""31- MITTHEILUN GEN WEI-
Fünfter Jahrgang. 15. Decbr. 1869.
k. k. österr. Museums für Kunst 81 Industrie.
hlonatschrift. für Kunst Kunstgewerbe.
Am 15. eines jeden Monats erscheint eine Nummer. Abonnementspreis per Jahr d. ö.W.
Baedacteur Bruno Busher. Expedition von C. Ger0d's Sohn. Man abonnirt irn Museum,
bei Gerold Camp" durch die Pnstnnstalten, sowie durch alle Buch- und Kunsthandlungen.
lslulz Usber 115ml und Gemein. Bncher- Revue. Vorlesungen im Museum. Kleinere Mitthci-
luugen. Priuumentienl-Elnlsdung.
Hierzu eine Beillsge in Stärke eines halben Druskhogeul.
Ueber Mörtel und Cement.
Zwei Vorlesungen von Hlasiwetz, gehalten im Oesterr. Museum für Kunst und
Industrie am 25. November und 2. Decemher 1869.
I.
Die Erfindung des Mörtels fällt in jene ferne Zeit altegyptischer Cultur,
über welche wir statt zuverlässiger Geschichtscbreibung nur sagenhafte Ueber-
lieferungen haben.
Der Mörtel ist mit einer der besten Zeugen, dass diese Cultur eine höchst
bedeutende, weit vorgeschrittene war. Alle späteren Zeiten, unsere jetzige mit
inbegriifen, haben an der vön dorther überlieferten Bereitung des Mörtels nichts
zu ändern vermacht, und wir benützen heute noch dieselbe Mischung von gelösch-
rem Kalk und Sand, unsere Bauten zusammen zu kitten, wie die Egypter während
und vor der Herrsehaft der Pharaonen.
Der Erfindung des Mörtels aber musstvn gewisse Erfahrungen über das
Verhalten des kohleusauren Kalkes in der Hitze und über die Veränderung des
gebrannten oder ätzenden Kalkes an der Luft, für sich und in Mischungen mit
andern Substanzen vorausgehen, die nur ein sehr entwickeltes Beobachtungstalent
machen konnte, und alles wohliibcrlegt, ist der Erfinder des Mörtels als einer
der grössten Förderer aller menschlichen Cultur überhaupt zu preisen. Egypvar
und Phönizier waren es auch, die nicht nur den Stein durch Mörtel zu kitten
verstanden, sondern die sich auch für den natürlichen Stein ein künstliches
Surrogst in den Bscksteineu oder Ziegeln schufen. Die Anwendung des Mörtels,
der unter allen Umständen ein Kuustproduct ist, scheint übrigens erst auf die
des Erdpechs oder Asphalts gefolgt zu scin, welches, wie man aus der Unter-
suchung der Reste von Babylon und Niniveh weiss, wahrscheinlich zu allererst zu
gleichem Zwecke benützt wurde. Die Pyramide des Cheops ferner ist mit einem
Gemisch von Nilschlamm und gebranntem Gyps gemauert, und auch das Verhalten
des Gypscs vor und nach dem Brennen war also bei den Egyptern schon eine
bekaute, wohlausgeniitzte Thatsachc.
Von den Römern, die so sehr von egyptischer Cnltur zehrten, und die
Vermittler derselben nach allen Richtungen hin wurden, besitzen wir die ältesten
historildsen Documenta über die Herstellung des Mörtels in den Werken eines
gewissen. Msreus Portius Oato, die man auf 200 Jahrc vor Christa dstirt, und
in denen ziemlich ausführlich über die Natur der Kalksteine und die Methoden,
sie durch Brennen für die Mörtelhereitung herzurichten, gehandelt ist. Er gibt
auch ganz bestimmte Vorschriften über die Mengenverhältnisse der Bestandtheile
und die Art der besten Bereitung des Mörtels.
Ein anderes fiir die Geschichte der Baukunst wichtiges Werk ist das des
Vitruvius, aus der Zeit des Augustus, welches ausführlicher noch als das vorige,
von den Erfordernissen und Methoden der Mörtelbereitung handelt, und überdies
ganz bestimmt die Mörtel charakterisirt, die man zu Land-, und jene, die man
zu Wasserbauteu verwenden soll. Auch Plinius verbreitet sich ausführlich über
diesen Gegenstand. Römischen oder lateinischen Ursprunges ist auch unser
deutsches Wort Mörtel, weiches von Mortarium, der Mörser, sich ableitet, und
womit auch allgemein das Gefass bezeichnet wurde, worin der Mörtel aus Kalk
und Sand zuzammengemischt wurde.
In jeder Kunstgattung drückt sich ein Theil des Charakters eines Volkes
aus. Die Baukunst aber ist an ein Material gebunden, welches zu bewältigen
und zu gestalten nur mittelst bedeutender wissenschaftlicher Kenntnisse und Er-
fahrungen möglich ist, sie gibt also immer auch Zeugniss von dem Stande dieser
Kenntnisse. Die Bauten des Alterthums haben darum nicht blos in Rücksicht
auf das Ideale und Stylvolle ihren Werth und ihr Interesse für uns, sondern
ebensoschr sind sie uns bewunderungswürdige Vorbilder in Bezug auf die durch
sie bewiesene hohe wissenschaftliche Technik, ohne die sie nicht möglich ge-
wesen wären.
Nur die Verlässlichkeit und Mannigfaltigkeit dieser technischen Hilfsmittel
gestattet den Plan und Entwurf gewisser Bauten, an ihnen rankt sich die
Erfindung und die Phantasie empor, sie bedingt den Fortschritt, die Grösse und
die Kühnheit der Construction und unter diesen Hilfsmitteln nimmt, es ist ein-
leuchtend, der Mörtel mit eine der ersten Stellen ein.
Im alten Rom war darum die Bereitung des Mörtels gewissermassen eine
Angelegenheit des Staates, und es waren Aedilen und Censoren bestellt, welche
seine Bereitung, die nach genauen Vorschriften erfolgen musste, überwachten.
Die Erbschaft von Kenntnissen und Hilfsmitteln dieser Art, die die Nach-
kommen der Alten antraten, bildete ein Capital, welches übrigens mit wachsender
Umsicht und Geschick ausgebeutet und verzinst wurde, und es trifft die Spätern
und auch Uns nicht der Vorwurf, dass die Technik des Bauens nicht vorgeschrit-
ten sei, wie man auch sonst über den künstlerischen Werth und den Charakter
der folgenden, namentlich der Bauten unserer eigenen Zeit urtheilen möge. Wir
werden ferner im Verlaufe unserer Betrachtungen einsehen lernen, dass die
Festigkeit und Solidität der alten Bauten, welche man oft mit einer Art Gering-
schätzung in Rücksicht auf diese unseren neuern gsgenüherstellt, keineswegs
ausschliesslich das Verdienst der alten Baukünstler ist, sondern dass hier die
sonst so zerstörende Wirkung der Zeit sich merkwürdiger Weise in ihr Gegen-
theil verkehrt, dass das Alter erhaltcnd wirkt, wo es sonst insgemein die Ursache
des Zerfalles und der Audösung ist.
Sehen wir nun vor Allem zu, wie man den Mörtel macht, wie man ihn
verwendet und wie er sich im Laufe der Zeit verändert. Beschränken wir uns
aber vorerst auf jene Art des Mörtels, die man zum Landbau, zum Hiiuserhau,
zum sogenannten Hochhan gebraucht.
Jedermann weiss, dass man den Mörtel aus Kalkbrei und Sand zusammen-
mischt; dass man Sand von gröberem Korn zu jenem Mörtel nimmt, den man als
Kitt zwischen die Steine und Ziegel streicht, Sand von feinem Korn zu demjeni-
gen, den man als "Putz" suftriigt, als Schichte oder Schale, damit das Mauerwerk
In verkleiden, zu ebnen, zu verzieren. Der Mörtel, anfangs ein Brei, wird nach
einigen Tagen cohlrenter, fester, widersteht immer mehr iiusseren Eindrücken, wird
trockener und härter, endlich so hart, dass er nur dem Hammer und der Haus
weicht.
Wenn wir nun den unvermischten sandlosen Kalkbrei dagegen betrach-
ten und sehen, dass er in solchen Schichten zwischen Steine und Ziegel gelegt,
oder so auf Flächen aufgetragen wie der Mörtel, nur austrocknet ohne cohärent
und hart zu werden, sondern hröcklig, pnlverig, zsrreihlich wird, und wenig oder
gar nicht kittet, so liegt nichts näher als zu glauben, dass der Sand hier eine
Wirkung ausgeübt habe, oder er mit dem Kalk eine Verbindung eingegangen sei,
der diese Eigenschaft des Festwerdens und Kittens ausschließlich zukommt.
Wirklich dachte man sich früher das Verhältniss so, obwohl hier eine che-
mische Verbindung zwischen der Suhstnnz des Sandes und dem Kalk keines-
wegs vorliegt.
Fragen wir zunächst was ist und woraus besteht dieser Kalkbrei oder
Schmant, aus dem man Mörtel macht, und verändert er seine chemische Natur
nicht, wenn er in dünnen Schichten sustrocknet, d. h. verliert er einfach Wasser?
Die Frage müsste leicht zu beantworten sein, wenn man solchen vertrock-
neten Kalk wieder mit Wasser zerriehe und mit Sand zu einem Mörtel mischtc.
Thnt man das jedoch, so wird man finden, dass dieser Mörtel seine Eigen-
schaft, cohärent zu werden und zu kitten, total eingebüsst hat; so wie er trocken
wird, zerfallt er zu einem pulverigen Gemisch von Kalkstaub und Sand.
Daraus folgt fürs erste, dass Kalkbrei oder sogenannter gelöschter Kalk,
wenn er an der Luft eintrocknet, nicht blos das Wasser verliert, was seine breiige
Consistenz bedingte, sondern sich auch noch sonst irgendwie chemisch ver-
ändern muss.
Wir verstehen diese Veränderung leicht, wenn wir auf die Darstellung des
Kalkbreies oder des gebrannten Kalks, der ihm zu Grunde liegt, zurückgehen.
Es gibt ein Metall, das Calcium, welches gelblich, weich und glänzend, mit
grossrr Affinität zum Sauerstoff und andern nichtmetallischen Elementen begabt,
sich in der Natur zwar niemals uls solches, gediegen oder regulinisch, aber in
ganz enormen, kaum berechenbaren Mengen mit Sauerstoff und Kohlensäure vere
bunden, als kohlensaurer Kalk findet. Ein grosser Theil unserer festen Erdrinde
besteht aus kohlens. Kalk und andern Calciumverbindnngen, unter welchen letztem
noch der Gyps oder schwefelsaurc Kalk eine der häufigsten und bekanntesten ist;
weitere kolossale Quantitiiten Kalk sind mit Kieselsäure oder mit andern Metall-
oxyden verbunden in der Form sogenannter Silicste auf der Erde vorhanden und
bilden so die Unterlage unserer obersten Erdschichte oder. erheben sich ibis zur
Höhe mächtiger Gebirgszüge.
Es liegt von unserem Zweck nicht allzufern ab, wenn wir untersuchen, auf
welche Weise diese Kalkverbindungen, besonders der kohlensaurc Kalk, wohl zu
Stande gekommen sind, wenn wir .uns über ihre geologische Entstehung unter-
richten, und es mag mir daher gestattet sein, vorerst eine kleine Abschweifung in
diesem Sinne zu machen.
Von allen den Kalkverbindungen zunächst, welche wir als Gesteine oder
Gebirgsmassen auf unserer Erde antreffen, lässt sich chemischerseils nachweisen,
dass so, wie sie sind und wir sie finden, sie einmal in Wasser gelöst gewesen
und aus diesem Lösungsmittel abgesetzt oder krystallisirt sein müssen.
Allein selbst die ungeheure Menge des auf der Erde vorhandenen Wassers,
wenn es gleich in der Form der Meere des ganzen Erdballs bedeckt, würde
doch nicht ausreichen, diese Quantitäten fester Substanzen auf einmal in Lösung
zu erhalten, die noch dazu so schwer löslich sind, dass sie schlechthin manchmal
geradezu unlöslich genannt werden. Und doch liegt darin keinerlei Widerspruch.
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Diese Massen fester Kalkverbindungen der Erde sind das Resultat der Ab-
scheidung während einer ins Unvorstellhare gehenden Zeitdauer, aus Lösungen, die
niemals gesättigt oder ooncentrirt, sondern stets höchst verdünnt waren, so ver-
dünnt vielleicht, wie sie jetzt noch sind, denn dieser Process dauert in jedem
Augenblicke noch an und er ist unaufhörlich.
Ist er das aber, wie ich eben sage, d. b. scheidet sich in jedem Zeittheil-
eben aus den Wüssern unserer Erde eine gewisse Menge gelöst gewesener fester
Substanz ab, die im Laufe der Zeit vielleicht zu einem Gebirge erhärtet, so ist
klar, dass die Continnirlichkeit dieses Ahsetzens nur möglich ist durch eine Con-
tinuirlichkeit des Aufgelöstwerdens solcher Substanzen, die sich später wieder ab-
setzen; denn es müsste nothwendig das sich Absetzen und Ausscheiden einmal ein
Ende haben, wenn nicht fortwährend neue Mengen löslicher Substanzen zugeführt
würden.
Hier muss also ein Cirkel sein; Bildung, Abnützung, Zersetzung und wieder
Neubildung müssen sich unausgesetzt ablösen, und es muss eine vermittelnde Ur-
sache für diesen merkwürdigen Kreislauf aufgefunden werden können.
Für den kohleusnuren Kalk, mit dem wir uns als dem Urmaterial unsers
Mörtels beschäftigen wollten, ist sie gefunden und klar erkannt.
Es ist ein piianzlich-thierischer vegetativer Act, der das Bewirken dieser
continuirlichen Bildung von kohlensaurem Kalk übernimmt, und er vollzieht sich
zunächst im Meere.
Das Meer enthält keinen kohlensauren Kalk oder höchstens Spuren dessel-
ben, während es in verhültnissinässig reichlicher Menge schwefelsanren Kalk oder
Gyps gelöst enthält. Etwa 1.6 in 1000 Theilen.
Aus diesem schwefelsauren Kalk ist der kohlensaure durch den Lebens-
precess der kleinsten Piianzen und Tbiere entstanden, die in unglaublicher Zahl
das Meer bevölkern.
Der Kalkgebslt des Gypses geht in das Gewebe der Pflanze als Aschen-
bestandtheil über.
Diese ersten niedrigsten Pilanzengebilde des Meeres sind mikroskopisch
klein, sind Zellenalgen oder die sogenannten Diatomaeen. Sie sind, scheint es,
die erste Stufe, das erste Uebergangsglied, von welchem aus die Natur au, wenn
auch noch ebenso primitiven thierischen Zellenbildungen vorscbreitet, die ihrer-
seits wieder höhere thierisehe Organismen vermitteln helfen.
Die Pflanzen, auch die allerniedrigsten, bilden primär aus unorganischen
Nahrungsmitteln ihre organischen Substanzen, von denen einige stets schwefelhaltig
sind; sie zersetzen did Kohlensäure und entbinden daraus Sauerstoff. Die thierische
Natur dagegen beginnt dort, wo die Kohlensäure nicht zersetzt wird, wo im
Gegentheil Kohlensäure als das Product der Athmung, also einer Oxydation, aus-
geschieden wird, wo ferner Eiweissstoife nicht primär gebildet, sondern solche
von der Pflanze gebildete nur assimilirt und umgewandelt werden können.
Durch den Athmnngsprocess werden die organischen Substanzen wieder zu
Kohlensäure oxydirt, diese Kohlensäure verwandelt den Kalk der Piianzennah-
rung in kohlensauren Kalk, und dieser wird dann in der Schale des Thieres nieder-
gelegt. Die Schale ist also eine Secretion, die sich erst im Verlaufe des Lebens
einstellt und ansammelt, während das Leben ohne Schale beginnt.
Diese kleinen Schalthierchen, bei denen die Bildung von kohlenssurem Kalk
ihren Anfang nimmt, sind zahllos. Man schätzt ihre Menge in einem Knbikfuss
Meerwasser auf 5000 Millionen.
Es sind die sogenannten Wurzelfüssler, Rhizopoden, Foraminiferen, von
denen man schon über 1600 Arten kennt.
Weiter gehören an diesen kleinen kelkbauenden Wesen die Bryozoen,
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Polythalalnien, Brachiopoden und eine Unzahl von korsllenartigen Geschöpfen,
deren Reste man besonders in jener Art von kohlensaurem Kalk findet, die man
Kreide nennt.
Seit Aeonen nun folgt von solchen Geschöpfen Generation auf Generation,
die Absterhenden verwesen ihrem organischen Theil nach, ihre unorganischen
Reste aber, ihre Schalen aus kohlenssurem Kalk bleiben zurück, Schichte auf
Schichte bildeud und den Boden des Meeres bedockend, der im Laufe der Zeiten
gehoben, zu Festland und endlich zu einem Gebirge wird.
Der Fäulniss- und Verwesungs-Process des organischen Theils dieser Thier-
gebilde verwandelt ihren Schwefelgehalt in Schwefelwasserstoff, aus diesem wird
durch Oxydation neuerdings Schwefelsäure, die endlich mit jenem kohlensaureu
Kalk, welchen die Flüsse als Verwitterungsschlamxn ins Meer zurückführen, wieder
Gyps bildet, der bereit ist, von Neuem diesen Zersetzungskreislauf su beginnen.
Die organischen Formen mussten um so leichter verschwinden, je kleiner,
niedriger der Bau dieser Organismen war; nur der der höhern konnte sich eini-
germnsssn in der Zeichndng und Begrenzung ihrer grössern Schalen erhalten.
Die Vernichtung war um so vollständiger, je länger diese Reste endlich von
koblensaurem Wasser durchdrungen waren, welches den kohlensauren Kalk zu
doppelt kohleusaurem audösen konnte, aus dem später sich wieder einfach kohlen-
saurer zuriickhildete, der zuletzt sogar die krystallinische Form eines Minernls
annehmen konnte.
So also, und nur auf diese Weise ist der kohlensaure Kalk entstanden,
den wir zu so kolossalen in die Wolken ragenden Gebirgen aufgethürmt sehen,
und die Phantasie hat Mühe, sich, wenn wir auf den Höhen der Alpen wandeln,
vorzustellen, dass wir den Boden ehemaliger Meere unter den Fiissen haben.
Allein unsere Zweifel, unsere Ungläubigkeit verlieren sich, je mehr wir
vorurtheilsfrei uns in Ueberlegungen vertiefen, deren nächste die ist, dass wofern
wir nur die Wahl zwischen platonischen, durch Hitze oder Schmelzung, und
neptunischen, aus Wasser entstandenen Bildungen haben, die ersteren schon
darum ausgeschlossen gewesen sein müssen, weil der kohlensaure Kalk durch Hitze
zersetzt wird, also er während ihrer Einwirkung unmöglich entstehen konnte.
Mit dem Hammer zum zweiten klopfen wir uns die unzweideutigsten Bs-
weise aus dem Felsen, auf dessen Gipfel wir stehen. Erstaunt sehen wir nu
seinen Trümmern und Bruchstücken die reinsten, saubersten Abdrücke von
Muscheln, Schnecken und Seethieren, wir finden unter ihnen diese selbst, ver-
steinert in ihrem steinernen Grabe, und so stehen wir, wir begreifen es nun,
auf einem ungeheuren Kirchbofe kleiner Thierleichen, die bis auf das Unver-
weslicbe an ihnen, ihre Schalen, verwest sind und verschwunden.
Doch Sie fragen Ueber diesen Höhen sollten einst Meere geiiuthet haben,
vielleicht ebenso tief wie unsere jetzigen, und diese Meere sollten nur abgclios-
sen sein und an andern Stellen sich wieder gesammelt haben, oder sie wären
vielleicht gar nur verdampft und verdunstet?
Wohl sind die Wasser nllmälig verlaufen und haben sich anderswo ge-
sammelt, allein keineswegs hatten diese Gebirge immer dieselbe Höhe, sondern
sie erreichten sie ebenso allmiilig in unvorstellbnrer Zeit. Es mussten Kräfte
thätig sein und sie sind es noch, diese Massen zu heben und emporwachsen zu
lassen.
Die Kalko und andere, nachweislich auf nassem Wege entstandene Ge-
steinsmassen und Gebirge, wie die Schiefer, Thene u. s. w., sitzen zuletzt auf
solchen auf, die man Urgebirge nennt, wie z. B. der Granit als solches erscheint.
Von diesen nahm man bis in die neuere Zeit an, dass sie durch Schmelzung
und Krystallisation entstanden, und durch unterirdische Eruptionen gehoben wor-
den seien. Für solche ernptive Erhebungen jedoch lässt sich eben 50 Schier
ein Beweis beibringen, wie fiir die Bildung dieser Prirnitivgesteins auf feuer-
diissigem Wege.
Es kann hier auf die viel wahrscheinlichen Bildungstheorie auch der
Granite, Feldspatbe, Syenite, Basalte u. s. w. und aller dieser Urgebirgsmassen
nicht eingegangen und nur kurz eingetlochten werden, dass die Annahme dieser
eruptiven Kräfte kaum nöthig ist, so lange man die Kräfte der Krystallisa-
tion, der Cnpillarwirkungen, der Atlinilät und Cobiision kennt, Kräfte, mit deren
Mächtigkeit, Stetigkeit und Unwiderstehlichkeit sich die Wirkung keiner andern
bekannten messen kann.
Sie genügen. sind sie, wie es der Fall sein muss, fortwährend in Thätigkeit,
vollständig, um ganze Gebirge zu heben.
Unausgesetzt vcrwittcrn und verwesen die vorhandenen Gebirge an ihren
oberen Begrenzungen. aber eben so unausgesetzt wächst tief im Innern der Erde
aus Lösungen neues Gebirge heran. und es kann nur der, durch Verwitterung
abgeriebene Grus der Stoif sein, welcher sich löst, umsetzt und als neues Mine-
ral in der Tiefe wieder ankrysiallisirt. Natürlich kann diese Wirkung erst in
ungeheuren Zeiträumen sichtbar sein, aber die Erscheinung muss so eintreten,
wie sie an historisch sich hebenden Gebirgen wirklich beobachtet worden ist.
Noch begegnet man einem andern Einwurf betrefs des kohlensanren Kalks.
Der kohlensanre Kalk ist in der Natur von der vcrschiedcnartigstsn BeschaEc-nheit.
Von seinen Einscbliissen und andern mineralischen Beimischungen abgesehen, sei-
nem Thon, Quarz, Eisengehalt u. s. w., die wir uns als gleichzeitig entstandene
Verwitterungsproducte erklären können, die tbeils aus wässeriger Lösung in ihn
hineinkrystallisiren konnten, wie der Quarz und verschiedene Silicatc, theils sich
als aufgeschwemmte Massen mit ihm, so lange er selbst noch weich und schlam-
mig war, vermischen konnten, finden wir ihn oft von einer Reinheit, Weisse und
so krystallinischer Art wir nennen ihn dann Marmor dass auf diese Gat-
tung die Erklärung der Entstehung, die wir gaben, unmöglich passen kann.
Im Marmor finden wir auch jene Reste thierischer Vegetation nicht, jene
Schnecken, Muscheln, Fischmumien, wie im Alpenkalk, er glcicht völlig einem
chemisch reinen Präparat, vorausgesetzt, dass er völlig farblos ist, wie der von
Carrara oder andern Brüchen, den wir zu Werken der Bildhauerei verwenden.
Ja um den Marmor drehte sich bis auf die neueste Zeit ein Streit der
Geologen, indem Viele geradezu behaupteten, er sei durch Hitze geschmolzen
gewesener, krystallinisch erstarrter kohlensaurer Kalk.
Schon die Lagerungvcrhältnisse des Marmors, das sehichtenweisc Vorkom-
men desselben hart an Thon und Glimmerschiefer, Kalkschiefer und Gneiss, an
Gesteinsarten also, welche zweifellos Wasserbildungen sind. nie geschmolzen sein
konnten und ohne Zersetzung niemals die Nachbarschaß eines bei Weissgllihhitze
schmelzenden Gesteines, wie der Marmor sein müsste, vertragen könnten, sprechen
nufs entschiedensto dagegen, dass der Marmor aus einem geschmolzenen Zustande
krystallinisch erstarrt ist.
Der krystallinische kohlensaure Kalk kann vielmehr nur seine krystallisirte
Form erhalten haben durch die Durchdringung des unkrystallinisehen hohlen-
sauren Knlks mit kohleussurem Wasser. oder vielleicht mit Wasser allein. Es ist
gar nichts seltenes, amorphe, pulvrige Niederschläge oder aufgeschlemmte Vers
bindungen solcher Art unter solchen Bedingungen mit der Zeit krystallinisch und
compnct werden zu sehen. Das Krystnllisirrn ist eine Anderslagerung der klein-
sten Theilchen, die in den festesten, starrsten Massen oft vor sieh geht, ohne
dass diese die Beweglichkeit erhalten hätten, wie sie der Schmelznunkt mit sich
bringt.
Der kohlensaure Kalk löst sich zudem in kohlensaurem Wasser geradezu
auf, und aus solcher Lösung scheidet er sich beim Verdunsten des Lösungs-
mittels in der Arragonitform wieder aus. Diese Form hat auch der Karlsbader
Sprudelstein. Es ist die nadelförmige Art des kohlensnuren Kalks, der dimorph
ist und ansserdem noch in der rhomboedrischen des Kalkspsths existirt. Erhitzt
man Arragonit gelinde, so zerfallt er zu einem krystallinischen Pulver, welches
die Knlkspnthform unter dem Mikroskop zeigt. Schon die Schalen der lebenden
Thiere erscheinen als äusserst dichte Aggregate von Kalkspathform, und als
solche erweisen sich in dünnen Schlitfen auch die Kalksteine.
Am belehrendsten iiir die Bildung des Marmors aus gestaltlosem kahlen-
snuren Kalk, der seinestheils thierischeu Ursprunges ist, ist das Uebergehen des
körnigen krystallinischen Kalks von Cnrrara in einen sehr vsrsteinerungsreicheu
Jurakalk, so dass die zusammenhängende, in cinanderiiiessende Bildung beider
Kalkarteu ganz zweifellos wird.
Die Kalke mit organischen Resten und Formen sind die jüngsten; so die
Nummulitem, Cerithiem, Litorinellen-Kalke und die noch nicht verkitteten Absätze
der Tiefsee. Jeder durchfeuchtets Kalk aber wird im Laufe der Zeit dicht, in
Berührung mit kohlensaurem Wasser krystallinisch unter Vernichtung jeder Spur
organischer Formen. So entstand auch der Marmor, die dichteste, festeste, älteste
Art von kohlenssurem Kalk, seinem Ursprung nach aber eine Meerssbildung,
wie der Kalkstein und die Kreide.
Nach dieser geologischen Abschweifung kehren wir nun zu unserm Gegen-
stande wieder zurück. Ich habe sie absichtlich gemacht, denn ich wollte Ihnen
damit die natürliche Bildung eines Minerals erklären, welche wir im Mörtel
künstlich herbeizuführen suchen. Wir sollen gleich hören, dass es bei der Er-
härtung des Mörtels wesentlich auf eine Regeneration des kohleusauren Kalkes
ankommt, eins Regeneration durch das Zwischenglied des gebrannten Kalkes
oder Aetzkalkes, den wir bekanntlich aus dem Kalkstein, dem Marmor oder all-
gemein aus einem natürlichen kohleusanren Kalk herstellen.
Durch das Brennen zerlegt sich diese Verbindung in ihre nähern Bestand-
theile, in die Kohlensäure, die gasförmig entweicht, und den Kalk, der hinterbleibt.
Nur wenn die Kohlensäure am Entweichen mechanisch verhindert wird,
kann die Zersetzung hintangehnlten werden; sie wird jedoch ebenso sehr beschleu-
nigt, wenn während des Erbitzens die Kohlensäure ebenso mechanisch, rasch ent-
fernt wird, z. B. durch starken Luftzug, durch einen Strom Wasserdampf.
Schon in einem bedeckten Tiegel gelingt daher das Brennen des kohlen-
sauren Kalks nur sehr unvollkommen, weil die, durch die Hitze entbundenc
Kohlensäure, "die ein speciiisch sehr schweres Gas ist, eine Atmosphäre um den
Kalk bildet, die vermöge ihrer Verwandtschaft zu ihm sich bei sinkenderTem-
perntur, beim Auskühlen, wieder mit ihm chemisch verbindet.
Schaft man diese jedoch schnell fort, und diese Bedingung erfüllt jeder Kalk-
nfen, wie er auch construirt sei. so wird die Zersetzung leicht vollkommen und
das Product ganz kohlensäurofrei sein.
Die Kalköfen sind in der Regel niedrige Scharhtöfen, in denen die Steine
entweder mit dem Brennmaterial geschichtet niedergebrannt werden, wis in den
Feldöfen, oder wo in seitlichen Feuerungen das Brennmaterial verbrannt wird,
so dass nur durch Oednungen in den Wänden die Hitze iu den Ofen strömt,
dessen Beschickung oben aufgegeben nach unten sinkt.
In einem solchen Ofen ist die Temperatur nur in der Region der Feuerung
so hoch, dass sich der Stein gar brennt, der dadurch, sein Volumen verkleinarnd,
niedergeht, und unten glühend herausgezogen wird, während von oben frischer
Stein nachgefüllt wird, wodurch der Process continuirlich wird.
In den alten Feldöfen ist gegen das Ende des Prozesses die Temperatur
im ganzen Ofen gleich hoch, man verlegt, wenn der Rauch und die Gase zu
entweichen aufgehört haben, die Züge und lässt ihn verkiihlen, um zuletzt den
gebrannten Kalk auszuziehen. Der Betrieb ist also periodisch oder intermittirend;
er verlangt, weil die Asche des Brennmaterials beim gebrannten Kalk bleibt, ein
möglichst aschenarmes Brennmaterial, also wo möglich Holz, während bei den
neueren Schachtöfen mit contiuuirlichem Betrieb jeder beliebige aschenraivhs
Brennstotf verwendet werden kann, da ja die Feuerung aussen angebracht ist.
Die Construction aller solcher Oefen bedingt einen rapiden Lnftwechsel,
einen starken Zug, von unten durch die glühende Masse nach der Höhe zu.
Durch diesen Luftstrom und den während des Brennens entwickelten Wasser-
dampf, der theils aus den Verbrennuugsgasen des Heizmaterials, theile von dem
Feuchtigkeitsgehalt der Kalksteine stammt, wird die aus den Steinen frei gemachte,
sonst schwere und träge Kohlensäure rasch verjagt, und es ist ein alter Kunst-
griE der Kalkbrenner, in den glühenden Ofen von Zeit zu Zeit etwas Wasser In
spritzen, um durch die plötzliche und massenhafte Dampfentwicklung die Entfer-
nung der Kohlensäure aus dem Ofen und damit das Garbrennen der Steine lll
beschleunigen.
Die Kalksteine, die natürlichen kohlensauren Kalke, sind fast nie frei von
Nebenbestandtheilen; nur der ganz weisse Marmor, der Kalkspath und der Arra-
gonit sind so gut wie chemisch reiner kohlenuaurer Kalk. Diese Nebenbestand-
theile nun können je nach ihrer Art und Menge die Beschaifenheil. des gebrann-
ten Kalks wesentlich modificiren. Sie sind im Allgemeinen zweierleiArt, orga-
nische und anorganische. Die ersteren sind die Reste der Verweaung der thie-
rischen Gebilde, die, wie wir hörten, die Grundlage dieser Art von kohlensaursm
Kalk überhaupt waren; sie färben den Kalkstein grau oder bräunlich; ihre Menge
ist oft so gross, dass er dadurch noch einen Geruch besitzt und, wie man sagt,
bituminös wird, oder es ist geradezu feinvertheilte Kohle, die auch beim Marmor
die grauen und schwarzen Varietäten erzeugt.
Diese Art von Nebenbestandtheilen schaden der Güte des daraus gebrann-
ten Kalks nicht. Sie verbrennen und vergasen mit, und der schwarze Marmor
z. B. brennt sich waiss.
Die unorganischen Nebenbestandtheile jedoch bleiben bei dem gebrannten
Product und machen es natürlich um so geringer an Werth, je grüsser ihre
Menge ist.
lSic bestehen vornehmlich aus Thon, d. i. kipsalsaurem Aluminiumoxyd, aus
Kiese säure selbst, die in der Form von Quaraadern den Stein durchsetzt, aus
Eisenoxyd, kohlensaurer Bittererde oder Magnesia, Spuren von Manganoxyd,
Chlorverbindungen, schwefelsauren und phosphorsauren Salzen der Erden und
Alkalien.
Schon die physikalischen Eigenschaften der Kalksteine verrathen eine gewisse
Menge dieser Nebenbsstuxidtheilo so sicher, dass die Geognosten dieselben als thonige
Kalksteine bestimmt unterscheiden. Chemisoherseits erkennt man sie leicht an
dem mehr oder weniger bedeutenden Rückstand, den solche Steine hinterlassen,
wenn man sie mit einer verdünnten Säure, am besten Salzsäure, übergiesst.
Reiner kohlensaurer Kalk löst sich leicht auf. Unter Brausen entweicht
die Kohlensäure und man erhält eine ganz klare Lösung von salzsaurem Kalk,
oder besser Chlorcalcinm.
Thon, Kieselsäure, Quarz aber lösen sich nicht, bleiben zurück und können
nach passender Behandlung gewogen werden.
So lehrt eine leicht auszuführende Probe, ob der verwendete Kalkstein
einen brauchbaren Aetzkalk geben wird oder nicht.
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Denn diese Verbindungen sind auch keineswegs wirkungslos oder indilferent,
wenn sie mit Kalk zusammen so hoch erhitzt werden, wie das beim Brennen de
Fall ist.
Der aus solchen Steinen gebrannte Kalk nämlich löscht sich nicht mehr,
wenn er mit Wasser zusammenkommt, er hat sich wie man in der Praxis sagt
todt gebrannt."
Wir haben uns zunächst klar zu machen, worauf die auffällige Erscheinung
des Kalklöschens beruht.
Wenn man guten, aus reinem kohlensaurcn Kalk gebrannten Aetzkalk mit
Wasser übergiesst, so wird dieses zuerst begierig und mit einem zischenden Ge-
räusch eingesaugt wie von einem Schwamm. Bald darauf erwärmen sich die Stücke,
sie werden immer heisser, fangen an zu dampfen und es beginnt von innen her-
aus eine Bewegung; sie beraten, blühen sich auf und unter fortdauemder Tem-
peraturerhöhung zerfallen sie zu einer grossen Menge eines feuchten Pulvers, einer
viel grösseren. als diejenige wäre, die man durch blosses Zerreiben und Zerstossen
aus ihnen erhalten hütte.
Bringt man mehr Wasser hinzu, so zergeht dieses Pulver darin zu einem
homogenen Brei oder Schmant, der zum Theil in Wasser löslich ist; denn ver-
dünnt man mit einem Ueberschuss von Wasser, lüst absitzen und zieht das Klare
vom Bodensatz ab oder ültrirt es, so findet man es von stark laugenhaftem Ge-
schmack, stark alkalischer Reaction, beim vorsichtigen Verdunsten bei Luftahschlnss,
z. B. unter der Luftpumpe, einen farblosen Rückstand hinterlassend.
Diese wässerige Lösung ist höchst empfindlich für freie Kohlensäure. Schon
die ganz kleinen Mengen dieses Gases, die sich in der Luft befinden, machen
sie beim Stehen in einem oGenen Glase von oben herab trüb, beim Schütteln
damit entsteht ein türmlicher Niederschlag, noch schneller heim Durchleiten reiner
Kohlensäure. Dieser Niederschlag ist nichts anderes als kohlensaurer Kalk, künst-
liche Kreide, wenn man will, dieselbe Verbindung, von der wir bei der Darstel-
lung des Aetzkalks ausgegangen waren.
Ganz ebenso verhält sich der Kalkbrei; auch er wird in Berührung mit
Kohlensäure allmiilig wieder total zu fein vertheiltem kohlensanren Kalk. Vor
dieser Berührung würde er sich in einer Säure, in Essig z. B., ohne weiteres klar
gelöst haben; nach derselben löst er sich auch, aber diesmal unter heftigem Brau-
sen. Die aufgenommene Kohlensäure wird durch die stärkere Säure ausgetrieben.
Die Lösungen selbst sind identisch.
Wägt man ein Stück reinen gebrannten Kalk genau ab, löscht es dann vor
sichtig und unter Verhinderung von Verstänhung mit wenig Wasser zu einem
Pulver, und setzt dieses Pulver dann längere Zeit einer 'l'emperatur von 1000 C.
ans, einer Temperatur also, bei der das Wasser nothwendig wieder verdampfen
müsste, wäre es blos mechanisch beigemischt, so findet man nach diesem Trock-
nen bei einer zweiten Wägung eine auffallende Gewichtszunahme.
100 Gewichtstheile angewandten Aetzkalks geben so gelöscht und dann ge-
trocknet 132 Gewichtstheile dieses Pulvers, welches nunmehr den Ueberschuss von
32 Gewicbtstbeilcn Wasser oifenbar in fester, d. b. chemischer Verbindung ent-
halten muss.
Dass beim Zusammenbringen des Wassers mit dem gebrannten Kalk eine
energische chemische Action stattgefunden haben muss, konnte nns auch die dabei
auftretende Temperaturerhöhung beweisen, die, wenn auch in verschiedenem Grade,
immer eintritt, wenn zwei Körper sich chemisch verbinden.
Im vorliegenden Falle ist sie so gross, dass, nimmt man das Löschen z. B.
in einer Blechbüchse vor, sich auf dem Deckel aufgestrentes Schiesspnlver entzündet.
Verbindungen, die in solcher Weise chemisch gebundenes Wasser enthalten,
nennt man allgemein Hydrate, das aufgenommene Wasser selbst Hydratwasser,
und es kommt nun auf die Natur der mit solchem Wasser verbundenen Substanz
an, welche Rolle es spielt. War diese Substanz eine sogenannte Base, ein basi-
sches Oxyd, so functionirt das Wasser wie eine schwache Säure. Verband es
sich anderntheils mit einer wasserfreicn Saure, entsteht ein sogenanntes Säure-
hydrat, so functionirt es wie schwache Base.
Es ist demnach klar, dass der chemischen Constitntiou nach sich die Hy-
drate basischer Oxyde und die Säureverbindungen solcher Oxyde, die sogenannten
Salze, völlig entsprechen müssen. Der Kalkstein, den wir brannten, bestand aus
Calciumoxyd d. h. Kalk, plus Kohlensäure.
Das Brennen zerstörte die Verbindung, die Kohlensäure entwich, das Cal-
cinmoxyd hinterblieb; wir nannten es dann Kalk oder Aetzkalk.
Wir brachten dieses Calcinmoxyd mit Wasser zusammen, es wurde Wasser
chemisch gebunden, d. h. es trat an dieselbe Stulle, die früher die Kohlensäure
inne hatte, es wurde Calcinmoxydhydrat oder Kalkhydrat daraus.
Kohlensaurer Kalk und Calciumoxydhydrat sind also völlig parallele Ver-
bindungen; man könnte in diesem Sinne das letztere ,wassersauren Kalk oder
wasserstodbauren Kalk" nennen, was nur eine Verdeutschung des Namens Kalk-
hydrat', entsprechend dem kohlensauren Kalk, Jlalkcarbonat" wäre.
Die Kohlensäure aber, die stärker saure Eigenschaften hat als das Wasser,
welches in diesem Falle nur die Rolle einer Säure spielt, ohne im gewöhnlichen
Sinne saure Eigenschaften zu zeigen, vermag auch die Verbindung des Wassers
mit dem Calciumoxyd wieder leicht zu zersetzen.
Sie deplacirt das Wasser aus dieser Verbindung, macht es frei, setzt sich
an seine Stelle und es entsteht wieder kohlensaurer Kalk. Dieser kohlensaure
Kalk, unmittelbar nach seiner Entstehung fleckig, wenn er sich aus Lösungen des
Kalkhydrats ausscheidet, amorph wenn er aus breiigem Kalkhydrat entsteht, wird
in Berührung mit Feuchtigkeit oder kohlensäurehaltigem Wasser krystallinisch und
damit dicht und fest.
In diesen wenigen einfachen Thatsachen liegt der Schlüssel zur Erklärung
der Verhältnisse, die uns beim Mörtel beschäftigen.
Wir rühren Sand in den Kalkbrei und machen ihn dadurch zu Mörtel, den
wir zwischen Ziegel oder Steine streichen.
Anfangs wenig widerstandsfähig. gewinnt dieser Kitt an Festigkeit und Härte,
je länger er mit der Luft in Berührung ist.
Würden wir ihn in einer kohlensäurefreien Atmosphäre einfach austrocknen
lassen, so wiirde 1er zsrbröckeln und gar keine bindenden Eigenschaften zeigen.
Er wiirds mit einer Säure iibergossen sich bis auf den Sand lösen, ohne auf-
zubransen.
Der geringe Kohlensäuregehalt der Luft aber, der nur in 10,000 beträgt
reicht hin. ihn, wenn auch sehr allmälig, in kohlensauren Kalk zu verwandeln; unter,
dem Einfluss der nie fehlenden Feuchtigkeit der Luft ferner nimmt dieser dann die
krystallinische Beschadbnheit, Dichte und Härte des Kalkspaths an, nach einigen
Tagen braust der der Luft ausgesetzte Mörtel mit Säuren iibergossen stark auf.
Die erste dieser Verwandlungen des Mörtels, die seines Kalkhydrats in kohlen-
sauren Kalk, tritt verhältnissmässig schnell ein; die Masse ist durch den zugemischten
Sand porös genug geworden, dass sie von der kohlensäurehaltigen Luft durchdrungen
werden kann.
Die zweite dieser Umwandlungen dagegen, das dicht und krystallinisch werden
des kohlensauren Kalks, vollzieht und vollendet sich in viel längerer Zeit, und sie vor
Allem ist die Ursache, dass ältere Bauten fester und dauerhafter sind als neuere.
Wesentlich hierauf beruht das eigentliche Versteinern des Mörtels, das Zusammen-
51
wachsen mit seiner Beimischung von Sand und den umgebenden Steinen oder Ziegeln,
wesentlich hierauf, dass alte Bauwerke, oft von schlechterer architektonischer Con-
strnction als neuere, so widerstandsfähig sind und Jahrhunderte, Jahrtausende über-
dauert haben.
Der Mörtel antiker Bauten ist vielfach untersucht worden und es hat sich ge-
zeigt, dass seine Bestandtheile dieselben gewesen sein müssen, aus denen wir ihn
auch heute darstellen. Aber es hat sich auch gezeigt, dass er bis in den innersten
Kern dicker Mauern hinein dichten kohlensauren Kalk enthielt, während derjenige
jüngerer Bauten, selbst wenn man jüngere jene nennt, die schon ein paar Jahrhunderte
alt sind, in den innersten Partien noch! Kalkhydrat enthielt.
Die Rolle des Sandes im Mörtel muss zunächst die sein, die Masse porös und
zugänglich üir den Luftzutritt zu erhalten, damit dieser Substitutionsprocess des Was-
sers des Kalkhydrat-s durch die Kohlensäure allmälig durch die ganze Masse hindurch
erfolgen kann. Diese Allmäligkeit, diese Langsamkeit sogar ist geradezu eine Bedin-
gung für die Festigkeit der Mörtelmasse, denn das durch die Kohlensäure deplacirtc
Wasser des Kalkhydrats muss, scheint es, Zeit haben, das zunächst liegende, noch
unversebrte Kalkhydrat zuerst zu lösen, und so die Bildung des kohlensauren Kalks
aus einer Lösung vorzubereiten, wodurch hauptsächlich die krystallinische, stark kit-
tendo Form entsteht.
Verdampft das Wasser zu schnell, so bleibt das Carbonat amorph und verliert
dadurch wesentlich an Bindekraft.
Es ist daher eine ganz verfehlte Massregel, die nur von der Unkenntniss
der hier wirkenden Bedingungen zeugt, wenn man durch Trockenöfen oder
Heizvorrichtungen das Austrocknen des Mörtels beschleunigt. Dieses Moment
scheint man bei den Bauten früherer Zeiten besser gewürdigt zu haben als heute,
und es mag ein zweiter Factor für ihre Solidität geworden sein.
Der Mörtel ist auf der Höhe seiner Festigkeit angekommen, wenn alles
chemisch gebunden gewesene Wasser aus der Mörtelmasse verschwunden und
der daraus entstandene koblensaure Kalk dicht und krystallinisch geworden ist.
Es ist die Adhiisionskraft, die diesen mit dem Sand und Stein zusammen-
hültf die Adhiision, die ihrestheils die innigste Berührung des gebildeten kohlen-
sauren Kalks mit den vorhandenen Beimischungen voraussetzt, und in dieser
Iunigkeit nur erreicht wird, wenn sich der kohlensaure Kalk aus einer, natürlich
nur momentanen und ephemeren Lösung seines Materials aus dem freigewordenen
rwasser auf diese Beimischungen niederschlagen konnte.
Das Kalkhydrat ist, wie wir hörten, im Wasser etwas löslich.
700-800 Theile Wasser lösen einen Theil Kalk.
Das Jahre und Jahrhunderte lange Verweilen des Sandes, der wesentlich
aus Kieselsäure besteht, in einer solchen wenn auch nur wenig löslichen Kalk-
musse kann zur Folge haben, dass sich an den Beriihrungsstellen auch Spuren
von kiesclsaurem Kalk bilden.
Man fand den Quarzsand des Mörtels antiker Bauten aus der Mitte der
Mauern heraus oberflächlich rauh und wie geiitzt in Folge der hier angenom-
menen Bildung von kieselsaurem Kalk.
Auch diese könnte die Festigkeit des Mörtels erhöhen; inzwischen ist sie
für die Theorie des Erhiirtcns des Mörtels unbedingt nebensächlich.
Frisch aufgeführte Mauern, eben gebaute Räume, Hiiuser und Zimmer sind
bekanntlich feucht, und bleiben ziemlich lange unbewohnbar und ungesund.
Es ist aber nicht das zum Anmachen des Mörtels beniitzte Wasser allein,
welches dieses Fsuchtsein bedingt. Dessen Menge ist nicht so gross, dass sie
nicht, besonders bei trockenem warmen Wetter, bald wieder verdunstet wäre.
Aus der oben gegebenen Darstellung geht hervor, dass in Folge des
DZ
chemischen Vorganges beim Erhärten des Mörtels Wasser fortwährend gebil-
det wird. Es ist das Verdrängen des Hydratwassers des Kalkhydrats durch die
Kohlensäure, welches sehr allmälig vor sich geht und dadurch zu einer lange
andauernden Quelle von Feuchtigkeit wird, welche die Wände, die ausser dem,
die Steine kittenden Mörtel noch eine dicke Schichte desselben als Putz besitzen,
lange Zeit exhaliren.
Derselbe Fall ergibt sich bei frisch mit Kalk getünchten Wänden. Sie sind
so lange feucht, riechen dumpf und mulstrig, bis alles aufgebrachte Kalkhydrat
in kohlensauren Kalk verwandelt ist; ein Process, der sich, besonders in geschlos-
senen Räumen, nicht durch Erwärmen und Heizen derselbenf sondern nur durch
Luftwechsel, durch Ventilation beschleunigen lässt.
Vor dem sofortigen Bewohnen eben fertig gewordener Häuser kann daher
in sanitärer Beziehung nicht dringend genug gewarnt werden. So lange die
Mauern feucht sind, seien es nun frisch gebaute Mauern, oder altc, die aus
irgend einem Grunde Gelegenheit haben Wasser capillarisch aufzusaugen und
feucht zu bleiben, sind sie vor Allem nicht durchlassend genug fiir die änssere
Luft; gesättigt mit Wasserdampf wie sie sind, verhindern sie den Austausch
dieser äussern frischen Luft mit der innern, durch die Exhalation der,Bew0hner
bald verdorbenen, und diese Störung einer, für eine gesunde Wohnung ganz
nothweudigen Diffusion ist es besonders, die der Organismus bald empfindet und
durch Krankheiten aller Art büssen muss.
Man weise für gewöhnlich nicht, wie gross die Dnrcbdringlichkeit einer
Mauer, und sei sie mehr als fussdick, für die Luft ist, und wie auf dieser
Permeabilität, auf dieser ,.dadurch ermöglichten Diffusion und Lufterneuerung in
erster Linie die Möglichkeit beruht, dass wir geschlossene Räume dauernd be-
wohnen können.
Am anschaulichsten und interessantesten stellt sich diese Thstsaehe in
einem Experiment von Pettenkofer der, mittelst dessen man zeigen kann, dass
man durch eine fussdicke Mauer hindurch ein Licht ausblasen kann.
Lässt man sich auf einem Brett ein Stück Mauer aufführen, etwa Fuss
im Gevierte und einen Fuss und darüber im Durchmesser, wie gewöhnlich mit
Mörtel verputzen. überzieht man, nachdem Alles gehörig getrocknet ist, das Ganze
mit einer luftdichten Schichte von Wuchs oder dickem Asphaltfirniss, entfernt
diese Schichte an zwei gegenüber stehenden Seiten nur so weit, um an diesen
Stellen auf dem verputzenden Mörtel aufsitzend zwei Glasröhren einzukitten, und
bläst man nun durch die eine Röhre, so kann ein, vor die gegenübersteheude
zweite Röhre gehaltenes Licht leicht ausgelöscht werden.
Lässt man diese zweite Röhre in klares Kalkwasser tauchen, während man
wie früher durch die erste bläst, so streicht die Athemluft in Blasen durch die
Flüssigkeit und erzeugt darin eine Trübung von kohlensanrem Kalk.
Der Versuch bedarf keiner weitern Erklärung; er zeigt so klar als möglich,
wie porös, wie durchsetzt mit lauter kleinen Cauülen und Zwischenräumen unsere
Mauern sind, wie leicht so feine Flüssigkeiten, wie Luft und Gase sind, durch
sie hindurchfliessen, sieh mischen und austauschen können.
Ist die Mauer nicht allzudick und weht draussen ein heftiger Wind, so
kann man oft deutlich beobachten, wie die Kerzendammen im Zimmer dadurch
beunruhigt werden.
Dass die Fenster- und Thürritzen die Luftcirculation unserer Wohnungen
unterstützen, ist selbstverständlich.
In Räumen, aus impermeablen Wänden gebildet, Eisenplatten z. B., wäre,
hätten sie auch sonst gar keine anderen Nachtheilc, ein Wohnen unmöglich. Wir
würden sie in kurzer Zeit durch unsern Athmungsprocess ihres Sauerstodes so
53
sehr berauben und daiiir mit Kohlensäure erfüllen, dass sie uns geradezu lebens-
gefährlich werden müssten. Man weiss, wie man in neuester Zeit bemiiht ist,
durch künstliche Ventilation überall da nachzuhslfen, wo die Menge der aus-
geathmeten Kohlensäure zu der Grösse des Raumes und der Durchlässigkeit
seiner Mauern nicht im richtigen Verhältnisse steht.
Mauern, welche Räume einschliessen, in denen sich neben Kohlensäure und
Wasserdampf auch viel Ammoniak entwickelt, welches durch die Mauern hindurch
diEundiren muss, wie z. B. die von Ställen und andern Localitäten, wo Fäulnis-
processe vor sich gehen, zeigen nach einiger Zeit die Erscheinung des sogenann-
ten Mauerfrassef, die ihren kittenden und als Bewurf aufgetragenen Mörtel
nach und nach ganz zerstören kann.
Es stellen sich dann die Bedingungen einer Oxydation des Ammoniaks zu
Salpetcrsänre ein, die mit dem Kalk des Mörtels und wohl auch dem der Steine
und Ziegel salpetersanren Kalk bildet, welcher in krystallinischen Edlorescenzen
und Answitternngen auf der Mauer erscheint, dessen Hygroskopicität sie fort-
während feucht erhält und sie nach und nach vollständig currodirt.
Die Theorie des Mörtels, die ich bisher erörtert habe, gibt nun einige
Winke für die Praxis, die hier noch ihre Stelle finden mögen.
Zunächst bezüglich der Wahl der Materialien.
Je reiner der Kalkstein, je weniger er thonige und kieselige Beimengungen
enthält, desto besser muss natürlich der gebrannte Kalk werden. Man unterschei-
det demnach fetten nnd magern Kalk. Der erstere enthält durchschnittlich zwischen
95 bis 99 Proc., der letztere 75 bis 80 Proc. Kalk.
Der erstere löscht sich schnell, geht leicht auf und gibt einen steifen, ganz
gleichartigen Schmant, der zwischen den Fingern fast unfihlbar ist.
Der andere löscht sich langsam, mit geringerer Wärmeentwicklung und zer-
geht zu einem klnmpigen Brei, der sich etwas sandig anfühlt. Die Grenze, bis
zu welcher der Kalk zur Mörtelbereitung überhaupt noch tauglich ist, liegt bei
20-25 Pruc. Nebenbestandtheilen des Kalksteins. Schon bei diesem Betrag muss
von vornherein der Stein vorsichtig, d. h. bei einer Weissgliihhitze nicht erreichen-
den Temperatur gebrannt werden, denn bei dieser würde sich kieselsaurer Kalk
bilden, der, den Stein gleichmässig durchsetzcnd, das Löschen unmöglich macht.
Der gebrannte Kalk wird dann zu dicht, sintert, verschlackt wohl gar an der
Oberlläche und gestattet dann dem Wasser nicht mehr einzudringen und den Kalk
zu hydratisiren. Der Schmant wird kurz und mager.
Das Löschen des Kalks wird, wie bekannt, in flachen viereckigen Trögen
vorgenommen, die eine im Falz anf- und niedergehende Thiir haben. Sie sind
oberhalb einer, in poröses Erdreich gegrabcneu Grube postirt, in die man den zu
dünnem Brei gelöschten Kalk ablässt.
Es hat keinen Vortheil, den Kalk zuvor durch Besprengen blcs bis zu
Pulver zu löschen und dann Wasser bis zur breiigen Verdünnung nachiiicssen zu
lassen. Besser ist die zu dieser Consisteuz nöthige Wassermenge auf einmal über
den Kalk zu giessen und in ihr, zuletzt unter beständigem Rühren mit ring-
förmigen Schiireisen, zergehen zu lassen. Man vermeidet so am besten die Klum-
penbildung und erzielt schneller einen gleichmäßigen Brei. Man löscht häufig zu
einem Bau die ganze nöthige Kalkmenge oft ein Jahr lang zuvor und sumpft sie
in der Grube ein, die man bis zum Verbrauch mit Brettern bedeckt.
Diesem alten herkömmlichen Verfahren liegt die Erfahrung zu Grunde, dass
der Kalk dadurch besser wird, der daraus bereitete Mörtel schneller erhärtet
und dauerhafter, die Mauer trockener wird.
Die Erklärung dafür ist, dass fast jeder Kalkstein und somit auch jeder dar-
aus bereitete Kalk kleine Mengen von Alkalien, Kali und Natron, auch lösliche
Chlorverbindungen und schwefelsaure Salze enthält, die sich an der Mörtelbildung
nicht betheiligen können und ihr, weil sie nicht fest und unlöslich werden, nur
schaden, indem sie den Mörtel feucht erhalten.
Auch sie erscheinen oft als Answitterungen an den Mauern und geben ihnen
jenes fleckige hässliche Ansehen, welches oft die schönsten Bauten vernnziert.
War der Kalkbrei aber längere Zeit vorher eingesumpft, so versickern
die Lösungen dieser Substanzen in das poröse Erdreich und es befreit sich so
auf die einfachste, nicht leicht besser zu erzielende Art der Kalk von ihnen.
Es ist nicht zu besorgen, dass durch so langes Liegen der Kalk vor der
Zeit kohlensauer wird. Allerdings bildet sich bald auf der Oberliäche eine diinne
Schichte kohlensauren Kalks, allein diese, einmal gebildet, wirkt geradezu schützend
fir die darunter liegende Masse, weil sie hinreichend dicht und cohiirent ist, um
das weitere Eindringen der Luft zu verhindern.
Nach der Güte des Kalks, seiner Fettigkeit oder Magerkeit richtet sich
natürlich die Menge des znzumischenden Sandes.
Im Allgemeinen ist von der Erfahrung das Verhültniss von Tbeil gelösch-
tem Kalk zu 2-3 Theilen Sand als das beste erprobt. Man kann den Sand als das
feste Skelet betrachten, an das sich der im Laufe der Zeit bildende kohlensaure
Kalk anhettet, wie die Muskeln und Sehnen an die Knochen des Körpers. Es
muss eine Regel sein, die sich aus der Theorie ergibt, dass man dem Sand eben
nur soviel Kalkhydrat zumischt, als nothwendig ist, um alle Körner vollständig zu
umhüllen und die Hohlräume gehörig auszutüllen.
Es ist darum auch besser, dem groben Sand etwas feineren zuzusetzen, als
groben allein anzuwenden.
Der Sand selbst, um möglichst viele Berührungs- und Anheftungspnnkte für
den Kalk zu bieten, soll von rsuhem, eckigem, nicht glattem und abgeschlißenem
Korn sein.
Es leuchtet ferner ein, dass man vom Mörtel keine Vorräthe machen darf,
die nicht schnell aufgearbeitet werden könnten. Er kann nach einigen Tagen
schon so viel Kohlensäure angezogen haben, dass er unbrauchbar wird.
Ebenso verständlich ist, dass man ibn nicht in zu dicken Schichten zwischen
die Steine und Ziegel bringen soll, weil man damit das Austrocknen der Mauer
nur verzögert, statt ihr mehr Festigkeit zu geben.
Um die Adhäsion zu befördern, müssen poröse Steine, namentlich Ziegel,
vor dem Aufbringen des Mörtels mit Wasser angenetzt werden. Aus demselben
Grunde werden dichte aber glatte Steine zuerst mit dem Hammer ranh gemacht.
Zum Bauen gehört warmes trockenes Wetter, damit sich schnell iiusserlich
eine Kruste von kohlensanrem Kalk um die Mörtelpartien bilden kann. Erst dann
ist er durch diese vor dem auswaschenden Regen und den atmosphärischen Nieder-
schlägen so weit geschützt, dass der Bildungsprocess des kohlensauren Kalks auch
im Innern ungestört weiterschieiten kann.
Die oft betonte Langsamkeit, mit der das geschieht, das lange Beharren des
Kalks in den tiefer liegenden Partien als Kalkhydrat lässt es von vornherein nnmög--
lich erscheinen, mit dieser Art von Mörtel Bauten aufzuführen, die von Wasser bespült
oder gar in Wasser hinein errichtet werden sollen. Lange bevor das Wasser seine
Kohlensäure an den Kalk abgeben könnte, würde es ihn mechanisch fortgcspült, zum
Theil gelöst und den ganzen Mörtel desaggregirt haben.
Der besprochene Mörtel ist daher ausschliesslich Landmörtel, Mörtel für Hoch-
bauten, und es bedarf einer ganz andern, nach wesentlich verschiedenen theoretischen
Principien zusammengesetzten Mörtelmasse für Wasserbauten, eines Mörtels, den man
hydraulischen nennt und der den Gegenstand meiner nlichsten Besprechung bilden soll.
Fasst man den Begriff des rllortcls etwas weiter und snbsumirt darunter nicht
nur alle Mauerkitte, sondern auch alle in dünner Lage auf die Mauer aufgetragenen
Verkleidungen oder Verputzungen, sofern sie mineralischer Natur sind, so gehört auch
der Gyps wesentlich in die Reihe der Mörtclmaterialien.
Der Gyps ist nächst dem kohlenanren Kalk nicht nur im Haushalt der Natur,
sondern auch in der chemischen Technik unbedingt das wichtigste Kalksalz.
Ich habe schon erziihlt, dass aus ihm der natürliche kohlensaurc Kalk zum
allcrgrössten Theil entstanden ist.
Er ist schwefelsaurer Kalk. Wie er sich als Mineral findet. ist er entweder
schön und deutlich krystallisirt, nnd diese Art des Vorkommens entspricht der des
kohlensauren Kalks als Kalkspath und Arragonit, oder er findet sich in dichter mas-
siger Art, conform den reiueren Kalksteineu, oder endlich in einer besonders weissen,
dicht krystallinischen Form, die dem Marmor an die Seite gestellt werden kann, als
Alabaster.
Aller Gyps war einsteus im Wasser gelöst, im Meerwasser zumal, und ist von
dort erst in Festlandsbildungen übergegangen. Wir finden ihn jetzt in grossen Ab-
lagernngen und brechen ihn in den Gypsbrüchen wie den Kalk oder Marmor. Seine
Abstammung aus wässeriger Lösung verriith er aufs unzweifelhafteste durch einen be-
triichtlichen Gehalt an Wasser, den er besitzt und der geradezu seine krystallinische
Form bedingt.
Darin unterscheidet er sich vom kohlensnnren Kalk, der, um zu krystallisiren,
kein Wasser chemisch zu binden nöthig hat. Der Marmor enthält kein Krystallwssser,
der krystallinische Fasergyps, der Alabaster, das Marienglas immer.
Charakteristisch für den Gyps ist, dass er in gelinder Hitze schon dieses Kry-
stallwasser fahren lässt und wasserfrei wird. Dadurch zerfallt er bröcklig oder
pulverig.
Gyps, der iu der Natur einmal der Hitze ausgesetzt war und darum wasserfrei
ist, ist der sogenannte Anhydrit.
In dieser Form ist er spärlich verbreitet.
Souach verhält sich der Gyps in der Hitze vom kohlensauren Kalk wesentlich
verschieden.
Der kohlensaure Kalk verliert seine Säure und es hinterbleibt Aetzkalk;
der Gyps verliert nur Krystallwasser, aber nicht auch seine Säure; es ist un-
möglich, ans Gyps Aetzkalk zu brennen
Die beiden Mineralien aber, der kohlenssure Kalk sowohl wie der Gyps,
nehmen, nach dem Brennen mit Wasser zusammengebracht, Wasser wieder auf.
Der gebrannte Kalk jedoch nimmt es in seine chemische Constitution als Hydrat-
wasser, als Ersatz fiir seine verlorne Säure, und dieses Wasser fnnctionirt weiter-
hin wirklich üir diese; der gebrannte Gyps hingegen nimmt das Wasser nur als
Krystallwssser auf und bindet es so lose, wie das verlorne gebunden war.
Die Aufnahme des Hydratwassers durch den Aetzkalk ist eine energische
chemische Beaction, die mit einer sehr grossen Temperaturerhöhung verbunden
ist; die Aufnahme des Krystallwassers durch den Gyps ist eine Reaction zweiter
Ordnung, viel weniger energisch und geschieht nur-unter massiger Erwärmung.
Der Aetzkalk löscht sich zu einem Brei von amorphem Kalkhydrat, der
gebrannte Gyps zu krystallisirendem schwefelsauren Kalk. Dieser Krystallisations-
act folgt beim Gyps fast unmittelbar seiner Wasseraufnahme; da die einzelnen
Krystalle mikroskopisch klein sind, so verwachsen sie innig durcheinander, nnd
da die Wasseraufnahme eine Volumsvergrösserung zur Folge hat, so dehnt sich
In unsern gewöhnlichen Ofenvorrichtnngen wenigstens. Bei andauernder Weiss-
gliihhitze entlässt, wie Boussingault gefunden hat, der Gyps allerdings auch Schwefelsäure
und wird einem kleinen Theil nach ätzend.
die krystallisirende, festwerdends Masse aus, drückt sich fest an die Gefasswäinde,
zwischen denen der Preeess vor sich geht, so dass, ist die Erstarrung vollendet,
die Masse genau die Form desGefässes angenommen hat.
Die ganze Gypsgiesserei, das Modellformen und was dahin gehört, beruht
bekanntlich auf diesem Vorgangs.
Wir erhalten im Handel den Gyps immer im wasserfreien, gebrannten Zu-
stande. Die Gypsbrennöfcn sind den Kalköfen nicht unähnlich. Da. eine viel
geringere Temperatur dazu gehört, das Wasser des Gypses auszutreiben, als die
Kohlensäure des kohlensauren Kalks, so braucht man sogar nicht einmal einen
besonderen Ofen hiezu; es genügt, den Gypsblöcke und Steine gewölbartig zu
schichten, und in dem Gewölbsraum oder in den aufgesparten Gassen Feuer au-
zumachen; es genügt fiir kleiuern Bedarf, und wenn es auf eine besondere Weisse
und Reinheit ankommt, den zerkleinerten Gyps in einem Kessel unter freiem
Feuer zu erhitzen, bis keine Wasserdämpfe mehr entweichen. Die gebrannten
Massen werden gemahlen und gesiebt.
Da mit Wasser zu einem Brei angeriihrter Gyps im Allgemeinen die
Eigenschaften des Mörtels hat, d. h. in dieser Form sich in Fugen oder auf
rauhe Flächen aufstreichen zu lassen und dort zu erhärten, so liegt es nahe, ihn
auch in derselben Weise zu verwenden, wie den Mörtel. In der That haben ihn
zu diesem Behuf auch schon die Römer benützt.
Allein die kittenden Eigenschaften des Gypses sind unvergleichlich geringer
als die des Mörtels, er bleibt immer weich, miirbe und zerreiblich; eine Mauer
mit Gyps gebaut würde keinen Widerstand leisten können.
Wohl aber kann er sich zu Verkleidungen, zur Decoration, zur Ornamen-
tik geschützter Räume, zum Verputz von Wänden benützen lassen, und das ge-
schieht, wie wir wissen, in ansgedehntester Weise; man hat Kunstgriße und
Verfahrungsweisen ersonnen, solchen Gypsüberzügen durch Zuthnten eine viel
grössere Härte, eine Glätte und Politnrfahigkeit zu geben, so dass sie in der
Decorationskunst noch immer die erste Rolle spielen.
Dahin gehört der aus Leimwasser oder Hausenblasenlösung mit Gyps berei-
tete und durch farbige Oxyde gefärbte Stuclß, der mit Alaun, Borar, lriesel-
saurem Kali oder Wasserglas gehärtete Gyps, der mit einer Art Seife etwas durch-
scheinend gemachte, meerschaumartige, sogenannte enkaustirte Gyps, u. s. w.
Wenn Sie nach dem Mitgetheilten den materiellen Nutzen und den kiinst-
lerischen Gewinn überschlagen, den wir in letzter Linie aus einigen Kalkverbiu-
dungen ziehen, so werden Sie es nur gerechtfertigt finden, wenn ich mit einem
Panegyricus auf den Kalk diesen Vortrag beschliesse.
Ein so wichtiges, unersetzliches Glied ist der Kalk in der Kette, die das
Leben zusammenhält, dass er nicht ausgelöst werden könnte, ohne es fast zu
vernichten.
Aus einer Urvcrbindung, die sich im Anfang vorfand wir glauben dem
schwefelsaureu Kalk hat sich alles Kalklebeu entspannen, entwickelt und zu
einem Kreislauf geschlossen.
Auf diese erste Verbindung war zunächst die Möglichkeit einer pflanzlichen,
auf diese die einer thierischen Existenz niedrigster Ordnung gegründet.
Die Folge dieser vegetativen Processn war eine Umbildung de! schwefel-
sauren Kalks in kohlensauren.
Es gab primär keinen kohlenlauren Kalk.
Ibrlnlzuny auf der Bcilayn.
Beilage zu Nr. 51 der llllittheilungen etc."
Alle unsere Alpenkalke sind Meereskalke, Producte des Meerlehens, auf
dessen Boden zuletzt nach dem Absterben der kleinsten Thiere niedergelegt,
durch mächtige, stetig wirkende Kräfte gehoben, zu Festland geworden.
Die Reste dieses ersten Thierlebens wurden zu Stein", dieser versteinerte
kohlenssure Kalk musste oberirdisch verwittern, andere Formen und Verbindungen
eingehen, und diese konnten wieder allmälig in dem Maasse ins Meer zurück-
gelangen, als dort Neubildungen derselben Art vor sich geben.
Aber auf dem Festlande konnte sich unter Mithilfe des Kalks ein anderes,
noch mannigfaltigeres Leben entwickeln.
Höhere Püsnzenformen, höhere Thierformen, endlich der Mensch entstanden;
aber keines dieser Geschöpfe oder Gebilde ohne Kalk. Keine höhere Pflanze
gibt es, die nicht Kalk enthielte, kein Thier kann ihn entbehren, um so weniger
entbehren, je höheren Gattungen es angehört.
Alles Knochengerüst besteht zunächst aus Knlkverbindungen. Sie gelangen in
den Organismus durch die Nahrung.
In die Pflanze, die nur Lösungen als Nahrungsmittel kennt, durch das
Wasser, welches den Kalk als Verwitterungsprodnct der Mineralien gelöst hatte;
in das Thier theils durch das Wasser, theils durch die kalkhaltige Pflanze, die
es verzehrt.
Mit grösster Sorgfalt sammeln wir jetzt, nachdem unsere Einsicht so weit
gediehen ist, diesen thierischen Kalk, um ihn als Dünger der Pflanze wieder zu-
zuführen.
In diesen grossen Kreislauf schaltet sich eine Metamorphose der Kalkver-
hindungen ein, die wir willkürlich und bewusst vollziehen.
In tausend Verbindungen bringen wir den Kalk sowohl in den künstlichen
Zusammensetzungen, die die Chemie des Laboratoriums kennen gelehrt hat, wie
in Mischungen, die nichts als künstliche Nachahmungen natürlicher Gesteinsbil-
dungen sind.
Der Mörtel ist eine solche.
Aller thierische und menschliche Instinct war und ist auf den Kalk ange-
wiesen, nicht nur um den eigenen Organismus zu bauen. sondern auch diesen
Organismus in einem Zufluchtsort, einem Nest, einer Wohnung zu bergen, die
ihn vor den Unbilden der Aussenwelt schützt.
Erst in dieser Wohnung, unter diesem Kalkschutz entwickelt sich Intelli-
genz und Gesittung.
Nomaden und Höhlenbewohner sind Wilde. Die Zivilisation beginnt erst
mit der sichern festen Wohnung.
Weiter brauche ich diese Betrachtung nicht zu verfolgen, die sich von da
an so leicht fortspinnen lässt.
Es genügt uns eingesehen zu haben, dass der Kalk, der Mörtel einer der
materiellen Hauptfactoren ist in der Geschichte der Zivilisation.
Bücher-Revue.
Die mit B. K. bezeichneten Nummern sind die Nummern der Bibliothek des Museums.
Allgeelncs Kltnstlerlexlcon, unter Mitwirkung der namhaftesten Fachgenossen des
In- und Auslandes herausgegeben von Dr. Julius Meyer. Zweite, gänzlich umgear-
beitete Auilage von Naglefs Künstlerlexicon. Leipzig, Verlag von Wilh. Engelmann.
Erstes Hell. gr. 8. B. K. 2507.
Nach mancherlei Schicksalen ist der Verlag dieses Werkes endlich in die Hände
einer Firma gelangt, die alle Garantien bietet, dass das grossaiüge Unternehmen einem
gedeihlicheu Fortgange und Abschluss entgegengeflibrt werden wird. Nicht weniger bürgt
hierfir der Name des Hauptredacteurs, die der zahlreichen Mitarbeiter, und der schon aus
dem ersten uns vorliegenden Hefte ersichtliche grosse Ernst. mit dem diese ihre Aufgabe
erfassen. Die eben erschienene Lieferung umfasst XII und 72 gespaltene Seiten com-
pressen Druckes, und geht bis Emil Adam. Das Ganze ist auf etwa 15 Bände von je 45
bis 50 Bogen berechnet, ein Umfang, der wie wir glauben eher noch überschritten werden
dürße, wenn man nach der Bearheitungswsise des ersten Heftes eine ungefähre Rechnung
anzustellen überhaupt im Stande ist. Vollendet wird es ein Denkmal deutschen Fleisses
und deutscher Wissenschaft sein, wie es keine zweite Literatur der Welt aufzuweisen hat;
ist ja doch schon der alte Nagler trotz aller seiner Fehler und Mängel einzig in
seiner Artl
Eine eingehende Besprechung behalten wir uns für später vor; was wir aber heute
schon nicht unerwähnt lassen können, ist, die Herausgeber aufmerksam zu machen, der
Behandlung moderner Künstler nicht einen über ihren Werth hinausgehenden Raum zu
gönnen. So etwas geschieht leicht, sowohl wenn dem betrelfeudsn Bearbeiter das Materials
bequem und leicht, zugänglich ist, als auch nach dem bekannten Gesetze, dass alle nahen
Dinge gross erscheinen. So bedünkt uns beispielsweise, dass die Abhandlung über die
beiden Achenbach's zu breit ausgeführt ist. Der Gleichmäßigkeit zu liebe sollte man
darin recht strenge sein, denn die Länge des Artikels, den man einem einzelnen Meister
widmet, bildet schon an sich einen ungefähren Mnssstab von dessen Werthschiitzuug, oft
genauer, als sich dieser in den Worten ausdrückt.
Wir werden dem Weitererscheinen des Werkes stetig unsere Aufmerksamkeit wid-
men uud hoiien recht häufig darauf zurückkommen zu können.
Frz. Schulen, Denkmäler der Baukunst in Original-Aufnahmen. Erstes Heft
Gerona. Mit Lithogr. u. 34 Holzschnitten. Leipzig 1869. Seemann. B. K. 2470.
Architekt F. Schulcz, Schüler der Wiener Akademie, speciell des Prof. Friedrich
Schmidt, unternahm mit Unterstützung der k. österr. Staatsregierung eine Studienreise
auf welcher er eine Reibe von unbekannten Baudenhmalen, vor allen Spaniens, Illltßllllßhbüs
und aufnahm. Die Frucht dieser Studien soll nun nicht in den Portefeuilles des Archi-
tekten, wie es häuiig geschieht, vergraben bleiben; Herr Schulcz hat sich zur Herausgabe
derselben entschlossen. Das erste Heft es bringt die Monumente Geronds liegt vor
uns und ist auch Sir uns, da es viele Werke der kirchlichen Kleinkunst enthält, von Be-
deutung. Wir empfehlen das Werk, das dem Dombaumeister Friedr. Schmidt gewidmet
st, unseren Lesern.
Uoruement polychromc. Cent planches en couleur, er et argent contenant environ
2000 motifs de tous les styles. Recueil hist. et prntique publiä sous la direction de
M. A. Rscinet. Avec des uotes explicatives et une introductiun genörnle. Paris,
Firmiu Didot fr. Fol. B. K. 2408.
Ein Werk, welches auf 100 Tafeln gegen 2000 in Farben ausgeführter Orna-
mente aller Zeiten und Völker zum Gerneingute des Publicnms macht, bedarf bei
der allgemeinen Anerkennung der Bedeutung des Ornamentes für alle Zweige der Kunst-
rndustrie keiner besonderen Anempfehlung, insbesondere wenn die Beispiele mustergiltigeu
Originalen entlehnt und gewissenhaft wiedergegeben sind. Beides ist bei dem angezeigten
Werke der Fall und nur wenige Tafeln lassen in der Gewissenhaitigkeit der Wiedergabe
der Originale etwas zu wünschen übrig, wobei freilich der Zustand, in welchem sich die
Originale befinden, der Grad der Erhaltung und die Schwierigkeit der Restaurirung der
Farben in Rechnung gebracht werden muss. Die bisher erschienenen zwei Hefte enthalten
Bhechische, japanische, persische, arabische Ornamente, Ornamente des Mittelalters nach
Jahrhunderten geordnet, der Renaissance, des 17. und I8. Jahrhunderts, und lassen die
Fortsetzung mit Spannung erwarten.
59
Uhromollthogrsphs of the prlneipal objects art in the Sonth Keuslngten-Mvn-
seum. Part II. gr. fol. London, Arundel-Society. Bell und Daldy. B. K. 2166.
Flfty Etchlngs of objects of art in the S. Kensington-Museum. Donef by the students
of tbe Etching class in training as art-teachers. Directed by Eich. J. Laue. First und
second series. Fol. London, Arundel-Society. B. K. 2508.
Diese neuen Pnblicationen des Science and Art Departments geben erfreuliches
Zeuguiss eben so von der Biegsamkeit und dem praktischen Vorgehen im Kensington-Mu-
seum und den mit demselben verbundenen Anstalten, wie von den enormen Mitteln, über
welche jenes Institut verfügt. Das Kensington-Museum, welches bekanntlich bereits auf
eine sechzehnjlihrige Thlitigkeit zurüekblickt, befindet sich in der glücklichen Lage, Arbei-
ten wie die vorliegenden schon durch Zöglinge der Schulen, welche mit dem Museum in
Verbindung stehen, ausführen lassen und sie zugleich in der splendidesten Weise ausstat-
ten zu können. Beide Publicationen sind eben so prächtig als von praktischem Nutzen.
Die Chrornolithogruphien stellen dar ein byzantinisches Elfenbeinklistchen aus der Kathe-
drale von Veroli bei Rom; eine von den swölf runden, Luca della Robbis zugeschriebenen,
Terracottaplatten mit Darstellungen der zwölf Monate, aus der Sammlung des Marchese
Campans. in den Besitz des Kens. Mus. übergegangen, und ein Silberkästchen mit Emails
von Jean Limousin. Die hundert Radirnngen nach den verschiedensten Kunstwerken,
Gold, Silber, Bronze, Krystall, Elfenbein, Holz etc. bekunden einen hohen Grad künst-
lerischer Ausbildung, da sie nicht allein Gestalt und Decoration mit grösster Genauigkeit
wiedergeben, sondern auch das Material, in welchem das Original ausgeführt ist, aufs
deutlichste kenntlich machen. Worauf wir aber besonders aufmerksam machen müssen,
ist, dass die Künstler, welche diese Radirungen lieferten, Zöglinge der Classe iiir Ausbil-
dung von Zeichenlehrern sind.
Les seulpleurs Italiens par Ch. C. Psrkins; ouvrnge trsduit par Ch. Th. Hans-
soullier. Zlilinde, mit einem Atlas in Quarte. Paris librairie de J. Renouard. 1869.
B. K. 2473.
Unter den neueren Werken über Geschichte der Plastik nehmen die Werke von
Perkins Italian seulptnrs London, Longmau, Green Camp" B. K. 22H, u. Tuscan
sculptors. Binde. London 1864. B. K. 503 einen hervorragenden Platz ein. Gründliche
Snchkennmiss und umfassende Belesenheit vereinigen sich bei ihm mit einer gesunden
Anschauung über Plastik. Die anükisirenden Veilletliten, die in älteren Schritten über ita-
lienische Plastik des Mittelalters häufig vorkommen, sind bei Perkius nicht zu finden.
Haussoullier hat das erstgenannte Werk, die Italisn sculptors, übersetzt. Der erste
Band der Uebersetzung behandelt die Schulen von Pisa, Slena und Florenz, bis zu den
letzten Ausläufern derselben in Bsceio Bnndinelli, Tribolo und Giovanni Bologna; der zweite
Band behandelt die Geschichte der Plastik nach Städten, beginnend mit denen uliene,
dann die Plastik in Neapel. Rom, den lomhardischen und anderen oberitalienischen Städ-
ten. Ein sehr tieissig gearbeiteter Index erhöht die Brauchbarkeit der Ueberaetzung, welche
dem geistvollen Geschichtsohreiber der Art chretien, Herrn Rio, gewidmet ist. Eine Uober-
setzung dieses Werkes in deutscher Sprache wird wohl nicht lauge auf sich warten lassen.
Ls Toscane au lnoyen sge, srchitecture civile et militaire par G. Bohault de
Fleury. Paris, bei Lacrcix, 1868-1870. Fol. l. Band. B. K. 1676.
Der erste Band dieses Werkes über das mittelalterliche Toskana ist so eben vollen-
det. Er behandelt, mit Ausschluss der kirchlichen Arcbitectur, die Kriegs- und Civil-
arehitektnr des Mittelalters in Toskana, vorzugsweise in Florenz, Pisa, Lucca und Pistoju.
Die zahlreichen Illustrationen Kupfertafeln und Holzschnitte lassen in Hrn. Rohault de
Flenry einen Anhänger der Richtung Viollet-le-Dutfs erkennen, der seinem Gegenstand
eine hohe Begeisterung für die Kunst des Mittelalters und gründliche archäologische
Kenntniss entgegen bringt. Ernste Freunde des Mittelalters, welche eine mehr stylgerechte
als malerische Auffassung der Gegenstände suchen. werden an dem Werke viel Vergnügen
haben. Die Ausstattung des Werkes ist vortreflich.
Gesammeltes. 15 Bilder fürs Haus von Ludwig Richter. In Holzschnitt von Prof.
H. Bürckner, K. Oertel und H. Günther. Dresden, J. H. Richter. F. lLK. 2485.
Ludwig Richter, dem greisen Meister der Illustration, sind wir für eine neue Gabe
für den Weihnachtsüsch zu Dank verpflichtet. Sie enthält I5 Bilder, dem unerschöpflichen
Borne des Farnilien- und Kinderlebens entnommen, und reibt sich dem besten an, was der
Künstler je geschatfen. Das Werk ist eine Zierde jedes Familientisches und wird seinem
Urheber neue Freunde erwerben.
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Vredemsn, F. Verschsyden Sohryn werck. Plusieurs menuiseries comlne portsulx.
gnrderohhes, huifetl, chulicts, tshles, nrches, selles, hsncs, escnbelles, roulesux pendre
toueilles, nasses n. vertes, et heauconp d'autres sortes d'onvrsges. Le tout fort Artiste-
rnent adjence et rnsrque pur le femeux Paul Vredemsnn de Vriese. Et non-
vellement mis en Lumiere psr Nicoles Jansen Vischer. Um 1630. Thle. qu. F. Nou-
vellement mis en lurniere pur G. A. van Trigt, l'an 1859. Bruxelles. B. K. 2502.
Unter den Kunstbiichern des 16. Jahrhunderts sind diejenigen mit Möbeldnrstellnn-
gen die seltensten. Wir sind deshalb dein Herrn vsn Trigt fir die photolithogrsphische
Wiedergabe von Vredemanh Schrynwerk; alle Anerkennung schuldig. Der Charakter der
Originslstiche ist im Ganzen gut wiedergegeben; dass die Feinheiten derselben nn den
Nachbildungen vermisst werden, liegt in der Natur der Photolithogrsphie. des billigsten
Reprodnctionslnittels, welches der Herausgeber anwenden musste, um das Werk such den
minder hernittelten industriellen, für die es in erster Reihe berechnet ist, zugänglich zu
machen. Wie schon der Titel besagt, sind alle Arten Schreinerarheiten darin enthalten,
darunter auch solche, die sonst nur selten vorkommen, wie i. B. Hsndtuchhiilter, Gläser-
kusten. Hoifentlich wird kein Tischler des Werk aus der Hand geben, ohne etwu fiir ihn
Brauchbares darin gefunden zu hshen.
Ilosengerteu, A. Die architektonischen Stylarten. Eine kurze sllgemaiufsssliche Der-
stellnng der charakteristischen Verschiedenheiten der architektonischen Stylnrten.
2. umgearbeitete und vermehrte Auflage. Mit 689 lllustrstionen in Holzstieh. Brunn-
schweig, Vieweg St Sohn, 1869. 8. B. K. 250i.
Diese neue Ausgabe unterscheidet sich von der ersten durch eine gründliche Revi-
sion des Textes und eine Vermehrung der Illustrationen, durch welche besonders der letzte
Abschnitt der Bnustyl der Gegenwert, dem Verstiindnisse des Lesers nliher gerückt wurde
Heston. Mrs. Charles. The history of the life of Albrecht Diirer of Nürn-
berg. London, Meeuxillnn Cm, 1870. gr. 8. B. K. 2459.
Eine Uebersetzung der Venetißnischen Briefe und des Niederländischen Tugbuches
von Dürer, eingeschlossen in eine ziemlich hausbsckene Darstellung seines Lebens. Eine
Lectüre für gebildete Frauen mehr, denn für Männer. von bescheidener, aber geschickter
Frsuenhand. illustrirt mit Photographien und Autotypien nach Knpfern und Holsschnitten
zumeist. Typographisch glänzend ausgestattet.
Seott, William B. Albert Durer bis Life und Werks including sutobiogrnphicsl
Pspers und complete Cstslogus. Louquenns, Steen Co. 1869. 8.
hin ähnliches, aber weit schwächeres Werk mit eigenhiindigen Bsdirungen des Ver-
fassers, der des Deutschen gerade so weit inlichüg ist, um Heller als einer höchsten Au-
torität folgen zu können.
Vorlesungen im Museum.
Seit dem Erscheinen des Navemberheffes der "Mittheilungen" wurden im Museum
folgende Vorträge gehalten l. Nuv. Dir. v. Eitelberger über die Entwickelung der Kunst
unter dem Einllusse des Clnristenthums; 18. Nov. Derselbe über die kirchliche Kunst in
Oesterreich; 25. Nov. Prof Hlusiwetz über Mörtel; 2. Dec. Derselbe über Cement; 9. Den.
Dr. Thsusing über die Albertina. Die beiden Vorträge des Prof. Hlasiwets erscheinen in
ihrem vollen Umfange in diesen Blättern. Hier folgt ein Besume der übrigen Vorlesungen.
Director v. Eitelberger Hihrte in seiner dritten Vorlesung uns, dass die Kunst
durch das Christenthum eine um so gründliches-e Umgestaltung erfuhren musste, als dieses
die ganze Denlmrt des Menschen auf eine neue Basis stellte, dem Leben einen neuen In-
halt gab. Der geistigen Atmosphäre, welche von der Religion geschaffen wird, vermag
sich auch der nicht zu entziehen, welcher nicht gläubig ist. So entstehen die Ideulv
gestalten unabhängig von dem subjectiven Belieben einiger Künstler. Von Wichtigkeit
wurde es vor Allem, dass die Kunst bei der Darstellung der Geschichten des neuen Testa-
ments es mit historischen Persönlichkeiten, nicht mit mythischen zu thun bekam. Freier
bewegten die Künstler sich gegenüber den Gestalten des alten Testaments, der Vorge-
schichte des Christentbums, Idenlgestalten, einem historischen, aber fernen Boden ent-
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wachsen. Allein diesen ist ein Zug von Grösse und eine Eigenthiimlichkeit der Charak-
teristik eigen, welche zu erreichen Bildhauer und Maler nur selten die Mittel finden. Der
Einduss geschichtlicher Voraussetzungen. durch welche die christliche Kunst sich von der
ihrem ganzen Wesen nach idealen antiken Kunst unterschied, wurde noch gesteigert durch
die spätere Periode des Christenthums mit ihren Kämpfen und Ereignissen. in denen nuch
das Wunderbare direct oder indirect in die wirkliche Welt eingreift. Erst viel später tra-
ten neben die historischen die idealen Gestalten des alten und neuen Testaments Jehova,
Chernbiru und Seraphim die Himmelskönigin, die allegorischen Gestalten der christ-
lichen Tugenden, des Bild der Kirche u. a. m. Schwer wiegt es ferner für die bildende
Kunst, dass das Christenthum eine Weltreligion ist im Gegensstze zu den Volksreligiens-n.
welche entweder mit den Völkern untergegangen oder doch auf gewisse Stämme beschränkt
geblieben sind, wie Muhamedanisn-ius und Mnsnismus. Die völkerverbindenden Ideen des
Christeuthurns bereiteten der modernen Civilisation den Boden. Die Kunst spricht nun
eine iibernll innerhalb der christlichen Welt verständliche Sprache, die christliche Sitten-
lehre viel mehr als die Glnnbenslehre driickt allen Kunshlchöpfvmgen ihren unverkennbaren
Stempel auf. auch denen, welche antike Steife behandeln und nntike Vorbilder gehabt
haben. Denn das Christenthum gipfelt nicht wie das Griechenthnm in der Kunst, sondern
in der ethischen Lebensbasis. Darum haben in der christlichen Kunst sich auch vorzüg-
lich jene Kunstgattungen entwickelt, welche Seelenstimmung. Empfindung. Gemiithstiefe
zum Ausdruck bringen, Architektur-und Malerei, während die Plastik wohl zu verschie-
denen Zeiten. wie im fünfzehnten und sechszehnten und zu Ende des achtzehnten Jahr-
hunderts, durch die Opposition gegen das einseitige Dorniniren der Ferbe empor-gehoben
wurde, aber immer bald wieder gegen die Farbe zurücktreten musste, die schon als phy-
sikalisch wirkende Macht fähig ist Gefühle anzuregen, um so mehr, wo sie der Kunst als
Medium dient.
Die Schlusswerte dieses Vortrages bildeten bereits einen Uebergsng zu dem vierten,
welcher das Ringen der Künstler und Knnstgelehrten mit der Baubureaukrnl-ie in Oester-
reich in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts den Anbruch eines neuen Tages mit dem
Bau der Altlerchenfelder Kirche. die Thlitigkeit Ernst's, Ferstr-Ps und Friedrich Schmidfs
rbesprsch und die Bedingungen, unter welchen eine fernere gedeihliehe Entwickelung der
Kunst in der Kirche zu hoGen sei ein ernsteres Verhältuiss zum Christenthurn in Oester-
reich überhaupt, Andnuer der jetzigen auf Erziehung zur Kunst gerichteten Bestrebungen
im Schousse der Kirche, Wahrung der Kunst vor dogmatischen nder philosuphischen Ten-
denzen, rechte Würdigung der anderen Künste seitens der Architekturß
Kleinere Mittheilungen.
Geschenke an das Museum. Aus der Sammlung des Herrn
G. Ritter v. Schwarz, gewesenen amerikanischen Consuls, wurden von
dessen Witwe Frau Anna v. Schwarz vier werthvolle Marmcrreliefs
zum Geschenke gemacht. Darunter befinden sieh die beiden Köpfe in
Relief. wahrscheinlich Florentiner Arbeit des 15. Jahrhunderts, die hier
gefunden in dem Besitz des Baron Cl. v. Hügel gewesen sind, bevor sie
von Herrn Ritter v. Schwarz erworben wurden. Ausserdem wurden dem
Museum von Seite der Direction des South-Kensington-Museums
die beiden in der Bücher-Revue angezeigten Praebtwerke, von Herrn
Baron Sehwarz-Senborn in Paris eine Sammlung Drucksehriften der
Trelalfschen Jiicole d'architecture", der ..Uninn centrale" und die "Revue
internatinnale de Part et de 1a curiosite" zum Geschenke gemacht.
Preisaussc-hreibung. Der n. Gewerheverein hat in seiner
Sitzung vom 23. November beschlossen. für die Kunstgewerbeschule des
Oesterr. Museums zwei Preise von 50 H. auszuschreiben, welche zu Ende
des Schuljahres 1869f7O in den Fachschulen fTir Baukunst und für Blu-
menrnalerei verliehen werden können. Und zwar sollen die Zöglinge be-
theilt werden, welche nach einer Aufgabe den besten Entwurf eigener
Erfindung liefern, da es der Zweck dieses Preisansschreibens ist, das er-
62
lindende Talent schon in der Schule anzuregen und aufzumuntern. Hierauf
werden daher die Professoren der Kunstgewerbeschule, welchen überlassen
ist, unter Beiziehung eines Delegirten der Vereinsahtheilung tiir gewerb-
liche Kunst sowohl die Aufgaben zu stellen als die Preise zuzuerkennen,
vorzüglich ihr Augenmerk zu richten haben.
Neu ausgestellte Gegenstände. Am 21. November Eine Collecüon von
in Osündieu verwendetem Rohmaterial für Gold- und Seidenstickerei mit Angabe der
Preise, Geschenk des Herrn C. A. Gumpert, Correspondenten des Museums in Calcutte;
eine Suite chinesischer Geflisse, Eigenthum des Herrn Baron Bansonnet.
Am 25. November Büste F. Schubert's vom Bildhauer Kundmann; Ansicht
von Mölk, GuillochirAArbeit vom Graveur Hart; eine Suite von Gypsabgiissen nach
Colin's Basreliefs am Max-Denkmals in Innsbruck vom Gypsformator E. Stainer in
Innsbruck; eine Predella, Oelgemälde vom Jahre 1619, Privateigenthum; deutsche,
schweizerische und niederländische Glasmalereien aus dem 16. und I7. Jahrhundert.
Am 1. Decsmbsr Polnische Leibgiirtel und ein Wiener Taufbecken mit Carneen,
Eigcnthum der Hau Grtliin Alfred Potocka; sächsiseh-siebenbürgische Schmuck-
gegensüinde Hohl, Fraucn- und l-lerrengürtel, Eigenthum des Herrn Baron und der Frau
Baronin Rosenfeld- Rheinlllndische Emailgetiisse aus dem XII. Jahrhundert, copirt
von Fuchs in Köln; eine Credenz, ausgeführt von Herrn Rudrich in Wien.
Am 5. Decemher Mosaikgemülde nach einem Originale in der Marknskirche in
Venedig, ausgeführt von Herrn Podio in Venedig eine gemalte Tischplatte von
Fräulein Hsndess; drei Krystallgefässe aus der k. k. Schatzkammer; eine Suite
bunt ornamentirter Leinwaudwebereien aus der Fabrik des H. J. Pfannstiel zu Gross-
Taharz in Thüringen; Nachahmungen antiker Thongefässe aus Berlin.
Am 8. December Kirchengewünder für das Stift Klosterneuhurg, ausgeführt von
Krickl und Schweiger; Glasservice, ornamentirt von Fischhach, ausgeiihrt vom
Glaswaareufabrikanteu Ulrich; eine Reihe von Prachtgeflissen aus der Amhraser
Sanunlung.
Besuch des Museums. Im Monat November wurden die Sammlungen der
Anstalt von 6853 Personen besucht.
Der Kunstgawerbeschule In Innsbruck, welche bei dem üroler Landtags
um eine Jahressubvention von 500 d. eingekommen war, wurde eine einmalige Unter-
stützung von 400 d. bewilligt; diese Summe beschloss der Lehrkörper vollständig zur An-
schaEung von Lehrmitteln zu verwenden. Eine kleine Ausstellung von Gegenständen der
Metallotechnik, welche auf den Wunsch der dortigen Handels- und Gewerbekammer aus
den Sammlungen des Oesterr. Museums ausgewählt und nach Innsbruck gesandt wurden,
erfreute sich zahlreichen Besuches der Fachleute.
Die Schülerarbelten der Ecole cenlralc d'architecture In Paris, von
welchen bereits in dern Artikel des Nevernherbeßes gesprochen wurde, sind seit dem lll. De-
cember in den Räumen des Museums ausgestellt. Diese Ausstellung zerfällt in zwei Ah-
thailungcn; eine derselben enthält Concursarbeiten, die am Ende eines jeden Jahres s. g.
ecmceurs de sortie auf Grundlage von Programmen gearbeitet werden, die von der Direc-
tion der Schule ausgehen und in den Ateliers der Schule ausgeführt werden; die zweite
Ahtheilung enthält Ferialsrheiten der Schüler travaux de vacanees, welche nach freier
Wahl der Schüler und ohne alle Intervention der Lehrer der Schule wiihrend der Ferien-
zeit gearbeitet werden.
Die concours de sortie sind von den Schuljahren 1868 und 186D; ebenso die aus-
gestellten travaux de vnmnces.
Gegenstände der concours de surtie sind
1. Ein Working men's Club zu Miihlhaussn;
2. ein Spital, ausgeführt von den Zöglingen der Anstalt, den Herren Lagosse, Briere,
Chatrousse, Charbonnier, Georget, Rzetkowsky und Dollinger.
Die ausgestellten Gegenstände der Ferialarheiten der Schüler travaux de vacances
bringen eine Reihe von sehr interessanten Denkmälern Frankreichs, und interessiren uns
daher nicht hlos der Schule halber, sondern auch der Gegenstände wegen, welche zur
Darstellung gewlihlt worden sind.
Die ausgestellten Arbeiten der Zöglinge sind folgende
l. Studien über die Bauten in Mont S. Michel von Herrn George.
2. Die Ruinen der Abtei de Vanclair Aiene von Herrn Cbarbonnier. Diese Cister-
cienser Abtei in Laonnais stammt aus dem Jahre 1334; aufgenommen sind der Speicher
und die Ruinen des Refectoriums.
Die Kirche zu S. Geed Aisne aus dem 12 Jahrhundert und zwei Hänser aus
dem 15. Jahrhundert zu Stores, aufgenommen von Herrn Charbonnier.
4. Der dritte römische Triumphbogen aus der Zeit Hadriads zu Orange, aufgenuru-
men von den Herren Briere und Desmarest.
5. S. Emilion, eine kleine Stadt im Bordelais; Ueberreete aus verschiedenen Epo-
hen, aufgenommen von Herrn Gremailly.
6. Mont S. Michel en mer, Abtei, gegründet im 8. Jahrhundert, wieder erbaut zwi-
schen 1203 bis 1260, eine der interessantesten Bauten Frankreichs. Von den Herren Sous
vestre und Gautier sind aufgenommen das Rez-de-chsussee, zwei Befectorieu, der 1. Stock
des Dormitoriums und der Rittersaal.
7. Die Abtei von Longpont Aisne, Ruine aus dem 13. Jahrh., aufgenommen von
Herrn Degand.
8. Das päpstliche Palais zu Avignon, begonnen im Jahre 1838 von Bencdict XIL,
vollendet in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts. Als Architekt wird Pierre Obrier genannt,
die Malereien werden dem Giotto und Bimone Memmi zugeschrieben. Die Aufnahmen
sind von den EH. Chatrousse und Clet.
9. Das Schluss von Josselin in der Bretagne aus dem 16. Jshrln, aufgenommen von
den HH. Lagosse und Henry.
10. Das Schloss zu Tourlaville, Wohnhaus der Familie Tocqueville bei Cherbourg,
aufgenommen von Herrn Malencon.
11. Die Kirche zu Eunerat aus dem 11. und 13. Jahrhundert, aufgenommen von
Herrn Briere.
Die ausserordeutlich grosse Anzahl von eingesendeten Arbeiten kann bei den sehr
beschränkten Räumlichkeiten des Museums nur partieuweise ausgestellt werden.
Das Museum verdankt diese Ausstellung, der auch gedruckte französische Schul-
progranime beiliegen, dem Conseil der Schule, Herrn Trelat, Director derselben, und
der freundlichen Vermittlung des Herrn l-Iofraths Baron Schwarz-Senborn.
l-Lin Institut für kunstgewerbliehen Unterricht in Württemberg ist am
I. November d. J. in Stuttgart eröiinet werden. Das Institut, welches dazu bestimmt ist,
den an mehreren Anstalten des Landes bereits vertretenen kunstgewerblichen Unterricht
einheitlich zu urganisireu und zu einer höheren Stufe der Ausbildung zu bringen, ist pro-
visorisch mit der pelytechnischen Schule in Stuttgart verbunden und steht unter Leitung
des Prof. W. Bäumer, des bekannten Herausgebers der Gewsrbehallett. Der Unterricht
gliedert sich nach drei Abtheilungen, in denen Architectur, Bildhauerei und Malerei, theila
in Vorträgen, hauptsächlich aber in praktischen, bis zu selbständigen Compositionen sich
erstreckenden Uebungm gelehrt werden, und ist auf dreijährige Dauer berechnet. Im
Gegensatze zu anderen, durch Privatmittel begründeten und durch Private geleiteten An-
stalten ähnlichen Zweckes, die in vollkommener Lernfreiheit Jedem geöhet sind, ist die-
ses vom Staate errichtete Institut eine geschlossene Schule, die besondere Aufnahmebedin-
gungen stellt zweijährige erfolgreiche praktische Thätigkeit in einem Industriezweige,
ausreichende künstlerische Befähigung und Vorbildung und Abgangszeuguisse ertheilt.
Der Erfolg wird lehren, welcher von beiden Wegen den Vorzug verdient. Uebrigens
ist der Stuttgarter Anstalt die unentbehrliche Verbindung mit dem praktischen Leben da-
durch geöifnet, dass die Uebernnhme von Bestellungen auf Entwürfe kunstgewerblicher
Art beabsichtigt wird.
lhchschule für Färberei etc. Die Eigenthiimer einer Teppich- und Gobelinsv
fabrik in Paris hatten der österreichischen Regierung ein Project zur Errichtung einer
Gcbelinsmanufaetur in Wien, verbunden mit einer Schule für Luxusstickerei und Färberei,
vorgelegt, welches von der n. ö. Statthalterei der Handels- und Gewerbekammer zur Be-
gutachtung übermittelt wurde.
Die zweite Section, welcher dieser Gegenstand zur Berichterstattung übergeben
wurde, stimmte einem Referate des Herrn Kammerrathes Isbary bei, welches lautet,
wie folgt
Die Errichtung einer derartigen Musterfabrik, verbunden mit Schulen für Stickerei
und Färberei, wäre gewiss nur im Interesse der österreichischen Industrie zu wünschen,
denn sie wurde unstreitig zur Hebung der hieven berührten Kunstgewerbe wesentlich bei-
tragen und bei tüchtiger Leitung Vcrziigliches leisten. Der Ertheilung einer Concession
stünde auch gesetzlich nichts im Wege, wenn die Unternehmer die Anstalt aus ihren eige-
nen Mitteln und auf ihr eigenes Risico gründen wollten.
Dies liegt jedoch nicht in der Absicht der Gesuchateller, sie verlangen vielmehr
ausgiebige Unterstützung von Seite der Staatsverivaltung, und zwar
Die Ueberlassung eines grossen, lichten Gebiudes mit tliessendem Wasser fiir
die Färberei, nebst einem Gerten zur Cultivirung von Blumen etc.
Eine Subvention von 500,000 Franes per Jahr fiir die Dauer von 20 Jahren.
Eine so lange Zeit würde es nämlich erfordern, bis eine hinreichende Anzahl von Dessi-
nateurs, Stickern und Fiirbern ausgebildet wäre.
Indem Uesterreich noch keinen Ueberünss an guten Volksschulen und anderen Bil-
dungsanstalten besitzt und auf diesem Felde noch so vieles nachzuholen hat, kann Befe-
reut nicht glauben, dass die Staatsregierung daran dankt, eine Summe von 10 Millionen
Frenes auf die Errichtung eines Institutes zu verwenden, welches doch nur in erster Linie
den Zweck hätte, die höchste Luxusweberei in Oesterreich auf Staatskosten heranzuziehen.
Sollte die Absicht bestehen, die österreichische Industrie aus Staatsmitteln in dieser
Richtung kräftiger zu unterstützen, als es bisher geschehen ist, so bietet das k. k. österr.
Museum für Kunst und Industrie nebst der damit verbundenen Kunstgewerbeschule noch
ein weites Feld zur Cultivirung kunstgewerblicher Bildung.
Referent beantragt deshalb Die Kammer möge des vorliegende Project in seiner
jetzigen Fassung als nicht zur Berücksichtigung geeignet bezeichnen, gleichzeitig aber ihr
Votum dahin abgeben, dass für den Fall, als die Ueberreicher des Projectes dieses auf
eigene Kosten ausführen wollten, die Kammer empfehle, es möge die Staatsverwaltuug
dem Unternehmen ihre moralische Unterstützung angedeihen lassen.
Es wurde beschlossen, dem Inhalte des Referates gemäss das Gutachten an die k. k.
Statthalterei abzugeben. Ueber Antrag des Herrn Kunnxerrathes Suess und nach Be-
merkungen des Herrn Knnxmerrathes Hirschler wurde ferner die zweite Section beauf-
tragt, die Errichtung einer Fachsuhule für Färberei und Zeugdrnckerei in Wien, wie eine
ähnliche Anstalt soeben in Prag aus Privatmitteln geschadien wurde, in Berathung zu
ziehen.
Die rünilsche Ausstellung von Kunst- und Industrie-Gegenständen,
welche für den katholischen Cnltns bestimmt sind, beginnt am l. Februar 1570 und wird
am I. Mai desselben Jahres geschlossen. Die Annahme der zur Ausstellung gelangenden
Gegenstände geschieht vom 15. Decemher 1869 bis zum 15. Januar 1870. Die römische
Ausstellung umfasst vorzüglich Werke der Neuzeit von der Renaissance-Periode angefan-
gen. Jedoch wird auch eine specielle Section fiir Werke zus dem Mittelalter bestimmt.
Des Ausstellungs -Programm enthält vier Classen von Ausstellungs-Gegenständen,
nämlich l. Gefäese und Geräthe zum Gebrauche beim Altar; 2. priesterliche Gewänder,
Altarbekleidnng etc.; 3. Werke der Malerei, Bildhauerkuust, Architektur etc.; 4. Kunst-
und Industrie-Producte, welche zur Ausschmückung der Kirchen dienen.
Die Oberleitung der Ausstellung ist dem päpstlichen Ministerium für Handel und
öifentlicbe Arbeiten übertragen. Auf Vorschlag desselben wird Se. Heiligkeit eine Com-
mission ernennen, die über Annahme, Aufstellung etc. der angemeldeten Gegenstände ent-
scheidet. Letztere wird auch unter Beiziehung der von den Ausstellern gewählten Com-
missäre über die zu ertheilenden Preise und Ehrenzeugnisse entscheiden. In Wien, Pest,
Prag und Innsbruck können für die Ausstellung bestimmte Gegenstände durch eine Com-
mission hervorragender Künstler und Kunstverständiger geprüft werden, ob sie zur Aus-
stellung geeignet seien. Nähere Auskünfte ertheilt die Kanzlei der päpstlichen Nuntiatur
in Wien, Stadt, am Hof Nr. 4.
Die Bedaetion der Hitthei1nngen" erlaubt sich die EH. Abonnenten
aufmerksam su machen, dass der 4. Jahrgang dieser Monatsschrift
mit dem September-Hefte 1869 Nr. 48 zu Ende ging und um die
Einsendung des Prßnumerationsbetrages üir den 5. Jahrgang Octbr.
1869 bis Septbr. 1870 zn ersuchen, damit in der Zusendung keine
Unterbrechung eintritt.
Selbstverlag den kais. kön. österreichischen Mlineuml.
Druck von Gar Geroldüa Sohn in Wien.