"'39. MITTHEILUNGEN wäl-
Fünfter Jahrgang. des 15. August 1870.
k. k. österr. Museums für Kunst 81. Industrie.
Monatschrift für Kunst 8a Kunstgewerbe.
Am 15. einen jeden Monate erscheint eine Nummer. Abonnementspreis per Jnhr B. ö.W.
Redacteu! Bruno Buchen. Expedition von C. GerohPs Sohn. Man abonnirt im Museum,
bei Garold Camp" durch die Postunstnlten, sowie durch alle Bneh- und Knnsthnndlungen.
lnhnlt Zur Fördlrung Knnstindustxie in Oesberreiuh. m. lilnrgilnhsn Gewindlr mit anmachen
lnnchrihun uns 1h! xmmxii-m Dlhliß. um. und Sehluu. um an Phetognphie.
Berinht du Kunslgiwnrhaschlllc Im Ende de; Schuljahre! 1810. Bücher-Revue. Kleinere
Mltthellnngon. lnnm.
Zur Förderung der Kunstindnstrie in Oesterreich.
St-sstssubvention üir Speeislschulen. Die Schwarz-Stiftung.
So wenig die Begebenheiten des Tages geeignet sind, die Aufmerk-
samkeit des Publicums auf jene Bestrebungen zu richten, welche die Für
derung der Kunstindustrie zum Gegenstende haben, so nöthig ist es,
wenigstens den Faden der Ereignisse suf diesem Felde nicht aus den
Augen zu verlieren und das Thstsächliehe genau zu verzeichnen. In
erster Linie kommen hier die Bestrebungen des cisleithenischen Handels-
ministeriums zur Unterstützung von Specialschulen für Kunst-
gewerbe in Betracht. Diese ergänzen dasjenige, was von Seite des Un-
terrichtsministeriums. zur Förderung der Volksschule geschieht. Wie
einerseits durch Hebung des Volksunterrichtes im Allgemeinen dem Ge-
werbestande eine gebildetere und besser erzogene Arbeitskraftzugeiiihrt
wird, so wirken Specislschulen unmittelbar und direct zur Hebung
bestimmter Zweige der Kunstindustrie. Denn Gewerbe bedürfen nicht
blos allgemein gebildeter Arbeiter, sondern Individuen, welche für eine ge-
werbliche Specialität erzegen sind.
Es ist wohl das erste Mal in Oesterreich, dass Staetsmittel direct
zur Förderung von Specialschulen zur Verfügung gestellt werden. In
Hallein, im Grödener Thale werden mit Staatsunterstützung Schulen
für Holzschnitzerei, in Hsida eine Schule für Glasindustrie, in Ga.
lonz für die Quinceillerie, im Aschergebiete nndin Reicheuberg,
in Bielitz-Biela fiirWeberei gegründet. Die Halleiner Schule dürfte noch
imLaufe dieses Winters in das Leben treten. Der am 15. Juli d. J. abgelaufene
Concurs iiir die Lehrerstelle hat nicht unbefriedigende Resultate gehabt,
'die Geldmittel iiir Lehrer und Lehrmittel, die Erforderniss an Locali-
täten sind für drei Jahre vollständig gedeckt. Der Salzburger Landtag
11
ist den Bestrebungen der k. Regierung ebenso freundlich entgegen-
gekommen, als die Stadtvertretung von Hallein.
Anders ist es mit der Schule im Grödener Thale in Tirol. Seit
Jahren verhält sich der Landesausschuss, die Iiandesvertretung von Tirol,
allen Bestrebungen der k. Regierung zur Förderung der Industrie Tirols
gegenüber passiv und abwehrend. Es wird der Landesregierung in Tirol
wohl nichts anderes übrig bleiben, als sich direct mit der Gemeinde des
Grödener Thales zu verständigen. Da. sie nicht mit leeren Händen kommt,
so ist zu erwarten, dass ihre Bestrebungen von Erfolg begleitet sein
werden.
Böhmen ist dasjenige Kronlund, das Specialschulen, welche ihren
Sitz im Centrum der betreffenden Industriezweige haben, am meisten
bedarf. Heide. ist einer der Mittelpunkte für die Hausindustrie, der
Glasrafneure; Gsblonz für Quincaillerie. Die Schule in Haida soll,
ähnlich der Schule in Steinschönau, eine Zeichenschule werden; in Grub-
lonz wird ausser Zeichnen auch Chemie gelehrt werden. Für Gablonz
und Heide sind aus dem Staatsfonde nicht unbedeutende Mittel zur Ver-
fügung gestellt worden. Wir dürfen erwarten, dass die Behörden, welche
mit der Durchführung der Massregeln betraut sind, es an jener Energie
nicht werden fehlen lassen, welche rasche und dauernde Erfolge sichert.
Der Reichenberger Webereischule, die sich eines guten und verdienten
Rufes erfreut, wurden Mittel zum Ankauf von Maschinen zur Verfügung ge-
stellt. Die Industriezweige des Aschergebietes liegen unseren Bestrebungen
etwas ferner; mit besonderer Genugthuung verzeichnen wir die Unterstützung,
welche dem Centralausschusse des Bielitz-Binler Gewerbevereines zur
Sicherung des Bestandes der dortigen Webeschule und Erweiterung der-
selben durch Errichtung einer Zeichen- und Fortbildungsschule aus der
dem Handelsministerium für Förderung des gewerblichen Unterrichtes
zur Verfügung stehenden Dotation zugewendet wurde. Sie beträgt 200011.
Es sind ganz tüchtige und strebsame Männer in Bielitz-Biala, welche
sich die Förderung der Webeindustrie angelegen sein lassen. Fügen wir
noch hinzu, dass von Seite des Handelsministeriums aus dem ebenge-
nannten Fonde der Handelskammer zu Eger eine nicht unbedeutende Dota-
tion zur Anschaffung von Lehrmitteln für den Zeichenunterricht für
Gypsgiisse des Museums zur Verfügung gestellt und für Stipendien zum
Besuche der Kunstgewerbeschule des Museums, die ausschlieslich den
Kronländern zu Gute kommen, gestiftet werden, so kann man sich der
Ueberzeugung nicht verschliessen, dass es der österreichischen Regierung
mit Förderung der vaterländischen Kunstindustrie Ernst ist.
Auf einem ganz anderen Gebiete bewegt sich die schwarzeStif-
tung, deren Verwaltung die niederösterreichische Handelskammer über-
nommen hat. Dieselbe ist bekanntlich vom Hofrsthe Baron W. Schwarzw
Senborn begründet und kommt in diesem Jahre zum ersten Male in Ver-
191
Wendung. Es handelt sich dabei nicht um einfache Reisestipenden, son-
dern darum, Gewerbe, welche sich in Oesterreich bisher nicht eingebür-
gert haben, dadurch in das Leben einzuführen, dass tüchtig vorgebildeten
Männern ein Reisestipendium in das Ausland gewährt und nachdem die-
selben in ihre Heimat zurückgekehrt sind, ein Vorschuss gegeben wird,
um sich daselbst zu etabliren. Das Capital der Schwarz-Stiltung beläuft
sich jetzt auf mehr als 17,000 11.; die Interessen sind bis zur Höhe von
5300 fl. angelaufen.
Bei der jüngsten Anwesenheit des Hofrathes Schwarz-Senborn wurde
in einer Sitzung der gewerblichen Section der Handelskammer berathen,
welchen Gewerhen diese Unterstützung zuerst und in welchem Masse
dieselbe zugewendet werden soll. Ueber Antrag des Hofrathes Schwarz-
Senborn wurde beschlossen, zuerst ein Stipendium für Emballage zur
Förderung des Specialgewerbes der Emballeurs, das bei uns nicht
existirt, auszuschreiben, diesem alsbald Stipendien für Ciseleure und
Töpfer potiers folgen zu lassen. Das Gewerbe der Emballage berührt
die Interessen des Museums nur indirect. Darüber kann nach den insbe-
sonders bei grösseren Ausstellungen gemachten Erfahrungen kein Zweifel
sein, dass die Kunst der Verpackung in Oesterreich viel zu wünschen
übrig lässt und als Specialgewerbe noch gar nicht existirt. Grosse Fa-
briken verpacken selbst, das Publieum und kleinere Gewerbsleute über-
lassen die Verpackung entweder den Exporteurs, oder helfen sich so gut
und so schlecht es eben geht. Dass sehr häulig schlecht und ohne Ver-
ständniss gepackt wird, hat man im Museum oft Gelegenheit gehabt, sich
zu überzeugen. Viel näher stehen den Bestrebungen des Museums die
Stipendien für Ciseleurs und Potiers, ja sie ergänzen direet in ganz
zweckmässiger Weise die Bestrebungen der Schule und der Gesellschaft
zur Förderung der Kunstgewerbeschule. Wir werden, wenn diese Stipen-
dien ausgeschrieben werden, ausführlich auf dieselben zurückkommen, be-
merken jedoch jetztschon zur Vermeidung von Irrthümern, dass unter Potiers
die ceramischen Kunstgewerbe, welche sich mit Erzeugung bemalter Thon-
waare, wie Fayenciers u. s. f., befassen, verstanden werden und dass alle jene,
welche sich an den Concursen für diese Stipendien betheiligen wollen,
tüchtig gebildete Zeichner und der üanzösischen Sprache mächtig sein
müssen.
Die liturgischen Gewänder mit arabischen Inschriften aus der
Marienkirche in Danzig.
Fortsetzung und Schluss.
Die Musterung unseres Stoffes anbelangend, ist dieselbe, wie schon
früher gelegentlich seiner Beschreibung bemerkt wurde, durch die soge-
nannten Plattgoldfäden gebildet. Die Häutcben, auf welche das Gold
11
192
aufgetragen, sind nach Herrn Hinz' Bemerkung l. c. 59 sehr dünn und leicht
zerreissbar. Die verschiedenen Versuche lzur Erklärung ihrer Substanz
vgl. Bock, I. 42. 48, 50 waren gescheitert, bis Prof. Brücke in Wien
durch mikroskopische Untersuchungen entdeckte, dass sie- so weit seine
Beobachtungen reichten dem Peritonaeum, dem sogenannten Bauchfelle
des SchlachtvieHs arabisch sifdk, entnommen sei, also entgegen der
bis dahin gehegtenVermuthung einer vegetabilisoben Substanz Papyrusstaude
Byssus "Ü.
Ist hierdurch wenigstens schon der erste Schritt zur Ermöglichung
der angestrebten Wiedererzeugung dieser prächtig und dauerhaft vergol-
deten Fäden erleichtert, so bleibt doch noch die zweite, in kunsthisto-
rischer Hinsicht nicht minder wichtige Frage ihrer Herkunft zu be-
antworten.
Bock und Andere l. c. I. 43, 50 haben die Ansicht ausgesprochen,
dass diese Häutchen im Oriente in grossen Mengen auf der einen
Seite vergoldet worden und bis in's späte Mittelalter den occideutalischeu
Webereien als fertiges Goldgespinust, als Waare zngekommen seien.
Diese Vermuthuug erweist sich durch die Berichte der arabischen Schrift-
steller als vollkommen richtig.
Der Goldfaden heisst heute noch im Arabischen schechtweg lcasab
oder lcasab aafar d. i. goldener kasab, der Silberfaden kasab abjadh,
und auch in den Quellen wird in der Benennung der auf verschiedene
Weise mittelst Thierhäutchen zubereiteten alten Goldfäden kein beson-
derer Unterschied gemacht. In den arabischen Büchern, namentlich aber
bei den ägyptischen Historikern, wo oft von Stoßen erzählt wird, kommt
nämlich sehr häufig das Wort kasab und das von derselben Wurzel
gebildete Particip ukassab d. i. mit Gold- oder Silberfäden brochirt,
dessen Uebersetzung als orne de pierreries" Herr Dozy Diet. det. des
vetements chez les Arabes, 331, Anm. wohl selbst nicht mehr weiter
zu vertheicligen gewillt sein wird, zur Anwendung.
Wenngleich sich nun die ursprüngliche Bedeutung des Wortes
Kasab Rohrhalm nicht zu einer Beziehung mit der erwähnten anima-
lischen Substanz unserer Goldfäden hiniTlhreu lässt, sondern die hier in
Frage kommende Bedeutung des Wortes als Gold- oder Silberfaden sich
vielmehr nach der Ansicht des Herrn Prof. Fleisch er an die anfang-
lich wohl stärkeren, langen Rohrhalmen ähnlichen, gezogenen Gold-
und Silberdrähte zu knüpfen scheint; so steht doch auch die Identität
unserer Plattgoldfaden mit dem kasab der Schriftsteller ausser Zweifel,
da sie ja zumeist röhren artig um Leinen- oder Byssusfaden gesponnen,
Mittheilungen des k. k. östarr. Hessens 69.
Herrn Hinz mag wohl Hie Brückdsehe Entdeckung unbekannt geblieben nein,
in er 8. 59 noch der oben gedachten Varmuthung Baum gibt.
193
angetroffen werden Bock, I. 49. Aus der gleichzeitigen selteneren
Anwendung unserer nicht umsponnenen Plattgoldfäden, welche also, wie
eben bemerkt, auch den Namen kasab Eihrten, mag wohl die der Grund-
hedentung nicht entsprechende Anwendung dieses Wortes iiir die heut-
zutage zu Stickereien in Aegypten benutzten länglichen Gold- und Silber-
plättchen herzuleiten sein.
Von entscheidender Wichtigkeit Fir unsere Frage ist es nun, dass
nicht selten in den arabischen Quellen, wenn von Stoffen des XIII. und
XIV. Jahrhunderts die Rede ist, sich die Bemerkung findet, die Musterung
derselben habe aus ägyptischen Golde" dsahab misri bestanden.
Die häuüg wiederkehrenden Beschreibungen aller Arten von goldge-
stickten Gürtelbinden, Sätteln, Borten, Stoffen u. s. w. lassen dies zur
Genüge beobachten. Selbstverständlich kann aber unter dem "ägyptischen
Golde" bei Geweben nichts anderes verstanden werden, als eben der
vergoldete Faden, kasab, was schon daraus hervorgeht, dass bei gleich-
Iautenden Angaben dieses Wort öfters an die Stelle des dsahabu Gol-
des tritt und häufig auch das kasab mudsahhab" vergoldeter kasab
gebraucht wird
Hieraus ergibt sich nun mit Gewissheit die Folgerung, dass egyp-
ten zur Zeit, auf die sich jene Nachrichten beziehen und der auch unser
Gewebe angehört, wenigstens Einer der östlichen Hsuptplatze für die
Zubereitung der berühmten Goldfäden war. Das Material zur Vergoldung
lieferte nach den obigen historischen Angaben Aegypten selbst. Damals
wurde dort eben noch der Goldbau betrieben, indem sich inOherägypten
hart am rothen Meere in der Nähe der nubisohen Grenze, im Gebirge el-
Allaki, ergiebige Goldminen fanden, die, wie der fürstliche Zeitgenosse
Abü-l-feda 1331 in seiner Geographie berichtet, immer in dem Masse
ausgebeutet wurden, als man des Goldes zur Verarbeitung beduriie. Dass
dieselbe aber in Aegypten Fir unsern speeiellen Theil denKunstindu-
strie allein schon sehr bedeutende Dimensionen erreicht haben musste,
geht aus Nachrichten hervor, nach denen auch noch zu Anfang des
XIV. Jahrhunderts für die Goldstickerei zum Stoffe eines einzigen Pracht-
kleides ein Gewicht von mehr als hundert Mitskäl Ducaten "ägyptischen
Goldes" verbraucht wurde.
Was hier nun bezüglich des Vaterlandes der gediegenen Vergol-
dung unserer Fäden als nachgewiesen gilt, kann wohl ohne Wagniss
auch von ihrer animalischen Unterlage, dem nfäk, behauptet werden.
Von Aegypten aus dürften also nach unsern Daten wenigstens
In dem "mukauab bi-dsihsb" hinwieder kann wohl keine Tnnfologie liegen, wie
Hart Dozy e. meint. Hier ist einfmh mukauav 1h ,brod6" zu übersetzen und du
dsähnb dient zur näheren Bezeichnung, ja auch Bilberbroonte gab, aho
brodä d'or.
um die Wende des XIII. und höchstwahrscheinlich selbst noch bis in die
Hälfte des XV. Jahrhunderts die platten und gesponnenen Goldfaden
gleich den berühmten ägyptischen Stoffen in alle Weltgegenden, selbst zu
den Mogolen, als Waare versendet worden sein. Gibt uns doch davon auch
die Thatsache Zeugniss, dass im Jahre 1323, als die Gesandtschaft des
mogolischen Sultans Abü Sa'id Chän dem Mamlüken-Sultän Näsir-ed-din
Muhammed mannigfache Erzeugnisse der Kunstindustrie ihres Landes als
Geschenke zu Füssen legte, sich darunter nach der Aussage des anwe-
senden Abü-l-feda auch drei mit ägyptischem Golda" gestickte Sättel
befunden haben.
Ein unerwartetes Licht wirft aber das ägyptische Gold" der
orientalischen Quellen auf den von den nccidentalischen Schritt-
stellern des spiitern Mittelalters zur Bezeichnung unserer Goldfaden ge-
brauchten, aber bisher noch nicht sicher erklärten Ausdruck Aurum
Cfypreum" cyprisches Gold.
Bock 1. c. I. 50 Anm. hat desshalb schon scharfsinnig vermuthet,
dass diese Benennung wohl mehr die orientalische Herkunft der Gold-
faden, als ihre Anfertigung auf der Insel Cypern anzudeuten scheine.
Diese Vermuthung wird sofort zur Gewissheit, wenn man den obigen
Resultaten gegenüber auch noch die politische und commercielle Stellung
Cyperns im XV. Jahrhundert und die geographische Position dieser Insel
sich gegenwärtig hält.
Bekanntlich war Cypern nach der Gefangennehmung des Königs
Janus 1398 1432 durch die Mamlüken in die Abhängigkeit von
Aegypten gerathen. Diese war so vollständig, dass die Einkünfte der
Insel für den Unterhalt der beiden heiligen Stätten des Islam, Mekka
und Medina, abgeliefert wurden und König Jacob als steuerpflichtiger
Vasall in Kairo dem Mamlüken-Sultßn den Eid der Treue schwören
musste.
InFolge dieser politischen Verbindung yperns mit Aegypten
geschah es denn, dass die vielbesuchten gewerbreichen Handelsplätze der
Insel nicht minder als Alexandrien selbst für die Staffeln des Mor-
genlandes" Scale di leuante galten, woher Europa durch Vermittlung
der angesiedelten Genueser und Venetianer Kaufleute die berühmten
ägyptischen Seidenstoife, das Material der Seide zum Sticken, namentlich
aber, wie Bock I. 209 nachgewiesen, Goldgespinnste und orientalische
Goldfäden in grossen Mengen zu beziehen pflegte. Nach dieser Darlegung
bedarfder Causalnexus des cyprischen Goldes" mit dem ägyptischen
wohl keines weitem Nachweises
Um ein sehr umheliegendea Analogon anzufihren, haiut der arabische Kaffee
levnutiucher Kaffee, weil er vorxuguweiue über clieHäfen der levantiuchonKiiaten
bezogen wird.
195
Nicht weniger massenhaft, als die Erzeugung der ägyptischen Gold-
faden war auch die der Stoffe in Kairo und Alexan drien. In beiden
Städten befanden sich Stoifmanufacturen; doch war die der letztern
Stadt, als monopolisirtes mamlükisches Krongut, weit berühmter und
grösser denn jene von Kairo. Schon im V11. und VIlI. Jahrhundert galt
Alexandrien als ein hervorragender vielhesuchter Stapelplatz iiir Seiden-
stoEe, und die panna Alezandrina" fanden im Mittelalter die weiteste
Verbreitung Bock, I. 29 f.. Auch noch im XIV. Jahrhundert behauptete
Alexandrien diesen Ruf, denn fast immer werden die in den muhamme-
danisehen Quellen jener Zeit besprochenen prächtigen Seidenstoife als aus
der Alexandriner Fabrik kommend bezeichnet.
Diese mit dem Namen Där et-tiräz benannte, dem gleichnamigen
normannischen Institut in Palermo und dem Fmnuxstov Gynaeceum
der byzantinischen Kaiser entsprechende, sultänische Stolfmanufactur
verfertigte, wie Abü-l-fedä Annales, V. 376 zum Jahre 1328 berichtet,
die kostbarsten Gewebe fiir das Eigenthum des Sultans Nasir-ed-din
Muhammed li-l-chäss eseh-scheüf, wessbalb auch auf unserm, demselben
Blürsten angehörenden Danziger Praehtgewebe der Titel und Name des
Fabriksherrn mit der Besitzformel Unserem Herrn dem Sultan
.. zugehörig" eingeleitet wird.
Ich gehe nun zu den unter Nr. und3 beschriebenen gestreiRen
Seidengeweben über.
Die Muslimen hatten von jeher Vorliebe für buntgestreiße Steife.
Dies geht auch schon daraus hervor, dass die arabische Literatur dem
berühmten Grammatiker el-Mubarred 898 n. Chr. ein eigenes Buch
über gestreifte Zeuge verdankt. Die vorzüglichsten derselben kamen aus
Jemen, dem sogenannten glücklichen Arabien, und ein aus solchem Zeuge
verfertigtes sehr gebräuchliches Oberkleid, ein weiter Mantel nicht der
Stoß allein, wie bei Bock, I. 19 heisst hibam oder burd, der Stoß"
mit eingewebten Streifen aber wird rakm davon das italienische ricämo
genannt.
Die gestreiften Steife führten indess auch noch andere Namen, welche
sich nach den verschiedenen einzelnen Merkmalen in den Dessins aus-
bildeten und als termini techniei in der arabischen Sprachd einbürgerten 5'.
Ein Beispiel dafür haben wir eben auch mit den hier zu besprechenden
Stoffen, die uns zugleich zur Beseitigung eines philologischen Bedenkens
verhelfen.
Ein Gleiches gilt auch von den Muaternngen nichtgestreiher Steife. So bezeichnet
beispielsweise gnulhäijnr", d. h. ngevogalt", ein Gewand, welches mit Vogelbildem Egmrirt
ist. Analogien hierzu bieten uns die occideutaliachen StoE- und Gewäudernamen uala
urica leanuio, Ad ergewmd, Pfaueugewmd u. s. w. Vergl. Bock, 11.
Der Geheimsecretär des Sultan Näsir-ed-din Muhammed und Richter
Schihab-ed-din Abü-l-Abbäs Ahmed 749 d. H. l3489 n. Chr.
hat uns nämlich in seinem Geschichtswerke "Mesälik el-absär
memälik el-amsär" eine genaue Beschreibung der verschiedenen Gat-
tungen Ehrenkleider, welche die mamlükischen Sultane an ihre Würden-
träger verschenkten, überliefert. Darunter finden wir auch die obigen
Stoifgattungen verzeichnet. Die bezügliche Stelle lautet in wörtliche-
Uebersetzung Für den niedereren Rang als den eines ersten Statthalters
gibt es hinsichtlich der Ehrenkleider eine Stoiigattung, die uißyäjlo
genannt und in dem Dar et-tiräz von Alexandrien, sowie in Kairo und
Damaskus gemacht wird. Dieser Steif besteht aus verschiedenfarbigen
Streifen, die mit vergoldeten kasab melirt sind. Zwischen diesen Streifen
erstrecken sich Bilderstickwerke nuküsch und die Borte besteht gleich-
falls aus kasab."
Aus andern Stellen ägyptischer Historiker derselben Zeit erfahren
wir noch dazu, dass Utßjolvb ein Seidenstoff gewesen sei. Bezüglich
seiner Benennung hat nun Quatremere Hist. des Mamlouks, H. 2. Abth.
p. 70 nach einer deshalb angestellten Untersuchung die Frage unbe-
antwortet gelassen, ob Ullßl-Jjlv in solcher Orthographie Jharduhasch" aus-
zusprechen und als ein aufgenommenes Fremdwort anzusehen, oder ob
es alssarabisches Compositum thard-wahse7z" zu vocalisiren sei, wonach
die Uebersetzung das Treiben des Wildes" auf entsprechend dar-
gestellte Jagdbilder zu beziehen wäre.
Die einfache Vergleichung unserer Steife mit der obigen historischne
Notiz erweist die letztere Oombination als die allein richtige. Unsere
Steife bestehen im Fond aus Seide, die Grundfarbe der breiten Streifen
wechselt in Blau, Roth und Grün, so dass dieselben durch die Goldiäden
vergoldete kasab, welche die Schriftzüge und das Muster bilden, melirt
erscheinen. Zwischen diesen breiten buntfarhigen Streifen, je zwei der-
selben von einander trenuend daher sÄm im
Texte, erstrecken sich vom weissen Grunde abhebend in langen Reihen
eingewebte bildliche Darstellungen liebender Löwen, Hirsche
und Hasen, die also eben nichts anderes vorstellen, als das Treiben
des Wildes" thard-wahsch.
Die Borten unserer für liturgische Zwecke zugeschnittenen Stoffe
fehlen. Die Identität derselben mit den in der Beschreibung Schihab-ed-
din's gemeinten ist also wohl zweifellos, demnach die Annahme Hinz',
dass unsere mit Inschriften versehenen liturgischen Gewänder aus
orientalischen Teppichen gefertigt seien, umsoweniger stichhaltig, a1!
Im Texte Mluküsch", fiir die Beweisführung aber wohl gleichgiltig ob "opus textile
oder opus phrygicum.
un
Schihäb-ed-din selbst auch von TurhanstnEen erzählt, die zu Geschenken
bestimmt, in gleichen Streifen die Titeln des Sultans eingewebt trugen 5'.
Was nun die Jagdvorstellnngen selbst betrifft, so haben Wilken und
Hinz p. 56 f. das letzte der immer in wiederkehrender Ordnung lau-
fenden drei Thiere unrichtig als Hund erklärt. Der vermeintliche Hund
ist ein Löwe, der lange gewundene Schweif zeigt dies schon allein. Was
uns aber hierbei auffällt, ist das Fehlen der Strenge und Gesetzmässig-
keit in der Zeichnung, wiewohl eine gewisse Natürlichkeit der Stellung
und Freiheit der Bewegung in den Tbiergestalten nicht abgeläugnet
werden kann.
Wer nun Gelegenheit gehabt hat dergleichen auf bildliche Darstel-
lungen organischer Formen bezughafte Kunstbestrebungen im Islam zu
verfolgen, wird mit Beziehung auf unsere Thierbilder den Umstand auf-
fallend bestätigt finden, dass der Kunststyl zu gewissen Epochen, nament-
lich während und nach den Kreuzzügen, wo die Aufnahme figürlicher
Darstellungen auch in der Tektonik der Muslimen grossen Aufschwung
genommen, immer durch die geistige Richtung der einzelnen in natio-
naler Hinsicht von einander geschiedenen Völkerstämmen bedingt war.
Insbesondere auch unter den Mamlüken turkcmanischer und tscherkessi-
scher Abstammung, von der Mitte des XIII. Jahrhunderts angefangen,
entwickelte sich bei unverkennbarem EinHusse des christlichen Europa
die dem erhöhten Druck orientalischer Despotie mehr entsprechende
Manier, die organischen Formen ohne Rücksicht auf die Forderung des
Gegenstandes immer wieder auf eine ähnliche Weise zu modificiren. Wo
eine solche Uebereinstimmung nachgewiesen werden kann, dort ist sie
auch in chronologischer Beziehung erzielt.
Auf diese Weise hat auch schon Herr Essenwein, veranlasst
durch die in meinem Briefe an Herrn Prof. Bergau mitgetheilten und
im Anzeiger fiir Kunde der deutschen Vorzeit, 1870, Nr.2 p. 49 ff.
abgedruckten Resultate meiner Untersuchung, in der genauen Ueberein-
stiinmung unserer in Rede stehenden Thieriigur mit dem Löwen eines
im Germanischen Museum bewahrten Gewebes, für dasselbe die Berich-
tigung eines chronologischen Irrthums gefunden.
Ganz auf die nämliche Art vermögen wir die Zeit unserer Stoffe
mit ziemlicher Genauigkeit zu bestimmen. Dass sie mamlükisch sind,
steht fest nicht allein durch den vorhin gegebenen Quellenbeleg, sondern
Gestreifte Stoßs der hier beschriebenen Gattung, aber ohne Jagdbilder, wie sie
auch vorkommen, mögen wohl einen andern Namen geführt haben oder es ward der
ursprüngliche beibehalten und, nachdem er einmal für die Bezeichnung einer Hauptgattung
von Stoßen geläufig war, nicht mehr massgebend für das rä rt Fortbestehen
der ihn früher veranlassenden Bilder. Aus ähnlichen Gründen ist uns noch bei vielen
andern arabischen Wörtern die Möglichkeit einer etymologilchen Erklärung so lange
entzogen, bis nicht wie hier ein glücklicher Zufall die Spur entdecken lässt.
198
auch durch den mamlükischen Titel es-eultän el- melik". Das durch
die vorausgeschickte Auseinandersetzung geforderte Beweismoment liegt
nun aber gleichfalls in den Löwenbildern unserer Steife und der mam-
Iükisehen Münzen. Letztere zeigen um die Mitte des XIV. Jahrhun-
derts in ihren Löwenfignren in jeder Hinsieht eine solche genaue Ueber-
einstimmnng mit denen unserer Gewebe, dass man glauben sollte, die
Bilder der einen seien von denen der andern copirt worden.
Diese Löwen unserer mamlükischen Gewebe und Münzen weisen
demnach bestimmt in die Mitte des XIV. Jahrhunderts die Zeit
unserer historischen Quelle um so sicherer, als die Löwen der
Mamlüken-Münzen der vorhergehenden Periode, der zweiten Hälfte des
XIII. Jahrhunderts, wieder in ihrer manierlichen Darstellung einen ganz
veränderten Charakter aufweisen. Das Letztere gilt auch von den
Löwenbildern auf den Münzen der grossen Ilchaniden-Dynastie des XIV.
und von jenen der Seldschüken-Münzen in der ersten Hälfte des XIII.
Jahrhunderts.
Es ist hieraus schon jetzt ersichtlich, wie wichtig die orientalischen
Münzen als vollgiltige Beweisstücke bei chronologischen Untersuchungen
über Gewebe werden können. Vornehmlich kommt uns hierbei aber neben
den palaeographischen Anhaltspunkten der beiderseitige Reichthum an
biljdliehen Darstellungen zu Hilfe. Eben die häulige Anwendung
derselben auf diesen Gegenständen muslimischer Kunst- und Industrie-
erzeugnisse hat nun schon oftmals zu Erörterungen über solch' eine Ano-
malie gegenüber dem bekannten hergebrachten KoranverbotAnlass gegeben.
Auch Canonicus Dr. Bock 1. c. I. 37 suchte bezüglich desselben
die strenggläubigen Muslimen durch eine sinnige Hypothese zu recht-
fertigen. Trotz alledem ist es lür jeden Korankenner eine ausgemachte
Sache, dass sich in diesem Buch keine einzige das allgemeine Bilder-
verbot aussprechende Stelle befindet; denn der als Beleg von rechtgläu-
bigen Orientalen und leichtgläubigen Occidentalen bezogene 22. Vers
der II. Sure Fa-IQ. tadschhlü lilläbi andadan", d. h. stellt Gott daher
keine andern Götter zur Seite, bezieht sich, wie schon Marac-
cius nachgewiesen, auf die von Muhammed zertrlimmerten mekkanischen
Götzen.
Dies Verbot zielt nur auf die abgöttische Verehnmg lebloser
Figuren, und wenn eben durch den buchstabenglauberiscben Fanatismus
orthodoxer Theologen, die selbst dem Einbande und Futteral des Korans
Auch Afjdbidßn führen auf einigen bekannten Steininscbrimn diesen 'l'itel, ni aber
auf Münzen. Wäre Fraehn bei Hinz, 52 f. die Leaung dssselben gelungen, so hätte
er selbstverständlich die Zutheilung unseres Stoffes an den Beldschüken Knikaun I. von
Kleinasien 1219, die auch sonderbuer Weine Wilke I. e. p. 56 thoilbe, nicht
gewalt-
1213
die Eigenschaft des Wort Gottes zuerkannten, in die Verfertigung von Bild-
werken überhaupt, der Verdacht der Ketzerei gelegt wurde; so belehrt
uns die reine Quelle der Numismatik eines Andern über die Koran-
exegese der muslimischen Fürsten und ihrer nichttheologischen Unter-
thanen.
Schon Omar, der zweite Nachfolger des Propheten und erste grosse
Staatsmann des Islam welcher überall religiöse Toleranz walten liess,
wo seine Steuereinnehmer gefüllte Säckel und den guten Willen sich
ihrer zu entledigen, vorfanden liefert durch die Aufnahme byzanti-
nischer und säsänidischer Münztypen, d. h. der Brustbilder griechischer
Kaiser und persischer Könige, sowie der Embleme des christlichen
und zoroastrischen Cultus das erste Beispiel eines umfassenden Ge-
brauchs von Bildern und merkwürdig religiösen Freisinns im Islam.
Mit Beginn des XII. Jahrhunderts wurde die bis dahin fortgeübte
Anwendung von Bildern allgemein und in Folge der Kreuzzüge von christ-
lichen Elementen sehr beeinflusst. Wir finden, um wieder nur die Prägen zu
erwähnen, neben den Bildern Christi, der heiligen Maria und der bibli-
schen Vorstellung Daniel in der Löwengrube", wie sie auch Abbe Martin
auf einem in der St. Walburgiskirche zu Eichstädt aufbewahrten Ge-
webe des X. Jahrhunderts entdeckt hat Bock, I. 17, die verschieden-
artigsten, von Kunstgegenständen genommenen Copien mythologischer
und historischer Personen des Alterthums. Ferner symbolische Darstel-
lungen nämlich schon im XII. Jahrhundert den doppelköpiigen Adler,
dessen Vorkommen im europäischen Mittelalter durch den neuerlich in
der Wiener Numisxnatischen Zeitschrift, II. 81, beschriebenen Brakteaten
des Fuessener Fundes bis in's XIII. Jahrhundert herabgerückt ist,
für die Chronologie der Gewebe mit Doppeladlern gleichwicbtige Daten.
Eine eingehendere Darlegung des merkwürdigen Zusammenhangs des
Orients mit dem Occident hinsichtlich der Bildersymbolik auf Münzen
und anderenKunst- oder Industrieerzeugnissen würde hier indess zu weit
führen; es sei nur noch gestattet mit Beziehung darauf urz anzudeuten
wie dieselbe auch ins österreichische Mittelalter nach einer Richtung
hin Eingang gefunden hat. Auf den babenbergischen Pfenningen gleichwie
auf den liturgischen Gewändern des XIII. und XIV. Jahrhunderts finden
sich nämlich die orientalischen Darstellungen der die vier Elemente
Erde, Feuer, Wasser, Luft symbolisirenden Bilder Elephant mit Thurm,
Drache, Ente auf litnrg. Gewändern aber Fischreiher und Adler. Andere
dieser Pfenninge bieten hingegen die getreue Wiedergabe des orientali-
schen Symbols iiir das Zodiacalzeichen der Jungfrau arab. sunbula,
wie ich es im I. Bande der Num. Zeitschr. 478 nachgewiesen habe. Zur
Erklärung dieser Nachahmungen werden eben die Bilder des Thierkreises
und der übrigen Himmelszeichen häufiger als andere auf orientalischen
Münzen, Gefassen und Stoffen angetroiien. Und so lässt sich denn, um
auf die letzteren wieder zurückzukommen, auch das Muster des bei Bock,
I. 2. Abth. Taf. abgebildeten sarazenischen Gewebes erklären. Die
von Bock p. 175 f. mit einem indischen Götzen verglichene Figur, ist das
bei den Muhamrnedanern geläufige Symbol für das Zeichen des Krebses
und der Schlangenträgerß wohl nichts anderes, als das so benannte Bild
am Sternenhimmel
Bei den unter 4-10 beschriebenen Geweben endlich anlangend, kann
ich mich nach dem bisher Gesagten kürzer fassen; namentlich bei und
wo die Inschriften, da sie aus andern, den vorher besprochenen ganz
ähnlichen Stoffen aufgenäht sind, eine Zeitbestimmung nicht zulassen.
Hinsichtlich des Stoffes möchte ich indess bezweifeln, ob sich wohl die
Zutheilung desselben in die byzantinische Periode bei Hinz, 69
gegenüber seinem köstlichen Muster im reinsten muslimischen Styl recht-
fertigen liesse, besonders wenn man bedenkt, wie seine durch regelmässig
verschlungene Linien gebildeten Arabesken die sich schon im XII. Jahr-
hundert auf Münzen nachweisen lassen als muslimisches Gemeingut
und ausserordentlich beliebte Ornamente sowohl fürMünzen, als für StoBe
oder Steinsculpturen zu Anfang des XIV. Jahrhunderts sich nicht nur
über das Gebiet der goldenen Horde, sondern auch über Persien, Syrien,
Aegypten bis nach Spanien hin verbreiteten.
Bezüglich Nr. erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass die paar-
weise geilügelten Thiergestalten und phantastischen Vögel beliebte Mu-
ster fiir norditalienische Seidengewebe des XIV. Jahrhunderts abgaben,
woraus sich wohl der Schluss auf eine nicht allzu entfernte Zeitperiode
auch für die muslimischen Vorbilder, zu denen unser Stoß" gehört,
ziehen liesse.
Bestimmtere Resultate gewinnen wir durch die Inschriften der fol-
genden Stoffe. Ein Blick auf dieselben lehrt, dass sie imitirt und zu
ornamentalen Zwecken von muslimischen Vorbildern entlehnt sind. Hieraus
nun, und in Erinnerung der unter a. und entwickelten Regeln ergibt
sich von selbst ihre Zeitbestimmung. Bei Nr. war Bock in seiner Gesch.
der liturg. Gew. I. 57, 69 der Meinung des Abbe Martin gefolgt, indem
er dieses und ein im k. k. Museum beiindliches gleiches Gewebe Ka-
talog Nr. 142 als muslimisches nach Sicilien in den Schluss des XIII.
Jahrhunderts gehöriges Fabricat erklärte.
Dass der Stoß aber nicht siciliseh-arabisch sein kann, beweisen die
verstümmelten nicht-muslimischen Inschriften und ein ferneres Beharren
bei der obigen Zutheilung wäre in diesem Falle nichts anders, als ein
Beleg starrer Kritiklosigkeit gegenüber den unter und dargelegten
Beweismomenten. Völlig schlagend gegen die Beck'sche Zuweisung spricht
aber noch der Inhalt der Legenden selbst, denn da nach ihnen der
Arabilch el-lmwwd d. h. mlligunu aarpenm vir.
au;
Musterstoi? unseres Gewebes dem Sultan Näsir-ed-din Muhammed 1341
angehört hat, wird die Imitation, wenn nicht in eine relativ spätere Zeit
so doch in die Regierungszeit dieses Sultans zu setzen sein und zwar,
um nicht gegen die Regel zu verstossen, muss sie nach Oberitalien
gegen die Mitte des XIV. Jahrhunderts versetzt werden, wo damals zu-
folge der Nachweisung Beck's 46, 58 die Seidenmanufactur bereits
in Lucca, Florenz, Genua, Venedig und in der Lombardei einen bedeu-
tenden Aufschwung genommen hatte. Hierzu passen aber die Inschriften-
formen recht wohl, wie es die norditalienischen Imitationen arabischer
Kunstgegenstände mit Iuschriften beweisen.
Aus eben denselben Gründen halte ich auch bei dem Gewebe
bezüglich dessen Bock, trotz seiner richtigen Zutheilung in's XIV. Jahr-
hundert, zweifelhaft war, ob es im Königreich Granäda oder in Sicilien
von muselmännischen Arbeitern gefertigt, oder in den lombardischen
Städten imitirt worden sei, letzteres für allein richtig
Auch für die letzten drei Stoffe 10, deren völlig corrum-
pirten arabeskenartigen Inschriften denselben Charakter mit den
vorigen haben, darf ich daher eine gleiche Zutheilung wagen, und glaube
in der That dabei durch die Muster nicht minder unterstützt zu sein,
als von Dr. Bock, welcher gelegentlich eines ganz ähnlichen Seiden-
gewebes des k. k. Museums Katalog Nr. 161 dem Wissbegierigen im
Tone des delphischen Orakels verkündet wenn das vorliegende Gewebe
nicht der sicilianischen Industrie entstammt, so dürfte es vielleicht den
norditalieniscben imitirten Arabesken angehören."
Die hiermit abgeschlossene kritische Untersuchung hat also ergeben,
dass die Sammlung der liturgischen Gewänder mit arabischen Inschriften
in der Danziger Marienkirche zum grössten Theil aus ägyptischen
Originalstoffen- und norditalienischen Nachahmungen ägyptischer
Gewebe besteht. Die Zeit der ersteren ist die erste Hälfte des XIV.
Jahrhunderts. Damals war Aegypten durch die fast fünfzigjährige Regierung
des Sultans Näsir-e d-din Muhammed zu einem Glanze und einer Herr-
lichkeit gelangt, wie noch nie zuvor. Nicht geringer als um die Viehzucht
und Agricultur, Strassen- und Wasserbauten sind seine Verdienste um
die Förderung der Seidenzeugfabrication. Seine persönlichen Beziehungen
zu vielen fremden Herrschern selbst der Papst und die Könige von
Frankreich und Arragonien schickten ihm Gesandte und die dadurch
Gransdische Steife des XIV. Jahrhunderts würden correcte arabische Legenden
eines ganz verschiedenen Duetus tragen. Der 'I'itel ,Sult8.n" müsste fehlen vgl. Regel
b. und der des Königs dafür stehen, wie es aus dem bei der Besprechung von Nr.
über Spanien Gesagten hervorgeht, Schliesslich halte ich daiiir, dass der auf allen
grmadisehen Denkmälernj Münzen, Gefässsn u. s. w. angebrachte Reiehssprnch ld ghälib
illä alldh d. h. Kein Ueherwältiger ausser Gott", das noch zu erwartende sichere Kenn-
zeichen auch für die mich Granlda gehörigen Inschrißenstoße sein wird.
iä
angeknüpßen Handelsverbindungen gaben den berühmten ägyptischen
Seidenfabrikaten, namentlich durch die Genueser und Venetianer Kauf-
leute auch in Italien, eine weite Verbreitung. Daraus erklärt sich die
hier nachgewiesene Imitirlmg ägyptischer Muster des XIV. Jahr-
hunderte.
Die grösste Stoffmanufactur Aegytens war das bereits erwähnte alexan-
drinische Där-et-tiräz, dessen Director den Titel Sähib et-tiräz führte. Auch
in Kairo und andern Orten dieses Landes gab es derlei Fabriken; sie
hatten zum Theil, je nach der Gattung ihrer Erzeugnisse, selbst einen
weiter reichenden Ruf. So wurden in Tennis besonders die für die heilige
Kaiba von Mekka bestimmten kostbaren Decken verfertigt. Aegypten
erzeugte ferner sehr feine gestreifte Leinen zeuge und auch Stoffe
aus leichter, heller, fast durchsichtiger Wolle; obgleich dieselben nicht
so berühmt waren, als die weissen, auch zu Todtenkleidern verwendeten,
Baumwollstoffe von Ballbek, dem alten Heliopolis, in Syrien. Von Damanhür
endlich, einer unterägyptischen Stadt, führte auch eine besondere Gat-
tung Kleider ihren Namen.
Die Steife kamen aus der Fabrik in sogenannten "Stücken" eine
Bezeichnung, wie sie eben auch heute noch bei uns für denselben Gegen-
stand gang und gäbe ist. Das Stück" hiess lciihrfa oder schukka. Im
XIII. und XIV. Jahrhundert war es Sitte vornehmer Personen, sich gegen-
seitig mit solchen, noch unverarbeiteten, Stotfstücken zu beschenken. Ja,
auch die Statthalter machten ihrem Sultän derlei Geschenke und dieser
hinwieder fand in den prächtigen Seidenstoifen und Ehrenkleidern seiner
Fabriken die einer kaiserlichen Gunst entsprechenden Gegengaben, welche
man gleich den Edelsteinen gesammelt aufbewahrte. Um von der Grösse
solcher Gnadenbezeignngen einen annähernden Begriff zu bekommen, ist
die alleinige Aufzählung der in die Zeit unserer Gewebe fallenden Stoff-
geschenke des Sultans Näsir-ed-din Muhammed an den fürstlichen Ge-
schichtschreiber Abü-l-fedä genügend. Im Jahre 1315 ward dieser mit
50 Stücken alexandrinischer Stoffe und zwei Jahre darauf 1317, als der
Sultan ihn in seiner syrischen Residenz Hama Apamea besuchte, gleich-
falls mit 50 Stücken beschenkt. Schon im folgenden Jahre 1318 begna-
digte Näsir-ed-din den berühmten Historiker während seines Aufenthalts
in der Fahriksstadt Alexandrien wieder mit 100 der prächtigsten Stoff-
stücke des Där-et-tiräz, und ebensoviel erhielt er vom Sultan noch in
den Jahren 1325 und 1328.
Die Stoifgeschenke spielten indess auch beim Wechsel von Gesandt-
schaften eine hervorragende Rolle. So brachten die schon früher erwähnten
mogolischen Abgesandten dem Sultän Näsir-ed-din auf eilf baktrischen
Kameelen in Kisten verpackt nicht weniger als 700 Stoifstücke, welche,
obgleich von mogolischer Fabrik, schon die Titel des mamlükischen
Sultans eingewebt trugen. Die Geschenke des Chäns von der goldenen
203
Horde, Uzbeg, welche aus Waffen, Sclaven und Jagdvögeln bestanden,
erwiederte Näsir-ed-din hauptsächlich mit kostbaren Stoßen und Klei-
dern 1315.
Welch' hohen Werth die Luxusgewebe damaliger Zeit erreicht
haben mussten, lässt sich aus einer Nachricht in der auf der Wiener
Hofbibliothek bewahrten handschriftlichen Chronik des ägyptischen Vice-
königs Rukn-ed-din Beibars 1325 entnehmen, nach welcher man selbst
Rebellen statt durch angedrohte Züchtigung, mit Geschenken an Stoffen
und Stickereien auf den Pfad des Gehorsams zurückzulocken versuchte.
Während der glänzenden Regierung Näsir-ed-dißs stieg aber die damit
verbundene Kleiderpracht in so unglaublicher Weise, dass nach dem
Zeugniss des ägyptischen Historikers el-Makrizi selbst die Beduinen,
welche unter Sultän Kiläwün 1290 noch rothe baumwollene Mützen
und einfache Gürtelbinden trugen, sich mit seidenen Burnus, golddurch-
wirkten Gürteln und gestickten Turbanen bekleideten, während ihre
Frauen, die sich früher nur baumwollener Kleider und eiserner Armringe
bedienten, sich nun mit Seiden- und GoldstoEen, goldenen Armringen
und gestickten Schleiern zierten. Namentlich die Inventarien der Ver-
lassenschaften hingericbteter Grosswürdeuträger, über deren Bestand die
Henkersknechte sultänischer Habsucht den zeitgenössischen Histori-
kern wohl verlässliche Auskünfte zu ertheilen vermochten, lassen uns
einen tiefen Blick in die Pracht der aufgehäuiten Reichthümer an Gewän-
dern und Stoffen werfen. So fand man nach der Hinrichtung des Reichs-
verwesers Sallär 1310, eines der reichsten Männer Aegyptens, ausser
andern unermesslichen Schätzen, nach der Aufzeichnung des gleichzeitigen
Geschichtschreibers el-Berzali, auch kostbare Stoffe. Der im Jahre 1340
hingerichtete reiche Statthalter von Damask, Tengiz, hinterliess nach den
Berichten vieler Historiker unter andern auch sechshundert golddurch-
wirkte Mützen und mehrere hundert seidene und golddurchwirkte Kleider.
Eine grosse Pracht wurde auch bei festlichen Einzügen entfaltet, indem
die Strassen und Häuser, welch' letztere man bis zu 500 Drachmen
Silberstücken an Schaulustige vermiethete, mit farbigen Seidenstolfen
und feinsten Teppichen geschmückt wurden. Nicht wenig zur Steigerung
dieses enormen Luxus an Stoßen und Goldstickereien trug aber die Ver-
schwendung des Sultans selbst bei. Einer seiner Töchter gab Nasir-ed-
din beispielsweise als Vermählungsgeschenk ein Zelt, an dem 100,000
Mitskal Ducaten Gold waren. Gleichfalls 100.000 Ducaten kostete das
Zelt mit golddurchwirktem Baldachin, welches der Sultan im Jahre 1339
der Tochter des erwähnten Tengiz verehrte, und noch im Jahre vor
seiner Hinrichtung erhielt der Letztere als Beweis kaiserlicher Gnade
Goldstickereien im Werthe von 20.000 Ducaten. Trotz dieser Verschwen-
dung blieb der Sultan für seine eigene Person einfach in den Kleidern,
die von syrischem Fabrikate waren. Auch seine Pferdedeeke war nicht von
Seide, sondern von syrisehem Steife.
Die Blüthe der islamitischen Stoifmauufactur im XIII. und XIV.
Jahrhundert, die so sehr in die Lebensverhältnisse aller Volksclassen
eingriff, hatte aber auch eine sehr genaue polizeiliche Aufsicht über die
dabei betheiligten Arbeiter und mit solchen Industrieerzeugnissen han-
delnden Kauiieute zur Folge. Man findet dies begreiflich, sobald man sich
durch einen Blick in das auf der Wiener Hofbibliothek bewahrte hand-
schriftliche Werk des Scheieh en-Nabrawi Nihäjet ur-rutbati fi thalabi-
l-hisbati" über die veraulassenden Ursachen belehrt
Nach demselben waren insbesondere die Seiden- und Stoifhändler
Fabrikanten einer strengen polizeilichen Controle unterworfen. Ihre Ver-
kaufslMen wurden häufig durch den Mulziosib Polizeieommissir revidirt,
denn dieser hatte darüber zu wachen, dass die Käufer nicht auf betrüge-
rische Weise geschädigt würden. Gar häufig wurde nämlich die Seide
durch Zubereitung vor der Bleiche im Gewicht schwerer gemacht. Manche
erzielten dies durch priiparirte Stärke, mit dem Fett der Butter oder
durch Olivenöl Blatt 28 a. Nicht geringere Betrügereien wurden mit
den Leinenstoden verübt, da manche Fabrikanten beim ägyptischen
Lein die beste Gattung, welche zarte, feine Fäden hatte, mit einer minder
guten Qualität von kurzen und rauh anznfühlenden Faden vermischten.
Als Betrug galt es auch, den ägyptischen Lein mit dem von Nä-
bulus Neapolis in Syrien zu mischen Bl. 28 av. Aehnlich verfuhren
häufig auch die Wollhändler, indem sie alte unter neue und weisse unter
rothe Wolle mischten Bl. 27 r. Hg. Eine weitere Pflicht des Muhtesib
war, den Webern gewissenhafte Arbeit bezüglich der Gewebe und ihrer
Festigkeit anznbefehlen und Achtung auf die gebührende Länge, Breite
und Feinheit der WollFaden zu haben. Namentlich sollte er verhindern,
dass die letztern mit Mehl und gebranntem Gyps beim Weben einge-
rieben würden, weil dadurch das Gewebe fälschlich den Anschein eines
harten und festen Stodes erlangte, u. dgl. m. Bl. 26 r. f.. Die Ptlicht
des Muhtesib ist", sagt en-Nabrawi sim Schluss des Capitels von der Auf-
sicht über die Stoiihändler, in allen bezüglichen Dingen ein wachsames
Auge zu haben, ihre Gewichte und Ellenmasse zu prüfen, sie vom Ein-
verständnisse mit Schreier-n und Miklern abzuhalten, und darauf zu sehen,
dass sie einen reellen Handel treiben, Kunden und Waarenträger anständig
behandeln und die rechte Treue in all" ihren Geschäften beobachten."
Dr. Joseph Karabacek.
Der Verfasser dieses Buchs über die Piiichten der Polizei dürfte wohl noch in
der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts gelebt haben, wie aus dem Inhalt des 30. Capi-
tell zu schliessen ist.
Fortsetzung auf der Beilage.
Beilage zu Nr. 59 der Mittheilungen etc."
Ueber die Photographie.
Eine Vorlesung von H. Hlasiwetz, gehalten im Oestsrr. Museum für Kunst und
Industrie 1868.
Wenn man von den Triumphen der Naturwissenschaften spricht und die
Wunder des 19. Jahrhunderts aufzählt, so nennt man vor Allem drei die Dampf-
maschine, den Telegraphen und die Photographie.
Alle drei repräsentiren glänzende Entdeckungen auf drei verschiedenen physi-
kalischen Gebieten die Dampfmaschine auf dem der Wärme, der Telegraph auf
dem der Elektricität, und die Photographie auf dem des Lichtes; Entdeckungen,
die, wie Jeder bei einigem Nachdenken iindet, Hnupthebel unserer Civilisution
geworden sind, Entdeckungen, deren wohlthiitige Wirkungen wir täglich emplinden,
die das Interesse eines jeden Einzelnen schon gefördert haben, die, so kurze Zeit
wir sie besitzen, uns schon so völlig unentbehrliche Bedürfnisse geworden sind,
dass sie aus unserem modernen Leben gar nicht mehr hinweg gedacht werden
können, soll es sein Chnrakteristischstes bewahren.
Wenn ich daher heute eine dieser Endeckungen, die Photographie, zum
Gegenstands einer näheren Erläuterung mache, so habe ich wohl den Vortheil,
ein Thema zu behandeln, für das mir Ihr Interesse von vornherein gewiss ist;
allein ich muss auch sofort der Schwierigkeit meiner Aufgabe mir bewusst werden,
dasselbe in dem kleinen Rahmen einer Vorlesung mit einiger Gründlichkeit auszu-
führen. Nur der Umstand möchte mir zu statten kommen, dass die Hauptziige der
photographischen Kunst nachgerade schon sehr allgemein bekannt sind, ich manches
ohne Deniinition voraussetzen, und mich wesentlich auf den chemischen Theil des
Verfahrens beschränken kann.
Dazu kömmt, dass trotzdem die chemischen photographischen Methoden sich
im Laufe der letzten Jahre ausserordentlich vervielfältigt haben, es doch vornehm-
lich eine einzige ist, die zur Stunde noch in prnxi am allgemeinsten ansgeiihrt
wird, während die meisten anderen über denZustnnd des Experimentes noch kaum
hinausgekommen sind.
Das Verfahren der Photographen beruht auf einer chemischen Wirkung des
Lichtes, die ein besonderer Fall der, durch dasselbe überhaupt erfolgenden Zer-
setzung chemischer Verbindungen ist, Zersetzungen die ihrestheils unausgesetzt vor
sich gehen und nirgends eine grössere Bedeutung haben, als in der Pflanzenwelt.
Ohne dass man angeben könnte, wie und unter welchen Bedingungen die
erste pflanzliche Vegetation zu Stande gekommen ist, kann man doch bestimmt
nachweisen, dass die vorhandenen bis auf einen verschwindend kleinen Theil im
Dunkeln lebenden Pdanzen ihre Existenz nur durch das Licht fristen, unter dessen
Einwirkung besonders die Kohlensäure der Atmosphäre, eines der wichtigsten
Nahrungsmittel, zersetzt werden kann.
Im Licht bildet sich jene grüne Substanz, die für die Pdsnzen so charak-
teristisch ist, das Chlorophyll, gewissermassen die Blutkörperchen des piianzlichen
Blutes und wie jene, die Träger der wichtigsten Pflanzenfnnctioneu.
Dass im Licht gefärbte Zeuge verbleichcn können, dass anderentheils das
Licht dunklere Färbungen hervorrufen kann, wie bei Hölzern, Papier u. dgL, sind
Beobachtungen, die Jedem zugänglich sind und an die ich nur zu erinnern brauche,
wenn ich Ihnen Beispiele für die umbildende oder zsrsetzende Wirkung des Lichtes
nennen soll.
.....,.. unwß n... wen. n. lülucl uuuuvuulvu VIIUI alrsucuawuunu uns usu UIU
stärksten chemischen Agentien übertrißt.
Einzig durch das Licht können Veränderungen in der Gruppirung der Be-
standtheile von Mineralien und Gläsern hervorgerufen werden, im Licht zersetzen
sich Verbindungen des Eisens, Chroms, Kupfers, Silbers und anderer Metalle, die
wir oft nur durch ganz energische Präparation in derselben Weise verändern
können.
Auch von der entgegengesetzten Wirkung, oder der vereinigenden, haben wir
frappante Beispiele, und Gase, wie Cl und z. B., die gemischt im Dunkeln
unbegrenzt lange unverbunden neben einander bestehen können, vereinigt ein Licht-
strahl, der sie triift. mit der Schnelligkeit des Blitzes und einem Knall, iihnlich
einem Donner im Kleinen.
Eine Reihe der exactesten Untersuchungen hat nun gelehrt, dass diese
Wirkungen, deren ich Ihnen nur einige wenige nannte, nicht jeder Sorte von Licht
eigenthiimlich sind.
Ausser über unsere gewöhnliche Lichtquelle, die Sonne mit ihrem Licht,
disponiren wir noch über andere, künstliche Lichtquellen, die wir durch Verbren-
nung oder den elektrischen Strom erzeugen, deren Licht keineswegs identisch mit
dem Sonnenlicht ist und sein kann, weil wir eben von diesem verschiedene Wir-
kungen ausiiben sehen.
Nach den Wirkungen, die man vom Sonnenlichte kennt, unterscheidet man
in ihm zunächst zwei Arten verschiedener Strahlen Lichtstrahlen nämlich und
Wärmestrahlen, und die Lichtstrahlen ihrestheils, oder das gewöhnliche weisse
Licht, sind einer Auliösung in verschieden gefärbte Strahlen, der bekannten Zer-
legung durch das Prisma zum Sonnenspectrum oder Regenbogenfarben fähig,
unter welchen gefärbten Strahlen oder gefärbten Einzelnlichtern es solche gibt,
denen nun ganz besonders die Eigenschaft zukommt, chemische Verbindungen zu
zersetzen, weshalb man sie auch speeiell chemische Strahlen nennt. Kurz, wir
haben blaues, gelbes, grünes, rothes und vielettes, indigofarbiges und orange-
rothes Licht, sieben Kategorien für unser Auge, der Rechnung nach aber 350
Billionen verschiedener Farbenstufen, in die sich ein Lichtstrahl mathematisch
zerlegen lässt.
Wohlverstanden ein Sonnenlichtstrahll
Die Lichtstrahlen anderer Lichtquellen, z. B. die einer brennenden Kerze
oder Lampe, enthalten nicht alle dieselben farbigen Einzelnlichter wie die Sonnen-
lichtstrahlen.
Namentlich fehlen ihnen jene chemischen Strahlen, die zersetzend auf gewisse
Metallverbindungen wirken.
Geht das Licht durch gefärbte Gläser, so werden von solchen Medien alle
Strahlen verschluckt, die anders als diese gefärbt sind, so dass schliesslich nur
Licht von einer Farbe durchgelassen wird. Auf diese Weise lassen sich mit den
einzelnen Farbenstrahlen leicht vergleichende Versuche machen, die die Differenz
ihrer zersetzenden Wirkung beweisen.
Es ist z. B. die Verbindung von Silber und Chlor eine eminent lichte
empfindliche Substanz. Ursprünglich kreideweiss, wird sie im Licht, selbst im zerl
strsuten Tageslichte, noch viel schneller aber im directen Sonnenlicht, ausser-
ordentlich schnell violett, später grau und durch alle Töne hindurch fast schwarz.
Lässt man das Licht der Sonne aber durch gelbes Glas gehen, so bleibt
die Substanz weiss. In einer gelben Flasche aufbewahrt ist es also haltbar. Sie
linden es dagegen fast momentan verändert und gefärbt, wenn Sie blaues Lieht
darauf fallen lassen.
Wenn man nun findet, dass dasselbe Präparat vom Kerzenq Lampen- oder
Gaslicht nicht verändert wird, dass es sich dagegen ebenso schnell wie im Sonnen-
licht zersetzt, wenn es von dem Licht eines brennenden Aluminiumdrahtes bestrahlt
wird, so ist der Schluss sehr zwingend, wenn wir sagen, dass das Kerzen-, Lampen-
und Gaslicht keine blauen Strahlen enthält, denen diese Wirkung in hohem Grade
zukommt, dass sie dagegen im Licht der Sonne und des Aluminiums reichlich vor-
handen sein müssen.
Noch rascher als blaues, wirkt violettes Licht auf das Chlorsilber, sehr schwach
das rothe, fast gar nicht das gelbe.
Ja, eigentlich kommen die schnellsten und intensivsten Wirkungen des
Sonuenlichtes Strahlen zu, die wir gar nicht mit unserem Augenapparat wahrnehmen
können, die im Spectrum ausserhalb des Blau liegen und deren Existenz wir
blos durch solche und ähnliche Wirkungen, wie z. B. die der Fluoresuenz, ersehliessen
können.
Es gibt also ein Licht, fragen Sie, welches wir gar nicht sehen oder em-
pfinden können? und widerspricht dann ein unsichtbares Licht nicht geradezu dem
Begriff des Lichtes?
Nicht so ganz. Das Licht ist nicht, wie man früher annabm, etwas Stoiflicbes,
Materielles, sondern wie man jetzt mit grosser Sicherheit behaupten kann, eine
Bewegungsform, ein ewiges Erzittern einer nicht unter den Begriif der Materie
fallenden Substanz von höchster Elasticitiit, die den ganzen Weltraum erfillt, die
alle Körper, oder noch besser, die letzten denkbaren kleinsten Theilchen aller
Körper, ihre Atome also, umgibt, und da die Atome der Körper selbst, wie wir
glauben, auch wenn sie so dicht gelagert scheinen, wie in einem Stück Glas oder
Eisen, immer noch Zwischenräume zwischen sich haben, diese die Körper selbst
durchdringt.
Diesen Aether, diese Flüssigkeit muss man sich nun selbst wieder als ans
Atomen bestehend vorstellen und wenn man sich alle optischen Erscheinungen
genügend erklären will, annehmen, dass sich diese Aetheratome abstossen, während
wir durch die Erscheinungen des Chemismus namentlich wissen, dass sich die
Atome der Materie anziehen. Zum Dritten aber besteht wieder eine Anziehung zwischen
Aetheratomen und Körperatomen und die Folge davon ist, dass der Aether wie
eine Hülle oder Sphäre jedes körperliche Atom umgibt und damit ein System von
Kräften repräsentirt, mit dem das Atom einem zweiten gegenüber in die Erschei-
nung tritt.
Der Aether nun, sagte ich, ist in einer zitternden Bewegung begriifen,
deren letzte Ursache unergründlich ist. Wer sie wüsste, wüsste das Geheimniss
der Schöpfung. Aber sie besteht, und es liegt in der Natur jeder Bewegung,
dass sie sich einem zweiten und anderen Körpern überhaupt mittheilen, ihn aus
seiner Gleichgewichtslage bringen kann. Diese Bewegung erreicht also auch die
Nerven unseres Auges, inducirt auch in ihnen eine Mitbewegung, reizt sie, und
wir sehen.
Allein diese Bewegung des Aethers, ist von verschiedener Schnelligkeit,
und diese Verschiedenheit der Schnelligkeit ist es, welche wir als Farbe em-
pünden.
Unsere Vorstellung erlahmt, wenn wir versuchen wollten, uns von der Ge-
schwindigkeit ein Bild zu machen, mit welcher die Aetheratome so vibriren oder
schwingen.
Das was wir als erste rnthe Farbenetufe des Spßctrums empündan, sind
Aetherschwingnngen, davon 490 Billionen auf die Secunde gehen. Das letzte
Violett des Speetrnms repräsentirt 800 Billionen.
Dringt ein Sonnenstrahl durch ein Glasprisma, so werden alle Farbenstufcn
von ihrer früheren Richtung abgelenkt, gebrochen, wie man sich ausdrückt.
Die rothe wird 4m wenigsten gebrochen, und liegt deshalb der Richtung
des uripfllllßlißhen Strahles am nächsten; alle folgenden werden um so mehr
gebrochen, aus je mehr Schwingungen sie bestehen, und sonach der violette Strahl
am stärksten.
Die verschiedene Stärke der Brechung also bringt die Erscheinung der
Farhenzerlegimg hervor.
490 Billionen Schwingungen in der Secunde, wie sie das im Spectrum
zuerst liegende Roth bewirken, können nun unmöglich das Minimum einer Schwin-
gungssahl, so wenig wie 800 Billionen fiir das letzte Violett das Maximum sein.
In der That gibt es noch Strahlen, die weniger, und solche, die mehr Schwin-
gungen machen, diese aber bringen keinen Eindruck mehr auf unser Auge
hervor, weil sie nicht im Stande sind, die Häute und Flüssigkeiten des Auges zu durch-
dringen.
Nach ihrer Lage im Spectrum heisst man sie die vorrothen und die ultra-
violetten.
Die ersteren können noch Wärmeersehoinungen bewirken, die letzteren ver-
mitteln besonders die chemische Thiitigkeit des Lichtes und die Zersetzung der
Kohlensäure durch die Pilanzenbliitter.
Sie sehen also, welch' unverliissliche Beurüieiler dieser subtilen Verhältnisse
unsere Augen sind, für die das Gelb die intensivste Stelle des Spectrums ist und
die die Strahlen jenseits des Blßtll gar nicht mehr wahrnehmen, wo doch noch ein
Thermometer, und jenseits des Violette, wo doch noch einige Stiinbchen Chlor-
silber ganz zweifellos die Anwesenheit von Schwingungen vetrathen.
Das Licht, erfahren wir so, kann also Wärme erzeugen, so wie es anderer-
seits chemische Verbindungen zerlegt.
Fortsetzung folgt.
Bericht der Kuustgewerbeschule am Ende des Schuljahres 1870.
Im Schuljahre 1869HO war die Kunstgewerbesehule von 120 Schülern,
u. z. 73 ordentlichen und 47 Hospitenten besucht, ein Verhältnies, welches
im Vergleiche zum Vorjahre, wo die Zahl der Hospitanten 49, die der
ordentlichen Schüler 29 wer, ein entschieden günstiges genannt werden
muss. Die Zulassung der Hoepitanten, wie sie die Statuten verzeichnen,
erweist sich als sehr piaktiech, indem es eo Kunethendwerkern, die
mitten in den Geschäften stehen, möglich wird, sich künstlerisch fortzu-
bilden. Die Zahl der eingeschriebenen Schülerinnen betrug 20, diese
besuchten die Vorbereitnngsclasse und die Abtheilung für Blumenrnalerei.
Die meisten der eintretenden Schüler mussten wegen ungenügender
Vorbildung im Zeichnen in die Vorhereituugsschule gewiesen werden;
dieselbe wurde von 77 Schülern, darunter 33 Hoepitanten, besucht.
Während des Schuljahres sind Schüler, darunter ein Fräulein, in
die Fachschulen aufgestiegen.
Die Schüler in den Fachschulen gehörten den verschiedensten
Zweigen der Kunstindustrie an; vertreten waren Thonwearenfabrication,
Kunsttischlerei, Glasindustrie, Brcuze- und Ciseleurtechnik, Decorations-
und Porcellanmalerei, Chromolithographie und Xylographie, decorative
und ornsmentale Bildhauerei, Vergolden, Tapeziererkunst, Guss- und
Schmiedeeisenarbeit, Weberei, Stickerei und Wappeumalerei.
Von den theoretischen Fächern wurde die Styllehre" Docent
Architekt Huuser im ersten Semester von 28, im 2. von 37 Schülern,
die Projections- und Schattenlehre und Perspective" Dccent Teirich
im l. Semester von 37, im 2. Semester von 39 Schülern besucht. Mit
beiden Vorträgen sind Zeichnenübungen in Verbindung. Die Vorlesungen
des Sommersemesters über Anatomie" Docent Dr. Bandl wurden von 32,
die über Farbenlehre" Docent Prof. Ditscheiner von 28 Schülern
besucht. Letztere wurden in der Handelsakademie abgehalten.
Als Lehrmittel wurden eine grosse Anzahl Originalgegenstände
des Musems benützt; die eigenen Lehrmittel der Schule wurden durch
Gypsabgüsse vermehrt, unter denen eine Suite von Gegenständen von
der Gypsgiesserei der Akademie des Beaux Arts in Paris und Ahguss
nach der Capelle Pellegrini in Verona. einen hervorragenden Platz ein-
nehmen.
Auftrage erhielt die Schule von mehreren Seiten einen hervorra-
genden Platz nehmen, nach den Aufträgen Sr. Majestät des Kaisers,
einige Aufträge des Curators Herrn Nic. Dumba ein.
Die Schüler der Abtheilung für Architektur und Plastik waren auch
durch zwei Preise des n. ö. Gewerbevereines beschäftigt.
Die Stipendien, welche sowohl vom h. Handelsministerium als von
der Gesellschaft zur Beförderung der Kunstgewerbeschule verthellt wurden,
erwiesen sich als nützlich in ganz eminentem Sinne. Es wurden dadurch
Zöglinge aus den Kronländern in die Schule gezogen, die sich als beson-
ders befähigt erwiesen, und die ohne der Unterstützung, d. h. diese Sti-
pendien, nicht in der Lage gewesen wären, sich an dieser Schule gründ-
lich auszubilden.
Die Räumlichkeiten der Schule erwiesen sich als ungenügend; es
musste die weitere Aufnahme von Schülern sistirt werden. Hoffentlich
wird die Uebersiedlung der Schule in das neue Museumslocale in den
nächsten Ostern anstandslos stattfinden.
Das nächste Schuljahr beginnt am Montag den 3. Octcber. Die
Aufnahme der Schüler findet im Locale der Kunstgewerbeschule vom
28. September bis 3. October statt; während dieser Zeit wird auch, wie
im verflossenen Jahre, die Jahressusstellung der Schülerarbeiten veran-
staltet werden.
210
Die Stundeneintheilung für das Wintersemester 1870171 ist folgende
1. Fschschula fiir Architektur Prof. Storch, täglich von 9-4 Uhr.
2. Fschschuls für figurnles Zeichnen Prof. Lnnfberger, täglich von 9-4 Uhr;
Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag von 5-7 Uhr Abends Zeichnen nach
dem lebenden Modell.
3. Fachschule für Thier-, Blumen- und Ornamentmnlerei Prof. Sturm, täglich
von 9M Uhr.
4. Fachschule Gir Bildhauerei Prof. König, täglich von 9-4 Uhr; Dienstag, Mittwoch,
Donnerstag und Freitag von 577 Uhr Abends Studium nsch dem lebenden Modell.
5. Vorbereitnngsschnle Prof. Rieser täglich von 9-4 Uhr; von 5-7 Uhr Abends
Zeichnen nach plastischen Gegenständen.
G. Vorlesungen
Projectionslehre Doc. Teirich, Dienstag und Freitag von 2-5 Uhr;
Styllehre Dr. Hnnser, Montag und Donnerstag von 2-5 Uhr;
Farbenehemie Dr. Prof. Ludwig, Montag und Samstag von 7-8 Uhr.
Bücher-Revue.
Beiträge für Kunst und Kunstgewerbe, in Copien nach guten alten Mustern von
Engen Freiherrn v. Löffelholtz. l. Heft. Lith., Druck und Verlag der C. H. Beck-
schen Buchhandlung in Nördlingen.
So betitelt sich ein neues Werk, dessen erstes Heft uns vorliegt und das die im
Ganzen nicht mehr ungewöhnliche Tendenz verfolgt, gute alte Vorbilder dem grossen Pu-
blicum zugänglich zu machen. Das ist schön und lobenswerth und jeder Beitrag zu diesem
Zwecke wird sicher willkommen geheissen werden; was man aber einer solchen Arbeit
gegenüber, die ausschliesslich im Copiren und Compiliren besteht, mit allem Nachdrucke
fordern muss, das ist das eingehendste Verständniss der Originale selbst und daraus
resultirend die treue Wiedergabe aller jener charakteristischen Eigenthiimlichkeiten,
die das copirte Object eben zu dem machen was es ist ein in sich Vollendetes und
nachahmungswerthes Werk. Fehlt aber Jemandem die Eigenschaft des richtigen Ver-
ständnisses, so geriith er in die Gefahr, gerade das in der Copie wegzulassen, was dem
Originale seinen Werth gibt, und was dabei herauskommt ist ungefähr das, was die vor-
liegenden Blätter aufweisen. Schwach und dürftig in der Zeichnung und vollständig ver-
fehlt in der Farbengebung sind beinahe slimmtliche Tafeln. Gleich die erste, Teppich-
muster aus dem 15. Jahrh.", zeigt eine überaus verunglückte Mischung von Eigelb und
Grasgriin, der Nichts ferner steht, als der kräftige coloristische Sinn der genannten
Epoche, dann diese ledergepressten Buchdeckel in den verblassnsten griinen und rosa
Tönen! wer hat je solche gesehen?! Doch wir wollen uns nicht lauge bei der Analyse
des Einzelnen aufhalten; betrachtet man nur das Titelblatt mit seinen violetten Anilin-
farben, se weiss man schon, was für Copien nach guten alten Mustern" man von dem
zu erwarten hat, der ein solches Frentispice seinem Opus versetzt.
Dletiunualre llslsonne du Mobiliar Francais de Pepnque Garlovingienue la Renais-
sance par Viollet-le-Dnc. Paris. A. Morel.
Seit dem Erscheinen des ersten Bandes im Jahre 1858 hatte die weitere Herausgabe
dieses Werkes lange Zeit hindurch gesteckt. Inzwischen hat der Verfasser sein zehnblin-
diges Dictionnaire de PArchitectm-e ti-aneaise beendet, und nun scheint das Dictionnaire
du Mebilier rascher vorschreiten zu wollen.
Auf den ersten Band, als seit Jahren in den Händen des Publicums befindlich,
wollen wir erst wieder zurückkommen, wenn das ganze Werk fertig und das Verhältniss
dieser Abtheilung zu dem Uebrigen völlig klar sein wird. Als Nova liegen uns jetzt je
die zwei ersten Hefte des zweiten und dritten Bandes vor. Hat der erste Band unter der
Glasse Meubles" den stehenden und liegenden kirchlichen und weltlichen Hausrsth
behandelt, so soll der zweite Band die Goldschmiedekunst der dritte Kleidung und
Costiim, der vierte endlich Waden und kriegerisches Rüstzeug behandeln. Wenn man es
als den eigentlichen Zweck des Dictiennaire" ansieht, ein Handbuch zum Nachschlagen
und raschen Orientiren über eine Materie sein zu sollen, so muss man gestehen, dass
durch ein Zerreissen in "Abtheilnngen" die Brauchbarkeit eines solchen Buches nicht
gerade gefördert wird, denn da die einzelnen Artikel innerhalb der einzelnen Blnde nach
211
der alphabetischen Reihenfolge der Schlagwörter stehen, so hätte man ja lieber gleich die
Buchstabenfolge durchführen können. Uebrigeus ist es auch ganz unvermeidlich, dass
der Verfasser eine logische Scheidung und Classitieirung der Gegenstände und eine allsei-
tig zu rechtfertigende Eintheilung in die verschiedenen Schemata nicht durchführen konnte;
so ist, um ein Beispiel anzufübren, gar nicht abzusehen. warum man Reliquaire" unter
Schema Mobilier 1. Band und Aiguierü Aquarunnile im zweiten Bande bei der Gold-
schmiedekunst suchen soll. Soviel über die äussere Eintheilung, die bei ihrer Willkührlich-
keit dem Werke mehr den Charakter einer Sammlung wissenschaftlicher Abhandlungen
als eine streng rnaterienweise geordneten ,Wörterbuchee" gibt.
Viollet-le-Duc ist unter den gegenwärtig Lebenden wohl einer der gründlichsten
Kenner der äussern Lebensformen des Mittelalters; nicht so bald hat ein Mann wie er so
ansschliesslich dem Studium der erhaltenen Altertbümer dieser Epoche sich gewidmet,
und dass er sein Werk auf Frankreich allein beschränkt, ist eine Einseitigkeit, die aber
wiederum nur der Gründlichkeit zu Gute kommt. Der erste Band brachte ein reichhaltiges
Verzeichniss alles dessen, was man Möhel" nennenkann, kirchliche und weltliche Zimmer-
einrichtung, wobei natürlich die erstere Gattung durch ihre nähere Beziehung zur Kunst
und, nebenbei auch durch die grössere Häufigkeit ihrer erhaltenen Repräsentanten, vor-
wiegt. Als auf ein besonders interessantes Capitel machen wir auf jenes aufmerksam,
welches das Privatleben und die Einrichtung der Zimmerinterieurs des Mittelalters behan-
delt. Die beigegebenen reconstruirten Ansichten sind freilich vielleicht nicht Frei von
etwas Phantasie in ihrer Composition, aber doch immerhin stylvoll und geschickt arrangirt.
Das erste Heft des zweiten Bandes behandelt die Geriithschaften Utensiles d. h. unter
dieser Subsumimng eine Reihe von Dingen, von denen im ersten Bande zufällig nicht die
Rede war, aber jeder würde irren, der darin das gesainmte oder auch blos kirchliche
charakteristische eigentliche Geriithe" des Mittelalters vollständig aufgeführt zu finden
glaubte. Das zweite Heft des zweiten Bandes bringt eine längere Abhandlung über Gold-
schmiedekunst" 237 Seiten, darin viele trefdiche Bemerkungen und viele gut und scharf
beobachtete Thatsacben. Ueberhaupt ist Viollet-le-Dnc derjenige unter seinen vielen fran-
zösischen Collegen, die diesen Zweig der Kunstgeschichte behandeln, der am besten und
griindlichsten "sehen" kann.
Der dritte Band ist der Costümkunde des Mittelalters gewidmet, die er unter den
Capiteln ,.,Kleiduug", persönlicher Schmuck" und "Toilette" abhandeln wird. Die zwei
vorliegenden Hefte gehen in der ersten dieser drei Abhandlungen bis zum Schlagworte
Deuil. So viel auch über diesen Gegenstand schon und namentlich in neuerer Zeit geschrie-
ben worden ist, so hat doch in einigen Partien der Costümgeschichte noch gar vieles eine
genügende Erörterung und Darstellung nicht gefunden. Ganz besonders gilt dies von dem
Mittelalter. So bringt denn auch Viollet-le-Duds Werk uns viele neue und überaus schütz-
bare Notizen, von denen wir nur beispielweise die vortredliche Abhandlung über die Sen-
delbinde unter Cbaperon hervorheben wollen. Noch nirgend haben mir diese vielgestaltige,
0B ganz sonderbar geformte charakteristische Kopfbedeckung des I4. und 15. Jahrhunderte
in ihren verschiedenen Auwendungsarten in so klarer Weise reconstruirt gefunden wie hier.
Uobarhaupt ist es ein grosser Vortheil der alphabetischen Anordnung der Trachten-
geschichte, dass man die Eutwickelungsphasen und Wandlungen jedes einzelnen Costiim-
stückes sofort und mit einem Male übersehen kann, statt, wie in den historisch angaordeteu
Costiimwerken, sie aus langen geschichtlichen Entwickelungen herauslösen zu müssen.
Hätte Violet-le-Duc dieses lobenswerthe System durch das ganze Werk hindurch
consequeut verfolgt, so hätte er ein dem wissenschaftlichen und praktischen Gebrauch
unentbehrliches und überaus werthvelles Buch geliefert, dessen bei einer so grossen und.
vielgegliederten Arbeit mit unterlaufende Mängel und Irrthümer man um so lieber verzie-
hen hätte, da es das erste in seiner Art gewesen wäre.
J. Bonssard, eludes sur l'Arl funeraire moderne. Paris, chez J. Baudry, 1870.
Folie.
Der Architekt J. Boussard hat es unternommen, die Grabdenkmale der jüngeren
Architektenschule Frankreichs in einem Werke herauszugeben, das, 200 Tafeln in Folie
enthaltend, Ansichten und Constructionen von Grabdenkmälern bringen soll. Der Gedanke
wäre an sich ein glücklicher und würde in den Kreisen, die sieh fir solche Monumente
interessiren, Anklang finden, wenn er entsprechend ausgeführt würde. Als Vorbilder kann
man aber diese Ausgabe der Grabdenkmiiler nicht betrachten; sie sind meist in dem s. g.
neugriechischen Stil entworfen, der auf einer nichts weniger als glücklichen Verquickung
althellenischer Motive und moderner Constructionsweisen beruht. Das Werk ist, wie 0'061!
erwihnt, auf 200 Tafeln berechnet, die in 20 Lieferungen erscheinen sollen.
212
Kleinere Mittheilungen.
Neu ausgestellte Gegenstlnde. Am 3. August Zwei grosse runde Platten
und zwei Blumenvasen in Fonn von Elephanten, altchinesische Zellenschmelzarheitsn,
Eigenthum des Herrn Trau; Relief-Medaillen von farbig glasirtem Thon, ausgeführt
ven J. Steinbach in Wien; Teppich von grünem Tuch mit ornarnentaler Stickerei,
16. Jnhrh., Privateigenthum; Sessel von gepresstem und geschnittenen Leder, spa-
nische Arbeit aus dem I6. Jahrh., Privsteigenthum; eine Collection altorientslischer
glasiner Then- und Fsyence-Fliese für Wandbekleidungen.
Am 10. August Musterstücke eines Glas-Services für Se. Majestät den Kaiser,
geliefert von Heinrich Ullrich in Wien; eine Suite Originnlstiche von deutschen und
französischen Schlossersrheiten des 17, und 18. Jahrhq fünf dem Correggio zugeschrie-
bene, aus dem Schlosse zu Novellara abgenommene Frescogomülde mythologische Figuren,
Ornamente etc., zu derselben Reihe gehörend, wie die'zwei bereits früher" ausgestellten
Bilder von ebendaher, Eigenthum des Grafen M0 ntecu ccoli- Büsten Ihrer Mzjestbten
des Kaisers und der Kaiserin, modellirt von Bildhauer Möser; Stammbuch mit Wappen
und Malereien, 16. Jahrln; französisches, mit Miniaturen geschmücktes Menuscript des
Bomen de le Rose", 15. Jahrh.; Breviarium Cisterciense, Mauuseript mit Randzeichnungeu
und Miniaturen, 15. Jahrh.; Breviarium, hurgundisches Manuscript mit Miniaturen, Ende
des 15. Jahrh., Eigenthum des Fürsten Liechtenstein.
Besuch des Museums. Im Juli wurde das Museum von 6854 Personen besucht.
Arundel Suciety. Die Society for promotlng the knowledge of urt" kann in
ihrem einundzwmzigsten Jahresberichte zilfermissig nachweisen, dass das Interesse an
ihren Bestrebungen fortwährend im Steigen ist. Die Jahresbeiträge, welche die regelmlssige
Einnahmsquelle der Gesellschaft bilden und am deutlichsten deren Gedeihen darthun, er-
hoben sich von 2887 Pfd. St. im Jshre 1868 auf 309 Pfd. St, während der Beservefond
um 500 Pfd. St; vermehrt werden konnte. Die Gesellschaft hat jetzt drei Mitglieder-
kntegorien First Subsci-ibers, Seeond Buhscrihers und Associates. Als nämlich die Zahl
der Mitglieder zuerst 1500 überstie ergab sich des Dilemma, entweder die Lithographie-
steine, mittelst welcher die Farben ckpublicationen der Gesellschaft hergestellt werden,
bis auf's Ensserste abzuniitzen oder dieselben retouchiren zu lassen. Man zog es vor, eine
zweite Abtheilnng zu bilden und iir diese andere Blätter auszugeben und glaubte damit
mehr dem Zwecke der Gesellschaft "Ausbreitung von Kunstkenntniss" zu entsprechen.
Lücken, welche Tod oder Austritt in der Reihe der First Suhseribers hervorbringen, wer-
den durch Second Subscrihers geüillt, welche daneben Mitglieder der zweiten Abtheilung
bleiben können, um in den Besitz slmmtlicher Pnblicationen zu gelangen. Auf gleiche
Weise rücken die Associates nach und nach in die Reihe der Second Suhserihers ein,
deren Zahl ebenfalls schon die Höhe von 1500 erreicht hst. Die ersten Publicstionsn
Kir 1871 sollen Proben der Oelmelerei in Flandern und der Frescomalerei in Italien liev
fern nämlich weitere sechs Blätter zu dem bereits verüfentlichten AltarLMittelbild Van
Eyclfs und Michel Angela's Jeremias uns der Sixtinischen Cspelle; für die Secend Sub-
scr-iber! werden vorbereitet die Eolbeineche Madonna in Dsnhsuzdt und BafsePs Gestalt
der Philosophie im Vaticzn. Ferner wird in Kurzem mit der Publicabiun italienischer
Grahdenkmller begonnen werden und in diesem Sommer sollte das Triptychon Meister
Stepharfs im Kölner Dom für die Gesellschaft coplrt werden, was möglicherweise der
Krieg verhindern dürfte. Bemerkenswerth ist der grosse Antbeil, welchen Deutsche an
den Arbeiten der Arnndel Society haben. Die Mehrzahl der Zeichnungen werden von
den Herren Schulz und Kaiser geliefert, die Farbendrucke bei Storch Krainer in Berlin
ausgeführt.
Alle Buchhandlungen und Postanstalten nehmen Bestellungen an auf
Kunst und Gewerbe,
Wocbenschriß zur Förderung deutscher Kunstindustrie.
Jahrespreis mit den Beilagen Thlr. I0 Sgr.
Gesuche von Arbelfskrlften linden unentgeltliche Aufnahme.
Selbstverlag des kein. kön. Oesten-eichisehen Museums.
Druck von Csrl Gerold's Snhu in Wien.