"jß- MITTHEILUNGEN WIE"-
Fünfter Jahrgang. 15. Apql 1870.
k. k. österr. Museums für Kunst Industrie.
Monatschrift für Kunst 81. Kunstgewerbe.
Am 15. einen jeden Monats erscheint eine Nummer. Abannemeutspreis per Jahr ü. ö.W.
Bedanken Brum Bnohor. Expedition von C. Geroldä Sohn. Mm nbounirt im Museum,
bei Gerold Comp., durch die Postuutalmn, sowie durch Alle Bueh- und Kunsthnmilungen.
lnh 11 m. kunngeverblidza Auulnlluug a. Ounrr. lluuuml mm 1m. Uaber an heutigen
Gugmdm van lnhuu-beil und Cupiul. Vurbilderummlung Arohhekwr und Kuullgewerhe
n. Weimlr. Vorlesungen im Iuuun. Stuudan-Elnthalluug Kulnlgewerbesnhule
Sommerumeeter m10. Bldwr-llavm. xmnm Mißheilulqln. Inurltn.
Bellugl Jlhrubulehl du Ouhrr. llulluml für 1869.
Die kunstgewerbliche Ausstellung des Oesterreichischen
Museums im Jahre 1871.
Die Ausstellung der österreichischen Kunstgewerbe, mit welcher des
im Bau begriffene neue Museum im Jahre 1871 feierlich eröffnet werden
soll, beschäftigt die leitenden Kreise des Museums in diesem Augenblicke
in nicht gewöhnlichem Grade, und wir würden von unseren Gewohnhei-
ten abweichen, wenn wir nicht unseren Lesern über die Vorgänge im
Museum, so weit sie diese Ausstellung betreifen, Bericht erstatten würden.
Schon gegenwärtig zeigt es sich, wie gut es war, eine Ausstellung ähn-
licher Art zur Eröffnungsfeier des neuen Baues zu wählen. Es lag sehr
nahe, entweder mit einer Schulausstellung oder einem kunstarchäologi-
schen Musee retrospectif die Thätigkeit im neuen Museum zu beginnen.
Man hat bei diesem Anlasse der vaterländischen Kunstindustrie die Ehre
des Vortrittes gelassen, und wir glauben, dass man recht gethan
haben wird.
Eine Anstalt wie das Oesterreichische Museum hat die Aufgabe,
zwischen Gegenwart und Vergangenheit zu vermitteln die unwandelba-
ren Gesetze der Kunst jenen Kreisen, welche häufig geneigt, oft ge-
nöthigt sind den wandelberen Launen der Mode zu folgen näher zu
rücken den Muth derjenigen Kunstindustriellen zu heben welche neue
Wege betreten, Besseres anstreben, und sich nicht blos darin gefallen,
am geschicktesten oder am schnellsten die Franzosen oder andere Cul-
turvölker geistig zu bestehlen. Das Museum würde zu einem Modelager
moderner Erzeugnisse herabsinken, wenn es der Kunst und der Kunst-
industrie der Jahrtausende gegenüber gleichgiltig bleiben wollte es
würde andererseits zu einer Liebbabereianstalt für archäologische Dilet-
tanten und kunsthistorische Kleingeister zusammenschrumpfen, wenn es
LAU
nicht Berührungspunkte mit der lebendigen Industrie, directe Berührungs-
punkte mit den leitenden Trägern unserer Kunst und Kunstindustrie
suchen würde. Diese Gesichtspunkte waren es, welche die massgebenden
Kreise des Museums bestimmt haben, den Neubau des Oesterreichischen
Museums mit einer Vaterländischen knnstgewerblichen Muster-Ausstellung
zu eröffnen.
Schon jetzt zählt die Liste der Theilnehmer dieser Specialausstellung
mehr als 200 Namen. Es linden sich daruntm" jene Persönlichkeiten, die
in unserem Vaterlande als Vorkämpfer auf dem Gebiete der Kunstindu-
strie stehen, fast vollständig, und eine nicht geringe Anzahl jüngerer
Kräfte, die von dem edlen Ehrgeize getragen sind, demnächst in die
Reihe dieser Vorkämpfer eintreten zu können.
Es hat jüngst eine Versammlung von mehr als dreissig Notabeln
der Kunstindustrie Oesterreichs im Museum statt gefunden, welche die
Frage erörtert hat, ob Angesichts der Vorbereitung für eine Wiener
Weltausstellung die Specialausstellung der Oesterreiehischen Kunstindu-
strie im nächsten Jahre im Neubau des Museums statt linden solle oder
nicht, und bei dieser Versammlung waren es gerade die Führer der Oester-
reichischen Kunstindustrie welche sich am entschiedensten für das
Festhalten an dieser Ausstellung aussprechen, Männer wie Hollenbach,
Isbary,'Schönthaler, Klinkosch, Giani, Mannstein u. s. f.
Nicht blos das wurde geltend gemacht, wie nothwendig es gerade auf
dem Gebiete der Kunstindustrie sei, sich gegenüber der Eventualitat
einer Weltausstellung durch eine Specialausstellung im Museum zu rüsten
es wurde auch der patriotische Gesichtspunkt festgehalten, die Eröffnung
eines österreichischen Institutes durch ein specitisch österreichisches Fest
zu feiern. Der Ton, der von den Trägern unseres Bürgerstandes bei
dieser Gelegenheit angeschlagen wurde, hat in allen Kreisen den lebhaf-
testen Nachhall gefunden.
Das Museum ist ein österreichisches Institut im vollen Sinne des
Wortes; so sehr es jede Engherzigkeit abweist, die aus beschränkten
particularistischen Anschauungen hervorgeht, und die den kosmopolitischen
Charakter verkennt, auf dem heutzutage Kunst- und Kunstindustrie be-
ruhen, ehensosehr ist es bemüht, wir fügen hinzu mit Aufopferung be-
müht, die Ideen der Gemeinsamkeit auf dem Gebiete der Kunstindustrie
zwischen den Ländern und den Stämmen aufrecht zu halten, die sich
heutigen Tages noch österreichisch nennen. Denn diese Gemeinsamkeit
der Ideen ist die Grundbedingung unseres Fortschrittes, das Medium,
durch welches die österreichische Kunstindnstrie in den Weltverkehr
eintreten kann. Wie. wir bald in unserer eigenen Heimath als Fremde
erscheinen würden, wenn wir diesen Gesichtspunkt hintansetzten, so
würde die Action nach dem Anslande hin sich in kleine ohnmächtige
Einzelversnche zersplittern, die gegenüber dem geschlossenen, durch kei-
127
neu provinziellen Particularismus beirrten Auftreten der Engländer, der
Franzosen, der Norddeutschen, der Italiener und der Russen nothwendi-
gerweise unterliegen müssten.
Es gereicht uns daher zu einer wahren Genugthuung, dass unter
den mehr als 200 Theilnehmern an unserer Ausstellung sich nicht blos
Wiener, sondern auch die hervorragendsten Firmen aus Brünn Prag,
Innsbruck, Reicbenberg, Graz, Salzburg, Budweis, Pilsen, Gmunden,
finden. Nur wenige Handelskammern haben sich den Anfragen gegenüber,
die vom Museum gestellt wurden, ablehnend oder gleichgiltig verhalten,
die galiziauischen wahrscheinlich aus dem Grunde, weil Galizien kein
Boden tiir Industrie ist. Am auifallendsten ist die gänzlich abwehrende
Stellung, welche Triest einnimmt.
Besonders hervorzuheben ist die Thätigkeit der Wiener, der Brün-
ner und der Prager Handelskammer. Auch unter den Correspondenten
des Museums gibt es mehrere, die sich um das Zustandekommen der
Ausstellung verdient gemacht haben.
Mehrere Mitglieder unseres Curatoriums haben es unternommen,
die Kreise, welche nicht produciren, sondern bestellen, für diese Aus-
stellung zu interessiren, und Anregungen zu besseren künstlerischen oder
kunstgewerblicben Leistungen zu geben. Ein Mitglied des Curatoriums,
zugleich ein hervorragender Fachmann auf dem Gebiete der Photogra-
phie, hat dieses Specialgebiet, insoweit es in die Kunstindustrie einschlägt,
in seine Hände genommen.
Auch das, was sich auf kirchliche Kunst bezieht, liegt in den be-
währtesten und erfahrensten Händen. Wir haben daher alle Ursache, mit
den vorbereitenden Massregeln zur Erötifnungsausstellung des neuen Mu-
seums zufrieden zu sein. Wir haben nicht nöthig zu wiederholen, dass
'wir an den Bestimmungen unseres Ausstellungsprogrammes wie es von
St. kaiserl. Hoheit Erzherzog Protector Rainer genehmigt wurde, unab-
änderlich festhalten.
Es wird diese Ausstellung als eine Musterausstellung in Angriff ge-
nommen, die denjenigen einen würdigen Raum bieten wird, welche das
Gute leisten oder das Bessere anstreben; die, welche dies nicht wollen,
werden dort keinen geeigneten Boden linden. Bestrebungen letzterer Art
abzuwehren, wird Aufgabe der Jury sein, die, nach den Bestimmungen
des Programmes unserer Ausstellung, über die Würdigkeit zur Zulassung
zu entscheiden haben wird.
Mit dem 31. Mai dieses Jahres wird die Anmeldungsliste geschlos-
sen und Jedem definitiv der Raum zugewiesen werden wie er den ge-
gebenen Verhältnissen gegenüber möglich ist. Alle Theiluehmer an der
Ausstellung des Museums werden dann beinahe ein ganzes Jahr Gele-
genheit haben, mit Musse dasjenige arbeiten zu können, was sie dem
Publicum in der Ausstellung vorführen wollen.
75
128
Ueber die heutigen Gegensätze von Lohnarbeit und Capital"
sprach an fünf Abenden 13. Jänner 10. Februar im Museum Regierungsrath
Professor Dr. Schäffle. Im ersten einleitenden Vortrage knüpfte er an die
grosse Demonstration der Wiener Arbeiter am Tage der Reichsrathserößnung
13. November 1869 au, um das immer stärkere Anschwellen der europäischen
Arbeiterbewegung durch thalsächliche Anfiihrungen zu constatiren.
Der ganze Ernst der Bewegung erhelle daraus, dass im Mittelpunkt der
Angride auf die heutige Productionsweise der Zweifel an der Berechtigung des
Privatcapitals, dieser heute verbreitetsten Form von Geschiiftsvermögen, stehe.
Die Bezeichnung des ,Eigenthums als Dieb stahls",welche Proudhon gegeben,
als er in seiner Schrift Qrlzst ce que la propriete? antwortete La prqrridtd c'est
le vol sei unter die Messen als Parole ausgegeben, und auch der wirksamste
unter den neueren Arbeiteragitstmen, Ferdinand Lassalle, sei immer wieder auf
den Refrain hinausgekommen Jligenthum ist" Fremdthuni."
Bei diesen Angrißen auf das Capitalvermögen haben die geistig bedeutenden
Führer und Schriftsteller der Arbeiterdemokratie nicht etwa den Gedanken, dass
die heutigen Privateigenthiimer unter Anwendung von Nuchschliisseln und Blend-
laternen sich ihr Geschiiftsinventar annectirt hätten. Der Satz Eigenthum ist
Diebstahl" bedeute in den Augen der socialen Opposition etwas ganz Anderes
Bei der heutigen Beherrschung des productiven Zusammenwirkens vieler Arbeiter
durch einzelne Capitalisten Unternehmer oder durch eine Capitalistenverbindung
Erwerbsgesellschaft sei die Vertheilung des Erüages, welcher ein Product der
Arbeit Aller und der beniitzten Productionsmittel des Capitalisten sei, nothwen-
dig ungerecht; der Arbeiter erhalte im Lohn nicht den ganzen Wertb der
Frucht seiner Arbeit vcrgolten, sondern nur einen Theil dieses Werthes; den Rest
oder den von Carl Marx sogenannten Mehrwerth der Tsgesarbeit sauge der Ca-
pitalschwamm an und aus dieser beharrlichen Einsaugung eines Theiles der täg-
lichen Arbeitsfrucht aller Lohnarbeiter entstehe der Gewinn, entspringe das
Wachsthum des Capitalvermögens in der modernen Gesellschaft. In diesem
Sinne gelte den Socialisten das Eigenthum Privatcapitalvermögen als Diebstahl",
als ein durch fortgesetzte tägliche Aneignung einesTheiles der Arbeitsfriichte der
Arbeiterwelt gebildetes Vermögen. Das bürgerliche Capital wird von Marx
dessen Buch über das Capital" ist nur eine Variation des obigen Thema ge-
radezu als eine tägliche "Plusmacherei" auf Kosten der Arbeiter charakterisirt.
Aus den Schriften von Marx hat aber Lassalle einen erheblichen Theil seiner
kritischen Gedanken geschöpft. Das Hauptbeweismittel des Socialisrnus für
diese Auffassung des Capitals sei der Satz der eapitalistischen liberalen Natio-
naiökonomen, welche zugeben, dass der Preis der Tagesarbeit nicht nach dem
Wertb der Arheitsfrucht, sondern nach den Kosten Unterhalt der täglich ver-
brauchten Arbeitskraft sich richte; wenn daher auch ein Arbeiter schon in sechs
Stunden Tagesarbeit einen Werth seinem nothwendigen Unterhalt dem
Taglobne hervorbringe, so falle die Arbeitsfrucht der weiteren sechs Stunden eines
zwölfstündigen Arbeitstages doch nicht ihm, sondern dem Arbeitgeber oder Cspita-
listen zu. Diese Mehrwerthsaneignung durch Ausdehnung der Arbeit über die
nothwendige" d. h. zum Verdienen des Unterhaltes nothwendige Arbeitszeit
hinaus werde als der Process der modernen Capitalbildung ausgegeben.
Dies der Kern der Kritik des Capitsls, wie sie von den Wortfuhrern der
socialen Bewegung unter die Masse der Lohnarbeiter verbreitet worden sei. Seien
solche Lehren schon inhaltlich bedenklich genug, so werden sie es noch mehr
durch die uulliugbare hohe geistige Begabung der socialistischen Wortführer
129
Marx, Lassalle, Proudhon und Andere; die Begabung dieser Männer
und ihr siegesgewisser Glaube an sich selbst und an die Zukunft ihrer oppositio-
nellen Meinung dürfe ja nicht zu gering angeschlagen werden; denn sie haben
das Zeug, Secten zu stiften und blinden fanatischen Glauben zu erwecken. Die
Arbeiterwelt selbst sei fir solche Ideen nicht blos empfanglicher, als je in einem
früheren Zeitpunkt der Geschichte, sondern habe auch schon eine die Grenzen
der Staaten iiberspringende grossartige Organisation in den Arbeiterverbindnngen
und Gewerkvereinen trade unions erlangt, welche in England seit langer Zeit
Hunderttausende umfassen. Der Vortragende warnt, indem er sich auf die Ge-
schichte des englischen Arbeiterverbindungswesens bezieht, nachdriickfch vor der
trügerischen Hoffnung, als könne man wenn man je vom Stau dpunkte der
Freiheit es dürfte die Arbeiterbewegung mit etwas Polizei, Staatsanwaltschaft
und Criminalprocess wieder calmiren; eine Bewegung, die in Westeuropa alle von
den herrschenden Classen Anfangs versuchten Fesseln gesprengt, könne auch in
Oesterreich nicht niedergebalten werden mit üusserem Zwang, nachdem in der
hochgradigen industriellen Entwicklung einiger Reichstheile die Voraussetzungen
des Giibrungsprocesses sich gebildet haben; sie könne nur besiegt und versöhnt
werden durch ernste und aufrichtige Bestrebungen socialer Reform. In England
seien auch schon die ländlichen Arbeiten-messen von dem Strom der Bewegung
erfasst werden, überall, wo die Landwirthschaft industriell geworden. Die Indu-
strinlisirung der festliiudischen Landwirthscbaft werde früher oder später dieselben
Wirkungen äußern; jene übelrathenden Berather des Grossgrundbesitzes, welche
der Bourgeoisie die Verlegenheiten der industriellen Arbeiterbewegung gönnen,
oder diese gnr schüren möchten, könnten sehr bald in der Lage des Zauberlehr-
linges dastehen und zu ihren eigenen Herren sagen müssen Herr, die Noth
ist gress!
Im zweiten Vortrag entwarf der Redner nach einer kurzen Entwicklung
der BegriEeZ Gut, Werth, Vermögen insbesondere Capitalvormögen, Wirthschaft-
lichkeit, Wirthschaft und Volkswirthschaft einen Ueberblick über die bisher
aufgetauchten socialen" Systeme, und erörterte einerseits die phantastischen ro-
msnbaften Gebilde, welche, wie z. B. des Thomas Morus "Utopie" und auch der
Fourierismus, sämmtlich an Ideen der platonischen Republik und der platonischen
Gesetze anknüpfen, andrerseits die kritischen Lehrsysteme des Socialismus. Ins-
besondere hihrte der Redner Proben von Lassalleä ätzend kritischer Polemik vor.
Sodann wurden in einem dritten Vortrage die einzelnen Richtungen bezeich-
net, in welche die verschiedenen Zweige der bunten socialen Opposition auseinan-
der laufen. Einzelne Richtungen kritisiren blos und klagen, ohne irgend fassbare
positive Reformvorschläge zu machen. Die positiven Schriftsteller des Socialismus,
die allein Beachtung verdienen, geben zwar von demselben Boden der Kritik aus.
Sie sagen ziemlich übereinstimmend jeder Zeit ist das Leben der Gesellschaft
ein Kampf um die Vertbeilung von Genuss und Arbeit gewesen; eine herrschende
Classe hat immer blos zu geniessen gewusst, indem sie einen Theil der Arbeits-
friichte Anderer arbeitslos sich aneignete; das Mittel der Aneignung sei bald de-
spotische Herrschaft der Freien über die Sclaven gewesen, wie im Alterthum,
bald feudale Herrschaft über Leibeigene, Zehent- und Bobotpflichtige. Dann seien
mit 1789 izwar die Männer der "Freiheit" gekommen und hätten behauptet,
durch Auflösung aller alten gebundenen Lebensordnungen werde die allgemeiuste
Begliickung Aller im Reiche der Freiheit herbeigeführt werden. Die Folge sei
aber eine ganz andere gewesen. Bei gesetzlicher Freiheit habe sich eine that-
sücblicbe Knechtschaft des Proletariates unter dem Privatcapital gebildet und die
moderne Geldaristokratie, obwohl hochliheral gefärbt, sei eine Aristokratie schlim-
mer als Geburts- und Priesteraristokratie von ehedem, heuchlerisch, hart, herzlos,
130
ausbeutend, Menschen serstörend, alles nur nach Geld taxirend. Die Führung des
Productionsprocesses durch das herrsehaftlich gestellte Privstcapitsl leite dahin,
dass das grossbiirgerliche Vermögen die Volksmassen ausbeuten könne, und zwar
nicht blos die Volksmassen des eigenen Landes, sondern durch Vermittlung des
privaten und iißentlicheu Credites auch die Arbeiter und die Steuerzahler fremder
Länder. Aus dieser allen Socialisten gemeinsamen kritischen Beweisführung werde
dann das positive Verlangen abgeleitet, dass das herrschuftlich gestellte Privat-
capital beseitigt oder durch andere Vermögensformen wenigstens aus seiner
vorwiegenden Stellung im socialen Productionsprocess zurückgedrängt werden müsse.
An Stelle des Privatcapitals will Collectivvermögen gesetzt werden. Mit ge-
rneinsamen collectiven Productionsmitteln, woran jeder Arbeiter einen ideellen An-
theil habe, soll in Landwirthschaft und Industrie prodncirt werden, so dass Jedem
nicht blos nothwendiger Lohn, sondern Reinertragsantheil, kurz die ganze Frucht
seiner Arbeit und eines entsprechenden Antheils am collectiven Capitalvermiigen
anfallen könne. Der Prodncent soll so wieder Herr werden über das Productions-
mittel Capital, während jetzt bei Concentratien der Productionsmittel in wenigen
Privathänden die Masse der wirklichen Prodncenten Sclave des Capitals sei.
Der Gedanke des Collectiveigenthums ist jedoch von den socialen Neue-
rern in sehr verschiedenartiger Weise formulirt worden, und je nach der Formu-
lirung gehen die Systeme der socialen Opposition sehr weit auseinander. Es lassen
sich drei Hsuptn-ichtungen erkennen.
Entweder soll alles Privateigenthum aufhören, der Staat der Generaleigen-
thiimer werden, welcher Allen gleiche Arbeit und gleichen Genuss einen gleichen
Quotienten des socialen Arbeitsproductes zuzuweisen hätte. Dies sind die Sy-
steme des Staats communismns. Die Leitung des socialen Productions- und
Consumtionsprocesses wäre hiehei streng benuntenmässig, die bürgerliche Gesellschaft
ein Universalarbeitshans.
Oder wird individuelles privates Eigenthum anerkannt an den Früchten
der Arbeit, dagegen werden collective Capitale Prodnctionsmittelcomplexe gebildet
von Gesellschahswegen durch Organisation der Arbeit", an welcher der Einzelne
nach individuellem Talent und Vermögen Thcil nimmt und "nach Verhiiltniss des
Beitrages an Talent, Capital und Arbeit" belohnt wird. Die Systeme, welche im
Ganzen diese Richtung einhalten, aber insgesammt nicht zu Ende gedacht und
einseitig sind, kann man als die Systeme des Socialismus im engeren Sinne, als
eigentlichen Socielismus bezeichnen. Sie sind utopisch.
Oder bildet man frei, ohne Staatszwsng, Colleetivvermögen, welche mit den
Privntcapitalieu in Concurrenz treten oder denselben als collective Stützpunkte und
Ergiinzungscapitale dienen, das moderne Genossenschaftswesen, welchem
die vielsngefeindets jetzige Gesellschaft grundsätzlich nicht nur nicht feindlich ist,
sondern durch eine besonders" Geuossenschaftsgesetzgebung unter die Arme su
greifen beginnt. Nebstdem sucht diese dritte Richtung auch im Privatgeschiift die
Lohnarbeit durch Fsbriksgesetze. Schulpolizei u. s. w. zu sichern.
Neben dem politisch operirenden Socislismus und Communismus läuft eine
religiös humanitäre Spielart her. welche nicht den gemein communistischen Grund-
satz was dein ist, das ist mein," sondern den Grundsatz der christlichen Liebe
was mein ist, das ist dein!" zur Geltung bringen will.
Um diese verschiedenen socialen Richtungen an beurtheilen, beschäftigte sich
der Bedner im dritten Vortrag mit einer eingehenden Darstellung der productiven
und distributiven Fiihrerstellung, welche das Capital- hiebei von der Concurrena
selbst zu wirkssmster Bethiitigung für die Gesammtheit genöthigt in der mo.
dernen volks- und weltwirthschaitlichen Preductionsgemeinschaft der Menschen
einnehme. Indem er die verschiedenen Fuuctionen des stehenden und das circnliren-
131
den Cnpitals darlegte, zeigte der Vortragende, wie die capitalistische Productious-
weise Productiou concurrirender collectiver oder privater Capitalvernrögen einzig
der Aufgabe gewachsen sei, Millionen von Menschen, die theilweise um He-
misphären auseinanderliegen, in die wirthschaftlichste Productionsgemeinschaft
Bir einander zu verknüpfen, Alle zu höchster Kostenersparniss und sorglichster
Gcbrauchswerthsbsrschnung für einander anzuhalten, und die Liquidation der An-
syrüche, welche aus den millioneufültigen Einlagen individueller Prcductiveßecte
zum Nutzen Anderer erwachsen, in Form von Lohn, Zins und Unternehmergewinn
auf wunderbar einfache Weise abzuwickeln. Die Grundform der capitalistischen
Organisation der Volkswirthschaft Concurrena um den höchsten Gewinn wettei-
fernder, der Magnetnadel der freien Marktpreise folgender Capitalvermögen werde
unentbehrlich bleiben für jede über den Rahmen der engsten Gemeinschaft hinaus
wachsende, eigentlich volks- und weltwirthschaftliche Verbindung der Menschen;
im despotischen Alterthum, im feudalen Mittelalter wer, was damals an volks-
und weltwirthschaftlicher Verkehrsgemeinschaft wirklich schon vorhanden war,
in der Tbnt auch schon capitalistisch organisirt.
Im vierten Vortrag wies sodann der Redner nach, dass jede staatscomrnu-
nistische Organisation, abgesehen davon, dass sie alle Unannehmlichkeiten eines
Geueral-Zuchthauses hätte, das Talent unter den ScheEel stellen und die Faulheit
priinsiiren würde, schlechterdings an der Unsusführbarkeit der wirksamsten
Kostensparnng und besten Gebrauchswerthberechnung, so wie an den Schwierig-
keiten der Ueberwacbung Schiffbruch leiden, also in totale Unwirthschaft
umschlagen müsste. Die ökonomischen Schwächen der Staatsregie und der Actien-
gesellschaft wiisde der aller Corrective des emsig wirthschaftlichen Privatbetrisbes
beraubte Communismus hundertfach potenziren. Ueberdies Jviire Ausbeutung der
Fleissigeu durch die Faulen, der Bürger durch die Gleichbeitsdespcten in hohem
Grade möglich, die Productivität der Wirthschaft würde abnehmen und doch die
Vertbeilung der Güter nicht gerechter werden. Der Commnnismus sei ganz ungeeignet,
über engste Gemeinschaft hinaus das Wirthschaftsleben zu organisiren und zu
beherrschen. Am rechten Platze habe man aber schon Gemeinwirthschaften besserer
Art Staat, Gemeinde, Familie Stiftungen, freie Eingebung an Kunst, Wissen-
schaft und Politik. Einer der stärksten Vorwürfe, die den Ccmmunismus treffen,
bestehe genau darin, dass er jenen wahren, beglückcnden, berechtigten aller-
dings noch einer starken Veredlung vielfach bedürftigen Communismus ub-
schneiden und beeinträchtigen würde, den die Gesellschaft in gewissen öffentlichen
und freigebigen Gemeinwirthschaftsn schon besitze und nie aufgeben werde. Auch
der christliche Communismus habe schon sein Gebiet überall, Wo die Menschen
dauernde persönliche Verbindungen eingehen; die allgemeine Organisationsform
einer weltwirthschaftlichen Gemeinschaft, welche Engländer und Japaneseu, Aegypter
und Franzosen ökonomisch zu verknüpfen habe, könne der christliche Communis-
mus so wenig werden, als der politische eine solche zu werden vermöge. Dsfiir
reiche nur die freie Verbindung durch das um den Gewinn ccncurrirende Ge-
schiiftscapitnl von Tausenden selbstständiger Urproductionv, Industrie- und Han-
delsunternebrnungen, oder der Capitalismus aus.
Indern der Redner betont. wie gar kein Grund vorhanden sei, das allrnülige
Aufkommen von freien collectiven Capitalversnögen, die Ausbreitung des
Genossenschaftscapitals neben dem Privatcapital mit scheelen Augen anzusehen,
machte er darauf aufmerksam, dass jede eigenthiimlichs Form des Unternehmungs-
capitals das Genossenschaftscapital, wie das Cepital der Privstunternebmung und
der Erwerbsgesellschaft, unter eigenthümlichen Voraussetzungen besondere Vor-
theile oder Schwächen darhiete, dass die genossenschaftliche Unternehmungsfsrm
bei wachsender Bildung des Arbeiterstandes sicher eine grosse Zukunft, aber nicht
132
allein die Zukunß habe dass der Vorschlag Lasalles, mit Anwendung von
Staatscredit rasch alle Geschäfte nach der Universalschahlone der Genossenschaft
umzuwandeln, dem ruhigen organischen Wachsthum dieser neuen Geschäftsfonn
am meisten? schaden würde. Ueberdies würde der Staat als Creditbeschsßungsorgan
bei dieser Uxnmodelung als eine Gründungsbank der nllerschlechtesten Art sieh
erweisen. Endlich wies der Redner nach, dass auch bei der Productivgeuossen-
schaft, sowohl unter den Genossen jeder Verbindung, als zwischen den concurri-
renden Genossenschaften, noch genug Ausbeutung möglich sei. Wolle man aber
direct oder indirect durch Risicosolidarität die capitalistische Grundform der
Organisation, d. h. Concurrenz selbstständiger Geschäftsvermögen um den Gewinn,
aufheben, dann verliere die Genossensehaftsära alle Zügel wirksamster, also wirth-
schaftlichster Leitung des sociulen Productionsprncesses, und versinke mit Vor-
schlägen, wie sie Lassalle zuletzt gemacht habe, in die Unwirthsehaft des
reinen Communisnrus.
In seinem fünften Vortrag erörterte der Vortragende die Stellung des Staates
nur sacialen Frage. Er räumt ein, dass der Staat als machtbegabtes Organ der
architectonischen Idee des Rechtes in der bürgerlichen Gesellschaft, allerdings für
die verhältnissniässige Gesnmmtentwicklung auch auf wirthschaftlichem Gebiete
einzutreten habe. Alle Thatsachen von den Eisenbahnzinsgarantien und Ablö-
sungsentschiidigungen an bis zu den Ausgaben für die Volksschule widerlegen
den utopischen Liberslismus, der gar keine Steatshilfe dulden wolle; warum denn
sagen, dass der Staats Nichts für die Arbeiter thun dürfe, während er doch jetzt
schon viel für sie thut. Aber nicht Alles könne der Staat thun; er sei durch
seine speciiische Aufgabe und durch die ganz bestimmten Bedingungen fruchtbarer
Anwendung seiner Macht auf ganz bestimmte Leistungen eingeschränkt. Die Gren-
zen fruchtbarer Handlnngsßhigkeit des Staates auf wirthsehaftlichem Gebiete seien
klar zu untersuchen, innerhalb dieser Grenzen aber müsse auch der liberale, bür-
gerliche Staat die grösste Activität in Fabrikpolizei, Arbeitsschutz, Gesundheits-
pflege und Aedilität, Schulptlege, Sparsamkeitsptlege u. s. w. entwickeln, Coali-
tionsfreiheit, unabhängige Fahrikinspecturen gewähren. Den Normalarbeitstag an-
erkennt-der Verfasser in den Schranken und mit den Modalitäten der englischen
Fahriksgesetzgebung. obwohl er nur unter der die Lohnfrage entscheidend beein-
iiussendeun Voraussemung der Hintnnhaltung der Uebervölkerung einen günstigen Ein-
Huss auf Lohnerhöhung vom Normalarbeitstag erwartet und überhaupt den Nor-
malarheitstag nicht als Panacee aller Uehel des Industrialismus zu betrachten
scheint. Den Arbeitern könne, so führte der Redner am Schlusse aus, nicht hlos
vom, sondern müsse auch im Staate geholfen werden. Der Verfasser hält die
Einführung des allgemeinen, directen und geheimen Stimmrechtes und eine gründ-
liche Reform der Besteuerung in der Richtung auf die directen Steuern für un-
vermeidlich, dem socialen Frieden und der productiven AuRassung des Staatszweckes
förderlich. Ob Oesterreich jetzt schon zum allgemeinen Stimmrecht reif sei, wolle
er als Neuling in Oesterreich nicht entscheiden. In seiner Heimath habe er
selbst Wahlcandidat unter zwei verschiedenen Wahlsystemen- das allgemeine, di-
recte Wahlrecht unerwartet besser gefunden, als er je nach seiner auf Bücher
gegründet gewesenen Lehrmeinung früher geglaubt habe. Der Redner begründete
Dies des Nähcren.
133
Vorbildersammlnng für Architektur und Knnstgewerbe in Weimar.
Bei der Begründung des neuen Museums in Weimar wurde in Uehereinstimmung
der Absichten Sr. K. Hoheit des Gressherzogs und der hohen Staatsregierung ein beson-
deres Gewicht darauf gelegt die gegenwärtig allerorten in ihrer hohen Bedeutung erkannte
Verbindung der Kunst mit dem Gewerbe auw-h hier als einen Zweig des öffentlichen Kunst-
interesses zu pflegen, und die Landesvertretung kam in ausdrücklicher Anerkennung der
Wichtigkeit gerade dieses Gebietes jener Absicht der Staatsregierung durch Bewilligung
eines jährlichen Fonds iiir Auschaifungen kunstgewerblicher Vorbilder entgegen. Es wurde
hierdurch und durch dankenswerthe Beihilfe aus Mitteln, welche dem Ministerialdeparte-
meut des Innern zu Gebote stehen, die Möglichkeit geboten. ein bisher mit anerkenneus-
werther Opferwilligkeit von Herrn Dr. Stegmaun aus Privatmitteln unterhaltenes Institut
in die Verwaltung des Staates zu übernehmen und in den schönen Räumen des neuen
Museums eine öfentliche Vorbildersammlung für Architektur und Kunst-
gewerhe zu begründen.
Die früher in der Kunstkammer der Grossherzogl. Bibliothek aufbewahrten kunst-
gewerblichen Gegenstände Modelle von Bauwerken, antikes Thou- und Brouzegeriith,
Elfenbeim, Metall-, Glss-, Majolica-Gefiisse, Schnitzereien etc. des Mittelalters und der
Renaissance, zum grossen Theil- dem Nachlass der Herzogin Anna Amalia entstammend,
in Verbindung mit der reichen Sammlung von Majolikeu und anderen Werken der Klein-
kunst uus dem Nachlese des Groseherzogs Carl Friedrich, welche auf Anordnung Sr. K.
Hoheit des Grossherzogs aus dem Schloss Belvedere in das Museum übertragen wurden,
bildeten mit der aus Staatsmitteln angekaufteu Sammlung von Gläsern des Herrn Dr. Steg-
mann die Grundlage für die im ersten Geschoss des Museums aufgestellte Sammlung
kuustgewerblicher Original-Arbeiten. Diese wurde zunächst durch Ankauf einer grösseren
Anzahl von Gypsabgiissen architektonischer Ornamente ergänzt. welche an den Wänden
des Saales aufgestellt, die Aufeinanderfolge der Baustile, von der Antike bis zur Gegenwart
in charakteristischen Beispielen, namentlich aber das fiir die moderne Kunst wichtige
plastische Ornament der italienischen Renaissance vorführen sollen und so den Rahmen
bilden, innerhalb dessen sich die Zierformen des Kunstgewerbes bewegen. Ausserdem boten
zahlreiche Geschenke Sr. K. Hoheit des Grossherzogs und mehrere Ankäufe von Gyps-
abgiissen kleinerer Kunstwerke aus den Museen von Berlin, München und Wien eine
Reihe von mnstergiltigen und charakteristischen kunstgewerblichen Vorbildern dar, unter
denen nur die stets neu zu bewundernden Abgüsse des Hildesheimer Silberfundes hervor-
gehoben werden mögen.
Da aber diese Aufstellung von Original-Arbeiten und Abgiissen immerhin nur eine
kleine Auswahl des Mnstergiltigen aus dem grossen Gebiet architektonischer und kunsb
gewerblicher Schöpfungen umfassen kann, so wurde gleichzeitig eine Sammlung von Ab-
bildungen begründet, welche den Zweck hat ein reiches, möglichst vollständiges und syste-
matisch gsordnetes Material fiir das Studium der Architektur und des Kunstgewerbes dar-
zuhieten.
Auch dieses Unternehmen hatte sich der gulldigsten Theilnahms Sr. K. Hoheit des
Grossherzogs zu erfreuen, welcher der Sammlung eine ansehnliche Reihe von werthvolleu
kunstgewerhlichen Bildwerken iiberliese. Durch diese Schenkung und durch den Ankauf
von älteren und neueren Werken im Betrage von ca. 550 Thlr. ist die jetzt dem öifent-
liehen Gebrauch übergebene, iiber 5000 Blatt Abbildungen mit wenigstens der dreifachen
Anzahl einzelner Gegenstände zählende Sammlung ins Leben gerufen worden. Dieselbe
ist nach dem Grundsatz angeordnet
Durch Anordnungen der slimmtlichen Abbildungen nach den Zweigen der Archi-
tektur und des Kunetgewerbes und nach den Kunststileu die Benutzung zugleich bequem
und belehrend zu machen."
Deshalb sind alle Sammelwerke, welche nicht ein bestimmtes Gebiet umfassen, na-
mentlich der reiche Inhalt der kunstgewerblichen Zeitschriften Gewerbehalle, Zeitschriß
des miinchner Kunstgewerbvereins. Art pour tous, in einzelne Blätter zertheilt und in
Mappen geordnet, welche dem Besucher alle Abbildungen eines bestimmten Gewerbszweigs
nach den Kunststilen geordnet darbieten und ihn des mühevollen und zeitraubenden Su-
ohens in den Sammelwerken iiberhehen.
Die Sammlung ist in vier Abtheilungen und einen Anhang geordnet
l. Baukunst, einschliesslich der gesaxnmten architektonischen Decoration und Or-
namentik; die Vorlagen für Maurer, Stniuhaueh, Zimmerarbeit, Bau-Tischlerei und Ban-
Schlosserei, Stucksrbeit, Decorationsmalerei etc. umfassend.
2. Gerith; mit den Unterabtheiluugen Möbel, Schmuck, Metallarbeit Geflisse, Ge-
Yiillößlllflßll. Weifeu, Werkzeuge, Holz, Horn, Elfenbein, Lederarheit und Biichereinbaud,
Thon und Glas.
3. Stoffe; Wund-, Möbel- und Kleidnngsstoße in Weberei, Druck, Stickerei etc.
umfassend.
4. Ornamente von vermischter Gattung, namentlich fiir Zeichnung und Druck.
Der Anhang umfasst die decorativs figiirliche Plastik und Malerei ein-
schliesslich der Glasmalerei, Coltüm, Heraldik und Schrift.
Jede dieser Abtheilungen und Unterabtheilungeu ist soweit möglich nach den Kunst-
stilsn und nach der Zeitfolge geordnet, wobei die folgenden Gruppen und Bezeichnungen
festgehalten worden sind
Antik griechisch und römisch.
Orientalisch assyrisch, igyptisch, altpsrsisch, maurlsch, arabisch, türkisch;
indisch, chinesisch, japanesisch.
Romanisch altchristlichar, byzantinische und eigentlich romanischer Stil,
Gothisch iralienisch, französisch, deutsch-niederländisch, englisch.
Renaissance italienisch XV. und XVI. Jshrh.; französisch, deutsch-niederl. etc.
xvr, Jahrh.
Berocksiil XVIL Jnhrh. französisch Louis XIV, italienisch, deutsch etc..
Rococo XVllI. Jahrh. französisch Louis XV, deutsch etc..
äiopf XVTII. Jahrh. französisch Louis XVL, deutsch etc.
n.
Wünscht also z. B. der Gewerbtreibende Vorbilder von Renaissance Jlöheln zu
sehen, so findet er i.n einer, bezüglich mehreren Mappen Alles vereinigt, was nnderwärts
in den verschiedenen Sammelwerken einzeln aufgesucht werden muss und ebenso üir jeden
der ohengenannten Gewerbszweige und jeden Kunstsül.
Die Abgrenzung der Stilgruppen ist freilich nicht überall genau festzustellen, in
mehreren Abtheilungeuauch praktisch nicht durchzuführen. Im Grossen und Ganzen aber
wird der Besucher der Sammlung iiberall nur Zusammengehörigas in einer AbtheiA
lung finden, und die Direction des Museums wird selbstverständlich bemüht sein, durch
Anweisung und Erläuterung die Benutzung der Sammlung möglichst zu erleichtern und
zu fördar Weim. Ztg.
Vorlesungen im luseum.
Am 17. Februar gab Herr Gastes Falke noch eine Ergänzung seiner vier Vorträge
über die künstlerische Ausstattung der Wohnung. Er besprach den Tisch, insbesondere
in seiner Eigenschaft als Speisetafe l. Von den Dingen, welche zusammenwirken, um den
Tisch In schmücken, kam znvörderst das Tischtuch in Betracht, welches, sei es für den
Salontisch oder die Tsfel bestimmt, verkehrter Weise hauptsächlich da ornamentirt zu
sein pilegt, wo es von Büchern, Nippessachen oder Geschirr bedeckt wird, während das
Hauptgewicht auf die Bordüre gelegt werden sollte. Bei dem Tischgedecke wurde die
Rückkehr zu massvoller farbiger Ornamentation empfohlen, anstatt der Musterung, welche
nur durch den Wechsel zwischen glänzenden und matten Partien ausgeführt wird und
daher nur unter einer gewissen Beleuchtung überhaupt sichtbar ist.
Nach und nach emancipirt hat sich von der absoluten Fsrhlosigkeit, welche noch
das Leinengedeck beherrscht, das Porzellangeschirr; doch wurde euch da auf die sinnwi-
drige Art der Bemalung der inneren Fläche der Schüsseln und Teller, welche bestimmt
sind von Speisen bedeckt zu werden, hingewiesen. Die Mode, Fayencegeschirr wieder vor
dem Porzellan zu bevorzugen, bezeichnete der Redner als eine unberechtigte, wogegen die
Nachahmung der Formen und der kräftigeren Färbung der Majoliken für Frnchtschalen,
Blnmengefässe, Krüge u. dgl. wohl zu empfehlen sei. Dem Caifee- und Thaegeschirr, du
heute noch seinen chinesischen Ursprung verräth, wären nicht, wie es zur Zeit des Empira
versucht wurde, antike Formen aufsuzwängen, vielmehr müssen die bestehenden Formen
veredelt werden. Richtiger hat sich das Glasgeschirr entwickelt, dessen natürliche Vorzüge
der Durchsichtigkeit und Strahleuhrechung sowohl bei den feinen zierlichen Formen mit
eingeechlitfenen oder gravirten Ornamenten unserer Fahrication, wie bei den facattirten
englischen Brillsutgläsern zu voller Wirkung kommen. Desto weniger erfreulich steht es
um die Metellgefässe, auf welche weder die antiken, noch die Benaissancearheiten bis jetzt
Einßuss genommen haben. Einer eingehenden Kritik wurden endlich die Tafeleufsätze
unterzogen, welche in der Regel ansser aller Beziehung zu ihrem Zwecks stehen und
gewöhnlich noch den Blick von einer Seite der Tafel zur anderen verstellen. Die ganze
Betrachtung hatte und erreichte auch den Zweck, den Hörern zum Bewusstsein zu bringen,
dass dem ästhetisch Gebildeten auch die gedeckte Tafel wie ein würdiges,wenn auch nur
für den Augenblick entstandenes Kunstwerk erscheint, dass sie zum materiellen auch den
135.
geistigen Genuss gesellt und so von vorn herein dem pruünen Zwecke eine gehobene
Stimmung und eine Weihe verleihen soll.
Am 24. Februar und 3. Mlira endlich beschloss Herr Professor Exner von Maria-
brunn den diesmaligen Gyklus der Vorlesungen. Er sprach, im Anschluss an seine vor-
jährigen Vorträge über das Holz, über die Kunst tischlerei vom technologischen
Standpunkte. Der Besprechung dieses Thema's selbst schickte er die Mittheilung voraus,
dass durch Creirung einer Lehrkanzel für die Technologie des Holzes und die Gründung
eines technologischen Museums an der forstlichen Lehranstalt in Mariabrnnn ein bedeu-
tungsvoller Schritt zur Förderung der Bodenproduction und des Gewerbes geschehen sei.
Zu seinem eigentlichen Gegenstande iibergehend hob der Redner zunächst hervor, dass
dis Construction der Kunstmöbel eben so solid sein müsse wie die der ordinären Einrich-
tungsstiicke, dass die oft angestrebte Maskirung der Construction auf einem fehlerhaften
Principe beruhe, dass aber die Constrnction durch die Decoration wie die Decoration durch
erstere bedingt werde. Er bezeichnete sodann die Unterschiede zwischen der mittelalterli-
chen und der heutigen Constrnctionsweise. An den alten Möbeln sieht man dieselben
sicheren Verbindungen wie an den Daehstühlen, der Leim wurde nur benützt, um einge-
legte Arbeit, Pergament oder dgl. zu befestigen, man verwendete nicht geschnittenes,
sondern gespaltenes Holz und arbeitete die Ornamente aus dem Ganzen heraus. Die Um-
risse waren gerade, die Flächen eben, während in neuerer Zeit die vervollknmmneten
Werkzeuge eine wahre Abneigung gegen gerade Linien und ebene Flächen hervorge-
bracht haben.
Die Herstellung war zeitraubender und kostspieliger als heutzutage, aber auch dau-
erhaßcr und künstlerischen Anschauungen mehr entsprechend. Einduss auf den Styl nahm
die Einführung der Drehbank im 12. und der gepolsterten anstatt der mit Polstern und
Decken belegten Möbel im 14. und 15. Jahrhundert. Der Redner nahm dann Gelegenheit,
eine Sammlung chinesischer Werkzeuge vorzulegen und die Abweichungen in denselben
von den unserigen darzuthnn. Zur Decoration und zwar zuerst zur Holzbildhauerei über-
gehend, rügte er als einen Mangel bei der heutigen Möbelfabrication, dass sehr gewöhn-
lich der Holzbildhaner ganz unabhängig von dem Möbelschreiuer arbeitet, wessbalb so oft
Construction und Decoration zu einander im Misrverhültniss stehen. Als das geeignetste
Material für die Hclzbildhauerei bezeichnete er nicht sowohl das härteste, als vielmehr
dasjenige Holz, welches den geringsten Unterschied zwischen Herbst- und Friihlingsansatz
zeigt. Hierauf ging Redner die Eigenschaften der am hliuügsteu gebrauchten Hölzer für
Möbel und Holzschnitzerei durch das Eichen-, Nuss-, Pdaumbaum-, Zürbeb, Linden-
Mabagonyholz u. s. w.
Das von Franzosen zu kleinen Schnitzarbeiten verwendete Holz des Vogelkirschen-
haumes kommt an Härte und Textur dem Eichen- und Nnssholze gleich, ist aber nicht
zu empfehlen, weil es das Feuer seiner rothen Farbe bald eiubüsst und dem Wurmfrasso
sehr ausgesetzt ist. Von den vielen asiatischen und amerikanischen Holzarten sind nur
wenige für die Holzbildhauerei geeignet das Ebenholz, sehr haltbar, aber auch schwer
zu bearbeiten, und für gröbere Arbeiten das Mahagony. In China und Japan werden ins-
besondere das Kampherbaum- und das Sandelholz verarbeitet, beide aromatisch.
Nachdem der Redner dann die verschiedenen Werkzeuge für die eigentliche Holz-
bildhaucrei wie für die Relief- und Gravirarbeit besprochen und vorgewiesen hatte, gab
er einen Ueberblick über die Anwendung der Schnitzerei an Möbeln in den verschiedenen
Zeiten und die wechselnde Organisation der betreßenden Arbeiten und erklärte hiebei die-
jenigen neueren Verfahren, welche bei uns noch wenig Eingang gefunden haben, das
Arbeiten mit erhitztem Werkzeuge, das Einbrennen eines Models in aufgeweichtes Holz,
die Pressung vermittelst des Models; ferner das Pressen von Fournieren mit gravirten Me-
tallwslzen in Wien von Podany ausgeübt, die sogenannte Holzgiesserei, d. b. das Formen
einer Pasta, welche zum Tbeil aus Holsstaub oder Sägespänen besteht, endlich die Sur-
regate Ornamente aus Zink ctc., ferner die Steinfourniere. Den Schluss der Besprechung
bildete die Herstellung und Anwendung der Holzfourniere und das "Fertigmaßhen"
der Möbel.
Erwähnen wollen wir noch, dass Professor Exner mehrmals Anlass nahm, unsere
Kunsttischler su genauer Beachtung und Beniitzuug der Fortschritte der Mechanik für
ihr specielles Gebiet zu mahnen, da sie nur dadurch mit dem Auslands Schritt
halten können.
Stnnden-Eintheilnng an der Kunstgewerbeschnle
für das Sommersemester 1870.
1. Fachschule für Architektur Prof. Storcik täglich von Uhr
früh bis Uhr Abends.
2. Fachschule tür Zeichnen und Malen tiguraler Gegenstände Prof.
Laufberger täglich von Uhr früh bis Uhr Abends; Dienstag,
Mittwoch, Donnerstag und Freitag von 7-9 Uhr früh Zeichnen nach
lebendem Modell.
3. Fachschnle für Thier-, Blnmen- und Ornament-Malerei Prof.
Sturm täglich von Uhr früh bis Uhr Abends.
4. Fachschule für Bildhauerei Prof. König täglich von Uhr
früh bis Uhr Abends; Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag von
7-9 Uhr früh nach dem lebenden Modell.
5. Vorbereitungsschulo Prof. Rieser täglich von Uhr früh bis
Uhr Abends; von 7-9 Uhr früh Zeichnen nach plastischen Gegen-
stünden.
6. Vorlesungen
über Perspective in Verbindung mit Zeiohenübungen Doeent
Teirieh Dienstag und Freitag von 3-6 Uhr;
über Stillehre, Terminologie etc. mit Zeichenübungen Docent
Hauser Montag und Donnerstag von 3-6 Uhr;
über Anatomie mit Demonstrationen am lebenden Modell
Docent Dr. Bandl Dienstag und Mittwoch von bis
10', Uhr;
über Farbenlehre Docent Prof. Ditsch ein er Samstag von
von 8-10 Uhr, im Locale der Handelsakademie.
Bücher-Revue.
Die mit B. K. bezeichneten Nummern sind die Nummern der Bibliothek des Museums.
Läkrehlleeture des nutlons älrlllgeree, etnde sur les principßles constrnctions du
pure Yexposition universelle de Paris 1867 per A. Normnnd, uehitect du gon-
vernement. Psris, chez A. Moral, 1870. Fol. B. K. 2695.
Der Architekt Herr Normnnd hat den glücklichen Gedanken gehabt, die hervor-
rsgendsten Gebäude des Parken auf der letzten Psriser Weltausstellung lllm Gegenstande
eines besonderen Studiums zu machen. Der einleitende Text behandelt die dabei in An-
wendung gebrachten Bsueonstructionen, die 75 Tafeln geben Abbildungen hervorragender
Gebäude. Der Orient und Russland, dieses wegen seiner Holzconstrnctionen, sind am um-
fnssendsten vertreten; ersterer, Aegypten, Tunis und Mnroeco auf 49 Tafeln, Russland mit
I3 Tafeln. Von den übrigen Staaten ist Oesterrsieh mit Tafeln. tiroler und ober-österr.
Bsuernluns enthaltend, Großbritannien mit Preussen, Holland und Spanien mit ja
Einer Tsfel vertreten. Wie fast Alles, was die Firma Moral veröifentlicbt, ist auch dieses
Werk vortrefüch snsgeststtet; der Druck ist von Silbermsnnain Stnssburg.
137
Delle Industrie relative Alle ahliazlonl umane con nntizie monograüche sul mosaico
sulla scultura tarsia in legno del Conte Dem. Finocchietti. Firenss, stab.
di u. raus 1869. als. m29.
Als Geschenk der italienischen Regierung ist der Bibliothek des Museums das vor-
liegende Werk zugehommen. dessen Verfasser Conto D. G. Finocchietti als K. ital. Commissilr
bei der Pariser Weltausstellung fungirte. Für uns hat dieses Werk deswegen eine beson-
dere Bedeutung, weil es zwei monographische Abhandlungen enthält, in denen sich werth-
volles knnstgeschichtliches Material vorfindet. Eine derselben. p. 121-191, behandelt die
Geschichte des italienischen Mosaikes, die andere, p. 209-347 die Geschichte des Intsglio
della tarsia in legno in avorio.
Conte Finov-chietti hat sich mit allen Zweigen der Knnstindustrie, die sich auf die
Wohnungen der Menschen beziehen, gründlich beschäftigt und schon im Jahre 1864 Turin,
tip. Dalmazso ein Werk unter dem Titel "Delle arti industrie applicate ai mobili" ver-
ödentlicht. In dem vorliegenden Werks finden sich zahlreiche statistische Daten über die
Bewegung der einschllgigen italienischen lndustrie zur Zeit der Pariser Weltausstellung
von 1867.
Literatur der Glasindustrio.
I. Gllllle tlll verrler par M. Bnntemps, ancien fahricant. Paris 1868. Librairie du dic-
tionnaire des Arts et Manufactures. B. K. 2540.
z. lm vßrrerlo, depuis les temps les plus recul6s jusquW nos jours par A. Sauzay;
ouvrage illustre. Paris 1868. Librairie de L. Hachette. B. K. 2645.
3. Msrvels of Blass Making by A. Sauzay; illustrated. London, Sampson Low, Son und
Marston 1870. B. K. 2643.
Es ist eine bekannte Thatsache, dass unsere Industriellen keine Freunde der Buch-
literatnr sind; mit Journaleu allenfalls beschäftigen sie sich noch, aber die eigentliche
Fachliteratur liegt ihnen ferne, oder ist ihnen wenig bekennt. Um so nöthiger ist es, sie
auf Werke aufmerksam zu machen, die sich jenen Zweigen der Industrie zuwenden, auf
denen man einen höheren Grad der Bildung nicht erreichen kann ohne fachgemiisse
wissenschaftliche Vorbildung. Um diese ernstere Fachliteratur hat sich in Frankreich Herr
Ch. Labonlaye grusse Verdienste erworben durch die Herausgabe zweier grosscr Sammel-
werke, des Dictionnaire und der Bibliotheque des arts et manufactures. Einen Theil des
letztgenannten Werkes bildet der Gnide du Verrier von Bontemps, ein Werk, von
772 Seiten mit zahlreichen Holzschnitten illustrirt, das als ein ganz vorzügliches Hand-
buch für die gesammte Glasindustrie bezeichnet werden muss. Herr Bontemps spricht als
Fachmann im eminentesten Sinne des Wortes. Er hat sich durch vierzig Jahre als Fabri-
kant mit der Glasindustrie beschäftigt, und als Mitglied der Jury auf den Weltausstellungen
l862 und 1867 in hervorragender Weise hethsiligt. Der-Guide von Bonlemps ist mit um-
fassender Fachbelesenheit verfasst und gibt auch zahlreiche literarische und historische
Nachweisungen. Jedes der iehen Bilcher ist mit einer historischen Einleitung versehen. Diese
sieben Bücher behandeln das Glas im Allgemeinen, das Fensterglas, das Spiegelglas, das
Flaschen las, das Krystallglas, Glas üir optische Zwecke und die Malerei auf Glas. Die Ein-
leitung gibt eine kritische Uebersicht der gesammten Literatur und den Plan des Buches.
Männern der Art. wie Peligot. A. Cochin, Bontemps, verdankt das heutige Frankreich die
g-ossen Fortschritte auf dem Gebiete der Glasindustrie, die mit Aufmerkssmke zu verfolgen,
vor Allem Böhmen nur zu gegründete Ursache hat.
Die Schrift des H. A. ausay. die soeben auch in englischer Uebersetzung erschienen
ist, wendet sich nicht an das eigentliche Fachpublicum, sondern an das sogenannte gebil-
dete Publicum. Wir glauben aber, dass auih Fachmänner diese Schrift mit Nutzen lesen
werden. Herr Sauzay, einer der Conservatoren der Galerien des Louvre, verbindet eine
elegante Darstellung mit einer genauen Kenntuiss des Faches, über welches er schreibt.
Das Buch, das einen Theil der von L. Hachette herausgegebenen Bibliothcque du merveilles
bildet, empfiehlt sich fiir eine deutsche Bearbeitung, wir sagen absichtlich Bearbeitung
und nicht Uebersetzung, weil wir wünschten, dass fiir deutsche Leser Erweiterungen und
Berichtigungen in manchen Partien vorgenommen werden miissten. Die englische Ueher-
setzung des Buches von Sanzay ist ein Zeichen, wie sehr sich das gebildete Publicum in
England fiir kunstindustrielle Fragen interessirt.
Kleinere Mittheilungen.
Besuch des Museums. Im Monat März wurde das Museum ron 7946 Per-
sonen besucht.
Neu ausgestellte Gegenstände. Am 5. Mir-z Ein Glasservice, entworfen
und susgsüihrt vorn Hofglasfahriksnten L. Lobmeyr; Guipururheiteu, ausgeführt von
Fräulein Therese Mirsni; die Clytiabiiste in verkleinertem Massstabe, ausgeführt von
A. Mailler in Wien; slavonische Goldstickereien, eingeschickt durch Herrn F. Lay
in Esse g.
Agm 9. Mlrs. Ornameutale Holzschnitzereien aus dem Atelier des Bildhauers
F. Schünthaler; japanische Rüstung, Eiganthum des Herru Baron Pereirui
Relief, glasirt, in der Art der Della Robbra vom Hsfner Stexnhs ch; Goldstrclrereren,
Eigenthum des Herrn Blum; drei gestickte orientalische Decken, Exgenthum des Herrn
Ourators Nikolaus Dumba.
Am 12. Mlirs Ein gsstickter Heroldrock und zwei Uhren laue der k. k. Schatz-
kammer; Gitter aus Schmiedeisen für den Grafen Karolyi in Pest, ausgeführt vom
Schlossermeister Gschmeidler; eine Gruppe in Wache, entworfen und ausgeführt
vom Bildhauer Schützinger.
Am 16. März Die Geschenke des Mikado von Japan an Ss. Majestät den Kaiser
und die Kaiserin, u. z. zwei Bücher-Etageren, Lackarbeit, ein Ehrenschwert, zwei Bücher
mit Guachemslereien, eine Bronzevese, ungeßhr hoch und Seidenstraße; dann Leder-
mossikarbeiten vom Buchbinder J. Wolf in Gmundeu.
Am 20. März Drei Aquarelle, darunter die Insignien und das Porträt Casimir des
Gressen, ausgeführt von Herrn Lepkowski in Krakau; hetender Engel, üir Repre-
duction in Terracotta entworfen von J. Rosdorf; 30 Stuck jspanesxsche Bronze-
gegonstiinde, Privat-Eigenthum; die Büste Friedrich II., Herzogs von Urbino- Por-
triitmedaillon der Hefschauspielerin Fräul. Walter vom Bildhauer Ostrowski; eine
Suite alter Spitzen und Nadelarheiten, dann indische Seidenstofe, Eigenthurn des Museums.
Am 24. Mlirs Polster-Möbel und Vorhänge für ein Appartement des Grafen Edm.
Zichy in Ofen Steife von C. Gisni.
Am 81. März Porträt der Königin Msris Antoinetts in gsnser Figur, gemalt 1777
vorii gagoltyl; Elgßllrßllllllälxl desc Flüräten Starhemberg; E-Estchreeibtiscä ansh iglthesgcroni-
un osen vom rsc er ar omßromy' ein im rere gesc
nsnrenten, Privat-Eigenthum grosses Gefäss Majolika di Monte Lupo, Eigenthum des
Museums; neue Guipure-Arbeiten von Frl. Therese Mirani.
Am 7. April Ein Glasservice für Wasser, in indischem Stile, susgefihrt von
L. Lohmeyrp- ein Ornameutfries. originales Holzschnitzwerk von A. Barile aus Siena
I6. Jahrh.; Copien von Thonkrügen, Geschenk des Herrn Fleischmann in Nürn-
berg; eine Suite von Farbendrucken, ausgeführt in der chromo-lithogruphischen Anstalt
von Grefe; eine Schüssel mit Ornamenten und Mascarons vnn B. Palissy, Eigenthum
des Museums.
Auslludlsche Stimmen über das 0csterr. Museum. Die Gazette des
beaux arts" bringt im Februar- und Märzheßse den Anfang einer griissereu Arbeit über
den kunstgewerblichen Unterricht in Süddeutschland. Die vorliegenden ersten Artikel he-
schliftigen sich beinahe snsschliesslich mit dem Oesterreichischen Museum, dessen Ein-
richtungen der Verfasser. Herr Eugene Miintz, auf das gründlichsts studirt hat und dessen
Bestrebungen er so entschiedenen Beifall sollt, dass er, wie deutlich herauszulesen ist,
die Gründung eines ähnlichen Institutes in Frankreich anregen möchte.
Einer eben so eingehenden Betrachtung und Würdigung wird unsere Anstalt in der
italienischen Zeitschrift Nuovs Antologia di scienzs, lettere cd arti" Florenz unter-
zogen, und auch da fällt das Urtheil über die Bestrebungen des Museums üusscrst günstig
aus. Verfasser des Artikels ist Fürst Baldassarrs Odescalchi, Mitglied der k. italieni-
schen Gesandtschaft in Wien.
Wenzcl Seidnn 1'. Am 29. März d. J. starb hier im 53. Lebens-
jahre der Medailleur Herr Wenzel Seiden, ein Künstler, dessen Lei-
stungen den Besuchern des Museums hinlänglich bekannt sind. Seiden
war nicht blos als Medaillen ein sehr gerichteter Künstler; er erwarb
sich auch um Kunstindustrie ganz besondere Verdienste. Er gehört zu
jenen Industriellen, welche eminente künstlerische Begabung der Industrie
zuführen mehrere Erfindungen, insbesondere das Prägen mit Stanzen
betreffend, zeugen für seinen Einfluss auf Industrie.
159
In der Kunslgewerheschule beginnt der Unterricht im zweiten Semester
um 19. April d. J.
Programm der Vorlesungen im Winter 1870?! 1. Director-
v. Eitelberger Vorlesung Ueber die Idee einer Wiener Weltaus-
stellung; 2. Prof. Dr. Hlasiwetz Vorl. Ueber Thonerde; 3. Prof.
v. Lützow Vorl. Ueber Gefassbildnerei bei den Alten; 4. Prof.
Ex ner Vorl. Mechanik der Porcellan- und Glasindustrie; 5. Custos
Falke Vorl. Fortsetzung seiner Vorträ über Ausstattung und De-
corirung der Wohnung 6. Oberbaurath chmidt Vorl. Ueber den
Ausbau des Stephansdoms; 7. Reg-Rath Prof. Schäffle Vorl. Üeber
die volkswirthschaftlichen Voraussetzungen der Hausindustrie; 8. Galerie-
Inspector Dr. Thausing Vorl. Ueber Albrecht Dürer.
Der Steiermark. Verein zur Forderung der Kunsllndnstrie hat in der
Generalversammluug am 19. März l. J. einige wichtige Beschlüsse gefasst. Eine Abän-
derung der bisherigen Statuten ward angenommen; die Gründung einer Zeichensustalt
beschlossen, von welcher Gewerbetreibende und Industrielle Entwürfe und Detailzeichnungen
gewerblicher Objecte zur Ausführung erhalten können. Endlich wurde beschlossen, die
nothwendigen Schritte zu thuu, mit Unterstützung des Landtages eine höhere Gewerbe-
Schule für Graz zu errichten. Der Vereineaussehuss hoRt durch diese Reformen die
Theilnahme des gewerbetreibenden Publicums für das Bestreben des Vereines zu heben
und die Zwecke desselben thatkrüftiger zu üirdarn. Nachdem ein grosser Theil der Mit-
glieder des Verainsausschusses in der Generalversammlung ihre Ausschussmandate zurück-
gelegt, wurden die bezüglichen Neuwahlen zum grossen Theile aus den Kreisen der In-
dustriellen und Gewerbetreibenden vorgenommen. Zum Präsidenten des neuen Ausschusses
wurde Herr Graf Heinrich Attems-Petzenstein gewählt.
Für die llolzschnitzereischule in llallein wurde vom h. k. k.
Handelsministerium ein Beitrag von 2500 B. ö. W. aus Staatsmitteln ge-
widmet. Diese beträchtliche Unterstützung rückt die Activirung eines
Instituts um vieles näher, welches bei richtiger Leitung die grösste Wich-
tigkeit für unsere Alpenländer erlangen muss.
Ausstellung in Znainl. Unter Mitwirkung des Museums ist in
der Zeit vom 10. bis 24. April d. J. eine Thonwaarenausstellung
in Znaim veranstaltet, deren Zweck ist einen Ueberblick des gegenwär-
tigen Standes der Thonwaarenindustrie in Znuim und Umgebung zu ge-
winnen und die Bedingungen ihrer Fortentwickelung kennen zu lernen.
Die Ausstellung, an der sich das Museum mit einer grossen Anzahl mo-
derner Fa encen, Fliesen etc. betheiligt, ist seit Sonntag den 10. April
in der Jliyinterbierhalle des Brauhauses in Znaim" eröffnet, woselbst Je-
dermann unentgeltlich der Zutritt gestattet ist.
Gewerbeschule in Pilsen. Angeregt durch die Erfolge der Pil-
sener Ausstellung des abgelaufenen Jahres hat Herr Flora, Prof. an der
Oberrealschule in Pilsen, den glücklichen Gedanken gehabt, eine Privat-
ewerbeschule in das Leben zu rufen. Das östenx Museum hat, von der
eberzeugung geleitet, dass Pilsen ganz der Ort für eine Gewerbezeichnen-
schule ist, Herrn Prof. Hora mit Vorlagen aus der Sammlung des Museums
zur zeitweiligen Benutzung unterstützt.
Gewerbliche Uuterrichtsnnstallen in Oberösterreich. Die
eben erschienenen statistischen Daten, betreEcnd die volkswirthschaft-
liehen Zustände Oberösterreichs", geben kein sehr erfreuliches Bild von
der Lage des gewerblichen Unterrichtes in Oberösterreich. In der Ober-
realschule in Linz und in der Unterrealschule in Steyer ist die Zahl der
Schüler constnnt, eher in Abnahme als in Aufnahme begriffen; dasselbe
gilt von der Grelnial-Handelsscbule in Linz. Der Gewerbeverein in Linz
nimmt an Mitgliedern ab, er ist seit 1863 von 253 auf 173 herabgesunken;
noch bedeutender ist die Abnahme im Vereinsfonde, dieser ist seit 1863
von 5200 H. auf 2339 G. herabgekommen. Dass unter diesen Verhältnissen
die Vereinsschule nicht erweitert und "zeitgemäss umgestaltet werden kann.
liegt auf der Hand. Auch in dem Besuche der Wiederholungsschulen Ge-
werheschulen für Lehrlinge in der Volksschule ist keine Vermehrung des
Besuches wahrzunehmen; im Jahre 1864 besuchten in Oberösterreich
32.064 beiläufig die Hälfte davon Mädchen, im Jahre 1866 30.658 Schüler
die Wiederholungsschulen.
Damit ist es mit den Lehranstalten für den Gewerbestand in Ober-
österreich zu Ende. Wir lesen nichts von einer Subvention des Lsndtages,
nichts von Subventionen der Commune; ja nicht einmal die Einnahmen des
jährlich wiederkehrenden, mit vielem ausseren Pomp in Seene gesetzten
Liuzer Volksfestes, das mit einer Industrie-Ausstellung verbunden, werden
zur Hebung der Schulen verwendet.
Alle Buchhandlungen und Postsnstnlten nslunsn Bestellungen an auf
Kunst und Gewerbe,
Wochenschriß. zur Förderung deutscher Kunstindustrie.
Jahrespreis mit den Beilagen Thlr. I0 Sgr.
Gesuche von Arbellskrlflcn linden unentgeltliche Aufnahme.
Wien und seine Kunstschätze. Ein Führer durch Galerien, Kunstsamm-
lungen und Museen mit einem alphabetischen Künstlerlexicon von
Karl Grün. Wien, Friedrich Beck's Verlegshandlnng, l869.
Preis H. 50 kr.
Recensiou aus Die Dioskuren" Nr. 48 vom 26. Deeemher 1869
Das Büchlein gibt mehr, aber auch weniger als sein Titel verspricht mehr, weil
es fiinf ganze Capitel auf eine prlgnanhe Charakterisirung Wieus in baulicher, gesell-
schaftlicher, politischer und musikalischer Beziehung und swei Bchlnsseapitel Anhang"
auf die Beschreibung eines geheimnisvollen Bildes", das sich im Besitz eines Privat-
mnunes in einer Provinzialhauptstadt befindet, und auf eine Kritik des Lutherdeukmsls
zu Wurms" verwendet; weniger, weil der Ausdruck Fiihrer" den Leser leicht su der
Annahme verleiten könnte, als handele es sich hier um einen trocknen Leitfaden oder
einen beschreibenden Katalog, mit dessen Hilfe er sich in den reichen Sammlungen Wiens
vollständig zu orientiren im Stande wire. Dafür aber wird er durch den aphoristisch-
humoristisch geistreichen Ton, in dem der Verfasser seine kunsthistorischen Studien an
eine Reihe von Hauptwerken in den Galerien Wisns aukniipft, entschädigt. Dennoch Bllfr
hält das Buch, namentlich fir den Fremden, viel Lehrreiches und Ueberzengendes, das
auch, abgesehen von dem Amüsement des Lesens, ein guns respectablcs Residunm von
charakteristischen Gedanken hinterlisst. Wir bemerken, dass l0 Cspitel dem Belve-
dere, der Galerie Liechtenstein, der Akademie, je den Galerien Csernin,
Lanekoronski und Harrach, und Esterhßzy gewidmet sind. Dann folgt Cepitel
über Bahl, enthusiastisch geschrieben und voll treiender Wahrheit, Cepitel über des
österreichische Museum und über die Albertina. Den Schluss bildet der oben
erwähnte Anhang, dessen bedeutendstes Stück die scharfe, aber in vielen Punkten an
untersehreibende Kritik des Wormser Lutherdenkmals" ausmacht."
Selbstverlag des kais. köu. österreichischen Museums.
Druck von Carl Gerold" Sohn in Wien.