Minhailunuen des k. k. llaslarrainh. Musßumsy
KUNST UND INDUSTRIE.
Monatschrift für Kunst und Kunstgewerbe.
Am I. eines ieden Monats erscheint eine Nummer. Abonnementspreis per Jahr H. 4.-
Redncreur Eduard Ohmolarz. Expedition von C. Gerold" Sohn.
Man abonnin im Museum, bei Gerold Cnmp., durch die Posuansialten, sowie durch
alle Buch- und Kunsrhandlungen.
Nr. 187, WIEN, l. Amur. 1881. XVI, Jahrg.
Inhalt Die historische Bedeutung de Zunhwesens. Vortrag von A. Fonmier. Die österreichischen
Knnsrgewerbeam Juhreischlnssc 188a. Von R. v. E. Aeitere Stickereien aus der Winser
Einmarsch. Die Prüfung der Caudidalen für du Lehrnmt des Freihmdzeichnene an Mine!-
schulen. Die Ausgrabungen zn Olympia. Der Zßustempel. Vorlesungen im Museum.
Literarurberichl. Kleiner Minheilungen. ConCurs-Auuchreibung.
Die historische Bedeutung des Zunftwosens
Als ich im verflossenen Jahre an derselben Stelle die Ehre hatte,
von einem genialen französischen Staatsmanne des 18. Jahrhunderts und
seinen Verdiensten um die Entwicklung der Gewerbe zu sprechen, musste
ich einen Gegenstand wenn auch nur beiläufig berühren, den ich
heute weiter auszuführen mir erlauben will das Zunftwesen. War doch
die Bedeutung des Ministers Turgot zum guten Theile darin zu suchen
gewesen, dass er den herrschenden Theorien seiner Zeit folgend
der damals schon von ihrer früheren Höhe tief herabgekommenen privi-
legirten gewerblichen Corporation die freie Arbeit und die freie Concut-
renz entgegensetzte und damit eine Periode wirthschaftlichen Lebens in-
augurirte, in der wir uns heute noch befinden.
Heute noch. Wie lange noch? Wer will diese Frage beantworten?
Aber dass man sie überhaupt aufwirft und sie wird aufgeworfen- dass
man es für möglich, für denkbar hält, über denGrundsatz, des wlaisser
alleru, der absoluten Gewerbefreiheit hinaus- oder, wenn man will, davon
zurückzukommen, das ist eine Thatsache, die in den weitesten Kreisen
interessiren muss. Der Zweifel an der unbedingten Vortreiflichkeit des
Princips der freien Concurrenz ist erwacht, und die volkswirthschaftlichen
Theoretiker discutiren die Frage mit einem Eifer, der nur mit demjenigen
zu vergleichen ist, mit welchem sie gewohnt sind, die Principien des
Vortrag. gehalten im Museum um m. März 1881.
Vlll. Bd. 1881.
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Schutzzolls und des freien Handels gegeneinander abzuwägen. Es wird
dabei vom wissenschaftlichen Standpunkte aus der Satz bestritten, dass
Jedermann sein wirthschaftliches Interesse selbst am besten erkenne und
daher selbst schuld an seinen ökonomischen Vortheilen und Nachtheilen
sei; es wird bestritten, dass dieses Selbstinteresse die Handlungen jedes
Einzelnen bestimme und dass nicht auch moralische, gute oder schlechte,
Antriebe dabei wesentlich mitwirken. Man weist darauf hin, dass im
Systeme oder vielmehr in der Systemlosigkeit der freien Coricur-
renz nur die begabteren Elemente den Sieg über die schwächeren davon-
tragen, wodurch ein Monopol der Thatsachen mit aller schädlichen Rück-
wirkung auf die Massen erzeugt werde; dass nur die gewissenloseren
Elemente im Kampfe um den Erwerb die gewissenhafteren besiegen, indem
sie ihr Selbstinteresse zum Eigennutz ausarten lassen und nur noch an
dem Strafgesetzbuch ihre Moralität messen; dass endlich der Großbetrieb
den Kleinbetrieb erdrücke, was die Zahl der ökonomisch und social selb-
ständigen Personen im Staate vermindere und die industrielle Gesellschaft
überhaupt nur noch in zwei Classen scheide, die sich in Vermögen,
Bildung und socialer Stellung schroff gegenüberstehen.
Aber der Angriff auf das Princip der freien Concurrenz ist nicht
auf die wissenschaftliche Discussion beschränkt geblieben. Auch in der
Welt der geschäftlichen Praxis hat sich eine Bewegung dagegen erzeugt.
Fast überall sieht sich die vereinsamte Arbeit des Einzelnen nach Ge-
nossen um. In England sind schon seit langem die Gewerkvereine, Trade-
Unions, entstanden; nach ihrem Muster bilden sich ähnliche Associationen
in Amerika; auch in Frankreich haben sich Arbeitgeber und Arbeit-
nehmer zu Fachgenossenschaften, sogenannten Chambres syndicales ver-
einigt, in welchen die Interessen des betreffenden Handwerks ihre Ver-
tretung finden sollen.
Vor Allem aber ist man heute in Deutschland von der Nothwen-
digkeit gewerbepolitischer Reformen durchdrungen, was mit der lang-
andauernden Geschäftskrise zusammenhängt. Als im October 1875 die
Delegirten der deutschen Gewerbekammern in Chemnitz zusammentraten,
wurde die Reform der deutschen Gewerbeordnung als unerlässlich erkannt
und die Hamburger Kammer beauftragt, der Wortführer gegenüber den
Regierungen zu sein. Wer nun die ausführliche Darstellung prüft, welche
die Hamburger Geschäftsleute in einer vor zwei Jahren erschienenen Bro-
chure dem Gegenstande zu theil werden ließen, wird gestehen müssen,
dass sich kaum in entschiedenerer Weise der Wunsch geltend machen
lässt, man möge von jenem Grundsatze zurückkommen, dass gewerbliche
Verhältnisse nur das Individuum allein angehen und nur privatrechtlichen
Charakter tragen sollen, der Wunsch, mit anderen Worten, nach dem in
der Corporation organisirten Gewerbe, nach Innungen von Angehörigen
desselben Handwerkes, in welche einzutreten zwar Niemand gezwungen
werden könnte, die aber solche Befugnisse eingeräumt erhalten sollten,
j'l74
dass nur Wenige fernzubleiben sich entschließen würden. Diese Befug-
nisse wären gewerberechtlicher und gewerbepolizeilicher Art, durch die
ein Handwerk als solches als eine Gesammtheit erschiene, welche ihre
wesentlichsten Angelegenheiten selbst besorgt. In ihre Competenz fiele
die Entscheidung über die Aufnahme in die lnnung, die Aufsicht über
das Lehrlingswesen wohl einer der wundesten Punkte im heutigen Ge-
werbeleben die Controle der Arbeiter und das Recht, die lnnung zu
vertreten und bei der Gesetzgebung über gewerbliche. Dinge befragt zu
werden. Diese Stimme blieb keineswegs vereinzelt und fand im deutschen
Parlamente ein Echo, indem dasselbe die Reichsregierung zur Verlegung
eines Gesetzentwurfes über die Erweiterung der Befugnisse der Innungen
aufforderte. Ein solcher Gesetzentwurf ist von einem aus dem Gewerbe-
stande berufenen Volkswirthschaftsrathe geprüft, vom Bundesrathe vor
wenigen Tagen angenommen worden und dürfte bald im Reichstage zur
Diacussion gelangen.
Dass bei diesen Vorgängen die öffentliche Meinung nicht schwieg,
ist nur natürlich, und dass sie großentheils den in früheren Jahrzehnten
mühsam genug errungenen Standpunkt der freien gewerblichen Thätigkeit
unter Ausschluss der Corporation vertheidigte, ist nicht minder begreiflich.
Man hat auch nicht angestanden, gegen die geplante Reform den Vor-
wurf der Reaction zu erheben und sie mit einem Namen zu belegen, der
lange genug als der Inbegrilf starrer Engherzigkeit geläufig gewesen war
man nannte sie nzünftign und meinte sie mit dieser Bezeichnung allein
schon am wirksamsten verurtheilt zu haben. i-Zunftu klingt uns ja wie "Zopf.-
und wird meist mit souveräner Verachtung ausgesprochen. Zum Theile mit
Recht. Die Zünfte, welche in Frankreich zuerst Turgot zeitweilig, dann
die große Revolution im Jahre 1791 endgiltig beseitigt hat, und die in
Deutschland und Oesterreich nach der lMitte des 19. Jahrhunderts unter-
gierigen, waren dieses Schicksals vollkommen werth. Das waren lnstitu-
tionen, in denen ein kalter, monopolisirter Egoismus herrschte, in denen
die kurzsichtigste Wirthschaftspolitik jeden Aufschwung der Production
hemmte und das natürliche Recht auf Arbeit auf das Widerwärtigste ver-
klimmerte. Mit der durch die Revolution erkämpften Freiheit und Geltung
des Individuums waren diese Zünfte schlechterdings unvereinbar. Ihnen zu
entrinnen, stürzte man sich kopfüber in den Strom der freien Concurrenz;
man überlegte nicht erst lange die Gefahren, denen man damit entgegen-
ging, man erwog nicht lange erst, dass mit dem Rechte der freien indi-
viduellen Selbstbestimmung doch noch nicht auch zugleich die Fähi
keit erworben sei, dieses Recht mit Nutzen und Vortheil auszuüben.
Andererseits aber that man doch der Zunft namentlich der deut-
schen bitter Unrecht, wenn man sie nur als das auffasste, was sie im
Verlaufe der neueren Jahrhunderte unter der Einwirkung der verschieden-
artigsten Momente geworden war. Denn es hat eine Zeit gegeben, in
welcher alles öffentliche Leben sich in der Corporation abspielte und wo
auch die Organisation der Zünfte und Innungen noch nichts von der
starren Leblosigkeit an sich hatte, die sie im Jahrhunderte der Revolution
so verächtlich erscheinen ließ. Vielmehr muss man sagen, dass die Kunst
und das Gewerbe in der Zunft und durch die Zunft groß geworden sind.
Durch sie wurden die deutschen Städte reich und gewaltig, der deutsche
Handel mächtig, der deutsche Name angesehen und geehrt.
An diese historischen Verhältnisse zu erinnern würde wohl, meine
ich, immer ein dankbares Thema sein; heute gewinnt dasselbe das er-
höhte Interesse einer zeitgemäßen Reminiscenz.
Eine förmliche Geschichte des Zunftwesens auch nur in großen,
allgemeinsten Zügen mögen Sie nicht von mir erwarten. In die An-
fänge desselben haben wir noch keinen ganz freien Einblick, und ich
will Sie nicht in das Gewirre der gelehrten Controversen einführen, die
darüber existiren. Was feststeht, ist, dass die Handwerke in der Zeit
der Karolinger auf den Höfen der freien Grundbesitzer von unfreien Hö-
rigen besorgt wurden. Diese wurden nach I-Iofrecht behandelt, und die
Behandlung war mitunter recht schlimm. Galt doch damals noch alle
Handarbeit für verächtlich und des freien Mannes unwürdig. Erst in den
Städten ward die Stellung der Handwerker unabhängiger und selbstän-
diger. Hier standen sie zwar auch unter der Vogtei der Bischöfe, er-
hielten aber bald die Erlaubniss, für fremde Leute zu arbeiten, namentlich
für das Landvolk, welches zu den Kirchenfesten nach der Stadt strömte.
Mit der Messe wurde da zugleich ein Markt verbunden, und darum hat
sich heute noch Messe für Markt erhalten. Diese besseren Aussichten
für das Handwerk lockten Alles, was seine Arbeit verwerthen wollte, nach
der Stadt. Die Handwerksknechte entliefen ihren Herren von den Höfen
und traten mit ihren städtischen Genossen vom Metier zu Einungen oder
lnnungen zusammen. Die Innungen der Tuchweber und Tuchscherer
waren neben den freien Kaufleuten die ältesten; dann folgten Gerber,
Wildwerker, Schuster, Handschuhmacher, Schneider u. A., zu jüngst die
Bauhandwerke. im 13. Jahrhundert.
Auch diese Innungen standen zwar immer noch in rechtlicher Ab-
hängigkeit von dem Bischofe oder königlichen Vogt je nachdem die Stadt
eine bischöfliche oder königliche war. Aber dieses Verhältniss änderte sich,
als der große Streit zwischen Kaisern und Päpsten im n. und 12. Jahr-
hundert ausbrach und die Städte für das weltliche Oberhaupt Partei
nahmen. Die Kaiser erwiesen sich dankbar. Die freien Altblirger lösten
sie von der Regierung des Bischofs, der meist auf päpstlicher Seite stand;
sie erhielten ihr selbständiges Gericht, selbständige Verwaltung der städti-
schen Interessen und selbständige Vertretung derselben auf dem Reichs-
tage. Die bisher unfreien Handwerker-Innungen aber wurden der Vogtei-
gewalt des Bischofs ledig und blieben nur der Regierung des Stadltraths
unterstellt. Patricier und Plebejer standen sich nun gegenüber. Jene bil-
deten den Stadtadel, tührten Siegel und Wappen, ließen sich v-Ew. Ehr-
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barkeitu nennen, gaben und handhabten Gesetze nicht immer nach Recht.
Nach ihrem Siege über dasbischöfliche Regiment waren sie über die Maßen
hochrnüthig geworden. Eine Strassburger Gesandtschaft an Kaiser Hein-
rich VII. nennt sich geschickt von den nHerren von Strassburgu und kann
nur mühsam überzeugt werden, dass der Herr von Strassburg einzig der
deutsche König sei. Und in Köln erklärten sie jenerzeit; es wäre für eine
Königstochter nicht das schlimmste, die Gattin eines reichen Kölner Kauf-
herrn zu werden. Geradezmverletzend und ungerecht aber war ihr Hoch-
muth gegen die Handwerker, die sie für unebenbürtig erklärten. Die
Rechtssprüche des Stadtrathes wurden immer parteiischer. Den größten
Theil der Abgaben hatten sie den Innungen aufgewälzt und gestatteten
doch keinen Einblick in ihre Finanzgebahrung. Ein großer Theil der
Handwerker gerieth in Noth und Schulden, woraus die Kaufleute und die
Juden, die sich zu ihnen hielten, enormen Gewinn zogen. Wenn die Ge-
werbe blühen sollten, dann mussten sie erst dieser Fesseln ledig werden.
Und sie wurden es. Das war damals, im 14.. Jahrhundert, die Zeit der großen
socialen Kriege. ln den italienischen Städten kämpfte der popolo minuto
gegen den popolo grasso, in Flandern erhoben sich die Bürger in Armeen
gegen den Adel, in der Schweiz die Bauern gegen die Landvögte, in
England zog die Armuth gegen den Reichthum zu Felde. In derselben Zeit
wüthen auch in den deutschen Städten die Kämpfe der Innungen gegen die
patricische Herrschaft, und die gräßlichen Judenmorde sind nur eine Episode
in diesem Kriege um Dasein, Recht und Geltung. Der Kampf endet
meist mit dem Siege der Zünfte. Sie erhalten nun Sitz und Stimme im
Rathe. Ihre Zunftmeister werden ab und zu zu Bürgermeistern gewählt.
Ihr Bürgerrecht ist voll und gleichwertig wie das der Anderen. Mit ihrer
Autonomie beginnt auch die Zeit ihrer höchsten Blüthe; es ist das 14. bis
16. Jahrhundert. Und hier ist wohl der Ort, mit kurzenWorten ihrer eigen-
thümlichen Verfassung, ihrer Befugnisse und Verpflichtungen zu gedenken.
Als das 18. Jahrhundert mit seiner Ueberzeugung, man müsse die
Menschen einfach gewähren lassen, gegen die Zünfte auftrat, war der
vehementeste Vorwurf, den man gegen sie erhob, der, dass durch sie das
Recht der freien Arbeit verkümmert werde und das Recht auf Arbeit
war doch das geringste, das man beanspruchen konnte. Dieser Vorwurf war
im i8.und igJahrhundert völlig gerechtfertigt. Die alten Zünfte des Mittel-
alters dagegen hätten ihn nicht verdient. Damals gab es keine geschlossene
Meisterzahl in einem Gewerbe, wo jeder Geselle erst das selige Hinscheiden
eines Meisters abzuwarten hatte. Damals musste zwar Jeder, der ein be-
stimmtes Handwerk ausüben wollte, in die betreifende Zunft eintreten, aber
dieser Eintritt war nicht durch unerschwingliche Bedingungen erschwert.
Allerdings musste jeder Zunftgenosse Bürger sein, musste Harnisch und
WaEen mitbringen, denn in der Zunft herrschte allgemeine Wehrpflicht,
und musste einen Beitrag zu kirchlichen Zwecken leisten, aber das Alles
war nicht exlusiv, und häufig genug wurde auch hierin Nachsicht geübt.
In deutschen Städten des Nordens und Ostens musste man überdies auch
deutsch sein; Slaven war der Eintritt versagt. Die Weber von Neuruppin
forderten geradezu den Nachweis deutscher Abstammung durch mindestens
vier Ahnen. Eine weitere Bedingung war die der Unbeschbltenheit. Der
Lehrling, welcher aufgenommen zu werden wünschte, musste ehelich ge-
boren sein und durfte nicht einem verrufenen Gewerbe entstammen. Denn
auf einzelnen Handwerken lastete auch in den Zeiten der freien Zünfte
der Fluch der Bescholtenheit auf den Leinwebern, Badern, Müllern. Da-
neben waren alle Schäfer, Abdecker und Zöllner, alle Büttel und Hüter,
Nachtwächter und Todtengräber, Marktschreier und Gaukler, Seiltänzer
und Schauspieler die Letzteren ihres leichtfertigen Wandels halber
verachtet. Auch gewisse Handlungen erzeugten Bescholtenheit wer Galgen
und Rad zu einer Execution lieferte, wer an einem Gefängnisse mitbaute,
wer das Fell eines gefallenen Thieres verarbeitete, brachte sich in üblen
Ruf. Natürlich wurden diese Hindernisse der Aufnahme in der Zeit des
Verfalls als höchst willkommen in's Maßlose übertrieben. Man kennt ein
Beispiel aus dem 17. Jahrhundert, wo die Erfurter Fleischer einen Jungen
zurückwiesen, weil seines VafersSchwager einmal ein Pferd abgezogen hatte.
Waren solche, übrigens durchaus nicht ganz allgemeine Vorurtheile
dem Eintritte in die Zunft hinderlich, so gingen sie doch aus der vor-
rrefflichen Absicht hervor, das Ansehen des Handwerkes zu wahren und
zu heben. Der Vorwurf der Exclusivität trifft aber die alten Zünfte auch
in einem anderen Punkte nicht, dessen sich die späteren Innungen schuldig
gemacht hatten. Als Turgot dem Könige Ludwig XV. die Aufhebung der
Corporationen empfahl, wies er unter Anderem darauf hin, dass dieselben
das weibliche Geschlecht ausschlössen. Die alten Zlinfte haben den Frauen
den Zutritt zum Handwerk nicht gewehrt, und es wäre ein Irrthum zu
meinen, erst das 19. Jahrhundert habe der Frauenarbeit im Erwerb zu
Recht und Geltung verholfen. Nein. Nur dort, wo die physische Kraft
nicht ausreicbte oder das Handwerk zu nsubtilu war, blieb die Frau aus-
geschlossen. Wir finden weibliche Zünfte in Frankreich und Deutschland
Garnzieherinnen, Seiden- und Goldspinnerinnen, Weberinnen, Schneide-
rinnen u. A. Es kam vor, dass sich ein männliches und ein weibliches Ge-
werbe, die verwandt waren, zu einer Zunft vereinigten, z. B. Goldschläger
und Goldspinnerinnen; die Einen und die Andern wählten alljährlich einen
Meister und eine Meisterin, die sich in die Aufsicht theilten. Eine princi-
pielle Ausschließung des weiblichen Geschlechtes vom Handwerk über-
haupt lässt sich in der Blüthezeit der Zünfte nicht nachweisen. Eine solche
hatte erst im 17. Jahrhundert Geltung, als die gewerblichen Corporationen
bereits in Verfall gcriethen.
Schluss folgt.
31x
Die österreichischen Kunstgeworhe am Iahresschlussa l880.
Auf allen in dem abgelaufenen Jahre iu Oesterreich stattgehabten
Ausstellungen, speciell auf der Wiener Gewerbe-Ausstellung, ward es
deutlich, dass unser Kunstgewerbe in einem lebhaften Aufschwunge be-
griffen ist und dass überall die Einsicht sich geltend macht, dass die
Kunst nicht blos ein großer Factor zur Erziehung und Bildung des
Menschengeschlechtes, sondern auch ein Mittel zur Vermehrung und
Steigerung des Volkswohlstandes ist. Dieser Einsicht ist es auch zu danken,
dass Kunstgewerbe und Kunsttechnik auf allen-Gebieten so bedeutende
Fortschritte gemacht haben.
Ohne in detaillirte Erörterungen einzugehen, scheint es doch nöthig,
bei einer Rückschau die Schwächen zu bezeichnen, welche sich auf diesem
Gebiete gezeigt haben, und neben den Lichtseiten auch die Schattenseiten
in's Auge zu fassen; ferner dürfte es geboten sein, auch auf die Be-
wegungen des kunstgewerblichen Lebens des Auslandes hinzuweisen, da
ja das Gewerbeleben Oesterreichs nicht isolirt von den gleichen Bestre-
bungen der Nachbarländer steht und die Wechselwirkungen derselben mit
den heimischen Verhältnissen im Auge zu behalten sind. Gegenwärtig
werden nicht nur in Frankreich und Italien, sondern auch in Deutschland
die größten Anstrengungen gemacht, die Kunstgewerbe im erhöhten Maße
concurrenzfähig zu machen, und es unterliegt keinem Zweifel, dass speciell
das deutsche Kunstgewerbe, welches nicht nur von der Regierung, sondern
auch von den rnaßgebendsten Persönlichkeiten im Deutschen Reiche unter-
stützt wird, in der nächsten Zukunft auf dem Weltmarkte eine größere
Rolle zu spielen berufen ist, als es bisher der Fall war. Dass dieser Um-
stand auf die gleichen österreichischen Bestrebungen einen Einfluss nehmen
wird, liegt klar zu Tage. In Anbetracht dessen ist nichts gefährlicher, als
jene gewissen Schlagworte, deren eines gerade anlässlich der Wiener
Gewerbe-Ausstellung ausgegeben wurde. Es sagte, dass die österreichische
Kunst-Industrie concurrenzfähig geworden sei, ja dass sie auch die west-
lichen Rivalen bereits vollkommen erreicht hätte. Ich meine wohl berechtigt
zu sein, die Ansicht auszusprechen, dass diese von einigen österreichischen
Industriellen ausgehende Phrase nicht nur mehr Schaden als Nutzen ge-
stiftet hat, sondern auch, dass sie unrichtig ist. Richtig ist nur dies, dass,
Dank den Bestrebungen und Bemühungen der letzten zwei Jahrzehnte,
mehrere Kunstgewerbe sich so gehoben haben, dass sie dem Auslande
gegenüber concurrenzfähig geworden sind und dass die Exportfähigkeit
sich in dem letzten Jahrzehnt gesteigert hat. Speciell der französischen
Kunstindustrie gegenüber wäre es aber eine grobe Täuschung, wenn man
glauben wollte, dass wir sie bereits im Ganzen und Großen erreicht oder
gar tiberfltigelt hätten. Es gibt noch viele Gebiete der Kunst-Industrie,
auf welchen wir noch keineswegs in der Lage sind, den Franzosen gegen-
über als gleichwerthige Rivalen aufzutreten. Sind wir doch viel zu jung
in unseren kunstgewerblichen Bestrebungen, als dass wir begründet sagen
SV
dürften, wir könnten der alten, seit Jahrhunderten vom Staate, vom Hofe
und vom Adel geförderten Kunstbewegung Frankreichs gegenüber die
Wage halten. Frankreich ist ein reiches, auch geographisch glücklich situirtes
Land, Oesterreich ein relativ armes, das nur mit Einem Meere eine directe
Verbindung hat. In Frankreich ist jeder Franzose zugleich Patriot, in
Oesterreich sind gar viele Oesterreicher in erster Linie Czechen, Polen
oder Magyaren, und erst in zweiter Linie nennen sie sich Oesterreicher.
Als warmfühlender Patriot schützt der Franzose zuerst sein eigenes Land,
seine eigene Industrie. Der Oesterreicher ist nicht immer so patriotisch
wie der Franzose und hat Neigung, das Ausländische höher zu schätzen
als das Einheimische, und dies geschieht besonders in den vornehmen
Kreisen, in welchen sich schon seit den Zeiten Ludwig's XIV. die Meinung
eingebürgert hat, dass, wenn etwas gut sein solle, es französisch sein müsse.
Doch, wie ich schon früher erwähnte, haben wir in nächster Zeit eine
große Concurrenz auf dem Gebiete der Kunst-Industrie von dem Deutschen
Reiche zu erwarten. Im Deutschen Reiche arbeitet der Industrielle durch-
schnittlich um 30 Percent wohlfeiler als der Oesterreicher. Die Bemühungen
der deutschen Regierung, den Markt für die deutsche Waare zu sichern,
sind von Erfolg gekrönt worden. Das Deutsche Reich ist auf dem Wege,
sich volkswirthschaftlich vollkommen zu einigen und hat als Vertreter in
den auswärtigen Consulaten Männer, welche die deutschen Interessen mit
Einsicht schützen und fördern'. Während sich das Marktgebiet für deutsche
Waaren immer mehr erweitert, verringert sich dasselbe in Oesterreich
immer mehr, selbst im eigenen Lande. Die Missstimmung, welche unter
den Gewerbetreibenden Oesterreichs herrscht, ist auch durch die Er-
kenntniss hervorgerufen, dass das Marktgebiet, selbst innerhalb der Grenzen
der Gesammt-Monarchie, österreichischen Producenten immer mehr ver-
ringert wird. Wohl sucht man im Oriente den österreichischen Waaren
ein neues Absatzgebiet zu sichern und gewiss verdienen diese Bemühungen
die größte Anerkennung; aber noch wichtiger wäre es, den eigenen
Markt im Gesammtrei-che zu sichern und die Gemeinsamkeit
der volkswirthschaftlichen Interessen zu praktischer Gel-
tung zu bringen. Aber gegenwärtig sind wir diesem Ziele sehr ferne".
Wir können nicht umhin auf die amtlichen Berichte der deutsch en
Consulate aufmerksam zu machen, welche im preußischen Reichs- u. Staatsanzeiger
und in der Nordd. A. Zeitung veröffentlicht werden. Sie sind ausführlich und auch für
österreichische eser sehr lehrreich. Die uns jetzt vorliegenden Berichte dieses
Jahres aus St. Petersburg, Messina, Belgrad und Jerusalem sind ein wichtiger
Factor zur Forderung des deutschen Ausfuhrhandels.
Ein beherzigenswerthes Wort hat jüngst General Türr gesprochen -Das Ver-
haltniss Oesterreichs zu Ungarn darf ulcht- das sind seine XVorte- wals ein solches
zweier gleichgiltiger Nachbarn angesehen werden. Die gegenseitige Apathie könnte nur
zum Ruine beider Lander führen, die beiderseitige Prosperitat sichere die Zukunft der
Monarchie
'Flv
Eine der interessantesten Erscheinungen der Wienerl Gewerbe-Aus-
stellung war, dass, trotzdem die Intentionen nur auf eine niederöster-
reichische Ausstellung gerichtet waren, dieselbe dennoch als eine vom ge-
sammtenReiche beschickte angeseheniwerden musste. Es hat sich bei diesem
Anlasse gezeigt, dass es auf volkswirthschaftlichem und industriellem
Gebiete weder möglich noch gut ist, die Kronländer von einander zu
scheiden und als getrennte Productionsgebiete zu behandeln. Die nieder-
österreichischen Fabrikanten und Industriellen arbeiten gemeinsam mit
denen der anderen Kronländer; sie haben ihre Fabriken in Böhmen,
Mähren, Oberösterreich u. s. w., ihre Fabriks-Niederlagen in Wien oder
Prag, sie arbeiten daher mit dem gesammten materiellen und geistigen
Capitale der Monarchie. Eine Sonderung nach Kronländern ist, wie die
Wiener Gewerbe-Ausstellung gezeigt hat, schwer durchführbar geworden.
Dies ist eine Erkenntnlss von großer Bedeutung. Auch den Ungarn ist es
trotz großer Bestrebungen nicht gelungen, sich von Oesterreich volks-
wirthschaftlich zu isoliren; denn die gemeinsamen volkswirthschaftlichen,
industriellen und geistigen Interessen sind zu mächtig, als dass sie durch
Schlagworte und bestimmte Grenzen gebannt werden könnten. Was nach
dieser Richtung hin die Gewerbe-Ausstellung im Prater gezeigt hat, konnte
man auch bei kleineren Ausstellungen, z. B. in Graz, beobachten. Auch
in Graz sollte eine rein steiermärkische Landes-Ausstellung stattfinden.
Um diese überhaupt möglich zu machen, war man aber genöthigt, nicht
nur ganz Oesterreich, speciell Wien, sondern auch das Ausland zur Be-
schickung einzuladen, und es zeigte sich überdies, dass eine Unterrichts-
anstalt wie die Grazer Staats-Gewerbeschule, ihre Wirksamkeit nicht auf
Steiermark beschränkt, sondern ihre Operationsbasis auf die benachbarten
Kronländer ausdehnt. Wer kann heutigen Tages bei Großindustriellen wie
Ph. Haas 81 Söhne, L. Lobmeyr oder lsbary sagen, dass ihre Producte
specifisch niederösterreichisch sind oder dass dieselben einem bestimmten
anderen Kronlande angehören? Ihre Leistungen sind die Frucht des großen
geistigen und materiellen Capitals, über welches diese Großindustriellen
verfügen und des großen künstlerischen und kaufmännischen Talents,
das ihnen eigen ist. Sie gehören zu jenen Fabrikanten, welche sich den
Weltmarkt erobert haben und speciell nur als österreichische Aussteller
bezeichnet werden müssen. Die Wiener Gewerbe-Ausstellung hat die Er-
kenntniss gezeitigt, dass die Gemeinsamkeit der industriellen Interessen
in ganz Oesterreich zum Durchbruch gekommen ist und dass es den ver-
schiedenen separatistischen und politischen Parteien entgangen ist, wie
weit diese gemeinsamen volkswirthschaftlichen Interessen in der ganzen
Monarchie bereits Boden gefasst haben.
Noch eine andere Erscheinung ist als ein ernster Fortschritt auf
kunstgewerblichem Gebiete zu bezeichnen, nämlich der Einfluss, welchen
die Zeichenschule, Staats-Gewerbeschule und Kunstgewerbeschule auf das
industrielle Leben der Monarchie genommen haben. Die Ausstellung der
mme
von der Wiener Gewerbeschul-Conmmission und mittelbar vom Unterrichts-
ministerium geleiteten Schulen auf der niederösterreichischen Gewerbe-
Ausstellung des verflossenen Jahres war der Glanzpunkt der ganzen Aus-
stellung, ja vielleicht die einzige Abtheilung, von der man mit fast rück-
haltloser Anerkennung sprechen konnte. Da der Fortschritt im gewerblichen
Unterrichtswesen nicht nur bei der niederösterreichischen Gewerbe -Aus-
stellung. sondern auch bei den kleineren Ausstellungen in den Kronländern
zum Ausdruck kam, insbesondere in Graz, wo der fruchtbare Einiluss der
dortigen Staats-Gewerbeschule auf vielen gewerblichen Gebieten hervor-
trat, so ist jetzt die Einwirkung der Schulen auf die Geschmacksbildung
des Arbeiterstandes und der Industriellen offenbar ein Factor von weit-
tragender Bedeutung geworden. Was in Preußen gegenwärtig mit den
größten Anstrengungen angestrebt wird, ohne bisher wahrnehmbare Er-
folge erzielt zu haben, das hat Oesterreich durch die Organisation seines
gewerblichen Unterrichtswesens, speciell durch die seit 1873 vom Unter-
richtsministerium begonnene Organisation des Zeichen-Unterrichtes, nahezu
erreicht. Da beinahe alle Lehrer, welche gegenwärtig den Zeichen-
Unterricht an den verschiedenenAnstalten leiten, an der Kunstgewerbe-
schule des Oesterr. Museums ausgebildet wurden, so haben auch alle
Producte, welche mittelbar oder unmittelbar aus diesen Anstalten hervor-
gehen, einen gemeinsamen Charakter, durch welchen sie sich wesentlich
von den Erzeugnissen des Auslandes unterscheiden.
Es hat sich auch deutlich gezeigt, dass dort, wo solche Schulen ent-
standen sind, seien es nun Zeichen- und Modellirschulen, Fachschulen
oder Staats-Gewerbeschulen, überall sich gewisse Industriezweige gehoben
haben, und dass einzelne Industrielle sich an die Schule anschlossen und
an ihren Fortschritten participirten. Neue Kunstzweige und Kunsttechniken
sind auf diese Art in Graz, Salzburg, Innsbruck und Reichenberg, wo
größere Staats-Gewerbeschulen bestehen, eingeführt worden.
Die Weihnachts- Ausstellung im Oesterr. Museum und die per-
manente moderne Ausstellung daselbst geben Zeugniss von der starken
Bewegung, welche sich der besseren arbeitenden Classe bemächtigt hat.
Namentlich sind die zahlreichen kleinen Atelie rs kunstgewerblicher
Richtung zu beachten die alle, angeregt durch die Geschmacks-
bewegung, welche vom Oesterr. Museum und seiner Kunstgewerbeschule
ausgeht, entstanden sind, und welche versuchen, sich auf eigene Fuße
zu stellen, sowie einzelne Kunsttechniken weiter auszubilden. Diese Er-
scheinung ist ganz analog jener, welche auch in Paris bemerkt wurde und
die wesentlich dazu beigetragen hat, die Kunstindustrieß Frankreichs auf
eine feste Basis zu stellen. Leute, welche keine großen Capitalien und
doch ausreichende Kunstbildung besitzen, verschalfen sich in Parisßdurch
Gründung kleiner Ateliers noch gegenwärtig Positionen und so ist es
auch neuestens in Wien der Fall. Kunsttechniken, welche nie gepflegt
worden sind, werden jetzt durch zahlreiche Industrielle vertreten. ich will
3115
von der großen Zahl von Ateliers für weibliche Arbeiten, die sich jetzt
einer vorwiegend srylgerechten Richtung befleißen, absehen und nur eine
Reihe von Ateliers erwähnen, die von Architekten geleitet werden und
Kunstgewerbe pflegen die Ateliers der Architekten Schmoranz, Machytka,
Hieser, Feldscharek und König etc., und die Specialateliers der Por-
zellanmaler Rädler und Pilz, des Malers Bauer für Fayence, der Gebrüder
Frank, des F. Ritzinger für feinere Stahl- und Eisenarbeiten, Waschmann
für Ciselir- und Goldschmiedekunst u. s. f. Diese Ateliers bilden eine
wahre Elite von Kunsttechnikern. Auf allen österreichischen Ausstellungen
werden baldigst auch die wkleinen kunstgewerblicheu Ateliersu in Salz-
burg, Graz, Innsbruck eine hervorragende Stellung einnehmen. Sie seien
der vollen Aufmerksamkeit der Freunde der österreichichen Knnstindu-
strie empfohlen.
Im März 188i. R. v. E.
Wien. Allg. Ztg.
Aeltere Stickereien aus der Winser Elbmerseh.
Das Oesterr. Museum hat vor Kurzem eine Collection von Sticke-
reien, Hausarbeiten aus der Winser Elbmarsch erworben, auf welche in
Folgendem näher hingewiesen werden soll.
Das Grundmotiv, das an Nackentüchern, Kissenbezügen, Brustlätzen,
Handtüchern etc. wiederkehrt, ist jene Blüthenrispe, die, um von älteren
Vorbildern zu schweigen, in den Stickmusterbüchern der Renaissance so
zahlreich vertreten ist, und die in ihrer geometrischen Strlisirung und
ebenso wie damals im Kreuz- oder Flachstich ausgeführt auf südslavischen
Hausarbeiten heute noch angebracht wird.
Während sich jedoch in diesen, vom großen europäischen Verkehre
abgelegenen Provinzen das Renaissancemuster rein erhalten hat, begegnen
wir ihm in der Elbmarsch verändert und umgebildet, entsprechend der
parallelen Stilwandlung der großen Kunst. Die Formen haben sich ge-
rundet, Kverden nicht mehr roth oder schwarz in. geometrischen Linien,
sondern stets mit bunter Seide oder Gold, zum Theile mit barocken
Schnörkeln umkleidet, ausgeführt, und daneben Buchstaben gestellt
die Initialen der Besitzerin fehlen auf keinem Stücke welche wie direct
aus den bekannten Schreibbüchern des 17. Jahrhunderts copirt erscheinen.
Ueber Provenienz und Verfertiger hat Dr. Sprengel in Lüneburg
gefälligst folgende Mittheilung gemacht
nDiese Art mit farbiger Seide zu sticken Findet sich nur in 15-16
Dörfern der sog. Winser Marsch, welche am linken Elbufer einige Meilen
oberhalb Hamburg liegt. Andere Marschen haben andere Weise, z. B. das
nalte Lande unterhalb Harburg Filet mit Nadeldurchzug und zierlichen
Verzierungen in Kreuzstich in Roth und Schwarz. Die Vierlande überwie-
gend Filet mit Nadelstickerei, letzteres in der Winser Marsch selten.
1.6"
Angebracht wurden die Stickereien an Handtüchern ohne Ende von
feiner Leinwand, in der letzten Periode von feinem Baumwollstolf, sel-
tener von Drell, öfters mit Spitzenzwischensatz, letztere fast stets Tondern-
sche Klöppelspitze aus dem westlichen Schleswig-Holstein. Ferner Kissen-
bezüge Kissenbüren, ebenfalls oft mit Spitzenzwischensatz; Nackentücher
von Seide mit Gold- oder Silberstickerei, auch schwarz mit weißer Seide;
Brustlatze und Frauentaschen von Tuch mit farbiger Seide gestickt; selten
Braut-Nachtmützen mit feiner weißer Stickerei.
In den einzelnen Dörfern und Gemeinden gab es besondere Sticke-
rinnen, meistens unverheiratet gebliebene Tochter aus größeren Höfen,
welche Schülerinnen heranbildeten. Die Vorlagen scheinen theils gezeichnet
weiter vererbt, theils nach der Tradition gebildet zu sein. Complicirte
Muster wurden auf dünnes Papier gezeichnet, aufgeheftet und nach vollen-
deter Stickerei abgerissen. 1843 starb die vorletzte Stickerin in Hunden,
1846 die letzte in Strietlingen. Mit ihnen erlosch die alle Volksmode, zu-
gleich verschwand meistens schnell die Volkstracht; bis zuletzt, bis in
die Sechziger Jahre, hielt sich der Filigranschmuck.
Das älteste gestickte Stück, welches sich darunter vorfand, ist von
1722 datirt. Dass Aelteres nicht zu existiren scheint, kommt wohl daher,
dass die Dörfer, bestehend aus strohgedeckten Häusern, dichtgedrängt auf
natürlichen oder künstlichen Erderhöhungen, oft vom Feuer verheert
wurden. Im Sojährigen Kriege 1628 wurden von der retirirenden dänischen
Armee an einem Tage 22 Dörfer jener Gegend angezündet, um den
Kaiserlichen die Winterquartiere zu verderben. Die Muster sind theilweise
entschieden älter, vielleicht uralt. Vollständige Stücke, insbesondere Hand-
tücher sind sehr selten. Nachdem die Mode fast 40 Jahre erloschen, ist
die Leinwand zu anderen Zwecken verbraucht. Nur die gestickten Reste
sind hier und da noch zu erhalten."
Die Prüfung der Dandidatan für das Lehramt des Freihandzeiohnons
an llittelschulon.
Das Verordnungsblatt des Ministeriums für Cultus und Unterricht
vom i. März i88i bringt die nachfolgende Verordnung des Ministers für
Cultus und Unterricht vom 29. Jänner 188i, Z. 204.85 ex 1880, betreffend
die Prüfung der Candidaten für das Lehramt des Freihandzeichnens an
Mittelschulen.
Prnfungsoommission.
l.
Die Lehrbefähigung für das Freihandzeichnen an Mirtelsehulen wird durch eine
Prüfung dargethan, zu deren Vornshme die wissenschaftlichen Realschul-Priifungscom-
missionen in Wien und Prag berufen sind.
Denselben werden nlCh Bedarf als Examinatoren Mitglieder beigegeben, die der
Unlerrichtsminister auf die gleiche Zeitdauer, wie die anderen Mitglieder der Commis-
sion ernennt.
3.1.7
Die Examinatoren für dieses Lehrfach bilden eine selbständige Abtheilung der
Prüfungscommission für das Realschul-Lehramt mit dem Vorsitzenden der letzteren.
Dieselben haben, wenn sie nicht auch zugleich als Mitglieder einer anderen Ab-
theilung dieser Commission fungiren, nur den Sitzungen, in welchen die Angelegenheiten
der Prüfungen für das Freihandzeichnen verhandelt werden, beizuwohnen.
Meldung zur Prüfung.
z.
Um zur Prüfung zugelassen zu weräden, hat der Candidat sein Gesuch an den
Director derjenigen Prüfungscommission zu richten, vor welcher er die Prüfung zu be-
stehen, beabsichtigt. Er hat seinem Gesuche heizulegen
die schriftliche Darstellung seines Lcbenslaufes Curriculum vitae mit Angabe des
Ganges seiner Bildung und seiner speziellen Studien und mit Bezeichnung der
Unterrichtssprache, deren er sich beim Unterrichte bedienen will;
das Zeugniss seiner Maturität für die Studien an der Universität oder der tech-
nischen Hochschule oder das Zcugniss über die mit gutem Erfolge bestandene
Ahgangsprüfung der bautechnischen Abtheilung einer höheren Gewerbeschule;
ein Zeugniss über die Zurücltlegung eines mindestens vierjährigen Studiencurscs
an einer Kunstschule;
Arbeiten aus seinem Fachgebiete in einem solchen Umfange, dass sich daraus ein
sicheres Urtheil über seine Fachbildung ableiten lasst.
Von dem Nachweise vorstehender Anforderungen kann nur der Unterrichtsminister
nach Anhörung der Prüfungscommission dispensiren.
Gegenstand der Prüfungen und lass der Anforderungen.
Q. 3.
in Bezug auf die allgemeinen Studien wird von dem Candidaten gefordert
Didactisch-padagogische Bildung in jenem Umfange, welcher die richtige Behand-
lung des Zeichenunlerrichtes in der Schule sicherstellt;
Kenntniss der Kunstgeschichte und insbesondere der Stillehre und
der Anatomie des menschlichen Körpers, soweit sie zum Zeichnen der mensch-
lichen Figur erforderlich ist.
Die Anforderungen an die Fachbildung des Candidaten sind
Kenntniss der Projectionslehre, Verstandniss und Fähigkeit im Zeichnen des Or-
naments und der menschlichen Gestalt, Beherrschung und richtige Handhabung jedes
Zeichnungsmateriales.
Der Candidat muss seine Fachbildung erproben
durch die Prüfung über die wichtigsten Lehrsatze und Aufgaben der Projections-
lehre, insbesondere in ihrer Anwendung auf Schattenlehre und Perspective, deren
streng wissenschaftliche Begründung zu fordern ist;
durch die Zeichnung eines Flache oder plastischen Omamentes von eigener Erfin-
dung in dem ihm bezeichneten Stile und eines zweiten nach einem Modelle;
durch eine durchgebildete Zeichnung nach einer antiken Statue und nach dem
lebenden Modelle, ferner durch Zeichnung eines Details der menschlichen Figur
aus dem Gedächtnisse, wobei auch mündliche Erklärungen und Erläuterungen in
Bezug auf die Darstellung verlangt werden.
Will der Candidat seine Approbation auch auf die Ertheilung des Unterrichtes im
Modellircn ausdehnen, so hat er die künstlerische Befähigung zur Darstellung des Orna-
mentes und der menschlichen Gestalt in Thon und Wachs nachzuweisen.
Q5
Die Zuerkennung der Lehrbefähigung fihdet aus dem geometrischen Zeichnen für.
Unter-, aus dem ornamentalen und üguralen Zeichnen nur für Oberrealschulen statt.
Form der Prüfung.
Q. 6.
Jede Prüfung umfasst drei Abtbeilungen, und zwar die Hausarbeiten, die Clausur-
arbeiten und die mündliche Prüfung.
l. Die Hausarbeiten.
Sind die im gestellten Bedingungen erfüllt, so erhält der Examinand zwei
schriftliche Aufgaben zur häuslichen Bearbeitung; für die eine ist ein Thema pädagogisch-
didactiscben Inhaltes, für die zweite ein die Projectionslbhre betrefendes zu Wahlen.
Eine Aufgabe aus dem künstlerischen Fachgebiete des Candidaten ist nur dann zu
stellen, wenn die von ihm vorgelegten Arbeiten Q. lit. nicht ein sicheres Urtheil
über seine achbildung gewähren.
ll. Die Clausurarbeiten.
Wenn die hluslichen Arbeiten keinen Anlass zur Zurückweisung des Candidaten
gegeben heben, so erhält derselbedie Vorladung-zur Clausurarbeit. Jeder Candidat hat
drei Clausurarbeiten auseuführen, wovon sich die eine auf das geometrische, die zweite
auf das Qrnamenten- und die drim auf das figurale Zeichnen erstreckt.
Wenn der Candidat auch die Prüfung aus dem Modelliren abzulegen beabsichtigt,
so hat er eine vierte Clausurarbeit aus dem Gebiete dieser Kunst anzufertigen.
Die Clausurnrheiten hat der Candidnt nach den Weisungen des Directors der Prü-
fungscommission anzufertigen.
Behufs der Beistellung der zur Ahhaltung der Clausurarbeiten aus dem Freihand-
zeichnen. beziehungsweise aus llern Modelliren erforderlichen Unterrichtsbehelfe und
behufs der Zuweisungeinesnhiezu geeigneten Locales hat sich die Direetinn der Prü-
fungseommiasion mit dem Vorstande einer Kunstschule des Ortes, wo ader Candidat 'die
Prüfung ablegt, in das Einvernehmen zusetzen.
lll. Die mündliche Prüfung.
Der Candidat wird nur dann nur mündlichen Prüfung zugelassen, wenn er die
Clausurarbeiten entsprechend angefertigt hat. Dieselbe hat sich auf die im Q. und Q.
bezeichneten Gegenstände zu erstrecken.
Geschäftsordnung.
Bezüglich der Leitung der Prüfungscommission, der Haus- und Clausurarbeiten,
der mündlichen Prüfung und der Beurtheilung der einzelnen Leistungen des Candidaten,
dann d.r Entscheidung über den Geaammterfolg der Prüfung, bezüglich der Führung der
Protokolle und der Ausstellung der Zeugnisse, sowie bezüglich des Erlages der Prüfungs-
taxen, endlich in BetreE des Probejahres haben die für die Prüfungen der Candidaten
des Lehramtes an selbständigen Realschulen geltenden Bestimmungen in Anwendung
zu kommen.
Uebergaugsbeatmmnngen.
8.
Jene Cnndidaten, welchen die Lehräefahigung zur Ertheilung des Unterrichtes im
Freihandzeichnen an Oberrealschulen bereits vor dem zo. October 1870 zuerkannt ist,
haben, wenn sie die lehramtliche Approbation nach den Bestimmungen der gegenwär-
tigen Vorschrift zu erlangen wünschen, sich einer Erganzungsprufung zu unterziehen.
Diese Prüfung hat sich jedoch auf die im bezeichneten Gegenstände und auf die
Prüfung aus dem geometrischen Zeichnen zu beschränken.
Candidaten, welchen die Approbation für das Freihandzeichnen nach der Vorschrift
vom zo. October l87o zuerkannt wurde, können ihre Lehrbefähigung durch die Prüfung
aus dem geometrischen Zeichnen ergänzen.
Die Ausgrabungen zu Olympia. Der louatupel.
Einen ofüciellen Bericht Wilhelm Dorpfelds über die Ausgrabungen, welche im
vergangenen Herbste in Olympia vorgenommen wurden, bringt der Deutsche Reichs- und
Staats-Anzeiger. YNir glauben, ihn wegen der vielen neuen Entdeckungen durch welche
die Geschichte der griechischen Architektur nicht nur bereichert, sondern zum Theile
umgestaltet wird, dem österreichischen lfubblicum nicht vorenthalten zu sollen.
-Nachdem die Grabungen während des verliossenen Sommers vier Monate lang
geruht, sind sie am 1.1. October zum letzten Male wieder aufgenommen worden und sollen
Anfangs März ihren definitiven Abschluss finden. Die Zahl der Arbeiter ist. in diesem Jahre
eine sehr kleine, weil einerseits nur noch einzelne zur Vervollständigung des Gesammt-
bildes von Olympia unerlässliche topographische Punkte durch Nachgrabungen erforscht,
und andererseits die schon ausgegrabenen Bauwerke vollständig gereinigt werden sollen.
Trotzdem haben wir seit dem letzten von dem Geh. Baurath Professor Adler über die
architektonieohen Ergebnisse der Äuägrabungen erstatteten Berichte viele werthvolle Re-
sultate erzielt. Fast alle wichtigeren, schon froher aufgedeckten Gebäude, wie Zeus-
319
tempel, Heraion, Thesauren, Leonidaion und Gymnasien, haben bedeutende Erganzungen
geliefert. Außerdem sind einige Bauwerke gefunden und theilweiae ausgegraben worden,
welche bisher noch verschüttet lagen.
Die Entdeckung und Zusammensetzung der Basis, welche das gold-elfenbeinerne
Zeusbild des Pheidias, das berühmteste Kunstwerk des Alterthums, getragen hat, führte
in Verbindung mit den in der Calla des Zeustempels noch erhaltenen Standspuren und
im Anschlusse an die Beschreibung des Pausanias zu einer so vollständigen Reconstruction
des Tempelinnern, wie sie bisher bei keinem griechischen Tempel mngiich war. Selbst
für die Lage und Construction des Hypaitbrons konnten einige nicht unwichtige Anhalts-
punkte gewonnen werden.
Die Basis des Zeuskolosses, circa 6'312 M. breit und 9'513 tief, aus schwarzem Kalk-
stein hergestellt, nahm den westlichen Theil der Cella ein, trat aber so weit von der
Opisthodomwand zurück, das ein hinterer Umgang von der Breite der Seitenschiße vor-
handen war. Unmittelbar vor dem Bilde befand sich genau in der Mitte des Tempels ein
vertiefter, von weisscm Marmor umgebener, circa 5'5o M. breiter Fußboden aus schwarzem
Kalkstein der Platz unter dem Hypaithron. Hier stand unter freiem Himmel der von
Pausanias erwahnte Opferaltar und die eherne Urne, welche nach der Localsage die Stelle
bezeichnete die Zeus mit seinem Blitze getroffen hatte. Die Martnorziegel, welche die
hierüber befindliche Oetfnung im Dache einfaßten, sind gefunden, und auch die bau-
technische Anlage, durch welche das einfallende Regenwasser und das von dem Bilde
herablaufende Oel abgeleitet wurden, ist entdeckt worden. Die Frage nach der Anbrin-
gung der von Panainos angefertigten Gemälde, welche auf Grund der literarischen Nach-
richten schon so oft behandelt worden ist, hat durch die Baureste ihre endgiltige Losung
gefunden, indem jetzt nachgewiesen werden kann, dass diese Bilder an den drei vom
Zeusbilde nicht eingenommenen Seiten des lrnpluviums auf gemauerten und fein geputzten
Schranken angebracht waren.
Auch das Het-aion, der alteste allernoch erhaltenen griechischen Tempel, hat werth-
volle Ergänzungen erfahren. in einem früheren Berichte war mitgetheilt worden, dass
sein Gebälk und seine Saulen ursprünglich aus Holz bestanden hatten und dass letztere
allmälig durch Steinsaulen ersetzt worden seien. Jetzt haben sich außer dem aus halb-
runden Ziegeln hergestellten Dache mit seinen alterthümlichen Traufrinnen, Stirnziegeln
und Giebelkronungen mehrere Stücke einer Terracottabekleidung gefunden, welche das
hölzerne Geison gegen die Eindüsse der Witterung zu schützen bestimmt war. ln Bezug
auf Form und Decoration stehen diese Terracotten, welche namentlich das Motiv der
Rosette in verschiedenen" Formen verwenden, unter den reichen Sammlungen antiker
Architektur-Terracotten ganz einzig da.
Den Uebergang von den mit Terracotten bekleideten Holzbauten zu den späteren
Steinbauten bildet ein anderer alter Bau Olympia's, nämlich das von der sicilianischen
Stadt Gela in dorischem Style erbaute Schatzhaus. Bei demselben waren die Kranzgesimse,
obwohl schon aus Stein hergestellt, doch noch in Erinnerung an den alten Holzbau mit
Terracotten verkleidet. Die eisernen Nagel, mit denen die kastenformigen und mit einem
Flechtbandmuster verzierten Stücke befestigt waren, sind noch heute an den zahlreich
vorhandenen Kreuzgesimsblocken zu sehen.
Ueber jener Bekleidung lief um das ganze Gebaude herum eine ebenfalls aus ge-
branntem Thon hergestellte Sima welche an den Traufseiten statt der gewöhnlichen
Lowenkopfe Ausgußrohren mit tellerformigem Blattkranze an den Mündungen besass.
Da diese Sima seltsamer Weise auch an dem horizontalen Giebelgeison angebracht war,
so zeigt sich die naiv-bizarre Consequenz, dass sämmtliche Glieder des Proüles in den
Giebelecken spitzwinkelig zusammenliefen. Die Ornamente der Kranzgesimsbekleidung
sowohl als der Rinne sind fast ausschließlich in geometrischen Mustern in drei Farben,
schwarz, weiss und roth hergestellt und noch heute tadellos erhalten.
Auch der Grundriss dieses Schatzhauses steht unter den olympischen Bauten ganz
vereinzelt da. Vor der ungefähr quadratischen Cella lag ein sehr tiefer Pronaos von sechs
Säulen in der Front und mit je Saulen auf den Langseiten. Die Halbsaulen, welche
die sonst vorkommenden Anten ersetzen lehnen sich unmittelbar an die Cellawand an.
lm Innern der Cella sind zwei schmale Seitenschiffe abgetrennt, genau in der Weise,
welche Vitruv für den tuskischen Tempel vorschreibt; wie denn auch in der ganzen
Grundrissbildung das Schatzhaus der Geloer mit jenem Tempelschema große Aehnlich-
keit besitzt.
Wie die östlichen Schatzhäuser durch die im vorigen Jahre aufgefundene lnschrift
vom Schatzhause der Megareer mit den von Pausanias aufgezählten identificirt werden
konnten, so haben wir vor Kurzem auch für die Benennungder westlichen einen Fixpunkt
gewonnen durch die Auffindung der Bauinschrift vom Schatzhause der Sikyonier. Darv
nach ist das von uns bisher als Schatzhaus der Syracusaner bezeichnete Gebäude von den
Sikyoniern erbaut. Pausanias nennt die 33. Olympiade 1644- v. Chr. als Erbauungsjahr
und fügt nach der gewöhnlichen Lesart hinzu, dass im Innern zwei Gemächer aus Bronze
in dorischem beziehungsweise jonischem Style angebracht waren. mit Grund dieser Nach-
richt wurde das Schatzhnus der Sikyonier bisher in allen knnstgeschichtlichen Werken
als das älteste Gebäude genannt, in welchem jene beiden Srylarten vereinigt gewesen seien.
Das aufgefundene Schatzhaus der Sikyonier aber, inschriftlich sicher als solches
erwiesen und der Beschreibung des Pausanias entsprechend auch das westlichste aller
Schatzhäuser, ist im Acußern und Innern einheitlich im dorischen Style erbaut und zeigt
weder eine Zweitheilung im Innern, noch irgend eine Spur einer Bronzeverkleidung an
den Wänden. Die Stelle des Pausanias muss daher anders gelesen oder anders übersetzt
werden. Dieses Schatzhaus stammt nach Adler's kunsthistorischer und KirchhniPs paleo-
graphischer Untersuchung nicht wie man bisher auf Grund der Pausaniasstelle schließen
wollte, aus dem VIL, sondern aus dem V. Jahrhundert.
lm Rücken der auf einer gemeinsamen Terrasse am Fuße des Kronion erbauten
Thesauren ist eine große Futtermauer aufgefunden worden, welche dem Erddrucke des
hoher anstehenden Terrains Widerstand leisten und die einzelnen Baulichkeiten vor der
Gefahr einer Verschüttung sichern sollte. Auf dieser Mauer hat in griechischer Zeit
Herodes Atticus die große Wasserleitung aus dem oberen Alpheiosthale nach Olympia
geführt, deren monumentalen Abschluss die im zweiten Ausgrabungsjahre entdeckte groß-
artige Exedra bildete.
Von den Gebäuden im lnnern der Altis, welche wichtigere Ergänzungen erfahren
haben, erwähne ich als letztes noch das Eingangsthor zum heiligen Bezirk des Pelops,
einen nach Art der inneren Propyläen von Eleusis gebildeten Bau, der nach seinen Bau-
formen wahrscheinlich aus dem Ende des V. Jahrhunderts v. Chr. stammt.
Die Nachgrabungen, welche zur Auffindung des alten Festthores der Altis angestellt
worden sind. haben die bedauerliche Thatsache ergeben, dass man dasselbe in spat-
romischer Zeit abgebrochen und durch ein im Südosten liegendes großes Triumphthor
ersetzt hat, das aber ebenfalls bis auf den Unterbau vollständig verschwunden ist.
Von dem letzteren durch einen schmalen Weg getrennt, liegt weiter ostlich das
von den Römern auf dem Stylobate eines alten griechischen Gebaudes errichtete sogen.
Leonidaion, in welchem zu Pausanias Zeit die Statthalter von Achaja zu wohnen pflegten.
Den romischen Bau, dessen Erbauungszeit nach einer aufgefundenen Bleirohr-lnschrift in,
die Regierungszeit des Kaiser Nero fällt, haben wir im Monat November fast vollständig
aufgedeckt und außer dem schon früher bekannten Atrium und Tablinum ein stattliches
Peristyl mit mehreren sich anschließenden Gemachern gefunden.
Nordöstlich von Leonidaion lagen parallel neben einander und die ganze Ostseite
der Altis einnehmend, der Hyppodrom und das Stadion. An dem ersteren wird augen-
blicklich mit einigen Arbeitern gegraben, um wenigstens seine Lage genauer bestimmen
zu können; vom Stadion dagegen sind Anfang und Ende, Ablauf. und Zielschranken frei-
gelegt worden. Der Abstand der beiden letzteren betragt nach genauer Messung 19217 M.
und gibt uns mithin den genauen Werth des olympischen Stadions, des für die griechische
Alterthumswissenschaft wichtigsten Längenmaßes. Der olympische Fuß, welcher der 600.
Theil des Stadions war, misst demnach o'3zo5 M. ein Betrag, welcher rnit dem an ver-
schiedenen Bauten Olyrnpias nachgewiesenen Fußmaße genau übereinstimmt.
An der südlichen Grenzmauer der Altis sind außerhalb des heiligen Bezirkes zwei
noch aus griechischer Zeit stammende Gebäude gefunden worden, welche sich unmittelbar
westlich an das Buleutericn anschließen, deren Bestimmung aber noch unbekannt ist.
Die großartigen Gebäude im westlichen Theile Olympias, welche in einer fast un-
unterbrochenen Flucht von 500 M. Lange den Raum zwischen der Altis und dem Kladeos
einnehmen, sind jetzt zum größten Theile freigelegt. Der südlichste und zugleich statt-
lichste Bau dieser Reihe wurde bisher für ein großes Gymnasien gehalten. Nachdem
aber der Grundriss fast ganz aufgedeckt, und in dem inneren Saulenhofe statt eines Platzes
zum Ringen und Laufen große Wasserbassins und Bosquetanlagen gefunden worden sind,
ist diese Bezeichnung kaum noch aufrecht zu erhalten. Zu einer anderen Benennung fehlt
uns aber jeder bestimmte Anhaltspunkt, da Pausanias, wie es scheint, dieses Gebäude trotz
seiner Große nicht genannt hat.
Nach Norden folgen die verschiedenartigen Gebäude, welche sich um den antiken
Unterbau der byzantinischen Kirche gruppiren. Der kleine, tholosartige, nach Westen
orientirte Bau, in welchem ein mit Stuck überzogener Erdaltar gefunden wurde, kann auf
Grund mehrerer an diesem Altare entdeckten lnschriften als Heroon bezeichnet werden.
Die übrigen Gebäude dieser Gruppe scheinen die Wohnung der Priester, das von Pau-
sanius erwähnte Theokoleon, gebildet zu haben; durch ein kleines Pfortchen stand dieser
Bau mit der Altis in naher Verbindung.
Fortsetzung auf der Beilage.
BEILAGE
Zll
Nr. 187 der Mittheilungen des k. k. Qesterr. Museums".
au...
1m- Pizza
Die noch weiter nach Norden gelegenen Gebäude bilden die von Pausanias er-
wähnte Gymnasion Anlage, welche in ihrer Anordnung mit Vitruv's Beschreibung des
griechischen Gymnusions fast vollkommen übereinstimmt zunächst südlich die Palästra
mit ihren Ringplatzen, Säulenhallen, Hörsalen und Baderäumen, und nach Norden daran
anstoßend die im Freien angele en Rennbahnen für den Sommer und eine zweischiffige,
ein Stadion lange Saulenhalle istos für die Laufßbungen im XVinter.
Augenblicklich werden im Norden der Altis noch einige Nachgrabungen nach dem
von Xenophon erwähnten Theater angestellt. Sie sind zwar is jetzt in Bezug auf diesen
speciellen Zweck ohne Resultat gebliebm, haben uns aber zahlreiche Baustficke von einem
der Schatzhauser geliefert, so dass wir jetzt schon sechs dieser alterthümlichen, meist
noch aus dem IV. Jahrhundert v. Chr. stammenden Gebäude, wenigstens abbildlich, wie-
derherstellen können.
Um einen BegrilT davon zu geben, wie gmss namentlich Ein der letzten Zeit
die Ausbeutung in architektonischer Beziehung gewesen ist, brauche ich nur darauf
hinzuweisen, dass wir außer den 17 verschiedenen, meist sehr alten Capitellen des
Hernions bis jetzt im Ganzen 32 verschiedene Sorten dorischer Säulen aus altgriechischer
und hellenistischer Zeit gefunden haben, die fast dieselbe Anzahl alter Gebäude repräsen-
tiren. UnsereIstattliChe Sammlung plastischer wie bemalter architektonischen Terracotten,
um deren Zusammenstellung sich speciell Herr Bauführer Borrmann große Verdienste
erworben hat, umfasst schon über ioo verschiedene Gattungen, die nicht nur für die Ent-
wicklungsgeschichte der griechischen Baukunst, sondern auch für die moderne Technik
besonders die Terracottafabrication von großem Werthe sind..-
Vorlesungen I111 llnasun.
Am 13. Jänner hielt Regierungsrnth Prof. Dr. Bauer einen Vurtrng über Mltmor
und Erz. Die Fra ob Marmor oder Erz Bronze für Monumente gewlhlt werden soll,
wurde bereits viel ach und namentlich auch vom rein technischen chemischen Stand-
punkte beleurhtet, so unter andern bei Gelegenheit der Beschlussfassung über die Errich-
tung des Denkmals für den verstorbenen Chemiker Justus von Liebig in München.
Hieran snknüpfsnd, besprach der Vortragende die Veränderungen, die das sogenannte Erz
oder die Bronze an der Luft erleidet, und hob insbesondere die Versuche hervor, die
unter Msgnus Leitung über die Patinabildung an den Monumenten Berlin's durchgeführt
wurden, und welche zeigen, dass ein efteres Abreiben des Metalles mit Knochenol oder
Olivenbl, wobei der Oeluberschuss durch wollene Lappen wieder abgewischt wird, die
Bildung einer schönen Pstina wesentlich begünstigt. Hierauf wurden die Veränderungen
erläutert. welche der Marmor unter dem Einflusse der Atmosphlrilien erleidet und nach
einer Bespreshung der verschiedenen Msrmorsorten, speciell die Wirkung der Kohlensäure
auf dieses Material näher in's Auge gefasst und durch Versuche demonstrirt. Es wurden
dann die interessenten Beobachtungen besprochen, die Geike an den Monumenten der
Kirchhofe in Edinburgh gesammelt hat. und die Rolle erörtert, welche der Frost, der
Staub, sowie die in großen Städten nicht unbedeutenden Mengen von Säuren, Schwefel
herruhrend vom Verbrennen des Schwefels der Sreinkohlen, bei der Veränderung des
Marmor und der Bausteine überhaupt spielen.
Nanh einer naheren Besprechung der Natur da Staubes und speciell des Staube
in Wien. wurdai die Bedin ungen abgehandelt, unter Welchen sich eine Vegetstionsschicht
auf der Steinllsche des hqonumentm zu bilden vermag, wodurch eine rapide und tief-
greifende Zerswrung bedingt wird, was unter andern nach einer Mittheilung der nNeuen
Fmien Pressen erst kürzlich an einem Werke Canovas am Friedhofs zu Penzing in trauriger
Weise beobachtet wurde.
Nach allen Umständen, welche hier in die Wsgschale fallen, muss man zum Schlusse
kommen dnss eine möglichst sorgfältige Reinhaltung der Monumente den besten Schutz
und das beste Mittel zur Erhaltung bietet. Die Oelabreibungen Msgnus sowie das Ein-
reiben des Msrmors mit wpunischern Wachsu, welches in Griechenland geübt werden sein
Vlll. Bd. 1831.
soll, haben wesentlich den Zweck der Reinhaltung und das Verhindern des Anhaftens von
Staub, das Hintanhalten der Absorption schädlicher Gase wie Dämpfe etc. Möge man
auch in unseren Tagen und auch in unserer Stadt den zum Theil herrlichen Monumenten,
die unsere Platze zieren, die nothige Sorgfalt und Pflege widmen und bedenken, dass
diese Kunstwerke ohne entsprechende Piiege der Zerstörung anheimfallen.
Einige ausgestellte altere Objecte aus Marmor und Erz, veranschaulichten die an
deren Oberfläche im Laufe der Zeit eingetretenen Veränderungen, und das zahlreiche
Publikum spendete dem Vortragenden zum Schlusse lebhaften Beifall.
Ueber den Vortrag, welchen Dr. J. Eder am 20. Janner über -Die Photo-
graphie in der vervielfältigenden Kunst hielt, bringen wir wegen der gerade jetzt im
Museum stattfindenden photographischen Ausstellung irn Folgenden ein etwas eingehen-
deres Referat Als im Jahre 183g die Daguerreotypie von der französischen Akademie
der Wissenschaften bekannt gemacht wurde, glaubte man nicht nur die Maler und
Zeichner, sondern insbesondere die vervielfaltigenden Künstler auf den Aussterbe-Etat
gesetzt. Die nähere Kenntniss der Daguerreotypie zeigt aber, dass, abgesehen von anderen
Unvollkommenheiten, ein wesentlicher Mangel dieselbe nicht in die Reihe der verviel-
faltigenden Künste zu stellen gestattet So viele Bilder man brauchte, so oftmals musste
das Original vor den photographischen Apparat gebracht werden. Erst als es durch die
Erfindung alb0t's 1841 möglich wurde, auf photographischem Wege eine Matrize zu
erzeugen und von dieser dann beliebig viele Oopien herzustellen, begann die Photo-
graphie an Leistungsfähigkeit zu wachsen. Freilich waren die alten Papier-Matrizen
höchst unvollkommen zeigten faserige Structur etc, während die heutigen Glasnegative
nicht im geringsten eine ungehorige Structur aufweisen.
Redner macht bei Magnesiumlicht eine Aufnahme einer Gypsbüste und entwickelt
die photographische Platte Bromsilber-Gelatine-Platte von Dr. Heid vor dem Auditorium
in einer Cuvette mittelst oxalsaurem Eisenoxydul. Zur Vervielfältigung solcher Matrizen
dienen in neuerer Zeit die photomechanischen Druckmethoden, welche fast särnmtlich
auf die Lichtempfindlichkeit des chromsauren Kali entdeckt von Ponton 1840 gegründet
sind. Insbesondere kommt hier ein Gemenge von Leim Gelatine und chromsaurem Kali
in Betracht. Wird ein solches auf Papier oder Glas aufgetragen und belichtet, so sind
namentlich folgende zwei Erscheinungen zu bemerken t. Wird die Schichte dort, wo sie
vom Licht getrotfen war, in Wasser unlöslich, wahrend sie an den nicht belichteten
Stellen gierig Wasser aufsaugt; z. entsteht auf der Schichte dadurch, dass sie je nach
dem Grade der Lichtwirltung in verschiedenem Maße aufquillt, ein sehr schönes und
deutliches Relief. Auf der sub erwähnten Erscheinung beruht der Lichtdruck, die
Photolithographie, Photozinkographie etc.
Zur Erläuterung des Vorganges beim Liehtdruck wird eine Lichtdruckpresse, welche
Herr Hofphotograph Lowy dem Redner für den Vortrag beistellte, vorgalhhrt, und
von einer Platte eine Anzahl Abdrucke gemacht. Die Chromleimschichte der Platte wird
mit Wasser benetzt, welches sie an dem vom Lichte nicht getroffenen Stellen aufsaugt,
während sie an den belichteten Stellen trocken bleibt. Tragt man dann eine fette schwarze
Farbe auf, so haftet diese nur an den trockenen Stellen. Dann wird die Platte als Druck-
platte verwendet und in einer Presse damit gedruckt.
Der Lichtdruck gibt sehr modulirte Bilder mit allen Halhtonen und liefert in
kurzer Zeit Hunderte von Copien. Die Drucke sind überdies unverganglich, während die
gewöhnlichen Silberbilder bekanntlich häufig mit der Zeit vergilben. Deshalb ist auch
die Bezeichnung nunveranderlicher Licht- oder Pressendrucku gerechtfertigt. Bezüglich
der Photolithographie bemerkt der Redner, dass selbe im Allgemeinen weniger feine Ab-
drücke gibt, .was wohl zum großen Theile in der Natur des Steines liegt. Dagegen ist
die quantitative Leistungsflhigkeit großer, als die des Lichtdruckes. Die Photozinkotypie
ist für Druck in der Buchdruckpresse geeignet und gestattet den gleichzeitigen Druck der
Abbildung und des Textes. Bei der Heliogtaphie oder Heliogravure arbeitet man mit
Kufpferplatten, welche von dem photographisch erzeugten Relief auf nchfqmaeelllingx
au dem Wege der Galvanoplastik erhalten werden. Derartige Platten halten, wenn sie
galvanisch verstahlt sind, Tausende von Abdrücken aus und die Gleichmäßigkeit der Drucke
ist eine völlige, wodurch ein Vortheil vor vielen anderen photographischen Methoden
gegeben ist. Ausgezeichnete Leistungen in dieser Richtung verdanken wir dem k. k. geo-
graphischen lnstitute in Wien, dessen Festzugsbilder Jedermann bekannt sind.
Redner hebt schließlich hervor, dass die Photographie, als jüngster Zweig unter
den vervielfaltigenden Künsten, sich einen hervorragenden Platz errungen hat. Durch die
Photographie soll niemals die Hand des Künstlers ersetzt werden, da sie ja nur als eine
Art Maschine arbeitet; aber sie arbeitet mit der Raschheit und Exactheit einer solchen,
da sie auf streng wissenschaftlicher Basis beruht, und bietet deshalb eine unschätzbare
Unterstützung für die Kunst.
323
Der Vortrag, welcher durch die Vorzeigung zahlreicher Proben photographischer
Prodeduren und durch die Arbeiten mit der Lichtdruckprease besonders lehrreich sich
gestaltete, wurde von den Zuhörern mit lebhaftestem Beifalle aufgenommen.
Am '27. Janner folgte Dr. von Tschudi's Vorlesung Ueber Bernini. Nachdem
der Vortragende in kurzen logen die geistige Athmosphare innerhalb deren sich die
künstlerische Production des 17. Jahrhunderts bewegt, geschildert hat, sucht er an den
Werken Bernini's, des tonangebenden Meisters der Zeit, die formalen Bedingungen des
Barockstils, vor Allem "der Sculptur zu entwickeln. Charakteristisch ist vorerst wie sich
dieselbe zur Antike verhalt. Theoretisch lasst sie ihr alle Ehre widerfahren, aber das
praktische Resultat ist ein durchaus entgegengesetztes. lm wohlgenteinten Bestreben, die
Alten zu übertreffen, gehen den Bildhauern der Barocke unter dem äußerlichenCoquet-
tiren Wmit antiken Formen und Motiven gerade die vornehmsten Stilgesetze der statuarischen
Kunst verloren. An Stelle der plastischen Auffassung tritt die unbedingte Herrschaft des
malerischen Princips. Gemaßigt noch bei der Darstellung des nackten Menschen, in's
Scbrankenlose verzerrt aber bei den zahllosen Gewandfiguren, die nun im Dienst der
"streitenden Kirche geschaffen werden. Denn wie fur die Malerei so wurde nun auch in
der Plastik das ekstatisch polemische Wesen der Gegenreformation zum bestimmenden
lnhalt. in welcher Art sich die Barocke zu der Bildnerei der unmittelbar vorhergehenden
Jahrhunderte stellte, wird" eingehend an der formalen Wandlun der Grabmalmotivs dar-
gelegt. Keine zweite Aufgabe hat die Renaissancesculptur so sc opferiscb erfasst und bei
keiner treten die Entwicklungsmornente derselben in so ununterbrochener Folge iu Tage,
Den letzten Schritt macht Bernini aber auch bierj unter Verdrängung des architektonischen
Rahmens und durch die momentane Action der Grabfigur und die dramatische Belebung
des allegorischen-Beiwerkes- nur auf Kosten des ursprünglichenjüurmgedankens. Hand in
Hand.mit dieser stilistischen Gesetzlosigkeit geht aber auch die Unredlichkeit gegenüber
der Natur und die Falschung des geistigen Ausdrucks. Ihr Bestes leistet daher dießarock-
sculptur da, wo ihr Pathos durch die Bestimmtheit oder Einfachheit des Vorwurfes be-
schrankt" wird wie bei Portraits oder der Darstellung des Kindes oder wo dasselbe in-
haltlich gegenstandslos-nur als Bewegungsmotiv wirkt, wie bei allen decorirten Aufgaben,
bei denen sich die Ggutalen Elemente vielfach zu schönster Gesamrntwirkung vereinen.
Für die architektonischen Bestrebungen des Jahrhunderts hat dagegen Bernini
keineswegs dieselbe typische Bedeutung wie in der Plastik. Hier ist er nur Einer unter
Vielen. Gerade seine bedeutendsten Werke sind so durchaus local bedingt, dass an einen
directen Einfluss wohl nicht zu denken war. ln der maßvollen, fast nüchternen Behandlung
des deooralivenDetails unterscheidet er sich sogar wesentlich von jenen Zeitgenossen.
Wohl aber ist auch bei ihm das Princip der perspectivischea Sdteinerweiterungen, denen
die Bvar ke den freiesten Spielraum lässt, mächtig entwickelt. Der Ursprung desselben
wird atilifdem Gebiete gesucht, desstm Lebenselement eben eine Art von illusionarerllaum-
Wirkung ist, bei der Theaterdecoration die seit dem 15. Jahrhundert in Händen des
Architekten eben damals den raffinirtesten Ansprüchen zu geringen sucht.
Zieht man die Summe dieses Künstlerlebens, so ergibt sich auf subjectiver Seite
ein Reichthumdes Talentes, eine Freiheit und Macht der Stellung, wie sie selten Einem
zu Theil geworden. Die wahrhaft neuen Errungenschaften aber und entwicklungsfahigen
Gedanken des Stils als Ganzen stehen im trübseligsten Gegensatz zu dem gerauschvollen
Pomp der lnizenesetzun
Zum Schluss weist der Vortragende den Tendenzen des Tages gegenüber, die
wiederurnvdie Barocke zu ihrem Feldgeschrei erhoben haben, auf einen Ausspruch Sem-
per's hin, der in abgeklarter Fassung dasselbe sagt, was schon Winkeltnann in enthu-
siastisciiem Feuereifer gepredigt, dass für unser ästhetisches Bewusstsein die höchsten
Ziele "nur in den Perioden vollendeten, voraussetzungslosen künstlerischen Schadens
liegen kennen. Der trefflich diaponirte und von den Zuhörern mit größtem Interesse
und Beifalle aufgenommene Vortrag war auch durch die Gegenwart Sr. knis. Hoheit
Erzherzog Rainer ausgezeichnet.
Litarnturhoricht.
Christian "Bühler Die Kachelöfen in Graubünden aus dem XVI. und
XVII. Jahrhundert. Mit sechs Farbendrucktafeln von J. J. Hofer.
Zürich, Caesar Schmidt, 1881. Fol.
Jeder, der weiß. wie spärlich du Feld der Keramik in Deutschland, Oesrer-
reich und der Schweiz bearbeitet ist, wird diese Publiution mit Freude- begrüßen.
7.
324g
Vermissen wir auch ein streng wissenschaftliches Vorgehen, so müssen wir gleichwohl
zugehen, dass Zahlreiche Solche Publicationen sich zu einem höchst werthvollen Material
für die wissenschaftliche Forschung vereinigen würden, und die mit Fleiß und Ulhßlßllf
durchgeführte Zusammenstellung und Beschreibung einer Anzahl von mehr als 30 ver-
schiedenen Kachelöfen, von denen uns diejnteressantesten durch ziemlich gelungene
Reproductionen vorgeführt werden. ein recht dankenswerthes Unternehmen ist. Einige
Druckfehler, die zwischen den Tafeln und ihrer Bezeichnung im Text manchmal herr-
schende Vervtdrrung, sowie der Mangel eines Inhaltsverzeichnisses stören in dieser schon
ausgestatteten Publication. Möge sie viele andere Kunstfreunde zur Nachahmung reizen.
Reinhard Kek-ule Ueber den Kopf des Praxitelischen Hermes. Mit zwei
Tafeln in Lichtdruck. Stuttgart, Spemann, 188i. 4.
In einer kurzen Abhandlung voll fein eingehender Urtheile beweist Kekule 'die
künstlerische Abstammung des, Hermßkopfes von dem Kopfe jener Münchener Statue
eines Salbül eingieCenden Athleten, deren Myronischen Typus Brunn vor Kurzem Ann.
187g unzweifelhaft festgestellt hatte. Das Verhältniss dieser Figur zu dem Discobol
Mnssitni und zu dem stehenden Discobol des Vatican wird neuerdings einer Untersuchung
unterzogen und die behauptete Aehnlichkeit des praxitelischen Hermeskopfes mit dem
äpoxyomenos widerlegt. Den Besuchern des Museums ist die Möglichkeit geboten, diesen
ntersuchungen in alle Details nachgehen zu können, da zu dem stehenden Discobol aus
dem Vatican und zu dem Hermes des Praxiteles auch die Abgüsse des Münchener Ath-
leten und des ebendort befindlichen Apoxyomenoskopfes hinzugekommen sind.
Joh. Math. Frangenheim Methodischer Leitfaden der Linear-Perspective
für höhere Lehranstalten. Braunschweig, C. A. Schwetschke 8c Sohn
M. Bruhn, 1880. 8.
Das Büchlein hält was es verspricht. Auf dem knappen Raum von 7a Seiten
bringt es einen vollständigen Abriss des genannten Ge cnstandes. Auf die ründ
der Lehrsatze legte der Verfasser einen besonderen erth und eignet sich da diese
Arbeit wie in der Vorrede selbst betont wird zum Vorstudiurn rein theoretischer
Werlte. Den mit den nöthigen Vorkenntnissen gerüsteten wird es beim Selbst-
studium sowie a.ls Leitfaden dem Vortragenden gute kDiienste leisten.
Römisch Kaiserlicher Majestät Kriegsvölker im Zeitalter der Landsknechte,
ln facsiruilirten Nachbildungen gleichzeitiger Holzschnitte. Seiner kais.
Hoheit dem Kronprinzen Erzherzog Rudolph gewidmet vom Heraus-
geber August Johann Grafen Breun ner-Enkevoe" rth. Mit erläutern-
dem Text von Jacob v. Falke. Wien, C. J. Wawra, 188i. Fol.
Das sorgfältig ausgestattete Werk, dessen erste Lielerung soeben ausgegeben wurde,
wird Trachten des kaiserlich deutschen Heeres in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
nach den Originalhoizschnitten der gleichzeitigen deutschen Meister darstellen. Es er-
scheint in drei Abtheilungen; die erste enthält 40 theilweise mit Reimen von Hans Sache
versehene Blätter der Nürnberger Formschneider Niklas Meldemann und Hans Gulden-
rnundt deutsche und schweizerische Soldaten. Die zweite umfasst das Werk des Augs-
burger Formschneiders Dävid de Necker welcher 157g in Wien sein schones -Stamm-
ade Gesellen-Büchlein edirte, zu dem ihm die Maler Dionysius Manhallart von Antwerpen
und Nicolaus Solis von Nürnberg die Zeichnungen geliefert hatten und illustrirt in
5b Blättern die Vertheidiger Wiens bei der ersten Türkenbelagerung. Die dritte Abtheilung
liefert zunr. und 2. eine Ergänzung von etwa 5a Blättern, zum Theile aus dem 155g ge-
druckten Kriegshuche desßrafen Reinhard Solms und schließlich eine Anzahl Einzelblattec,
vorzüglich Reisige verschiedener Nationalität darstellend.
Die Originale sind großtentheils der weitherühmten Sammlung des Feldzeugmeisters
Franz Ritter v. Hauslab in Wien, welcher dieselbe für die Zwecke dieser Publication mit
wahrhaft dankenswerther Liberalitat zur Verfügung stellte, entnommen und durch das
k. k. militär-geographische Institut, in jusgege hat er Weise photolithographisch repro-
ducirt; die der Bemalung wegen für das niechanisic Reproductionsverfaltren sich nicht
ügnendutfßlntter, wurden von-Johann Schrott gezeichnet, welcher, schntilbeidnvlraß
Edw. "Eros veranlassten Rqrroductian der nliotihleitstänzeru von Haus Sqhlptielein
Pro en seines künstlerischen Könnens abgelegt hatte.
Das ganze Werk wird circa 150 Blätter umfassen und in tilieferuhgien toiTafeln
mit beglekendern Texte ausgegeben werden. Die vorliegende erste Lieferung bringt das
vonwanner Hingabe an die Suche zeugende Vorwort des Herausgebers, den ersten Abschnitt
des Textes IVom Kriegswesen am Ausgang des Mittelalters und von der Entstehung der
Landsknechte- aus der berufenen Feder JÄ v. Falke's und 10 Blätter Kriegertrachten;
als erste Tafel Maximilian I.,in ganzer Rüstung zu Pferde von Hans Burgkmnir
32 von WCICIICIII Blatte sich auch ein Clairohscurdruck in Gold und Schwur; als eine
der kostbarsten Seltenheiten in der Sammlung des eldzeugmeisters R. v. Hauslab befindet
und Blätter vqn Meldemann P. 510 und Guldenmundt P. 29, 30, 33, 34, 35 etc.
Durch die Reproduction dieser in den Originalen zu den größten Seltenheiten ge-
hörenden, ja theilweise als Unica zu betrachtenden Blätter, welche nun vermoge des billigen
Anschaffungspreises des vorliegenden Werkes G. per Lieferung auch weiteren Kreisen
zuglnglich gemacht sind, hat der Herausgeber Künstler und Industrielle wie das ganze
kunstgehildete Publicum sich zu Danke verpflichtet und er sowohl als auch der Verleger
mögen sich in hohem Maße befriedigt fnhlen, durch ihre vereinten Bemühungen eine
Publication ermöglicht zu haben, welche eine der schönsten Zierden des österreichischen
Kunstverlages zu werden verspricht.
-Publicatione.1 des Gemeinderathes der Reichshaupt- und Residenz-
stadt Wien. Uns liegen zwei Publicationen des Wiener Gemeinderathes vor, die
demselben Ehre machen. Eine dieser Publicationen fuhrt den Titel, IÜlktlndIiChC
Beiträge zur Geschichte Winds im XVI. Jahrhunderh. Mit einem Plan der Be-
festigungen ,und der Hohenverhältnisse der Häuser der Stadt Wien im J. 1566. Wien 188a,
bei A. Hdlder. Das Werk ist vbn dem unermüdlichen, um Wien hochverdienten Kunst-
forscher Albert Camesina Ritter v. San Vitture verfasst. Der von demselben mit Zu-
grundelegung der Pläne von Bonifaz Wolmuet und Daniel Suttinger gezeichnete Plan ist
in Farbendruck vortrelflich ausgeführt, Herr Carl Weiß hat die i-urkundlichen Beitrage-i
mit einer Einleitung versehen. Die zweite Publication des Gemeinderathes, welche soeben
vollendet der Oeßentlichkeit übergeben wurde, tilhrt den Titel i-Huldigungsfestzug
der Stadt Wien zur Feier der silbernen Hochzeit Ihrer Majesttlten am 27. April 1879m
Wien 1881, im Selbstverlege des Gemeinderathes. Das Werk bringt 37 Blätter gr. Quer-
folio und einen Text, der mit 19 Tafeln glänzend illustrirt ist. Wie immer auch das Urtheil
der Fachmänner über Details dieser Publication sein mag, so viel unterliegt keinem Zweifel,
dass von keiner Gemeindevertretung einer mitteleuropäischen Großstadt eine Publication
verößentlieht wurde, welche sich mit dem vorliegenden Werke messen kann. In diesem
Werk sieht man, wie reich die künstlerischen und technischen Kräfte sind, welche gegen-
wärtig- in Wien eine Heimat und Pregestatte gefunden haben. Da uns in diesem Organe
der Raum fehlt, das Werk eingehend zu würdigen, so wollen wir nur in wenigen Worten
dasselbe der vollen Aufmerksamkeit des kunstliebenden Publicums empfehlen. Der Text
ist ebenfalls von Carl Weiß, dem Archiv- und Bibliotheksvoßtnnd der Commune Wien,
verfasst, dessen v-Geschichte der Stadt Wien-soeben in zweite verbessern imd ver-
mehrter Außage Wien bei R. Lechner erscheint.
im Verlage von Carl Gerold's Sohn erscheint soeben in illustrirter Ausgabe
die vierte vermehrte Auflage von -Die Kunst im Hause-i Geschichtliche und kritisch-
ästhetische Studien über die Decoratinn und Ausstattung der Wohnung von J. v. Falke.
Das in circa lo monatlich erscheinenden Heften in zur Ausgabe elangende Werk wird
Farbehdruckbilder, So Lichtdrncke und Tondrncltplaittetv und mehr als 22a Hulzschnitt-
Illustrationenim Texte enthalten. Inhalt und Anordnung des Buches sind im Wesentlichen
dieselben geblieben wie in den früheren Auflagen, duch hat der Verfasser mit einer 'be-
sonderen Besprechung des Fensters nach Gestaltung, Vorhängen, Glasgemllden etc.
die vorliegende illustrirte Ausgabe um einen neuen Abschnitt bereichert.
Literatur zur Regelung des lnnungswesens. Da ierzt die Frage der
Regelung des Innungsweaens in den Vordergrund getreten ist, machen wir unsere Leser
auf folgende Schriften ganz besonders aufmerksam und zwar ein Votum der Haniburgischen
Gewerbekammer rEin Wort über prineipielle Reform der deutschen Ge-
werbeordnung-l, den deutschen Handels- und Gewerbeltammern unterbreitet von der
Haxnbur Gewerbekammer Hamburg 1878, 100 S. und auf die Schrift des Dr. iur.
F. C. ber 10er ReiChsgesetzentWurfI betreffend die Neuregelung des lnnungs-
wesensl. Stuttgart, Gruningen 1881. 158 S. 8.
Die preußische Regierung veröüentlicht eine Denkschrift aber die Entwicklung der
gewerblichen Fachschule in Preußen während der, Jahre 187g und 1880. Wir werden
auf diese Publication demnächst ausführlicher zurückkommen.
M1
Die! Leitung dieser Ausstellungmbliegt einermgevlahimn- Agßatclluhgs-Qmite; als
Vertreter, Museums, wurden dieNl-lerrqn Reg-Rath Buchqr und Prof. Beyer in die
Vorjurylgewihlt
Besuch In; Museum den Bot-kurzentschlossen, Gulat-J Am, a7. Februar
besuchte "Professoren Heraus-und Hauaer von der Kunstgewerbesehulemit den"
Schülern dieser Anstalt das Etablissement des Hof- Kunstschlossers ValerianlGillar,
V. Bezigk, Gvrieysgasse 30, wo sie die zahlreichen zum Theilc im modernen, zum Theile in
alterem Style ausgeführten Arbeiten in Augenschein uahmem- Herr Gillar führte seine
Gäste in alle Raume seines groBenEtabiissements und zei te denselben in der liebens-
würdigsten Weise nicht allein das Schenswerthe, sondern gai auch Erklärungen und Auf-
klirungen, die besonders den Schülern von großem Werthe sein werden. Es ist dies
um so anerkennenswerther, als in derlei Kunstschlossereien in,de,r Regel so geheimniss-
voll vorgegangen wird, dass die Arbeiter der einen Abtheilung von der Art der Ar-
beiten in einer anderen absolut nichts erfahren können. Nachdem die Professoren durch
fast drei Stunden im Museum des Herrn Gillar geweilt hatten, begaben sich die
Lehrer und, Schüler in. das Atelier. Während sie hier die Arbeiten besichtigten, erbot
sich Herr ,Gill,ar, vqr den Augen seiner Gäste-ein Nileinblatt herzustellen, zeichnete die
Umrisse desselben auf Eisenblech und vollendete es auch insehr befriedigender Weise.
Nach yierstnndigrm Aufenthalte verließen Lehrer und Schüler mit lebhaften Dankesbezeu-
gungcn und, mit dem Versprechen, recht bald wieder zu kommen, die Anstalt, nachdem
noch HarnGillar versprochen, ein nächstes Mal selbst Eini esvorzuschmieden und ver-
fertigen zu W0llen. Die Wiener lndustxie kann in der Tgat stolz sein, einen Mann
von solcher Tüchtigkeit unter ihre Bürger zu zahlen, der aus seinem Können kein Ge-
heimniss macht. Herr Gillar lasst "essich nicht verdricßen, seine Leute persönlich zu
tüchtigen Arbeitern auszubilden,- so dass dieselben überall ihr Fortkommen finden, sondern
er ist auch stets bemüht, Jedermann mit Wnrt und Thnt an die Hand zu gehen und in
die mannigfachen Zweige der Kumtschlosserei einzuführen. Herr Giilar hat übrigens,
nebenbei bemerkt, das Verdienst, wacker miitgeholfen zu haben in unserer Stadt die
Kunstschlosserei wieder in Aufschwung und auf jenen Punkt zu bringen den sie
heute einnimmt.
Die Jahrasanastellnng der Wiener Künstlergenosaenschaft wurde am 20.
Marx. in feierlicher Weise durch Se. Majestät den Kaiser eröffnet. Bei-der Eröffnungs-
feier warenaaehudie Herren Erzherzoge Carl Ludwig, Rainer und Salvator anwesend.
Der Ausstellungskatalog zeigt 34,3 NummermAi-n zahlreichsten sind Wiener Künstler und
Münchner und Düsseldorfer Künstler. vertreten. ,Fast ganz unvertreten sind die ungarischen.
böhmischen und galizischen Künstlerl
Gewerbliche Auastellnhg in Suez. Der Gewerbeverein in" Saaz wird daselbst
im Laufe dieses Jahres und zwar vom 26. Mai bis 5. Juni eine gewerbliche Ausstellung
veranstalten.
Tlllmilldlliiribßühülß ill-KOIOIJIBI. Der Handelsminister. beschloss, die vom
Staate subventionirte Thonindustrieschitlejn Kolonien derart zu vervollkommnen, dass die-
selbe, unbeschadet ihrer gegenwärtigen Praktischen Richtung, auch den Anforderungen der
Kunst qatspreche. Zudem. Zwecke wird die Anstalt der Leitung eines praktisch und
theoretisch in Wien ausgebildeten Lehrers für Handzeiehnen und keramische Decoration
übergeben. Derselbe wirdseinen Gehalt aus deknSuatssehatze beziehen.
TodesfalL ln Wien starb "am 18. März Michael" Stohl, kaiserlich russischer Hof-
maier, nach kurzer "Krankheit im Alter von 67 Jahren. Der Verblichene, ein geborener
Wiener, war-einer der hervorragendsten Aquarellrnaler der Gegenwart. Dreihundert seiner
Aquarellbilder befinden sich in einem eigenen Saale der Eremitage zu St. Petersburg.
Geschenk der preußischen Provinzial- Hanptiatadte für den Prinzen
Wilhelm von Prannsan und die Prinzessin An Viotoria an Schleswig-
Holstein. Aus Anlass ,der Vermählung desPrinzen- ilhelm von Preußen mit der Prin-
zessin Auguste Victoria traten eine Anzahl Vertreter der preussischen Provinzial-Hauptstädte
zusammen, um zur Betheiligung an einem Geschenk der größeren Städte der Monarchie
aufzufordern und haben sich zu diesem Zwecke 96 Städte mit einer Civllbevölkerung von
14.93.1100 Seelen dazu vereinigt. Die Summe, worüber der geschäftsführende Ausschuss
zu verfügen hat, betragt 400.000 Mark.
Das ganze Geschenk besteht aus 27 Prachtgcrathcn, welche bei den ersten
Künstlern der Monarchie für die Summe von 258.000 bis 300.000 Mark vergeben sind.
Außerdem werden Weinkannen und Glaser von" Krystalf "mit Namenachifre, erstere mit
silbernem Griüund Declcelhinzukommen, ferner entweder ein orzellanservic oder,
wenn die Mittel so weit reichen, 50 silberne tiefe und Soo silberne Hache Teller.
Oonours Ausschreibung. Zur Erlangung geeigneter Vorlagen
für die künstlerische Ausstattung der mu fü gewöh nllich
und taxfreie Bllrgerrechts-Diplotne hat derWiener Gemeiuderath
mit Beschluss vom 18. März d. J. nachstehenden allgemeinen Concurs;
ausgeschrieben
Die künstlerische Ausstattung hat aus einer reichen und geschmackvollen orna-
mentalen und figuralischen Einrahmung zu bestehen.
Jede der Vorlagen ist in Bezug auf ihre künstlerische Conception für Vsich zu be-'
handeln, so dass sich eine von der andern streng unterscheidet und beide nur die stil-
gemaße Behandlung sowie die zur Charakteristik von Bürgerrechts-Diplomen erforder-
lichen Embleme wie das Stadtwappen gemeinsam haben,
Die Concursentwürfe sind derart auszuführen, dass sich dieselben vollständig zur
Reproduction in Schwarz- oder Farbendruck eignen.
Der Concursentwurf für das Diplom-Formulare des gewöhnlichen Bürgerrechtes
ist für die Ausführung in Schwarzdruclt, Radirung, Kupferstich, Heliogravure, Holz-
schnitt u. s. w., jener für das Diplom-Formulare des taxfreien Bürgerrechtes für die
Ausführung in Schwarz- oder in Farben- und Golddruck zu berechnen.
Für das Diplom der gewöhnlichen Bürgerrechte wird Quanfnnnat mit 30 Centi-
meter Breite und 23 Ctm. Höhe sammt Papierrand, für jene der tsxfreien Bürgerrechte
Hohenformat mit 3c Ctm. Hohe und 23 Ctm. Breite ebenfalls summt Papierrand festgesetzt.
Das Diplom der gewühnlichen Bürgerrechte erhält folgenden Text
HerrN...... N......
hat das Bürger-recht der k. k. Hnupt- und Residenptadt Wien
erworben und am heutigen Tage den Eid abgelegt.
Wen. am..........
Der Bürgermeister
Bei den Diplumen ihr das taxfreie Borgerrecht ist der Raum für den Text frei zu
halten und nur auf eine einfache dem Stile nach mit der ersten Seite übereinstimmende.
Einrahmung der dritten Seite des Fonnulnres Bedacht zu nehmen.
Jeder Concurrent hat eine Zeichnung sowohl für die gewöhnlichen, als auch eine
solche für die taxfreien Bürgerrechts-Diplome vorzulegen. Diejenigen drei Concurrenten,
welche die besten Entwürfe vorgelegt haben, werden mit einem Preise von 50, So und
20 Ducaten prämiirt, jedoch kann keinem Concurrenten mehr als ein Preis zuerkannt werden
Zur Betheiligung am Concurse sind nur Künstler zuzulassen, welche in Wien ihren
bleibenden Wohnsitz haben.
Die pramiinen Entwürfe gehen in das unbeschrlnltte Eigentbum der Stadt Wien über.
Keinem der concurrirenden Künstler steht aus Anlass der Betheiligung an diesem
Concurse eine Honnrarfurderung an die Gemeinde NVien zu.
Die Beurtheilung der Entwürfe wird einer Jury, bestehend aus je einem Mitgliede
der k. k. Akademie der bildenden Künste, des Oesterr. Museums für Kunst und Industrie
und der XViener Künstlergennssenschaft übertragen, welche das Ergebniss ihrer Beur-
theilung dem Bürgermeister schriftlich vorzulegen hat.
Die für die Concurrenz bestimmten Entwürfe sind bis längstens so. Juni I. J.
im Einreichungs-Protokoll des Gemeinderathes Stadt, Wipplingerstraße,
Rathhaus z. Stock zu überreichen. Dieselben sind mit einem Motto zu versehen und
darf auf ihnen der Name des concurrirenden Künstlers nicht ersichtlich sein. Gleichzeitig
mit dem Entwurfe ist ein versiegeltes Couvert zu überreichen, dasnuf der Außenseite das
betreiTende Motto, innen aber den Namen und die genaue Adresse der Concurrenten enthllt.
Die Künstler Wiens werden hiertnit zur zahlreichen Betheiligung In diesem C0114
curse eingeladen.
Wien, am zu. März 188i.
Der Bürgermeister
Newald.
Hierzu als Extrabellage
Jahresbericht des k. k. Oesterr. Museums für Kunst und Industrie. für t88o.
hin-nun; du x. k. Oulcrr. um"...
luunaknulvußulenulnrnsohnlnwlu.