Mmlleilnnuen das k. k. üßstarraiuh. Museums
KUNST UND INDUSTRIE.
Monatschrift für Kunst und Kunstgewerbe.
Am l. eines jeden Monats erscheint eine Nummer. Abonnementspreis per Jahr H. 4.-
Redacteur Eduard Chmellrz. Expedition von C. Gernldk Sohn.
Man abonnirx im Museum, bei Gerold Comp., durch die Postanstalten, sowie durch
alle Buch- und Kunsthnmilungen.
NT. 208. WIEN, IIJANUAR 18837., jährig.
Geschichte und Geschichtsmalerei. Festrede, gehalten von R. v. E. Schlusswort über die
erste internationale Kunstnusstellung in Wien im Jahre 1882. Bronze-Ausstellung im Oesterr.
Museum. Die Berliner Bronze-Industrie. Die Kunst in Russland und die Moskauer Aus!
stellung. Vorlesungen im Museum. Lizeraturbericht. Kleinere Mittheilungen. Inserate.
Geschichte und Geschichtsmalerei.
Festrede aus Anlass der Habsburgfeier gehalten am n. December 1882 in der Kunst-
gewerbeschule des Oesterr. Museums von R. v. Eitelbergcr.
Der Geist des Menschen empfängt seine Nahrung durch die Erinne-
rungen, wie der Körper durch die Elemente der Natur, die ihn umgeben.
Er wächst mit der Zahl seiner Erinnerungen und stirbt ab mit dem
Schwinden der Erinnerungskraft. Je länger die Erinnerungen festgehalten
werden können, desto reicher wird der Geist des Menschen. Und was
von dern einzelnen Menschen gilt, das gilt auch vom Staate. Je größer
seine Erinnerungen sind, je bedeutender dieselben sich gestaltet haben,
desto bedeutsamer ist der Staat selbst. Die Erinnerungen des Staats-
lebens werden von der Geschichte aufgezeichnet und von ihr festgehalten.
Die Geschichte ist wie ein aufgescblagenes Buch des geistigen Lebens
der Menschheit. Darin liegt die Bedeutung der Geschichte für das
Völkerleben und darin auch die Bedeutung jener Staaten und jener
Dynastien, welche auf ein langes Wirken im geschichtlichen Leben hin-
weisen können. Es ist daher nicht ganz gleichgiltig, 0b der Mensch in
einem jungen Staate oder in einem Staate lebt, der auf Jahrhunderte
zurückblicken kann. Je reicher das geistige und historische Leben
eines Staates ist, desto bedeutsamer ist dieser selbst. Ein junger Staat,
der nicht auf älteren historischen Fundamenten fußt, ist kurzlebig;
mag sein Erscheinen noch so glänzend gewesen sein, von Dauer ist
er selten. Wie glänzend z. B. war das Entstehen des burgundischen
IX. Bd. 1883. 2a
Staates und wie kurz war sein Bestand; wie gewaltig waren die Reiche
der Ost- und Westgothen sowie der Longobarden, und doch sind sie in
verhältnissmäßig kurzer Zeit fast spurlos vorübergegangen. Sie hatten sich,
ich möchte sagen, geistig bald ausgelebt, und sie hatten auch nicht jene
geistige Widerstandskraft, um sich im historischen Leben zu bewähren
und sich in der Reihe der Staaten zu behaupten.
Solche Gedanken bewegen uns in diesen Tagen, wenn wir uns erin-
nern, dass wir in einem Staate leben, dessen ersten Grundstein der Größte
der deutschen Nation vor mehr als tausend Jahren gelegt hat, nämlich
der Franke Karl der Große, dessen gewaltige Gestalt gewissermaßen die
geistige Wetterscheide bildet zwischen Alterthum und Neuzeit, den die
Kirche in die Reihe der Heiligen aufgenommen hat und den die Ge-
schichte mit Zustimmung Aller den Großen nennt. Der von dieser mäch-
tigen Hand gegründete Staat wird heutigen Tages von einer Dynastie re-
giert, welche bereits seit sechs Jahrhunderten das nach und nach aus der
Ostmark entstandene Oesterreich beherrscht, das seit den Zeiten Karl's des
Großen bis in die Gegenwart stets einen Schutzwall gegen die von Osten
drohenden Gefahren gebildet, und immer als ein Mark- und Grundstein
der mitteleuropäischen Civilisation sich bewährt hat. Es sind große histo-
rische Erinnerungen, welche in unserer Seele aufsteigen, die uns auch
mit Muth und Zuversicht für die Zukunft erfüllen, und die uns auch den
hohen Werth jener Kunst in einem ganz bedeutsamen Lichte erscheinen
lassen, welche wir mit einem allgemeinverständlichen Worte der histo-
rischen Kunst bezeichnen, in der Plastik und Architektur die Denkmal-
kunst, in der Malerei die Historienmalerei nennen.
Verweilen wir diesmal bei der letztgenannten Schwesterkunst der
zeichnenden Künste. Wenn von historischer Kunst gesprochen wird, ver-
steht man vor Allem die historische Malerei. Dass der österreichische
Künstler, welcher sich dem historischen Gemälde zuwendet, in der hei-
mischen Geschichtsliteratur nur ein wenig genügendes Material vorlindet,
unterliegt wohl keinem Zweifel; alle Künstler klagen hierüber. In Frankreich,
speciell in England und auch in Italien findet der Künstler eine außer-
ordentlich reiche historische Literatur, welche alle Zweige der Geschichte
wissenschaftlich und eingehend behandelt. Auch die Alterthums- und
Costümkunde, der historische Roman, der für Künstler so anregend
wirkt, ist in Oesterreich vernachlässigt. Die gelehrten Geschichtsbücher,
welche sich mit österreichischer Geschichte beschäftigen, sind im Ganzen
und Großen viel zu schwerfällig und zu breit angelegt und zumeist nur
für den Gebrauch der Universität und der Schule abgefasst. Nur wenige
Geschichtswerke, welche von österreichischen Schriftstellern herrühren,
befinden sich daher in den Händen der Künstler und werden gründlich
gelesen, sie werden mehr als Nachschlagebücher benützt. Zudem wird
mit Vorliebe die politische Geschichte, die Geschichte der Haupt- und
Staatsactionen behandelt, dagegen all' dasjenige, was sich auf das innere
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intime Leben der österreichischen Völker und deren Cultur bezieht, we-
niger beachtet, obgleich gerade diese Partien für den Künstler nützlich sind.
Vor dem Bewegungsjahre 1848 war die österreichische Geschichtsliteratur
gebunden durch die damals herrschende Censur und durch die geringe
Freiheit des Gedankens und der Presse, welche eine Grundbedingung jeder
historischen Literatur ist. Es konnte sich daher in jener Zeit keine große
Geschichtsliteratur entwickeln, da man das nicht ungescheut aussprechen
durfte, was das Endziel jeder Geschichtsforschung sein muss, die Wahrheit.
Auf dem beschränkten Raume, innerhalb dessen sich die damalige Ge-
schichtsforschung bewegen durfte, hat selbstverständlich auch die Freiheit
und Schönheit des Ausdruckes nichts gewonnen; dieser ist schwerfällig
geworden, weil dem Flug des Gedankens das Bleigewicht der Censur
angehängt war. Dass nach dem Jahre 1848 die Geschichtsforschung aller-
dings vollständig freie Bahn bekommen hat, insbesondere, wenn es sich
um die streng wissenschaftliche Forschung handelt, kann Niemand leugnen,
ebensowenig, dass es gegenwärtig viele Gelehrte in Oesterreich gibt,
welche die großen Ziele der wissenschaftlichen Geschichtsforschung beherr-
schen. Aber deren Arbeiten bewegen sich vor Allem auf dem Gebiete der
strengen Wissenschaft und sind daher weniger geeignet, in Künstlerkreise
einzudringen.
Neben dieser neu erwachenden Geschichtsliteratur, von welcher die
Künstler allerdings zu wenig Notiz nehmen, macht sich in der österrei-
chischen populären Geschichtsliteratur eine seichte, oberflächliche Dar-
stellungsweise bemerkbar, welche nicht populär im vollen Sinne genannt
werden kann, und darum auch nur in geringem Maße Verbreitung gefunden
hat. Keinem aufmerksamen Beobachter sowohl der gelehrten als der po-
pulären Geschichtsliteratur, besonders der Magyaren, Polen und Slaven,
kann der Umstand entgehen, dass jetzt mit unverkennbarer Vorliebe jene
historischen Erinnerungen behandelt werden, welche die Selbständigkeit
der einzelnen österreichischen Völker und jene Zeit zum Gegenstande
haben, wo diese Länder noch nicht in den österreichischen Staatsverhand
eingetreten waren. Es liegt dies wohl zweifellos in der Natur des mo-
dernen Nationalitätsgedankens, welcher das bewegende und treibende Ele-
ment der Geister geworden, das an den Thoren der Staaten pocht und
an ihren Fundamenten rüttelt. Jede Nation sucht bei uns ihre staatenbil-
dende Kraft hervorzukehren und wiegt sich in Ideen von Nationalstaaten,
die abseits vorn österreichischen Staatsgedanken liegen. Diese Richtung der
Geschichtsliteratur, die also gewissermaßen die Staaten der Zukunft vor-
bereiten sull, geht Hand in Hand mit jenen historischen Darstellungen
der Künstler, welche die Vergangenheit der einzelnen österreichischen
Völker mit einer Gloriole umgeben, und auf diese Weise die Bestre-
bungen der modernen Geschichtsliteratur unterstützen. Diese Umstände
fordern uns auf, das Wechselverhältniss der Geschichte und Malerei zu
dem österreichischen Staatsleben zu prüfen.
22'
Geschichtsmalerei und Geschichtschreibung sollten einander näher
rücken, ich möchte sagen eine ideale Ehe eingehen, um jene staatliche
Mission zu erfüllen, welche auf der einen Seite der Geschichtsforschung,
auf der andern der Geschichtsmalerei zukommt. Sich gegenseitig den
Rücken kehren, sich gegenseitig ignoriren, ist für jede gleich schädlich.
Was die Geschichtsforschung ergründen soll und was man von ihr auch
verlangen muss, das ist die volle Wahrheit, im realen und idealen Sinne
des Wortes genommen. Was hingegen die künstlerische Seite der Ge-
schichtsdarstellung leisten soll, das geht aus der Natur jeder Kunst hervor,
welche sich mit der menschlichen Gestalt und dem bewegenden Element
der Gestalt, mit der Seele des Menschen beschäftigt. lst auf der einen
Seite die Wahrheit das Ziel jeder wissenschaftlichen historischen For-
schung, so ist die Schönheit und geistige Lebendigkeit das Ziel jeder
künstlerischen Darstellung und auch der Bildhauer ist an diese Gesetze
gebunden. Wir müssen bei diesem Punkt etwas länger verweilen und uns
klar machen, was historische Malerei genannt werden kann, und da be-
gegnen wir der Thatsache, dass in den Kreisen der gebildeten Welt der
Ausdruck "historische Malereiu in doppeltem Sinne angewendet wird.
Einmal wird von der historischen Malerei gesprochen, wenn es sich
darum handelt, ein Gemälde zu bezeichnen, welches einen geschichtlichen
Vorwurf zum Gegenslande hat, gleichgiltig, ob dieser Vorwurf der alten
oder der neuen Geschichte angehört, ob er dem alten oder neuen Testa-
ment entnommen ist, oder 0b er eine volksthümliche Ueberlieferung zur
Erscheinung bringt. Andererseits verbindet man mit dem Ausdruck Histo-
rienmalerei jene künstlerische Darstellungsweise, wodurch die mensch-
liche Gestalt, ich möchte sagen auf ein höheres geistiges Niveau gehoben
wird, dass diese Ggürliche Darstellung über das Maß des Gewöhnlichen
und des Alltagslebens hinaustritt. Die künstlerischen Darstellungen, welche
das vulgäre, gewöhnliche Leben des Menschen schildern, nennt man
Genremalerei. Jene Darstellungen der figuralen Kunst, ob Malerei oder
Plastik, welche den Menschen als solchen zum Gegenstande haben und
ihn schildern in seinen Tugenden, in seinen Leidenschaften, in seiner
Formenschönheit, in Handlungen, wo höhere Empfindungen zum Aus-
druck kommen, werden im höheren Sinne Historienmalerei genannt, wenn
sie auch nicht den lnhalt eines geschichtlichen Vorganges, sondern wie
schon gesagt wurde nur den Menschen als solchen zum Gegenstande
haben. Dass die religiöse Kunst, dass die Welt der Mythe dasjenige Gebiet
ist, wo diese Kunst den höchsten künstlerischen Ausdruck Endet, liegt in
der Natur der Sache. Wenn uns bei den Griechen und auch bei den
christlichen Völkern in Gemälden, welche die geistigen Heroen des Chri-
stenthums darstellen, der Mensch als ein Ebenbild Gottes erscheint, als
ein Theil jener geistigen Kraft, durch welche wir leben und wirken, so ist
das die echte historische Malerei. Aber um dieses ldeal der Historien-
malerei durchzuführen und zu verwirklichen, brauchen wir auch Künstler,
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welche ihrer großen Aufgabe sich vollbewusst sind; aber leider sind heu-
itigen Tages nur wenige Künstler sich der großen Mission bewusst, welche
die historische Malerei zu erfüllen hat. Nicht wenige glauben, wenn sie
die Menschen in angeblich richtige Zeitcostüme stecken, so sei dies schon
Historienmalerei, eine Auffassung, welche noch gefördert wird durch den
Einfluss des Theaters auf unsere moderne künstlerische Production. Es
gibt nicht wenige historische Bilder, welche in uns die Vorstellung er-
wecken, es sei das Gemälde nur eine Reproduction einer Theaterscene,
nicht die künstlerische Lösung eines geistigen Actes auf der Arena der
Weltgeschichte.
Bei der Darlegung dieser principiellen Frage müssen wir uns
eines Satzes des großen Denkers Aristoteles erinnern, welchen er an
mehreren Stellen seiner Werke, vor Allem in seiner Poetik ausgespro-
chen hat, wo er die Poesie mit der Geschichte vergleicht. Er sagt,
"dass die Poesie viel philosophischer sei als die Geschichte, weil erstere
mehr ein Allgemeines, letztere mehr Besonderes und Einzelnes behandle
und gebunden sei, sich neben dem Besonderen auch noch an das Histo-
rische zu haltenm Verfolgen wir den Gang der aristotelischen Gedanken,
so müssten wir consequenterweise auch sagen, dass ebenso die historische
Malerei, welche die innern Vorgänge der Seele, Gedanken und Stim-
mungen verkörpert, staatenbegründenden und Völker bildenden Ideen
dient, philosophischer und poetischer sei, als die Geschichtschreibung.
Und darum hat auch die Historienmalerei die Berechtigung, ihren Stoff
poetisch und mit künstlerischer Freiheit behandeln zu dürfen. Sinkt aber
die Historienrnalerei zu einer Costüm- und Theatermalerei herab, dann
verliert sie diese Berechtigung und hat keinen Anspruch auf eine höhere
Stellung. Von jener poetischen Freiheit haben alle großen Künstler Ge-
brauch gemacht Rafael in seinen Stanzen, Rubens in seinen historischen
Darstellungen, und sie hatten Recht, die Geschichtsmalerei im poetischen
Geiste und mit voller künstlerischer Freiheit zu behandeln. Und so
möchten wir auch jetzt, wo wir uns dem eigentlichen Thema nähern,
unseren Künstlern empfehlen, den reichen historischen Stoß", welcher die
großen Vorgänge der üsterreichischen Geschichte in sich schließt, mit
poetischer und künstlerischer Freiheit zu behandeln und dabei den großen
Staatsgedanken, der in der österreichischen Geschichte so deutlich zu Tage
tritt, als den leitenden Grundgedanken, ich möchte sagen wie das Leit-
motiv in der Musik, zu betrachten. Denn die Stärke und die Kraft der
habsburgischen Dynastie und ihrer welthistorischen Mission liegt nicht bloß
in den einzelnen Thaten der Monarchen, sondern in der völkerverbindenden
Mission, welche alle Regenten der Ostrnark von den Zeiten Karls des
Großen bis in die Gegenwart übernommen haben. Die Zeit, in welcher
nach dem Absterben der Babenberger die habsburgische Dynastie die
Führung des österreichischen Staatsgedankens übernommen hat, welcher
in der Gründung der Ostrnark gelegen ist, war eine Uebergangsperiode
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im eigentlichen Sinne des Wortes gewesen. Die moderne Zeit warf ihre
ersten Strahlen in die christlich- germanische Zeit; die Baukunst schuf
den sogenannten Uebergangsstyl, welcher sich später zur Gothik ent-
wickelt hat.
Es war ein großer fruchtbarer Gedanke, welcher Karl den Großen
veranlasst hat, an der Ostgrenze des Abendlandes zum Schutze der euro-
päischen Civilisation eine Ostmark zu gründen, welche berufen war, einen
Damm gegen jene unruhigen Elemente zu bilden, welche der staatlichen
Entwickelung des europäischen Völkerlebens hemmend in den Weg treten.
In Osteuropa und Asien traten Bewegungen hervor, welche die Ruhe
Europzfs störten. Die Hunnen, Avaren, Mongolen, Magyaren und Osmanen
haben wiederholt das christliche Abendland angegriffen. Noch dauert
diese Bewegung fort. In allen Zeiten hat die Ostmark und das Oester-
reich, das sich aus der Ostmark entwickelt hat, seine Mission erfüllt.
Bevor die Habsburger die Herrschaft der Ostmark übernommen haben,
war es das Geschlecht der Babenberger, welche die Ostmark regierten,
die heidnischen Ungarn besiegten, die, kaiser- und reichstreu, wie sie
waren, an den Kreuzzügen rühmlichen Antheil nahmen und dessen letzter
Sprosse im Kampfe gegen die von Osten vordringenden Mongolen und
Ungarn auf dem Schlachtfelde bei Wiener-Neustadt am 15. Juli 124.6 in
der Bllithe des Mannesalters ruhmvoll gefallen ist. Um die Bedeutung
der Herrschaft der Babenberger hervorzuheben brauche ich nur zu
erinnern, dass sie die Stefanskirche gegründet, den Minnegesang, Dich-
tung und Schule gefördert, das Städterecht gesichert und die Burg ge-
gründet haben, in welcher die österreichischen Herrscher bis in die jüngste
Zeit ihre Residenz aufgeschlagen haben. Die Stefanskirche und Burg
sind die volksthümlichsten Repräsentanten des alten ehrwürdigen Oester-
reich geblieben. Alle welthistorischen Ereignisse, die über das Schicksal des
Reiches dahingingen, bewegten sich in dem Weichbilde der Burg und der
Stefanskirche. Nach dem Tode des letzten Babenbergers, in der schwer-
sten Zeit, wo die Gefahren, welche von Osten drohten, durch Verwicke-
lungen im Innern gesteigert wurden, da war es für das deutsche Reich
und für die Ostmark ein wahrhaft glückliches Ereigniss, dass der verwaiste
Thron in die Hände der I-labsburger gelangte. Es war im Jahre 1273,
als der Graf von Habsburg von den deutschen Churfürsten zum deutschen
König gewählt wurde, und so viel auch in Geschichte und Sage über die
Wahlvorgänge enthalten ist, so steht doch fest, dass die Vorzüge des
habsburgischen Grafen, vor Allem seine persönliche Tapferkeit es waren,
welche die Wahl der Churfürsten auf ihn lenkten, urn in jener Zeit der
Willkür den Landfrieden wieder herstellen und den Adel und die strei-
tenden Städte und Bischöfe in ihre Schranken zurückweisen zu können.
Die Festigkeit, welche der mannhafte Habsburger bei Herstellung des Land-
friedens zeigte, vermochte doch nicht den Widerstand des hochstrebenden
Pi-emysliden Ottokar zu brechen, welcher wiederholt den Landfrieden
zgi
störte und die Huldigung verweigerte, bis derselbe endlich von Rudolf
besiegt in der Schlacht auf dem Marchfelde seinen Tod fand. Auch nach
dem Tode Ottokars haben sich die Habsburger als das bewährt, wodurch
sie sich bis zum heutigen Tage ausgezeichnet, nämlich als Schützer de
Bürgerstandes. ln jüngster Zeit hat Niemand Rudolf von Habsburg besser
gewürdigt, als der deutsche Geschichtschreiber Wilh. Arnold'. Seine
bürgerfreundliche Gesinnung ist ein Erbtheil des habsburgischen Ge-
schlechtes und mit dieser Tugend steht die Kunstpllege in gewissem un-
trennbaren Zusatnmenhange, da die Kunstlibung ja seit jeher vorn Bürger-
stande gepflegt wurde und eine Zierde des Bürgers geblieben ist bis auf
den heutigen Tag. Es ist daher vollständig berechtigt, dass wir den
27. December 1882 mit besonderer Feier begeben, denn an diesem Tage
sind es 600 Jahre, dass die Belehnung der beiden Söhne Rudolfs von
Habsburg, Albrecht und Rudolf, mit Oesterreich stattgefunden hat. Es
kann nicht meine Aufgabe sein, eingehend zu schildern, wie von Seite
der Habsburger die Kunst gepflegt und gefördert wurde, dazu fehlt die
Zeit, aber in großen Umrissen dies anzudeuten, "glaube ich, ist hier der
rechte Ort. Aber nicht nur jene Habsburger, welche die österreichischen
Länder regierten, sondern auch jene Fürsten aus dem habsburgischen
Geschlecht, die außerösterreichische Länder beherrscht haben, waren mäch-
tige Förderer von Kunst und Wissenschaft, namentlich auch die Regenten
dieses Stammes in Spanien, Toscana und den Niederlanden. Karl V. und
seine Nachfolger waren Kunstfreunde ersten Ranges. Philipp IV. hat als
Maler in der spanischen Malerschule eine hervorragende Stellung einge-
nommen; Karl V. trat mit den hervorragenden zeitgenössischen Künstlern,
mit Tizian, in den engsten freundschaftlichen Verkehr. Die glücklichsten
Stunden des melancholischen Philipp Il. waren diejenigen, in welchen er
sich seiner Lieblingsbeschäftigung, der Kunst widmen konnte. Erzherzog
Albrecht und lsabella waren in der Zeit, in welcher Rubens und Teniers
gelebt haben, eine Stütze der Kunst in den Niederlanden. Der Statthalter
Erzherzog Leopold in den Niederlanden war der Begründer der Belvedere-
Galerie. Dass die Beherrscher von Toscana aus dem Habsburger Geschlecht
als Förderer der Kunst eine ganz hervorragende Stellung eingenommen
haben, ist zu bekannt, als dass es nöthig 'wäre, hier des weiteren darüber
zu sprechen. Allen diesen Regenten schwebten die Vorbilder des classi-
schen Alterthums vor, die sie dem Zeitgeschmacke huldigend in die Reihe
der Ahnen aufgenommen haben.
Gehen wir nun über auf die Regenten aus dem Hause Habsburg,
welche die österreichischen Länder beherrscht haben, so gibt es kaum
einen unter ihnen, dessen Namen in der Kunstgeschichte nicht mit gol-
denen Lettern verzeichnet wäre. Wenn die Kunstliebe dieser Herrscher
Wilh. Arnold, Studien zur deutschen Culturgeschichte, Stuttgart, Cottn, 1882,
pag. 233 5. König Rudolf und die Basler.
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nicht so zur allgemeinen Geltung gekommen ist, wie man dies hätte er-
warten dürfen, so ist dies wohl zumeist dem Umstande zuzuschreiben,
dass Oesterreich seit dem 16. Jahrhundert fortwährend von äußeren
Feinden bedrängt war, und dass die politischen Ereignisse sowie die großen
Kriege, welche Oesterreich zu führen hatte, die Aufmerksamkeit des
Volkes mehr auf Politik als auf Kunst lenkten. Unter den habsburgischen
Regenten war es zuerst Rudolf IV. der Stifter 1358-1365, welcher die
Wiener Universität begründet und den Bau der Stefanskirche gefördert
hat. Er hat sich diesem Dombau mit besonderer Liebe zugewendet, und
aus dem jüngst erschienenen Jahrbuche der I-Iofsammlungen erfahren wir,
dass am 18. November 1364 Rudolf IV. der Stifter mit seinen Brüdern
Albrecht und Leopold eine Hausordnung abgeschlossen hat, in welcher
sie sich verpflichten, die begonnene Stefanskirche zu vollenden und zu
dotiren. Der Humanist Friedrich III. 1440- 1493 war ebenfalls ein bedeu-
tender Kunstfreund. Unter den steiermärkischen Regenten war Erzherzog
Karl 1590 ein echter Kunstfreund und unter den tirolischen Fürsten
aus dem Hause Habsburg waren es Erzherzog Sigmund 1490 und
Erzherzog Ferdinand 1595, Gemahl der Philippine Weiser, welche sich
durch die Begründung der Sammlungen im Schlosse Ambras einen Welt-
ruf erworben haben. Auch die Ausschmüekung des spanischen Saales
daselbst und die Herstellung des Fürstenchores mit den wunderbaren
Intarsien in der Hofkirche zu Innsbruck wurde von ihnen durchgeführt.
Auch Rudolf II. 1576-1612 war einer der kunstliebendsten Fürsten.
Die Prager Kunstkammer, welche dieser Fürst anlegte, war eine der
glänzendsten Sammlungen der damaligen Zeit; er erwarb auch Dürer's
Rosenkranzfest und stand mit Strada und Giovanni da Bologna sowie mit
dem Bildhauer Adrian Fries in vertrautem Verkehr. Rudolf II. war ein
Kunstfreund ersten Ranges, dem Kunst und Wissenschaft mehr am Herzen
lagen, als die Staatsgeschäfte.
Aber unter allen Fürsten aus dem habsburgischen Geschlecht gab
es keinen, der für Kunst so viel geschaffen hat, als Kaiser Maximilian I.
1492-1519. Von ihm gingen eine große Menge literarischer und arti-
stischer Bestrebungen aus, wie z. B. Theuerdank, Weißkunig, der Triumph-
zug und die Ehrenpforte von Dürer, des Kaisers Gebetbuch von Schoen-
sperger gedruckt, und die größten deutschen Künstler seiner Zeit, wie
Dürer und Burgkmair, standen im Dienst des Kaisers. Für seine Gemahlin
Maria von Burgund ließ er ein Grabmal in der Notre Dame-Kirche zu
Brügge errichten; er plante für die Kaisergruft in Speier ein großes
Marmordenkmal, welches durch den Meister Hans Valkhenawer hätte her-
gestellt werden sollen. Sein eigenes Grabdenkmal in der Hofkirche zu
Innsbruck gilt als das glänzendste, das von irgend einem deutschen König
oder römisch deutschen Kaiser errichtet wurde.
Die Regierung Kaiser Leopold I. 1658-1705 fällt in die Zeit, in
welcher die Türken und die mit ihnen verbündeten Franzosen und sieben-
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bürgischen Rebellen das Reich bedrängten und die Monarchie in ihren Fun-
damenten zu erschüttern drohten. Wir werden im nächsten Jahre wahrnehmen
können, welch' mächtige Erinnerungen in uns lebendig werden, wenn wir
uns vergegenwärtigen, in welcher Gefahr die ganze christlich-germanische
Civilisation sich befand, aus der sie durch die Ausdauer der Bürger Wiens
und durch die ruhmvolle Tapferkeit der katholischen Liga, an deren
Spitze Kaiser Leopold, Sobieski und zahlreiche deutsche Reichsfürsten
standen, befreit wurde. In dieser Periode der äußeren Bedrängniss konnte
sich selbstverständlich ein reiches Kunstleben speciell in Wien nicht ent-
falten, bis nicht die Türkenkriege beendigt und der Friede durch die
pragmatische Sanction befestigt wurde, an deren Schwelle der große
Kunstfreuncl Prinz Eugen stand.
Kaiser Karl VI. 1713-1740 gehört in die Reihe jener österrei-
chischen Regenten, welche nicht bloß die Kunstangelegenheiten, sondern
auch die volkswirthschaftlichen Fragen in großem Style behandelt haben.
Was durch ihn für Triest und den österreichischen Seehandel geschehen
ist, verzeichnet die Geschichte. Fischer von Erlach und Bibieria, die
Maler Gran und Maulbertsch waren die Künstler, welche unter seiner
Regierung gewirkt, und eine Reihe von Bauten wurde hergestellt, die
wie die Karlskirche, die Hofburg, die Winterreitschule, Hofbibliothek etc.
Wien erst das Aussehen einer großen Residenz verliehen haben.
In den bewegten Zeiten der großen Kaiserin Maria Theresia 1740
bis 1780 wurden die beiden Schlösser Schönbrunn und Laxenburg ge-
baut, bei deren Ausschmückung Bildhauer Bayer sein reiches Talent ent-
falten konnte; sie förderte Rafael Donner und ihrer Initiative ist es zu
danken, dass die wunderbaren Bilder von Rubens und van Dyk für die
Belvedere-Galerie erworben wurden, deren Zierden sie heute bilden. Der
Nachfolger Maria Theresia's, Kaiser Josef II. 1790, dessen volks-
und bürgerfreundliches Wirken in dem Herzen eines jeden Oesterreichers
nachlebt, hat weniger den Kunstanstalten, als jenen Instituten seine Sorg-
falt zugewendet, welche der Volkswohlfahrt und der Volksbildung ge-
widmet sind.
Die Zeit Kaiser Josef II. und die darauf folgenden französischen Kriege
bezeichnen eine Periode, in welcher überhaupt von Kunst keine Rede
sein konnte. Unter allen Regenten des I-Iabsburger Stammes war Kaiser
Franz I. derjenige, welcher am wenigsten Sinn für Kunst hatte; auch um-
gaben ihn keine Staatsmänner, welche Kunst und Wissenschaft im großen
Style zu fördern geneigt gewesen wären. Um so glänzender erhebt
sich auf diesem Hintergrunde die Gestalt des gegenwärtig regierenden
Kaisers Franz Josef I., des großen Förderers von Kunst und Wissen-
schaft für alle Völker des Reiches. Mit ihm beginnt eine neue Aera der
Kunst in ganz Oesterreich. Es gibt keine Stadt der Monarchie, welche
nicht den Einfluss der Kunstschöpfungen unseres Kaisers an sich trüge.
Blicken Sie auf Graz, Pesth, Triest, Czernowitz, Innsbruck u. s. f., durch
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alle Städte weht der belebende Hauch der Kunst. Es gibt keine Stadt in
Mitteleuropa, die eine so gewaltige Umgestaltung erfahren hat, als Wien
durch die monumentalen Bauten, welche in den letzten Jahrzehnten voll-
endet wurden. Ist im 18. Jahrhundert Wien eine große Residenzstadt
geworden, so wurde durch Kaiser Franz Joseph Wien eine Weltstadt,
in welcher Orient und Occident sich friedlich die Hände reichen. Die
Burg, der Stammsitz der Habsburger, geht einem Umbau entgegen,
welcher der Stadterweiterung das Siegel der künstlerischen Vollendung
aufdrücken wird.
Aber gerade der Umstand, dass das historische Leben und die
Kunstptiege in den österreichischen Ländern so bedeutend war, lässt uns
heutigen Tages um so schmerzlicher wahrnehmen, dass wir nicht Geschichts-
schreiber genug haben, welche die österreichische Geschichte anziehend
zu erzählen versuchen, und nicht Künstler genug besitzen, welche diese
Geschichte in echt historischem Sinne künstlerisch darzustellen vermögen.
Speciell bei uns ist der Sinn für historische Kunst nicht genug geweckt,
nicht lebendig genug. Sehen Sie sich hier in Wien um und Sie werden kein
einziges öffentliches Denkmal Rudolfs von Habsburg finden, ebensowenig
ein Denkmal auf Maximilian 1.; wenn Sie die öffentlichen Gemäldegalerien
durchwandern und nach historischen Bildern fragen, welche die österreichische
Geschichte darstellen, so werden Sie kaum eine befriedigende Antwort
erhalten und in Folge dessen zu dem Glauben hinneigen, die Kunst der
Geschichtsmalerei sei berufen zu schweigen und nicht zu reden und die
Künstler hätten keinen Beruf, das geistige und staatliche Wohl ihres
Vaterlandes zu beleben.
Mit großer Genugthuung haben wir gesehen, wie beim Rathhaus-
bau der Wiener Gemeinderath Veranlassung genommen hat, nach dem
Vorbilde der Ruhmeshalle im Arsenale die hcrvorragendsten Momente der
Geschichte Oesterreichs durch Malerei und Plastik darzustellen. Hoffen wir,
dass bei der inneren Ausschmückung der Wiener Universität das geistige
Leben der Völker Oesterreichs künstlerisch zum vollen Ausdruck kommt.
Denn die Zeiten, in denen wir leben, sind eben so ernst und die Gefahren,
die uns von dem unruhig bewegten Osten drohen, nicht minder bedeu-
tend wie zu den Zeiten Karls des Großen oder zu den Zeiten, wo
die Völkerzüge aus dem Osten an den Thoren der Civilisation gerüttelt
haben. Und die Abwehr dieser drohenden Gefahren, diese historische Mis-
sion, die Oesterreich wieder übernommen wie zu den Zeiten Karls des
Großen und diese Thatsache, möchte ich sagen, verpflichtet Künstler und
Gelehrte, den österreichischen Staatsgedanken festzuhalten und in der Ge-
schichtschreibung wie in der historischen Kunst für denselben einzutreten.
Heute nach 600 Jahren betrachten wir die Begründung eines großen
Reiches, wie Oesterreich aus der Ostmark sich entwickelt hat, als eine
selbstverständliche Thatsache, als ob dies ein Act der politischen, nur nach
mechanischen Gesetzen sich vollziehenden Nothwendigkeit wäre, wie es
ja nicht hätte anders kommen können. Aber denken Sie einmal darüber
nach, was aus Oesterreich, was aus unserem Kunstleben geworden wäre,
wenn das welthistorische Geschick es anders gefügt hätte, wenn Oester-
reich und seine Dynastie seinen Feinden unterlegen wäre; wenn an Stelle
Oesterreichs ein Mittelreich unter der Herrschaft der Piemysliden, der
Arpaden oder Anjou's gegründet worden wäre, oder wenn es Georg
Podebrad und seinen Verbündeten gelungen wäre, die Habsburger aus
der Ostmark zu verdrängen, wenn im Jahre 1683 zu den Zeiten der
Türkennoth die Siebenbürger Rebellen im Bunde mit den französischen
Reichsfeinden hier in Oesterreich ein Großkhanat gegründet hätten,
wenn es in den großen Kämpfen des Erbfnlgekrieges und siebenjährigen
Krieges, die Maria Theresia führen musste, den Feinden des habsbur-
gischen Hauses gelungen wäre, die Anerkennung der pragmatischen Sanction
zu hintertreiben, oder wenn im Jahre 1809 es Napoleon I. gelungen
wäre, dauernd von Wien Besitz zu nehmen. Was wir in den Jahren 1848
und 1866 erlebt haben, erscheint uns bei der Rückschau auf den welt-
historischen Process, welcher Oesterreich geschaffen hat, nur als eine Fort-
setzung jener Bestrebungen, welche bereits in früheren Tagen gemacht wur-
den, um den Schwerpunkt Oesterreichs dauernd nach dem Osten zu ver-
schieben, seine historische Grundlage zu verrücken und das aufzugeben, was
jeder Dynastie das Heiligste ist, die Familienerinnerungen ihres Hauses. Und
an diese knüpft sich seit 600 Jahren ein untrennbar-es Band mit dem öster-
reichischenVolke. Sie werden es mit mir gerade in diesen Tagen als ein Glück
preisen, dass die Dynastie der Habsburger an der Ostmark festen Fuß gefasst
hat und als eine unbezwingliche Burg sich bewährt hat gegen alle Be-
strebungen, welche von Osten her den Frieden und culturellen Fortschritt,
in Sitte und Sprache bedrohen. Glücklich aber sind die Künstler vor allen
Anderen, da sie den Fortschritt der Cultur in einer Sprache bethätigen
können, welche alle Menschen verstehen, und allen zu gute kommt, gleich-
viel ob sie arm oder reich, von niedriger oder vornehmer Abkunft; denn
die Kunst kennt keinen Unterschied der Stände, der Confessionen und
der Racen. Stärken Sie Ihre künstlerische Arbeitskraft, damit Sie, wenn
Sie sich selbst berufen fühlen, oder berufen werden, die staatlichen, bür-
gerlichen und kirchlichen Institute zu schmücken, von Ihren Zeitgenossen
als vollständig ausreichend befunden werden.
Lassen Sie sich nicht, junge Freunde, durch die politischen Schlag-
worte und Strömungen des Tages irre machen. Haben Sie nicht den
Theil und die Partei, sondern das Ganze im Auge; fragen Sie nicht ob
liberal oder clerical, ob demokratisch oder föderalistisch; lenken Sie Ihre
Blicke auf das ganze untheilbare und unzerreißbare Oesterreich und die
Dynastie, welche durch sechs Jahrhunderte das Symbol des Reiches ge-
wesen ist und bleiben wird, und Sie werden das edle Bewusstsein rnit sich
nehmen, für den Aufbau Ihres Vaterlandes redlich mitgewirkt zu haben!
Schlusswort über die erste internationale Kunstausstellung
in Wien im Jahre 1882.
Der Curator unseres Museums, Graf Edm. Zichy, hat bei Nieder-
legung seines Mandates als Ehrenpräsident des Comite's für die inter-
nationale Kunstausstellung nach Schluss derselben und bei der formellen
Uebergabe des vergrößerten Künstlerhauses an die Künstlergenossenschaft
in der Generalversammlung derselben vom 18. November in einem Rück-
blick über Entstehung und Verlauf der Ausstellung eine so treffliche
und beherzigenswerthe Charakteristik unserer Kunstverhältnisse gegeben,
dass wir es uns nicht versagen können, den bezüglichen Theil der Rede
unseren Lesern mitzutheilen
Es fällt mir nicht ein, den Neubau als solchen vorn Gesichtspunkte der Schönheit
zu vertheidigen, denn um einen solchen durchzuführen, hätten ganz andere Mittel gehört
Mehr Zeit und mehr Geld. Doch seine inneren Raume haben dem Zwecke vollkommen
entsprochen und fanden die allgemeine ungetheilte Anerkennung unserer Gäste, die des
Lobes voll waren. Man erwäge nur Frankreich votirte zur Decorirung seiner Räume
100.000 Francs, während wir nur 100.000 Gulden hatten, um das ganze Gebäude herzu-
stellen.
Ich will jetzt übergehen auf die Ausstellung selbst und die Art und Weise, wie
sie zu Stande kam. Mehrere und gerade die bedeutendsten Länder errichteten zu Hause
Aufnahms-Commissionen, so Deutschland, Frankreich, Belgien, Spanien, Schweden, Nor-
wegen, Dänemark, Ungarn. Diesen wurde die Begünstigung eingeräumt, dass dieselben
keiner weiteren Aufnahms-Jury unterzogen werden, und da sie ihre eigenen Commissäre
hieher sandten, so überliess man es ihnen selbst, auf ihre Verantwortung hier die Bilder
zu hängen. Die Bilder der übrigen Länder wurden durch unsere Aufnahms-Jury geprüft
und von österreichischen Künstlern aufgehängt.
Nicht wenig Verlegenheit und Widersprüche fand die Vertheilung der Räume,
besonders für Oesterreich. Man begegnete den widersprechendsten Urtheilen; die Einen
sagten, es wäre eine Schande, dass Oesterreich als Hausherr sich nur mit den Räumen
der Hauptfronte des alten Gebäudes begnüge und die neuen Prunksäle Frankreich und
Deutschland überliesse. Andere fanden die gegebenen Räume viel zu groß und klagten
über Mangel an guten Bildern, die man mit Ehren hängen konnte. Vergehens trachteten
wir, uns genaue Daten zu verschaffen, über die Zahl der auszustellenden Bilder der ein-
heimischen Künstler. Wir begegneten einer sehr großen Gleichgiltigkeit und einem durch
Nichts zu rechtfertigenden lndilferentismus, mitunter bei sehr bekannten und berühmten
Namen; so kam es, dass manches Bild überstürzt, nicht gehörig fertig gemalt, ausgestellt
wurde und den Meister nicht so reprasentirte, wie es sollte. lch führe principiell keinen
Namen an, aber wie Viele vermissten wir und bei wie Vielen mussten wir ihre Abwesen-
heit tief bedauern! Einige von ihnen halten sich von den Ausstellungen principiell fern,
weil ihnen die Kritik, die sie zu erleiden haben, geradezu für ihre Existenz schädlich
und gefährlich dünkt, und so war das Resultat das, dass Oesterreich bei weitem nicht
eine solche Stellung behauptete, wie es sein konnte, trotz alledem aber doch einen acht-
baren Rang einnahm.
ich erwähne hier die Kritik und gestehe, dass ich oft Gelegenheit hatte zu er-
staunen, wie Künstler von ihren Genossen beurtheilt werden. Ein sehr lehrreiches Feuilleton
könnte man da schreiben uDie Künstler, beurtheilt durch die Künstlers. Die Herren,
die mitunter gar so scharf zu Gericht sitzen, vergessen, dass oft in der nächsten Viertel-
stunde sie mit gleicher Münze bezahlt werden, und dass diese Aeusserungen, die so rück-
sichtslos gemacht werden, dann von Anderen colportirt und in die größere Masse der
Laien übertragen werden; das Resultat davon ist, dass der Liebhaber und Kunstfreund,
der sich auf die Autorität solcher Aussprüche verlässt, in seiner Ansicht befangen und
irre gemacht wird, dann lieber auf Licitationen oder bei reisenden Händlern seine Kaufe
macht, die in den seltensten Fallen für den pruducirenden Künstler von Nutzen sind.
Oesterreich hatte außer den oben angeführten Gründen noch einen schweren Stand gegen-
über Deutschland, Frankreich, Belgien und Spanien; diese Länder haben den unendlichen
Vortheil, in ihren Nstionalgalerien Schatzkammern zu besitzen, die bei solchen Gelegen-
heiten geöffnet werden, um das seit zehn Jahren aufgehäufte kostbare Material in die
Wagschale zu legen. Oesterreich besitzt keine solchen Fundgruben, es musste sich be-
gnügen mit dem, was eben von der Staffelei kam, was mitunter nicht einmal fertig war,
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und musste, um seine Raume anstandig zu completiren, im letzten Momente Private er-
suchen, aus ihren Sammlungen das nothige Material zu leihen, um die Raume anständig
zu füllen. Zahlen sprechen da am deutlichsten. Frankreich hatte 44 Bilder als National-
eigenthum, Deutschland 35 aus den Galerien von Dresden, Berlin und München, Belgien 35,
Spanien t6. Es ist somit der Beweis gebracht, dass wir in einem ziemlich ungleichen
Kampfe waren, den wir doch mit Ehren bestanden haben. Leider wurde diesen Um-
ständen bei der Besprechung unserer Ausstellung wenig Rechnung getragen, und doch
hatten sie einige Berücksichtigung verdient. Einige Fachblatter erwähnten ihrer wohl, sowie
im Ganzen und Großen sich die inländische Journalistik dem Unternehmen gegenüber
wohlwollend verhielt. Dass es auch hier Ausnahmen gab, die ihrem privaten Hass und
Leidenschaften die Zügel schießen ließen, versteht sich wohl von selbst; doch sind die
Steine, die gewisse Herren warfen, nur zu oft auf sie selbst zurückgefallen; wenn dies
aber auch in fremden Journalen geschah, so hat es vielleicht manchen Fremden gehindert,
Wien zu besuchen. Doch im Ganzen glaube ich nicht, dass es einen so großen EtTcct
gemacht habe; denn was zu scharf und zu ungerecht ist, verfehlt seine Wirkung. Wenn
eine fremde Zeitung Oesterreich jeden Kunstsinn, jede Kunstbegabung, jede Möglichkeit
eines Kunstmarktes absprach, so mag es seine localen Interessen damit vertreten haben,
doch den Wahrheitsbeweis bleibt es uns schuldig. Man bedenke nur, dass es ein erster
Versuch war, und als solcher war er ein gelungener; übrigens einer Stadt jede Berechti-
gung abzusprechen, ist doch ganz sonderbar, wo in demselben Augenblicke aus Privat-
mitteln dieses Gebäude entstand, österreichische Gelehrte in Kleinasien auf Kosten von
Privaten Forschungen und Ausgrabungen machen im lnteresse der Sculptur und der
Antike, und ein einzelner Privatmann im Interesse der Wissenschaft eine Expedition nach
dem hohen Norden ausrüstete und begleitete, um die Geheimnisse des Nordpoles zu er-
forschen. In dem Augenblicke, wo diese abfalligen Urtheile erschienen, kam ein Delegirter
Frankreichs und ein anderer Hollands nach Wien, um unser Kunstmuseum zu studiren,
und in diesem Jahre erhielten mehrere junge Männer, die hier ihre Studien gemacht
haben, Anstellungen als Professoren in ähnlichen Kunstinstituten des Auslandes, was doch
vielleicht zu Gunsten Wiens spricht, der so verlästerten Stadt. Wir leiden Alle unter dem
so weit verbreiteten Pessimismus, der beinahe jedes Unternehmen schon im Keime er-
stickt und vernichtet, viele Leute entmuthigt, ihre Kräfte und Zeit Unternehmungen zu
widmen, deren Schicksal sie beinahe im voraus kennen. ln dieser Beziehung könnten wir
viel vom Auslande lernen und wenigstens so patriotisch sein, es Fremden zu überlassen,
über uns und unsere Institutionen zu schimpfen, anstatt dies selbst im Auslande zu thun.
Viele von ihnen, meine Herren, fühlen gewiss die Wahrheit dieser Satze, so mc-gen sie
denn auch einmal ausgesprochen werden.
Ueber den Besuch und das Ertragniss liefert der Rechenschaftsbericht die aus-
fnhrlichsten Daten. Der Ankauf beläuft sich mit den Bestellungen auf 150.050 Gulden.
Hier muss ich bemerken, dass gleich die ersten Tage nach der Eröffnung Se. Majestät
der Kaiser allergnadigst in der Oesterreichischen Abtheilung mehrere Bilder anltaufte,
gewiss mit der Absicht, dass das allerhöchste Beispiel Nachahmer finden werde, doch war
das nicht so sehr der Fall, als man es wünschen konnte; die oben angeführten Ursachen
mögen viel dazu bei etragen haben. Mit Freuden constatire ich den Ankauf mehrerer
Werke aus Staatsmitte denn dies gibt uns die sichere Hoffnung, dass das Beispiel so
vieler anderer Länder, die ihre Nationalgalerien und Museen stets mit dem Besten der
Neuzeit vermehren, nicht ohne Einfluss auf unsere Kunstzustande bleiben, und dass auch
Aehnliches, wenn auch nur langsam, bei uns Platz greifen werde. Die herrlichen, groß-
artigen Raume unserer neuen Hofmuseen werden gewiss, obwohl stumm, doch die be-
redteste Sprache sprechen, was der Kunst nützt und frornmt.
Bronze-Ausstellung im Oesterr. Museum.
Das k. k. Oesterr. Museum beabsichtigt im Sommer des Jahres 1883
eine Special-Ausstellung von Bronze-Arbeiten zu veranstalten. Die-
selbe hat den Zweck, den Entwicklungsgang des gesammten Kunstzweiges
von den frühesten Zeiten bis auf die Gegenwart in Ansehung der tech-
nischen Behandlung und der künstlerischen Verwendung des Materials so
vollständig als möglich und in charakteristischen Beispielen vorzuführen.
Man wird daher bemüht sein, einerseits die Slylformen der Vorgeschicht-
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liehen und der geschichtlichen Perioden auf diesem Gebiete, anderseits
die verschiedenen Gattungen der Metallcomposition und die verschiedenen
Methoden der Guss- und Hammerarbeit, des Ciselirens, Decorirens, Pati-
nirens etc. in figürlichen Gegenständen, Gefäßen, Geräthen, Schmuck,
Medaillen zur Anschauung zu bringen.
Zu dem Ende ist nachstehendes System der Anordnung aufgestellt
worden
1. Prähistorisches aus Europa einschließlich des Etruskischen
Amerika etc.;
Ostasien China, Japan, Korea etcä;
Aegypten;
Griechisch-römische Kunst;
Byzanz nebst den griechisch-slawischen Ländern;
Muhammedanische Kunst in Asien, Nordafrika, Sicilien, Spanien;
Christliches Mittelalter;
Renaissance.
Die modernen Bronzen werden auch räumlich gesondert ausgestellt
werden.
Dieäßedeutung einer solchen historisch-artistischen Ausstellung braucht
so wenig den Künstlern und Industriellen, wie den Kunstfreunden gegen-
über besonders hervorgehoben zu werden, und das Museum glaubt sich
daher der Hoffnung hingeben zu dürfen, dass seine, an alle Kunstfreunde
und Kunstsammler gerichtete Bitte um Unterstützung bei diesem Unter-
nehmen wie bei früheren ähnlichen wohlwollendes Gehör finden werde.
Unter dem Vorsitze des Directors des Museums, Hofrath v. Eitel-
berger, fanden bereits eine Vorbesprechung und zwei Sitzungen statt, an
welchen sich die Mitglieder des Ausstellungs-Comitäs eifrigst betheiligten.
Dieses Comite besteht aus den Herren Von Seiten des Museums Director
Hofrath v. Eitelberger als Vorsitzendem, ferner dem Curator Se. Ex-
cellenz Graf Edmund Zichy, Regierungsrath Bruno Bucher, Custos
Chmelarz, Jos. Folnesics und Dr. Theod.Frimmel. Ueberdies haben
als Comiternitglieder die Mitwirkung zur Veranstaltung dieser voraussicht-
lich höchst interessanten Ausstellung freundlichst übernommen die Herren
Dr. O. Benndorf, k. k. Universitätsprofessor; Dr. A. llg, Custos an
den kunsthistorischen Sammlungen des A. H. Kaiserhauses; Dr. J. Kara-
bacek, k. k. Universitätsprofessor; Dr. K. Lind, Sectionsratb im k. k.
Unterrichtsministerium; Dr. M. Much, Conservator der k. k. Central-
commission; Dr. W. Neumann, k. k. Universitätsprofessor; Regierungs-
rath Ed. Freiherr v. Sacken, Director des k. k. Münz- und Antiken-
Cabinetes.
Wir sind bereits in der erfreulichen Lage, mittheilen zu können,
dass der Obersthofmeister Sr. Majestät des Kaisers, Durchlaucht Fürst
Hohenlohe, und der Oberstkämmerer Exc. Graf Folliot de Crenne-
ville, die Bedeutung dieser Ausstellung würdigend, Objecte aus den
WYQFWPEN"
299
Kunstsammlungen und Schlössern des A. H. Kaiserhauses in wohlwol-
lendster Weise zugesagt haben. Eine Reihe von Zusagen der Besitzer be-
deutender Privatsammlungen stehen in sicherer Aussicht.
Die Berliner Bronze-Industrie.
Nach den Berichten der Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft vom Jahre 1881.
Bei dem lebhaften Interesse, welches man gegenwärtig der österrei-
chischen Bronze-lndustrie entgegenbringt, kann es nur von Nutzen sein,
die gleichen Bestrebungen der Nachbarländer, namentlich des für uns in
handelspolitischer Beziehung so wichtigen Deutschen Reiches, welches in
Bezug auf die Entwicklung seiner Kunstindustrie große und erfolgreiche
Fortschritte macht, nicht unbeachtet zu lassen. Wir entnehmen dem
"Bericht über den Handel und die Industrie von Berlin im Jahre 188m,
erstattet von den Aeltesten der Kaufmannschaft in Berlin, dass die im
Jahre 1880 durchgeführte Reorganisation der Unterrichtsanstalt des Ber-
liner Kunstgewerbe-Museums in ihrer Vorschule mit neun Classen
den Unterricht der am Tage beschäftigten Handwerker mittelst eines
Abend- und Sonntagscurses zum Zwecke hat, während die eigent-
liche Kunstgewerbeschule ihre Besucher zum selbständigen Erfinden und
Schaffen innerhalb der verschiedenen kunstgewerblichen Fächer heran-
bildet, zu welchem Zwecke die ganze tägliche Arbeitszeit der Zög-
linge in Anspruch genommen wird. Zu den früher bestandenen fünf
Classen ist noch eine sechste hinzugekommen, welche für den Unterricht
im Ciseliren, Graviren und Metalltreiben bestimmt ist, deren
Begründung, wie der Bericht anführt, dem Bedürfniss der aufblühenden
Metallindustrie in Berlin entgegenkommt. Der Kunstgewerbeschule sind
im neuen Gebäude des Kunstgewerbe-Museums in der Königgrätzer-
straße, welches am 21. November 1881 feierlich erölfnet wurde, entspre-
chende Räume zugewiesen und ist die Zahl ihrer Zöglinge mit Hinzu-
rechnung der Frequentanten der Abend- und Sonntagscurse im Schuljahre
188of81 bereits auf 460 gestiegen.
Aber auch das Kunstgewerbe-Museum konnte mit Genugthuung auf
die überraschende Thätigkeit hinweisen, die aus schwachen Anfängen am
Ende der Sechziger Jahre sich entwickelt hat. Das rege Interesse für die
Bestrebungen des neuen Kunstgewerbe-Museums rnanifestirt sich am
besten in dem überaus regen Besuch der Anstalt, indem während der
ersten drei Monate seit der Erölfnung mehr als 60.000 Personen das
Tourniquet passirten. Auch die eifrige Benützung der Vorbilder Seitens
der Künstler und Gewerbetreibenden lässt erkennen, dass in den An-
schauungen, Bestrebungen und Bedürfnissen der gebildeten Stände Deutsch-
lands die Förderung der deutschen Kunstgewerbe einen hervorragenden
Platz errungen hat. Dies wird auch bestätigt durch die mit jedem Jahre
in Geschmack und Technik fortschreitenden Leistungen auf allen Gebieten
des Gewerbes, wo eine künstlerische Veredlung möglich ist. Die Zahl der
Industriellen Deutschlands, welche in dieser Richtung arbeitet, wird
immer größer, der Wetteifer unter den Kunstgewerben tritt immer mehr
in den Vordergrund.
Neben der Aufzählung der Fortschritte in verschiedenen Zweigen
des Kunstgewerbes sagt der Bericht in seiner Einleitung von der Br unze-
industrie in Berlin, dass dieselbe eine höchsrachtenswerthe Menge von
Werkstätten umfasst, aus welchen Werke von tüchtiger, charaktervoller
Gestaltung und sinnigef, zierlicher und graziöser Composition hervor-
gehen, und fügt bei, dass in stylvoller und künstlerischer Behandlung
metallener Beleuchtungsgegenstände und in Kunstwerken aus Schmiede-
eisen im Deutschen Reiche Berlin unübertroffen dastehen dürfte.
An anderer Stelle, wo die Bronze-Kunstindustrie speciell behandelt
wird, heißt es, dass es sehr erfreulich ist, dass durch den Eifer und die
Rührigkeit der Berliner Bronze-Industriellen, durch die Freude, welche sie
selbst an ihren von selbständigem Geschmack zeugenden Schöpfungen
haben, sowie durch die zunehmende Zahl kunstgebildeter Kräfte mit jedem
Jahre weitere Fortschritte zu sehen sind. Es wird aber dennoch darüber
geklagt, dass der Mittelstand seine Söhne zu viel dem Kaufmannsstande
und zu wenig dem Handwerkerstande zuführt, dass dem letzteren zum
Theile die so nöthige Intelligenz fehle, und dass in der Erziehung der
jungen Handwerker unsere Zeit gar zu viel vermissen lasse, sowie dass
die Zahl der unbrauchbaren Gehilfen eine übergroße sei.
Auch die kaufmännische Seite des Geschäftes bietet noch erhebliche
Hindernisse, da ein eigentliches Exportgeschäft für Bronzen in Berlin nicht
existirt und der Kaufmann für den ausländischen Käufer nur als Ver-
mittler gegen Provision auftritt. Es wird ferner hervorgehoben, dass ganz
besonders diejenigen Werkstätten, welche dem Verlangen des Publicums
nach guten, geschmackvollen und mustergiltigen Gegenständen Rechnung
tragen konnten, mit Aufträgen vollauf versehen waren. Diese Aufträge
waren theils vom lnlande gegeben, theils beschäftigten Exportaufträge
nicht unwesentlich die Ateliers. An den vom lnlande gegebenen Auf-
trägen participirt Berlin in hervorragender Weise und zwar durch die in
Hier hat der Berliner Bericht wohl Herrn Puls im Auge; aber wir müssen
bemerken, dass, so vortrefflich die Arbeiten von Puls sind, derselbe in Berlin ziemlich
vereinsamt steht. In Wlen sind die Arbeiten von Milde, Wilhelm, Gillar und Biro
weit bedeutender als jene von Puls. Dazu kommen noch die jungen Kräfte, die in Berlin
fehlen, wie die Herren Toman, Wörer, Hoyer, Zameönik, die auf der heurigen
WeihnachtseAusstellung bedeutsam hervorrraten. Ueber die Fortschritte der österreichi-
schen Bronzevlndustrie, wie sich dieselben auf der Weihnachls-Ausslellung zeigten,
werden wir in den lMittheilungenu ausführlich zu sprechen kommen.
Fortsequvzg auf der Beilage.
Beilage zu Nr. 208
der
Mittheilungen des k. k. Oesterreieh. Museums."
den letzten Jahren von jüngeren Kräften etablirten Geschäfte, während
die in älteren Händen befindlichen Geschäfte noch eine ausgesprochene
Neigung für fremdländisches, speciell Pariser Fabricat haben, und von
dort ihren Bedarf decken. Da nun aber das kaufende Publicum der eigen-
thümlich deutschen Geschmacksrichtung ob bewusst oder unbewusst
mehr huldigencl die neueren kunstgewerblichen inländischen, speciell
Berliner Erzeugnisse sucht und kauft, so haben diese jüngeren Geschäfte
einen Aufschwung genommen, während die älteren zurückgehen.
Der Export für Kunstguss und Bronzegegenstände hat
im Jahre 188i sich recht lebhaft gestaltet, wobei die Berliner Bronzen
ihres eigenthümlichen Charakters wegen auf dem Weltmarkt schnell Lieb-
haber und Käufer gefunden haben. Es wird in dem Bericht dankend an-
erkannt, dass die Ausschmückung der Ruhmeshalle mit Ornamenten aus
echter Bronze Gelegenheit gegeben hat, die Leistungsfähigkeit der Ber-
liner Bronze-lndustrie auch für Bauornamente zu zeigen. Das Geschäft in
Bronze-Emailwaaren konnte sich, wie der Bericht constatirt, noch nicht
so recht entwickeln, weil Frankreich in diesem Zweige doch noch zu
sehr überlegen ist.
Es kann nur ernstlich gernissbilligt werden, heißt es weiter, wenn
sich neben der durch die Bemühungen des verewigten Ravene und
Sussmann-Hellborns in Berlin eingeführten edlen Industrie ein Fabricat
in hiesige Kreise zu drängen sucht, welches nur das Prädicat vbillig und
scblechti- verdient. Das kaum erwachte Verständniss des großen Publi-
cums durch scheinbar billige Waare wieder auffalsche Bahnen zu lenken,
ist sicher kein Verdienst.
ln Bezug auf verwandte Industriezweige, namentlich der Gold- und
Silberwaarenfabrication und der Juwelen, sagt der Bericht, dass eine
Besserung der geschäftlichen Verhältnisse im Jahre x88 nicht eingetreten
sei, obwohl es an Bemühungen der Berliner Gold- und Silberschmiede
durch Schaffung neuer mustergiltiger Erzeugnisse nicht gefehlt hat. Trotz
der nicht unbedeutenden Fortschritte auf diesem Gebiete hat die Kauf-
lust des Publicums keineswegs zugenommen, da noch immer das Ver-
langen vorherrscht, möglichst reich ausgestattete Gegenstände um billigen
Preis zu erwerben. Um hierin das Möglichste zu erreichen und zugleich
der Solidität der Waare Rechnung zu tragen, ist in der Production styl-
voller Schmuckgegenstände in theiiweise oxydirtem Silber unter Verwen-
dung von Halbedelsteinen und Emailen Bedeutendes geleistet worden.
Der Export an Schmucksachen ist nur unbedeutend. Hervorgehoben
IX. ßa. isss. 23
wird, dass imitirte Brillantschmucksachen, d. h. imitirte Brillanten in echter
Fassung, nach den besten Mustern von einem Berliner Geschäfte aus-
geführt, bedeutender Nachfrage sowohl in Berlin als auch in ganz Deutsch-
land begegnet sind und den gleichartigen französischen Waaren vorge-
zogen wurden.
Ein leiser Tadel macht sich in dem Bericht über das Bestreben
geltend, die Industrie in neuerer Zeit durch Veranstaltung von nku nst-
gewerblichen Lot teriem fördern zu wollen. Solche Lotterien dürften
wohl selten das gewünschte Resultat ergeben, denn in vielen Fällen wird
das Geschäft des Lieferanten kein glänzendes genannt werden können.
Andererseits ist es häufig der Fall, dass Gewinner in den Besitz von
Gegenständen gelangen, welche ihren Verhältnissen durchaus nicht ent-
sprechen; der volle und nöthige Absatz der Lose war in mehreren Fällen
nicht zu erreichen.
Interessant ist, was derselbe Bericht vom Jahre 1880 verglei-
chend über die Berliner und Wiener Bronze-Arbeiten sagt.
Halte man unsere Fabrication, so heißt es, gegen die Wiener Arbeiten,
so können wir, was Sauberkeit und Eleganz anbelangt, von den Wienern
nur lernen, aber nur, soweit sich dies auf die bloße Technik bezieht. Die
hiesigen Arbeiten hätten außer dem künstlerischen auch noch den Vorzug
der Solidität vor den Wiener Bronzen. Die französische, resp. die Pariser
Fabrication sei in den billigen Gegenständen geradezu schlecht und un-
solide; die guten Sachen seien sehr theuer, dann aber auch sehr gut
gearbeitet; eine gute solide Mittelwaare, wie sie jetzt Berlin liefere und
welche im Verhältnisse zur aufgewendeten Arbeit sehr billig genannt
werden könne, sei in Paris nicht zu finden, daher in dieser Beziehung
Berlin leistungsfähiger als Paris wäre. Es werden auf Grund der reich-
lichen Aufträge, welche das Jahr 1880 der Berliner Bronze-Industrie ge-
bracht, dieiFabrikanten beruhigt, welche darüber Klage führen, dass, um
die Kauflust rege zu erhalten, die Beschadung immer neuer Modelle und
sorgfältige künstlerische Ausführung nöthig sei, und darauf hingewiesen,
dass für eine neu aufblühende Industrie der Fabrikant Opfer bringen und
Ausdauer an den Tag legen müsse; der Berliner Industrie werde es bei
den für sie verfügbaren künstlerischen und handwerklichen Fähigkeiten
gelingen, sich neben Wien und Paris um den Weltmarkt zu bewerben.-
Wir werden vielleicht im nächsten Jahre aus Anlass der historischen
Bronze-Ausstellung des Museums Veranlassung haben, die Bewegung der
Bronze-Industrie in Frankreich und in Deutschland eingehender zu würdigen.
R. v. E.
Die Kunst in Russland und die Moskauer Ausstellungü.
Außerhalb Russlands ist die Geschichte der russischen Kunst sehr
wenig bekannt. Es ist daher nicht ohne Interesse, hier einen kurzen Ab-
riss derselben zu geben, bevor wir von der großen Kunst- und Industrie-
Ausstellung zu Moskau sprechen, welche ja einen Ueberblick über den
Fortschritt von Kunst und Industrie in Russland während des Viertel-
jahrhunderts 1855-1880 geben sollte, das die Herrschaft des Kaisers
Alexander II. darstellt. Wenn wir alle Denkmale altrussischer Kunst, be-
ginnend mit dem X. und endigend mit dem XVII. Jahrhundert, über-
schauen, so werden wir allenthalben in den Formen wie in der Verzie-
rung die Spuren einer besonderen Originalität finden, ungeachtet der
Einflüsse der fremden Meister der Byzantiner im XI., der Italiener im
XV. und der Holländer im XVII. Jahrhundert. Bloß im XVIII. Jahrhun-
dert, nach der Berufung vieler französischer Künstler durch Peter I. und
Katharina II., und nach der Absendung junger russischer Künstler, der
Zöglinge der Akademie zu Petersburg nach Frankreich, gehorchte die
russische Kunst ganz und gar den fremden Einflüssen. Dies dauert bis
in die Mitte des XIX. Jahrhunderts; nach dem Krimkriege beginnt das
nationale Gefühl neuerdings in der russischen Gesellschaft zu erwachen
und gleichzeitig kann man in der Kunst eine realistische Richtung be-
merken. In der Literatur sieht man viel früher, mit dem Erscheinen des
Dramaturgen Priboiedoff, der Dichter Puschkin und Lerrnontolf, des
Fabulisten Kryloff, des Romanschreibers Gogol, eine ähnliche Wendung
eintreten; auf dem Gebiete der bildenden Kunst vollzieht sich dieselbe
erst zwanzig bis dreißig Jahre später.
Als letzter Repräsentant der classischen Richtung in der russi-
schen Kunst ist Karl Brulloff anzusehen, der Schöpfer des berühmten
Bildes Pompejfs letzter Tag 1833. Unter seinen Schülern zeigten
einige mehr Selbständigkeit, wie z. B. Moller in seinen Werken der
Kuss, eine Braut, Russalka 1842. BrullofFs Zeitgenosse, Alexander
Ivanoff, welcher sein Leben lang in Italien blieb, um ein einziges Bild
w-Christi Darstellung vor dem Volkes zu malen und biblische Skizzen zu
entwerfen, in denen er besonders historische Genauigkeit anstrebte, er fand
bereits, dass die russische Kunst in eine neue Phase eintreten müsse, aber
er selbst hatte keine andere Neigung als für biblische Stoffe.
Man hält allgemein für den Vater der neuen russischen Malerschule
den Genremaler Venetzianoff. Nachdem dieser in der kaiserlichen
Eremitage das Bild von Granet gesehen hatte, begann er die Vorwürfe
für seine Gemälde aus dem Leben der Landleute zu wählen und beson-
ders sorgfältig die Natur zu studiren nDas Innere des KapuzinerklüSfßrs
in Romu 1818. Venetzianoff hatte eine stattliche Schaar von Schülern
Uebersetzt aus dem soeben erschienenen Werke F.-G. Dumas, Annuaire
illustre des Beaux-Arts, 1882.
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um sich. welche seinem Beispiele folgten. Aber all' diesen Künstlern
fehlte noch jene Sorgfalt der Naturbeobachtung. jenes Streben nach Aus-
druck und der Humor, welche die heutige realistische Schule Russlands
in so hohem Maße auszeichnen.
Als Venetzianoff im Jahre 1820 sein erstes Bild nach der Natur
"eine Scheunen, malte, fühlte er selbst, wie wir aus seinen Memoiren
entnehmen, dass ihm das Streben nach Empfindung bei dieser Arbeit sehr
hemmend war. Mit mehr Recht könnte man als den Begründer der neuen
russischen Schule den Maler Fedotoff nehmen, welcher unter dem Ein-
ilusse des berühmten Fabulisten Kryloff Sittenbilder seiner Zeitgenossen
zu malen begann und im Jahre 1849 drei Genrebilder ausstellte Ein
Ritter empfängt die lnsignien eines Ordens; die Brautschau eines Majors;
ein junges Mädchen unschlüssig in der Wahl eines Bräutigams.
ln der That. die nationale und naturalistische Richtung in der rus-
sischen Kunst entwickelt sich vor Allem bei den Zöglingen der Maler- und
Bildhauerschule in Moskau. Dort erscheint noch, gegen t84o, eine ganze
Plejade junger Genre- und Landschaftsmaler, welche ausschließlich nationale
Stoffe behandeln, wie "der Ostersonntag in einer russischen Familieu; "der
Segensspruch für die Heiraty "der Bericht eines Kriegers in die Heimat-i.
Von dort gehen mehrere Maler hervor, welche eine mehr minder bedeut-
same Rolle in der russischen Kunst nach 1855 spielen Peroff, Puki-
reff, Nevreff. Pribkoff, Ratchkoff, Prianischnikoff, V. Ma-
kovski, Savrassof, Kameneff u. a. Fast zur selben Zeit erscheinen
auch unter den Zöglingen der Kunstakademie von Petersburg Realisten.
Die einen behandeln Stoffe aus dem modernen Leben, und unter diesen
waren hervorzuheben Tschernyscheff, die zwei Brüder P. und A. iz-
zoni. A. Popoff, Baron M. P. Klodt, A. Volkoff, Trutovski,
J. Sokoloff, Jakoby, N. Petroff, Miassojedoff, Morozoff. Kor-
zukin, Koscheleff, Juravleff, Sedoff, Pelevin, Lemoch, Maxi-
moff, Repin, Savicki. Vasnetsolf, B. V. Vereschagin, Demi-
trieff, gen. von Orenburg, C. Makovski etc. Andere dagegen malen
Scenen aus dem Leben der Vergangenheit, und da seien unter andern
Schwarz, Litovtschenko, Gue, Surikoff genannt. Auch Bildniss-
maler treten auf, wie Koehler, Kramsltoi, und Maler russischer Land-
schaften, wie der Baron M. P. Klodt. Mestscherski, Schischkin,
Vassilieff, Volkoff, Orlovski, Kujindschi und Klever.
Eine ganz neue Bewegung beginnt gegen 1863 unter den russischen
Künstlern. Damals geschah es, dass Peroff, als Stipendist der Akademie
nachlFrankreich geschickt, um die Erlaubniss bittet, vor der bestimmten
Zeit nach Russland zurückkehren zu dürfen; er fühlte sich unfähig, Stoffe
aus dem Leben eines fremden Volkes zu behandeln, und zog es vor, die
Sitten seines Geburtslandcs zu studiren. Mehrere Schüler der Akademie
Krarnskoi. Lemoch, Litovtschenko, C. Makovski, S. GrigarieH, Dmitrieff
aus Orenburg, Juravlelf, Korzultin, Morozofl", PerkoH, Schustofl", B. Wenig,
JUIJ
Kreytan weigern sich zur selben Zeit, die von ihren Professoren zur Er-
langung der großen goldenen Medaille gestellten Aufgaben auszuführen,
weil deren Gegenstand ihrer Natur fremd sei. Diese Widerspenstigen ver-
lassen die. Akademie und bilden eine freie Genossenschaft. im Jahre 187i
organisiren einige derselben eine Ausstellungs-Gesellschaft mit dem Zwecke,
ihre'Werke nicht blos den Bewohnern der Hauptstadt, sondern auch
draußen in den Provinzen zu zeigen. Die Idee dieser Gesellschaft gehört
dem Maler Miassojedoff. welcher, als Pensionär der Akademie aus
Spanien zurückgekehrt, sein Project zuerst den Mitgliedern der Genossen-
schaft und hierauf einigen Malern von Moskau, dem Peroff, Prianisch-
nikoff, Savrassoff, Kameneff auseinandersetzte. Heute zählt diese
Gesellschaft bereits dreißig Mitglieder, unter welchen sich die angesehen-
sten Künstler befinden. Dieselbe hat bereits zehn Jahresausstellungen ver-
anstaltet, und ihre Werke wanderten durch alle großen Städte Russlands.
Später 1876 haben die Künstler, welche der Akademie angehören, auch
eine Kunstausstellungs-Gesellschaft organisirt. Dieselbe hat zweimal so
viel Mitglieder als die andere, aber sie sind frei und wechseln häufig;
auch waren die sechs Ausstellungen der neuen Gesellschaft nicht so reich
an nationalen Sujets wie jene der alten, und sind es vorwiegend Land-
schaften, welche die Aufmerksamkeit hier in Anspruch nahmen.
Nur wenige Künstler bleiben außerhalb dieser beiden Gesellschaften.
Da ist an erster Stelle B. V. Vereschagin zu setzen, bekannt genug
durch seine Bilder aus dem Kriege von Taschkent 1867-1868 und
jenem von Bulgarien 1877-1878, sowie durch die glänzenden Skizzen,
welche er aus lndien heimbrachte. Er allein hat eine ganze Umwälzung
in den Anschauungen zu Stande gebracht, denn Niemand vor ihm be-
handelte Kriegsbilder mit solcher Wahrheit und solcher Empfindung;
überdies verfügt Niemand über eine gleiche Raschheit in der Ausführung.
Eine Specialausstellung seiner Werke macht ja eben die Runde durch
Europa und erregt überall große Bewunderung.
Anders waren die Verhältnisse für die Sculptur. Nach Pimenoff
und Baron P. Klodt, welche sich gleichfalls als realistische Bildhauer
bemerkbar machten, und deren erster gegen 1855 die Denkmäler auf
Ktiloü" und Nikolaus I. schuf, begegnen wir ureiters keinem Bildhauer
dieser Art vor Antokolski, welcher vor zehn Jahren mit wlwan dem
Schfgckljchenn und "Peter Lu hervortrat. Es ist wahr, dass in der Zui-
schenzeit der Maler Mikeschin das Denkmal des tausendjährigen Be-
standes Russlands 1862 und jenes der Katharina II. 1873 entwarf;
aber diese Leistungen stellen eigentlich eine Collectivarbeit vor. Denn
Mikeschin ist eben nicht selbst Bildhauer, und andere Künstler Tschi-
joff, Opekuschin u. a. haben die Monumente nach seinen Zeichnungen
ausgeführt. An den Werken der neuen russischen Bildhauer. eines Ka-
menski, Tschijoff, Popoff, Laveretzi, welche Scenen des modernen
Lebens behandelten, nimmt man bedeutend weniger Realismus wahr, als
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in den gleichartigen Schöpfungen der neuen Maler; bei jenen herrschen
noch die akademischen Traditionen vor. Daneben erstand allerdings eine
eigene Schule von Bildhauern, welche in Wachs und in Bronze kleine
Gruppen von Menschen und Thiergestalten mit großer Realität bildeten
das ist Lieberich, von Wahl, Menert, Lanceray, Ober, Posen,
Schokhin etc.
Noch später wird auch eine nationale Architektur geboren. Der
Künstler, welchen man bisher als den Vater dieser Architektur betrachtete,
C. Thon, hat jedoch seine Kircheniblos im byzantinischen Style gebaut.
Wahrhaft nationale Empfindung beginnt erst mit dem Auftreten der bei-
den Gornostajeff Oheim und Nelfe, der Rezanoff und Grimm,
der Schröter und Huhn, Hartmann und Ropett, Bogomoloff
und Wallberch. Die übrigen tüchtigen Architekten der letzten fünfund-
zwanzig Jahre Beine und Benois, Bernhardt, Bohnstedt, Kra-
kau und Rachau haben Bauten in fremden Stylen aufgeführt.
Mit der Wiedergeburt der nationalen Kunst in Russland fällt auch
die Bildung mehrerer Privatsammlungen, ausschließlich den Schöpfungen
der neuen russischen Schule gewidmet, zusammen; wie jene von Sol-
datenkoff und von Tretjakoff, entstanden diese Sammlungen sämmt-
lich in Moskau. Die öffentlichen Sammlungen, wie jene der kaiserlichen
Eremitage, des Nationalmuseums in Moskau die ehemalige Sammlung
Prianischnikolf der Petersburger Kunstakademie blieben dagegen zumeist
den Werken der altrussischen Schule geweiht. Mehrere diesen Sammlungen
entlehnte Werke erschienen auf den Weltausstellungen von London 1862,
Paris 1867 und 1878 und Wien'i873.
In diesem Jahre gab es nun außer den Jahresausstellungen der bei-
den Künstlergesellschaften und Specialausstellung von einzelnen Künstlern,
wie Aivazowski, Klever, Sudkowski, Kujindschi, Sukhorovski
eine große nationale Ausstellung zu Moskau. Leider konnte dieselbe kein
vollständiges Bild von der Entwicklung der nationalen russischen Kunst
während der letzten fünfundzwanzig Jahre liefern, weil sich einige Sammler
geweigert hatten, ihnen gehörige Werke der Ausstellung zu überlassen.
Daher vermisste man den größeren Theil der Arbeiten, welche auf den
Ausstellungen der letzten zehn Jahre erschienen waren, und doch hätten
gerade diese Arbeiten die Fortschritte der neuen Schule charakterisiren sollen.
Am besten vertreten waren noch die Maler der religiösen StoEe,
wie lwanoff, B. V. Vereschagin, Botkin; die Maler der fremden
Vorwürfe aus dem französischen, italienischen, speciell römischen Leben
Huhn, Bronnikoff, Siemiradski; die Schlachtenmaler Willewald,
Kotzebue, Kovalevski; die Landschaftsmaler Aivazowski, Bogo-
luboff, Sudkovski, Klever; die Porträtmaler Koehler, C. Ma-V
kovski; die Bildhauer Antokolski, Lanceray, Bock, Laveretzi,
Podozeroff und M. Popoff; die Kupferstecher Jordan und Poia-
lostin, und die Radierer V. Bobroff und Dmitrieff, gen. aus dem
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Kaukasus. Dann folgten die Architekten und schließlich die fmnländi-
sehen Künstler.
Aber viele nationale Künstler, besonders die Genremaler waren mehr
oder minder unvollkommen vertreten.
lm Allgemeinen war die diesjährige große Ausstellung zu Moskau
sehr reich an Gemälden, Sculpturen und architektonischen Zeichnungen.
Da ich einen illustrirten Katalog dieser Ausstellung in französischer und
russischer Sprache veröffentlicht habe, in welchem jene, welche sich für
die russische Kunst interessiren, ausführlichere Nachweise finden können,
glaubte ich hier die Aufzählungen der bedeutendsten Werke dieser Aus-
stellung unterlassen zu dürfen. N. Sobko.
Vorlesungen im Museum.
Bezüglich des am 23. November von Hofrath v. lnama Sternegg über nN atio
hthu gehaltenen Vortrages entschlagen wir uns eines kurzen Referates und ge-
denken in unserer nächsten Nummer einen detaillirteren Auszug aus dem Vortrage zu bringen.
Es ist wohl nicht unrichtig und wird Niemanden verletzen, Wenn wir es aussprechen,
dass sich das Hauptinteresse unter sammtlichen Vortragen des diesjährigen Cyclus auf
denjenigen concentrirte, welchen Universitätsprofessor Dr. Benndorf am 3a. November
vuber die osterreichische archäologische Expedition nach Lykiens hielt.
Der Vorlesesaal war fast überfüllt und hatten sich diesmal Spitzen der Aristokratie und
der Künstlerkreise, Universitätsprofessoren und Reichstsgsabgeordnete in großer Zahl ein-
gefunden. Das Kaiserhaus war durch den Protector des Museums, Se. kais. Hoheit Erz-
herzog Rainer vertreten. Sie alle waren gekommen, mit Stolz und patriotischer Befriedi-
gung zu hören und der Erfolge sich zu freuen, welche dem Kunstsinn einiger unserer
Mitbürger zu danken sind, sowie es andererseits Professor Benndorf wohl Bedürfniss sein
mochte, zum ersten Male öffentlich über die von ihm geleitete kunstwissenschaftliche
Expedition Bericht zu erstatten. Und er that dies in bewundernswerth selbstloser Weise,
stets nur die Verdienste der Anderen hervorhebend und Allen namentlich dankend, welche
die Unternehmung überhaupt ermöglicht und dann zur gelungenen Durchführung der-
selben beigetragen haben. Nur ein einziges Mal sprach er von sich selbst, als ihn die
begeisterte Rede fortriss zur Schilderung der Empfindungen, mit welchen er dem noch
nicht gekannten, nur halb geahnten Ziele nahe, allen Theilnehmern der Expedition voran-
eilte, auf ungebahntem Gebirgswege, über Stock und Stein, durch Gestrüpp, schließlich
über eine Umfassungsmsuer kletternd, nun als der erste den unbeschreiblichen Eindruck
des Kunstwerkes genießen konnte, welchem die ganze Forschungsfahrt galt. Dieselbe
schloss sich in würdigster Weise ienen von anderen Staaten bereits ausgegangenen Expe-
ditionen der neuesten Zeit an, welche nicht mehr in förmlichem Raubbau, blos von so?
genanntem Gcschmacke geleitet, antike, schon zu nennende Kunstwerke aufsuchen wollen,
sondern wissenschaftlich vorgehend durch ihre Forschungen die Lücken auszufüllen
trachten, welche uns noch von dem vollen Besitz des Erbes der Vergangenheit trennen,
und von diesem historischen und wissenschaftlichen Gesichtspunkte aus unbekümmert
sind, ob die gefundenen Objecte den Schonheitsanschauungen der größeren Menge gefallen
oder nicht. Die österreichische Expedition der Jahre 1873 und 75 nach Samothrake unter
Conze's Leitung gehörte bereits in die Reihe dieser streng wissenschaftlichen Unter-
nehmungen Diesmal war Vorderasien in Absicht genommen und speciell jener der lnsel
Rhodos gegenüberliegende Theil, Lykien, über welches bereits in den Dreißiger und
Anfangs der Vierziger Jahre der Engländer Fellow und nach diesem der deutsche Gym-
nnsialprofessor Schonborn interessante Notizen verößentlicht hatten. Speciell die Angaben
des Letzteren schienen dem Professor Benndorf weiterer Verfolging werth, und im Früh-
ling x88 war ihm von Seite der Regierung eine Recognoscirungsfahrt nach jenen Gegenden
ermoglicht worden. Damals waren blos Dr. Fel. von Luschan, der Architekt Niemann
und der Hofphotogrsph Burger seine Begleiter gewesen. Zur Beschaifung der Kosten
für Durchführung der Forschungen in Lykien und zur Bergung der auf der Höhe von
Gjolbaschy gefundenen plastischen Zier eines großartigen Grabdenkmals hatte sich in Wien
eine iiGesellschaft für archäologische Erforschung Kleinasiensa gebildet. Es sind lauter
edle Namen darunter, in dem Sinne bekannt, dass sie überall wieder zu finden, wo es
sich um Forderung echt humaner, wissenschaftlicher oder künstlerischer Zwecke handelt.
Anl der Spitze Se. kais. Hoheit Erzherzog Rainer und Se. Durchlaucht der regierende
Fürst Liechtenstein; ferner Nicolaus Dumba, Dr. Heinr. Drasche von Wartin-
berg, Carl Graf Lanckoronski, Adalbert Ritter v. Lanna Prag, Mark. Freiherr
von Morpurgo Triest, Friedrich Freiherr v. Leitenbcrger, Karl Freising. Albert
und Nnthanicl Freiherr v. Rothschild, Julius Freiherr v. Schwarz, Edmund Graf
Zichy. Baron Andreann, Professor Benndorf, Regierungsrath Bruno Bücher,
Hofrath R. von Eitelberger, Holrath Hochstetter, Professor Kundtmann, Baron
Warsberg und Professor Zumbusch. An der diesjährigen Reise nahmen außer den
obengenannten Genossen der vorjahrigen Fahrt folgende Herren Theil Professor Petersen
Praßli Ingenieur v. Knaffl, Dr. Robert Schneider, Custosadjunct der Kunstsamm-
lungen des a. h. Kaiserhauses, Dr. Emil Tietze, Beamter der k. k. geologischen Reichs-
anstalt, und die beiden jungen Archäologen lJr. Emanuel Loewy und Franz Studnitzka.
Vom Kriegsministerium wurde der Raddampfer -Taurus-, außerdem ein Unterofficier und
vier Soldaten der Gentetruppe zur Verfügung gestellt, so dass mit eilf in Triest gewor-
benen Arbeitern, türkischen Zaptiehs und Dolmetschen, die archäologische Colonie auf
Gjülbaschy dreißig Kopfe zahlte.
Professor Benndorf konnte sein Vergnügen daran haben, mit welchem Interesse die
Anwesenden weit über die gewohnte Zeit lauschten, als er in freier Rede die Geschichte
der Expedition von ihrem Anfang im Monate April mit eingehendstem Detail entrollte,
all die Mühsal in Folge großer Hitze, Wassermangels, mehrere Stunden weiter Entfernung
einer großeren Ortschaft, die Schwierigkeit der Herstellung einer 17 Kilometer langen
Straße mit Steigung über aooo Fuß zur Beförderung der sculpirten Blöcke von der Hohe
über io Serpentinen hinab in das Thal und dann zum Meere, bis endlich die 167 Kisten
mit ihrer kostbaren Last von ttoo Centner durch einen Lloyddampfer und hierauf ebenso
unentgeltlich durch die Südbahn nach Wien gebracht waren. Hier wurden die Sculpturen
gleich im neuen kunsthistorischen Museum deponirt, dessen Schmuck dieselben einst bilden
werden, da sie von der rGesellschaftn als Widmung für Se Majestät den Kaiser bestimmt
wurden. Nach der Geschichte der Expedition ging der Vortragende auf die Beschreibung
und Erklarung der heimgebrachten Bildwerke über, welche ursprünglich die Vorderseite
und die inneren Flächen der Umfassungsmauern eines Grabmals in einer Ausdehnung von
108 Meter lll doppeltem Friesstreifen zierten. ln durchaus einfacher, jedes Effecthaschens
baarer Weite schilderte er den lnhalt und den hohen kunstgeschichtlichen Werth der
Reliefs, welche wohl ungleichmäßig in der Ausführung. denn doch der guten griechischen
Kunstzeit angehören. ja unter unleugbarern EinHusse des Parthenonfrieses gearbeitet sind.
Die Belagerung einer Stadt, eine außerordentlich gut componirte Meleagerjagd, die hoch-
bedeutsame Darstellung des Freiermordes und ein prächtiges Viergespann waren zur lllu-
strirung des Gesprochenen bereits in Gypsabformung im Saale aufgestellt. Nach alledem
war es selbstverständlich, dass die Versammlung am Schlusse des Vortrages dem Pro-
fessor Benndorf, als dem Leiter der so erfolgreichen Expedition, durch begeisterten Beifall
ihren Dank zollte.
Der lnhalt des Vortrages welchen Herr Assistent an der Akademie der
bildenden Künste, am 7. December vUeber die Entwicklung des Ra umes in der
uku nsta hielt, lasst sich im Folgenden zusammenfassen
Die Herstellung geschlossener überdeckter Raume ist durch die technischen Kennt-
nisse wie durch die vorhandenen Mittel beschrankt, aber zu allen Zeiten ging das Be-
streben der Baukünstler darauf aus, einerseits im Raum nur möglichst wenige und mog-
lichst schlanke Stützen aufzustellen, anderseits die Decke möglichst elernentarsicher
auszuführen. Diese beiden einander entgegenstehenden Tendenzen bilden die Momente,
die der Entwicklung der Raumesentfaltung zu Grunde liegen, indem im Lauf der Jahr-
hunderte eine Vermittlung zwischen denselben angestrebt wird. Der Raum bedingt auch
die attßere Erscheinung des Baues, er ist die Seele des Gebäudes, gleichzeitig aber wie
diese im Körper abhaugig von dem constructiven Organismus.
Wie die Architektur nach zwei Richtungen sich bethätigt, einer praktischen, die
an der Erde und ihren Bedürfnissen hangt, und einer idealen, rein künstlerischen, so
offenbart sich diese Zweitheilung auch im Raume, dessen Grundiiache dem Zwecke ent-
spricht, wahrend die Hohe weit über die menschlichen Erfordernisse hinausgeht. Sie ist
es, welche auf die Seele des Menschen wirkt, die Stimmung des Raumes hervorruft.
Der Vortragende wies nun an einer Reihe von Grundplanen der hervorragendsten
Bauten, die alle im gleichen Maßstab von nat. Größe gezeichnet sind, nach, wie sich
allmahlig das Gefühl für den großem, freiern Raum entwickelte; wie bei den Aegyp-
309
tern und Persern noch die Saulen gleichmäßig im Raum vertheilt waren, und wie von
den Griechen an das lnterieur sich in ein breiteres Mittelschiff und schmalere Seiten-
schiffe gliedert.
Diese Theilung wird in allen folgenden Stylen durchgeführt, nur immer erweitert
und vergrößert, zunachst in den römischen und altchristlichen Basiliken. wo aber die
hölzerne Decke die Dauerhaftigkeit des Baues schadigt. Darum fand das Gewölbe immer
ausgedehnter Verwendung. Es wird dessen Einfluss auf die Gliederung des Raumes darv
gestellt und die Entwicklung an den römischen Thermen, am Pantheon, der Sophien-
kirche und Markuskirche nachgewiesen. Die Verbindung der Gewölbe mit jenen altchrist-
liehen Basiliken, die aus den eminent praktischen Gründen der Sicherung des Baues er,
folgte, führt zum romanischen Styl, dessen machtige Pfeilermassen aber unwiderstehlich
zur Gothik dringen, in der endlich der günstigste Ausgleich gefunden war, zwischen
möglichst freier und durchsichtiger Raumesgestaltung, elementarsicherer Decke und mögr
lichster Oekonomie des Aufwandes.
Mit der Gothik war die Steintechnik am Ende ihrer Entwicklung angelangt es trat
die Renaissance ein, an deren Anfang der bedeutendste Raum aller Zeiten in der Peters-
kirche erstand. Ein Rückblick auf die Raumesentwticklung zeigt uns zwei nebeneinander-
laufende Processe Der erste geht vom Nilthal aus und schließt mit dem Kölner Dorn;
ihm liegt die Steinarchitektur zu Grunde, sowie der EinHuss bescheidener Mittel
und des nordischen Klimafs; der andere Process beginnt in der Ebene des Euphrat und
Tigris und endigt mit der Peterskirche; dieser entwickelt sich aus dem Thone, der
Backsteinarchitektur; er ist an den glanzendsten Hofen der Welt großgezogen,
unter beständigem Ueberßuss und unter dem herrlichsten Klima Jener entwickelt die
Form, dieser den Raum.
Der Vortragende wirft noch einen Blick auf die Gegenwart, in deren chaotischen
Kunstbegrilfen er ein Uebergangsstadium erkennt. Dieses wird hervorgerufen durch
das Auftreten eines neuen Materials. des Eisens, des an allen Traditionen der Vergangen-
heit rüttelt. Doch kann dasselbe in der Monumental-Baukunst vorlauhg nur verhüllt
Anwendung finden, zur Erweiterung und Vergrößerung der Raume, die es zugleich mit
elementarsicherer Decke versieht, die Architektur selbst muss sich aber an die alte
überlieferte Steinarchitektur anlehnen, um so eher, als das Bedurfniss nach etwas Neuem
nicht vorhanden ist. Nur auf diesem Wege, den auch die neuen Monumentalbauten
Wiens betreten haben, ist ein Fortschreiten der Bautechnik möglich, ohne dass die
Kunst darunter leidet.
Auch dieser eminent lehrreiche Vortrag wurde von den zahlreichen Zuhörern mit
lebhaftem Beifall aufgenommen.
Literaturbericht.
Rafiray, Achille Les eglises monolithes de la ville de Lalibela Abys-
sinie. Paris, A. Morel 8c Comp., 1882. Fol.
Bei der Ueberfulle von Publicationen, welche bereits bekanntes kunsthistorisches
Material mit einigen Variationen immer wieder behandeln, kann ein Werk wie das vor-
liegende schon deshalb einen besonderen Werth für sich in Anspruch nehmen, weil es
ein bisher ganz unbekanntes Gebiet der Kunstforschung erschließt. Vor etwa zehn Jahren
war zum ersten Male in französischen Zeitschriften die Rede von einer christlichen Mo-
nolithkirehe und nun bringt uns Ralfray die Kunde und die Bilder von etwa zehn ahnlichen
Bauten, ia er verweist sogar auf die ihm zu Theil gewordene Anzeige, dass im abessynischen
Gebiete ihrer noch gegen 200 sein sollen. Die von ihm beschriebenen und gezeichneten
Kirchen befinden sich in der kleinen Priesterstadt Lalibela, die von einem Mnnche be-
herrscht in der Provinz Lasta abseits alles Verkchles liegt. Sie bilden einen um seiner
Wunderthatigkeit hochverehrten heiligen Bezirk und sind thatsaehlich ganz aus dem
Felsenblock, der mitten in einer Art Steinbruch ausgespart wurde, gemeißelt die Um-
fassungswande, die umgebenden und die im lnnern die Decke tragenden Pfeiler, die
Bogen, welche über scharf vorspringenden Kämpfern unter der lachen Decke von Pfeiler
zu Pfeiler gehen, alles aus dem lebendigen Felsen gearbeitet. An diesen Bautlieilen und
an dem Ornamente derselben, an den Thür- und Fensterötfnungen, überall zeigt sich
das bindende, eigentlich stylbildende Element des verwendeten Materiales. Witz die archi-
tektonischen Gliederungen die denkbar einfachsten, fast auf die uuabweisliche Nothwen-
digkeit beschrankten sind, so sind auch die decorativen Theile, Reliefs und Malerei die
uralten ursprünglichen Mäander, Zopfgeüecht und die simpelsten Textilmuster. Dazu
kommt nur noch das griechische Kreuz, in der dünneren Felsenwand als Fensteroffnung
3l0
ausgesehnitten, und an einem Gebäude auch schon der Kielbogen, aber alles immer scharf
und karg, an ähnliche Bildungen in Zentral-Syrien erinnernd.
Diese eigenartigen Bauten, in weichem Sandstein mit der Spitzhaue hergestellt,
dürften wohl im XII. Jahrhundert entstanden sein, wenngleich die fromme Tradition die-
selben in's V. Jahrhundert verlegen will. Ratfray nennt sich bescheiden nur einen Laien
in der Baukunst, und manche Stellen seiner Beschreibung konnten auch schärfer bezeich-
nend abgefasst sein. Nichtsdestoweniger müssen wir ihm für seine Mittheilungen dankbar
sein. Es ist also hinfort nicht mehr statthaft, von den Tempeln zu Ellora als den ein-
zigen Monolithbauten der Welt zu sprechen. Allerdings welch" hirnmelhoher Abstand
zwischen Ellora-Kailasa und Lalibela! Dort, entsprechend dem Ueberschwang der Mythen-
bildung, den Tausenden der indischen Gottergestalten eine gleichartig phantastische,
alles Mal- und Gesetz überspringende Decoration, geschaffen von einem ganzen unter iber-
reichen Tyrannenfürsten geknechteten Volke; hier kleine Grotten und kahle einfache
Bauten, geziert mit Ornamenten aus den Anfangen der Kunstentvricklung", nur bereichert
mit dem Symbol des einen Gottes, dem die monchischen Bauherren dienten.
Lamprecht, Karl Initial-Ornamentik des VIII. bis XIII. Jahrhunderts.
Vierundvierzig Steindruck-Tafeln meist nach rheinischen Handschriften
nebst erläuterndem Text. Leipzig, A. Dürr, 1882. Fol.
Nebst den Germanischen Graberfunden ist entschieden in den Initialen der Manu-
scripte ein künstlerisches Materiale gegeben, an welchem sich wie nicht 'bald anderwarts
die Entwicklung der nationalen Ornamentik durch Jahrhunderte verfolgen lässt, bis zum
Schlusse der Staufenzeit, da die Ornamentik den Körper der Initiale, welchen sie solange
geschmückt hat, verlasst und andere Entwicklungswege einschlägt. Drei Abschnitte sind
da leicht zu unterscheiden, welche sich ziemlich den Perioden der politischen Geschichte
anschließen I. Die Stammeszeit, V.-VIII. Jahrh.; ll. Karolingerzeit; III. die deutsche
Kaiserzeit bis in's XIII. Jahrhundert. In der Stammeszeit entwickelte sich die germanische
Ornamentik eigenartig und selbständig trotz Christenthum und Römerthum, welche nur
mittelbar durch die Iren und den Spatclassicismus zu den Deutschen kamen und in Folge
dessen auch keine innere Umwandlung des ornamentalen Styles herbeiführten, sondern
bloß klarend und die Entwicklung beschleunigend wirkten. Eine gründliche Veränderung,
welche sich jedoch selbstverständlich schon lange vorbereitet hatte, gelangte im X. Jahr-
hundert zur vollen Entfaltung. Damals kamen an Stelle der alten mathematisch-ornamen-
talen Elemente der Bandornamentik, aus welcher sich auch eine wenig durchgebildete
Thierornainentik ausgestaltet hatte, die Pilanzenrnotive mit immer neuen Wandlungen im
XI. und XII. Jahrhundert zur Herrschaft, welcher aber schließlich die gothische Kalli-
graphie und die Bilder-Initalen ein Ende machten.
Dies ist in Kürze der Inhalt des Textes, mit welchem der Verfasser etwa zoo Ab-
bildungen von Initialen aus rheinlandischen Handschriften erläutert. Die Gelehrsamkeit,
Gründlichkeit und die bei so minutiosem Detail noch erreichte Klarheit der Ausführungen
ist durchaus anzuerkennen und dürfte wenig Widerspruch erfahren, auch dort nicht, wo
der Verfasser von dem allgemein anerkannten Werke von Sophus Müller und von dessen
Ansichten über die Prioritat der Thierornamentik vor der Bandornarnentik abweicht.
Besonders richtig scheint uns die 'Wurdigung des Einßusses der irischen Manuscripte auf
die deutsche Ornamentik, dagegen wäre die Entwicklung der romanischen und gothischen
Baukunst, wie sie im zweiten Absatze auf pag. tg gegeben ist, wohl schwer zu beweisen.
Zur Vermeidung von Bemanglungen hatte im Titel von Lamprechfs Buch die Beschrän-
kung auf die deutsche Ornamentik mehr betont werden können. Hochst willkommen wird
den Forschern das im Anhange gegebene Verzeichniss der kunstgeschichtlich wichtigen
Handschriften des Rheinlandes vom VIII. bis XIII. Jahrhundert sein.
Williamson, E. Les meubles d'art du mobilier national. Reproduites
par les procedes de Vheliogravure en taiIle-douce de P. Dujardin.
Paris, J. Baudry, 1883. FoI.
Bisher liegt bloß die erste Lieferung I0 Tafeln dieses Werkes vor und gleich-
wohl steben wir nicht an, dasselbe bereits jetzt allen Kunstindustriellen auf's beste zu
empfehlen. Auf zoo Tafeln werden hier die etwa 6oo Barock-, Rococo- und theilweise
noch Empire-Mobel reichster Art reproducirt werden, welche als Mobilier national irn
elysaischen Palais. im Louvre, in Versailles, Trianon, Fontainebleau, Compiegne und Pau
zerstreut und erst zum geringeren Theile dem Studium zugänglich gemacht sind. Der
Ausdruck Mobel ist vom Herausgeber im weitesten Sinne gefasst, und es sind also auch
Bronzen, montirte Vasen, Luster u. dgl. darunter begriffen; Objecte der Textilbranche
werden weniger berücksichtigt werden, weil dieselben bereits von Guichard und Darcel in
ihrem uTapisseries decoratifs du Garde-Meublea treflich veröffentlicht wurden. In Vet-
bindung mit diesem Werke wird dasjenige von Williamson eine wahre Fundgrube von
Motiven für die Kunstindustrie in den erwähnten Stylfurmen bilden. Der erläuternde Text
bringt Notizen über den fruhern und den jetzigen Aufbewahrungsort des Kunstobjectes,
über den Meister, der es geschaffen, das Materiale und die Größenverhältnisse. Die Heliu-
gruvuren sind ausgezeichnet und somit ist, alles zusammengenommen, der Preis einer
Lieferung zu zo Francs immerhin ein mäßiger zu nennen.
Plafond- und Wanddecorationen des XVI. bis XIX. Jahrhunderts. Heraus-
gegeben von Eduard I-IölzePs Kunstanstalt und Bildhauer Reinhold
Völkel. Mit erltlärendem Text von Dr. Albert 11g. I. Liefg. Wien,
Hölzel, 1883. F01.
Auf dem Titelblatt sind jene Künstler aufgezählt, deren Entwürfe und Aufnahmen
in dem genannten Werke veröffentlicht werden sollen. Es ist eine stattliche Zahl und
fehlt darunter kaum einer von jenen, welche wir mit Recht und Stolz als die praktischen
Förderer, ja beziehungsweise Schöpfer der modernen Wiener Kunstinduatrie bezeichnen
können. Darum sehen wir auch mit Vergnügen und Zuversicht der Fortsetzung dieser
treillichen Publication entgegen, welche dem Bedürfnisse zahlreicher Industrieller Rech-
nung trägt und vielleicht auch ein Urtheil über die Kunstliebe unserer GeburtsA und
Geldaristokratie in Ausstattung ihrer Paläste ermöglichen wird. Doppelt willkommen
nennen wir selbstverständlich die Aufnahmen von Plafond- und Wanddecorationen der
vergangenen, bereits ausgereiften Kunstperioden. Der erklärende Text mit den historischen
Daten ist bewahrten Händen anvertraut und die Chrornolithographien aus I-lolzefs Kunst-
anstalt gehören zu den besten ihrer Art.
La vie et l'oeuvre de Jean Bologna per Abel Desjardins d'apres des
manuscrits inedits recueillis par M. Fouquet de Vagnonville.
Paris, A. Quantin, r883. F01.
Zum ersten Male werden hier die Bildwerke des berühmten flämischen Künstlers
Giovanni da Bologna in würdiger Weise publicirt und zwar ist das Werk nicht bloß
wegen seiner zahlreichen Abbildungen für Bildhauer, besonders jene, welche sich mit dem
Erzguss befassen, sehr empfehlenswerth, sondern auch für Kunstgelehrte von großer Wich!
tigkeit, da es auf archivalischen Quellen fußt und einen raisonnirenden Katalog von Bo-
lognifs Schöpfungen enthält. Da die Gemische Vaterstadt des Künstlers, Douai, im Jahre
1713 durch den Utrechter Frieden an Frankreich gefallen ist, so haben es sich die Heraus-
geber erlaubt, den Giovan da Bologna als französischen Künstler aufzufassen.
Taroltkarten mit historischen Scenen aus dem Jahre 1683 sind von der
Spielkartenfabrik von J. Glanz in Wien ausgegeben worden.
Wilhelm Arnold's rStudien zur deutschen Culturgeschichtea Stuttgart bei
Cotta enthalten zwei Abhandlungen, welche wir der Aufmerksamkeit unserer Leser be-
sonders empfehlen. W. Arnold gehört zu jenen deutschen Geschichtsforschern, welche sich
mit der Geschichte des deutschen Stadtewesens erfolgreich beschäftigt haben. In der Ab-
handlung, welche das Aufkommen des Handwerkerstandes im Mittelalter
schildert, nimmt W. Arnold S. zrzäzu Anlass. sein Votum über die brennende Frage
der lnnungen und Gewerbefreiheit auszusprechen. In der zweiten Abhandlung, -Kaiser
Rudolf und die Basler- 5433-301, schildert der Verfasser unter Anderem die warme
Theilnahtne des Gründers der Habsburger Dynastie für den Bürgerstand.
Tassinfs Werk nCuriosita Venezianer, Venedig x88z, ist in dritter Auflage
erschienen; es ist ein sehr nützliches Nachschlagebuch für alle, welche sich für Loml-
geschichte interessiren. Aehnliche Bücher waren auch für Wien und Prag recht erwünscht.
-Von dem Entwurf eines In gs sta tu te nufGrund des deutschen Reichsgesetzes
vom 16. Nov. 188i ist auf Anordnung des Reichsamtes des Innern die fünfte Auflage er-
schienen Berlin, bei Karl Kay. Sie ist mit kurzen, recht nützlichen Erläuterungen versehen.
KLEINERE MITTHEILUNGEN
Geschenke an das Oesterr. Museum. Valerian Gillar, k. k.
Hofschlosser, hat ein an der Kunstgewerbeschule in der Abtheilung des
Professors Herdtle für das Museum gezeichnetes Glockengestelle in muster-
giltiger Weise in Schmiedeisen ausgeführt und dem Museum zum Ge-
schenke gemacht. Nebst dieser sehr werthvollen Widmung wurden die
Sammlungen auch durch eine Collection von geschmackvollen modernen
Glasgefäßen bereichert, welche die Firma S. Reich iSt Co. dem Museum
schenkte. Dieses Geschenk besteht in fiinf Trinkservicen, welche in äußerst
gefälliger Weise mit vergoldeten Gravirungen geziert sind, und in elf
Vasen, von welchen namentlich jene ganz besondere Beachtung verdienen,
welche den schwarzen indischen Thongefäßen mit Quecksilberverzierung
nachgebildet sind.
Das vor Kurzem verstorbene Fräulein Eufemia von Kudriaffsky,
eine hochgebildete Dame, als Schriftstellerin durch ihr Werk über nJapan-i
Wien, Braumüller, 1874. rühmlichst bekannt, hat ihre Sammlung von 550
nach der Natur in Aquarell gemalten Blumen dem Museum testamen-
tarisch hinterlassen. Die Sammlung wird jetzt in der Bibliothek des Mu-
seums in einer ihren Namen tragenden Mappe verwahrt und Jedermann
zugänglich sein.
Die Weilmaohte-Ausatellnng 1m Oesterr. Museum wurde von Sr. kais. Hoheit
dem durchl. Kronprinzen und der durchl. Frau Kronprinzessin zweimal mit einem Be-
suche beehrt. Geleitet vom Director, besichtigten die hohen Herrschaften die ausge-
stellten Objecte, hierbei wiederholt Anlass nehmend, sich den Ausstellern gegenüber
anerkennend über die Fortschritte der Kunstindustrie auszusprechen und mehrere Gegen-
stande anzukaufen. Gleich nach Beginn der Ausstellung war dieselbe von dem hohen
Protector des Museums, Sr. knis. Hoheit Erzherzog Rainer, mit einem Besuche ausge-
zeichnet worden
Schon in früheren Jahren wurde von mehreren Industriellen der Wunsch ausge-
sprochen, dass die Dauer der Weihnachts-Ausstellung auch auf einen 'l'heil der Faschings-
zeit ausgedehnt werden moge, weshalb mit Rücksicht auf die diesjährige spätere Erolfnung
der Schluss der Ausstellung am 3x. Janner 1883 stattfinden wird.
Oeeterr. Iueeum. Neu ausgestellt Modell eines Denkmals für Katharina I.
von Russland, ein geistvoll componirtes Werk in Blei gegossen, die Kaiserin auf einem
Pegasus reitend, umgeben von vier allegorischen Figuren. Was diesem Kunstwerke be-
sonderen Werth verleiht, ist das Vorkommen eines Monogramms. Wenn auch zweifellos
feststeht, dass dieser Bleiguss der Wiener Schule aus dem Beginne des t8. Jahrhunderts
angehort, muss es doch der Specialforschung überlassen bleiben, von welchem Künstler
das Werk durchgeführt wurde. Ferner wurden im Saulenhofdes Museums zwei Heiligen-
statuen aus einer Kirche zu Verona und ein Marmorrelief ebendaher, t4..-i5. Jahrh..
Eigenthum des Herrn H. Sax, ausgestellt.
Besuch des Museums. Die Sammlungen des Museums wurden im Monate
December von 36.185, die Bibliothek von 4239, die Verlesungen von 967 Per-
sonen besucht.
Geschenk an die Kunstgewerbesohule. Se. Excell. der Minister
für Cultus und Unterricht hat von den auf der ersten internationalen
Kunstausstellung aus Staatsmitteln angekauften Kunstwerken die nach-
stehenden Radirungen der Kunstgewerbeschule des Museums und zwar
mit Rücksicht auf den an dieser Lehranstalt activirten Radircurs zuge-
wendet Johann Klaus v-Hochwildu, nach Fr. v. Pausinger; Ernst
Forberg. nach Andr. Achenbach; Leopold Flameng "Borkes driftu,
nach Neuville; A. de Potemont nPariserin im Jahre 1795-4; Axel
H. Haig wKathedrale von Chartresu; Stephan Parish i-Ebbezeit in
der Bai von Tundyu.
313
Lkademie der bildenden Künste. Die erste internationale Kunstausstellung in
Wien hat die in nahezu allen Abtbeilungen wiederkehrende Erscheinung dargethan, dass
das vaterlandische Historienbild und das religiöse Bild in auffallend geringer Zahl ver-
treten war. Während Genrebild und Porträt in fast überreicher Weise in den Vorder-
grund traten, stellte sich das oberwahntc Fach nur in einzelnen wenigen Werken ein.
Diese Thatsache bestimmte Se. Excellenz den Herrn Minister für Cultus und Unterricht,
das Professoren-Collegium der Akademie der bildenden Künste in Wien aufzufordern,
darüber zu berathen, ob es sich nicht empfehlen würde, durch eine Modißcation der
Vortrage über Geschichte die akademische Jugend auf entsprechende Steife und Vorwürfe
aus der österreichischen Geschichte hinzuleiten und außerdem bei den zu pramiirenden
Compositions-Aufgitben eine reichere Vertretung des österreichischen Geschichts- und des
religiösen Bildes anzubahnen.
Die osterretehtsohe Industrie und der Fäelhafan von Triest Unter diesem
Titel hat der industrielle Club und der Verein der Montan-. Eisen- und Maschinen-Indu-
striellen an das k. k. Handelsministerium eine Denkschrift"uberreicht, um das Auflassen
der Zivischenzoll-Linien und den Eintritt von Triest in das allgemeine Zullgebiet zu be-
gründen. Der Kernpunkt der klaren und ganz vortreiflichen Denkschrift wird in folgender
Weise resumirt -Durch Einbeziehung in das allgemeine Zollgebiet wird Triest aus einem
einseitigen Handelsplatze zugleich Industriestadt und Mittelpunkt eines lndustriebezirkes,
also Hafen eines wohlbevölkerten und pi-oductiven Hinterlandes, dessen Rayon mindestens
bis zur Donau reicht; dadurch ändert sich der Charakter des Triester Handels, indem
der letztere dann weit rascher und entschiedener, als es bisher geschah. vom Zwischen-
handel zum directen Handel, von der bloßen Spedition zum Eigenhandel voranschreitet;
beide Aenderungen endlich haben einen dritten Fortschritt zur Folge, welcher darin
besteht, dass die Seestadt ihre Interessen mit denen des Binnenlandes, des Reiches, innig
und unlosbar verbindet. Um die Frage nicht mehr zu compliciren, haben wir die in letzter
Zeit vielfach erörterten sonstigen Anliegen von Triest. so die Erbauung einer zweiten
Eisenbahnverbindung, die Errichtung neuer Dampferlinien nach dem Westen, das Begehren
von Triest nach Tarifparitat mit Fiuine u. A. hier ganz aus dem Spiele gelassen. Selbst-
verständlich müssen die Bedürfnisse von Triest sorgfältig und eingehend geprüft werden.
lkienn das Reich ein Recht hat auf Triest, als seinen einzigen Scehandelsplatz, so Iiat
dagegen Tiiest ein Recht auf Mitwirkung des Reiches dort, ivo die eigenen Krafte nicht
ausreichen Auch dem Reiche ist nur gedient mit einem blühenden Triest als kraftvollem
Handelsrirgane. Nur meinen wir, dass die Zeit der Einzelnconcessionen vorüber sei. Wir
befürworten eine Gesammtreform, wobei die Einbeziehung von Triest in das allgemeine
Zollgebiet die Grundlage und erste Voraussetzung zu bilden hatte.-
Ein orientalischer Bazar in Wien. Unter diesem Titel veröffentlichte Reg.
Rath Bruno Bucher in der N. F. Pr. vom 21. Nov. eine Studie über den neuerotfneien
orientalischen Bazar des Hauses Ph. l-laas und Söhne, der wir das Folgende ent-
nehmen Durch das stetige Wachsen seines orientalischen Geschäftes hat sich das Haus
Hazis genothigt gesehen, das letztere abzuzweigen. In dem benachbarten Eclthause
der Goldschmiedgassc ist ein Flucht von Zimmern mit dem ersten Stockwerke des
Haas'schen Vllaarenhauses in Verbindung gebracht und ausschließlich den aus dem
Südosten importirten Artikeln gewidmet Bei dieser Gelegenheit sollte aber zugleich der
Versuch gemacht werden, zu zeigen, was mit dem aus der Fremde gekommenen Materiale
zu machen ist, für verschiedenen Geschmack und für verschiedene Geldtaschen; und
der Versuch ist in einem Grade gelungen, dass man behaupten darf, Wien sei durch den
neuen wßazar oriental- um eine Sehenswürdigkeit bereichert worden, die schwerlich
irgendwo ihresgleichen hat.
Sämmtliche Räume haben Holzvertäfclung, die ebenso wie die Balkendeclten braun
geheizt und scheinbar intarsirt ist; in der That sind die maurisclien Ornamente ver-
mittelst jenes Abziehverfahrens hergestellt, welches der Vater unseres Professors Leopold
Müller einige Jahrzehnte zu früh! erfunden, und Reg.-Rath Kosch, wie bereits für
die Keramik. jetzt auch für die Holzdecoration nutzbar gemacht hat. Die ganze Herr-
lichkeit, die bei verschiedener Beleuchtung wie Zinn- oder Fllfcnbein- oder Messing-
einlegen aussieht und dabei vollkommen haltbar ist. ging aus den lithographischen
Pressen der Waldheimkchen Kunstanstalt hervor. Die Vertafelung enthalt Nischen
mit manrischer Bogenoilnung, in welchen Geläße Platz gefunden haben. Metall und
Porzellan in reichster Abwechslung. Musch-Arabids dienen als Fenstervcrschluss, der,
ohne den Ausblick zu hindern, doch die Vorstellung du" Äligesclilosscnhcit hervorruft,
und dasselbe ornamentale Motiv hat bei der Verkleidung der Heizvorrichtungcn Var-
wendung gefunden. Bei Abend wird das Licht von messingenen Gaskronen gespendet,
deren Korper in lndien gearbeitet niid decorirt ist. Die größeren Wandliachen und die
lings der Wande und in den Fensternischen sich hinziehenden Divans, sowie den Fu-
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boden bedecken Textilstoffe, auch über Tischchen und Stockerln sind dergleichen gelegt
und selbstverständlich werden sie auch als Vorhänge benützt.
Jedes von den drei Zimmern hat seinen eigenen Charakter in systematischer
Steigerung von dem ersten, dessen Gesammt-Ton das warme, anspruchslose Goldbraun
ist, wozu das matte Silber-Ornament auf dern Holzwerke trefflich stimmt zu dem
zweiten, in welchem Roth vorherrscht und die Vertafelung mit Gold decorirt ist. und
endlich zu der wahrhaft blendenden Pracht in dem letzten Raume. Hier ist alles licht
und leuchtend; den Grundton geben die bunten, weißgründigen Stickereien von Bokhara
an; daneben gleißen und flimmern die türkischen Goldstickereien auf blauer, amaranth-
farbener, purpurrother, grüner Seide. Ein weitgespannter Stalaktitenbogen, neben welchem
zwei iapanesische Krieger in voller Lackrüstung Wache halten, schließt dies dritte Zimmer
gegen das zweite ab, und durch einen Moscheenthürbehang von außerordentlicher Schon-
heit blicken wir noch auf eine, Alles an Glanz überbieteude Schlussdecoration. S0 sind
in der That orientalisirende lnterieurs sozusagen verschiedene Grade geschaffen
worden, die das Auge schulen und die mannigfaltigste Anregung gewähren. Und da alle
diese Teppiche und Decken verkäuflich sind, so wird die Ausstattung der Räume eine
häufig wechselnde sein und immer neue Anziehungskraft behaupten.
Fast hatten wir vergessen, den Künstler zu nennen, der diese Einrichtung er-
sonnen und die Ausführung geleitet hat; doch ist das auch kaum nothig. Seit anderthalb
Jahrzehnten rath man ia, wenn auf disem Gebiete etwas Originelles, Phantasies und
Harmonievolles geschaGen worden ist, meistens und selten irrig auf Josef Storck.
Kunstnotizen ans Berlin. Der diesjährige preul ische Staatshaushalts-Etat for-
dert für Kunst und wissenschaftliche Zwecke zunächst zum Ankauf des Niederländischen
Palais behuls der Erweiterung der konigl. Bibliothek a,60o.0o0 Mark. Das königliche
Bibliothekgebaude wird demnachst ein hufeisenformiges Ganzes mit zusammenhängender
Frontentwicklung nach der Behrenstraße bilden und Raum für den jetzt in dem Gebaude
der Bergakademie befindlichen Theil der Sammlungen und für eine Vermehrung um 150.000
Bände bieten. Die Kosten der Aptirung des alten Bibliothekgebaudes und der zu demselben
hinzutretenden Gebaudetheile belaufen sich, ausschließlich 90.500 Mk. für die innere
Ausstattung, auf 410.000 Mk. Zum Einbinden der Handschriften und Musikautographen
der Bibliothek sind 6000 Mk. erforderlich. Ferner soll das königliche Schauspielhaus
eine Sandsteinbekleidung erhalten. Die Kosten dafür sind auf 188.000 Mk. veranschlagt,
wovon für die kommende Bauperiode 135.000 Mk. ausgeworfen sind. Für eine Rei-
nigung und Zusammenstellung der Pergamenischen Funde sind 28.000 Mk. angesetzt. Es
soll zu diesem Zwecke eine gesonderte Werkstätte errichtet werden, um die bisher hiefür
verwendeten Museumsraume verfügbar zu machen. Das ethnologische Museum in der
Königgrätzerstraße verlangt weitere 800000 Mk. Zum Ankauf des Grundstückes Pots-
damerstraße 120 für die königliche Hochschule der Musik werden 779.100 Mk.; zum
Weiterbau der technischen Hochschule, welche insgesammt Mill. Mk. beansprucht,
sind 550 000 Mk. erforderlich. Sodann ist eine halbe Million Mark zur iFortführung
des Baues des naturwissenschaftlichen Museums vor dem Neuen Thore angewiesen. Die
Gesammtkoaten belaufen sich auf 3,870.000 Mk. Zur Anlage einer Wasserleitung im
botanischen Garten sind 29.500 Mk. nothwendig. Für die Begründung eines geschicht-
lichen Seminars sind 10.400 Mk., die jedoch bis auf 1400 Mk. zur Beschaffung einer
Handbibliothelt gebraucht werden, und zur Erweitenxng der Versuchsanstalt der königl.
Porzellanmanufactur 22.500 Mk. nothig.
Die Verhandlungen des Gongresaes für Eandfertigkeitannterdcht und Hans-
heiß in Leipzig am 3. Juni 1882 wurden von Dr. W. Götze in einer bei Bleib in fGera
erschienenen Broschüre veröffentlicht. Die Bewegung zur Hebung des Handfertigkeitsunter-
richtes im Deutschen Reiche wächst von Jahr zu Jahr. in Bremen besitzt der Verein
zur Forderung des Hausfleißes in dem dort erscheinenden wNordwest- ein eigenes Organ,
in welchem seine Ansichten zur Verotfentlichung gelangen. Ein hervorragender Förderer
der Bestrebungen zur Hebung der Handfertigkeiten schreibt uns. dass die hauptslch-
lichsten Grundgedanken, von welchen der Verein ausgeht, sich in Folgendem subsunr
miren lassen
l. Die Handfertigkeit soll die formelle Bildung des Menschen vervollständigen und
dazu beitragen, dass die Erziehung mehr wie seither eine harmonische werde. Dies
schließt die Erziehung zur Arbeit, die Erziehung zur Geschicklichkeit, die Erweckung
des guten. ia künstlerischen Geschmackes in sich ein.
a. Die Handfertigkeit soll aber auch die Basis für die gewerbliche Erziehung
so weit es die Schulung betrifft sein, und
3. soll die Handfertigkeit auch der Kunst dienen, denn einerseits wird die Ge-
schmacksrichtung direct dadurch gefordert, anderseits die Technik gehoben, diese aber
ist die Schwester der Kunst, indem sie die ausführende Hand derselben ist.
Es ist bedauerlich, dass diese Angelegenheit in Oesterreicb so wenig gewürdigt
wird, was wohl zumeist dem Umstande zuzuschreiben ist, dass unsere Schullehrer und
Gewerbsleute, welche naturgemäß dieser Frage ihre Aufmerksamkeit zuwenden sollten,
zu viel mit politischen und nationalen Dingen bechäftigt sind, als dass sie den Bestre-
bungen, wie solche von dem Verein zur Förderung des Haustleißes in Bremen ausgehen,
einen Theil ihrer Zeit widmen konnten.
Fabrloatlou von Anuonceutafeln. Die Herren Lott und erber haben ihr
Geschaftslocal lll, Rasumoßskygasse 22 so vergrbßert, dass sie Annoncen in Oelfarhen-
druck auf Eisenblech, sowie Email-, Glas- und l-Iolzbuchstaben schnell und billig aus-
führen können.
Die Katalogisirung der antiken Sammlungen in Oborltallen, welche mit
Unterstützung der Central-Direction des k. deutschen archäologischen Institutes Dr. Hans
Dütschke übernommen, ist mit dem V. Bande, welcher die antiken Bildwerke in
Vicenza, Venedig, Catija, Modena, Parma und Mailand enthält, zum Abschlüsse gebracht
Ein Künstlerhaus mit Haleratellers in Salzburg. Ein Comite, welches
unter dem Präsidium des Statthalters Grafen Thun steht, hat sich zur Aufgabe gestellt,
in Salzburg ein Künstlerhaus mit Malerateliers zu bauen. Es soll nicht blos ein Aus-
stellungssaal geschaffen, sondern ein besonderer Werth darauf gelegt werden, dass zwei
sehr große und mehrere kleine Ateliers, allen Anforderungen entsprechend, entstünden,
welche Künstlern von Fall zu Fall zur Verfügung gestellt werden konnten. Es ist wohl
kein Zweifel, dass speciell Salzburg, welches dem Landschafter geradezu classisches
Terrain für Studien bietet, der richtigste Ort für ein derartiges Unternehmen ist.
Balzburger Geschirr. Der Director der Szaatsgewerbeschule in Salzburg hat
soeben eine kleine Broschüre verolfentlicht unter dem Titel Zur Geschichte der
Salzburger Weißgeschirrfabrication, Durch seine Vermittlung hat die Direction
des Oesterr. Museums eine größere Anzahl derartiger Erzeugnisse erworben.
Hamburgisahea Museum für Kunst und Gewerbe. Der Director dieser An-
stalt, Dr. Justus Brinckmann, bringt in seinem Berichte über die Entwicklun des Mu-
seums seit der Eröffnung am 25. September 1877 bis zum a5. September 82 außer-
ordentlich schätzbare Daten über die Kunstgewerbe Hamburgs und der angrenzenden
Gebiete. im Anbange lll ist ein Verzeichniss Schleswig-Holsteinischer und dänischer
Fayencefabriken des XVlll. Jahrhunderts gegeben.
Genaue-Ausschreibung An der Fachschulc für Glasindustrie zu Steinschönau
ist die Stelle eines Zeichenlehrers mit einem jährlichen Gehalte von Eintausend tooo
Gulden, vom Schuljahr 1883184 an, zu besetzen.
Die Stelle ist verlragsmaßig halbjahrig kündbar; dabei ist die Umwandlung der vera
tragsmaßigen Bestellung bei zufriedenstellender Dienstleistung in definitive Staatsanstellung
in Aussicht genommen.
Bei Verleihung dieser Stelle werden nur solche Bewerber berücksichtigt, welche
sich entweder über eine entsprechende Lehramtsthatigkeit im Freihand- und kunstgcwerb-
lichen Zeichnen oder mindestens über einen, an einer technischen oder artistischen Lehr-
anstalt gründlich erhaltenen Zeichenunterricht ausweisen künnen. Bewerber, welche über-
dies eine praktisch-industrielle Verwendung darthun können, erhalten bei sonstiger gleicher
Qualification den Vorzug.
Bewerber um diese Stelle müssen übrigens in der Lage sein, vom Unterrichts-
ministerium bereits mit t. April t873 in Verwendung genommen werden zu können.
Die gehörig gestempelten und mit den Zeugnissen versehenen, sowie mit konst-
lerischen Arbeiten belegten Gesuche sind, unter Anschluss eines curriculum vitae, bis
15. Februar 1883 im Einreichungs-Protokolle des Unterrichtsministeriums einzubringen.
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Bereits erschienen Lieferungen.
Dieses Werk ist berufen, eine Lücke in unserer Fachliteratur auszufüllen und soll
eine reichhaltige Quelle lür den praktischen Gebrauch in jedem Atelier, in jeder Fabrik
abgeben und vom Fachmann jedenfalls gern zu Rnthe gezogen werden. Das damit zu
umfassende Gebiet ist schon durch den Namen deutlich gekennzeichnet; keine Materie,
kein keramisches Fach, besonders der Gefaßindustrie, soll ungenügend vertreten oder
vielleicht gar übergangen werden, jedes derselben wird eine Reihe von guten Arbeiten
zum Vorbilde erhalten und alle Arten genügende Berücksichtigung finden, welche dem
modernen Leben Bedürfniss geworden sind
Sulbalurlug des l. k. Oumrr. Muleumx tür Kunu und Industrie
Bueunmhnl van Cu-l amuu Ich Whn.