wie es heute besteht, ist sowohl nach innen als nach außen-
hin ausgesprochenes Empire; ja es gehört zum Entschiedensten dieser
Richtung, was man in Wien überhaupt sehen kann.
Über den Meister, der dem Baue die heutige Gestalt gegeben hat,
finden wir in den Handbüchern überhaupt keine Nachricht. Wir müssen
uns so vorsichtig ausdrücken der dem Baue die heutige Gestalt gegeben
hat"; denn tatsächlich handelt es sich um einen alten Barockpalast, der zu
Anfang des XIX. Jahrhunderts nur umgebaut, dabei künstlerisch aber ganz
umgestaltet worden ist.
Nach Schimmers I-Iäuserchronilä gehörten die Häuser, auf deren Grund
der heutige Palast steht, um das Jahr 1690 einem gewissen Hans Halber-
stock; bald darauf waren sie aber im Besitze des Fürsten von Dietrichstein,
dessen Familie sie bis zum Jahre 1810 innehatte. Wenn es bei Schimmer
jedoch weiter heißt Hierauf in die dermalige das ist die heutige Gestalt
umgeändert, gelangten sie an die Erzherzogin Beatrix, Herzogin von
Modena", so liegt hier oifenbar ein Irrtum vor. Wie wir sehen werden, hat
der Palast die heutige Gestalt eben erst unter der Erzherzogin Beatrix
selbst erhalten; Vorher stand hier ein barockes Gebäude, wie wir aus der
nebenbei abgebildeten Darstellung aus Hubers Ansicht der Inneren Stadt
Wien vom Jahre 1785 deutlich erkennen siehe Abb. Q3" Die Baugeschichte
dieses Barockpalastes konnten wir bisher allerdings nicht genügend klären;
sie ist für unsere Frage aber auch nicht von besonderer Wichtigkeit.
Wir wollen jedoch gleich auf eine Hauptsache hinweisen, nämlich
daß die Hauptmauern des barocken Gebäudes, wie man an der Anlage
der Höfe und der ganzen Front deutlich ersieht, noch in dem später um-
gestalteten Bau erhalten sind. Und wie ein Vergleich mit dem heutigen
K. A. Schimmer, Ausführliche Häuserchronik der innern Stadt Wien", Wien, 184g, Seite x7 f.
Josef Daniel von Huber, Die kays. königl. Haupt- und Residenz Stadt Wien Wie sie im Jahr x785
unter der Regierung Josephs des zweyten atehet".
Zustande der Front siehe Abb. und ergibt, stimmt auch die Lage der
beiden Tore und damit die der Durchfahrten, aber auch die Fensterzahl,
überein. Wenn zwischen den Toren in dem alten Stiche Abb. jedoch
ein Fenster weniger erscheint, als heute vorhanden ist, so darf dies wohl
nur als eine kleine Ungenauigkeit des Zeichners oder Stechers angesehen
werden. Im weiteren werden wir übrigens auch hören, daß eine, für uns
sehr wichtige, alte Quelle tatsächlich nur von einem Umbaue spricht.
Über die erwähnte Erzherzogin Beatrix, Herzogin von Modena, hat
Dr. Wilhelm Englmann vor kurzem in einem Aufsatze Das Palais Modena
in Wien" im Monatsblatt des Wiener Altertumsvereins" Juni-Juli 1916
berichtet." Es behandelt diese Arbeit aber nicht das Palais, das uns hier
beschäftigt, sondern den, während des Krieges abgerissenen, Modenesischen
Gartenpalast in der Beatrixgasse im III.Wiener Bezirke. Diesem ursprüng-
lich mehr ländlichen oder Sommersitze gegenüber wäre unser Palais als
Stadt- oder Wintersitz der Erzherzogin anzusprechen. Übrigens handelt
es sich auch bei dem Vorstadtpalaste nur um den Umbau und Ausbau eines
älteren Gebäudes. Wir geben hier eine, offenbar seltene, Darstellung des Vor-
stadtpalastes in Abb. da sie dem Verfasser der erwähnten ausgezeichneten
Arbeit jedenfalls nicht bekannt war, aber seine, aus urkundlichen Nach-
richten gewonnene, Anschauung von der früheren Gestalt der Vorderseite
aufs glücklichste bestätigt." Diese Darstellung kann gerade wenn wir die
Ergebnisse Dr. Englrnanns vergleichen in den Hauptsachen gewiß als
richtig angesehen werden; ein Irrtum liegt nur ganz rechts vor bei der zurück-
laufenden Seite des Palastes hier soll das vorderste Fenster keinen Rund-
bogen, sondern einen niedrigeren, geradlinigen Abschluß haben. Bei der
ganzen Darstellungsart ist es begreiflich, daß dieser, hier nebensächliche,
Teil nur aus der Erinnerung gezeichnet ist. Und in der Erinnerung hafteten
eben vor allem die Rundbogenfenster, die ja zum Kennzeichnendsten dieser
Seite und überhaupt zum Eindruckvollsten des ganzen alten, heute leider
verschwundenen, Baues gehörten. Die schönen Innenräume, besonders der
stattliche Bibliothekssaal, sind wenigstens in guten photographischen Auf-
nahmen im Städtischen Museum erhalten; wir verweisen auf sie auch des-
halb, weil ein eingehenderer Vergleich mit den Räumen des Stadtpalastes
vielleicht noch manchen Aufschluß bieten kann.
Daß sich die Erzherzogin in beiden Fällen mit einem Umbau begnügt
hat, mag zum Teile darin seinen Grund haben, daß sie in der ersten Zeit
ihres Wiener Aufenthaltes vielleicht nicht daran dachte, daß ihres Bleibens
hier so lange sein werde, und daß sie möglichst bald einen Wohnsitz haben
wollte, der den großen künstlerischen Überlieferungen ihres Hauses ent-
spräche. Sie war ja die einzige Tochter des letzten Fürsten aus dem glor-
reichen Hause der Este, des Herzogs Ercole III. von Modena, mütterlicher-
Seite 146 H. Mit einigen Änderungen wiederabgedruclrt in dem schönen, von Kustoe Aloio Trost heraus-
gegebenen, "Wiener Kalender" auf du Jahr 198.
Vergleiche in dem Aufsatze Englmanns im Monatsblnw Seite 252.
Abb. z. Ausschnitt aus der Ansicht der Inneren Stadt Wien von Huber, aus dem Jahre 1785
Der fürstlich Dietrichsteinsche Palast ist das jetzige Ministerratspräsidium oder Modena-Palais
seits übrigens auch Erbin von Massa und Carrara. Seit dem Jahre X771 mit
dem Erzherzog Ferdinand, einem Sohne Maria Theresias, vermählt, hatte
sie ihren Wohnsitz in Mailand, wo der Erzherzog als Generalgouverneur
der Lombardei residierte; doch wurde das erzherzogliche Paar mit seiner
zahlreichen Familie durch das Vordringen der Franzosen von da vertrieben!
Und auch der Vater der Erzherzogin, der Herzog von Modena, verlor im
Frieden von Campo Formio sein Land. Als Entschädigung dafür erhielt er
den österreichischen Breisgau, den jedoch der erzherzogliche Schwiegersohn
für ihn verwaltete. Mit dem Tode des Herzogs im Jahre 1803 erlosch dann
das Haus Este. Im Frieden von Preßburg im Jahre 1805 ging übrigens auch
der Breisgau verloren und der Erzherzog nahm nun mit seiner Familie, die
vorher schon mehrfach ihren Aufenthalt gewechselt hatte, in Wien seinen
Wohnsitz.
276
Der Kauf des
Hauses und Gar-
tens in der Bea-
trixgasse damals
Rabengasse fällt
in das Jahr 1806;
doch starb der
Erzherzog schon
indemselbenJahre,
so daß die Erz-
herzogin ihr neu-
es I-leim erst als
Witwe beziehen
konnte. Bekannt-
lich wurde eine
Tochter der Erz-
herzogin, Maria
Abb. a. Ältere Ansicht des Modena-Palais bereits im gegenwärtigen Zustande, Ludovlcay nicht
Federzeichnung, laviert in den Wiener Städtischen Sammlungen lange darauf, im
Jahre 1808, die
dritte Gemahlin des Kaisers Franz, wodurch die Stellung des Hauses
natürlich neue Bedeutung erlangte. Nach der Besiegung Napoleons konnte
der älteste Sohn der Erzherzogin Maria Beatrix dann als Franz IV. die
Herrschaft in Modena und die Erzherzogin selbst die von Massa und
Carrara wieder antreten. Die Erzherzogin übersiedelte nun nach dem Süden,
kam aber im Sommer wiederholt nach Wien; sie starb, nebenbei bemerkt,
schon im Jahre 1816. Bereits im Jahre 1811 jedoch, als die Erzherzogin-
Tochter schon Kaiserin war, die Hoffnung auf die Wiedererwerbung des
Verlorenen jedoch wohl recht ferne lag, war nun der Dietrichsteinsche Palast
in der I-Ierrengasse erworben worden, zu dessen Wahl vielleicht mit beitrug,
daß er in ziemlicher Nähe der kaiserlichen Burg lag.
In einem Werke über die Bauten und Zeichnungen des Architekten
Giacomo Quarenghi, von dessen Sohne Giulio im Jahre 1821 zu Mailand
herausgegeben," findet sich nun in der Einleitung, die auch eine Lebens-
Fubbriche disegni di Giacamo Quarenghi, architetto di S. M. Pi
oMalfu di S. Walodomiro, illustmte du! Cuv. Giulio, suo figlio.
Eine zweite Auflage erschien im Jahre 1844 in Mnntua.
Wenn Dandolo behauptet, daß Giacomo Quarenghi selbst eine Ausgabe seiner Werke mit einer
französischen Beschreibung veranstaltet habe, so beruht dies wohl darauf, daß die Tafeln im Werk seines
Sohnes tatsächlich französische Beischriften zeigen und wohl schon vom Vater vorbereitet worden sind. Die
meisten der Blätter tragen auch die Unterschrift Chev. de Quaren
ghi inne und vielfach daneben den Namen
des Stechers Gr. Calpakof. Der Stechername erscheint übrigens häufig auch in russischer Schrift. Über
diesen Stecher findet sich eine kurze Notiz in Naglers KünstlerleXik0n" 1339. Band, Seite x35. Thieme.
Beckers Kilnstler-Lexikon" verweist bei Calpacow" auf KnlpakotF; doch ist der betteEende Teil noch nicht
erschienen.
Nebenbei bemerkt, ist der Name des Architekten überall dort richtig geschrieben, wo der Stecher mit
russischen Buchstaben unter-fertigt hat, dagegen falsch Guaringni, Guaringr, wobei auch einmal Chenalier
statt Chevalier, wo der Name Calpacof lateinisch geschrieben ist dann übrigens auch immer ohne den Vor-
4m
..
yßmr ämfaxzyuz tßeaäe
mperatrice di Russin, cavaliere di
Mrlano presse Paolo Antonio Tasi 1821.
277
geschichte des Künstlers enthält, unter anderm die Nachricht, daß der
genannte Giacomo Quarenghi, der seit langem in Rußland ansässig war,
sich auf der Rückreise von seinem letzten Besuch Italiens in Wien auf-
hielt und hier von der Erzherzogin Beatrice aufgefordert wurde, den
Speisesaal ihres damals im Umbau begriffenen Palastes zu entwerfen?
Giulio Quarenghi bietet in
dem Werke auch zwei Stiche,
die den Grundriß mit der Decke
und den Längsschnitt des Saales
darstellen siehe Abb. und
im Texte dazu heißt es Prospect
des Speisesaals Ihrer kgl. Hoheit
der Erzherzogin von Österreich
Maria Beatrice von Este, aus-
geführt iri Wien." Bei Adern
Längsschnitte wird allerdings
nur gesagt Project des Speise-
saales usw."""
Jedenfalls kann kein Zwei-
fel bestehen, daß es sich hier
wirklich um den Hauptsaal des
Modena-Palastes in der Herren-
gasse handelt denn dieser Saal
ist heute noch vorhanden, aller-
dings nicht ganz so, wie er in den
Stichen erscheint. Es stimmt
114.
"es.
namen des Stechers. Wir dürfen daraus viel-
leicht schließen, daß der Hauptteil der Stiche
in Rußland unter den Augen Quarenghis an-
gefertigt worden ist, während bei den andern
Blättern die Unterschriften nachgetragen
worden sind Tafel 28, 4x bis 44.
Einige nicht unterschriebene Blätter
mögen auch von anderer Hand herrühren.
Das letzte Blatt, eine Radierung, ist laut Text
Seite 46 von Giacomo Quarenghi selbst an-
gefertigt worden, worüber noch zu sprechen
sein wird.
gli mmmise di presentarle un pro-
getto per la sula mangiare del suo nuzwo
palazzo nella cupitale deIPAustria, ehe si an-
dava in alloru ristaurando", a. a. 0., Seite a3.
Prospettn della sula mangiare
di S. A. R. Vareiduchessa d'Austria Maria
Beatrice d'Este eseguila in Viennu, a. a. 0.,
Seite 23.
Projet de la Salle mutiger de son
Aliesse Royale lüdrchiduchesse Marie Beatrice
de Modelle Vienne. Abb. 3. Ansicht des Modena-Palais
Mit gütiger Bewilligung Seiner Ex- nach einer photographischen Aufnahme von W. Stauda in
zellenz des Grafen Lanckorcnski. Wien
die auffällige Anlage der Fenster an den Schmalseiten und der vier Türen,
auch die der Wandsäulen und der Eckpilaster; nur ist die Verteilung der
Halbsäulen an den Längswänden anders geartet. Es finden sich in dem
heute vorhandenen Saale an den Längsseiten nicht je zwei Paar einander-
nähergerückte und durch Gebälkstücke miteinander verbundene Säulen,
sondern je vier Säulen mit drei gleichmäßigen inneren Abständen. Die groß-
artige architektonische Gliederung der Decke fehlt in dem heutigen Saale
aber völlig; statt dessen sehen wir eine anders gestaltete grisailleartige
Deckenbemalung.
Es ergibt sich nun die Frage, ob der Plan Quarenghis tatsächlich jemals
ganz ausgeführt worden ist. Die eigentümliche Stellung der Wandsäulen
zwischen den seitlichen Fenstern, wo sie nicht in der Mitte der Pfeiler,
sondern nach außen geschoben erscheinen siehe Abb. läßt sich wohl
nur aus dem Quarenghischen Entwurfe erklären, wo die Wände aufs engste
mit der Decke im Zusammenhang stehen?"
Allerdings könnten aber schon während des Baues Änderungen am
Entwurfe vorgenommen worden sein, so in bezug auf die Säulenstellungen
der Längswände, und es könnte auch schon damals auf die reiche Decke
und auf die seitlichen Statuen verzichtet worden sein. Es muß weiters auch
als denkbar gelten, daß Quarenghi, der sich wohl nur kürzere Zeit in Wien
aufhielt, von diesen oder anderen Änderungen nichts erfahren habe, so daß
die Mitteilung des Sohnes, die wohl nur vorn Vater übernommen ist, nämlich
daß das Projekt wirklich ausgeführt worden sei, in gutem Glauben gemacht
werden konnte, auch wenn dies tatsächlich nicht der Fall war. Bei dem
Längsschnitt heißt es allerdings, wie gesagt, nur Project des Speise-
saals man könnte also annehmen, daß man von gewissen Änderungen
auch schon gewußt habe?"
Wie dem auch sei, ob der Saal nun niemals ganz nach Quarenghis oder
wenigstens nicht ganz nach seinem hier abgebildeten Entwürfe ausgeführt
worden ist die Anordnung der Säulen an den Schmalseiten stimmt jedenfalls
mit seinem Entwurfe. Aus dem alten Barockpalaste können die Säulen jeden-
falls nicht stammen, und daß Quarenghi seinerseits nur die Umwandlung
der Idee eines anderen gegeben haben sollte, ist doch wohl eine zu ge-
künstelte Annahme, durch nichts zu belegen, ja in innerem Widersprüche
mit der schriftlichen Überlieferung.
Ob aber ein Umbau vielleicht erst zu einem viel späteren Zeitpunkt er-
folgt ist, können wir heute nicht feststellen; wir wissen nur soviel, daß der
Saal in den Jahren 1893 und 1894 wiederhergestellt worden ist. Doch
In dem Werke heißt es Seite 23 "Lülrchitetto traenda ogni possibile vantaggio da! locale ciö
destinato das bezieht sich wohl auf die Lege zwischen zwei Höfen, ed abbzllendolo von tut 1a ricchuza
ehe puö Parts sommiuistrare in colonnc, in statue, in fregi, in bassirilievi simili, nnlla ummiss hmo
quanto contribuire poteua rsnderla degna delP illustre principessa clfebbe 1a bontä di contesturgüene
Pintera sua soddisfazione.
Sonst unterscheidet du Werk aber deutlich, wenn du premier pmjef von dem ausgeführten abweicht,
so bei dem Theater der Eremitage, der Mnltheser-Knpelle und dem Triumphbogen für Alexander
279
Abb. 4. Ältere Ansicht des Modena-Palais im III. Bezirk, Federzeichnung, lavien in der Kupferstichsammlung
der k. k. Hofbibljokhek in Wien
wurden damals" keine wesentlichen architektonischen Änderungen vor-
genommen, sondern hauptsächlich die Deckenbemalung erneut und der
Marmorstuck aufgefrischt.
Jedenfalls kann man nach dem Wortlaute der Überlieferung und nach
der ganzen Haltung der Erzherzogin Quarenghi gegenüber spricht der
Sohn doch von wiederholten früheren Aufträgen und bezeichnet er die
Erzherzogin doch als große Wohltäterin seines Hauses eher annehmen,
daß der alte Quarenghi auch sonst bei dem Baue zu Rate gezogen worden
sei, und daß er in dem Saale gerade sein Bestes schaffen wollte, was sein
Sohn auch ziemlich klar ausdrückt."
Allerdings bezeichnet die Veröffentlichung bloß diesen Saal als das
Werk des Künstlers, nicht den ganzen Palast. Wir dürfen aus solchem
Schweigen aber nicht zuviel folgern; denn die Veröffentlichung bringt über-
haupt durchaus nicht alle Arbeiten des Künstlers, sondern, wie der Heraus-
Nach einer gütigen Mitteilung des Herrn Oberbaurntes August Fieger, Vorstandes der k. k. Staats-
gebiudeverwaltung in Wien.
Seite 23 Onorato piü volle dz' suoi reali comniandi soddisfece, il meglia ehe per lui si potzva, alle
commissioni dell" irwlita principessu Seite 24 wird die Erzherzogin genannt gänerosa benefurtrice delta
mia famiglia.
280
geber ausdrücklich hervorhebt, nur diejenigen, auf welche der Künstler
besonders Wert gelegt hat?" Und es wäre nun sehr begreiflich, wenn ein
Künstler, der so viele und so umfangreiche Bauten ausführen konnte, wie es
Giacomo Quarenghi vergönnt war, auf den bloßen Umbau einer Fassade
und auf die Ausschmückung etlicher kleinerer Räume nicht so viel Gewicht
gelegt hätte, daß sein Sohn sich veranlaßt gesehen hätte, sie in eine ver-
hältnismäßig beschränkte Auswahl von Werken aufzunehmen.
Um uns hierüber aber klarer zu werden, wird es nötig sein, kurz darauf
hinzuweisen, wer Giacomo Quarenghi eigentlich war; denn gerade die
Künstler seiner Zeit sind uns heute im allgemeinen ziemlich wenig bekannt,
wozu bei diesem Meister im besonderen noch der Umstand beiträgt, daß
die meisten seiner Werke an Orten entstanden sind, die uns sehr ferne
liegen.
Wurzbach erwähnt den Künstler allerdings in seinem Biographischen
Lexikon dazu wohl durch Girolamo Dandolos La cadufa della
repubblica di Venezia" angeregt, ein Werk, das auch sonst für den öster-
reichischen Biographen von Wichtigkeit war und auf einen gewissen
Zusammenhang des Meisters mit Wien bereits hinweist?" merkwürdiger-
weise schreibt Wurzbach jedoch Querenghi nicht Quarenghi und bemerkt
sogar noch, daß Naglers Künstlerlexikon diesen Künstler nicht enthalte.
Das ist aber ein Irrtum Nagler bringt sogar eine ziemlich ausführliche
Lebensbeschreibung des Meisters, allerdings unter dem richtigen Namen
Quarenghi. Nur der eben genannte Dandolo""'"" hat aus welchem Grunde
wissen wir nicht Quarenghi geschrieben, woher eben die Schreibung
Wurzbachs kommen wird. Es kann aber wohl keinem Zweifel unterliegen,
daß die richtige Schreibweise Quarenghi ist; denn so steht es in dem
bereits erwähnten Buch des Sohnes auf dem Titel gleich zweimal, so liest
man es unter den Stichen und so hat der Künstler auch die eigenhändigen
Zeichnungen unterfertigt, von denen wir noch sprechen werden.
Übrigens enthält, wie gesagt, schon das Werk des Sohns eine Bio-
graphie unseres Künstlers, der wir wenigstens einige Hauptzüge seines
Lebens und seiner Entwicklung entnehmen könnensl-
Jacopo Quarenghi wurde also am 20. September des Jahres 1744 zu
Bergamo als Sohn eines Malers geboren und trieb von früher Jugend auf
selbst die Kunst des Vaters, der übrigens auch der Großvater sich schon
gewidmet hatte, undroblag daneben noch literarischen Studien. So wird uns
berichtet, daß er schon mit achtzehn Jahren in eleganter Weise in Prosa
A. a. 0., Seite dird solamznte di quelle cose che unche la sua des Vaters difficilissima approva-
Zion hamw poluto ottenere.
Der volle Titel des Werkes lautet La caduta della repubblica di Venezia ed suai ultimi einquart-
fanni, Venedig 1857.
Appendice, Seite 2x4 ü".
Eine kürzere und nicht selbständige Lebensbeschreibung bietet auch Giuseppe Merzario in seinem
zweibändigen Werke maesiri Comacini" Mailand x893, Band Seite 576 5'. Ein neueres Werk von Giuseppe
Colombo aus Bergamn G. Quarenghi Bergamasco, architetto alla Curte Imperiale di Pietroburgo, Memonh,
Turin 187g im Katalog des Britischen Museums angeführt war uns nicht zugänglich.
L1
EIEY
Abb. 5. Grundriß und Decke des Speisesaales im Modena-Palais, nach dem Stich im Werke
des Giulio Quarenghi
Fabbriche disegni di Giacnmo Quarenghi Mailand 1821. Das Blatt trägt die Überschrift
Plan le Plafnnd de 1a Salle manger de San Altesse Royale VArChiduchesse Marie Beatrice
de Moderne Viennef
38
und Versen" geschrieben habe. Und es ist auch nicht schwer, noch im
Schaffen des reifen Meisters einen gewissen literarischen oder, sagen wir,
einen nicht ausschließlich auf rein Künstlerisches gerichteten Zug zu er-
kennen. Weiters beschäftigte er sich auch von Jugend auf mit Mathematik,
und es mag ihn dies später architektonischen Fragen zugänglicher gemacht
haben.
Zunächst blieb er aber der Malerei in der Hauptsache treu und schloß
sich, nach Rom übersiedelt, dem damals weltberühmten Raphael Mengs an,"
der sich in Rom nicht ohne Einfluß Winckelmanns immer mehr zum
ausgesprochenen Klassizisten entwickelt hatte. Als sich Mengs aber kurze
Zeit darauf an den spanischen I-Iof begab, trat der damals ungefähr sieb-
zehnjährige Quarenghi in die Werkstätte des zu jener Zeit in Rom ziemlich
angesehenen Malers Stefano Pozzi 1707 bis 1768 ein, gleichfalls eines
Bergamasken und eines Nachzüglers der Schule des Carlo Maratti.
Immer mehr wandte sich der junge Künstler nun aber dem Studium
der Architektur zu; so verbrachte er drei Jahre bei drei verschiedenen
Architekten, dem Sienesen Paolo Posi, dem Franzosen Derizet und
Niccolo Giansimoni, doch ohne sich besonders gefördert zu sehen. Er fühlte
sich erst auf demurichtigen Wege, als das Schicksal ihm ein Werk des
Palladio in die Hände spielte. Es wird uns überliefert, daß er damals fast
alle bis dahin angefertigten Zeichnungen den Flammen übergeben habe so
groß war der Eindruck, den die abgeklärte Kunst Palladios auf ihn machte.
Auch durchforschte er nun Italien nach den Werken des Meisters, um sie
immer und immer wieder aufzunehmen. Und daß Palladio und die Antike,
wie jene Zeit sie verstand, nun seine Richtschnur wurden, können wir unter
anderm auch aus dem hier Abb. abgebildeten Theater der Eremitage
zu Petersburg erkennen, wobei eine Nachwirkung von Palladios Teatro
olimpico" in Vicenza wohl nicht zu verkennen ist. Damit aber ja kein
Zweifel über den Weg der Entwicklung entstehe, bringt die erwähnte
Veröffentlichung die Grundrisse eines antiken, des Palladioschen und des
Quarenghischen Theaters unmittelbar hintereinander. Außer der Antike und
Palladio waren aber auch Sammicheli, Giulio Romano und die Sangalli auf
den sich entwickelnden Künstler nicht ohne Einfluß.
Quarenghi hatte sich in seiner neuen Tätigkeit im Alter von 24 ahren
bereits einen Namen gemacht; durch Vermittlung des isländischen Bild-
hauers Christoph Suxten wurden sogar in England Entwürfe von ihm aus-
geführt, was bei der Palladio-Begeisterung Englands auch wohl zu verstehen
ist. Wir wissen aber nicht, auf welchem Wege gerade Kaiserin Katharina II.
von Rußland auf den Künstler aufmerksam wurde, und wir wollen uns hier
jeder Vermutung enthalten. Genug, Katharina berief unseren Künstler nach
Petersburg und gab ihm hier und sonst in ihrem Reiche Gelegenheit zur
Betätigung, wie sie wohl selten einem Künstler geboten worden ist.
Maestro ehe fra tutti pittori di quella etä si reputava grandissimo il celebre Mengs. A. n. 0.,
Seite 6.
Es ist auch begreiflich, daß ihr die Art des italienischen Klassizisten
zusagen konnte. Die ungeheure Wucht, der aufs Große gerichtete Sinn, die
gewisse Weite und Breite, die sich mit liebevollem Eingehen in Kleinig-
keiten nicht allzusehr aufhält, die gewisse verstandesmäßige Kühle, der
Anspruch auf unbedingte Gültigkeit und die Möglichkeit, das Verschiedenste
mit denselben oder ähnlichen Mitteln auszudrücken, geben dieser späten
Blüte des italienischen Klassizismus so recht die Möglichkeit, einem weiten,
innerlich aber leeren, Cäsarenturn zum Ausdrucke zu dienen. Es ist so ein
echtes Empire" entstanden, noch ehe es jenes Kaisertum gab, nach dem
wir diesen Stil eigentlich benennen. Aber hatte das spätere französische
Kaisertum nicht manches Verwandte mit dem Cäsarentume Rußlands?
mm
nrlfß, ex
Abb. 6. Längsschnitt durch den Speisesaal im Modena-Palais siehe Abb.
Und was Katharina künstlerisch recht war, paßte auch für ihre Nach-
folger Paul I. und Alexander I.; auch diese Herrscher wahrten Quarenghi
dauernd ihre Gunst, bis er im Februar des Jahres 1817 hochgeehrt verschiediii
Daß Quarenghi übrigens trotz der Lobeshymnen, die sein Sohn auf die
russischen Herrscher anstimmt, bei diesen nicht immer volles Verständnis
gefunden haben mag, kann man vielleicht daraus erkennen, daß der Triumph-
bogen für KaiserAlexander nicht nach dem viel originelleren ersten Entwürfe,
sondern nach einem 'mehr herkömmlichen späteren, ausgeführt worden ist"?
Die Überschrift lautet Proiet de la Salle munger de San Altesse Rayale Filrchidußhzsse Marie
Beatrice de Modelle Vienne," die Unterschrift chev. de Quarenghi" und Gr. Kalpukof" dieser, der
Stechernarne in russischen Buchstaben.
Wir bemerken, hier, daß, auf Quarenghi folgend, noch zahlreiche Italiener für die russischen Herrscher
tätig waren und für sie die wichtigsten Gebäude ausführten. So erwähnt Merzario Band Seite 576 nicht
weniger als sieben nach Rußland gewanderte Meister allein aus dem Gebiete von Como. Viel trug später auch der
Ruhm der Mailänder Akademie dazu beß eine auch für die österreichische Kunstgeschichte wichtige Tatsache.
A. a. 0., Tafel 44 bis 46. Wenn es im Texte des Werkes heißt, daß der zweite Plan wegen Zeitmangels
und als ritenuto di piü facile eszcuzione ausgeführt worden sei, ist das wenig überzeugend. Wichtig ist uns
jedenfalls, daß das Pmjef überhaupt abgebildet ist, offenbar weil Quarenghi besonders Wert darauf legte.
Ein auf Seite 39 und 40 abgedtuckter Brief an Canova zeigt auch, daß Quarenghi wohl den Mut haben
konnte, die doktrinären Stilregeln seiner Zeit zu durchbrechen, daß er sich aber doch genötigt fand, eine Ab-
weichung erst besonders zu rechtfertigen.
Wenn Quarenghis Bauherren also auch ins Große und gewissermaßen
ins Leere gingen, so wollten sie persönlich doch, wenn auch nicht gerade
behaglich, immerhin bequem leben, und dazu genügten nicht die Über-
lieferungen der italienischen Kunst, die den Forderungen des neueren
Lebens doch allzu fern stand. So hebt denn auch die Lebensbeschreibung
Quarenghis in dem erwähnten Werke hervor, daß der Künstler auch die
Anlage der französischen Bauwerke studiert habefk
Als die Hauptwerke des Künstlers in Rußland werden nun die folgenden
genannt das Theater der Eremitage, dessen Inneres wir hier wiedergeben
Abb. der Palast des Fürsten Bisbarotko Bjezborodko in Moskau," die
Stiege des kaiserlichen Palastes ebenda, der Pavillon im Englischen Garten
zu Peterhof, der Musiksaal und ein Baignoir" in Art einer antiken Nau-
machie in Zarskoje-Sselo, die Kapelle des Malteserordens, die Bank und die
Handelsbörsefm" die Reitschule der kaiserlichen Garden zu Pferde und der
Entwurf zur Erlöserkirche in Moskauri-
In Schweden wäre der Palast von Scoonenberg zu erwähnen, in
München die Königliche Reitschule.
Die meisten der erwähnten Werke und einige andere Bauten, wie das
Smolni-Institut in dem die Revolutionäre im Jahre 1917 tagten sowie einige
unausgeführte Entwürfe finden sich in dem Werke des Sohnes dargestellt.
Über das Theater der Eremitage hat der Künstler selbst ein Werk heraus-
gegebenrh-
Von mehreren der genannten Gebäude finden sich auch in der k. k.
Farnilieniideikommißbibliothek zu Wien, vom Künstler signierte, Original-
zeichnungenji-j- Wir nennen Grundriß, Längsschnitt und Fassade des
Theaters der Eremitage, Grundriß und Aufriß des Musiksaales in Zarskoje-
Sselo, eine Ansicht der Ruine ebenda, Grundriß und Aufriß des kaiserlichen
Pavillons im englischen Garten zu Peterhof, Grundriß und Aufriß der Börse
und des Kaufhauses der Goldschmiede Boutiques des Orfevres. Auch findet
sich ein, nicht bezeichneter, Plan von Scoonenbergfm
Es handelt sich um Federzeichnungen, die zum Teile einfarbig graubraun,
größtenteils jedoch in verschiedenen Tönen, braun, blau und rosa, laviert sind,
wodurch eine eigentümliche schillernde Wirkung entsteht. Dieses farbige
Nebeneinander im Gestein gibt etwas von dem Ruineneindruck, wie ihn auf
A. a. 0., Seite io.
Wegen des plötzlichen Todes des Bauherrn übrigens nicht über die Fundamente gediehen.
ehe Vedijicia piü sontuosa di Pietmburgo bei Merzario.
Dieser Entwurf fällt in die letzte Lebenszeit Quarenghis; die Ausführung erfolgte durch verschiedene
Baumeister, darunter den Cornasken Gilardi, mit ungeheurem Aufwande unter Alexander I. und Nikolaus l.
1-1- Giacomo Quarenghi Thäatre de PHermitage de S. M. lmpäratrice de taufe les Russies Tafeln,
Großfolio, Petersburg, r787. Wir kennen aber nur den Titel aus dem Katalog des South-Keusington-Museums.
Unter der Bezeichnung K. 28x. Wir erlauben uns hier dem Herrn k. und k. Oberbibliothekar dieser
Sammlung, Dr. Rudolf Payr von Thum, der uns bei einem kürzeren Aufenthalte in Wien das Studium dieser
Zeichnungen sehr erleichtert hat, den aufricbtigsten Dank auszusprechen.
Von dem Längsschnitte bieten wir hier in Abb. nur den mittleren Teil.
Einige nicht bezeichnete Blätter in der Mappe lassen wir hier außer Betracht und verweisen nur
beiläufig auf die Zeichnungen I. Storotfs zum Palaste des Fürsten Potemltin; Storoff war fast der einzige
geborene russische Architekt von einiger Bedeutung zu jener Zeit.
235
Abb. 7. Längsschnitt Teil durch das Theater der Eremitage in Pexersburgf Federzeichnung, grau laviert.
bezeichnet quarenghi
andere Weise etwa die Stiche von Piranesi zu erreichen suchen, und wie er
der ganzen Zeit naheliegt, einer Zeit, der das Antikisieren doch zugleich auch
Romantik war, die Sehnsucht nach einer großen Vergangenheit, die man
wiedererwecken wollte. Wir brauchen ja nur an die Schönbrunner Ruine zu
erinnern; wir finden aber auch unter den Zeichnungen Quarenghis selbst die
Darstellung einer Ruine für den Garten von Zarskoje-Sselo. Und die einzige,
bereits erwähnte, Radierung des Künstlers in dem mehrfach erwähnten
Werke stellt eine antike Ruine für den Garten des Fürsten Bisbarotko darf?
Bezeichnet als Coupe sur In longueur du Theutre"; enrspriehr dem Suche auf Blau 34 des oben
erwähnten Werkes.
Tafel 59.
Es mochte für die Auftraggeber selbst etwas Verführerisches haben,
ihre gewaltigen Pläne so im romantischen Zauber einer großen Vergangen-
heit zu sehen und ihre eigenen Absichten gewissermaßen durch schon
Dagewesenes und nur Wiedererwecktes gerechtfertigt erscheinen zu lassen.
Daß der romantisch-klassizistische Gedanke aber auch für den Künstler
einen besonderen Reiz hatte, zeigt uns der Umstand, daß Quarenghi eben
einen solchen Entwurf selbst radiert hat; diese Tafel ist eine der ganz
seltenen Sachen, die der Autor zum bloßen Vergnügen gestochen hat, heißt
es in dem Werkef" es ist also gewiß eine Arbeit, die dem Künstler mehr von
Herzen gekommen ist als manche andere.
Wir glauben, daß man den ganzen Klassizismus auch innerhalb der
eigentlichen Renaissance und Antike falsch beurteilt, wenn man ihn nicht
auch von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet. Das bloße Einanderent-
gegensetzen von Klassizismus und Romantik, wie es gewöhnlich geschieht,
trifft die Sache gar nicht. Warum konnten sonst auch eine gotische und eine
antike Romantik nebeneinander, ja ineinander, bestehen? Es waren nur
verschiedene Ausdrucksweisen desselben Gefühles. Quarenghi ist aber in
den Einzelformen von vornherein auf die Antike eingestellt, und es wird im
Texte des Werkes" besonders hervorgehoben, daß er nicht etwa eine
gotische Ruine entworfen habe, sondern eine im Geschmack der besten
Zeit der Griechen und Römer. Natürlich ist sie das nicht. Und dann tritt
ein ganz romantischer Rundturm dazu, der wohl den Wechsel der Zeiten
andeuten und die Vergangenheit mit der Gegenwart gefühlsmäßig ver-
binden soll.
Vielleicht ist der Maler Quarenghi aber überhaupt auf dem Wege
der Ruinenbegeisterung, die in Rom ja so nahe liegt, zum Architekten
geworden.""""
Kehren wir jedoch zu den Zeichnungen Quarenghis zurück. Wir glauben
allerdings, daß die scheinbare Abschweifung nötig war, um seine Kunst, ja
zum Teile die seiner ganzen Zeit, zu verstehen.
Betrachten wir die Zeichnungen aber auch ohne alle Nebengedanken,
so möchten wir sagen schon der bloße Umstand, daß sie überhaupt im Besitze
des Wiener Hofes, dem ja auch der von Modena angehörte, vorhanden
sind, ist nicht ohne Bedeutung. Denn man sammelte damals gewiß nicht
Quarenghi-Zeichnungen an sich; sondern man verlangte und verwahrte sie
gewiß nur, wenn man bestimmte praktische Zwecke damit verband. Was
liegt aber näher, als anzunehmen, daß sie durch Quarenghi selbst als Proben
Seite 46. La presentz tavnla una delle pocchissime cose per semplice intrattenimento dalP autore
intagliata, sotto questo riguardo du giudicarsi come lavoro di un dilettnnti und ist in dieser Hinsicht
als Arbeit eines Liebhabers aufzufassen, was eine gar nicht nötige Entschuldigung der technischen
Durchführung sein soll.
Seite 46.
Man vergleiche dazu im Text des Werkes Seite ro über den portico della Rotondu il tempio di Sem-
pide Pozzoli", die als Muster des Einfachen und Grandiosen angeführt werden. Auch der Ponicus des Pan-
theons,der ist wohl gemeint, wirkte mit dem ganzen Hintergrunde damals auch noch mit den Türmen vor allem
romantisch.
...,
seiner Kunst vorgelegt worden sind?" Allerdings hören wir, daß die öster-
reichische Regierung später den zeichnerischen Nachlaß Giacomo Quarenghis
la raccolta dei suoi disegni angekauft und, dem Drängen Leopold Cico-
gnaras entsprechend, der Venezianischen Akademie geschenkt habef" es ist
aber kaum anzunehmen, daß gerade die oben genannten Blätter damals im
Besitze des Hofes zurückgeblieben seien, vorausgesetzt daß sie damals
überhaupt eine Zeitlang in Wien waren und die ganze Angelegenheit nicht
innerhalb des damals österreichischen Italiens abgemacht wurdefkm"
Dandolo sagt, daß Quarenghi, seitdem er dem Rufe Katharinas nach
Rußland gefolgt war, nur zweimal, und zwar beide Male nur auf kurze Zeit,
nach Italien zurückgekehrt wäre. Quarenghis Sohn drückt das weniger
entschieden aus;1' "deutlich sagt er jedoch, daß sich sein Vater auf der Rück-
reise von seinem letzten Besuche Italiens in Wien aufhielt und hier von der
Erzherzogin Beatrix aufgefordert wurde, den Saal für ihren, eben im Um-
bau begriffenen, Palast zu entwerfen.
Bemerkenswert ist noch, daß sich unter den Zeichnungen Quarenghis
im I-Iofbesitze auch eine vorlindet, die mit dem Äußern des heutigen
Modena-Palastes. in der ganzen Auffassung die größte Ähnlichkeit hat; wir
meinen ein Blatt, das völlig dem hier als Abbildung wiedergegebenen
Stich aus dem Werke des jüngeren Quarenghi entspricht. Die Zeichnung,
die mit der Feder und in der erwähnten, stark schillernden darum zur
Wiedergabe nicht recht geeigneten, Weise ausgeführt ist, trägt die Unter-i
schriften Fagade du Theatre de L'Hermitage sur Le Quai und Architecture
de jacques QuarenghLT-k
Wenn wir diese Darstellung mit unserer Abbildung vergleichen, so
werden wir erkennen, daß die Hauptgliederung dieselbe ist ein lang-
gestreckter Mittelbau mit durchgehender Ordnung in dem I-Iaupt- und
dem darüberliegenden Halbgeschosse, ein strengerer Unterbau, zwei seitlich
liegende Tore, außen zwei glatter gehaltene, abschließende Risalite; das
Ganze unter einem einheitlichen, wenig gegliederten, Hauptsimse. Sogar
die Umfassung der Fenster im Hauptgeschosse stimmt aufs genaueste;
ebenso ist ein durchgehendes Mäanderband beidemal zur Anwendung ge-
langt. Daß aber das eine Mal Halbsäulen, das andere Mal Pilaster verwendet
sind, kann wohl nur als ein geringfügiger Unterschied angesehen werden,
der sich durch die verschiedene Aufgabe von selbst ergeben hat. Und daß
das Untergeschoß in Wien viel niedriger ist, die Risalite hier zwei Fenster-
öflnungen nebeneinander haben und, im Zusammenhange damit, sonst
Die drei Zeichnungen Storoüs in derselben Mappe mögen wohl auch durch Quarenghi hierhergelzngt
sein; vielleicht standen beide Künstler auch in einem näheren Verhältnis zueinander. jedenfalls gehören Storoffs
Arbeiten in dieselbe Richtung wie die Quarenghis.
Dandolo, a. a. 0., dar-nach wohl Wurzbach.
Unter den heutigen Verhältnissen konnte man über den venezianischen Besitz natürlich keine Auf-
klärung erlangen.
Seite wo von einer zweifachen Reise die Rede ist, muß sich das nicht auf die Heimreisen von
Rußland beziehen.
11' K. k. Farnilienl-ideikornmißbibliothek, K. 281, Nr. 1739 a.
weniger gegliedert sind, ist einfach durch die Tatsache eines Umbaues zu
erklären, da bei einem solchen sowohl die Höhe der Geschosse als die
allgemeine Grundrißeinteilung festgelegt waren. Wir können uns sehr wohl
vorstellen, wie man beim Betrachten verschiedener, vom Künstler vor-
gelegter Arbeiten sehr bald erkannt haben mag, daß eine ähnliche Lösung
wie auf dem vorliegenden Blatte für den Wiener Bau sich fast von selbst
ergäbe, und daß es dem Künstler dann eigentlich nur mehr oblag, den
Gedanken den neuen Verhältnissen entsprechend abzuwandeln. Anders als
von Bau zu Bau, von Werk zu Werk ist die alte Kunst, wie jede gesunde
Entwicklung, ja niemals vorgeschritten.
Wir wollen damit aber durchaus nicht sagen, daß Quarenghi nun
die Erneuerung des ganzen Baues selbst durchgeführt habe; dazu hatte
er bei seiner Durchreise durch Wien sicherlich nicht Zeit genug. Ja er mag
nicht einmal die Entwürfe für das Ganze näher durchgeführt, sondern nur
die allgemeinen Richtlinien angegeben und zur weiteren Ausgestaltung in
seinem Sinn eben seine Zeichnungen zurückgelassen haben. Es ist auch
nicht ausgeschlossen, daß er schon früher solche geschickt habe; denn von
früheren Beziehungen des Künstlers zur Erzherzogin haben wir ja schon
gehört, und die Ähnlichkeit zwischen der Wiener und der Petersburger
Fassade kann wohl niemand leugnen. Vielleicht geht seine Tätigkeit aber auch
weiter, als wir hier annehmen. Jedenfalls herrscht in dem Baue sein Geist.
Es gilt dies sogar von mehr Innenräumen, als bloß von dem Speise-
saale, der in seiner heutigen Gestaltung als Festsaal dient. So entsprechen
das Stiegenhaus mit Mäander und laufendem Hund in den Simsen und die
Kapelle ganz seiner Richtung. ja, die Kapelle ist besonders bemerkenswert
durch ihre halbkreisförmige, nur gegen die gerade Eingangsseite etwas
verlängerte, Grundgestalt; die Halbkuppel mit Oberlicht, die Pilaster, der
laufende Hund und anderes lassen sich wieder ganz in Quarenghis Richtung
einreihen."
Auch andere Räume, wie der heutige Warteraum vor dem Zimmer des
Ministers und der untere Vorraum der Stiege, gehen mit Quarenghis Art
zusammen."
Die reichsten Räume sind das sogenannte Oktogon das sich für uns
aber wegen der damaligen Lichtverhältnisse einer genaueren Besichtigung
Herr Oberrechnungsrat Gustav Christ, dem die Verwaltung des Gebäudes obliegt, war so gütig, dem
Verfasser wenigstens eine oberdäcbliche Besichtigung der sonst öEentlich nicht zugänglichen Räume zu
ermöglichen, wofür ihm hiermit bestens gedankt sei.
Wir bemerken hier, daß die Eichengewinde mit gekreuzten Bändern, die sich im Wartesaal um die
großen Bilder finden, im unteren Vorraum wiederkehren, so daß man es offenbar mit einem ursprünglichen
Motive zu tun hat, nicht mit einer späteren Umgestaltung, wie es bei den Bildern zuerst scheinen mag; der
innerste Goldstab ist aber wohl neu.
Alt sind wohl auch die drei Figuren im Stiegenhause und die Kandelaber, sowie die Kandelaber im
großen Saale; nur sind hier die Postamente zu bezweifeln. Vielleicht standen diese Kandelaber ursprünglich
anderswo.
Über die beiden großen Bilder im Empfangsraum Ansicht des Modena-Palastes auf der Landstraße und
Ansicht der Villa Este in Tivoli siehe Englmann im Monatsblatte, a. s. 0., Seite 253. Die Ansicht des Moden-
Palastes ist in dem, gleichfalls bereits erwähnten, Neudrucke des Aufsatzes im Wiener Kalender für das jahr xgr
zu finden.
1...,
entzog und das sogenannte Goldkabinett, ein kleiner, aber architektonisch
streng gegliederter, Raum in gelblich getöntem Weiß mit zarter, streng
klassizistischer, Goldverzierung. Oben an den Wänden finden sich Relief-
medaillons mit Goldgrund; besonders die Baluster mit Gehängen dazwischen
an der gerundeten Wand gegenüber dem Fenster lassen sich ganz ähnlich
bei Quarenghi nachweisen, so in dem Längsschnitte durch das Eremitage-
theater."
Es scheint, daß hier vieles doch über eine bloß zeitliche Sti1verwandt-
schaft hinausgeht. Von der Fassade darf man das wohl unbedingt sagen, und
bei dem Saale haben wir ja den dokumentarischen Beweis einer, mindestens
anregenden, Tätigkeit Quarenghis. Wie weit aber des Künstlers Arbeit ins
Einzelne reicht, wagen wir, wie gesagt, einstweilen nicht zu entscheiden."
Abb. 8. Fassade des Theaters der Eremitage, nach dem Stich irn Werke des Giulio Quarenghii"
Gewiß war Quarenghi nicht der ausführende Baumeister des Wiener
Palastes. Als solcher wird uns, wie uns Herr Kustos Alois Trost vom
Städtischen Museum in Wien in freundlicher Weise mitteilt, Alois Pichl
genannt, der auch das Landtagsgebäude in Wien ausgeführt hat, ein Mann,
über dessen Leben und Wirken wir sonst aber noch sehr im Unklaren sind.
Wenige Jahre vor dem Kriege soll sichi- im römischen Kunsthandel ein
Aufriß unseres Modena-Palais befunden haben wohl eine Baumeister-
Bei diesem finden sich auch gewisse rosettenartige Rundscheiben, die in dem Stiche Abb. aber
nicht kenntlich sind und im Modena-Palaste wiederkehren. Alt sind in dem zuletzt erwähnten Raume auch
die Wandarrne.
Es wäre wünschenswert, daß sich eine Gelegenheit ergäbe, die verschiedenen Innenräume genau
aufzunehmen und bekanntzurnachen; vielleicht ließe sich das mit Studien einer der Architekturschulen an der
Akademie der bildenden Künste in Wien vereinigen. Von Wert wird auch ein Vergleich dieses späteren
Klassizismus mit dem früheren in Wien sein. wie er etwa bei Henrici hervortritt, über den wir in dieser Zeit-
schrift rgx5. Seite 3155., einiges mitgeteilt haben. Einige Ergänzungen und Berichtigungen zu dem damals
Gesagten, die wir hier bringen wollten, haben wir unterlassen, da eine eingehende Studie der Frau Dr. Marianne
Zweig über das sogenannte Kaiserhaus das frühere Czerninsche Palais in der Wallnerstraße in Aussicht
steht und, außer einer richtigeren Einreihung der dortigen Neu-Rckokoräume, wohl auch diese Fragen
berühren wird.
Tafel 32. Eine entsprechende Originalzeiehnung Federzeichnung, rot, blau und braun laviert in der
k. k. Farnilien-Fideikornmißbibliothek, K. 28x, r73g.
Nach gütiger Mitteilung des Herrn kaiserlichen Rates Dr. Ludwig Pollak, der bis zurn Ausbruche des
italienischen Krieges in Italien weilte.
39
290
zeichnung, die mit dem Namen Pichl und" mit der Jahreszahl 1810 be-
zeichnet war. Vielleicht taucht dieses Blatt wieder in Wien auf, wohin es im
Jahre 1911 gelangt sein soll, und kann dann noch genauere Aufschlüsse bieten.
Unsere Absicht war es hier nicht, eine abschließende Untersuchung zu
bieten, sondern nur einen Künstler, der immerhin zu den hervorragendsten
Vertretern einer bestimmten Zeit und Richtung gehört, dessen Tätigkeit in
Wien aber anscheinend vollkommen in Vergessenheit geraten ist, in die
Wiener Kunstgeschichte wieder einzuführen, scheint dieser Meister doch
noch über die Beziehungen zum Hause Modena hinaus auf die österreichische
Kunst eingewirkt zu haben; denn es ist vielleicht nicht bedeutungslos, daß
das Exemplar der Fabbriche disegni di Giacomo Quarenghi, dem wir
unsere Abbildungen entnommen haben und das sich heute in der Wiener
Kunstakademie befindet, aus Nobiles Widmung stammt?" Also auch durch
Nobile und seine Schule ist Quarenghischer Geist in Wien eingedrungen;
um so wichtiger hat es uns geschienen, einmal den unmittelbaren Spuren
dieses für uns verschollenen Künstlers nachzugehen?"
DAS STEIRISCHE GOLDSCHMIEDEHAND-
WERK BIS INS XIX. JAHRHUNDERT so-
VON JOSEF JOOS-WIEN so
EBER die beachtenswertesten Grazer Gold-
schmiedemeister der ersten Hälfte des XIX. Jahr-
hunderts ist folgendes mitzuteilen.
Der Silberarbeiter Philipp Jakob Goriupp,
ein gebürtiger Grazer, ist nach Vorlegung des
Meisterstückes, bestehend in einer silbernen
Kanne, am 21. August 1803 inkorporiert worden
und war höchstwahrscheinlich vorn Jahre 183g bis
1844 Obervorsteher der Innung. Sein Meister-
zeichen P. I. G. befindet sich auf der Tafel des
Punzierungsamtes in Graz vom Jahre 1828 und sind acht verschiedene
silberne Kirchengeräte mit ihm bezeichnet vorgefunden worden, von denen
das Rauchfaß und das Rauchschiffchen in Straßgang aus dem Jahre 1820
mit getriebenen, gerippten Füßen, die Meßkännchen mit Tasse in der
Grazer Stadtpfarrkirche, besonders aber die Meßkännchen in Stainz aus dem
Jahre 1821 mit einfachen, hübschen Traubenfriesen anerkennenswerte
Leistungen sind.
Soviel sich der eben Genannte erinnert.
Nohile kam aber erst im Jahre r8r7inach Wien, so daß er oder seine Wiener Schule für den Ausbau
des Modena-Palastes in der Herrengasse nicht in Betracht kommen.
Wir erwähnen hier nur kurz, daß der Modena-Palast nach dem Tode der Erzherzogiu im Jahre 182g
Wohnsitz des Prinzen Was war und etwa zehn Jahre darauf von der Staatsverwaltung angekauft wurde, die ihn
dann für längere Zeit der k. k. Polizei- und Zensurhofstelle und der Staatseisenbahnverwaltung zuwies.
Sein Sohn Alois Franz Goriupp wurde am 13. April 1832 Meister und
war von 1852 bis 1855 der vorletzte" Obervorsteher der Innung. Sein
Meisterzeichen, der ganze Name Goriupp", Findet sich auf elf bekannten
Silberarbeiten, darunter auf fünf Kelchen, von denen der im Stifte Rein aus
dem Jahre 1836 mit getriebenen Ähren-, Trauben- und Weinlaubornamenten
am Korbe und Fuße der hübscheste ist. Auch die große, ganz aus Silber
bestehende, ebenfalls mit getriebenen Trauben-, Weinranken- und Ähren-
garbenornamenten geschmückte Monstranz in der Mariahilferkirche in Graz
aus dem Jahre 1834 ist eine gute Arbeit.
In der Ausstellung altösterreichischer Goldschmiedearbeiten in Troppau
vom Jahre 1904 wurde unter Katalog Nr. 256 von diesem Meister ein
silberner, vergoldeter Becher mit Sockel, bexlegt mit sechs durchbrochenem,
spitzbogigen Reliefs, Akanthuspa1met-
ten und Engelköpfen, unter dem Rande
eine umgehende Rosengirlande, gezeigt.
Der bedeutendste Silberarbeiter
aus dem Anfange des XVIII. Jahrhun-
derts ist aber Anton Rabitsch gewesen.
Er war zuerst in Laibach als Meister
tätig, ist nach seiner Übersiedlung nach
Graz am 8. Dezember 1804 mit Nach-
sehung der Probestücke" in die Grazer
Innung aufgenommen worden und
hatte in der Postamtsgasse 163 sein
Geschäft. Dieser sehr befähigte Meister,
von dem sich zahlreiche größere, vor-
wiegend profane Arbeiten in Steiermark Abb Rabjgsch, 331,535 Abtei Rein
und in Wien befinden, die seine künst-
lerische Veranlagung außer jeden Zweifel stellen, ist leider schon am
21. Juli 1813 im Alter von 46 Jahren am Nerveniieber "gestorben. Sein
Meisterzeichen besteht aus den zu einem hübschen Monogramm vereinigten
zwei Buchstaben A. R. Die älteste bekannte Arbeit von ihm aus dem
Jahre 1804 ist eine 72 Zentimeter hohe, ganz aus Silber verfertigte, schwere
Monstranz in Bruck an der Mur. Der I-Iauptkörper hat die übliche Form
der Sonnenmonstranzen und ist ebenso wie der ovale Fuß mit getriebenen
Blumen und Blattranken geschmückt.
Ein sehr hübsches silbernes Salzfaß aus dem Jahre 1806 befindet sich
in der Abtei Rein Abb. I. Der runde, innen vergoldete Einsatz ruht in einem
schmalen, mit einem gepunzten Fries geschmückten Reifen, der auf drei
geschweiften, gegossenen, kantigen Füßen steht, zwischen denen geschickt
modellierte Früchte- und Blumenfestons herabhängen. Eine andere, sehr
zierliche, ebenfalls in der Abtei Rein sich befindende Arbeit aus dem
Jahre 1807 Abb. ein getriebenes Körbchen mit einem hübschen Lorbeer-
relieffries zwischen einer pfeifenförmig ausgesägten Wandung und mit zwei
geschweiften, im Querschnitt vierseitigen I-Ienkeln hat ausgesprochenen
Biedermeiercharakter. Außerdem besitzt das Kloster Rein von diesem
Meister noch zwei 20 Zentimeter hohe Kannen und eine Teekanne aus
dem Jahre 1807 und einen Meßleuchter aus dem Jahre 1810, durchwegs
beachtenswerte Silberarbeiten. Als Kirchengeräte soll noch der getriebene
Kelch am Pöllauberg erwähnt werden. Von den in Wien vorhandenen
Arbeiten müssen in erster Linie die im Österreichischen Museum für Kunst
und Industrie sich befindenden zwei silbernen Kannen aus dem Jahre 1810
als hervorragend schöne Arbeiten hervorgehoben werden, von denen die
größere 31'5, die kleinere Abb. 27 Zentimeter hoch ist. Die Füße, Haupt-
körper und Deckel sind mit getriebenen und gepunzten naturalistisch ge-
haltenen Blumen- und Fruchtornamenten von sehr schöner Zeichnung und
Ausarbeitung geschmückt. Die geschwungenen, überhöhten Griffe sind aus
Ebenholz angefertigt. Irrtümlich wurden diese zwei Kannen bisher dem
Anton Rungaldier, der aber erst im Jahre 1838 Meister wurde, zugeschrieben.
Eine andere sehr schöne Arbeit dieses Meisters aus dem Jahre 1807,
deren Abbildung wir dem liebenswürdigen Entgegenkommen des Eigen-
tümers zu verdanken haben, ist die silberne Kasserole des Herrn Dr. Albert
Figdor in Wien Abb. 4. Sie ist 16 Zentimeter hoch, besitzt einen Durch-
messer von 18 Zentimeter und ist innen feuervergoldet. Der glatte Kessel
ruht auf drei nach oben in üppiges Blattwerk verlaufenden Tierfüßen und
ist am Rande mit einem Bogenkranz umsäumt, dessen Füllung naturalistisch
behandelte Blumengewinde, ziseliert auf geranktem Grunde, bilden. Der
Deckel ist profiliert und mit einem Blatt- und Blumenstrauß gekrönt. Als
Handhabe dient ein freistehender Kolben." Von der dritten ebenfalls sehr
hübschen, auch aus dem Jahre 1807 stammenden Arbeit, die sich im
Besitze Ihrer Exzellenz der Gräfin Max Wickenburg in Wien befindet und
die aus zwei Kannen und einem Zuckerständer besteht, ist eine Kanne in
Kunst und Kunsthandwerk" vorn Jahre 1907, Seite 350, abgebildet. Die
Kannen haben überhöhte Henkel und antikisierende Formen. Der Zucker-
Ständer Abb. besitzt geschwungene Doppelhenkel und hat einen durch-
brochenen Rand. Der Hauptkörper ist bei allen drei Gefäßen mit gravierten
und gepunzten naturalistischen Weinreben- und Rankenornamenten verziert,
während die runden Füße eine korbgetiechtartige Dekoration tragen. Nach
dem Tode des Meisters Anton Rabitsch führte wahrscheinlich dessen Witwe
von 1813 bis 1820 das Geschäft weiter, bis es der Sohn Josef Rabitsch
übernahm. Nach dem Meisterbuche wurde diesem am 29. Oktober 1820
infolge magistratlichen Bescheides eine Garnitur Kafekandeln" als Meister-
stück aufgegeben, die er bei dem Silberarbeiter Johann Baptist Mayer zu
machen hatte. Über bei dem Landmünzprobieramte und bei der Innung
gut bestandener Prüfung wurde er dann am 27. März 1821 incorporiert."
Arbeiten von ihm sind nicht bekannt.
Ein anderer sehr tüchtiger Silberarbeiter dieser Zeit, von dem wir ver-
schiedene schöne größere Arbeiten kennen, war Heinrich Kies sen. Er wurde
am 1. Februar 1807 in die Innung aufgenommen, war von 1811 bis 1819, wahr-
scheinlich aber noch länger Untervorsteherderselben und ist nach den Grazer
evangelischen Matriken am November 1834 a1sVorsteher der evangelischen
Gemeinde in der Sporrgasse 77 im Alter von 54 Jahren gestorben. Sein Meister-
zeichen befindet sich auf der Namenspunz entafel vom Jahre 828 des Punzierungs-
amtes Graz und besteht aus den verschlungenen Buchstaben H. K. in ovaler
Umrandung. Nach Jakob Wichners Mitteilungen kaufte das Kloster Admont
von ihm im Jahre 1832 ein Ziborium um 82 ii. und zwei Meßkännchen samt
Tasse um 73 5., die wahrscheinlich dort noch im Gebrauche sein werden.
Zwei sehr schöne Arbeiten von diesem Meister, ein silberner Kelch und
keine silberne Kanne, beide im Jahre 1821 angefertigt, befinden sich in der
protestantischen Kirche am Kaiser Josef-Platze in Graz. Der getriebene
vergoldete Kelch Abb. ist 24'5 Zentimeter hoch. Kuppakorb, Nodus und
Fuß sind mit Akanthusblattreihungen und zarten Weinlaub- und Trauben-
ornamenten verziert und der obere Rand des Korbes trägt einen band-
förmigen Abschluß mit durchbrochenen Akanthus- und Kleeblattreihungen.
Am Boden des Fußes befindet sich die Widmung eingraviert Bey En-
stehung einer Gemeinde augsb. und helvet. Confesion im Jahre 1822 zum
Opfer dargebracht von Heinrich Kies, Silberarbeiter allhier A. C."
Die zu dem Kelche gehörende, ebenfalls getriebene, silberne und ver-
goldete, 3o'5 Zentimeter hohe Kanne Abb. ist am Hauptkörper mit einem
breiten Weinlaub- und Traubenfries geschmückt und trägt in einem ovalen,
mit einem Empireblattkranz umrahmten Medaillon, an welches der Fries
anläuft, die Inschrift Bey Enstehung der Gemeinde augsb. und helvet.
Confesion in Gratz 1822 zum Opfer dargebracht von Friedrich Gilly H. Cf",
der in den Jahren 1821 und 1822 Kirchenvorstand der jungen Gemeinde
war. Der Schnabelausguß der Kanne besitzt unten eine Palmette, oben ein
Akanthusblatt als Verzierung und der obere Henkelansatz zeigt eine Spitz-
blattreihung, der untere drei Eichenblätter. Der Henkel selbst ist aus schwarz
poliertem Birnenholz angefertigt. Am Deckel befindet sich eine achtteilige
Akanthusblattrosette mit einem Pinienzapfen als Griff. Wer die zweite ähn-
liche, aber weniger sorgfältig gearbeitete, unechte Kanne erzeugt hat, konnte
nicht in Erfahrung gebracht werden.
Zwei andere sehr schöne Arbeiten dieses tüchtigen Goldschmiedes, ein
silbernes Rauchfaß und ein dazu gehörendes silbernes Rauchschiff, beide im
Jahre 1828 angefertigt, besitzt die Abtei Rein. Das Rauchfaß Abb. ist
28 Zentimeter hoch, hat einen Durchmesser von 17 Zentimeter und beträgt
seine ganze Höhe in aufgehängtem Zustande bis zum Handgriffe 1'1 Meter.
Die drei sorgfältig getriebenen, schönen Figuren am Fasse stellen drei heilige
Frauengestalten vor, und zwar die heilige Magdalena als Büßerin in der
Höhle, einen Totenkopf betrachtend und vor einem Kreuze kniend, ferner
die heilige Märtyrin Barbara, gefesselt vor dem Kelche mit der Hostie kniend,
in der Rechten ein offenes Buch haltend, die Linke auf das Herz pressend,
gleichsam in Verzückung, mit dem Richtschwert zu ihren Füßen. Die dritte
Figur stellt eine heilige Klosterfrau vor, in inbrünstigem Gebete mit gefalteten
Händen an einem Betschemel kniend. Auf letzterem stand höchstwahr-
scheinlich ein Kruzifix, von dem aber der obere Teil fehlt; dann wäre die
Gestalt die heilige Theresia; war der abgebrochene Teil eine Monstranz,
dann wäre die heilige Zisterziensernonne Juliana dargestellt. Die Tragringe
des Rauchfasses sind an den geflügelten Helmen von Kopfmasken, die
antike Hermesköpfe darstellen, befestigt, zwischen denen die Heiligenfiguren
angebracht sind.
Das Rauchschiff Abb. ist etwas einfacher und derber in der
Schmuckweise und die Akanthusblattreihung am Fußproiil ist wenigen
plastisch und weicher durchgebildet als am Rauchfaß. Beide Geräte tragen am
Fuße innen die Buchstaben und daneben die Jahreszahl 1828
eingraviert. Die Buchstaben bedeuten Ludovicus Crophius Abbas Runen-
sis", welcher der 46. Abt war, der von 1823 bis 1861 regierte.
Auch in der Gratweiner Kirche befindet sich ein Rauchfaß mit dazuge-
hörendem Rauchschiffchen, mit Blumen- und Blattornamenten geschmückt,
die als eine gute Arbeit erwähnt zu werden verdienen.
Dem Sohne dieses Meisters, der ebenfalls Heinrich Kies hieß, wurde
eine Zuckervase und eine Kelchzeichnung" als Meisterstück aufgegeben.
Er ist am 6. Jänner 1841 auf die reale Silberarbeitergerechtsame seines
verstorbenen Vaters in die Innung aufgenommen worden und befindet sich
sein Meisterzeichen, die Buchstaben H. K. in rechteckiger Umrahmung, auf
der Namenspunzentafel vom Jahre 1828. Wir finden ihn bis 184g in den
Innungsschriften. Arbeiten aus seiner Hand sind aber nicht bekannt.
Vom bürgerlichen Silberarbeiter Johann Baptist Mayer Mayr, der am
31. März 1811 inkorporiert wurde und im Jahre 1822 als Trauzeuge genannt
wird, kennen wir zwei einfache Arbeiten. Im Schlosse St. Martin bei Graz be-
findet sich aus dem Jahre 1813 ein silberner Löffel und beim Antiquar Grabner
in Graz sind zwei einfache silberne, ovale Salzfässer mit geschwungenen
Henkeln aus dem Jahre 1819 mit seinem Meisterzeichen, einem Monogramm,
bestehend aus den zwei Buchstaben J. M., gefunden worden.
Ein anderer Silberarbeiter dieser Zeit ist Friedrich Mayerheim. Ihm wird
am 14. Mai 1815 als Meisterstück eine silberne Zuckervase aufgegeben.
Ein silbernes Salzfaß, das sich im Kunstgewerbemuseum am 0anneum"
in Graz belindet Abb. 10, das mit der Grazer Punze vom Jahre 1818 und
einem mangelhaften Meisterzeichen, von dem nur das deutlich lesbar,
versehen ist, dürfte ihm zuzuschreiben sein. Es stellt eine hochstengelige,
beblätterte Phantasiepfianze vor, deren mit Blumenblatträndern versehene
große Blüte die innen vergoldete runde Salzschüssel bildet. Daneben
steht ein storchartiger Phantasievogel mit Straußenfüßen, der mit seinem
langen Schnabel den Stengel umfaßt. Die Idee, die der Arbeit zugrunde
liegt, ist keine schlechte, die Ausführung ist aber etwas derb.
In der Kirche in Gratwein befinden sich zwei einfache, schmucklose,
silberne Meßkännchen mit Tasse aus dem Jahre 1830 mit dem deutlichen
295
Meisterzeichen F.
M. Im Grazer
Statthaltereiar-
chive fand sich
aus dem Jahre
1835 ein umfang-
reicher, inter-
essanter Strafakt f."
gegen den Grazer '71
Gürtlermeister Xxltlll
Ludwig Wittitz
und den Silber-
arbeiter Friedrich
Mayerheim. Der
Pfarrer von Strall-
egg hatte durch
zwei Bauern bei dem Gürtler L. Wittitz nach einer Zeichnung eine
Monstranz aus gutem Silber" bestellen lassen, zu welcher der Silberarbeiter
F. Mayerheim den 80 Lot schweren Stingel aus xolötigem Silber für 144 H."
verfertigte. Für die fertige Monstranz im Gewichte von 2181, Lot Silber
forderte Wittitz 296 H. 15 kr. Der Pfarrer war aber mit der Monstranz nicht
zufrieden und verlangte einen größeren Schein" und ihre Punzierung.
Wittitz trug nun den angeblich Iolötigen Schein zum Silberarbeiter Michael
Rungaldier und bestellte einen iglötigen Schein". Dadurch kam die ganze
Angelegenheit zur Kenntnis der Goldschmiedeinnung, die nun beim Magistrat
und dem Landmünzprobieramte die Anzeige erstattete. Wittitz bekam wegen
Gewerbestörung einen Verweis und sollte wegen Verfertigung der nicht
probhältigen Monstranz 6I H. 35 kr. in Konventionsmünze als Strafe be-
zahlen. Friedrich Mayerheim wurde ebenfalls wegen Lieferung unprob-
hältigen Silbers für die Monstranz zu 128 fl. Strafe verurteilt. Beide baten
vergebens um Nachsicht und Gnade. Bei der darauffolgenden Mobilar-
pfändung stellte es sich aber heraus, daß beide, sowohl L. Wittitz wie auch
F. Mayerheim, ein halbes Jahr früher, im September 1836, ihre Gerechtsame,
Werkzeuge und ihren ganzenBesitz an ihre Ehegattinnen abgetreten hatten.
Infolgedessen konnten die zahlungsunfähigen Meister nicht bestraft werden.
Zum Schlusse sollen noch einige Goldschmiede genannt werden, die
entweder in dieser Zeit Vorsteher der Innung waren, von denen das
Meisterzeichen bekannt ist oder die aus irgend einem anderen Grunde
erwähnenswert sind.
Der Goldarbeiter Philipp Schädel wurde im Jahre 1807 inkorporiert,
war in den Jahren x812 und 1813 Obervorsteher der Innung und ist im
Jahre 1822 gestorben.
Der Goldarbeiter Wolfgang Bachel Pachl aus Pest in Ungarn" besaß
nach dem Gewerbehandbuch der Stadt Graz seit dem 1. September 1806
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Abb. i. A. Rabitsch, Körbchen Abtei Rein
die Gewerbeberechtigung und wurde am 6. Jänner 180g inkorporiert. Er
wird im Jahre 1812 als Schätzmeister für Mariazeller Schatzkammergegen-
stände genannt und findet sich bis zum Jahre 1818 in den Innungsschriften.
Das auf der Namenspunzentafel vom Jahre 1828 aufgeschlagene Meister-
zeichen W. P. könnte von ihm herrühren, ist aber höchstwahrscheinlich die
Namenspunze des Silberarbeiters Wilhelm Pöller, dem im Dezember 1827
eine ,,Silberarbeiterpersonalbefugnis" für Graz bewilligt worden war. Er
hatte 651. Jahre als Lehrling, Jahre als Geselle und Jahre als befugter
Meister in Wien zugebracht, wurde in einem Zeugnis der Wiener Silber-
arbeiter ob seiner seltenen Geschicklichkeit, seines Fleißes und seiner
tadellosen Aufführung" gelobt und hatte beim Hauptmünzamte in Wien
über das Silberlegieren und den Nadelstrich eine Prüfung abgelegt. In den
Grazer Innungsschriften ist er aber gar nicht enthalten.
Der Goldarbeiter Johann Nepomuk Haine ist am 11. Juli 1813 in die Lade
aufgenommen worden und befindet sich sein Meisterzeichen J. N. H. auf
der Namenspunzentafel vom Jahre 1828. Er war vom Jahre 1826 wahr-
scheinlich bis zum Jahre 1839 Obervorsteher der Innung. Im Jahre 1842
besteht er aber nicht mehr. Ein anderer Goldarbeiter dieser Zeit, Leopold
I-Iauber, wurde am 11. Jänner 1819 inkorporiert, ist von 1844 bis 1848
Obervorsteher der Innung gewesen und wird in ihren Schriften bis zum
Jahre 184g genannt.
Vom Silberarbeiter Josef Bacher, der am 6. Jänner 1838 inkorporiert
wurde, wissen wir, daß er von 1844 bis 1848 Unter- und von 1848 bis 1851
Obervorsteher der Innung war. Wir haben von ihm zwei Namenspunzen,
eine, die den ganzen Namen, und eine andere, die nur die Anfangsbuchstaben
J. B. enthält. Er dürfte im Jahre 1851 gestorben sein, weil im Jänner 1852
seine Silberarbeitergerechtsame weitergegeben wurde. In Pöllau wurde ein
mit seinem Meisterzeichen versehener silberner Löffel aus dem Jahre 1848
vorgefunden.
Der Silberarbeiter Anton Rohrleitner, von dem sich zwei Kelchteile und
eine Patene in der Abtei Rein befinden, ist, nachdem er einen getriebenen
Pokal als Meisterstück gemacht und im Landmünzprobieramte die Prüfung
über den Nadelstrich und das Legieren abgelegt hatte, am 9. Mai 1841
inkorporiert worden. Auch er dürfte zwei Namenspunzen, eine, die den
ganzen Namen, und eine andere, die nur die Anfangsbuchstaben A. R.
enthielt, gehabt haben.
Als letzter Grazer Goldarbeiter soll der Meister Johann Jäger genannt
werden. Er wurde am 6. Jänner 1845 nach guter Prüfung beim Landmünz-
probieramte und guter Meisterprobe, einem jour gefaßten großen Brillant-
ring, auf die ihm verliehene personale Gold- und Juwelenarbeitergerechtsame
inkorporiert und ist von 1848 bis 1851 Untervorsteher der Innung gewesen.
Sein Meisterzeichen J. J. befindet sich auf der Namenspunzentafel des
Punzierungsamtes in Graz vom Jahre 1828, auf der auch viele Namens-
punzen späterer Meister eingeschlagen sind.
Hiermit sollen die Mitteilungen über die Grazer Goldschmiede ge-
schlossen werden. Bei gebührender Berücksichtigung der lokalen Ver-
hältnisse sehen wir, daß dieses Handwerk in Graz eine ziemlich große
Anzahl tüchtiger Meister geliefert hat, die sich noch vergrößern möchte,
wenn sich nicht bloß Silber-, sondern auch Goldarbeiten auffinden ließen.
Vielleicht ist jemand anderer, dem der noch vielfach vorhandene alte
Familienschmuck des Landesadels zugänglich ge-
macht wird, so glücklich, ältere steirische Silber-
arbeiten, als der Verfasser gefunden hat, und
dazu auch eine Anzahl von altsteirischen Gold-
arbeiten zu entdecken, was zu einer vollständigen
Studie über das Grazer Goldschmiedehandwerk
unbedingt notwendig wäre.
Anschließend soll noch ein Überblick über
die Tätigkeit dieses Gewerbes in den Landstädten
und Märkten geboten werden. In keinem dieser
Orte befanden sich gleichzeitig mehrere Gold-
schmiede und Innungsverbände. Die Angabe im
Katalog der Ausstellung von altösterreichischen
Goldschmiedearbeiten vom Jahre 1904 des Kaiser
Franz joseph-Museums für Kunst und Gewerbe
in Troppau, daß in Judenburg eine Goldschmiede-
innung bestand, ist unrichtig. Ab und zu saß aber
in einem oder dem anderen Städtchen oder Markte
ein tüchtiger, fleißiger Meister, der bessere Arbeiten
erzeugte, von denen sich bis heute manches
hübsche Stück erhalten hat. Meistens schlugen
sich aber die Landgoldschmiede kümmerlich
durch das Leben und mußten mit Reparaturen
und unechten Arbeiten ihr-Dasein fristen. Aber
ebenso wie sie in die Rechte des Gürtlerhand-
Werks griffen, machten es, namentlich an Orten,
wo kein Goldschmied ansässig war, auch die Abb.
Gürtler, die nicht selten silberne Gegenstände, t"M831;11T;jffj;jj3"h"ch"
namentlich Knöpfe, Schnallen, Gürtel, Ringe und
bestellte Kirchengeräte anfertigten. Obwohl schon am 16. April 1762 an alle
Kreisämter der Auftrag erteilt worden war, sämtliche bürgerlichen Land-
goldschmiede zur Inkorporation in die Grazer Innung auf den künftigen
Frohnleichnamstag" nach Graz zu laden, wo sie sich mit einer magistrat-
liehen Urkunde, wann sie als Bürger und pro jure als Goldschmiede auf-
genommen worden, ausweisen sollten, finden wir die erste Aufnahme eines
Landgoldschmiedes doch erst im jahre 1781 im Grazer Meisterbuche
vorgemerkt. Von da an bringt dieses Buch aber zahlreiche Eintragungen
über die Lebens- und Erwerbsverhältnisse der Landmeister, die das
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oben Gesagte bestätigen, daß die meisten einen immerwährenden Kampf
ums Dasein führen mußten. Einem Auftrage des Grazer Gubemiums vom
20. August 1794 an das Landrnünzprobieramt daselbst entnehmen wir, daß
damals in Steiermark acht Landgoldschmiede lebten, die nur 13lötiges Silber
verarbeiteten und von denen je einer in I-Iartberg, Bruck, Leoben, Juden-
burg, Marburg, Pettau, Cilli und Wildon saß.
Von den bekannteren Landgoldschmieden soll nun das Wichtigste
mitgeteilt und einige ihrer besten Silberarbeiten sollen in Abbildungen
gezeigt werden.
In Admont befanden sich, wie schon früher erwähnt wurde, die ältesten
bekannten steirischen Goldschmiede Fridericus aurifex und Fridericus argen-
tarius, höchstwahrscheinlich Mönche, schon in den Jahren 1152 und 1175.
Im Jahre 1781 lebte dort der 60 Jahre alte bürgerliche Goldschmied Johann
Peinhart, der, ohne Gesellen und Lehrling, nur mit einem Nebenverdienst
seine Familie ernähren konnte. Die Grazer Goldschmiedeinnung sagte an-
läßlich seiner im Jahre 1782 erfolgten Inkorporation über ihn, daß er vielerlei
schöne und mannigfaltige Arbeiten verfertige". Das Kloster Admont besitzt
von ihm einen kunstlosen, glatten, silbernen Meßkelch aus dem Jahre 1774
mit seinem Meisterzeichen und dem Admonter Beschauzeichen. Er muß vor
dem Jahre 1794 gestorben sein.
In Aussee lebten um das Jahr 1749 die Goldschmiede Franz und Johann
Gaiswünkler.
Von Bruck an der Mur wissen wir schon von früher, daß dort im
Jahre 1467 der bürgerliche Goldschmied I-Ianns" und im Jahre 1595 der Gold-
schmied Merten I-Iietwol" existierten. In den Gewerbesteuerverzeichnissen
des Brucker Kreises der Jahre 1752 und 1754 finden wir den Silberarbeiter
Josef Steinbiichl Steinbichler, der höchstwahrscheinlich der tüchtige Meister
des XVIII. Jahrhunderts war, von dem wir fünf Kelche mit dem Meisterzeichen
B. J. S. und dem Brucker Beschauzeichen kennen. Von diesen Kelchen sind
einer in Knittelfeld mit getriebenen, einfachen Muschelverzierungen auf dem
Korb und dem geschweiften Fuße, ein anderer in Murau mit getriebenen
Blumenornamenten und je drei aufgeschraubten, gegossenen, fein ziselierten
Medaillons mit Szenen aus dem Leiden Christi auf Korb und Fuß und ein
dritter in Mariahofhervorzuheben. Dieser letzte, sehr schön gearbeitete, reich
getriebene Kelch von strengen Formen Abb. 11 trägt noch ausgesprochenen
Barockcharakter, das Kartuschwerk enthält nur wenig Blatt- und Muschel-
ornamente und die etwas großen geflügelten Engelsköpfe sind geschickt
angeordnet. Die geschweiften, silberweißen,gegossenen, sorgfältig ziselierten
Medaillons am Fuße stellen den Kuß des Judas, die Geißelung und die
Dornenkrönung, die ovalen Medaillons am Korb das Ecce homo", Jesus
fällt unter dem Kreuze" und Jesus stirbt am Kreuze" dar. Der Kelch ist eine
beachtenswerte Leistung und ist nur im Griffknopf etwas schwach entwickelt.
Im Jahre 1780 finden wir in Bruck an der Mur den Goldschmied
Johann Michael Hagner als Bürgermeister. Er wird im Jahre 1782 inkorporiert,
ersucht hierbei das Grazer Mittel um Verhelfung eines tüchtigen Gesellen,
läßt im Jahre 1783 einen Jungen aufdingen und zugleich freisprechen und
stirbt im Jahre 1806 im Alter von 66 Jahren. Wahrscheinlich hat der Gold-
schmied Johann Georg Desselbrunner, der am 4. November 1802 die Gold-
schmiedstochter Magdalene I-Iagner heiratete, das Geschäft Hagners über-
nommen. Dieser vom Brucker Kreisamte in einem Berichte vom 17. Dezember
1810 als geschickt" bezeichnete Meister wurde von der Regierung nach
Mariazell gesendet, um diejenigen Gold- und Silberschätze auszuscheiden,
die infolge ihres Kunstwertes von der Ablieferung und Einschmelzung befreit
werden sollten.
In Cilli haben wir im XVIII. Jahrhundert verschiedene Goldschmiede,
von denen nur die Namen bekannt sind. Im Jahre 182g befand sich dort
der Silberarbeiter Johann Friedrich Schmid, ein Ausländer, der mehrere
Jahre in Brüssel, Amsterdam und Paris als Geselle gearbeitet hatte. Sein
Meisterzeichen befindet sich auf der Tafel des Punzierungsamtes in Graz
vom Jahre 1828.
In I-Iartberg lebte um das Jahr 1556 der bürgerliche Goldschmied
Zacharias Wendeler und im Jahre 1781 der bürgerliche Silberarbeiter Josef
Soyer, dessen Gerechtsame im Jahre 1786 an den Goldschmied Johann Georg
Märhofer Mayerhofer überging.
Von der rührigen Stadt Judenburg wissen wir, daß dort im Jahre 1360
der Goldschmied Chunz, im Jahre 1398 der Goldschmied I-Ilaus und im
Jahre 1486 der Goldschmied Michell lebten. Auch soll es in dieser Stadt
im XIV. und XV. Jahrhundert tüchtige Siegelstecher gegeben haben. Nach
den Gewerbesteuerverzeichnissen der Jahre 174g bis 1754 des Judenburger
Kreises und nach den Aufzeichnungen des Meisterbuches der Grazer Gold-
schmiedeinnung der Jahre 1783 bis 1786 lebte um diese Zeit in Judenburg
der geschickte Silberarbeiter Matthias Schachinger, dessen Gewerbe im
Jahre 1789 an den Goldschmied Paul Baumhackl überging.
In der Judenburger Pfarrkirche befindet sich eine alte Monstranz aus
dem Jahre 1616, die nach einer Eingravierung und dem aufgeschlagenen
Meisterzeichen M. G. S. im Jahre 1756 von Matthias Schachinger um-
gearbeitet worden ist. Außerdem hat diese Kirche drei silberne Kelche mit
demselben Meisterzeichen, wovon der eine noch das Judenburger Beschau-
zeichen, den Judenkopf mit der darüberstehenden Zahl 13 löfig, trägt.
Dieser 27 Zentimeter hohe, sorgfältig getriebene Kelch von schöner, eben-
mäßiger Gestalt Abb. 12 ist mit geschmackvoll verteilten einfachen Oma-
menten, bestehend aus getriebenem Kartuschwerk mit muscheligem Blatt-
werk, geschmückt. Die symmetrische Anordnung der Verzierungen spricht
für eine frühe Zeit des XVIII. Jahrhunderts, was aber in Anbetracht dessen,
daß der Gegenstand in einer abgelegenen Provinzstadt angefertigt wurde,
wo die strengeren Formen sich länger hielten, nicht stimmen muß. Die
vergoldeten, gegossenen, fein ziselierten Medaillonbilder in den Maßen zu
Zentimeter am gezackten Fuße stellen den Judaskuß, die Geißelung und
dieDornenkrönung, die ovalen Medaillons am Korbe in den Maßen zu
3-5 Zentimeter das Ecce homo", Jesus stürzt unter dem Kreuze" und die
Kreuzigung" vor. Der getriebene Innungsbecher der Judenburger Lederer
mit der in einem Medaillon eingravierten Inschrift Ein ersa Handwer der
Lederer 176g" und zwei Kelche in Schöder sind nach dem Meisterzeichen
ebenfalls von Matthias Schachinger angefertigt worden.
Der bürgerliche Gürtlermeister Valentin Trinowitz aus Bleiburg in
Kärnten mit dem Meisterzeichen V. T. war von x777 an in Judenburg tätig
und starb im Jahre 1825 im Alter von 76 Jahren. Von ihm besitzen wir einen
schönen silbernen, getriebenen Kelch in der Waasenkirche in Leoben in
den zarten Formen des Louis XVI-Stiles mit noch ganz geringem Anklang
an das folgende Empire Abb. I3. Dieser Kelch trägt das Meisterzeichen
V. T. und die für 1794 bis 1806 gültigeJudenburger Punze für r3lötiges Silber.
Der runde Fuß und der Kuppakorb sind mit gut getriebenen, einfachen,
schönen Blumen- und Traubenornamenten und mit je drei großen, ovalen
Kupferemail-Heiligenbildern geschmückt. Die Bilder am Fuße stellen den
heiligen Josef mit dem Jesuskinde, den heiligen Franz Xaver, einen Drachen
vernichtend, und den heiligen König Oswald dar, der in der einen Hand
ein goldenes Zepter, in der anderen Hand einen Raben mit einem goldenen
Ringe im Schnabel hält. Die Bilder auf dem Korbe stellen die Maria von
der immerwährenden Hilfe, den Apostel Petrus mit dem Fischemetze und
den predigenden Apostel Paulus dar. Der vasenförmige Nodus paßt har-
monisch zu den übrigen Teilen dieses Kelches, der, obwohl nur ein Gürtler-
erzeugnis, doch eine beachtenswerte Silberarbeit ist. Im Jahre 1821 ist nach
dem Meisterbuche der Grazer Goldschmiedeinnung der gelernte Gürtler
Johann Trinowitz, nachdem er einen silbernen, vergoldeten Kelch als Meister-
stück verfertigt hatte, für Judenburg inkorporiert worden; er ist wahr-
scheinlich der Sohn des Valentin Trinowitz gewesen. Sein Meisterzeichen,
ein Monogramm der zwei Buchstaben und in einem gezackten Schilde,
findet sich auf der Namenspunzentafel des Punzierungsamtes in Graz vom
Jahre 1828, auf sechs Kelchen, einem Rauchfasse, einem Rauchschiffchen
und auf einem Becher. Seine besten bekannten Arbeiten sind das getriebene
silberne, mit schönen Muschelornamenten geschmückte Rauchfaß und das
dazugehörende ganz gleich ausgestattete Rauchschiff in der Judenburger
Pfarrkirche. Beide tragen die Jahreszahl 1860 eingraviert und haben neben
der Namenspunze des Meisters das Judenburger Beschauzeichen, den Juden-
kopf mit dem spitzen I-Iute in einer rhombischen Umrandung, eingeschlagen.
Der schöne emaillierte Kelch in Pöls, der die Jahreszahl 167g eingraviert,
die Wiener Punze vom Jahre 1843 und das Meisterzeichen des Johann
Trinowitz eingeschlagen trägt, ist jedenfalls nur von Trinowitz renoviert
worden.
Der Leobener Goldschmied Markus Amman erzeugte nach Pater Jakob
Wichners Aufzeichnungen im Jahre 16m, für die Kirche in Kallwang eine
Monstranz.
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Im Jahre 1811 wurde nach dem Meisterbuche der Grazer Goldschmiede-
innung der Leobener Goldschmied Anton Peheim ohne Probstück" in-
korporiert und Findet sich sein Name bis zum Jahre 1830 in den Innungs-
Schriften. Von ihm dürften drei hübsche, beachtenswerte Silberarbeiten,
zwei getriebene Reliefs, das eine den heiligen Josef mit dem Christuskinde,
das zweite den heiligen Antonius von Padua darstellend, und eine silberne
Tasse, die in der Ausstellung alter Goldschmiedearbeiten im Jahre 1907
im Osterreichischen Museum zu sehen waren, herrühren. Sie tragen alle
drei das Meisterzeichen A. P., für das sich weder in Graz noch an einem
anderen steirischen Orte in dieser Zeit ein passenderer Name voriindet,
und daneben die Grazer Punze vom
Jahre 1821 eingeschlagen.
In Marburg gab es im XVIII. und
in der ersten Hälfte des XIX. Jahr-
hunderts verschiedene Goldschmiede,
von denen aber nur Josef Burghard
Berghard durch seine Inkorporation
im Jahre 1813 und durch sein Meister-
zeichen auf der Tafel vom Jahre
1828 des Punzierungsamtes in Graz
bekannter ist. Er existierte noch im
Abb. 4. A. Rabitsch. Kaxilsvsieeigsle Dr. Alben Figdor in Stadt Pettau haben wir
schon sehr frühe Nachrichten über
das Goldschmiedehandwerk. Nach Wastlers Künstlerlexikon lebten dort im
Jahre 1311 die Goldschmiede Dietrich und Petrus, im Jahre 1342 der bürger-
liche Goldschmied Niklas und im Jahre 1341 arbeitete der Pettauer Gold-
schmied Seydillus Seidl in Udine mit dem Goldschmied Johann von Bologna
in Kompagnie zusammen. Die bürgerlichen Goldschmiede Johann Jakob
Zwickhl und seinen Sohn Franz Jakob Zwickhl, der im Jahre 1724 in Graz
heiratete, haben wir schon früher erwähnt. Im Jahre 1736 etablierte sich
dort der Goldschmied Franz Bernhard Klockhsperger und im Jahre 1782
wurde der bürgerliche Silberarbeiter Philipp Schüller Schiller in die
Grazer Innung aufgenommen, der in einer Zuschrift an die Grazer Innung
über seinen harten Stand" in Pettau klagte. Von ihm waren in der
Kulturhistorischen Ausstellung" in Graz vom Jahre 1883 unter Katalog
Nr. 418 ein silberner Pokal aus dem Jahre 1812, unter Nr. 442 und 443
zwei silberne Salzfässer und unter Nr. 503 zwei silberne Leuchter zu sehen.
Er muß sich also emporgearbeitet haben und ein tüchtiger Meister ge-
wesen sein.
In einem Berichte des Landmünzprobieramtes vom Jahre 1794 wird
mitgeteilt, daß der Gürtlermeister Jakob Jurmann in Pettau silberne, bis
ylötige, gesetzwidrig mit Messing legierte Knöpfe und Gürtel erzeuge, und
im Jahre 1823 wird der dortige bürgerliche Silberarbeiter Johann Khun
in die Grazer Innung aufgenommen, dessen Meisterzeichen sich auf der
schon oft genannten Tafel des Punzierungsamtes Graz aus dem Jahre 1828
befindet.
In dem rührigen Städtchen Radkersburg existierten um das Jahr 1673
die bürgerlichen Goldschmiede Georg Progl und Johann Jakob Purgkhardt
und am z. Mai 1802 heiratete in Graz Anton Adam Zimmer, bürgerlicher
Silberarbeiter in Radkersburg. Er war der Sohn eines Bürgers zu Gerstorf
in Unterösterreich" und haben wir von ihm das Meisterzeichen. Am
6. Jänner 1830 wurde auf seine Gerechtsame der Silberarbeiter Franz
Mattiovsky aufgenommen, dessen Meisterzeichen sich auf der Tafel des
Grazer Punzierungsamtes vom Jahre 1828 befindet.
Von der Stadt Rottenmann erfahren wir aus Pater Jakob Wichners oft
zitiertem Buche Kloster Admont und seine Beziehungen zur Kunst", daß
der dortige Gürtlermeister Ignaz Gottlieb Priß im Jahre 1771 für das Kloster
eine Monstranz um 100 B. geliefert hat.
Über das Städtchen Voitsberg berichtet das Marburger Kreisamt im
Jahre 1781, daß sich dort durch mehrere Jahre der Goldschmied Johann
Zwickhl aufgehalten habe.
Endlich im Markte Wildon bei Graz befand sich im Jahre 1781 der
bürgerliche Silberarbeiter Matthias Strohrigelle Stroridl. Er wurde im
folgenden Jahre inkorporiert und war noch im Jahre 1794 dort tätig. Sein
Sohn Franz war ebenfalls dort bürgerlicher Silberarbeiter. Im Jahre 1823
wurde der Wildoner Goldschmied Markus Trost in die Grazer Innung auf-
genommen.
Hiermit schließen wir die Mitteilungen über die steirischen Landgold-
schmiede und es verbleibt uns jetzt noch die Besprechung der altsteiri-
schen Goldschmiede- und Bruderschaftsordnungen, der älteren Punzierungs-
vorschriften und der im steirischen Landesarchiv liegenden Innungsvor-
Schriften.
Obwohl wir schon im XII. Jahrhundert Goldschmiede in Steiermark vor-
finden, sind uns doch bis zum Jahre 1571 keine Nachrichten über bei ihnen
bestandene Handwerksvorschriften erhalten geblieben. Jedenfalls haben sich
aber in Graz, wo schon in der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts mehrere
Goldschmiede zu gleicher Zeit tätig waren, frühzeitig Handwerksgebräuche
eingebürgert, die von allen Meistern anerkannt wurden und zu einem losen
Zusammenschluß der I-Iandwerksgenossen geführt haben. Da die alten Grazer
Ratsprotokolle verlorengegangen sind, können nur aus den Gebräuchen
naheliegender Städte Schlüsse über die diesbezüglichen Gewohnheiten in
Graz gezogen werden. Wie
überall verlangten höchst-
wahrscheinlich auch in Steier-
mark die Stadt- und Marktge-
meindevertretungen von den
Goldschmieden, ehe sie selb-
ständig ihr Handwerk üben
durften und des Schutzes der
Gemeinde teilhaftig wurden,
die Nachweisung der ehr-
lichen" Geburt durch einen
Geburtsbrief, ferner die Vor-
lage des Lehrbriefes und eine
te Kundschaft über das
frühere Wohlverhalten". Erst
nach sorgfältiger Prüfung die-
ser Dokumente vom Rate der
Stadt oder des Marktes wurde
dem Meister die Ausübung des
Handwerkes erlaubt und er als
Burger" in den Gemeinde-
verband aufgenommen. Aus
der Vorrede zur steirischen
Goldschmiedeordnung vom
Iahre 1592" erfahren wir, daß die Grazer Goldschmiede ihre von ihnen
selbst zusammengestellte, höchstwahrscheinlich erste Handwerksordnung
am 2. Juni 1571 vom damals in Steiermark regierenden Erzherzog Karl
von Österreich bestätigt erhalten haben. In dieser Vorrede heißt es Ob
wol die in Gott ruehende Fürstl. Durchl. Ertzhertzog Carl zu Österreich etc.
Unser geliebter Herr Vetter seligister Gedächtnuß, N. den Goldtschmiden in
diser Hauptstatt Grätz, ihr damals fürgebrachte I-Iandtwercks Ordnung, noch
den andern Tag Junij deß Ain und sibentzigisten Jars gnädigist Coniirmiert
und bestätt, So ist doch nachmalen befunden worden, daß derselben nit
allein in viel weg nachtheilig und schädlich zu wider gehandelt, Sonder auch
die Goldtschmidtwerch in disen Landen aul-"f kain Prob gearbait worden,
Also daß höchsternendte Ihr Fürst. Durchl. hochlöblicher Gedächtnuß zu
dises Ubels und Unordnung, gäntzlichen ab und einstellung, unnd damit zu-
gleich die alt Ordnung in ein bessern Standt gebracht werden möchte, sich
einer newen unnd solchen Goldtschmidt Ordnung, Inmassen dieselb hernach
geschriben stehet, bestendiglich entschlossen, solche auch volkommen
auffrichten und publiciern zu lassen, verordnet. Weillen aber under dessen,
unnd ehender die Sachen zur vollstendigen Richtigkeit und der ordenlichen
"Deß Henzogthumbs Steyr Goldlschmidt Ordnung. Gedruckt zu Grätz in Sxeyr, bey Georg Widmun-
stetter. Anno MDXCIII." In Originaldruck im Grazer Statthxltereiarchiv liegend.
Abb. 5. A. Rnbitsch, Zuckerständer Gräfin Max Wickenburg in
Wien
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Publication gelangt, der Allmächtige Gott ob höchstgedachte Ihr Fürstl.
Durchl. auß diesem zergengklichen Leben abgefordert, Also daß dises laidigen
Todfalls wegen, berührte Ordnung in ihr endtliche Würckung nicht gebracht
worden, und dann solch Nutz und löblichs Werckh, zumal, daß durch
gedachte Ordnung unnd Gesatz derselben Handtwercks Ehre, Nutz und
Frummen befürdert unnd allerlay Verforthailung, Betrug und gefär darunter
verhüt und abgeschnitten werden, nit steckendt verbleibe, Sonder der not-
turfft und billichait nach befürdert werde. So haben wir als Gubernator diser
N. O. Fiirstenthumm und Lande, mit wolbedachtem Muet, guetem zeyttigem
Rath und Rechter wissen, die angezogen Ordnung auch guet gehaissen, und
solche hiemit Coniirmiert und bestättigt."
Daraus ist zu ersehen, daß die nicht aufiindbare erste Goldschmiede-
ordnung sich sehr bald als unbrauchbar erwiesen hatte und schon nach
19 Jahren, im Jahre 1590, durch eine neue Ordnung ersetzt werden sollte.
Infolge des in diesem Jahre eingetretenen Todes Erzherzog Karls konnte
aber ihre Publikation erst unter Erzherzog Ernst am 18. September 1592
stattfinden. Sie besteht aus zwei Teilen; der erste Teil mit I9 Absätzen
handelt vom Meisterstücke, den Rechten und Pflichten der Meister, Gesellen
und Lehrjungen, von den Störern und den Instanzen bei Streitigkeiten. Der
zweite Teil mit 28 Absätzen hat die Überschrift Von der Prob" und enthält
die Vorschriften über die Feine des Silbers und Goldes, die Beschau, die
Bezeichnung der Waren mit dem Meister- und Beschauzeichen, den Kauf-
satz, Macherlohn und andere einschlägige Bestimmungen.
Der erste Absatz des ersten Teiles heißt So ein frembder Gesell gen
Grätz kommt, und will Maister werden, soll er nicht ehe zum Maister
gemacht, Er arbait dann zuvor drey Jahr nach einander bey ainem oder
zwayen Maistern, Als dann so er mit Lehr unnd Geburtsbrieff versehen,
unnd dieselben den Maistern allhie fürgetragen, soll er sein Maisterstuck,
Als nämlich ein Sigill mit Schildt und I-Ielbm, Ain gulden Ring, dareyn ein
Diamant oder ander Edlgestein versetzt unnd ein Khelch machen und den
Maistern fürbringen, werden sie als dann guet und gerecht befunden, so soll
er zu ainem Maister unnd Burger angenommen werden, Wo nit, so mag er
wandern und besser lehrnen."
Zur Abstellung von vorgekommenen Übelständen diente der zweite
Absatz Und solle hiebey die etwo bey den Maistern allhie fürgeloffne
schädtliche Unordnung und Beneydung, in dem sie die Gesellen, so in ihrer
Arbait sich künstlich und wol erzaigt, nit gedulden, uü vor endung der
gesetzten Zeit geurlaubt, niilehr gestattet werden, Sonder sie Maister sollen
solche Redliche wolkhundige Gesellen, ihr zeit völlig erströcken unnd also
nach wolgemachten Maisterstucken, unverhindert zu der Maisterschatft
khumen zu lassen schuldig und verbunden sein."
Weiters wurde angeordnet, daß fremde von andern Orten gehn Grätz"
kommende Meister den im ersten Absatz enthaltenen Bestimmungen unter-
worfen waren. Hatte ein Geselle in Graz sein Handwerk erlernt und war
darnach gewandertä so brauchte er nach der Rückkehr nach Graz nur
zwei Jahre bei einem Meister arbeiten, um Meister werden zu können. Lehr-
jungen mußten wenigstens fünf Jahre, Meisterssöhne brauchten aber nur
vier Jahre zu lernen. Für den Lehrbrief hatte der Lehrjunge Pfund Pfenning
ainem Ersamen Handtwerck in die Püchsen zu geben". Eines hieigen
Maisters Sohn" hatte, bevor er zum Meister angenommen wurde, Pfund, ein
anderer aber Pfund Pfenninge in die Handwerkslade zu erlegen. Außerdem
bekam der Meister, bei dem das Meisterstück gemacht wurde, Pfund Pfen-
ninge Stuhlgeld. Zur Ausführung der aufgegebenen Meisterstücke hatte jeder
Bewerber drei oder lengist vier Monat, und kain Tag darüber" Zeit. Ein
unverheirateter Meister mußte sich verbürgen, das nächst Jahr hernach, als
er Maister worden ist, ain Ehewirthin zu nemen". Meisterswitwen durften,
so lange sie unverheiratet blieben, mit ihren Gesellen das Handwerk weiter
betreiben. Bezüglich der Sigill oder Pettschaftsschneider" bestimmte ein
eigener Absatz folgendes Es soll auch khainem außer dern, so Lanndts-
rürstliche Freyhayten haben ainiches Sigill oder Pettschaft allhie zu graben
gestatt werden, als denen hieigen Maistern oder ihren Gesellen, mit der
Maister Bevelch unnd Gehaiß, von wegen verhuetung aller Nachtl, Schadens
unnd Unraths, so hierauß entstehen möcht, Doch auch in solcher beschaiden-
hait, daß es Erbarlich in rechter weise und unargwönlich gefrümbt und
gemacht werde." Bezüglich der Störer finden wir die Anordnung Es soll
khain Maister ainichen Gesellen befürdern, der zuvor bey ainem Störer,
Uhrmacher, Püchsenschüffter, oder der gleichen Handtwerch gearbait hat."
Deßgleichen soll khain Störer, inner oder außer der Statt alhie, als weit
sich derselben Burckfridt, auch das Fürstlich Landtgericht erstreckht, zu
nachtl der Maister, unnd Abbruch ihrer Nahrung, zu arbaytten gestattet
werden. Finden sie die Maister aber, ainen, der solches thäte, Als dann
sollen sie-ihms ain oder zwaymal undtersagen, Thuet ers dannoch darüber,
So mögen sie ihn, wo er anzutreffen, durch den Lanndtrichter, oder Gerichts
Diener auffheben, unnd dem Stattgericht in die Straff überantworten, Allda
er ehe nit auß gelassen werden soll, er hab sich dann vor mit dem Handt-
werck verglichen und verbürgt." Bei Streitigkeiten unter Meistern und
zwischen Meistern und Gesellen hatten zuerst die zwei ältesten Meister die
Pflicht, den Streit in Güte beizulegen; gelang dies nicht, so war der Streit-
fall für den Burgermaister, Richter und Rath der Statt Grätz" zu bringen.
Nach deren Entscheidung konnte der beschwärte thail" noch an die nieder-
österreichische Regierung appellieren. Zum Schlusse heißt es, daß auch in
allen andern Stätten und Märckhten diser Goldtschmidt Ordnung und Prob
in allweg gehorsarnlich nachgelebt" werden soll.
Der erste Absatz vom zweiten Teil lautet Erstlich die Silberprob an-
langendt, Ordnen und setzen wir, daß allerlay gemachte Goldtschmidt
Arbait, khlain und groß, es sey auff den khauff oder gefrimbt, in der Stadt
Grätz, dann auch allenthalben im gantzen Landt Steyr, das Corpus, und
nemblich die Marckh auff viertzehen Loth steen. Wo aber vil Letwerch
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am Seckhen, Hülsen, und Klaidung darzue khumbt, solle das Silbergeschmeid
in verschmeltzung uberzier oder verklaidung, der gantzen völlig auß-
gemachten Arbeit, die Marck auff dreizehen und ein halbes Loth steen, und
fürs remedium passiert werden, darunder aber, oder weniger, solle die
Marckh nit halten."
Der zweite Absatz, die Goldgeräte betreffend, setzt fest Alle Goldt-
arbeit aber, solle guet Goldt sein unnd von zwaintzig auf drey und zwaintzig
Corat, nach dem halt, auch nach undterschid deß Goldts besteen, darundter
aber nit zuegelassen werden." Im folgenden Absatz wird bezüglich der
Beschau und Stempelung der Silber- und Goldwaren anbefohlen So ordnen
wir allda zue Grätz hierzue zu Beschawern, den Burgermaister, den Müntz-
maister oder den Wardein, unnd dann zween deß Goldtschmidt I-Iandtwerchs
geschworne wolerfahrne Maister, wie die durch die von Grätz und das
Handtwerch für tauglich erkhüest; denen soll alle und jede gemachte Arbait
jederzeit fürgebracht werden, und sie Beschawer, so dann solche Arbait zu
besichtigen und die Prob nach dem strich und stich fürzu nemen schuldig
sein, und wo sie es recht befunden, als dann desselben Maister, so es gemacht,
und gemainer Statt Zaichen darauff geschlagen werden."
Aus verschiedenen Akten des Grazer Statthaltereiarchivs können wir
aber entnehmen, daß dieser Absatz nie völlig zur Durchführung gekommen
ist. Die Goldwaren dürften überhaupt nicht und die Silberwaren nur selten
beschaut und gestempelt worden sein. Die Herren Goldschmiede haben sich
weder um den Bürgermeister noch um das Münzamt viel gekümmert und
haben die Beschau den beiden Vorgehern Vorstehern, Zöchmeistern über-
lassen, die sehr nachsichtig gewesen sein müssen, weshalb auch die bis in
die zweite Hälfte des XVII. Jahrhunderts reichenden Gold- und Silberwaren
nie mit einem Meister- oder Beschauzeichen versehen vorzufinden sind.
Nach dem fünften Absatz hatten die Beschauer und sonderlich der
Müntzmaister oder Wardein" des Grazer Münzamtes für ganz Steiermark
die Gewalt", in die Goldtschmidts Laden oder andere Khräm, da Goldt
oder Silber-Arbait fail gehalten wirdt, es sey inn oder außer der Jahrmärckt
unversehens zu kommen" und alle Gegenstände zu besichtigen, bestechen
und Streißhen, und wo ein merckhlicher Fäll befunden, für die andern
Beschawer" zu bringen. Solche schlechte verfelschte Arbait" sollte dann in
die Landtsfürstlich Camer zu I-Ianden deß Lanndts Vitzdombs verfallen
sein".
Im neunten und elften Absatz finden wir die wichtige Bestimmung, daß
frembde" Arbeiten von Gold und Silber nur zu den ordenlichen freyen
jahrmärckthen" eingeführt und feilgeboten werden durften. Diese Waren
mußten aber früher beschaut und probiert und dasjenige, was die ge-
breuchig Prob deß Orts, darauff das Zaichen deß Silbers oder Goldts
gestellt ist, halten thuet, für guet passiert, welches aber ungerecht und der
selben Prob nicht gemaß befunden, contisciert und in die Camer zue Handen
des Landts Vitzdombs verfallen sein".
Andere bemerkenswerte Anordnungen waren, daß das Goldschmied-
gewerbe nur in öffentlichen Gäden oder Laden, an offenen Straßen und in
khain verborgnen Gemach" ausgeübt werden durfte und daß die Hofgold-
schmiede bloß allein für die Hofarbeit", nicht aber für Arbeiten, die sie für
andere Leute anfertigten, vom Gehorsamb diser gemainen Goldtschmidt-
Ordnung und Prob" befreit waren. Auch diese Bestimmung ist nie eingehalten
worden, weshalb die bürgerlichen Goldschmiede nach Auflassung des Grazer
Hofes die Beseitigung der Hofgoldschmiede
verlangten.
Interessant dürften für viele auch die
Bestimmungen über den Kaufsatz" und den
Macherlohn" derGoldschmiedearbeiten sein,
weshalb sie hier angeführt werden sollen.
Der Kaufsatz für besichtigte, geprobte
und bezeichnete Silberwaren war pro Mark
für innen und außen verguldte und getriebne
schöne Arbait zwaintzig Gulden", für glatte
gröbere und schwere gantz verguldte Arbait,
darauff weniger Goldt und müehe gehet,
achtzehn Gulden", für unverguldte weiße
Arbait aber, was zur Zier gemacht, und zum
thail vergult wirdt, sechzehn Gulden" und
bei der. gröbern weißen Arbait dreyzehen
Gulden Reynisch" festgesetzt. Für das ver-
gulden in der gefrimbten Arbait" konnte,
wann die Arbait dick, schwär und gladt,
auffs maist" zwei Dukaten, da aber die
Arbait gar dinn und krauß getrieben und er-
hebt" ist, so mögen drey Ducaten und nit
mehr" zugelassen werden. Der Macherlohn
für gantz gulden Arbait" war nach dem biß- Abb Heinrich Km am, Kelch am
her erhaltenen Gebrauch" bei zehn Dukaten protestantische Kirche in Graz
Gewicht mit einem Gulden festgesetzt,
doch, wo ein Goldtarbait von Khetten oder andern, so künstlich, subtil und
müesamb gemacht, daß man ein mehrers kan verdienen", soll die billiche
entschaidung bey den geordneten Beschawern" stehen. Für gelötete Gold-
arbeit mußte zum Schlagglett, Reynisch Goldt, als welches sein gewissen
Zuesatz von Silber und Kupffer ha in ein gebürliche maß" verwendet
werden. Französische drat Arbait" war, weil vast so viel Schlagglett als
Werckgoldt, und offt der fünfit, sechst oder zehendt thail schmeltz Glaß
khumbt, bei Verlust desselbigen, gäntzlich verbotten". Der Macherlohn für
Silberarbeiten war in gemain von glatter Arbait, als Schüsseln, Täller,
Pecken, und großen Khannlln auff zehen Kreutzer, von gezierter gestochner
und getriebner Arbait aber, das Loth auff zwölf Kreutzer gestellt".
Diese nur in jenen Punkten und Fällen, wo es den Goldschmieden be-
liebte, rigoros eingehaltene, in manchen Teilen noch heute gültige Gold-
schmiedeordnung verblieb bis auf einige dem fortschreitenden Zeitgeist ent-
sprechende Abänderungen bis zum Jahre 1774 in Kraft und hat den Bedürf-
nissen ganz gut entsprochen. Am 5. Juli 1651 petitionierten die Grazer
Goldschmiede um die Bewilligung der 13lötigen Augsburger, an Stelle der
üblichen 14lötigen Wiener Silberprobe, was schon im ersten Teil dieser
Abhandlung ausführlich mitgeteilt worden ist. Da aber mit dieser vom Kaiser
am m. April 1652 bewilligten Bitte die Anordnung verbunden war, daß
neben den zwei Zechmeistern auch der Münzwardein die Probe auf den
Feingehalt vorzunehmen und das Aufschlagen des Stadtzeichens im Beisein
eines Grazer Ratsherrn stattzufinden habe, lehnten die Grazer Goldschmiede
die ganze kaiserliche Resolution ab und arbeiteten im x4lötigen Silber
weiter. Kaiser Leopold I. bestätigte einige Jahre danach, am 23. Juli 1660,
die alte Ordnung, befahl aber am 9. August 1662 einen Neudruck der Grazer
Goldschmiedeordnung", der die Resolution vom m. April 1652 berücksich-
tigte. Die Silberprob anlangend" wird für ganz Steiermark der I3lötige Fein-
gehalt und für Goldarbeiten die Feine von 16 bis 18 Karat, darunter aber
nicht", zugelassen. In Graz werden zu Beschauern der Münzwardein und
ein von dem Statt Magistrat hierzu deputirter Commissari und dann die
zween Zechmaister, da aber ihre Arbeit eine zu probiren ist, sodann andere
zween Maister" bestimmt. Die Freybrieffler, Landschaft- und Vestung-
Goldschmiede" wurden verpiiichtet, nach der Grätzerischen Prob und
Ordnung" zu arbeiten. Was aber von denen Silberhändlern und andern
in Augsburger oder Wiener Prob anhero gebracht wurde, sollte dieser Be-
schau und Prob keinesweegs unterworffen seyn."
Im übrigen ist an der alten Ordnung nichts von Belang verändert worden.
Nach einem im Grazer Statthaltereiarchiv liegenden Berichte vom I4. März
I664 ließen aber die Goldschmiede ihre Freiheiten bei der Regierung liegen
in dem Glauben, daß sie dann ihnen nicht nachleben dürften". Am 7. Dezember
x667 brachten sie dann ein zehn Seiten langes Anliegen und Bitten gegen die
Resolution vom 10. April 1652" vor die Hofkammer, nachdem, wie sie sagten,
schon mehrere Eingaben ohne Erledigung geblieben waren. Sie erklärten
die neuen Bestimmungen über die Beschau für unannehmbar, weil man den
Wardein, der mit Hofarbeiten beladen war, nicht immer gelegen käme und er
auch umsonst keine Probe machen würde. Ferner weil die zwei Zechmeister
nach der Wardeinsprobe das allhiesige Stadtzeichen im Beisein eines Grazer
Ratsherrn aufschlagen sollten; kein Ratsherr aber zu "solchem mühsamen
Werk umsonsten sich gebrauchen lassen und ihn niemand dafür recompen-
sieren würde, er auch bei der zimlich großen Anzahl von Goldschmieden,
die jede Woche mehrere Arbeiten machten, täglich behölligt und in den
Goldschmiedladen und Werkstätten herum geführt werden müßte und man
Deß l-Ienzogthumbs Steyer Goldscbmidt-Ordnung. Gedruckt in der fdrszlichen Haupt-Statt Grätz bei
Frantz Widmanstetter im Jahr Christi 165." In Originaldruck im Grazer Slanhaltereiarchiv liegend.
daher oft die Zöchmeister und
den Wardein, anderseits die Zöch-
meister und den Comrnissär der
Stadt nicht zusammen bringen
könnte". Diesen plausiblen Ein-
wendungen war die Regierung
zugänglich und der Kaiser bewil-
ligte mit Resolution vom 21. Juli
1668 die Bitten der Goldschmiede,
befahl aber eine strenge Einhal-
tung der Beschau und der Probe
durch die Zechmeister und das
Aufschlagen des Meister- und
Stadtzeichens auf alle probhälti-
gen Silberwaren, woran sich von
dieser Zeit an die Goldschmiede
auch zu ihrem Vorteil genauer
gehalten haben." Die Freibriefler
In bezug auf Wien seien folgende An-
merkungen gestattet. Von der l-Iofkammer in
Wien wurde der Münzmeister Faber mit Dekret
vom a6. August 1657, da von den gesamten,
des heiligen römischen Reichs Ständen zu Re-
gensburg versammelten Botschaftern und Ge-
sandten in occasione der daselbst abgehandelten
neuen Münzordnung zu guter Observanz der-
selben unter anderen cautelis auch diensam ge-
schlossen wurde, die Goldschmied und Silber-
arbeiter im Reich dahin anzuhalten, das Silber
rglötig und das Gold auf 1B carat auszuar-
beiten",beauf'tragt, die Gold-und Silberschmigdg Abb. 7. Heinrich Kies sen., Kanne alte protestantische Kirche
in Wien hierüber zu vernemben, ob solche vom in Graz
Reich geschlossene rglötige Verarbeitung des
Silbers auch in Wien mit Nutzen des gemainen sowol als des Privatwesens einzuführen wäre". Über den
Erfolg dieser Aktion ist nichts bekannt. Erst Kaiser Karl VI. hat mit Patent vorn 23. Dezember 1737 und
Patent vom a8. September 1743 für Nieder- und Oberösterreich die bishero üblich gewesene r4lötige Wiener
Probe gänzlich aufgehoben und anulliert und anstatt derselben die 15lötige Probe eingeführt", während die
Ijlütige Silberprobe bis auf weiteres annoch gestattet" wurde. Gleichzeitig wurde der Goldpunzen eingeführt.
Siebe Codex austriatus", Band IV. Es war also in Wien durch eine längere Zeit gleichzeitig die 13- und
14lötige Silherprobe in Anwendung. Interessant ist auch ein Gutachten des Wiener Münzamtes vom g. juli 1732,
in dern folgende Angaben gemacht werden In Wien befinden sich um diese Zeit 11x bürgerliche Gold und
Silberarbeiter ohne den auf den Freigründen hin und wieder sitzenden Patentlern oder Schutz-Dekretisten, welche
in der Zahl, wo nicht rnehrers, doch gewiß eben so viel ausmachen werden. Item ohne denen Posatnentierern,
Goldpletlern, Drahtziehern und Juwelieren, auch was sich dann weiters an Goldschmieden außer Lands, in
Städten und Märkten aufhalten thuet." Die Silberschmiede verbrauchten zu dieser Zeit jährlich ein Quantum
von 20.000 Mark, die Posamentierer, Drahtzieher und besonders die neue Fabrik auch 10.000 Mark, zusammen
3o.ooo Mark Feinsilber.
Über Krain sind folgende interessante Angaben zu machen. Am ro. März 1497 Innsbruck bestätigte König
Max I. den Maistern der Schmidt, Schlosser, Goldschmidt und Messrer, so in dem Burkhfridt unser Statt Crain-
hurg sitzen, die ihm vorgelegte, vollständig inserierte gernaine Ordnung und Bruderschaft, so sie Gott dem All-
mächtigen und dem St. Eligius und St. Rochus zu Lob und Ehr und gemeinem Handwerk zu Nutz fürgenomben
haben". Siehe "Jahrbuch der kunsthistotischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses", Band 1887,
Reg. 448g. Am 7. Juli 57x Graz bestätigt Erzherzog Karl von Steiermark diese Ordnung wieder. Siehe Reg. 4543.
In bezug auf Laibach können nachfolgende Mitteilungen gemacht werden Laut Ratsprotokoll vorn
18. juni 1660 Fol. 121 berichten die gesammten Gold- und Silberarbeiter alda, daß sie entschlossen seien, eine
Hofgoldschmiede waren den bürgerlichen Goldschmieden wegen ihrer
Freiheiten immer ein Dorn im Auge, weshalb sie nach Auflassung des
Grazer Hofes im Jahre 1619 ihre Beseitigung mit großer Beharrlichkeit
betrieben. Wiederholt abgewiesen, gelangten sie, vom Grazer Magistrat
kräftig unterstützt, endlich durch die Resolution vom 21. März 1667 an ihr
gewünschtes Ziel.
Der Kaiser befahl, daß man inskünftig entweder gar nicht oder doch
nur in der höchsten Nof und wo etwan gar sonderbare Ursachen vorhanden
sein möchten, zu Erteilung dergleichen Hoffreiheiten einraten, sondern viel-
mehr dahin sehen solle, daß dergleichen Personen unter die bürgerlichen
Zöchen aufgenommen werden".
In der Bruderschaftsordnung vom Jahre 1774 wird auf die nicht mehr
zeitgemäße Bruderschaftsordnung vom 18. September 1692 hingewiesen,
die aber nirgends aufzufinden ist. Vielleicht ist hier ein Druckfehler unter-
laufen und soll es 1592 heißen. Da aber um das Jahr 1692 das Meister- und
das Lehrjungenbuch der Grazer Innung beginnen, so ist es doch wahrschein-
lich, daß um diese Zeit Neueinführungen in die alte Goldschmiedeordnung
stattgefunden haben, die aber nicht von größerer Bedeutung gewesen sein
können. Der schon im zweiten Teil dieser Abhandlung besprochene Streit
der bürgerlichen Handwerke mit den handwerktreibenden Schloßberg-
soldaten war für die Goldschmiede mit der von den Soldaten nicht ein-
gehaltenen kaiserlichen Resolution vom 28. Februar 1703 noch nicht be-
endet; davon zeugen die schon früher erwähnten Eintragungen im Meister-
stück- und im Lehrjungenbuche vom Jahre 1707. Über den Ausgang dieses
Streites sind keine Aufzeichnungen vorgefunden worden.
Am 6. Oktober 1717 fand durch Kaiser Karl VI. wieder eine Konfirmation
und Bestätigung der steirischen Goldschmiedeordnung vom Jahre 1592 statt,
wobei auch nichts von der Bruderschaftsordnung vom Jahre 1692 erwähnt
wurde.
Am 2. April 1718 berichtete der Grazer Münzmeister Paul Anton Julj
an die I-Iofkammer, daß er anbefohlenermaßen den Probpunzen für 13lötiges
Ordnung aufzurichten und bitten um Bewilligung des Consenses des Magistrats, dieselbe wergstellig zu
machen". Diese Eingabe wurde vom Magistrat bewilligt, jedoch mit der Bedingung, daß sie solche Ordnung
ad revidendum und folgender magistratlicher ratilieation beibringen sollen".
Unter dem 13. August 1660 Fol. 15311 bitten dann die Goldschmiede, die jüngsthin eingelegte Ordnung
bei einem ehrsamen Magistrat" zu revidieren. Hierauf wurden vom Magistrat sechs Ratsmitglieder beauftragt,
die eingelegte Ordnung punctatum zu revidieren, was tauglich gut zu sprechen, was aber darein nicht gehören
will, auszustellen und dem Magistrat zur ferneren Bescheidung der Parteien eine Relation darüber zu erstatten".
Im Majestalbuche des Grazer Statthaltereiarcbivs beündet sich die Eintragung, daß den Goldschmieden zu
Laibach am 6. Dezember 1721 die Privilegien konflrmiert worden sind.
Über Kärnten, respektive Klagenfurt sind keine diesbezüglichen Aufzeichnungen vorgefunden worden.
Die gedruckte kaiserliche Resolution, Graz 7. November 1714, erklärt Da in Unserrn l-Ienzogthumb
Kärndten und Crain grosse und höchst schädliche Unrichtigkeiten und Betrug durch die in dem Land daselbst
sich befindende Goldschmid in ihren Silber und Gold Arbeithen eine Zeithero zu grossen Schaden der Partheyen
quo ad valorem in trinsecum gepdogen worden und noch dato darmit fortgefahren werde." Als haben Wllr zu
Abhelffung alles kllnHtigen Betrugs eine ordentliche Prob in beyden besagten Unsem Ländern zu stabilieren
und folgendts anzuordnen daß der Prob-Puntzen jeder dergleichen Gold und Silberarbeit Unsern in dem Landt
bestellten Landts-Vicedornben eingehändigt" und von demselben solcher denen Zöch und Principal Maistern
zugestellt" werde. Am 13. Jänner 1717 ist diese Resolution neuerdings publiziert worden.
uuuv. unaus-
anfertigen las-
sen. Die Herren
Zöchmeister
hätten densel-
ben aber, weil
ihnen solcher
Eggstein nicht
in den Cramm
taugt",nicht ab-
holen lassen.
Wahrscheinlich
ist damals, um
eine genauere
Kontrolle mög-
lich zu machen,
das bis dahin
ohnejahreszahl
übliche Grazer
Beschauzeichen
daserstemalmit
der Jahreszahl
versehen wor-
den, was den
Goldschmieden
nicht gefallen
haben muß.
Dann berichtet
er; Es kämen Abb. Heinrich Kies sen., Rauchfaß Abtei Rein
viele Parteien
ins Münzamt und glauben ein 11-13 lötiges Silber zur Einlösung zu
bringen, bei der Probe ergebe sich aber, daß es nur ö-Iolötig sei. Das
komme davon, weil das Silber oft mit Messing und weißem Kupfer legiert
und kein Probpunzen aufgeschlagen sei."
Hierauf wird dem Münzmeister aufgetragen, alle zwei Jahre einen
neuen Probpunzen anfertigen zu lassen und den alten wiederum zurück zu
begehren, wie solches in den vornehmen Reichsstädten praktiziert werde".
Außerdem wird den Goldschmieden bei dergleichen Betrügereien und Ver-
fälschungen" mit derEntziehung der Meisterschaft, derVerstoßung vom Hand-
werk, sowie noch mit anderen empfindlichen Demonstrationen" gedroht.
Am 20. September 1718 wird von der Grazer Hofkammer nach Wien
berichtet, daß die vier Probpunzen, und zwar je einer für Steiermark,
Kärnten, Krain und Friaul, angefertigt worden seien und von den Gold-
schmieden beim allhiesigeiW Münzamt bezogen werden können.
In einem anderen Berichte vom 26. August 1719 heißt es An neben-
schließige Punzen, so uns von dem hiesigen Münzmeister überreicht
worden, haben Ew. Majestät wir gehorsamst übergeben sollen, bittend, weil
seit geraumer Zeit her kein einziger Goldschmied wegen sothaner Punzen
sich beim Münzamt angemeldet hat, die Noth es aber erfordert, daß diese
mit dergleichen versehen werden, Ew. Majestät möchten geruhen, von
solchen Punzen einen dem Magistrat zu Klagenfurt, den andern dem
Lands-Vicedomb in Crain und den dritten dem allhiesigen Grazer Magistrat
zustellen zu lassen, daß solche besagten Orten den bürgerlichen Gold-
schmieden eingehändigt werden mit dem Befehl, daß sie Goldschmid kein
anderen als diesen neuen Punzen hinfür bei schwerer Straf und Confiscierung
des Silbers brauchen sollen."
Zehn Jahre später, am 6. April 172g, finden wir in einem münzamtlichen
Berichte folgende Stellen Die zu große Zahl der Goldschmiede sollte von
13 bis auf fünf oder gar vier reduziert werden, weil unter obiger Zahl kaum
vier sich ehrlich ernähren können." Außerdem wurde geklagt, daß sich die
Feine des Silbers besonders wegen der Weißkupferlegierung durch den
Strich nie ordentlich erkennen lasse.
Die letzte Konfirmation und Bestätigung der Grazer Goldschmiede-
ordnung vom Jahre 1592 fand am 5. Mai 1745 statt, wobei entsprechend dem
Wunsche der Goldschmiede die bisherige Zahl deren 12 Meistern künftig-
hin durch deren Absterben auf 10 herabgesetzt wurde". Bei Neubesetzungen
sollten die Söhne von Grazer Meistern das Vorrecht vor Fremden erhalten.
Am 30. Oktober 174g befahl Kaiserin Maria Theresia der Grazer Hof-
kammer, daß eine Consignation deren allhier herum häufig befindlichen
Pfuschern und Störem zu dero teils gänzlichen Abschaffung, teils Moderierung
in gewisse Maaß" einzureichen sei. Jede Zunft hatte ihre diesbezüglichen
Beschwerden selbst vorzubringen und eine Konsignation der wissentlichen
Störer und Frötter beizulegen und um deren Abstellung zu bitten. Die
reinigende Wirkung dieser Aktion ist schon im zweiten Teil dieser Ab-
handlung besprochen worden. Die in der Bruderschaftsordnung der Gold-
schmiede vom Jahre 1774, II. Teil, Punkt angezogene Resolution vom
15. Dezember 1766 über die Galanteriearbeiter ist ebenfalls nirgends, auch
in den Wiener Archiven nicht aufzufinden gewesen. Sie dürfte der Resolution
für Wien siehe Codex austriacus", Seite 721 vom 5. Jänner 1753 ent-
sprechen, nach der die bürgerlichen Gold- und Silberarbeiter mit den Galan-
teriearbeitern eine Union" eingingen und die letzten als Meisterstück anstatt
eines getriebenen Kelches einen ganz glatten und so gering als sie immer
wollen, mithin ebenfalls einen von Composition, auch mit Fassung von
falschen Steinen" vorweisen durften.
Nun kommen wir zur Neuen Bruderschaftsordnung für die Burger-
lichen Gold- Silber- und Galanteriearbeiter" für Steiermark vom 3. August
1774. Den Zentralisationsbestrebungen dieser Zeit entsprechend, stimmt sie
schon bis auf geringe Abweichungen mit der für Wien vom 27. des Wein-
monats 1773" überein. Sie ist in zwei Teile abgeteilt, wovon der erste Teil
die Bestimmungen enthält, bei denen das k. k. Innerösterreichische Guber-
nium die erste Instanz bildete, während für die Anordnungen des zweiten
Teiles das Grazer Münzamt die erste Instanz war.
Die wichtigsten Abweichungen von der alten Ordnung sind folgende
Erster Teil Alle Lehrjungen ohne Ausnahme mußten Jahre in der Lehre
stehen und beim Aufdingen H. 30 kr. in die Lade erlegen, beim Aufdingen
Meister als Zeugen haben und bei einem Meister allein auslernen". Meisters
Witwen sollten den bei ihres Mannes Absterben in der Lehre hinterlassenen
Lehrjungen zwar beibehalten dürfen, jedoch das letzte halbejahr seiner Lehr-
zeit einem andern Meister zum Auslernen übergeben." Neue Lehrjungen durfte
eine Witwe nicht aufnehmen; ferner durften Lehrlinge zu Hausverrichtungen
nicht mehr verwendet werden. Die Freisprechung derselben hatte bei ver-
sammeltem Mittel in Gegenwart des Commissarii" stattzufinden und betrug
das Freisprechgeld 5., das ebenfalls in die Lade zu erlegen war. Die
üblich gewesenen 10 Jahre der Gültigkeit zum Meisterrecht, wie dann alle
Zeitarbeit wurden abgeschaff Ein neuer Meister hatte 50 H. in die Lade
und dem bei der Aufnahme anwesenden Münzbeamten für seine Mühe die
üblichen H. Douceur zu geben.
Um das Bürger- und Meisterrecht mußte beim k. k. Innerösterreichischen
vGubernium angesucht werden, wozu der Bewerber ein unentgeltliches münz-
amtliches Attestat über seine guten Eigenschaften beizulegen hatte. Dann
mußte er zuförderst eine Probe von seinen Fähigkeiten im Zeichnen und
Possiren" zeigen, die wieder mit einem münzamtlichen Attestat dem Guber-
nium vorzulegen war. Wenn nun diese wohl ausgefallen war, so sollte die
eigentliche Meisterprobe bei einem vom Gubernio mit Zuziehung des Mittels
ernannten Meister, unter der Beschau und Aufsicht zweier anderer Meister
verfertigt werden." Der Silberarbeiter sollte einen getriebenen und ver-
goldeten Kelch oder ein anderes bestelltes und verkäufliches Stück, woran
die Kunst des Gesellen hinlänglich zu sehen war, der Goldarbeitergesell eine
mit guten Steinen besetzte I-laarnadel oder ein anderes verkäufliches und
die Geschicklichkeit genügsam erlweisendes Probstück" verfertigen. Der
Galanteriearbeitergeselle hingegen hatte eine gravierte und ziselierte goldene
Dose, ein Uhrgehäuse oder auch ein anderes einschlägiges Stück herzu-
stellen. Das Meisterstück mußte dem Mittel in Gegenwart des delegierten
Münzbeamten vorgezeigt und dann dem Gubernium samt einem Attestat
übergeben werden. War das Probstück" gut und der Geselle der römisch-
katholischen Kirche angehörig, so mußte er zum Meister angenommen
werden. Durch diese Verfügung wurden die allzu kostbaren und viele Zeit
wegnehmenden Meisterstücke in I-Iinkunft abgeschafft". Zur Ausführung des
Meisterstückes wurde jedem Gesellen sechs Monate Zeit gelassen. Eine
andere Bestimmung lautete Die Gesellen sollen an jedem Werktage um
halb Uhr aufstehen und bis Uhr Abends arbeiten, am Sonnabend aber
um Uhr Feuerabend machen." Die beliebten Blauenmontage" waren
41
auf das schärfste verboten. Der Ordnung halber sollte von den Handlungen
des Mittels ein ordentliches Vormerkbuch gehalten werden und die Jahres-
rechnung war pünktlich alle Jahre dem Gubernium von 1784 an dem Kreis-
amte vorzulegen.
Wenn ein Meister starb, so konnte die Witwe das Gewerbe weiterführen,
jedoch hatte sie sich allezeit des Punzens ihres verstorbenen Mannes zu be-
dienen und dafür zu haften". Ferner wurde die Verfügung getroffen, daß die
in den übrigen Städten des Landes befindlichen Goldschmiede zu Erlangung
mehrerer Sicherheit und Ordnung sich bei dem Grazer Mittel einzuverleiben
lassen und der Grazer Goldschmiedeordnung nachzuleben hatten. Nicht
minder sollten selbe jede Arbeit ihrem Vorgesetzten Bürgermeister oder
Stadtrichter vorbringen und verstreichen, sodann ihme eine Prob heraus-
stechen und der Goldschmied, welcher solche Arbeit gemacht, seinen Namen
sammt dem Stadtzeichen darauf schlagen; den Probpunzen aber sollte jeder-
zeit der Burgermeister oder Stadtrichter in Verwahrung haben." Ferner
sollte jedem incorporierten Mitmeister wider die etwa im Lande sich be-
findenden Stöhrer als auch burgerliche Gürtlermeister, welche sonst der
Goldschmiedsprofession den größten Eingriff machen, vom hiesigen Mittel
aller Schutz geleistet werden".
Aus dem zweiten Teile sind folgende Bestimmungen hervorzuheben.
Die Goldwaren sollten 20 Karat, jedoch mit einem Remedium von Gränen,
mithin mindestens xg Karat 10 Gräne per Mark fein sein, die Silberwaren
durften nur 13- oder 15lötig verarbeitet werden. Hiezu ist zu bemerken, daß
das zokaratige Gold und seine Punzierung sowie das 15lötige Silber wahr-
scheinlich schon mit dem nicht auffindbaren Patente vom 23. September 1743,
das dem Patente für Nieder- und Oberösterreich vom 23. Dezember 1737
entsprechen dürfte, eingeführt worden sind.
Eine andere Anordnung setzte fest, daß vom k. k. Münzamte alle Werk-
Stätten des Jahres hindurch öfters zu visitieren waren, um das unprobmäßige
Silber ohne alle Rücksicht konfiscieren und den Thäter zur gebührenden
Strafe ziehen zu können". Auf das schärfste wurde verboten, den sogenannten
doppelten Namen", das ist, denselben zweimal neben einander" aufzu-
schlagen, weil einer davon, wenn die Arbeit schon sehr abgenützt war, für
ein Probzeichen gehalten werden konnte. Den Gürtlern und Kompositions-
galanteriearbeitem, welchen die Verarbeitung von Gold und Silber nicht
gestattet war, durfte auf ihre Arbeiten bei 20 Taler Strafe der Probpunzen
nicht aufgeschlagen werden.
Ganz neu war die Bestimmung, daß, nachdem den burgerlichenSchwert-
fegern die Seitengewehrgefäße von 13lötigen Silber zu verfertigen und feil zu
halten erlaubt war", der Silberarbeitervorsteher derlei Gefäße und die von
den Uhrgehäusemachern vorgelegten Uhrgehäuse ebenfalls durch die Nadel
auf den Halt zu untersuchen und mit einem eigenen von jenem der Silber-
arbeiter kennbar unterschiedenen Probpunzen zu zeichnen hatte. Ferner sollte
kein Gold- oder Silberarbeiter mit Messing oder weißem Kupfer legieren
dürfen; das Gold war mit Silber und Kupfer und das Silber nur mit rotem
Kupfer zu legieren erlaubt. Ferner wurde festgesetzt, daß am heiligen Eligii-
tage alle drei Jahre die zwei Vorsteher, der eine von den Silber- und der
andere von den Goldarbeitern zu wählen waren, die zugleichrleichenmeister
sein sollten und von welchen dem ersten die zwei Silber- und die Schwert-
fegen, dem zweiten aber die Goldprobpunze anvertraut werden sollte. Die
alten Punzen waren alljährlich im Münzamte von den zwei Zeichenmeistern
gegenneue umzu-
tauschen.
Zu dieserBru-
derschaftsordnung
wurde am 15. No-
vember 1774 das
Patent, dasRegu-
lativum des Gold-
und Silber-Punzen
für das Herzog-
thum Steyermarkt
betreffend", her-
ausgegeben, wel-
ches am Schlusse
des Druckes die
Abbildungen der
gebräuchigen Pun-
zen enthielt.
Die von der
Bruderschaftsord-
nungArtikel an-
befohlene Inkor-
poration der Gold- Abb. g. Heinrich Kies 581., Rauchschiff Abtei Rein
schmiede der übri-
gen Städte des Landes in die Grazer Innung fand nicht den Beifall der Land-
goldschmiede, die sich namentlich gegen die hohe Inkorporationstaxe von
25 H. wehrten und von der Inkorporation gar keinen Nutzen erwarteten.
Sie leisteten daher durch längere Zeit passiven Widerstand gegen diese
Verfügung und erst vom Jahre 1781 an konnte dieselbe allmählich mit Hilfe
der Kreisämter durchgeführt werden.
Das einen modernen Geist atmende Hofdekret vom 10. Mai 1784 hob
bei den Handwerkern die Einschränkung auf eine gewisse Meisterzahl auf
und befahl, jenen Gesellen, welche schon durch mehrere jahre Beweiße
ihres Fleißes und ihrer Geschicklichkeit gegeben hatten, das Meisterrecht
ohne Unterschied, ob sie Fremde oder Ausländer waren und ohne Vorzug für
Meistersöhne oder jene, die Meistertöchter heirateten, nicht zu erschweren".
Gleichzeitig wurde den Magistraten der I-Iaupt- und kleineren landesfürst-
lichen Städte die Aufnehmung der Handwerker überlassen." Eine andere
Neueinführung befahl am 18. Dezember desselben Jahres Fretter, Pfuscher
und Stöhrer, wenn sie die vorgeschriebenen Eigenschaften besaßen, als
Meister zu incorporieren, sonst aber keine Stöhrer zu dulden".
Mit der neuen Goldschmiedeordnung vom Jahre 1774 muß man aber
nicht ganz zufrieden gewesen sein, weil bald darauf neue diesbezügliche
Vorschläge im Grazer Statthaltereiarchive, und zwar einer vom 30. Juli 1785
für Steiermark, ein anderer vom 4. August desselben Jahres für Krain" und
einer vom 8. August des gleichen Jahres für Kärnteni auftauchen.
Während in den früheren Zeiten bei der Herausgabe von neuen Vor-
schriften die lokalen Verhältnisse jeder Provinz sorgfältige Berücksichtigung
fanden, machten sich jetzt die Bestrebungen nach einheitlichen Gesetzen für
das ganze Reich auch hier immer mehr bemerkbar. Dies zeigt sich bei dem
am 23. Februar 1788 vom Kaiser Josef II. herausgegebenen Punzierungs-
gesetze, mit welchem drei verschiedene Goldfeingehalte eingeführt wurden,
nach welchen die mindestens vier Dukaten schweren Goldgegenstände zu
prüfen und zu punzieren waren.
Das Nr. Gold, die Dukatenschwere zu fl. 30 kr., mußte Karat 10 Grän,
57 17 77 71 77 73
und 330 18
an feinem Gold enthalten; Remedium wurde keines mehr erlaubt und die
Legierung des Goldeslblieb der Willkür der Goldschmiede überlassen.
Das Silber hatte wie früher 13- oder 15lötig zu sein und durfte nur mit
rotem Kupfer legiert werden.
Die Goldpunzen unterschieden sich durch die Zahlen beim Silber
wurde die Feine wie früher mit den Zahlen 13 und I5 angedeutet.
Diese Vorschriften über das Korn oder die Feine des Metalls, woraus
die Waren gefertigt wurden, und die Punzierungsbestimmungen, mit denen
die Käufer gegen Übervorteilung geschützt werden sollten, hielten sich
im wesentlichen bis zur Einführung des heute noch gültigen Punzierungs-
gesetzes.
Kurz nach dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 23. Februar 1788 finden
sich aber im Grazer Statthaltereiarchive schon wieder ausführliche Vorschläge
über eine neue Bruderschaftsordnung, und zwar einer vom 18. Oktober 1788
für Steiermark und ein zweiter vom 7. I-Ieumonds 1789 für Kärnten, die dann
wohl infolge der hereinbrechenden Kriegswirren nicht zur Durchführung
gekommen sind. Mit dem Warenstempelpatent vom 30. Jänner 178g wurde
die Stempelung jener Sackuhren, welche die inländische Gold- oder Silber-
punze noch nicht aufgeschlagen hatten, angeordnet und die Kurrende des
Aus diesen Vorschlägen sollen nachfolgende Angaben gemacht werden. Um diese Zeit gab es in Krain
gar keine Goldpunze und es befanden sich nur in Laibach zwei Gold- und drei Silberschmiede. Die Geschäfte
dieser Bürger waren so gering, daß, wenn sie sich nicht zugleich mit getriebenen Arbeiten von Kupfer und
Messing abgegeben, kaum so viel verdient hätten, um ihre Abgaben bestreiten zu können." In Kärnten gab es
in Klagenfurt zwei Gold- und zwei Silberarbeiter, ferner einen Silberarbeiter in St. Veit und einen in Villach.
Nach Außerungen des zusammengerufenen Mittels" verarbeiteten die zwei Goldschmiede zusammen jährlich
roo bis 150 Dukaten und alle vier Silherarbeiter zusammen zirka 3x0 Mark Feinsilber.
Guberniums vom I. Dezember x7go
gab bekannt, daß eine Privilegium-
bestätigung der Handwerkszünfte nicht
mehr stattfinden werde.
Nachdem das frühere Grazer Münz-
amt, dann Landmünzprobieramt na-
mentlich infolge der bei der Einlösung
von altem Gold und Silber gemachten
schlechten Erfahrungen wiederholt auf
eine strengere Überwachung der Gold-
schmiede bezüglich der Beschau und
Punzierung und auf eine Vöftere Revision
ihrer Warenlager ohne Erfolg beantragt
hatte, begann man nun endlich eine
strengere Kontrolle einzuführen. Infolge
Auftrages des Guberniums vom I2. Ok-
tober 1793 wurden unvermutet sämt-
liche Goldschmiedgeschäfte in Steier-
mark, besonders aber die Silberarbeiter
einer Revision unterzogen.
Bei den Goldarbeitern fand man
fast nur kleine, nicht punzierungspüich-
tige Waren; bei den Silberarbeitern
machte man aber die fatale Wahr-
nehmung, daß die meisten vom Zeichen-
meister punzierten Silberwaren bis
16 Grän unter dem vorgeschriebenen
Feingehalte waren. Man schob die ganze
Schuld auf den 7ojährigenZeichenmeister Abb- Johann Beim" Mayeß Salffaß K""S"
Johann Baptist Rungaldier und enthob gwerbemuieum am "Joanncum Gm
ihn seiner Untervorsteherwürde. Zu seiner Ehrenrettung soll aber hier betont
werden, daß der Silberstrich neben viel Übung ein gesundes und kräftiges
Auge verlangt, was ein 7ojähriger Mensch nach der Erfahrung nicht mehr
oder nur in seltenen Fällen hat. Außerdem wurde damals das Silber oft mit
Messing und weißem Kupfer" legiert, wodurch der Strich noch unsicherer
ausfiel und immer nach einer Feuerprobe verlangte, die nur das Landmünz-
probieramt vornehmen konnte. Die bei den zahlreichen Gürtlern, die heim-
lich Gold- und Silberwaren erzeugten, vorgenommenen Revisionen ver-
liefen alle anstandslos. Zur Behebung der verschiedenen Übelstände wurden
nun eine Menge Vorschläge gemacht; zu der einzigen richtigen Maßnahme,
der Übertragung der Kontrolle und Punzierung an die Landmünzprobier-
ämter, konnte man sich aber für die Provinzen noch immer nicht ent-
schließen. Ein Vorschlag vom 30. Oktober r7g3 ging dahin, für die fünf
steirischen Kreise Graz, Bruck, Judenburg, Marburg und Cilli eigene Kreis-
310
punzen für Silberwaren mit den Anfangsbuchstaben der Kreise
und zu schaffen. In der Tat finden sich solche Punzen vom Grazer Kreise
für das Jahr 1794 und vom Marburger Kreise für das Jahr 1802; eine dies-
bezügliche Verordnung über ihre Einführung konnte aber nicht gefunden
werden.
Dann wurde einerAnordnung für Wien vom 29. März 1793 entsprechend
auch in Steiermark für ungelötete Silberwaren ein Grän und für gelötete
Silberwaren zwei Grän als Nachsicht Remedium gestattet. Den Kreis-
ämtern wurde eingeschärft, nach dem Gesetze von 1788 von den zur
Punzierung gebrachten Silberwaren immer den vorgeschriebenen Rand
oder Vorschuß" abstechen zu lassen und diese am Ende des Jahres nebst
dem Namen des Meisters dem Landmünzprobieramte zur Schmelzung und
Feuerprobe einzusenden. Bezüglich der Silberarbeiter Anton Streb und
seiner Gattin und des Pettunlill", die sich bei zwei Visitationen eines sträf-
lichen und unanständigen Betragens" gegen die Kommissionsmitglieder
befleißigt hatten, so daß man genötigt gewesen war, Polizeiwache in der
Arbeiter Zimmer kommen zu lassen", wurde vom Gubernium ein öffent-
licher und eingreifender Verweis beim Magistrate im Beisein des ganzen
Grazer Goldschmiedmittels" mit Androhung einer strengen Leibsstrafe für
einen weiteren solchen Fall" angeordnet. In einer Kurrende vom 16. August
1794 wurde bestimmt, daß das Mittel der Gold- und Silberarbeiter für den
Feingehalt aller seit dem Jahre 1794 verfertigten Gold- und Silberarbeiten
mit seiner Kasse dergestalten zu haften habe, daß es aus derselben, was bei
ungelöteten Silberwaren von 12 Lot" 17 Grän, bei gelöteten Silberwaren
von 12 Lot 16 Grän und bei Goldwaren von dem gesetzmäßigen eingehalte
abgehen sollte, zu vergüten verhalten" sei. Weil aber die in der Gold-
schmiedinnung nicht incorporierten Schwertfeger, Uhrgehäusemacher und
anderen Gewerbe und Fabrikanten" ebenfalls Silbergeräte erzeugten, so
sollten deren Waren zur Sicherheit des Goldschmiedmittels wieder mit
einem besonderen Punzen, und zwar mit demjenigen bezeichnet werden,
der schon ehemals nach dem Patente vom Jahre 1774 für dergleichen
Arbeiten bestanden hatte. Wahrscheinlich sind dazu die angeblichen Kreis-
punzen verwendet worden.
Endlich wurden mit Gubernialverordnung vorn 26. August 1794 für
die sieben Landstädte Bruck, Hartberg, Judenburg, Leoben, Marburg, Pettau
und Cilli sowie für den Markt Wildon, wo sich Goldschmiede befanden, die
aber nur 13lötiges Silber verarbeiteten, eigene Feingehaltspunzen eingeführt,
die ähnlich denen in anderen Provinzen anstatt des oft schwer anzubrin-
genden Stadt- und Marktwappens im Schilde den Anfangsbuchstaben
des Ortes und oben die Zahl 13 eingeprägt hatten. Die Jahreszahl sollte
ganz entfallen, um das Publikum nicht durch mehrere Zahlen irrezuführen.
Nach der Fertigstellung dieser Punzen wurden die alten Punzen mit den
Zahlen 10, 12 Lot den Goldschmieden und Gürtlem abgenommen
und vernichtet. Die neuen Punzen sollten von den Magistraten oder
dürfen.
Alle diese zahlreichen kleinen Reformen beseitigten aber das Haupt-
übel, die laxe Handhabung der bestehenden Gesetze und Vorschriften durch
die Goldschmiede selbst, nicht, weshalb die Regierung sich endlich zu durch-
greifenden Maßregeln entschließen rnußte. Da die Vorschriften über die
Beschau und Punzierung der Gold- und Silberwaren für die verschiedenen
Kronländer noch immer ungleichartig waren, sollten endlich für alle Pro-
vinzen ganz gleichartige Bestimmungen eingeführt und die Überwachung
derselben eigenen kaiserlichen Ämtern übertragen werden.
Im Jahre 1804 wurden darüber eingehende Erhebungen und Beratungen
gepflogen, aus denen nachfolgende Notiz über den damaligen Stand der
Gold- und Silberwarenerzeugung in Steiermark von Interesse ist.
Im ganzen Kronlande gab es um diese Zeit nur 23 Gold- und Silber-
schmiede, zwei Schwertfeger und zwei Uhrgehäusemacher, die jährlich 300
bis 400 Dukaten an Gold und 300 bis 400 Mark Silber verarbeiteten.
Eine infolge des unglücklichen Krieges mit Frankreich vorn Jahre 1805
beschlossene Finanzielle Maßregel, die Einhebung einer einmaligen Luxus-
steuer für alle vorhandenen profanen und kirchlichen Gold- und Silbergeräte,
brachte endlich die Einführung der staatlichen Punzierung.
Mit Patent vom 20. August 1806 und Kurrende vom 21. August des-
selben Jahres wurden für die deutschen Erbländer alle bei den Gold- und
Silberwarenerzeugern, Händlern und Privaten vorhandenen alten und neu
angefertigten Gold- und Silberwaren ohne Rücksicht auf den Feingehalt
nach dem Gewichte mit einer einmaligen Steuer Taxe belegt, für deren
Entrichtung auf die Gegenstände die neu eingeführte Repunze als Quittung
aufgeschlagen wurde. Diese umfangreiche Arbeit, sowie die bisher von den
Goldschmieden selbst ausgeübte Beschau und Punzierung der neu ange-
fertigten Gold- und Silberwaren wurde vom I. September 1806 an den neu
errichteten Filialpunzierungsämtern, die für die uns interessierenden Länder
in Graz, Klagenfurt und Laibach errichtet wurden, zugewiesen. Die Durch-
führungsverordnungen hiezu und die späteren schon für alle Kronländer
gleichen Gesetze sind schon vielfach anderwärts besprochen worden und
finden sich ausführlich erörtert in dem Buche Die Punzierung in Öster-
reich" von Karl Knies, Wien 1896, und im VII. Bande von Kunst und
Kunsthandwerk", Seite 496, in der Studie Altösterreichische Goldschmiede-
arbeiten" von Eduard Leisching. Uns sollen hier nur die diesbezüglichen
Bestimmungen für die drei Alpenländer Steiermark, Kärnten und Krain
beschäftigen.
Mit Gubernialverordnung vom 27. August 1806 bekamen die Kreisämter
den Auftrag, alle bei Goldschmieden und Gürtlern vorhandenen Feingehalts-
punzen einzusammeln und abzuliefern. Die neuen, vom I. September 1806
an gültigen drei Goldfeingehaltspunzen bekamen die Form eines Wappen-
Schildes, hatten für alle Provinzen das gleiche Aussehen und unterschieden
sich für die drei Feingehalte nur durch die eingegrabenen Zahlen und 3.
Neben die Feingehaltspunze wurde die jahreszahlpunze, welche die laufende
Jahreszahl und das Amtszeichen enthielt, eingeschlagen. Das Amtszeichen
war von 1806 bis 1866 für Steiermark der Buchstabe I-I, für Kärnten der
Buchstabe und für Krain der Buchstabe K. Auch die zwei Silberfeingehalts-
punzen waren für alle Kronländer gleich, enthielten aber die Jahreszahl und
das Amtszeichen des Landes, in welchem sie angewendet wurden.
Die auf die Gold- und Silbergegenstände aufzuschlagende Repunze
hatte sowohl für das Gold wie auch für das Silber drei verschiedene Größen
und Punzenbilder und war es dem Ermessen des aufschlagenden Organes
überlassen, welche Größe es verwenden wollte. Diese Repunze enthielt
ebenfalls das oben angegebene Amtszeichen. Den Goldschmieden wurde,
um ihnen die einmalige große Ausgabe für die Repunzierung ihrer mitunter
großen Warenlager zu ersparen, erlaubt, ihren Warenvorrat zuerst mit
einer unentgeltlich aufzuschlagenden Vorratspunze und erst die verkauften
Gegenstände nach erfolgter Bezahlung der Repunzierungstaxe mit der vor-
geschriebenen Repunze versehen zu lassen. Die mit den Patenten vom
14. April und 19. Dezember 180g anbefohlene Ablieferung der entbehrlichen
Silbergeräte ist schon im zweiten Teile die-
ser Abhandlung ausführlich erörtert wor-
den. Den Parteien, welche für das herbei-
gebrachte Silber insgesammt, oder auch
nur für einige Stücke hievon eine besondere
Vorliebe hatten, und solches zu behalten
wünschten, war es erlaubt, den Betrag für
derlei Stücke in dem berechneten Werte
in Conventionsgeld oder mit patentmäßig
befreitem Silber oder auch mit Gold un-
entgeltlich rückzulösen und von der Ein-
lieferung zu befreien." Diese ausgelösten
Silbergegenstände wurden mit einem in
drei Formen hergestellten Befreiungs-
sternpel, dessen Punzenbild aus den zu
einem Monogramm vereinigten zwei Buch-
staben aber ohne Amtszeichen, be-
stand, bezeichnet.
Ein solches Gerät hatte vier bis fünf
Stempel, nämlich den Namenspunzen des
Meisters, die Feingehaltspunze, die Re-
punze und endlich den Befreiungsstempel,
eventuell noch den Vorratsstempel aufge-
schlagen. Um die neu verfertigten Silber-
Am Josef steinbüch, in Bruch Kelch waren von den älteren vollkommen unter-
Mariahof scheiden zu können, wurde mit Kurrende
des k. k. steiermärkisch-kärntnerischen
Guberniums in Graz vom 24. Juni 1810
eine neue Repunze, auch Taxpunze ge-
nannt, eingeführt, die auf die neu ange-
fertigten Silbergeräte neben die Silber-
feingehaltspunze, später auch neben die
Goldpunze aufgeschlagen wurde. Diese
neue Repunze enthielt die zu einem Mo-
nogramm vereinigten Buchstaben
das heißt taxfrei, und wurde auch in
drei Größen angefertigt, von denen die
zwei größeren ovalen ober dem Mono-
gramm das Amtszeichen führten, während
die kleine kreisrunde Punze nur das Mono-
gramm allein enthielt. Mit Ausnahme der
von der Ablieferung befreiten Löffel, Uhr-
gehäuse und Petschaften und so weiter,
dann des gesetzlich befreiten Eigentums
der Fremden mußten daher alle anderen
Silbergeräte neben den übrigen vorge-
schriebenen Punzen entweder mit dem
Befreiungsstempel oder der neuen Re-
punze bezeichnet sein, widrigenfalls sie
der Koniiskation unterlagen. Mit Zirkular
vom 1. März 181 wurde auch die Repunzie- Am "mgifhschaghigß" Jmlenhmg-
rungstaxe für Gold- und Silberwaren vom an an wg
15. März 1811 angefangen wieder im ursprünglichen Ausmaße nach Hof-
dekret vom 21. August 1806 eingehoben, nämlich für jede Dukatenschwere
Gold ohne Unterschied des Feingehaltes mit zo kr. und für jedes Lot Silber
im Rohgewichte mit 12 kr., beides in Konventionsmünze. Endlich wurde mit
Kurrende des Grazer Guberniums vom 7. August 1812 angeordnet, daß zur
noch größeren Übersicht und Kontrolle für die Zukunft die Gehaltspunzen"
alle Jahre mit der Jahreszahl des laufenden Jahres zu erneuern seien. Mit
dieser Anordnung hatte die außergewöhnliche Besteuerung der Gold- und
Silbergeräte und die Reformbewegung bezüglich der Gold- und Silberwaren-
kontrolle, respektive Punzierung vorläufig ihr Ende gefunden und mußte
einige Zeit auf ihren praktischen Wert geprüft werden.
Erst mit Kurrende des k. k. steiermärkisch-kärntnerischen Guberniums
vom 11. März 1824 wurden wieder einige neue Bestimmungen über die
Prüfung des Feingehaltes der Gold- und Silberwaren" eingeführt. Mit
wurden die Vorschriften über die Repunzierung und kurrente Punzierung,
dann über die Ablieferung und Freistempelung vom 1. April 1824 an in ihrem
ganzen Umfange aufgehoben". Von diesem Tage angefangen sollten die
bereits mit Patent vom 23. Februar 1788 eingeführten Vorschriften über die
43
Punzierung für alle neu verfertigten Gold- und Silberwaren auf eine den
damaligen Verhältnissen angemessene Art" einzig und allein zu bestehen
haben.
Befreit von der Punzierung wurden nur feine Filigranarbeiten und
Fassungen, chirurgische und mathematische Instrumente, Orden und alle
geprägten Medaillen. Aus dem Auslande eingeführte Waren waren nicht
punzierungspflichtig.
Die Goldfeingehaltspunze wurde in der Form etwas kürzer und breiter
und enthielt vom Jahre 1824 an neben der Feingehaltsnummer auch das
Amtszeichen, während die Jahreszahlpunze nur aus der Jahreszahl allein
bestand. Die Silberfeingehaltspunze änderte sich nur etwas in der Um-
randung.
Da für Steiermark, Kärnten und Krain nur die Filialpunzierungsämter
in den Hauptstädten geschaffen worden waren, mußten die wenigen Gold-
schmiede der anderen Orte des Landes ihre Gold- und Silberwaren zur
Punzierung dorthin senden. Dieser Übelstand veranlaßte die Landgold-
schmiede, ihre Waren entweder gar nicht punzieren zu lassen oder wieder
mit dem Stadtzeichen ihres Wohnsitzes selbst zu punzieren, wie wir es in
Judenburg bei einem Silbergegenstand vom Jahre 1860 gefunden haben.
Diese Punzierungsvorschriften blieben bis zur Einführung des gegenwärtig
gültigen, derzeit auch schon sehr reformbedürftigen Gesetzes bestehen.
Damit soll die Besprechung der steirischen Goldschmiedeordnungen
und der daraus hervorgegangenen Punzierungsgesetze geschlossen werden.
Wir kommen nun zu den Innungsschriften der Grazer Goldschmiede,
die im Grazer Landesarchive in einer einfachen geheizten Kiste aus Eichen-
holz, die mit einem Schlosse für drei verschiedene Schlüssel versehen ist,
liegen. Auch hier dürfen wir uns nichts Besonderes erwarten.
Die Grazer Goldschmiedeinnung, die aus I0 bis 15 Grazer Meistern,
zu welchen mit dem Jahre 1782 noch zirka I0 Landgoldschmiede kamen,
bestand, von denen ein großer Teil sich nur kümmerlich fortbrachte, konnte
sich für die Innungsarbeiten keine eigene Hilfskraft halten, weshalb die
Eintragungen in den Büchern flüchtig, unvollständig, ja nicht einmal chrono-
logisch geordnet, stattgefunden haben.
Das älteste Dokument ist die am I8. September 1592 vom Erzherzog
Ernst bestätigte Handwerksordnung. Es besteht aus I3 beschriebenen
Papierblättern in Buchform, mit einem am Schlusse aufgedruckten Papier-
siegel, ist in einem Pergamenturnschlag gebunden und stimmt wortgetreu
mit der im Jahre 593 gedruckten Ordnung überein. Die zweitälteste Schrift
ist die Bestätigung dieser Goldschmiedeordnung vom Erzherzog Ferdinand
am 6. Juni 1597, auf Pergament geschrieben und mit einem anhängenden
Wachssiegel versehen.
Die nächste Bestätigung dieser Ordnung durch Kaiser Leopold II. am
23. Juli 1660, ebenfalls auf Pergament geschrieben und mit einem Wachs-
siegel versehen, ist die drittälteste Schrift. Dann folgt die Bestätigung der
Ordnung durch Kaiser Karl VI. am 6. Oktober 1717, die ganz ähnlich
ausgestattet ist. Das fünfte Dokument und zugleich die letzte Bestätigung
der Goldschmiedeordnung durch Kaiserin Maria Theresia am 5. Mai 1745,
ebenfalls auf Pergament in einer schönen Lederkassette liegend, ist mit
einem anhängenden Siegel in vergoldeter Kapsel versehen.
Eine sechste ebenfalls im Original vorliegende Schrift enthält die feier-
liche Ehrlicherklärung des Goldschmiedlehrlings Philipp Hueber durch
Kaiser Leopold II. am n. August 1704.
Dieser Hueber war der Sohn zweier ledigen Personen und war, ob-
wohl er ausgelernt hatte, wegen dieses Makels nicht zur Freisprechung zu-
gelassen worden.
Von den Büchern sind nur das Meisterbuch und zwei Lehrlingsbücher
von Bedeutung, während die anderen aus dem XIX. Jahrhundert stammenden
Bücher und Schriften nichtsgBemerkenswertes enthalten.
Das Meisterbuch mit der Aufschrift Prodekol In Aufgab und Weisung
deren Meister-Stücken, wie auch Erwölung deren Vorstehern, sambt Be-
lögung ihrer Järlichen Rechnung" hat 248 beschriebene Seiten, beginnt mit
einer Aufzeichnung aus dem Jahre 1691 und endet mit dem Jahre 1865. Es
enthält die Meisterstück- und weitere Aufnahmedaten von zirka x20 Meistern
in die Innung, die Vorsteherwahlen, ungeordnet viele Eintragungen über
Einzahlungen und Ausgaben, die Jahresrechnungen, nebst verschiedenen
anderen Notizen.
Aus diesem Buche lassen sich die meisten Meister dieser Zeit bestimmen,
alle Meister sind aber nicht eingetragen und bei manchen sind die Vermer-
kungen sehr unzuverlässig; immerhin ist dieses Buch das wertvollste Stück
der ganzen Innungskiste. Aus den Eintragungen ist zu ersehen, daß jeder
neue Meister für angeblich kleine und größere Fehler an den Meister-
stücken eine Geldstrafe von zirka I0 fl. in die Lade bezahlen mußte, von
der auch die besten Arbeiter, wie L. Vogtner und F. Pfäffinger, nicht ver-
schont blieben. Diese im Jahre x755 als vorschriftswidrig beseitigte Strafe
bürgerte sich aber rasch wieder ein und verschwand erst mit der Bruder-
schaftsordnung vom Jahre 1774. Die Meister aus den Landstädten wurden
anfangs, da sie bei der Aufnahme in die Innung schon Meister waren,
ohne ein Meisterstück zu machen, inkorporiert, später mußten sie aber vor-
her wie jeder andere ihr Meisterstück vorweisen. Oft kam es vor, daß ein
um das Meisterrecht werbender Geselle wegen der für ihn unerschwinglich
hohen Aufnahmegebühren, namentlich um das 300 bis 400 B. kostende Gold-
schmiedjus zu erlangen, eine bedeutend ältere Goldschmiedwitwe heiraten
mußte. Vom Jahre 1824 an finden wir die Vormerkung, daß die Meisterrechts-
Werber vor dem Meisterstück beim Landmünzprobieramte über den Nadel-
strich und das Legieren eine Prüfung abzulegen hatten. Der Nachlaß eines
Teiles der vorgeschriebenen Zeitarbeit durch eine vereinbarte Geldent-
Schädigung bis zu IOO fl. war bis zur Aufhebung der Zeitarbeit üblich. Die
Vorsteherwahlen sind in dem Buche nicht genau und auch nicht in chrono-
logischer Reihenfolge eingetragen. Die Jahresrechnungen wurden im Winter,
meistens anfangs Dezember vorgelegt und schlossen nicht immer aktiv ab.
Zum Beispiel im Jahre 1746 blieb die Profession" dem Vorsteher Bernhaupt
50 H., im Jahre 1747 84 H. 28 kr. und im Jahre 1748 sogar 93 H. schuldig. Der
Aktivstand der Innungskasse stand in den besten Jahren selten über 300 H.
Namentlich die Bestätigung der Goldschmiedeordnung durch die neuen
Herrscher und die fortwährenden Streitigkeiten und Rekurse der Innung
verschlangen viel Geld. Nicht uninteressant sind die von der Innung ver-
hängten Strafen. Gleich im Anfange lesen wir die Notiz Strohmayr Fried-
rich, weil er dem Amte 1696 nicht bei gewohnt hat, wird mit H. 30 kr.
bestraf womit wohl die Messe am heiligen Eligiustage, am 1. Dezember,
gemeint sein dürfte. Diese Strafe wird im Laufe der Jahre wiederholt ver-
hängt. Im Jahre 1697 mußte Jakob Schischeckh außer der Meisterstückstrafe
von I2 H. 30 kr. wegen Fretterei" 70 H. Strafe zahlen, welchen hohen Be-
trag er in Raten abtragen durfte. Im nächsten Jahre hatte Jakob Schober drei
Wochen über die Zeit an seinem Meisterstück gearbeitet, wofür er H. 30 kr.
Buße erlegen mußte. Im Jahre 1699 hatten die Meister Christian Lorekh
und Franz Meikhl wegen gehabten insolentien und Raufen" jeder H. 30 kr.
als Strafe in die Lade zu legen. Auch Jakob Schischeckh mußte in diesem
Jahre wegen ungebührlicher Reden H. Strafe bezahlen. Eine andere Notiz
teilt mit Am 7. Juni 1714 hat das löbliche Collegium beschlossen, in Streit-
Sachen zwischen I-I. Schober und H. Schischeckh, daß Schischeckh zur Strafe
ein Fahnenkreuz wohl für die Innungsfahne zu arbeiten schuldig sein soll",
das H. kostete. Daraus ersehen wir, daß es in der Innung mitunter ziemlich
heiß hergegangen ist. Eine andere Eintragung teilt mit, daß im Mai 1718
Franz Schischeckh von wegen zweier Leuchter aus Silber, so nicht Prob
gehalten, H. Strafe" zu erlegen hatte. Sehr strenge sah man auf die
Erfüllung der religiösen PHichten, was folgende Anmerkung bezeugt Am
7. August 1724 hat das löbliche Kollegium geschlossen, umbweilen l-I. Meikhl
schon Jahre bei der Frohnleichnamsprozession sich nicht eingefunden und
etwan mitzugehen geschämt, ob darumben demselben fürderhin nicht mehr
ansagen, auch kein Jung aufzudingen, bis er sich hiewegen mit der Sozietät
abHndet." Dem Goldschmied Sabin wird im Jahre 1730 gedroht, wenn er
sein Meisterstück nicht in drei Monaten mache, daß er für jede weitere
Woche einen Reichstaler Strafe zahlen müsse. Solche Strafen finden sich
in dem Meisterbuche ziemlich oft eingetragen, woraus zu ersehen ist, daß
die Goldschmiedmeister auf Zucht und Ordnung sahen. Erst mit Einführung
der Bruderschaftsordnung vom Jahre 1774 trat eine mildere Handhabung
der Vorschriften ein. Um diese Zeit hätte die Innung aber auch nicht mehr
die Macht gehabt, solche Strafen durchzusetzen.
Da es aus den Patenten und Verordnungen nicht möglich war, genau
festzustellen, wann der Goldpunzen eingeführt und wie oft die im Münzamte
angefertigten Punzen, von denen jedes Stück einen Gulden kostete, gewech-
selt wurden, ist der Versuch gemacht worden, dies aus den Jahresrechnungen
herauszubringen. Leider findet sich aber erst in der vom Jahre 1762 die
erste Eintragung darüber, die sagt, daß für das Jahr 1763 die neuen
Gold- und Silberpunzen mit H." bezahlt wurden, das heißt wohl, daß ein
neuer Goldpunzen, ein neuer Punzen für 13lötiges und ein neuer Punzen
für 15lötiges Silber vom Münzamte abgegeben wurden. Für die Jahre 1765
und 1767 wurde nur ein Punzen, jedenfalls der für 13lötiges Silber bezogen.
Für das Jahr 1768 wurde ein Gold- und ein 13lötiger Silberpunzen, für die
Jahre 176g, 1773, 1774 wieder nur ein Silber-
punzen erneuert. Im Jänner des Jahres 1775
wurden fünf Probpunzen, darunter einer
für die zwei Schwertfeger, vom k. k. Münz-
amte geliefert.
Bei der Resignation desVorstandes der
Goldschmiedeinnung am 7. Dezember 1777
übernahm der Münzwardein Kollmann
einen Gold- und die Silberpunzen von den
abtretenden Vorstehern und übergab nach
der Neuwahl den Goldpunzen dem Gold-
arbeiter, der Obervorsteher, und die Silber-
punzen dem Silberarbeiter, der Untervor-
steher und zugleich Zeichenmeister war.
Am z. Jänner 1778 wurde nur der
1-3lötige Silberpunzen erneuert. Am z. De-
zember 1793 werden im Münzamte nach
der Neuwahl des Vorstandes die alten
Punzen abgeliefert und bekam jetzt der
erste Vorsteher, der Silberarbeiter war, die
drei Silberpunzen und der zweite Vorstand
als Goldarbeiter die drei Goldpunzen. Die
letzte Eintragung darüber ist vom Jahre
1800, in dem vier Punzen, jedenfalls die
drei Gold- und der Silberpunzen für 13lötige Am U. valenün Tmowia in Judgnburl;
Waren erneuert wurden. Aus diesen un- K,1chwaas.nm,ch.in 1.01....
vollständigen Eintragungen ist nur mit Be-
stimmtheit zu entnehmen, daß die Goldpunzen und die Punze für 15lötiges
Silber immer mehrere Jahre in Verwendung standen, während der Punzen
für 13lötiges Silber am meisten, aber auch nicht jedes Jahr gewechselt wurde.
Eine der letzten Eintragungen im Meisterbuche meldet, daß in der
Innungssitzung vom 17. März 1867 die Umwandlung der Innung in eine
Genossenschaft beschlossen wurde, womit die 275 Jahre alte Innung ihr
Ende fand. Lehrlingsbücher haben wir zwei; das erste reicht von 1693
bis 1751, das zweite von 1752 bis 1867. Beide sind sehr flüchtig und un-
genau geführt und enthalten die Aufnahme- und Freisprechungsdaten von
zahlreichen Lehrjungen. Auffallend ist, daß nicht alle Lehrlinge gleich lang
lernten. So finden wir, daß im Jahre 1693 einer nach Siebenjähriger, im
Jahre 1694 ein anderer nach fünfjähriger Lehre freigesprochen wurde. Im
Jahre 1695 wird ein Lehrling für sechseinhalb Jahre Lehrzeit mit dem Ver-
sprechen aufgenommen, daß er bei gutem Verhalten schon nach sechs Jahren
Geselle werden könne. Außer den Schriften und Büchern befinden sich in der
Innungskiste noch zwei Innungssiegel, das erste vom Jahre 1633 Abb. 14,
das zweite vom Jahre 1733 Abb. 15, alle zwei in Silber gegraben. Das ältere
größere Siegel ist kreisrund und sehr schön gestochen. Es enthält in
der Mitte den heiligen Bischof Eligius im wallenden Kleide, die Bischofs-
mütze am Haupte, in sitzender Stellung, wahrscheinlich einen Kelch treibend.
Am Arbeitstischchen, auf dem Werkzeuge liegen, ist die Jahreszahl 1633
und um das Bild sind die Worte S. ein ersa. Handw. der Goldschmid zu
Graz in Steyr" zu lesen. Um die Schrift legt sich ein hübscher Lorbeer-
kranz und unter dem heiligen Elegius befindet sich das Grazer Stadtwappen
mit dem steirischen Panther im Bilde.
Das zweite, ovale kleinere Siegel mit der Jahreszahl 1733 am Arbeits-
tische ist weniger schön gearbeitet und zeigt das ganz gleiche Bild mit dem
Grazer Stadtwappen. Die Rundschrift heißt S. ein ersa. Prof. der Gold-
schmid zu Graz", um die sich ein Perlenkranz zieht.
Höchstwahrscheinlich sind diese beiden Siegel von Grazer Gold-
schmieden gestochen worden.
Hiermit sind auch die Innungsschriften erledigt und soll zum Schlusse
noch ein kurzer Rückblick auf das ganze behandelte Material geworfen
werden. Wir sahen das unglaublich rasche Emporblühen des Goldschmiede-
kunstgewerbes am Ende des XVI. Jahrhunderts während der Regierung
der steirischen Habsburger in der damals kaum 10.000 Einwohner zählenden
Stadt Graz, erinnern uns der verschiedenen hervorragenden Meister dieser
Zeit, von denen der erstklassige Gold- und Silberarbeiter Hans Zwigott durch
die Zahl und Mannigfaltigkeit seiner Arbeiten, durch seine Tätigkeit für die
höchsten Kreise und als Münzeisenschneider besonders hervorragte, hörten
von ihrer vielfach anerkannten Tätigkeit im Münzwesen, als Münzmeister,
Münzeisenschneider und Wardeine und finden unter ihnen auch manchen
tüchtigen Wappensteinschneider und Siegelstecher. Nach der Auflösung des
steirischen Hofes, mit dem das beste Milieu für dieses Gewerbe verschwand,
bemerken wir den langsamen Niedergang des steirischen Goldschmiedehand-
werks, das, von der Konkurrenz Augsburgs fast erdrückt, nur schwer sich
behaupten konnte. Nachdem die Stände des Landes, der erbgesessene Adel,
in Ermanglung eines Hofes die Förderung der tüchtigen Meister über-
nommen hatte und die Türkengefahr endgültig überwunden war, erholte
sich dieses Handwerk wieder langsam und lieferte eine Anzahl von
tüchtigen, begabten Goldschmieden, deren Arbeiten zwar keineswegs auf
der Höhe dieses Kunstgewerbes standen, die auch nie selbständige, hoch-
strebende Wege wanderten, die aber auf den ausgetretenen Pfaden ihrer
Zeit sehr Lobenswertes leisteten.
Auf Meister der Silberschmiedekunst, wie jo-
hann Friedrich Strohmayr, Leopold Vogtner, Franz
Pfäfiinger, Matthias Bernhaupt, Anton Römmer,
johann Georg Rungaldier, Anton Rabitsch und
Heinrich Kies und wohl sicher auch auf mehrere
Goldarbeiter, besonders auf Paul Khrebs, Christian
Lorekh, Johann Melchior Verzi und Josef Kemn,
kann das steirische Goldschmiedegewerbe mit
Wohlgefallen hinblicken und auch manche im
Armenhaus geendete unglückliche Meister, wie
Konrad Stierl, Joachim Vogtner und Paul Wasser- Aläläickflqrgegüjffiait; 32"
burger, dürfen nicht unbeachtet bleiben.
Die wissenschaftliche Beurteilung der Leistungen des steirischen Gold-
schmiedekunstgewerbes muß berufenen Fachleuten überlassen bleiben. Der
Verfasser dieser Studie hat nur das Material gesammelt, gesichtet und der
Öffentlichkeit übergeben, so daß es jetzt leichter ist, die gebahnten Wege zu
gehen und mit Hilfe des Textes und der zahlreichen Bilder dieser Ab-
handlung sich ein klares Bild über den Höhenstand dieses Gewerbes in
Steiermark zu bilden. Wer die Gelegenheit hat, etwas größere Schatz-
kammern und Sammlungen von Silberschmiedearbeiten Steiermarks, zum
Beispiel die der Abteien St. Lambrecht, Admont, Rein, der Domkirche oder
des kunstgewerblichen Museums am oanneum" in Graz zu besichtigen,
wird sofort finden, wie überragend in seinen Leistungen und wie reich
vertreten Augsburg und an ein paar Orten auch Wien ist. Es ließe sich
über die in Steiermark vorhandenen Augsburger Silberarbeiten jedenfalls
eine hochinteressante Studie schreiben und mit vielen prächtigen Bildern
schmücken, aber auch Altwien bis ins XVI. Jahrhundert zurück würde
namentlich in Mariazell und St. Lambrecht zahlreiche sehr schöne kirch-
liche Studienobjekte liefern, die bis heute unbeachtet geblieben sind.
Auffallend ist es, daß, während in Graz und auch an anderen steirischen
Orten zahlreiche Baudenkmäler, Gemälde und andere Kunstgegenstände
von italienischen Meistern herrühren, italienische Goldschmiedearbeiten
nirgends vorzufinden sind. Daraus ist wohl zu schließen, daß die steirische
Goldschmiedekunst nur von Augsburg, Wien und viel-
leicht auch etwas von Nürnberg beeinflußt worden ist.
Kurz soll noch erwähnt werden, daß von den auf-
gefundenen zirka 280 alten Goldschmieden der be-
sprochenen Zeitperiode 200 in Graz und 80 an anderen
Orten Steiermarks lebten. Von diesen gehören zwei ins
XII., neun ins XIV., fünf ins XV., 32 ins XVL, 78 ins
XVII., 94 ins XVIII. und 60 in die erste Hälfte des
Abb. 15. XIX. ahrhunderts. Sicher würden Nachforschungen bei
1""""gsSieg"de'G"m den altangesessenen steirischen Adelsfamilien und bei
Goldschmiede vorn Jahre
1733 privaten stemschen Sammlern, ferner Archivstudlen,
namentlich in den Klöstern Mariazell, St. Lambrecht und Rein noch manchen
vergessenen tüchtigen Meister zu Ehren bringen und manches schöne
Stück altsteirischer Goldschmiedekunst zutage fördern. Das muß ruhigeren,
wieder mehr der Kunst und dern Rückblick auf die Vergangenheit gewid-
meten Zeiten überlassen werden. Hier soll nur noch allen jenen Kreisen,
die den Verfasser dieser Studie förderten, der gebührende Dank ausgesprochen
werden.
In erster Linie muß hierbei der katholischen Geistlichkeit der Seckauer
Diözese, insbesondere der Abteien St. Lambrecht und Rein gedacht werden.
In St. Lambrecht hat Herr Pater Burchard Deutsch O. S. B. die zahl-
reichen Bilder der dortigen Kunstgeräte selbst aufgenommen, während das
Kloster Rein die Aufnahmen seiner Kunstschätze spendete, die wie die
meisten anderen aus dem photographischen Atelier R. Martinellis in Graz
stammen. Dankbar muß auch weiters des Vorstandes des Kunstgewerbe-
museums am oanneum" in Graz, des Herrn kaiserlichen Rates Anton
Rath, gedacht werden, der durch Ratschläge und werktätige Hilfe den Ver-
fasser förderte.
ERKLÄRUNGEN
zu den zwei Meisterzeichen-Namenspunzen-Tafeln, enthaltend 60 verschiedene steirische
Meisterzeichen. In vierfacher Vergrößerung.
1. vertikale Reihe TAFEL"
Nr. A. J. August jezbara in Graz, 1775.
.. 1778 bis 1794.
A. P. Unbekannt, wahrscheinlich Anton Peheim in Leoben
Anton Pelischek in GrazP, 1821.
A. R. Anton Rörnmer in Graz, 174? bis 1754.
.. .. .. .. .. 1763 1767.
.. .. .. .. .. .. .. 1771 .. 1775.
Anton Rabitsch in Graz, 1804 1807.
2. vertikale Reihe
A. R. Anton Rabitsch in Graz, 1807 bis 1810.
Anton Rohrleitner in Graz, 1828," 1895.
A. S. Anton Streb in Graz, 1778.
1794 bis 1800.
A. Z. Anton Zimmer in Radkersburg, 1801.
B. J. S. josef Steinbüchl? in Bruck, um 1752.
B. Z. Bartholomäus Zwickhl in Graz, 1673.
Nr.
11
xlOlUl-hUIRb-a
3. vertikale Reihe
Nr. F. B. Friedrich Blaese in 1828."
F. K. Unbekannter in Radkersburg, wahrscheinlich XVIII. Jahrhundert.
Anmerkung. Die jahreszahlen geben die Jahre an, in denen das Meisterzeichen vorkommt. Ist diejahres-
zahl undeutlich, so steht bei derselben ein Fragezeichen.
1828" bedeutet die Namenspunzentafel vom Jahre 1828 im Punzierungsamxe in Graz, die aber sehr
unordentlich geführt wurde und auf der auch viele jüngere Meisxerzeichen eingeschlagen sind.
Nr.
QOaUI-hw
Friedrich Mayerheim in Graz, x8x8,? x83n.
Franz Mattiovsky in Radkersburg, 18283
Franz Pfiffmger in Graz, 1720 bis 1754.
Johann Friedrich Schmid in Cilli MarburgP, 1828f
Hans Georg Pflsterer in Graz, 1738.
Nr.
4. vertikale Reihe
G. R. Johann Georg Rungaldier in Graz, 1778.
1810.
H. K. Heinrich Kies in Graz, 1816, 1828,' 1835.
1828."
.. ..
J. A. P. Unbekannter in 181a.
j. B. josef Bacher in Graz, 1828," 1848.
Josef Burghard in Marburg, 1828."
mwmßnbwun
1a
I.
II. TAFEL.
vertikale Reihe
J. H. Johann Georg l-Iöschl? in Graz, 17m oder 1740?
J. H. Josef Johann Hainegger in Graz, vor x718, 1722.
J. J. Johann Jäger in Graz, 1828."
J. K. Johann Khun in Pettau, X8283
J. M. Johann Baptist Mayer in Graz, x8x3, 18xg.
J.
J.
N. H. Johann Nepomuk Haine in Graz, 18283
J. P. Johann Pettunüll in Graz, x778.
P. H. Johann Peinhart in Adxnont, 1774.
Nr.
so
WNIQUI-DUJN
2. vertikale Reihe.
j. P. R. Johann Baptist Rungaldier in Graz, 1768 bis 1794.
Johann Friedrich Strohmayr in Graz, 1694.
J. s.
J. st.
J. T.
J. v.
1701-
johann Stadlmayer in Graz, 1800.
11
.. 1807-
Johann Trinowitz in judenburg, x8?o, 183g.
Joachim Vo
1828," 1840, 1844, 1857, 1860.
gmer in Graz, 1748 bis 1754.
3. vertikale Reihe.
Nr. L. E. Lorenz Eigner in Graz, 1737.
L. V. Leopold Vogtner in Graz, vor 1718 bis 1732.
M. BJ-I. Matthias Bernhaupt in Graz, 1750.
.. .. .. YY 174a. 1764-
M. P. H. Matthias Pernhaupt in Graz, 172g.
M. S. Matthias Schachinger in Judenburg, zirka 1756 bis 1769.
M. H. Johann Martin Hiller? in Graz, Ende des XVII. Jahrhunderts.
M.. H. Matthias Josef l-Iaindl in Graz, zirka 1670 bis 1680.
4. vertikale Reihe.
Nr. M. P. Matthias Pößner in Graz, 1764 bis x77x.
P. j. G. Philipp Jakob Goriupp in Graz, 1818, 1828," 182g.
P. R. Paul Rungaldier in Graz, x8z8."
I4
ßmßwWWWw
äwwßwäww
mwmmmwwm
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Nr.
11
WQ OtUl-h
ässßw
wHPSH
Philipp Trost in Graz, x8xg, 1828!
Unbekannt in zirka 1806.
x82x.
Valentin Trinowitz in Judenburg, 1794 bis 1806.
Wilhelm Pöller in Graz, 1828."
ERKLÄRUNGEN
zu den zwei Beschauzeichen-Feingehaltspunzen-Tafe1n Steiermarks, enthaltend
433982 Abbildungen, von denen 70 nach gesammelten Originalabdrücken in vier-
facher Vergrößerung und zwölf nach Abbildungen gezeichnet worden sind.
Die erste Tafel enthält in den zwei ersten horizontalen Reihen die bekannten
steirischen Goldpunzen, und zwar in der ersten Reihe in der Mitte den Goldpunzen mit
der dazu gehörenden Jahreszahlpunze vom Jahre 1775, wie sie im Patente vom
15. November 1774 abgedruckt sind; links davon befinden sich die drei Goldpunzen vom
Jahre 1794 und rechts jene vom Jahre 1800 nach Originalabdriicken.
In der zweiten Reihe sehen wir links die drei Goldfeingehaltspunzen aus der Zeit
von 1824 bis 1866 mit der dazu gehörenden Jahreszahlpunze vom Jahre 1826. Die drei
Punzen rechts stellen die Repunzen für Goldwaren aus den Jahren 1806 und 1807 vor.
Die darauffolgenden fünf horizontalen Reihen bringen 28 Grazer Innungspunzen für
xglötiges Silber in chronologischer Reihenfolge aus der Zeit von 1668 bis 1806.
Die erste Bildreihe davon mit fünf Beschauzeichen aus der Zeit von 1668 bis 1717
zeigt den steirischen Panther ohne Jahreszahl und gibt die erste Abbildung links die
älteste bekannte Punze vom Jahre 1673, die zweite und dritte etwas jüngere Punzen, die
vierte die aus dem Jahre 1701 und die fünfte eine aus der Zeit zwischen 1709 und 1717
wieder. Diese Punzen sind auf einigen Silbergeräten trotz des ziemlich hohen Alters in
sehr guten Abdrücken erhalten und zeugen von einer sorgfältigen heraldischen Ausführung
des Wappentieres mit den Hörnern und den aus den verschiedenen Leibesöffnungen
dringenden Flammen, welche zarten Teile sich aber auf den vom Verfasser angefertigten
Abdrücken nicht gut erhalten haben und daher nicht bildgetreu wiedergegeben werden
können. Mit dem Jahre 1718 beginnen die Beschauzeichen mit der laufenden Jahreszahl
und der Feingehaltsangabe 13"lötig. Von diesen Punzen, die ebenso wie die obigen im
Münzamte angefertigt und nicht jedes Jahr erneuert wurden, haben wir die aus den Jahren
17185" 1719, 17211, 17H, 1719, 1732, 1737," 1738, 1740! 1743, 1748, 1750. 1754, 17633
1764, 1767, 1768, 1771, 1772 1773, 1775, 1778, 1791, 1794, 1797, 1800, 1804 und 1806
vorgefunden und sind davon abgebildet. Die Punzen aus den mit einem Stern versehenen
Jahren sind nur in unvollständigen oder undeutlichen Abdrücken erhalten, daher nicht
wiedergegeben.
Wie wir sehen, unterscheiden sich diese Beschauzeichen durch die Jahreszahl und
vielfach auch durch die Umrandung; drei davon haben den Grazer Münzbuchstaben im
Bilde. Besonders auffällig ist aber die Punze vom Jahre 1764, die von der Regel abweicht
und nicht das steirische Panthertier, sondern wahrscheinlich nur einen Pantherkopf enthält.
Diese Punze wurde auf vier Silbergeräten vorgefunden. In der Grazer Stadtpfarrkirche
befinden sich zwei Meßkännchen mit dazugehörender Tasse aus Silber von schöner
Arbeit, die alle drei mit dem Meisterzeichen M. B. H. im Dreiblatt und diesem Beschau-
zeichen von 1764 gezeichnet sind. Da aber Meister Bernhaupt schon im Jahre 1755
gestorben und dessen Witwe an den Silberarbeiter Kajetan Schwarz verheiratet war,
steigt der Verdacht an eine mißbräuchliche Verwendung eines hinterbliebenen Meister-
zeichens Bernhaupts durch K. Schwarz auf. Ein Kelch mit dem ganz gleichen Beschau-
zeiehen vorn Jahre 1764 und mit dem Meisterzeichen des Grazer Goldschmiedes Matthias
Pößner fand sich in der Pfarrkirche in Weißkirchen. Eine plausible Erklärung für die
Abweichung dieses Beschauzeichens von der Regel kann derzeit nicht gegeben werden.
Auffallend ist bei allen diesen Innungspunzen mit der Jahreszahl ihre wenig sorgfältige
Ausführung, was wohl damit zu begründen sein dürfte, daß eine verhältnismäßig große
Anzahl von Gegenständen auf einer sehr kleinen Fläche darzustellen waren, was dem Eisen-
schneider Schwierigkeiten bereitet haben mag.
Auf der zweiten Tafel befinden sich in der ersten Reihe drei Silberpunzenabbildungen
für Graz aus dem Patente vom 15. November 1774, und zwar links die Punze für 15lötige
Silberwaren, in der Mitte die Schwertfegerpunze, die auch für Uhrgehäuse verwendet
wurde, und rechts die Punze für geringes" Silber. Dann folgen neun Punzen für 13lötiges
Silber aus den Jahren 1807, 1810, 1813, 1818, 1821, 1826, 1827, 1828, 1832 und eine für
15lötiges Silber aus dem Jahre 1826, die das Amtszeiehen welches für die Zeit von
1807 bis 1866 gültig war, tragen.
In der vierten und fünften Reihe sind zehn interessante, sehr seltene Beschauzeichen
der steirischen Landstädte und Märkte abgebildet, und zwar zuerst das vom Markte
Admont aus dem Jahre 1774, dann zwei der Stadt Bruck aus der Mitte des XVIXI. Jahr-
hunderts, hierauf zwei der Stadt Judenburg mit dem historischen Judenkopf, das erste
aus der Mitte des XVIII. Jahrhunderts und das zweite vom Jahre 1860. Dann kommen
eine Leobner Punze mit dem Vogel Strauß, wahrscheinlich aus dem XVIII. Jahrhundert,
und zwei alte Radkersburger Beschauzeichen rnit dem Rade aus dem Stadtwappen, das
erste wahrscheinlich aus dem XVIII. Jahrhundert und das zweite vom Jahre 1801. Die
zwei letzten Punzen dieser Gattung dürften Kreispunzen oder Schwertfegerpunzen sein,
und zwar die erste die Punze für den Grazer Kreis vom Jahre 1794 mit dem Buchstaben
in der Mitte, die zweite die Punze für den Marburger Kreis vom Jahre 1802 mit dem
Buchstaben in der Mitte, über deren Bestimmung nichts Genaues bekannt ist. Hierauf
folgen in der sechsten und siebenten Reihe acht Punzen für 13lötiges Silber aus der Zeit
von 1794 bis 1806 der Landstädte und Märkte Bruck, Hartberg, Judenburg, Leoben,
Marburg, Pettau, Wildon und Cilli, die sich nur durch den Buchstaben in der Mitte des
Schildes den Anfangsbuchstaben des Ortes unterscheiden und die vom Petschierstecher
Franz Nowatin in Graz um fl. das Stück angefertigt worden sind.
Aus derselben Zeit stammen die zwei nächsten Punzen, wovon die erste 13B"
wahrscheinlich den Brucker Kreis repräsentiert, während die zweite mit der Zahl 13
wahrscheinlich von außer der lnnung stehenden Arbeitern verwendet worden sein dürfte.
In der letzten Reihe befinden sich zuerst die drei Repunzen für Silberwaren aus den
Jahren 1806 und 1807 und dann die drei neuen Repunzen" oder TaxstempeW für die
Zeit von 1810 bis 1824.
Außer diesen hier erklärten Punzen sind aber noch mehrere alte, höchstwahr-
scheinlich steirische Städte- und Märktebeschauzeichen auf alten Silbergeräten vor-
gefunden worden, die aber als nicht einwandfrei bestimmbar hier nicht abgebildet worden
sind. Sie sollen einer späteren Studie, in der vielleicht auch noch einige sehr alte Grazer
und verschiedene südsteirische Städtebeschauzeichen gebracht werden können, vor-
behalten bleiben.
Zum Schlusse muB hier noch auf die große Wichtigkeit der Beschauzeichen oder
Feingehaltspunzen bei der Bestimmung der Herkunft von Gold- und Silbergegenständen
hingewiesen werden. Die Beschauzeichen sind die einwandfreien Bescheinigungen, die
von den Zünften. Städten und Marktgemeinden nur für die Erzeugnisse ihrer Mitglieder,
später auch für einzelne, nicht in den Innungen lebende Handwerker abgegeben worden
sind. Wenn dem Studium der Beschauzeichen eine größere Aufmerksamkeit gewidmet
werden möchte, dann würden die diesbezüglichen Fehlschlüsse nicht mehr so häufig
vorkommen.
JDV
FÜNF ZIG JAHRE WIENER KUNSTGEWERBE-
SCHULE 3th VON ALFRED ROLLER-WIEN S0
entspricht dem Ernst unserer Zeit, daß der Tag,
an dem die Kunstgewerbeschule des Österreichi-
schen Museums das fünfzigste Jahr ihres Bestehens
vollendet hat, unbetont durch festliche Veran-
staltungen vorübergehen mußte. Möge an Stelle
solcher folgende Rück- und Ausschau treten.
Als geistiger Urheber der Schule ebenso wie
des Museums ist zweifellos Eitelberger anzusehen.
Das kaiserliche Handschreiben an Erzherzog
Rainer, das die Gründung des Österreichischen
Museums anordnet, datiert vom 7. März 1863. Eröffnet wurde das Museum
am 31. Mai 1864. Aber schon vom Jahre 1863 an beeinflußt es die Zeichen-
schulen in den nordböhmischen Glasbezirken Haida und Steinschönau, regt
die Gründung einer solchen Schule in dem I-Iauptorte für Kleinglasindustrie
Gablonz an, befürwortet die Errichtung von Holzschnitzschulen in I-Iallein
und Gröden, erkennt aber gleichzeitig die Notwendigkeit der Schaffung einer
Hochschule für Kunstgewerbe in Wien" Festschrift des Österreichischen
Museums 1871, Seite 13.
Allein, die frische Begeisterung, die das junge Museum begrüßt hatte, war
verHogen und die Jahre 1864 und 1865 bringen einen Schriftwechsel zwischen
der niederösterreichischen Handels- und Gewerbekammer als Antragstellerin
und dem Staatsministerium, in dem jede dieser beiden Stellen der anderen
die Begründung einer Kunstgewerbeschule zuzuschieben trachtet, deren
Bestand übrigens allseits als eine unabweisliche Notwendigkeit" anerkannt
wird. Endlich siegt der Hinweis der Kammer auf -die Last, die ihr durch
die Erhaltung der neugegründeten Exportakademie erwachse, und das
Ministerium verlangt im Dezember 1865 von der Museumsdirektion Vor-
schläge für die Errichtung einer Kunstgewerbeschule in Wien. Sie werden
durch Eitelberger in einer vom 3. März 1866 datierten Denkschrift erstattet
"Mitteilungen des Österreichischen Museums", II, 14, vom 15. November
1866 und am 18. Februar 1867 vom Unterrichtsrat genehmigt. Im Juni ist
das Statut der neuen Anstalt unter tätiger Mitwirkung Van der Nülls fertig-
gestellt und erhält am 21. September 1867 die Allerhöchste Genehmigung.
In Storck, Laufberger, Sturm, König und Rieser werden 1868 die ersten
Professoren ernannt, das Kuratorium entsendet seine Mitglieder Brücke,
Engerth, Ferstel und Reckenschuß in den Aufsichtsrat der Schule, und am
15. Oktober 1868 wird die Anstalt eröffnet als oberste Schule für das Kunst-
gewerbe" Das Österreichische Museum und die Kunstgewerbeschule",
Hölder 1886, Seite 58.
Im folgenden Jahre bildet sich auch die Gesellschaft zur Förderung
der Kunstgewerbeschule", die bedürftigen Schülern das Studium ermöglicht.
ximßwa...
äsnw-q
.....-
ä.
Die spätere "alte Gewehrfabrik" in der Währingerstraße
Ihr erster Präsident ist Graf Edmund Zichy, ihr erster Kassier Lobmeyr, der
im Jahre 1869 das Präsidium übernimmt und bis zum Jahre x9x5 beibehält,
also durch 46 Jahre für die Gesellschaft tätig gewesen ist.
Die Anstalt untersteht dem Ministerium für Kultus und Unterricht und
geht später, im Jahre 1908, an das Ministerium für öffentliche Arbeiten über.
Sie wird durch gewählte Direktoren von zweijähriger Amtsdauer geleitet.
Vom Jahre 188g an erhält sie ständige ernannte Direktoren. Die Admini-
stration erfolgt durch die Direktionskanzlei des Österreichischen Museums.
Im Jahre 1900 wird die vollständige administrative Trennung der beiden
Institute voneinander vollzogen. Zwischen Schule und Museum besteht
fortan bloß eine auf Arbeitsgemeinschaft beruhende geistige Verbindung,
die sich im Laufe der Zeit immer inniger gestaltet und immer mehr vertieft,
weil sie beiden Anstalten die Verfolgung ihrer Ziele erleichtert und beiden
ein um so intensiveres Wirken ermöglicht.
Die Kunstgewerbeschule zählt bei ihrer Eröffnung 50 Zöglinge, darunter
sechs weibliche, und ist vorläufig in einem Hoftrakt der alten Gewehrfabrik in
der Währingerstraße untergebracht. 1872 übersiedelt sie in das neue Gebäude
des Österreichischen Museums und bezieht 1877 ihr eigenes Haus auf dem
Stubenring Nr. 3. Dieses, ein Werk Ferstels, wird von Eitelberger in seinem
Museumsvortrag vom 8. November 1877 als baukünstlerische Schöpfung
eingehend gewürdigt. Schade nur," so fügt der Vortragende bei, daß es
nichtmöglich war, das Gebäude in den ursprünglich bestimmten Dimensionen
auszuführen; denn es dürfte wohl kaum ein Jahrzehnt vergehen, so werden
diese Räume ungenügend sein." Da der Bauplatz, zwischen Ringstraße und
Wienfiußbett, zwischen dem Museumsbau und der geplanten Marxergasse
45
330
Das Österreichische Museum auf dem Stubenring
liegend, in der Flächenausdehnung gegeben war, so können die ursprünglich
bestimmten größeren Dimensionen, von denen Eitelberger spricht, wohl nur
in einem dritten Stockwerk bestanden haben, das später weggelassen wurde.
So fände das sonderbar abstechende, in wohlfeilster Weise offenbar als
Provisorium hergestellte Dach des Baues seine Erklärung. Sind doch noch
während der Bauführung 50.000 Gulden von der bewilligten Bausumme
erspart worden Allgemeine Bauzeitung", 46.Jahrgang 1881. Für die Vor-
bereitungsschule ist in dem neuen Hause überhaupt nie Platz gewesen. Sie
blieb im Aufbau des Museumsgebäudes untergebracht und erhielt x88 eigene
Räume in der Fichtegasse Nr. 4.
Die von Anfang an erkannte räumliche Unzulänglichkeit des neuen
Gebäudes, auf das die Anstalt bis heute beschränkt geblieben ist, war von
weittragenden Folgen für ihre Entwicklung. Leben heißt Wachstum."
Die Kunstgewerbeschule aber konnte zwar in dem Werte ihrer Einzel-
leistungen wachsen, eine Wirkung in der Breite aber war ihr verwehrt.
Statt sich bei der Ausgestaltung der einzelnen Abteilungen zugleich auf
immer weitere Gebiete des vielverzweigten gewerblichen Schaffens zu
beziehen, mußten, um die naturgemäß mit erhöhtem Raumanspruch ver-
bundene Entwicklung der I-Iauptabteilungen zu ermöglichen, immer wieder
einzelne Arbeitsgebiete aus dem Studienbetrieb ausgeschaltet, mußte die
Schülerzahl künstlich immer mehr verringert werden. So wurde diese
Schule je besser desto kleiner. Während sie zum Beispiel im Jahre 1877
nahezu 400 Schüler zählte, konnte sie vor dem Kriege kaum x50 auf-
nehmen. Daß unter solchen Verhältnissen von allen Vorkehrungen zur
körperlichen Ertüchtigung der Jugend, wie Errichtung eines Bades, eines
Tumsaales, eines Spielplatzes, eines schulärztlichen Dienstes und einer
zweckmäßigen Bespeisung der vielen ganz armen Schüler abgesehen werden
mußte, ist leider selbstverständlich. Seit zwanzig Jahren ist eine ganze Reihe
von Plänen zur räumlichen Ausgestaltung der Anstalt ausgearbeitet worden.
Ihre Verwirklichung ist, trotz verständnisvoller Förderung durch die vor-
gesetzte Behörde, bisher an dem Widerstande der Finanzverwaltung ge-
scheitert.
339
Hofseite des Österreichischen Museums
Der größte Nachteil, der der Schule aus dem Raummangel erwuchs,
war die Unmöglichkeit, den Unterricht werkstättenmäßig zu führen. Mitte
der Siebzigerjahre wird der erste ernste Versuch gemacht, die Schule
nach der praktischen Seite hin auszugestalten", das bisherige, mehr
allgemein-künstlerische Gepräge des Unterrichtes zu einem spezifisch kunst-
industriellen weiter zu entwickeln". Es wird ihr die vom Handelsministerium
provisorisch ins Leben gerufene chemisch-technische Versuchsanstalt ange-
gliedert; es werden Spezialateliers für das Studium einzelner kunstgewerb-
licher Techniken errichtet. Umsonst. Sie haben keinen Raum zur Entfaltung
und Erstarkung. Viele bröckeln ab, werden aufgelöst oder an andere An-
stalten verlegt. Und so steht die Schule nach fünfzigjährigem Bestande als
ein Bruchstück da. Ihre guten Leistungen auf einzelnen, eng begrenzten
Gebieten sind lediglich Beispiele für das, was im allgemeinen zu leisten
wäre. Sie gleicht einem jener japanischen Zwergbäumchen, die durch die
Form ihres Stammes und Astwerkes den Werdegang langer Jahrzehnte
erzählen, in ihrer absoluten Größe aber einen jungen Schößling nicht über-
treffen. Diese Kümmerbäumchen sind Schmuckplianzen; einen Nutzwert
haben sie nicht.
Das sind in gedrängter Kürze die äußeren Schicksale unserer Anstalt
während der 50 Jahre ihres Bestehens. Um die geistigen Wandlungen zu
begreifen, die sie seit ihrer Gründung durchzumachen hatte, müssen wir
uns die Denkweise der Epoche, der sie entstammt, vergegenwärtigen.
Das vorige Jahrhundert war, bis weit über seine Mitte hinaus, eine Zeit,
der im allgemeinen das Forschen und Wissen näher lag als das Schaffen,
die, gewohnt, blindlings ihrer Bildung zu vertrauen, sich in die Arme der
exakten Forschung und Wissenschaft erst recht hineinflüchtete, als ringsum
die menschliche Erwerbsarbeit neue ungewohnte Methoden und Formen
anzunehmen begann. Das Leben und Wirken eines so starken, unabhängigen
Geistes wie William Morris zeigt, wie betäubend die ungeheure Tatsache
des rapiden Emporkommens einer maschinell arbeitenden Großindustrie mit
allen ihren wirtschaftlichen und sozialen Folgen empfunden wurde, welche
uferlosen Erwartungen dieses Ereignis auf der einen, welches unbegründete
irlßyy?
mppm...
Ringstraßenseit der Kunstgewerbeschule Einreichungsplan, von Fcrstel unterzeichnet
Verzagen oder welchen doktrinären Widerstand es auf der anderen Seite
erweckte, welches Schwanken aller mit der bildenden Tätigkeit der Mensch-
heit zusammenhängenden Begriffe es hervorrief.
Das unglückliche Wort Kunstgewerbe", das wir jener Zeit danken,
und die nicht minder unzutreffenden gleichsinnigen Ausdrücke der englischen
und französischen Sprache beweisen die Unsicherheit der damals herr-
schenden Vorstellungen über die Verhältnisse der Kunst zum Gewerbe, der
Industrie zum Handwerk, der mechanischen zur individuellen Arbeit, der
Form zum Geist, der Schönheit zum Alltag.
Kunsthandwerkliches Schaffen bedeutet uns heute die Erhöhung des
Form- und Gebrauchswertes eines typisch gewordenen Zweckgebildes.
Jene Zeit dachte anders. Roh umrissen mag der Gedankengang, der
zur Schaffung des Österreichischen Museums und der Kunstgewerbeschule
geführt hat, etwa so gelautet haben
Unser Industrieprodukt ist häßlich und nicht wettbewerbsfähig. Unsere
Gewerbe sind nicht leistungsfähig. Die Kunst der Vergangenheit hat Herr-
liches geleistet, auch in ihren Erzeugnissen gewerblichen Charakters.
Ebenso wie unsere Kunst, so muß sich auch unser Gewerbe und unsere
Industrie an diesen Schätzen der Vorzeit ein Muster nehmen. Wir Gelehrte
vermögen diese schönen Altertümer nach Zeit und Herkunft zu bestimmen.
Unsere Wissenschaft lehrt, welche Epochen mustergültig sind und welche
nicht. Laßt uns also nachahmenswerte Werke der Kunst und des Gewer-
bes vergangener Zeit in einem Museum zusammentragen. Tausende von
Menschen werden sie da sehen und ihren Geschmack an ihnen bilden
können. Vielen anderen Tausenden werden wir Kunde von diesen
Schätzen geben durch Zeitschriften und Vorlagenwerke, durch Gips-
341
Prajektskizze für einen Aufbau auf das Kunstgewerbeschulgebäude von Baurat Frzimut, 1908
abgüsse, Galvanoplastiken und Photographien und wir werden alle diese
Menschen durch Bücher und Vorträge diese alten Kunstwerke verstehen
lehren. Dann werden diese Menschen erkennen, daß es besser ist, sich der
schönen Formensprache der Vergangenheit zu bedienen, als selbst neue,
häßliche Formen zu erfinden. Und da diese schönen Vorbilder der Ver-
gangenheit nicht unverändert für unsere heutige Industrie, unser heutiges
Gewerbe verwendbar sind, so laßt uns fachlich geschulte Zeichenkünstler
erziehen, die jene Vorbilder frei nachzubilden verstehen, und laßt uns zu
diesem Zweck der neuen Erfüllung unserer Gewerbe mit Kunst eine eigene
Schule schaffen, eine Kunst-Gewerbe-Schule."
So etwa mag jene Zeit gedacht haben und so ist es zu verstehen, daß
die Kunstgewerbeschule als Zeichenschule gegründet wurde, daß sie als
Behausung eine Reihe von Zeichensälen erhielt.
Heute ist es nicht schwer, den Irrtum dieses Gedankenganges auf-
zudecken, zumal wir die bösen Früchte, die er gezeitigt hat, vor Augen
haben. Er lag in der Annahme, daß Kunst und Gewerbe bloß graduell ver-
schieden seien, daß das Gewerbe eine Art niederer, unreinerer Stufe der
Kunst sei, daß man also ein Gewerbe bessern und heben könne, wenn man
es der Kunst annähere, es mit Kunstelementen versetze und seinen Arbeits-
kräften eine künstlerische Erziehung gewähre. Weil Kunst, um sich mit-
zuteilen, ähnliche Werkstoffe und Arbeitsweisen benützt wie das Gewerbe,
wurden ihre ganz anders gearteten Absichten übersehen. Weil die Wirkungen,
die vom hochstehenden Handwerkserzeugnis ausgehen, an Intensität denen
des Kunstwerkes gleichkommen können, wurde die von Grund aus ver-
schiedene Wesenheit dieser beiden Wirkungen nicht erkannt. Dieses Miß-
Verständnis konnte nur einer Zeit begegnen, die ein vorwiegend Verstandes-
JCCT
äääumkwwka;
vmovwclnvän FINDICYT
Projektskizze für einen Anbau an die Kunstgewerbeschule von Professor Josef Hoffmann, 1906
mäßiges Verhältnis zur Kunst hatte, die deshalb gerade jenen Kunst-
erscheinungen am fremdesten gegenüberstand, die ihr zeitlich am nächsten
lagen. Heute glauben wir wieder an die Kunst, an unsere Kunst, und gerade
die hohen handwerklichen Leistungen unserer Zeit haben es uns erleichtert,
diesen Glauben wiederzufinden; sie haben unser Gefühl verfeinert, so daß
wir wieder klar und deutlich die jeden Wertvergleich ausschließenden
Wesensunterschiede zwischen Kunst und Handwerk empfinden.
Habe ich vorhin auf den typischen Charakter des Handwerkserzeug-
nisses hingewiesen, auf seine klare Zweckbestimmung, seinen Gebrauchs-
wert, so kommen dergleichen Erwägungen bei dem Kunstwerk überhaupt
gar nicht in Frage. Es ist bei dem Kunstwerk ganz gleichgültig, ob es
typische Elemente enthält oder nicht, ob es zweckhaft ist, ob es irgend-
einen Gebrauchswert hat. ja nicht einmal ein besonders hoher Formwert
ist ein Kriterium des Kunstwerkes. Denn immer wieder muß die Kunst
hohen gewonnenen Formbesitz als Preis für weitere Entwicklungsmöglich-
keiten aufgeben.
Das Kunstwerk nämlich kommt als Ganzes zur Welt; es wird
erschaffen. Seine Form und sein Geist werden zugleich geboren, sie sind
unlösbar, untrennbar miteinander verbunden und bedingen einander gegen-
seitig.
Das kunsthandwerkliche Erzeugnis dagegen ist Formveränderung,
Formerhöhung, Formveredlung einer bestehenden, in der Vergangenheit
gewachsenen Formtype; und mag diese Tat noch so genial sein, sie ist
immer nur Umschaffung, nie Erschaffung.
So also ist das Kunstwerk einzig, einmalig, unwiederholbar, unnach-
ahmlich es ist Geschenk der Gnade.
Das Handwerksgebilde dagegen ist typisch, zweckhaft, wiederholbar
es ist nicht Geschenk, sondern adäquater Lohn der Lebensgesinnung.
lnnenhofansicht zu dem Projekte Josef Hoümann
343
Nie kann also das Kunstwerk mit seiner eingeborenen Form für hand-
werkliche Zwecke nutzbar gemacht werden, ohne daß unfruchtbare Miß-
gebilde entstehen; nie darf das Kunsthandwerk eingebildeten höheren
Zielen zuliebe dem Typus untreu werden, dessen Form es umschafft, sonst
endet es in Spielerei oder Sinnlosigkeit. Und wie sich das Industrieprodukt
vom Handwerksgebilde unterscheiden muß, ergibt sich aus seiner besonderen
Herstellungsart und aus der möglichen Massenhaftigkeit seines Auftretens
von selbst.
Dies nicht sofort klar erkannt zu haben war das Verhängnis jener
Zeit, der die Kunstgewerbeschule entstammt; deshalb mußten die damaligen
Bestrebungen zur Reform der Gewerbe scheitern; statt Fruchtbarkeit war
Mißwachs die Folge heißen Bemühens.
Und es gab einen anderen gangbaren Weg. Gedenken wir der Reste
gewerblichen Könnens, die zu jener Zeit noch lebendig waren zum Beispiel
der Möbeltischlerei, die in Wien wie in der Provinz damals noch vorzüglicher
Leistungen fähig war; der Wiener Taschnerei, -der Posarnenterei, des Stoff-
druckes, der Bandweberei, der Wiener I-Ierrenbekleidungsgewerbe, der
böhmischen Glaserzeugung gedenken wir vor allem des blühenden Gebietes
unserer Volkskunst! Sicher wäre es besser gewesen, diese und andere leben-
dige Fähigkeiten liebevoll und behutsam zu pflegen, statt sie zusammen
mit den wirklich verkommenen Gewerbszweigen auf die gleiche Schulbank
zu setzen. Von diesen Beständen an Eigengut wäre auszugehen und daneben
der eigentliche, besondere Sinn maschineller Arbeit zu erforschen gewesen.
Beides unterblieb und es wurde der kunstgewerbliche Zeichner ausgebildet.
Er hat den damiederliegenden Gewerben nicht aufzuhelfen vermocht und
hat in den lebendigen Zweigen alten Handwerks und in der jungen Industrie
verheerend gewirkt. Lange Arbeit war nötig, um die Spuren seiner Taten
zu verwischen. Sie ist noch heute nicht beendet. Aber er hat sein Wirken
.39"!
auch auf die Volkskunst erstreckt und was er hier vernichtet hat, kann keine
Zeit und keine Arbeit je wiederbringen.
Das sind Feststellungen aus rückschauender, wohlfeiler Erkenntnis.
Beileibe nicht etwa Vorwürfe! Dieses ganze Walten lag ja so sehr im Geiste
der damaligen Zeit, daß andere Staaten, die mit ihren gewerbefördernden
Versuchen später begannen als wir, die somit aus unseren Fehlern hätten
lernen können, weit entfernt hievon, genau die gleichen begangen haben.
Die Besserung konnte erst beginnen, als der Zeichner sich selbst wieder
in den Handwerker verwandelte; als er Ehrfurcht vor der Werkstatt zurück-
gewann; als er wieder die lebendigen Impulse verspürte, die von der Berührung
mit dem Arbeitsstoff ausströmen; als sein Formwille nicht nur durch die
äußerliche Bekanntschaft mit den Werken der Vorzeit aufgeregt, sondern
durch eigene praktische Handwerksarbeit erzogen und geläutert wurde; als
er merkte, daß die witzigste Form bloß ephemere Laune bleibt, wenn ihr
nicht der Ursprung aus einer geschlossenen Lebens- und Arbeitsgesinnung
Dauerwertverleiht; als er zu alledem unterscheiden lernte zwischen beseelter
Arbeit der Hand und unpersönlicher Präzisionsleistung der Hinken Maschine.
Ein solcher umfassender Gesundungsprozeß bedarf natürlich längerer
Zeit. Als aber die Wandlung des Zeichenkünstlers in den Handwerker voll-
zogen war, als der kunstgewerbliche Formgedanke wieder im Erleben
wurzelte und nicht mehr lediglich der Bildung und Belesenheit entsprang,
da vermochte keine Macht der Welt das Kunstgewerbe fürder zur Nach-
ahmung abgelebter Formen zu zwingen. Es war fortan nicht mehr die
matte Erinnerung an Gesehenes, sondern der lebendige Ausdruck einer
Lebensgesinnung. Und damit hatte es eine innere Ähnlichkeit mit den besten
gewerblichen Werken der Vorzeit gewonnen, die ihm deren äußere Nach-
ahmung nie verleihen konnte!
Diese Wandlung vom Zeichensaal zur Werkstatt, vorn Kennen zum
Können, von der Geschicklichkeitsübung zum Selbstbekenntnis bedeutet
den geistigen Werdegang der Kunstgewerbeschule während der 50 Jahre
ihres Bestehens.
Die Arbeit, die vorhergehen rnußte, damit diese Erkenntnisse gewonnen,
diese Wandlung vollzogen werden konnte, hätte auf dem eingeengten,
spröden Boden der Schule allein nie geleistet werden können. Für sie haben
sich einige ihrer führenden Lehrkräfte ein freieres Reich in der Wiener
Werkstätte" geschaffen. Dort haben Hoffmann, Moser und später auch
Czeschka jene beispielgebenden Leistungen hervorgebracht, von denen sich
unsere heutige Erkenntnis über die Möglichkeiten lebendiger gewerblicher
Edelarbeit herschreiben.
Die Erkenntnis von der Wichtigkeit der Werkstatt neben dem Zeichen-
und Vortragssaal ist also längst wiedergewonnen. Aber die Werkstatt selbst
fehlt uns. Wir haben keinen Platz für sie.
Weite Gebiete gewerblicher Tätigkeit bleiben derzeit in der Kunst-
gewerbeschule unbehandelt. So die ganze Metallbearbeitung; also das
Ebenso die Baubildhauerei, der Möbelbau und die Aufpolsterei, die Wand-
und Zimmermalerei, das Anstreichen, Vergolden und Stafiieren, die praktische
Schriften- und Schildermalerei; die Hohlglaserzeugung und Veredlung durch
Schnitt und Schliff, die Glasmalerei und Glasverbleiung, das Mosaik; der
Stoffdruck, die Färbe- und Batikverfahren, die Lederbearbeitung, der Buch-
einband, die Papierkonfektion; der Holzschnitt und Holzstich, die Radierung,
der Stahl-, der Kupferstich man denke an Briefmarken, Papiergeld und
wertpapierel, die Lithographie, die Spielwarenerzeugung. Auch der Geigen-
und Lautenbau, die Schaufenster- und Auslagenherrichtung, die Bühnen-
ausstattung und das Kostümwesen fallen in das Arbeitsgebiet einer Kunst-
gewerbeschule. Ja ich kann mir denken, daß eine auf der Höhe ihrer Auf-
gabe stehende solche Anstalt imstande sein müßte, eine schöne, jetzt aber
verkornmende Erfindung wie das Kino zu retten.
In allen genannten Berufen sind Tausende von Volksgenossen beschäf-
tigt. Sie tragen durch ihre Abgaben zur Erhaltung der Kunstgewerbeschule
bei, haben also ein Anrecht auf Förderung durch die Anstalt. Die ernsten
Klagen mancher gewerblichen Genossenschaften über mangelnde Berück-
sichtigung sind daher vollkommen berechtigt.
Daß einzelne der aufgezählten Gewerbe an anderen Orten und an
anderen Stellen Wiens didaktische Förderung erfahren, schließt die Not-
wendigkeit der Aufnahme in das Arbeitsgebiet unserer Anstalt nicht aus.
Denn die Kunstgewerbeschule soll ja, wie die Denkschrift Eitelbergers vom
Jahre 1866 sagt, nicht wie andere gewerbliche Lehrveranstaltungen Arbeiter
erziehen, sondern Künstler im wahrsten Sinne des Wortes, solche Künstler,
welche allen Anforderungen der Kunstindustrie, selbst den höchsten genügen
können". Das will, in unsere Ausdrucksweise übertragen, sagen Kräfte,
deren Können und Einsicht nicht bei den besten bisherigen Leistungen
eines Gewerbezweiges haltrnacht, sondern die beurteilen können, ob weitere
Entwicklungsmöglichkeiten vorliegen und die Wege für solche zu weisen
und auf ihnen voranzuschreiten verstehen; also führende Kräfte. Und eine
Anstalt mit so hohen Zielen kann naturgemäß bloß einmal in einem Sprach-
gebiet erhalten werden.
Auch soll die oben aufgestellte lange Liste nicht die Vorstellung ufer-
loser Pläne erwecken. Nicht für alle genannten Gewerbe ist ein Eingreifen
jederzeit gleich dringlich und wichtig. Auch würden sie, von guten Werk-
meistern praktisch gelehrt, in Gruppen zusammengefaßt, der Leitung einiger
weniger maßgebender Lehrkräfte unterstellt werden können.
Soviel über die Ausgestaltungsmöglichkeit des Lehrplanes. Was die
Vermehrung der Schülerzahl betrifft, so wird diese ihre natürliche Begrenzung
durch die Erwerbsaussichten der Absolventen finden. Aber diese Erwerbs-
aussichten durch eine fortwährende künstliche Beschränkung der Schüler-
46
Q1"
zahl heben zu wollen, ist ein allzu bequemes Verfahren. Es müßte ja folge-
richtig zur Aufhebung der Anstalt führen, was unmöglich der Sinn ihrer
Gründung gewesen sein kann. Die Erwerbsschwierigkeiten der Absolventen
sind vielmehr dadurch zu beheben, daß die Schüler zu einer größeren Zahl
von Erwerbsmöglichkeiten und zu vollkommener praktischer Brauchbarkeit
in den besonderen Fächern ihres Studiums erzogen werden. Das geht nicht
ohne Werkstättenarbeit und diese verlangt räumliche Ausdehnungsmög-
lichkeit.
Die Erwerbsschwierigkeiten der Absolventen der Kunstgewerbeschule
betreffend, die von Gegnern der Anstalt so gerne betont werden, wird
übrigens folgende Erwägung statthaft sein Der Kunstgewerbeschüler ist
von dem Augenblick an, da er die Anstalt verläßt, vollkommen auf sich
selbst angewiesen. Nur wenige sind so glücklich, Meistersöhne zu sein und
ihre Studien in klarem Hinblick auf die künftige Geschäftsübernahme
betreiben zu können. Um sich selbständig zu machen, fehlt den meisten das
nötige Kapital. In bestehenden Betrieben unterzukommen, haben aber gerade
die besten, reifsten und charaktervollsten Absolventen am wenigsten Aus-
sicht, da diese Betriebe in ihrer Mehrzahl ja doch von merkantilen und nicht
von Qualitätsrücksichten beherrscht werden. Gönner tindet der junge Kunst-
gewerbler viel seltener als der junge Maler oder Bildhauer. Gemeinnützige
Einrichtungen zur Verwertung kunsthandwerklicher Erzeugnisse fehlen. Erst
die Verkaufsstelle des Österreichischen Werkbundes hat in letzter Zeit dies-
bezüglich dankenswert eingegriffen. Stellen wir uns nun vor, es würden für
die Absolventen der Universitäten und technischen Hochschulen nicht die
vielen öffentlichen und privaten Anstellungsmöglichkeiten offen stehen,
sondern sie alle wären genötigt, als Privatgelehrte und Erfinder und Ent-
decker ihr Brot zu verdienen. Wie stünde es um ihre Erwerbsfähigkeit?
Ob angesichts der gegenwärtigen Zeitlage noch zu hoffen ist, daß die
Zukunft der Kunstgewerbeschule die reicheren Lebensbedingungen bieten
werde, die ihr die Vergangenheit vorenthalten hat, scheint ungewiß. Wir
stehen vor grundlegenden Umgestaltungen unseres ganzen öffentlichen
und wirtschaftlichen Lebens. Wer wollte heute sagen, ob eine noch so
gründlich und systematisch ausgebaute Kunstgewerbeschule unter den
neuen Verhältnissen noch Sinn und Berechtigung haben werde, ob diese
nicht ganz andere Formen des Lehrens und Lernens hervorbringen werden?
Mag ebensowohl sein, daß die neue Zeit unser Wirken erst recht betätigen
und enthüllen wird, daß die Kunstgewerbeschule unbewußt die Vorstufe
jener Arbeitsschule der Zukunft war, von der weitausblickende Pädagogen
sprechen. Sei dem wie immer. Eines lehrt die fünfzigjährige Arbeit, die wir
überschaut haben, gewiß Sie hat, wie ich gezeigt habe, nicht besonders
glücklich eingesetzt und ist unter ungünstigen Bedingungen fortgesetzt
worden. Und doch hat unsere Schule eine reiche Zahl tüchtiger, ja manche
hervorragende Menschen erzogen. Ein Künstler höchsten Ranges Gustav
Klimt, ist ihr entsprossen. Arm und bedrängt war sie zeitlebens und doch
347
sind lebendige Wirkungen von ihr ausgegangen, hat sie manches Beispiel-
gebende geleistet und auch im Ausland das Ansehen unseres Staates stützen
geholfen. Ist das nicht ein Beweis für den unverwüstlichen Schatz von
Begabung, der gerade in unserem Volke ruht? In dieser hohen Begabung
ist ein Pfeiler für den Bau der Zukunft gegeben, wie er stolzer und verläß-
licher wohl kaum gefunden werden kann.
ANHANG I.
LEITUNG DER KUNSTGEWERBESCI-IULE ZU WIEN.
WECHSELNDES DIREKTORAT
1868-1871 Storck, 1871-1873 Laufberger, 1873-1879 Storck, 1879, II. Semester bis
1881 Laufberger, 1881-1883 Sturm, 1882-1883 Rieser, 1883-1885 Sturm, 1885 bis
1887 Rieser, 1886-1887 Sturm, 1887-1889 Storck, 1888-1889 Sturm.
STÄNDIGES DIREKTORAT
x889-18g9 Storck, 1899-1905 Myrbach, x9o3-xgo9 Beyer, seit 1909 Roller, bis
auf weiteres mit der Leitung der Schule betraut".
ANHANG II.
GEGENWÄRTIGE LEHRKRÄFTE UND GLIEDERUNG DER KUNSTGEWERBE-
SCHULE ZU WIEN
Allgemeine Abteilung
Allgemeine Formenlehre Prof. Witzmann 20 Wochenstunden
Zeichnen und plastisches Arbeiten nach der Natur Prof. Böhm zo
Zeichnen und plastisches Arbeiten nach dem Akt Prof. von Kenner 20
Fachklassen
für Architektur Prof. Hoffmann, Prof. Tessenow, Prof. Dr. Strnad 30
für Malerei Prof. Löffler die andere Malschule ist derzeit un-
besetzt.......................3o
für Plastik Prof. Breitner, Prof. Strasser, Prof. Barwig, Prof.
Hanak........................3o
Werkstätten
für Metallplastik derzeit unbesetzt 3c
für Keramik Prof. Powolny 3a
für Emailarbeiten Prof. Adele von Stark 3c
für Textilarbeiten Prof. Rosa Rothansl 30
für Mode und Modezeichnen Prof. Wimmer 3o
Chemisches Laboratorium und chemisch-technische Versuchsanstalt Prof. Dr. Selch.
Sonclerkurse
Omamentale Formenlehre Prof. Öizek Wochenstunden
Ornamentale Schrift, Heraldik Prof. von Larisch
Allgemeines Aktzeichnen Roller, Prof. Mallina ro
jugendkunst Prof. Öizek
Vortrags- und Übungsfächer
Deutsch Dozent Merth
Deutsch II und IlIDozent Linke .je
Geschäftsaufsatz, Rechnen und Buchführung Dozent Merth Wochenstunden
Bürgerkunde Dozent Dr. Herz
Technisches Zeichnen Dozent Staatsgewerbeschul-Direktor
Schiffner.......................6
Technisches Zeichnen II und III Prof. Dr. Strnad und
Stilgeschichte Prof. von Kenner
Gewerbliche Chemie Prof. Dr. Selch
Anatomisches Zeichnen und Modellieren Prof. von Kenner
Kunst- und Kulturgeschichte Dozent Dr. Leisching
Liturgik Prof. Degner
Lieht- und Farbenlehre Dozent Dr. Kohlrausch
Offene Zeichensäle
Entwurfzeichensaal für Gewerbetreibende Prof. Witzmann xo
Aktzeichensaal für Männer Prof. Mallina xo
Aktzeichensaal für FrauenzProflMallina .10
ANHANG III.
EHEMALIGE LEHRKRÄFTE DER KUNSTGEWERBESCHULE zu WIEN
SEIT IHRER GRÜNDUNG.
Adam Emil, Chemie, 1890-1- 1918.
Bandl Ludwig, Dr., Anatomie, 1868-1872,
1892.
Bauer Alexander, Dr., Farbenlehre, Chemie,
1868-1875.
Berger julius, Malerei, 1881-1887, 1902.
Beyer Oskar, Architektur, 1872-1909,1-1916.
Bucher Bruno, Kunstgeschichte, 1876 bis
1889, 1898.
Chmelarz Eduard, Kunstgeschichte, 1877 bis
1888, 1899.
Czeschka Otto, Graphik, 1902-1907, derzeit
in Hamburg.
Decsey Alexander, technisches Zeichnen,
1880-1881, 1-1910.
Ditscheiner Leander, Dr., Farbenlehre, 1869
bis 1877, 1-1905.
Donadini Ermenegild, Malerei, 1877-1881,
derzeit in München.
Ernst Richard, Dr., Kulturgeschichte, 1914
bis 1915, derzeit in Wien.
Fallenböck Richard, Malerei, 1888-1890,
890.
Fiedler Rudolf, Geschäftskorrespondenz, 1906
bis 1910, derzeit in Wien.
Ginzl Adolf, Stilkunde, 1888-1911, derzeit
in Baden bei Wien.
Grandauerjosef, Methodik des Zeichenunter-
richtes, 1877-1878,1-1894.
Groll Andreas, iigurales Zeichnen, 1887 -bis
1907, 1907-
Guttrnann Leopoldine, Textilarbeiten, 1901
bis 1910, derzeit in Wien.
Haas Karl, Galvanoplastik, 1883, derzeit in
Wien.
Hauser Alois, Stilkunde, 1868-1878,
1-1896.
Hecht Wilhelm, Holzschnitt, 1886-1898,
derzeit in Linz.
Heller Hermann Vinzenz, Dr., Anatomie,
1897-1915, derzeit in Wien.
l-Ierdtle Hermann, Architektur, 1875-1913,
derzeit in Wien.
HomerErnst, Kulturgeschichte, 1915-1918,
derzeit in Wien.
l-Irachowina Karl, ornamentales Zeichnen,
1872-1896, 1-1896.
Hrdliczka Hans, Spitzenzeichnen, 1879 bis
1906, 1907.
Ilg Albert, Dr., Kunstgeschichte, 1872-1876,
1896.
Kajetan julius, technisches Zeichnen, 1884
bis 1918, 1-1918.
Karger Karl, Malerei, 1887-1908, 1-1913.
Kerber-Guichard Marie, französische Sprache,
1906-1914.
Kerndle Karl Maria, Baukonstruktion, 1912
bis 1914, derzeit in Wien.
Klotz Hermann, Bildhauerei,
derzeit in Dornbirn.
Kokoschka Oskar, ligurales Zeichnen, 1912
bis 1913, derzeit in Wien und Dresden.
Kölbl Benedikt, Vergolden, 1893-1894, 1'.
König Otto, Bildhauerei, 1868-1899, derzeit
in Wien.
Kosch Franz, Chemie, 1875-1887, 1-1887.
Kühne Karl, Modellieren, 1877- 1895, 1895.
Laufberger Ferdinand, Malerei, 1868-1881,
1881
Linke Friedrich, Dr., Chemie, 1881-1909,
1914-
Ludwig Ernst, Dr., Chemie,
derzeit in Wien.
Macht Hans, Emailmalerei,
Dekoration, Kunstgeschichte,
11377-1914. 1914-
Matsch Franz, Malerei, 1893-1901, derzeit
in Wien.
Metzner Franz, Modellieren,
derzeit in Berlin.
Minnigerode Ludwig, figurales Zeichnen,
1876-1900, derzeit in Salzburg.
Moser Koloman, Malerei, 1899-1918,1- 1918.
Müller Karl, Baukonstruktion, 1905-1906,
derzeit in Wien.
Myrbach Felician Freiherr von, Graphik,
Malerei, 1897-1904.
1878-1911,
1871-1874,
keramische
Stilkunde,
1903- 1908,
JWV
Pattison Julia C., englische Sprache, 1906 bis
1914, derzeit in Wien.
Ribarz Rudolf, Malerei, 1892-1900, 1-1904.
Rieser Michael, Malerei, 1868-1889,
190 5.
Rößler Rudolf, Malerei, 1887-1893, derzeit
in Wien.
Roller Alfred, ligurales Zeichnen, 1900 bis
1909, derzeit Leiter der Anstalt.
Schlechta Hans, Architektur, 190 5-1909,
derzeit in Villach.
Schulmeister Willibald, ornamentales Zeich-
nen, 1895-1908, 1909.
Schwarz Stephan, Metallplastik, 1876-1914,
derzeit in Wien.
Storck Josef Ritter von, Architektur, 1868 bis
1899, 1902.
Sturm Friedrich," Malerei,
898.
Teirich Valentin, technisches und ornamen-
tales Zeichnen, 1868-1876, 11876.
Theyer Leopold, technisches Zeichnen, 1877
bis 1878, derzeit in Graz.
Unger William, Radieren, 1881-1895, der-
zeit in Wien.
Wallantschek, Rechnen, Buchführung, Bür-
gerkunde, 1906-1910, derzeit in Wien.
Wieser Josef Freiherr von, technisches
Zeichnen, 1881-1884, 11918.
1868-1892,
STUDIEN IN ALBANIEN UND MAZEDONIEN
VON LEOPOLD FORSTNER-STOCKERAU St.
I7 LS ich im Jänner 1gx7 als Sammelofiizier des
k. u. k. I-Ieeresmuseums zu einer Bereisung der
okkupierten Balkangebiete aufbrach, war es mir
klar, daß da unten vieles ethnographisch Wichtiges
zu zeichnen und auch aufzusammeln wäre. Auf
meinen Vorschlag hin wurde mir vom Kaiser Karl-
Museum mit Genehmigung der k. u. k. Heeresver-
waltung der Auftrag erteilt, eine möglichst große
Anzahl von volkskundlichen Gebrauchsgegenstän-
den, Erzeugnisse des Handwerks und der Haus-
industrie mitzubringen. Es sollte damit bezweckt werden, nicht nur die
Lebensverhältnisse und -bedürfnisse der Balkanbevölkerung unserer Öffent-
lichkeit vorzuführen, sondern ihr auch zu zeigen, wieviel eigener hand-
werklich wertvoller und zugleich künstlerisch bemerkenswerter Besitz dort
359
schonvorliegt,
auf dem es
in Zukunft für
die westeuro-
päische Zivili-
sationzufußen
und aufzu-
bauen gilt.
Die Grundla-
ge und Vor-
aussetzung
jedweder ge-
deihlichenkul-
turellenArbeit
und Verwal-
tung ist die ge-
naue Kenntnis
Leopold Forstner, Wohnhaus aus Skutari Österr. Museum
der betreffenden Bevölkerung, ihrer angestammten Eigenart in leiblicher
und geistiger Hinsicht, ihrer Arbeit und Kunstfertigkeiten, ihres Handels
und Wandels, kurzum ihrer ethnographischen Besonderheiten. In Österreich
und speziell in Wien ist die Aufgabe, an der Erschließung der Balkan-
gebiete mitzuarbeiten, eine allgemeine Aufgabe aller in Betracht kommenden
Anstalten, daher ersuchte mich die Direktion des Österreichischen Museums,
auch für dieses Institut einiges typisch Kunstgewerbliches der Balkanländer
zu erwerben.
Meine Sammlungsreisen erstreckten sich über Montenegro, Albanien
und einen Teil Mazedoniens, und zwar den Teil Mazedoniens, der haupt-
sächlich noch von Albanern bewohnt ist. Es ist dies der Teil westlich der
Linie Üsküb-Veles-Prilep-Ochrida-Brens. Die Erwerbungen geben
kein abschließendes Bild, es treten aber doch die hervorstechendsten Züge
künstlerischer Artung deutlich hervor.
Ich nenne hier besonders die Textilarbeiten; die prächtigen Seidenstoffe,
die gemusterten Baumwollgewebe sind gleicherweise ein Zeugnis der
blühenden Zucht der Seide in Albanien wie der künstlerischen Höhe ihrer
Verwertung.
Wie reiche Anregung ich als Künstler in jenen Ländern empfangen
habe, zeigen die vielen Zeichnungen, die sich teilweise im Kaiser Karl-
Museum und im Österreichischen Museum befinden. Sie sollen vor allem
dartun, daß trotz aller Ungebundenheit in der Lebensführung, in der Arrn-
seligkeit der Bevölkerung, in jedem Einzelnen ein kräftiges Können steckt.
Für die Zukunft rnuß letzteres gefördert werden, um diese Bevölkerung
einer neuen und höheren Entwicklung zuzuführen.
Um ein Volk xkennen zu lernen, muß man seine Sitten und Gebräuche
näher studieren, sein Wohnen, seine Lebensauffassung und so weiter. Es
unterscheiden sich die Stadtbewohnervon den Landbewohnern, unter letzteren
wieder die des Flachlandes von den Hochländern Malzoren. Die Städte
unterlagen der türkischen Verwaltung; der Landbewohner ist von der Stadt
abhängig. Die verschiedenen Stämme haben einen Häuptling Bajraktar als
Vorstand, der Krül, das Haupt, ist Vorstand eines Viertels. Diesen obliegen
nun die Handhabung von Gesetzen um verschwenderischen Geldausgaben
zu steuern oder um Preissteigerungen vorzubeugen, gegen den Luxus etc.
Umgebungen dieser Gesetze werden mit dem Verluste einer Kuh und so
weiter bestraft. Diese Beispiele zeigen deutlich, daß eine derartige Einrichtung
sich mehr der Sympathien der armen als der reichen Bevölkerung erfreut.
Was die Kleidung des Albaners betrifft, würde diese malerisch zu
nennen sein, wenn sie nicht zu sehr im Zeichen der Armut und des
Schmutzes stünde. Bei Männern kommt es vor, daß die Kleidung ohne
Unterwäsche am Leibe getragen wird. Die Landbevölkerung steckt meist
jahraus, jahrein in der gleichen Kleidung. Da sie diese nicht einmal zur
Nachtruhe ablegt, so kann man sich leicht vorstellen, wie dieselbe nach
kurzer Zeit aussieht. Es gibt aber in den Städten auch Bewohner, die meist
rein, sauber und schön gekleidet
sind.
Der Anzug des Albaners
besteht vorwiegend aus einer eng
anliegenden weißen Filzhose mit
schwarzen Borten, aus einer wei-
Ben joppe Dschamadan, eben-
falls mit schwarzen Borten ver-
ziert. An der Anbringung dieser
Borten kann man in den meisten
Fällen die Stammesangehörigkeit
des einzelnen konstatieren. Die
Opanken sind aus Leder. Statt
des Fes trägt der Albaner ent-
weder eine weiße oder braune
runde, höhere oder niedere Filz-
kappe Ksul. In manchen Gegen-
den wird eine Art Wetterkragen
umgehängt, der meist ein in Farbe
und Form schönes Ornament auf-
weist. Im Winter wird von der
Landbevölkerung eine Art langer
Weste getragen, aus Schaffell
verfertigt, die Haare nach außen
und ohne Ärmel. In manchen
Gegenden sind die Ärmel des
Dscharnadan am oberen Teile Leopold Forstner, Aus Elbasan Österr. Museum
Leopold Forsmer, Wohnhaus aus Elbasan Österr. Museum
von derAchsel-
höhle bis zum
Ellenbogen
oder noch wei-
ter geschlitzt,
so daß man
dieses Klei-
dungsstück im
Sommer bei ar-
ger Hitze auch
ohne Ärmel
tragen kann.
Im südlichen
Albanien En-
det man schon
Einschläge der
griechischen
Kleidung. Um die Mitte trägt jeder Albaner einen meist roten oder auch
farbigen Schal. Die Frauen tragen häufig ein farbenreicheres Gewand, einen
häufig unten gefransten Rock und ein ärmelloses Leibchen aus dem
gleichen dicken Wollstoff, meist schön gestickte Kopftücher und dicke,
reich ornamentierte Wollstrümpfe und Opanken. Ganz charakteristisch ist
ein bunt gestickter meist roter Rückenfleck, der zum Tragen von allen
möglichen Dingen und auch der kleinen Kinder verwendet wird.
Der Religion nach ist die Bevölkerung Albaniens zumeist mohamme-
danisch. Nordalbanien ist fast vorwiegend katholisch, im südlichen und in
Mittelalba-
nien ist oft
eine starke
Mischung
mit der grie-
chisch-ortho-
doxen Reli-
gion zu Fin-
den.
DieLand-
schaft Alba-
niensistteils
ganz flach,
insbesonders
längs der
Küste, da-
bei stellen-
weise sehr
Leopold Forstner, Wohnhaus aus Üsküb Ösxerr. Museum
versumpft; der andere Teil weist ein Gebirge auf, das an Wildheit und
Unwegsamkeit seinesgleichen sucht. Saumpfade ziehen sich meist an
unheimlichen Abgründen dahin oder führen über schmale Felskanten
und Bänder.
Die Frau spielt im Leben des Albaners eine ganz untergeordnete Rolle,
sowohl im öffentlichen wie im privaten Leben. Sie gilt als unverletzlich, dies
ist aber nicht ein Zeichen der
Achtung, sondern ein solches
der Geringschätzung. Die Frau
verfällt auch nie der Blutrache,
weil es eineSchandewäre, sich mit
einer Frau zu streiten. Die Frau
wird nur im Haus verwendet, der
Albaner benutzt sie aber auch als
Lastträgerin, wenn ihm sein Trag-
tier krank wird. Ideale Liebe ist
dem Albaner ein fremder Begriff.
Der Tod der Ehegattin geht dem
Albaner wohl zu Herzen, aber er
betrauert nicht die Lebens-
gefährtin, sondern sozusagen die
verläßliche dienstbare Hausfrau.
Die Frau lernt ihren Mann erst
bei der Hochzeit kennen, denn
die Ehe wird von den Eltern ver-
einbart. Die Eheleute gehören in'
den meisten Fällen verschiedenen
Stämmen an, da sich die Mit-
glieder desselben Stammes als
Sprößlinge eines Ahns für bluts-
verwandt halten und jede Bluts-
verwandtschaft ein Ehehindernis
darstellt. Ffühe Heirat und Leopold Forstner, Glockenturm aus Üsküb Österr. Museum
schwere Arbeit lassen die Alba-
nerin bald altern. In mohammedanischen l-Iäusern sind die Frauen mit
den Kindern in eigenen Räumen untergebracht. Jeder Albaner muß
heiraten, es gibt nur wenige Ausnahmen. Mädchen, die nicht heiraten,
erklären dies feierlich in der Kirche und tragen dann Männerkleider
und Waffen und stehen unter dem Schutz der Kirche, verwalten oft das
Erbe der Eltern und entziehen sich auf 'diese Art einer ihnen nicht
zusagenden Verlobung. Das Essen besteht aus Maisbrot, Schaikäse,
Lammfieisch, meist gebraten, und Sauermilch; auch spielen rohe Gemüse,
wie Salat, Gurken und Tomaten, eine ziemliche Rolle. Getränk gibt es
eines, Raki", das ist Schnaps.
47
354
Geister- und Gespenstersagen
spielen eine große Rolle. Der böse
I-Iausgeist ist eine Schlange, die
Glück und Unglück im Hause
mit Pfeifen ankündigt. Stirbt in
einem Haus der Mannesstamm
aus, so verläßt die Schlange das
I-Iaus. Der gute Geist, der Geist,
der Wünsche erfüllt, ist Mauthia,
eine Fee in goldenem Gewande;
wer ihr dieses raubt, ist glücklich
bis an sein Lebensende. Der
ungeheure Riese muß unter der
Erde die Kessel heizen, aus denen
das Wasser der warmen Quel-
len, die bei Elbasan entspringen,
fließt. An Elfen, Bräute der
Berge", glaubt der Albaner,
weiters an umgehende Tote,
an geschwänzte Menschen, solche
mit
einem
Zie-
genschwanz und solche mit einem Pferde-
schweif, an verborgene Schätze, an den Teufel,
der an einer ungeheuren Kette hängt und das
ganze Jahr daran nagt; zu Ostern hat er die
Kette beinahe durchgebissen, dann kommt
Christus und hängt ihn wieder an eine neue
Kette und so weiter.
Über Architektur und Gewerbe in Albanien
ist folgendes zu bemerken Von Architektur
nach unseren Begriffen kann eigentlich nicht
gesprochen werden, es wäre denn, daß man
einige Moscheen oder Schlösser von reichen
Albanern ins Auge faßt; denn nur diese Bauten
weisen ein reiferes architektonisches Wollen auf
und es liegt ihnen ein gewisser Plan zugrunde,
nach dem sie geschaffen wurden. Die Moscheen,
besonders Südalbaniens, weisen einen massiven
Baucharakter auf und dürften nicht von boden-
ständigen Albanern erbaut sein, sondern meist
von aus Mazedonien eingewanderten Hand-
werkern. Es zeigen dies auch Ausmalungen
Leopold Forstner, Aus Korenika Ösxerr. Museum
.6
Leopold Forsmer, Aus Prilep Österr.
Museum
an einzelnen dieser Gotteshäuser, die im verwendeten Ornament an
das Alt-Mazedonische erinnern. Die Schlösser der wohlhabenden Albaner,
die meist Bajraktare waren, sind Wohnbauten mit Wehrbauten gemischt
und machen von außen meist einen burgartigen Eindruck. Im Innern
dieser Anlagen sind schöne Höfe zu finden, die in der Einfachheit
ihrer Architektur monumental wirken und dabei von prachtvollen Rosen
überwuchert sind.
Die Kirchenbauten im südlichen Albanien, in Gegenden, die vor-
herrschend von Griechisch-Orthodoxen bewohnt werden, dürften wohl aus
der Zeit der Kreuzzüge stammen, so zum Beispiel in Ochrida, wo sich
27 Kirchen und Ka-
pellen aus dieser Zeit
befinden. Diese Kir-
chen weisen schöne
Fresken und Marmor-
arbeiten auf, sind aber
jetzt mehr oder weni-
ger dem Verfall preis-
gegeben, denn es be-
steht kein eigentlicher
Schutz für diese her-
vorragendenBauwer-
ke.DerWohnhausbau
ist bodenständig, denn
für diesen wird das
jeweilige Baumaterial
verwendet, das in der
betreffenden Gegend Leopold Forstner, Webstuhl aus Prilep Österr. Museum
zu finden ist, zum Bei-
spiel an der Küste meist Geflecht- und Lehmstakenhäuser, die außen und
innen einfach mit Lehm verschmiert werden. In ausgesprochen lehmreichen
Gegenden wird ein Ziegel für den Wohnhausbau erzeugt, der aber nicht ge-
brannt wird. Mit solchen Ziegeln werden die Häuser und Umfassungsmauern
gebaut. Die graubraune Farbe dieser Bauten verleiht den Straßen einen
eintönigen Charakter, zum Beispiel in Tirana, Pekinj, Elbasan und so weiter.
Wo das Holz vollständig mangelt, wird der ganze Bau aus Stein hergestellt,
dadurch entstehen niedere schwer-fällige I-Iäuser, die auch meist mit Stein-
platten gedeckt sind. Noch wären die Wehrbauten Kulas zu nennen. Die
Stadthäuser, hauptsächlich der Mohammedaner, sind meist mit großen Hallen
und Veranden versehen und in zahlreichen Fällen aus Brettern und Latten
hergestellt, welche mit einer Putzfläche überzogen sind, verfallen leicht und
machen dann den Eindruck des Gerippes der höchsten Scheinarchitektur.
Es würde bei diesem Aufsatz zu weit führen, auf die Inneneinrichtung
der Häuser einzugehen; die meisten sind in Weiber- und Männerräume
au"
geteilt, vornehmere weisen große Hallen auf, Empfangshallen, wie die
der reichen Familie Toptani in Tirana. In einfachen I-Iäusern Findet man
noch die offene Feuerstelle als Herd für Kochzwecke in Verwendung, in
vornehmeren, besonders mohammedanischen Häusern zuweilen schon
ornamentierte Kamine. Die Wandnische spielt im Raume eine bedeu-
tende Rolle. Die einzelnen Möbel, soweit in besseren Häusern davon ge-
sprochen werden kann, sind sämtlich eingebaut; Bettstellen gibt es keine,
denn der Albaner liegt auf seinem Teppich, der Arme direkt auf dem Boden
oder auf einer Unterlage von Farnkräutern etc. Polster und so weiter werden
bei Tag immer in einer Truhe verwahrt.
Von den Erzeugnissen des Kunstgewerbes sind in erster Linie die der
Weberei zu nennen, eine Tätigkeit der Frauen, die hauptsächlich spinnen,
wirken und weben, stellenweise auch sticken und dies bis zur feinsten
Nadelmalerei bringen. Der Spinnrocken ist noch in seiner Urform zu finden
und häufig mit schönem Kerbschnitt versehen. Der Spinnrocken wird meist
unter die Rock- oder Schürzenschnur an der Hüfte gesteckt, die Spindel
wird horizontal in der Hand gedreht. Die Weiber spinnen meist nahe am
offenen Feuer, damit die feinen
Haare der Wolle gleich weg-
gebrannt werden. Auf das Spin-
nen folgt das Weben, das auf
horizontalen Trittwebstühlen ge-
schieht. Ich fand im ganzen fünf
verschiedene Webstuhltypen, der
primitivste dürfte wohl der kuzo-
walachische sein, den ich in Süd-
albanien gefunden habe; eine
Type, die ganz von diesem ab-
weicht, ist der aufrechtstehende,
wie er in der Gegend von Prizren,
Veles und Prilep zu finden ist;
auf diesem werden grobe Ziegen-
wollsäcke gewebt. Für feinere
Gewebe, wie Seide und Baum-
wolle, wird ein besser durch-
gebildeter Webstuhl verwendet,
der in jedem albanischen Haus
zu treffen ist. In der Gegend von
Tirana ist eine Art des Seiden-
webstuhles in jedem Hause ein-
gebaut. Seide wird für Weberei-
zwecke in den meisten Fällen
nicht gefärbt, dagegen sehr oft
Leopold Forsmer, Aus Prilep Österr. Museum Baumwolle; mit sehr VlBl GB-
schick wird Seide und Baum-
wolle miteinander verwebt.
Weiters wäre der Silber-
schmied zu erwähnen, der in
den nördlichen Teilen Albaniens
hauptsächlich Filigranarbeiten
aus Silber, in den Gegenden von
Elbasan hauptsächlich derberen,
getriebenen Bauernschmuck,
teils aus Silber, teils aus Messing
herstellt. Die Schmuckindustrie
scheint früher auf einer höheren
Stufe gestanden zu sein, denn die
alten Münzgehänge, Filigran-
ketten, Gürtelschließen etc. zei-
gen viel mehr echte Konstruktion
und solidere Arbeit als die heu-
tigen Erzeugnisse, die einen ge-
wissen Übergang zu Fremden-
verkehrsartikeln darstellen, wie
Zigarettenspitzen, Broschen, Ohr-
gehänge etc.
Das Töpferhandwerk ist an
bestimmte Orte, wo sich Ton-
lager finden, gebunden; es sind
dies meist Küstenorte, wie zum Beispiel Kavaja. Zur Herstellung benützt
man allgemein eine hohe Töpferscheibe mit Fußantrieb; zwei Hölzer dienen
als Werkzeug. Die Formen der Töpferwaren sind auf antike Vorbilder
zurückzuführen, wie dies auch der Dekor zeigt Frei modellierte Formen
kommen wenig vor und wenn, so sind das ganz primitive Tierformen. Ich
spreche nur von einheimischer albanischer Töpferei, denn es findet sich
dort auch italienische Einfuhrware.
Eine Sonderheit, speziell in Tirana, ist der Drechsler, der die feinen
Tschibuks aus Zypressenholz erzeugt, die im ganzen Land verkauft werden.
Wie die meisten albanischen Handwerker bei ihrer Arbeit sitzen, so sitzt
auch der Drechsler vor einer zirka 20 Zentimeter hohen und 60 Zentimeter
breiten Drehbank, ohne Fußantrieb; er bewegt das eingespannte Holz mit
einem Bogen, dessen Schnur er um das Holz schlingt, und arbeitet daher nur
mit einer Hand, wobei es ihm möglich ist, die feinsten Formen zu drechseln;
dies setzt wohl eine ganz enorme Fertigkeit voraus.
Der Kupferschmied ist meist in den größeren Basaren zu finden und
erzeugt Wasserkannen, Waschbecken, die bekannten, oft ungeheuer großen
Anrichtteller und verschiedene gravierte Büchsen und Dosen, die mitunter
auch in der geschmackvollsten Weise teilweise verzinnt sind.
Leopold Forsmer, Häuser aus Ochrida Österr. Museum
33"
Einen weiteren Teil der Handwerker bildet der Schneider, der die
schönsten Schnurstickereien auf Tuch und Samt in goldenen und farbigen
Litzen und Schnüren anfertigt. Mitunter erzeugt noch ein Schneider seine
verwendeten Litzen und Borten selbst.
Jeder Albaner hat Geschick für das Handwerkliche und unverbrauchten
Sinn für das Notwendige und Zweckmäßige in seinen Bedürfnissen, die nur
gepflegt und gefördert werden müssen, um das Volk in eine gesicherte
Zukunft und weitere Entwicklung hinüberzuführen.
AUS DEM WIENER KUNSTLEBEN 31h VON
HARTWIG FISCHEL-WIEN Sie
ÜSSTELLÜNGEN UND SAMMLUNGEN. Die Ungunst der Zeiten drückt
sich in mannigfaltigen Formen der angeblichen Kunstförderung, der scheinbaren
Kunstliebe und in der zögernden Haltung der ernsten künstlerischen Betätigung aus. Es
rollt viel Geld auf dem Kunstmarkt. Die Nachfrage übersteigt das Angebot und doch kann
der Künstler, der Ernstes will, dessen nicht froh werden.
Die stille Zeit der Sommermonate hat wenig von neuer Arbeit ans Licht gefördert.
Eine intime kleine Sonderausstellung von O. Laske in der Galerie Arnot soll hier
besonders erwähnt werden, weil sie eine abgerundete Bilderschau aus jüngster Zeit bot,
die dieses liebenswürdige Talent in fortschreitender Kräftigung zeigt. Seine lebhafte
Phantasie, das feine Tonempiinden und der flüssige leichte Pinselstrich, mit dem er das
Flüchtigste festhält, haben aus der
farbenbunten Welt des nahen Orients
Reizvolles auf das Papier gebannt. Hier
ist das pulsierende Leben gefaßt und
Reales geschildert, wie es ein phanta-
sievoller Kopf aufnimmt; von allem ist
gerade nur soviel gegeben, daß der
dekorative, farbige Gesamteindruck,
der bei ihm immer geschlossener wird,
und das vibrierende Leben, das von
ihm immer sicherer herausgegriffen
wird, wirksam und verständlich blei-
ben. Über das zufällige Detail gleitet
sein rascher Strich zumeist achtlos
hinweg. Die Kriegsjahre, die den Künst-
ler nach Rußland und in die Türkei
geführt haben, sind für zahllose Stu-
dien fruchtbringend genützt worden.
Er hat eine reiche Mappe vor uns aus-
zubreiten. Die kleine Sammlung brachte
eine gute Auswahl und wirkte darum
um so eindringlicher.
An anderen Stellen sind die gün-
stigen Gelegenheiten durch Schau-
stellungen von wechselndem Inhalt
genützt worden. So findet man in der
Leopold Forstner, Wohnhaus aus Oclirida Öslerr. Museum Jagofnirgottstraße einen Raum mit
339
Arbeiten polnischer Künstler gefüllt, der oft Gutes bietet. Da ist ein schönes Bild Vlastimil
Hofmanns Krippe" neben frischen Arbeiten R. und Jadwiga von Tetmayrs zu sehen.
Neben dem sinnigen, von Religiosität erfüllten und naiv empfundenen, klar und einfach
dargestellten Werk I-lofmanns wirken die sonnigen Naturschilderungen jadwiga Tetmayrs
wie das Weltkind neben dem Philosophen. Eine bäuerliche Sonntagsruhe A. Piotrowskis
bringt wohltuende Innerlichkeit und Konzentration zum Ausdruck.
An Sammlung" fehlt es heute den meisten. Wo Kunst laut auftritt, lauert zumeist
ein Zweck, eine Absicht, die verstimxnen. Die Verkaufsgelegenheit lockt die leichten,
bequemen und gefälligen Nichtigkeiten und Flüchtigkeiten in Menge hervor. Zahllose
Kunstläden bringen sie jetzt bereitwillig und erzielen materiellen Erfolg.
Ähnlich ergeht es der alten Kunst. Die Auktionen lockten den Winter über den
Privatbesitz an und das Zusammenströmen vieler Einzelgegenstände nährte eine große
Zahl von Versteigerungen, die wohl eine Zerstreuung und Befriedigung für mäßige
Ansprüche bildeten. Ernstere Sammlungen, Kunstwerke von höherem Wert sind jetzt
äußerst selten bei uns zu finden, sie suchen zumeist deutsche Kaufkraft auf. Die Sammlung
Thill, welche vielerlei kunstgewerbliche Arbeiten des Mittelalters und der Renaissance
enthielt, bildete den Schluß der Auktionsserien und fiel dabei durch ihren Inhalt auf, obwohl
sie wohl das Resultat einer tüchtigen und fleißigen, nicht aber einer bedeutenden Sammel-
tätigkeit genannt werden konnte. Allmählich gewinnen jetzt auch Dinge an Wert, die bisher
mit Unrecht geringgeschätzt wurden.
Nachdem die Neigung zu Prunkstücken vomehmer Lebensführung zu phantastischen
Preisbildungen Ursache gab, ist auch der Hausrat des Mittelstandes und die volks-
tümliche Arbeit im Ansehen gestiegen. Die Wertschätzung guter Handarbeit, gediegener
Materialbehandlung und edler Formgebung wird auch dort gerechtfertigt sein, wo es galt,
das tägliche Bedürfnis mittlerer Schichten der Bevölkerung zu befriedigen. Gerade solche
Stücke sind es, die durch ihren starken handwerklichen Reiz und ihren gediegenen Ernst
erziehlich wirken können. Darum ist
es sicher von großem Wert, daß die
Neigung zum Sammeln, die nun ein-
mal zu den Äußerungen der veränder-
ten Lebensführung zählt, auf solche
Stücke ausgedehnt wird, die als wahre
Gebrauchsgegenstände edler Form
ihren Zweck in schöner Weise erfüllten
und nun zum Schmuck von Glasschrän-
ken verrückten.
Das Sammeln", früher ein Vor-
recht einzelner Begüterter oder leiden-
schaftlich Begeisterter, welche Einzel-
gebiete der großen Kunst, des Kunst-
gewerbes mit Eifer und Gründlichkeit
zu durchforschen suchten, hat sich als
Tageserscheinung über so weite Kreise
verbreitet, daß der Sinn dieser Tätig-
keit vielfach zu einem Zerrbild entstellt
wurde. Für die meisten ist leider nur
das Naschen an reizvollen Früchten
alter Kunstfertigkeit, das oberflächliche
Mitmachen einer verbreiteten Mode,
die Triebkraft. Wo aber die ernsthafte
Beschäftigung mit dßm Gezßnßfwd Leopold Forstner, Fischerkapelle am Ochridasee Österr.
mangelt, fehlt auch die Gewähr für Museum
irgendein wertvolles Ziel und die zahl-
reichen Opfer der Unkenntnis wachsen
allmählich ins Ungemessene. Der Zu-
strom von Gegenständen, die aus den
verborgenen Winkeln der Haushal-
tungen auftauchen, kommt aber manch-
mal auch den ernsten, zielbewußten
Sammlern und den öffentlichen Samm-
lungen zugute, die ihre Lücken füllen,
ihre Bestände ergänzen. Von solcher
Seite konnten auch in diesem Jahre
reichliche Gelegenheiten ausgenützt
werden und es muB hervorgehoben
werden, daß auch- die Geberfreude wohl-
habender Kreise zum wertvollen Vorteil
für unsere Sammlungen manchmal ge-
nützt wurde.
-Trotz der Ungunst der Zeiten ist
eine neue große ößentliche Sammlung,
das Technische Museum", eröffnet
worden, das eine lange, ausgedehnte
Vorarbeit zum glücklichen Abschluß
brachte und auch für alle jene von
großem Wert ist, welche dem Kunstge-
Weißes Tuch rnit farbiger Kreuzstichstickerei werbe besonderes Interässe zuwendeth
Öslexr. Museum Eine zweite, dem Kunstgewerbe noch
näherstehende Leistung auf musealem
Gebiete ist so erheblich gefördert worden, daß ihre Vollendung in nahe Aussicht gestellt
werden kann das Museum für Österreichische Volkskunde und Volkskunst.
Hier bereitet sich trotz schwierigster äußerer Verhältnisse eine Schaustellung vor,
die für jeden Freund des heimischen Handwerkes, der nationalen Kultur ein bedeutungs-
volles Ereignis bildet. Der reiche Inhalt der schon lange hoch gewerteten Sammlung wird
endlich in klarer, übersichtlicher und anregender Form aufgestellt und der würdige
Rahmen, der diesen Objekten dient, ist kürzlich fast gänzlich hiezu brauchbar gemacht
worden. Der alte Schönborn-Palast in der Laudongasse ist mit einfachsten Mitteln aus
seinem verfallenen Bauzustand zu einem erfreulicheren Dasein erweckt worden. Die Schau-
seiten sind teil-
weise durch Aus-
besserungen, teil-
weise durch De-
molierungen in ei-
nen demMuseums-
zwecke dienlichen
und das Auge be-
frie digenderen Zu-
standversetztwor-
den; besonders die
FreilegungderGar-
tenfrontbildeteinen
Zuwachs zu den
städtischen Archi-
tekturbilderfuwgrm Buntbestickter Saum eines Frauenhemdes aus Mazedonien Österr. Museum
OVa.
auch die Zeit dem
schönen Bauwerk
soviel Schäden zu-
gefügt hat, daß sein
Schicksal wohl als
ein Leidensschick-
sal bezeichnet wer-
den muß, so bildet
doch seine jetzige
Verwendung eine
Art Auferstehung,
die eine würdige zu
nennen ist. Wenn
günstigere Zeiten
und reichere Mit-
tel geüatten wer" Decke mit Stickerei in Gold und bunter Seide aus Mazedonien Österr. Museum
den, das begon-
nene Rettungswerk auszubauen, so kann die unmittelbare Umgebung des alten Bauwerkes
zu einem neuen Schmuckstück einer unserer öffentlichen Gartenanlagen werden.
Die vorstädtische Residenz des ehemaligen Reichskanzlers, in der allerdings nur
mehr ein getäfelter Saal und eine Prunktreppe den alten Glanz ahnen lassen, beherbergt
heute bäuerliche Kunst. Im Äußern ein typisches Schaustück unserer barocken Kunstblüte,
das mit seiner langen Front einen ganzen Straßenzug beherrscht, vermittelt dieser einfache
Bau den Rückblick in eine heimische baukünstlerische Betätigung. Die langen Folgen von
schmucklosen Räumen beherbergen jetzt reiche Schätze heimischerVolkskunst, die sich ihres
vornehmen Gastgebers nicht zu schämen brauchen. So wird hier ein Zweifaches erreicht."
Es gelangt die emsige und glückliche Sammeltätigkeit auf dem Gebiete nationaler Eigenart
zu würdiger und beredter Wirkung, die ein großes Museum volkstümlicher Kunst aus dem
Völkerverband unseres Staates zu gewinnen vermochte, ein Denkmal der Lebens-
und Wohnsitten, der Arbeit und I-landwerkstüchtigkeit, der Traditionen und der Kultur
vieler Stämme, der
Entwicklungsreihen
vieler alter und le-
benskräftigei-Fähig-
keiten und schöpfe-
rischer Begabun-
gen. Dann wird
aber auch ein wert-
volles Baudenkmal
vor dem Vergessen
bewahrt, das in sei-
nerGesamterschei-
nung und Anord-
nung, in seiner Stel-
lungzumStraßenbild
und seiner grünen
Umgebung eine der
schönen Bautradi-
tionen in Erinnerung
bringt, die dasWie-
Gewebtes weißes Tuch mit Ornamenten in Rot und Gold, aus der Drinebene Österr. nel" Stadtbild kann"
Museum zeichnen.
.2
KLEINE NACHRICHTEN Sie
IE DEUTSCHEN RENAISSANCEPLAKETTEN DER SAMMLUNG
ALFRED WALCHER RITTER VON MOLTI-IEIN IN WIEN
hat kürzlich der rührige und kenntnisreiche Direktor des Kaiser Franz Joseph-Museums in
Troppau, Dr. Edmund Wilhelm Braun, als zweiten Band der Österreichischen Privat-
sammlungen" in einem stattlichen Tafelwerke herausgegeben, das der deutschen Wissen-
schaft und Kultur zu Ausgang des vierten Jahres des Weltkrieges alle Ehre macht." Die
in vorzüglichen Lichtdrucken auf LXXIII Tafeln
wiedergegebenen 242 Plaketten vom Ende des
XV. bis in das XVII. Jahrhundert geben einen
guten Begriff von der Vorliebe der Renaissance
und ihrer Meister fürjene feinen Blei- und Bronze-
iiißva
reliefs, mit denen man die verschiedensten kunst-
gewerblichen Gegenstände, Schmuckkästchen,
XOXOA Bucheinbände, Setzuhren, Salzfässer, Bronze-
ÄVAVAVAVAVAVAVJ mörser und Zinnflaschen, Dolch- und Degen-
scheiden, Schalen und Schüsseln und hundert
andere Dinge zu schmücken pflegte. Zugleich
aber ist diese wertvolle Veröffentlichung auf das
beste geeignet, uns von dem Geschmack und
scharfen Blick des ja auch als vielseitiger For-
scher rühmlichst bekannten Besitzers dieser Pla-
ketten, wie auch von seinem Sammlerglück eine
hohe Meinung beizubringen.
Unterstützt wird die Anschauung und vom
rein ästhetischen Genuß mehr zum tieferen Ver-
ständnis geleitet durch einen knapp gehaltenen,
aber aus dem Vollen geschöpften Text, in den
nochmals 13 lehrreiche Abbildungen, ausge-
zeichnet klare Autotypien, eingestreut sind. Die-
ser Text zerfällt in eine Einleitung, die, aus-
gehend von allgemeinen Bemerkungen über
Gebrauch und Technik der Plaketten, einen Über-
blick über die Entwicklung dieser Kunstgattung
in der deutschen Renaissance und über ihre
Gewebtes weißes Tuch mit Ornamenten in Rot, hauptsac13llchsten Meister blete? und "eine
aus Drinebene Ösmm Museum katalogmaßigeBeschreibung der einzelnen Stucke,
bei der eine Gruppierung nach Zeit und Ort und
Meistern versucht ist. Unsere Wissenschaft von der Plakette ist noch sehr jung, noch um
ein gutes Jahrzehnt jünger als die Vertiefung unserer Kenntnis von der deutschen
Renaissancemedaille, deren gründliche Erforschung um die Mitte der Achtzigerjahre des
vorigen Jahrhunderts einsetzte. Daher ist denn auch das ganze Gebiet noch voller Probleme
und treten Persönlichkeit und Schaffen der einzelnen Meister nur erst zum Teil mit Deut-
lichkeit hervor. Der Verfasser ist diesen Schwierigkeiten und noch der Lösung harrenden
Aufgaben tapfer zu Leibe gegangen, indem er sie aufzeigt, erörtert und an der Hand der
reichen Walcher von Moltheinschen Bestände bewältigt oder doch zu ihrer Überwindung
beiträgt. Schade nur, daß ihm bei seiner Untersuchung der Aufbau, die Gliederung des
Ganzen nicht in der wünschenswerten Klarheit und Durchsichtigkeit gelungen ist.
Unter den technischen Fragen ist eine der wichtigsten die nach dem Original-
modell, als dessen Material wohl in der Regel der Speckstein Verwendung fand, wenn
Kunstverlag Anton Schroll 00., G. m. b. l-L, in Wien 1918.
nicht, wie beispielsweise bei dem
Meister Wachsmodelle voraus-
zusetzen sind, sowie die weitere Frage
nach dem Zwischenglied zwischen
dem Originalstein und der gegossenen
Plakette, also nach den Modeln oder
Formen, aus denen die Güsse hera
gestellt wurden und über die die An-
sichten noch recht geteilt sind. Braun
neigt dazu, den Metallgußformen den
Vorrang vor dem Formsand zuzuer-
kennen, zumal eine Sandform immer
nur wenige Abgüsse zugelassen haben
würde.
Eine noch ungelöste Frage ist
auch die nach der Tätigkeit des
pleigiessers" oder kunstgiessers"
Peter Flötner des jüngeren, wohl eines
Enkels des bedeutenden Nürnberger Re-
naissancemeisters, und einigermaßen
rätselhaft bleibt auch zunächst, was
über die Metallpresse Wenzel Jam-
nitzers und den Metallfigurendruck
Wiegendecke mit Stickerei in Gold und bunten Farben, aus
Skutari Österr. Museum
Hans Lobsingers berichtet wird. Braun glaubt, in beiden Fällen an das Stanzen von ganz
dünnen Metallblechen denken zu sollen, und mag damit wohl das Richtige treffen.
Auch der Gießertätigkeit und überhaupt der gesamten Künstlererscheinung Hans
Maslitzers wäre in diesem Zusammenhangs noch genauer nachzugehen. Allerdings wären
dabei vorweg die in der bisherigen Literatur recht schwankenden Lebensdaten des Meisters
festzustellen, worüber hier nur in Kürze gesagt sein soll, daß es sich wohl nur um den
Hans Maslitzer handeln kann, der am 24. jänner 1534 gegen eine Gebühr von Gulden
Stickerei in Schwarz und Rot, aus Veles Österr. Museum
in Nürnberg zum Bürger aufge-
nommen wurde Hanns Maist-
liczer" und dabei als kunstner"
bezeichnet wird Bürgerbuch von
i496 bis 1534 im königlichen Kreise
archiv Nürnberg, Blatt 185 a. Im
August 1536 vextrug man sich noch
einmal mit ihm .,auf das altt
bürgerrecht" ebenda, am Rande
vermerkt. Aber schon vor seiner
Bürgeraufnahme muß er längere
Zeit in Nürnberg ansässig gewesen
sein und eine erfolgreiche Tätigkeit
entfaltet haben, wie deutlich aus
dem Privileg hervorgeht, mit dem
ihn Kaiser Karl V. 1532 begabte und
demzufolge allen Untertanen des
Reiches, namentlich den Messer-
schmieden, bei Strafe von Mark
Goldes durch fünf Jahre vorn Da-
tum des Privilegs an gerechnet
verboten wurde, die von Maslitzer
angefertigten messer-
schalen, die vor nit in
prauch gewesen" unter
seinem Zeichen nach-
zumachen. Zum Jahre
1538 hören wir, daß er
die guldenen und sil-
bernen, auch kupffernen
und bleyemen Schau-
groschen" nach einer
handschriftlichen Notiz
Doppelrnayrs gemacht
habe, die in den Grund-
stein der Vestnertor-
Bastei eingelegt wurden.
1540 verhandelte der
Rotes Leibchen mit schwarz-weißer Schnurstickerei, aus der Gegend von Nürnberger Rat mit ihm
Alessio Österr. Museum vergeblich wegen Über-
nahme des Münzmeister-
amtes vgl. meine Ausgabe der Nürnberger Ratsverlässe", Band Nr. 2502, 2504 und
2506, 1572 wurde er I-Iannß Mastlizer, Goldschmid" bei. F. Roth, Genanntenbuch 1802,
Seite gx zu einem Genannten des größeren Rates erwählt nicht 1532, wie man bei
Neudörfer, Edition Lochner, wohl infolge eines Druckfehlers liest und am 10. August 1574
nicht erst 1587, wie Roth schreibt zu Grabe getragen der erbar Hannß Maßlizer
am alten milchmarck bey des alten Letters behaußung", Totenbuch 1573 bis 1575 im
königlichen Kreisarchiv Nürnberg, Blatt 105. Er hinterließ ein Vermögen von 232g Gulden
Schilling 61, Pfennig. Seine Witwe Anna starb im April 1585 Tctenbuch x584 bis
1585, Blatt 43.
Fast durchwegs bieten die eigentlich urkundlichen Nachrichten keinerlei Berufs-
bezeichnung; dem Handwerk der Goldschmiede scheint er nicht angehört und seine Haupt-
tätigkeit in späteren Jahren vielleicht irn Siegel- und Petschaftgießen" bestanden zu haben,
denn die Ausübung dieser Kunst wurde auch seinem Sohne, dem Goldschmiede Tobias
Maslitzer 1613, als einzigem unter den Goldschmieden
kurz nach des Vaters Tode vom reichsstädtischen Rat aus-
drücklich gestattet Ratsverlässeß II, Nr. 175 und 207.
Aber die Bezeichnung kunstner", das heißt Freikünstler,
bei seiner Bürgeraufnahme deutet auf einen von keinerlei
l-landwerkszwang eingeengten geschickten Mann und
eriinderischen Kopf, die Erwähnung von etlichen kunst-
liehen stucken", die er mit großer Mühe und großen Kosten
erfunden habe, in jenem Privileg über die neuen Messer-
schalen könnte geradezu den Gedanken an kleine Plaketten
zum Schmuck dieser GriEe aufkommen lassen und als aus-
gezeichneter Kunstgießer, als den ihn schon Neudörfer
rühmt, wird er wohl jedenfalls eine Rolle auf dem Gebiete
der Nürnberger Plakettenkunst gespielt haben.
In ähnlicher Weise ließe sich nun wohl das von Braun
über verschiedene andere Meister Gesagte es handelt
sich namentlich noch um Hans Bolsterer, Joachim Deschler,
die Kels, den Meister den man doch wohl von Nürnberg
wird nach Frankfurt setzen müssen, die Monogrammisten Gewdms Band Üsküb ömm
und Jonas Silber, zu dessen Kenntnis auch als Museum
.4". rsIILHrkZrI-ÄQQIQ
Punzenstecher Braun bisher das gute
Beste geleistet hat, und um den jüngeren
Paul Flindt paraphrasieren und er-
gänzen. Doch ich will mich darauf be-
schränken, nur noch mit ein paar Worten
auf die Kels-Frage einzugehen, über die
ich mich kürzlich auch an anderer
Stelle Allgäuer Studien zur Kunst und
Kultur der Renaissance", Sonderausgabe
aus der Festschrift für Gustav von
Bezold" Mitteilungen aus dem Ger-
manischen Nationalmuseum", Jahrgang
xgr8 und 191g auf Grund neu aufge-
fundener urkundlicher Belege verbreitet
habe. Ich wies daselbst nach, daß Hans
Kels, der Bildschnitzer zu Kaufbeuren,
der als der Meister des berühmten Wiener
Spielbretts von x5 37 zu gelten hat, nicht
etwa, wie man wohl angenommen hatte,
bereits x47g unter den Kaufbeurer Steuer-
zahlern erscheint, sondern erst 507
gelegentlich seiner Arbeiten für Kaiser
Maximilian erstmalig genannt wird, 508
in Kaufbeuren heiratet, nach dem Tode
seiner Frau kurz vor der Mitte des jahr-
hunderts wahrscheinlich eine zweite Ehe
eingeht und 15 59 stirbt. Es hat also
zwischen seinen Werken und denen
seines gleichnamigen Sohnes, des Augs-
burger Medailleurs x565 oder 1566,
Bunte Strümpfe aus Mazedonien Österr. Museum
ohne Zweifel eine strengere Scheidung Platz zu greifen, als sie bisher beliebt wurde; und
vor der Frage, ob Hans Kels der Ältere oder der Jüngere, stehen wir nun auch hinsichtlich
der an der reizvollen Augsburger Standuhr der Walcherschen Sammlung seitlich zur
Verwendung gekommenen Plaketten mit der Darstellung der Musen Erato und Klio
Tafel XI des Braunschen Tafelwerkes oder richtiger hinsichtlich der Birnholzreliefs, die
als Vorbilder dafür gedient haben. Diese, aus der Ambraser Sammlung und dem Besitz
Gürtelschließe aus Mazedonien Österr. Museum
des Erzherzogs
Leopold Wilhelm
stammend, befin-
den sich heute,
zusammen mit
vier anderen Re-
liefs der gleichen
Art auf einem
Brette aufgeleimt,
im kunsthistori-
schenl-Iofmuseum
zu Wien vgl.
julius von Schlos-
ser, Werke der
Kleinplastik in
der Skulpturen-
Sammlung des Allerhöchsten
Kaiserhauses", II, 19m, Sei-
te und Tafel VII, und
sind von 1545 datiert. Sie
sind ohne Zweifel nahe ver-
wandt mit den vier feinen,
allegorische weibliche Ge-
stalten darstellenden Holz-
reliefs irn Germanischen Na-
tionalmuseum zu Nürnberg
vgl. Walter josephi, Die
Werke plastischer Kunst",
1910, Nr. 484 bis 487 und
Tafel LV, die signiert
und mit größter Wahrschein-
lichkeit dem Meister des
Wiener Spielbretts, also Hans
Kels dem Älteren, zuzu-
schreiben sind. Ob nun aber
die Wiener Reliefs gleichfalls
diesen Künstler zum Urheber
haben, scheint mir doch
sehr fraglich. Es walten oifen-
bar zwischen ihrer sehr viel
flaueren, schematischeren,
kleinlicheren Art und Auf-
fassung und den Nürnberger
Frauenmantel mit schwarzer Schnurstickerei Österr. Museum Stücken, die in ihrer Groß-
zügigkeit und Leidenschaft
bei aller delikaten Ausführung noch ganz den Geist der Frührenaissance atmen, recht
beträchtliche Qualitätsunterschiede ob. Man vergleiche nur zum Beispiel die Faltengebung
oder den Gesichtsausdruck und die Haarbehandlung der Frauengestalten beider Gruppen
miteinander. Ich möchte daher fast annehmen, daß die deutlichen Anklänge an die Kunst
des älteren Hans Kels eher auf einen Schulzusammenhang mit ihm als auf seine Urheber-
schaft zurückzuführen, die Wiener Reliefs vielleicht sogar nur als Kopien nach etwas
älteren Originalen des Kaufbeurer Meisters anzusprechen seien, denn die wundervollen
Nürnberger Stücke werden wir wohl auch zeitlich in die nächste Nähe des Wiener Spiel-
bretts zu rücken haben.
Doch wir wollen uns nicht vermessen, das Gras wachsen zu hören, und unser kurzes
Eingehen auf den Fall Kels" sollte hier zunächst nur zeigen, in wie innigen Beziehungen
gerade auch die Kunst der Plakette zu der übrigen Renaissancekunst steht und wie dankbar
wir daher dem Verfasser für seine treffliche Erschließung der Walcher von Moltheinschen
Sammlung sein müssen. Theodor Hampe
LASSIZISTISCHE BAÜKÜNST. Mit dem Gefühl natürlicher und naher Ver-
wandtschaft betrachten wir heute die Kunst um 1800; und vor allem die Baukunst,
die uns in wesentlichen Dingen zum Lehrmeister und Vorbild geworden ist. Wir fühlen
uns zu der Sachlichkeit und Klarheit jener Architekten hingezogen, die das künstlerische
Bild mancher deutschen Städte bestimmt haben; München und Berlin in erster Reihe.
Xhre großartige, wahrhaft raumschaffende Gesinnung empfinden wir als etwas, das uns am
nächsten angeht. Wir möchten nach xoo ahren vergeblichen, unseligen Spekulierens in
allerlei Stilen wieder da anknüpfen, wo der gute Geist der Baukunst noch über der Phantasie
der Architekten und dem Wollen der Bauherren schwebte; wo es erste Bedingung eines
Gebäudes war, daß es sich in die Umgebung raumbildend einfügte, daß es schöne Pro-
portionen besaß und vor allem, daß es seinen Charakter in seinen Formen ausprägte.
Denn das in erster Linie ist das Charakteristikum der sogenannten klassizistischen
Baukunst, und nicht die Nachahmung klassischer Formen in mehr oder minder ausgeprägter
Reinheit. Die Bauformen der Griechen und Römer waren seit Albertis Zeit, fast vier Jahr-
hunderte lang, das immer neu befolgte Muster für die Architekten aller Länder gewesen;
und dennoch hatte die Entwicklung einen so differenzierten Gang genommen, von Bramante
bis zu Fischer von Erlach, bis zu Percier und Schinkel. Die Gesinnung schafft den Stil und
der jener klaren kühl denkenden Männer vorn Ende des XVIII. Jahrhunderts fühlen wir die
unsrige nahe verwandt. Auch wir stehen in einer Opposition gegen ein Zuviel von Bewegung
und Pathos, das uns die Rauschkunst vom Ende des XIX. Jahrhunderts gründlich verleidet
hat; auch wir wünschen Großräumigkeit und Charakter in der Architektur unserer Städte.
Fabriken und Landhäuser ausgedrückt und streben nach einer Einheit höherer Ordnung,
wie sie jener letzten Phase der großen Stadtbaukunst des XVIII. Jahrhunderts noch im Blute
steckte.
Es ist ganz erstaunlich und versteht sich doch eigentlich von selbst, wie verwandt
sich moderne Dinge mit dem berühren, was uns das vorliegende Werk in großer Fülle
ausbreitet. Wie Zimmer von Paretz
und Freienwalde an E. R. Weiß,
Schultze-Naumburg und andere
denken lassen; und wie wir in Tes-
senow einen Baumeister besitzen,
der sich ebenbürtig neben das Genie
der Sachlichkeit, neben David Gilly
den Vater, stellt.
Das schöne und gewichtige
Buch von Hermann Schmitz über
die Baukunst der Zeit um r8oo'
beschränkt sich freilich auf die Ar-
chitektur Berlins von Knobelsdorii"
bis Schinkel und Titel und auf die,
welche sich ihnen räumlich und
stilistisch aufs engste anschließen,
wie etwa Krahe in Braunschweig
und Koblenz. Aber es gibt doch
eben darum ein äußerst glück-
liches und geschlossenes Bild jener
Epoche, weil die Berliner Baukunst
sehr typisch ist für jene Zeit, die
wir mit dem französischen Kunst-
begriff Empire am besten zu um-
schreiben glauben, und die trotz
aller und wiederholter Einflüsse
von Paris her so deutsch, so
spezifisch preullisch ist, daß man
eine besondere Bezeichnung für
sie erfinden müßte. Dieses Boden-
Hermann Schmitz, Berliner Bau-
meister vom Ausgang des 18. Jahrhunderts.
Mit 386 Abbildungen. Berlin, Verlag flr FarbigesÄrmelleibchen mit schwarz-weißer Schnurstickerei, aus
Kunstwissenschaft. Tirana Österr. Museum
ständige, der Nation wie angegossen Passende macht die Architektur und dekorative
Kunst Berlins um 1800 in besonderem Maße repräsentativ für die Zeit, weil wir schließlich
in Preußen das damals kulturell und geistig vorgeschrittenste Land erkennen.
Das Schmitzsche Werk wendet sich in erster Linie an Architekten und Liebhaber der
Architektur, das heißt, es legt den weit überwiegenden Nachdruck auf die Abbildungen,
die meisterhaft ausgewählt und reproduziert sind und dem stattlichen Bande eine unver-
gängliche Bedeutung sichern. Solche Bücher, die uns das wertvollste Material einer Epoche,
einer Landschaft in anschaulicher Übersicht darbieten, sind höchst willkommen und können
nie zahlreich und sorgfältig genug hervorgebracht werden. Leider beschränkt die Schwierig-
keit der Herstellung und die Opfer, welche der Verleger für sie bringen muß, die erwünschte
Unbegrenztheit ihrer Zahl. Man muß nur nachlesen, unter welchen Schwierigkeiten viele
der köstlichsten Aufnahmen zustande kamen, und man wird die Opfer des Verlegers und
des Autors zu schätzen wissen. Des Autors denn solch ein Werk bedeutet bei ihm eine
große Entsagung. Hinter dem Abbildungsstoß zurückzutreten, das reiche Material, das
hierzu gesammelt war, aufs äußerste einzuschränken und nur einen knappen Extrakt daraus
zu geben welch eine Selbstbescheidung gehört dazu! Die schwachen 70 Seiten Text ver-
raten kaum die drängende Fülle des Stoffes; er verbirgt sich in dem Anhang, der eine
fortlaufende Beschreibung der Abbildungen" es sind 326 Folioseiten am Schlusse gibt.
Mehr als ein gewichtiges Werk hätte sich aus der Sachlichkeit dieses Materials zimmern
lassen. Aber wi.r sind an l-I. Schmitz diese Selbstbeherrschung gewohnt, die sich an die
knappeste Form des Berichtes hält, und bedauern solche Kargheit, trotz ihrer gediegenen
Strenge.
Die Entwicklung holt bei ihm etwas weiter aus, da, wo die Friderizianische Epoche
beginnt bei Knobelsdorff, dem Architekten von Potsdam und Sanssouci. Das klassische
Element ist hier nur so weit vertreten, als es der Zeitstil, das Rokoko, überhaupt enthält,
welcher ja das Wesentliche im Innenbau gibt. Aber schon bei Gontard, dem Erbauer der
Königskolonnaden und Gendarmenkirchen in Berlin, verstärkt sich das Element des
Klassizistischen durch Dresdener Einflüsse; die Flächen werden beruhigter, die Linien
schlichter. Und Erdmannsdorf, der von Dessau nach Berlin kommt, dessen schönste
Werke in Dessau, Wörlitz, im Berliner Schloß sich befinden, bringt das Flächenhafte in
der Außenarchitektur namentlich kleinerer Bauten schon früh zur Herrschaft. Der Fest-
saal des Dessauer Schlosses, der strenge korinthische Gliederung zeigt, datiert von 1767
und darf wohl als das früheste Beispiel klassizistischen Geschmackes in Deutschland sn-
gesehen werden.
Den Höhepunkt des Berliner Frühklassizismus bedeuten Langhans und die beiden
Gilly, Vater und Sohn, mit ihrem Anhang Gentz, dem jungen Schinkel, Titel, Catel und
Hans Chr. Genelli. Langhans kommt noch vom Rokoko her Rheinsberg x76g und wird
durch seine Reisen in Italien und den Einfiuß Palladios zum völligen Klassizismus bekehrt.
Das Brandenburger Tor 1793 wird seinen Namen unsterblich erhalten; eines der ersten
Werke der Zeit, von dauerndem Gehalt und höchstem künstlerischem Ernst.
David Gilly, wie Langhans von Jugend auf für die praktische Baukunst erzogen, ist in
hervorragendem Maße der Praktiker der Zeit, der nicht nur theoretisch und in der Aus-
führung ein Meister aller Techniken des I-Ioch- und Flachbaues ist, sondern auch durch
die Aufrichtigkeit und denkErnst seiner schlichten Formen den Zeitgeist ganz rein ausdrückt.
Zwar sind ihm monumentale Aufgaben versagt geblieben, vielleicht weil er selbst nicht
darnach strebte, im Bewußtsein, nur auf engerem Gebiete sein Eigenstes zu geben. Aber
im Landhausbau war er musterhaft und ist es noch heute, und heute mehr denn je.
Wie er von allen am stärksten auf die junge Generation wirkt, so stehen seine Bauten
namentlich Schloß Paretz und Steinhöfel und das Viewegsche Haus in Braunschweig
vor uns als richtunggebende Beispiele edelster Wohnbaukunst, die in guten Verhältnissen,
Wohnlichkeit und vornehmer Sachlichkeit, bei sparsamen, aber vortreßlichen Schmuck-
formen das Wesentliche charaktervoller Architektur sucht.
Sein Sohn Friedrich Gilly gehört zu den genialen jünglingen der Epoche, die vor
ihrer Vollendung starben, wie Novalis, Runge, Fohr. Die wenigen Bauten, die er aus-
führen konnte, sind zum Teil schon wieder abgebrochen. Aber die Fülle seiner wahrhaft
architektonischen Phantasie hat er in seinen Zeichnungen und Entwürfen ausgeschüttet.
von denen das Projekt des Denkmals Friedrichs des Großen auf dem Leipziger Platz das
gewaltigste ist und ein echtes Nationalheiligtum, des großen Preußenkönigs würdig. Der
Geist der Zeit hat sich hier in gebändigten Massen, in weitausgreifender, stadtbaulich
höchst genialer Anlage ein Denkmal geschaffen, das in griechischer Form empfunden.
aber voll deutscher Größe und Empfindung ist; ein Seitenstück zu der großen Kunst
A. J. Carstens', der fast zur selben Zeit wie Gilly starb und gleich wie er, nur früher
entwickelt, das schwere Problem der klassizistischen Kunst löste und die Erreichung
seines Ideals mit frühem Tode zahlte. Es sind die beiden Genien in der Kunst des
erwachenden deutschen Volkstums sehr bezeichnend und von ergreifender Tragik, daß
gerade ihnen ein Vollenden ihrer hohen Ideen bei Lebzeiten versagt und durch einen
vorzeitigen Tod- unmöglich gemacht wurde.
Schinkel gehört nur mit wenigen ganz frühen Bauten Schloß Buckow in diesen
Kreis, als er noch völlig unter dem Bann seines geliebten Lehrers Gilly stand. Seine
spätere Entwicklung, nach zehnjährigem Ruhen architektonischer Tätigkeit, vollzieht sich
ganz in den Bahnen der Romantik, deren erste Keime schon bei Gilly sich melden. Aber
Heinrich Gentz kann als glücklichste Ergänzung zu den Gillys betrachtet werden; seine
leider abgebrochene Münze in Berlin und die Schloßumbauten in Weimar bedeuten
wohl überhaupt das Vollkornmenste, was der Frühklassizismus wirklich geleistet hat; ab-
gewogen und durchgebildet in reiner Schönheit. Ludwig Catel stand ihm mit Stuckarbeiten
zur Seite. Auch ihn hinderten die schlimmen Zeiten an der Ausführung seiner schönsten
Pläne; und er starb in seelischer Zerrüttung. Noch schwerer lag der Fluch der Epoche auf
H. Chr. Genelli, dem begabten Freunde Carstens'; eigentlich steht nur Schloß Ziebingen
als Beweis seiner baulichen Tätigkeit da. Freilich war er mehr kritischer Natur und
förderte, wie Catel, die Ideen der Zeit durch seine theoretischen Schriften.
Allen gemeinsam ist neben den rein architektonischen Verdiensten der Reichtum
und die Klarheit der Formen, der Proportionen, der zweckmäßige Ausdruck, das eine
Verständnis für stadtbauliche Fragen und etwas Neues und im romantischen Sinne
Gelegenes der Zusammenklang von Architektur und freier Landschaft. Hier haben sie
die Traditionen der Barockzeit weitergeführt bis zu einem Punkte, da nach ihnen das
Formenchaos einbrach und wir Heutigen wieder, mit neuem Gefühl für solche Werke
des Räumlichen, an ihre Bestrebungen anknüpfen können. Paul Ferd. Schmidt
EREINIGUNG VON FREUNDEN ASIATISCI-IER KUNST IM HAAG.
Im Haag ist ein Verein der Freunde asiatischer Kunst" gegründet worden. Sein
Zweck ist die Hebung des Studiums und der Kenntnisse ostasiatischer, vorder- und
hinterindischer und indonesischer Kunst.
Der Verein ist bestrebt, dieses Ziel durch die Veranstaltung von Ausstellungen,
Vorträgen, Zusammenkünften und Exkursionen, durch die Herausgabe von Veröffent-
lichungen und die lnventarisation der asiatischen Kunstschätze in Holland und seinen
Kolonien und durch Gründung eines Archivs von Abbildungen und Druckschriften zu
erreichen.
VIER JAHRE KÜNSTLERFURSORGE. Das Künstlerfürsorgekomitee
Aktion zur Unterstützung der durch den Krieg in Not geratenen bildenden Künstler,
dem Vertreter der Künstlergenossenschaft, der Sezession", des Hagen-Bundes" und des
Bundes österreichischer Künstler angehören, versendet den Bericht über seine nunmehr vier-
jährige Tätigkeit. Es sind in x80 Sitzungen 643g Unterstützungsansuchen von 834 Künst-
lem 616 Malern, 162 Bildhauern, 56 Architekten mit dem Betrage von 328.236 Kronen
40
erledigt worden. Die Einnahmen des Komitees betrugen bisher 387.331 Kronen. Die Ver-
waltungsspesen während dieser vier Jahre wurden mit dem Betrage von 1493 Kronen
gedeckt. Der Sitz des Komitees Präsident Hofrat Dr. Leisching, Vizepräsidenten
Professor Darnaut und Rektor Hofrat von Hellmer befindet sich auch weiterhin in der
Akademie für bildende Künste, I. Bezirk, Schillerplatz Nr. 3. Es wird dringend notwendig
sein, die Aktion über den Friedensschluß hinaus aufrecht zu erhalten.
RAG. ERÖFFNUNG DES KNOPF MUSEÜMS HEINRICH WALDES.
In den letzten drei jahren des Weltkrieges ist in Prag ein neues Museum von Kleider-
verschliissen aller Arten und Zeiten entstanden, das am 25. September 1918 feierlich
eröHnet wurde. Das Knopfmuseum ist das erste Fachmuseum dieser Art auf dem
europäischen Kontinent. Wie der Titel des neuen Museums besagt, handelt es sich hierbei
um die museale Erfassung und gegenständliche Darstellung der gesamten an der mensch-
lichen Kleidung aller Zeiten und Zonen vorkommenden Verschlußsysteme. Die Samm-
lungen sind in eigens dafür erbauten Räumen günstig untergebracht. Ein historisches
Archiv, eine Trachtenbildersarnmlung und eine Bibliothek sind dem Museum angegliedert.
BERICHTIGUNG. Auf Seite 171 des laufenden Jahrganges unserer Monatsschrift,
8. Zeile von unten, soll es richtig heißen XVII. Jahrhunderts.
MITTEILUNGEN AUS DEM ÖSTERREICHI-
SCHEN MUSEUM 50-
AUSZEICHNUNGEN. Seine k. und k. Apostolische Majestät haben mit Aller-
höchster Entschließung vom 16. August d. dem Direktor des Österreichischen
Museums Hofrat Dr. Eduard Leisching das Kriegskreuz für Zivilverdienste zweiter Klasse
und den Amtsdienern Johann Matzenauer, Philipp Schindel, Eduard Slavik, Eduard Stöger
und Johann Zenaty, sowie den Aushilfsdienern Josef Hischa und Karl Keusch das Kriegs-
kreuz für Zivilverdienste vierter Klasse allergnädigst zu verleihen geruht.
PERSONALNACHRICHTEN. Seine k. und k. Apostolische Majestät haben mit
Allerhöchster Entschließung vom 29. August d. j. den Direktor des Österreichischen
Museums Hofrat Dr. Eduard Leisching in die fünfte Rangklasse der Staatsbeamten aller-
gnädigst zu befördern und dem Dr. Hermann von Trenkwald anläßlich seiner Ernennung
zum Ersten Vizedirektor dieser Anstalt den Titel und Charakter eines Regierungsrates mit
Nachsicht der Taxe allergnädigst zu verleihen geruht.
Der Minister für öffentliche Arbeiten hat den Dr. Hermann von Trenkwald zum
Ersten Vizedirektor und den Kustos Regierungsrat Franz Ritter zum Zweiten Vizedirektor
ad personarn des Österreichischen Museums ernannt.
BESUCH DES MUSEUMS. Seine königliche Hoheit Kronprinz Georg von Sach-
sen hat am 20. September vormittags das Österreichische Museum und die Kunst-
gewerbeschule besucht.
Die Sammlungen und Ausstellungen des Museums wurden in den Monaten Juli
bis Oktober von ra.9gI, die Bibliothek von 378x Personen besucht.
ÜHRUNGEN IM ÖSTERREICHISCHEN MUSEUM. Bei freiem Eintritt
finden bis auf weiteres an Samstagen um ifg 1x Uhr Vormittags Führungen durch
die historischen Sammlungen des k. k. Österreichischen Museums statt. Versammlung im
Säulenhofe.
KÜNSTGEWERBESCHÜLE. Seine k. und k. Apostolische Majestät haben
mit Allerhöchster Entschließung vom 16. August d. J. dem Direktor Hofrat Alfred
Roller und dem Professor Josef Breitner das Kriegskreuz für Zivilverdienste zweiter Klasse
allergnädigt zu verleihen geruht.
KOLOMAN MOSER Am I8. Oktober d.J. ist der Professor an der Wiener Kunst-
gewerbeschule Koloman Moser gestorben und in ihm ist ein ganz besonders charak-
teristischer Vertreter neueren österreichischen Kunstgewerbes dahingegangen. Er war
x868 in Wien geboren, hatte daselbst an der Kunstgewerbeschule unter Matsch, dann
an der Akademie der bildenden Künste unter Trenkwald studiert und sein Lebenswerk als
Zeichner und Illustrator begonnen. Das erste Werk, mit dem er an die Öffentlichkeit trat,
waren die Illustrationen zum I-Iausschatz deuscher Dichtung", ein Auftrag des I-Ioftitel-
taxfonds. Er gehörte zu den Begründern der Sezession und den I-Iauptkräften der Zeit-
schrift Ver sacrum". Als Professor und Leiter einer Fachklasse für Malerei wurde er im
Jahre rgoo an die Kunstgewerbeschule berufen. Es gibt wohl kein Gebiet des künst-
lerischen Gewerbes, auf dem Moser nicht als Entwerfer und Anreger tätig gewesen wäre.
Seine volkstümlichste Leistung sind die bosnisch-hercegovinischen und österreichischen
Briefmarken; seine monumentalste die Glasfenster für Otto Wagners Kirche am Steinhof.
Die Ausführung des großen, den Kranz der Glasfenster in gesteigerter Art beschließenden
Altarbildes hatte Moser in einem eigenartigen Plattenmosaik geplant. Sie ist unter nichtigen
Vorwänden hintertrieben worden. Die letzten Lebensjahre hat Moser ausschließlich der
Malerei gewidmet, besonders der praktischen Untersuchung gewisser farbenphysiologischer
Phänomene.
Zeitlebens blieb er ein Kämpfer. Ein unbesiegbarer Drang nach vorwärts trieb ihn
immer in die erste Reihe seiner Mitstreiter und seine große Begabung berechtigte ihn
zu einer führenden Rolle. Er konnte aber ein ebenso guter Gefolgsmann sein, wenn andere
Schatfende das Feldzeichen trugen. Auch auf jenen Kunstgebieten, auf denen er nicht selbst
tätig war, besonders dem der Musik und der dramatischen Dichtung. Wo immer er den
I-Iauch des Göttlichen spürte, da fühlte er sich zu leidenschaftlicher Nachfolge und Partei-
nahme hingerissen. Er war im Leben jedem Kompromiß abgeneigt. In seiner Arbeit gab
sich diese Gesinnung als höchste Sachlichkeit kund. Seine ungewöhnliche Klugheit, seine,
oft fast unheimliche Hellsichtigkeit machten seinem edlen Talent die Lösung schwierigster
Formprobleme zum frohen Spiel. Er verfügte über treffenden, scharfen Witz und las
Nestroy mit kongenialer Meisterschaft vor. Diese Überlegenheit des Geistes behütete sein
Werk vor allem Schwulst und unklarem Überschwang. Sein durchaus selbständiger,
unabhängiger, kühner Geschmack, seine fanatische Arbeitsfreude, seine bis zu seiner
Erkrankung unermüdete Arbeitskraft bewirkten, daß der eben erst 50 Jahre alt Gewordene
ein Lebenswerk von ungewöhnlich großem Inhalt, Umfang und Wert hinterläßt. Es wird
nie möglich sein, seinen Namen aus der Entwicklungsgeschichte des neueren europäischen
Kunstgewerbes hinwegzudenken. Die letzten Jahre seines Lebens waren von der
schweren Krankheit überschattet, der er erlegen ist. Sein Leiden war grausam. Er hat es
mannhaft getragen bis zum letzten Augenblick. Rolle;-
EMIL ADAM Am 25. Oktober l. J. ist Professor Emil Adam gestorben. Adam
kam im Jahre x8go an die Wiener Kunstgewerbeschule, an welcher er auch seinerzeit
unter Kosch und Linke seine fachliche Ausbildung in Keramik genossen hat. Als Regierungs-
rat Linke 1909 in den Ruhestand trat, übernahm Adam als sein Nachfolger die Leitung
des chemischen Laboratoriums und der mit diesem verbundenen Versuchsanstalt für Ton,
.Glas und Email und wurde auch an Stelle Linkes Dozent für Farbenchemie an der Akademie
der bildenden Künste sowie ständiges Mitglied des Zollbeirates des I-Iandelsministeriums.
In dem reichen Wirkungskreise, der sich ihm damit eröffnete, war Professor Adam
mit unermüdlicher Arbeitskraft und Arbeitsfreude erfolgreich tätig. Er hatte eine harte,
aber gute Schule in seinen früheren Stellungen als Fachlehrer an den Fachschulen in I-Iaida,
Steinschönau und Tetschen und an privaten kaufmännischen und gewerblichen Lehr-
anstalten durchgemacht. Dem spröden Schülermaterial dieser Anstalten verdankte Adam
wohl zum großen Teil die Eindringlichkeit und Klarheit seines Vortrages, die unerschöpf-
liche Geduld und das väterliche Wohlwollen, das er seinen Schülern entgegenzubringen
pflegte, die ihm dafür, auch wenn sie der Schule längst entwachsen waren, mit herzlicher
Anhänglichkeit und Verehrung dankten. Als Leiter des Laboratoriums und der Versuchs-
anstalt hatte Adam ebenso mannigfache als schwierige Aufgaben zu bewältigen. Er war
der technische Berater der verschiedenen Fachabteilungen an der Kunstgewerbeschule
und mußte als solcher fast auf allen Spezialgebieten der chemischen Technologie sich ein-
arbeiten. Auf seinem engeren Arbeitsfelde, der Technik des Tones, Glases und Emails,
oblag ihm die Ausführung von Analysen, die zu den schwierigsten in der analytischen
Chemie zählen, die Erstattung von technischen Gutachten und Ratschlägen und die Ent-
scheidung oft recht verwickelter zolltechnischer Fragen. Vielfach war zur Lösung all dieser
Aufgaben erst ein eingehendes Studium der einschlägigen Fachliteratur notwendig, oft
genug versagte diese und es mußten neue Wege ersonnen, neue Methoden ausgearbeitet
werden. Die peinliche Gewissenhaftigkeit und die echt deutsche Gründlichkeit und Ehrlich-
keit Adams kamen dabei zu ebenso schönem Ausdrucke wie sein großes Wissen und
seine reiche technische Erfahrung. Groß war darum Adams Ansehen als Fachmann in den
Kreisen der Industrie und des Gewerbes, die mit ihm in fachliche Berührung kamen.
Im Verkehre mit seinen Kollegen war Adam von stets dienstbereiter Gefälligkeit und
liebenswürdigstem Entgegenkommen und genoß darum auch allgemeine Sympathie und
Freundschaft. Bei all diesen Vorzügen blieb Adam immer der bescheidene, fast schüchterne
Mensch, dem jede Selbstüberschätzung so sehr ferne lag, daß man bei ihm geradezu von
Selbstunterschätzung sprechen konnte. Jedes Hervortreten in die Öffentlichkeit war ihm
peinlich, zu Publikationen seiner Arbeiten und Forschungen konnte er sich nur selten
entschließen und so ist es nicht zu verwundern, daß, so groß auch Adams Ansehen in den
engeren Fachkreisen war, er über diese hinaus nicht jene Würdigung fand, die er verdient
hätte. Daß er der technische Schöpfer der Wiener Fayence war, daß er an der Neu-
belebung des Kunstemails, besonders des Limousiner Emails, ebensoviel Anteil hatte als
Linke, wußten nur wenige. Von dem reichen Schatze seiner analytischen Erfahrungen
hinterlegte er nur einen kleinen Teil in dem berühmten Werke Chemisch-technische
Untersuchungsmethoden von Lunge", in welchem er das Kapitel Glas" bearbeitete;
von seinen Studien über Farbenchemie zeugt das von ihm gemeinsam mit Linke heraus-
gegebene Buch Die Malerfarben, Mal- und Bindemittel". Dr. Emmerich Selch
LITERATUR DES KUNSTGEWERBES 54b
VL 50 Möbelnot,Dieuändihreßekämpfung.Innen-Dekoration,
Juli-Aug.
Töpferkunst. Die Plastik, 1918, 2-3. SCI-IIPPERS, A. Zwei Inschriften am Chorgestiihl von
Ziervögel der Nymphenburger Porzellanmanufaktur. St. Godehard in Hildesheim. Zeitschr. für christl.
Dekorative Kunst, Juni. Kunst. xqxß. 3-40
ZIMMERMANN, E. Neue Arbeiten der kgl. Porzellan- WESTMAN, P. Wohnräume. In schwed. Sprache.
Manufaktur in Meißen. Deutsche Kunst und Svenska Slöjdfäreningens Tidskrift, XIII, 3.
Dekoration, AprilrMai.
VIII. EISENARB. WAFFEN.
5D KÜHN. F. Zur Geschichte der Glockengießerkunst in
MICKSCl-I, K. Alte Möbel. Internationale Samtnler- Böhmen. Mitteil. des Vereins für Geschichte der
Zeitg. xgxß, xg. Deutschen in Böhmen, 56. jahrg., Nr. I-Il.
Alle für Kunst und Kunsthandwerk" bestimmten Sendungen sind an die Redaktion dieser Monatsschrift,
Wien, 1-. Stubenring zu richten. Für die Redaktion verantwnrtlich Franz Ritter.
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GEROLD 85 CQ
IN WIEN, I., STEPHANSPLATZ
BUCHHANDLUNG FÜR IN UND AUS
LANDISCHE LITERATUR
REICHI-IALTIGES LAGER VON PRACHT- UND ILLUSTRATIONS-
WERKEN SOWIE VON LEI-IR- UND HANDBUCHERN AUS ALLEN
GEBIETEN DER KUNST UND DES KUNSTGEWERBES IN
DEUTSCHER, ENGLISCHER UND FRANZÖSISCHER
SPRApI-IE. VORZÜGLICI-IE VERBINDUNGEN MIT DEM AUSLANDE
ERMOGLICHEN DIE RASCI-IESTE BESORGUNG DER LITERARISCHEN
ERSCHEINUNGEN ALLER LANDER
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IN DEN EUROPAISCHEN KULTURSPRACHEN
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Nach einem Aquarell von RudulfAlt Der Hohe Markt". 1835
RUDOLF ALT
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TEXT VON LUDWIG HEVESI,
nach dem hinterlassenen Manuskripte für den Druck vorbereitet durch KARL M. KUZMANY.
23 Bogen Gr. 4". 61 Tafeln, davon 3l farbig. 100 Textbilder, davon farbig. Gebunden in Original-Leinenband.
Einmalige Ausgabe in 500 Exemplaren und 59 unverkiuf liehen Dedikationsexemplaren.
Subskriptionspreis 200.-. Die Erhöhung des Preises wird vorbehalten.
Dieses Werk erschien als zweite Veröffentlichung einer Serie von Monographien, die in monumentaler Weise
da Schafen der öfjten österreichischen Künstler des neunzehnten Jahrhunderts darstellen werden.
Der bildlichen un Bnchausstattung wurde besondere Sorgfalt gewidmet und unter vielen Hnnderten
von Bildern 161 zur Re roduktion gewählt, so daij das Werk vermö seines interessanten Inhaltes, der
reichen Ausstattung un der kleinen einmaligen Auflage sich als I. EBHABERAUSGABE repräsentiert.
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Ilnnabmc von Hbonncmmß auf fdmtlid 100mm und monatstmrittm
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HIEDERLÄCE'DE.K'PORZELLANFAKKIKZÖLHLÄLKENWERTH
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