Bildhauerfamilie
hwanthaler,1633 -l848
Entwurf Gustav Klimts
den Stoclet-Fries
Denkmalpflege,
Altstadterhaltung und
Stadtentwicklung;
Wien und München
Essay
Das Buch als
Gesamtkunstwerk
im Jugendstil
MEISSEN UM 1725
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Wmwmßzwwz
TÜÜÜTY,
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m.
Päßwß.
g.n.....n..i.....,................szmvwwrlßs
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Dresden
Otto Dix
GALERIE
WOLFRUM
Radierungen, Lithographien, Zeichnungen und Aquarelle
von Brauer, Dix, Groh, Hundertwasser, Fuchs, Kolin, Pechstein,
Kubin, Dali, Kokoschka u. v. a. m.
A-1010 WIEN AUGUSTINERSTRASSE 10152 5398 TELGR. WITWOLF WIEN
WALTE KATH REIN
Kunsthandcl
Licberstraße Ecke Müllerstraße Telefon 52 22f22 35 52 2364 14
PAHL-MEHRINGER
Bedeutende Skulpturen
Mittelalter
Barock
Neuzeit
1361137 kUHSf
alte und moderne kunsl 19. Jahrgang 1974lHeH 136l137
Die Bildhauerfamilie Schwanthaler 1633-1844 .. 1-12
Waltrude Oberwalder
Zur Schwanthaler-Ausstellung in Stift Reichersbergllnn
Oberösterreich
Manfred Koller
Vom Barock zum Klassizismus
Borockskulptur aus der Sicht des Restaurator ..
Adolf Hahnl
Die Bekehrung des Paulus und des Hubertus
Werke von Georg Schwanthaler in Salzburger Sammlungen .... 13
Gerhard P. Woeckel
Eine unbekannte hl. Schalastika aus der Frühzeit
lgnaz Günthers Zum 200. Todestag des Künstlers .. 17
Ludwig Neustitter
Der Entwurf Gustav Klimts für den Fries
im Palais Stoclet in Brüssel .. 27
Gerhardt Kapner
Von der Denkmalpflege zur Altstadterhaltung
am Beispiel Wiens .. 35
Oskar Hall
Altstadtsanierung und Stadtentwicklung
am Beispiel Münchens .. 43
Gerd-Dieter Stein
Das Buch als Gesomtkunstwerk" im Jugendstil .. 51
Katia Laske-Fix
Oskar Laske Ein vergessener Geschichtenmaler
Zum 100. Geburtstag des Künstlers .. 60
Künstlerprofile 64
Alois Riedl von Peter Baum .. 64
Herbert Pasiecznyk von Manfred Chabot 65
Aktuelles Kunstgeschehen .. 66
Für den Kunstsammler P4 .. 72
Spielzeugsammeln von Volker Kutschera 84
Vier kleine Tische von Franz Windisch-Graetz 86
Buchbesprechungen 89
Österreichisches Museum für angewandte Kunst 90
Bildnachweis 79
Titelbild Geplante Form einer Stadtoase in MünchenfSchwabing.
Modell. Thomas Schwanthaler, Putte vom Benediktsaltar in Maria
Plain, 1676 1973 freigelegte Originalfassung ahne Retuschen.
Herausgeber Kurt Rossacher Eigentümer und Verleger AMK-Verlag,
A-5024 Salzburg, lmbergstraße Postfach 12, Telefon 06222 73731.
Redaktion Wilhelm Mrazek Chefredakteur, verantwortlich für den Inhalt;
Franz Windisch-Graetz Kunstgeschichte, Peter Baum Wiener Kunstkritik,
Alois Vogel Bundesländerberichte, Leopold Netapil graphische Gestal-
tung, Irnprimatur; alle Österreichisches Museum für angewandte Kunst,
A-IOIO Wien, Stubenring Telefon 0222 72 56 96 und 0222 72 56 97.
Zweigredaktion Salzburg Kurt Rossacher Gesamtgestaltung, Franz Wagner
Salzburger Kunstkritik, alle A-5024 Salzburg, Imbergstraße Postfach 12.
Herstellung Wagnefsche Univ.-Buchdruckerei Buchroithner Co., Innsbruck.
Für unverlangte Einsendung von Manuskripten oder Fotos wird nicht gehaftet.
Preis 1974, inkl. Porto Jahresabonnement, Nummern davon ein Doppel-
hett, öS 454.- inkl. Mehrwertsteuer, DM 63.-, str 72.-, Lit 11.800.-. Einzelheft
öS 81.- inkl. Mehrwertsteuer, DM 13.-, sfr 15.-, l.it 2300.-.
Rates 1973, second class mail included subscription or issues per anno
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us 6.50.
Vertrieb WUB, A-601O Innsbruck, Erlerstraße 5-7, Postfach 211. Bank Credit-
anstalt, Filiale Innsbruck, Konto Alte und moderne Kunst", Nr. 89-53291.
Anzeigen AMK-Verlag. Erscheinungsort Innsbruck.
1975 Jahr des
Denkmalschutzes
Unter der Patronanz des Europarates
und der Institutionen UNESCO,
OECD, ICIMOS wird das kommende
Jahr im Zeichen verstärkter Bemü-
hungen stehen, Europas Kunst- und
Kulturdenkmäler zu erhalten und
zu schützen.
Wir haben im Zusammenhang damit
im voraus mit einer Reihe von Bei-
trägen unter den Aspekten Konser-
vierung, Restaurierung, Assanierung,
Stadterhaltung und Stadtentwicklung
in diesem Heft diesem Vorhaben
Rechnung getragen.
Die Bildhauerfamilie
Schwanthaler
1633-1848
zengel Michael von Johann Feier d. Ä.
hwcmthcler im Stift Reichersberg nach Frei-
Jung der Originalfassung 1973.
Unsere beiden Autoren Dr. Wallrude Oberwalder und Dr. Manfred Koller behandeln in den
ersten beiden Beiträgen aus jeweils gegensätzlicher bzw. ergänzender Sicht die Ergebnisse der diesjährigen
Großausstellung des Landes Oberösterreich im Chorherrenstift Reichersherg am Inn.
Waltrude Obenrvalder
Zur Ausstellung Die Bild-
hauerfamilie Schwanthaler
1633-1848"
Mit dem Untertitel Vom Barock zum Klassizis-
mus" veranstaltete die oberösterreichische Lan-
desregierung unter Mitwirkung bayrischer, vor
allem Münchener Kulturbehörden und Wissen-
schaftler eine Großausstellung im Chorherren-
stift Reichersberg am lnn 3. Mai bis 13. Oktober
1974, die für den Teil des barocken Haupt-
meisters Thomas Schwanthaler vom 20. 11. 1974
bis 16. 2. 1975 im Oberen Belvedere in Wien ge-
zeigt wurde.
Uralte Linden stehen auf der Uferterrasse des
lnns, daneben ein eingeschossiger Trakt, in des-
sen Mittelachse sich ein einfacher, frühbarocker
Torturm erhebt. Hinter ihm weitet sich ein recht-
eckiger Platz, halb Garten und halb Ehrenhof,
von zweigeschossigen Arkaden flankiert und von
dem schlichten Gebäude des Konventtraktes ab-
geschlossen. lnmitten des großen Hofes erhebt
sich eine Brunnenanlage mit einer auf hohem
marmornem Sodrel schwebenden Gestalt des
Erzengels Michael, des Patrons des Stiftes Rei-
chersberg. Die Figur ist 1694 nach einem Modell
des Bildhauers Thomas Schwanthaler aus Kupfer
getrieben worden, und sie und die ansprechende,
aber schlichte Architektur des Stiftsbaues aus
verschiedenen Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts
bilden den Auftakt und Rahmen für die Aus-
stellung. Die Gebäude sind für diesen Anlaß in
den letzten Jahren einer gründlichen Restaurie-
rung unterzogen worden, ebenso wie sehr viele
der Ausstellungsobjekte, schon das ein auch in
die Zukunft wirkendes Großvorhaben, das im
Zusammenwirken von Land, Stift und Bundes-
denkmalamt hier zustande kam.
Diese seelische Einstimmung, die der Besucher
durch den Gang über den äußeren Stiftshof er-
fährt, ist in das Vorhaben dieses Ausstellungs-
unternehmens eingeplant und soll das Problem,
dem sich jede Schouslellung barocker Großpla-
stiken gegenübersieht, erleichtern Sind die Ob-
jekte doch immer aus einem größeren architek-
tonischen oder dekorativen Zusammenhang ge-
rissen und stehen sozusagen in einem luftleeren
Raum", den auch die architektonische Ausge-
staltung'der Ausstellung nicht vergessen machen
kann.
21 Bildhauer sind in kontinuierlicher Folge aus
der Familie Schwanthaler hervorgegangen, ha-
ben zuerst von Ried aus ihren- Teil zur künstle-
rischen Gestaltung des damaligen bayrischen
Grenzraumes und der benachbarten österreichi-
schen und Salzburger Gebiete beigetragen und
sind in einigen Spitzenkännern über sie hinaus-
gewachsen, ohne den Boden unter ihren Füßen
zu verlieren. Die Hauptanliegen der Ausstellung
sind wohl einer-eits, das einzigartige Phänomen
einer durch über zwei Jahrhunderte lebenden
Bildhauertradition einer einzigen Familie vorzu-
stellen und damit den vagen Begriff der
Schwanthaler-Werkslätte", besonders der Ba-
rockzeit, zu konkretisieren und die einzelnen
Meister auseinanderzuhalten, andererseits in die-
sem beschränkten Rahmen die Stilentwicklung
während dieser Zeit aufzuzeigen. Das bedingt
natürlich, daß gewisse Wiederholungen im
Thema, ja sogar einige Serien gleicher Darstel-
lungen V01 verschiedenen Familienmitgliedern,
und auch weniger qualitätsvolle Stücke gezeigt
werden müssen. Aus dieser Fülle der Objekte
schälen sich zwei Künstlerpersönlichkeiten von
überregionaler Größe heraus Thomas 1634-
1707, der barocke Hauptmeister, Riedllnnkreis,
und Ludwig Michael von Schwanthaler 1802-
1848, der Meister des klassizistischen Münchens
und Schöpfer der Bavaria", des bekanntesten
Monumentalwerkes Süddeutschlands im 19. Jahr-
hundert. Damit erhält die Ausstellung audi zwei
räumlich getrennte Schwerpunkte, den barocken,
um den Kanventgarten und den Kreuzgang grup-
piert, und den klassizistischen Teil. Dem Münch-
ner Hauptmeister des Klassizismus und Hofbild-
hauer König Ludwigs I. sind im ersten Stock des
Fürstentraktes des Stiftes einige Räume gewid-
met, die sich in sinniger Anspielung um den
sogenannten Bayrischen Saal" gruppieren, der
1771 von Johann Nepomuk Schöpf mit mytholo-
gischen Szenen und immer wiederkehrenden bay-
rischen Wappen ausgeziert wurde. Jene Besu-
cher, die nach der bewegten Welt des Barodr
den trotz der kaum verhüllten Romantik kühler
wirkenden Exponaten aus dem 19. Jahrhundert
weniger abgewinnen können, werden reichlich
durch den anmutig ausgestalteten Hauptraum
mit seiner prächtigen Aussicht über die lnnauen
hinweg ins niederbayrische Land entschädigt.
Die Ausstellung beginnt mit einigen Proben be-
deutender Bildhauer der ersten Hälfte des 17.
Jahrhunderts, die in dem Gebiet gearbeitet ha-
ben, das dann von den Mitgliedern der Familie
Schwanthaler mit Plastiken versorgt wurde. Be-
deutende Namen Adriaen de Vries, Hans Wald-
burger, Hans Degler, Hans Spindler und die
Brüder Zürn sind darunter. Trotzdem ist die Be-
zeichnung Vorstufen" etwas irreführend, denn
es wird gleich deutlich, daß von hier aus kein
direkter Weg zu dem ersten Hauptmeister der
Familie, Thomas Schwanthaler, geht die bei-
den Exponate, die mit dem Namen seines Va-
ters Hans in Zusammenhang gebracht werden,
mit eingesdwlossen. Schon die ersten gesicherten
Werke des jungen Thomas z. B. Kat.-Nr. 1B
zeigen die bewußt oppositionelle Stellung des
Künstlers zu den althergebrachten Gestaltungs-
prinzipien Bewegte, doch kräftige, anatomisch
durchgearbeitete Figuren, im wahrsten Sinn mit
beiden Beinen auf dem Boden stehend" und
jeder manierieiten Labilität abhold, werden von
aufgewirbelten, gekerbten, flatternden Gewand-
teilen umrauscht. Später werden die Gestalten
Thomos' zarter, der Kontrapost anmutiger be-
tont, auch die Gesichter ausdrucksvoller. Das
Gewand, das sich an manchen Stellen eng an
den Körper schmiegt und ihn so betont, gewinnt
in den lasen Stellen ein Eigenleben Es knittert,
rieselt in langen, durch Dellen unterbrochenen
Faltenzügen, kräuselt an den Enden auf. Die vom
italienisch-flämischen Hochbarock "bernommene
Gestaltung des Leibes bei einigen Figuren las-
sen sich die Vorbilder direkt erkennen der Lon-
ginus des Bernini, die hl. Scholastica Jean Del-
cours in Lüttich wird in einen bewußten Gegen-
satz zu den virtuos geschnitzten Faltenpartien
gesetzt, in denen sich das ganze reiche Erbe der
deutschen Holzschnitzkunst auslebt. Die Ausstel-
lung macht nicht nur die Phasen des künstleri-
schen Werdegangs von Thomas deutlich sein
erstes reifes Werk, der Florianialtar in Ried
1669 KaL-Nr. 27, wird als einziges Altarvverk
im gesamten gezeigt Abb. 15a seine Gestalt
gewinnt durch diese Schau für das breitere Pu-
blikum erst die Bedeutung, die ihr Rahmen
der mitteleuropäischen Barockkunst zusteht, als
ein Bahnbrecher des Hachbarock in Süddeutsch-
land und als eine besonders temperamentvolle
und dabei zartfühlende Künstlerpersönlichkeit.
Manche seiner Werke sowohl die aufschäu-
menden seiner dramatischen Periode vor 1675
Mattighofen und Schalchen Kat.-Nr. 34,
28 als auch die stilleren, sanfteren seit dem
Wolfganger Doppelaitar von dem nur Kostpro-
ben gezeigt werden Abb. Kat.-Nr. 30-33
bis zu der erschütternden Gruppe des
Ulberges Kat.-Nr. 65 sind einsame Spi
klasse. Eine anmutige Sendergruppe bildel
rundlichen und doch zarten, in ihrer kindl
Körperlichkeit und Bewegtheit voll erfaßten
tendarstellungen ein Novum nördlich de
pen. Das Immer-freier-Werden der Bewegu
zeigt sich von den Engelskindern in den Wt
des Florianialtares von Ried 1669 und den
gleichzeitigen Karyatidenputti aus Wippe
Kat.-Nr. 45 und 46 bis zur Gelästheit im
rahmen von Münsteur'um 1702 Kot-Nr
Wenn auch die späteren Mitglieder der Fa
Schwanthaler ihre Werke, der Zeitmode
sprechend, immer wieder mit Engelputti
kern, die unmittelbare Frische von Thomos'
dergestalten erreicht keiner mehr. Die
entwicklung des Themas zu individuell seelis
Ausdruck übernahm Meinrad Guggenbichlei
in entscheidenden Jahren seiner künstleri
Entwicklung mit Thomos' Hauptwerken im
tigtal und in St. Wolfgang konfrontiert
Von Thomas ist außerdem ein ganzes Kon
von qualitätsvollen Zeichnungen erhalten
sächlich im sogenannten lmster Skizzenbi
die in Vitrinen in der Bilbiathek zu sehen
Er ist auch der einzige der barocken Sch
thaler, von dem richtige Auftragsurkunden
ten sind', aus denen man genauere Sch
auf die Art der Arbeitsvergebung und der
führung ziehen kann. Sonst bestand ja
besondere Schwierigkeit in der Auswahl
Objekte und in der Zuschreiburug darin,
nur verhältnismäßig wenige urkundlich
durch Kirchenrechnungen gesicherte Werk
halten sind, die aft wegen der geringen
deutung der Aufträge nicht zu den qual
vollsten gehören. Die meist besser dotierter
sorgfältiger ausgeführten, von reichen Pfa
gehörigen oder auch Pfarrern gespendeten
turen tragen höchstens eine Jahreszahl und
Vlidmungsinschrift. Signaturen kommen tTUl
legentlich in der zweiten Hälfte des 18.
hunderts vor. Ein glücklicher Sonderfall is
lange Inschrift auf der Rückseite der Pietc"
Rieder Weberzunft, in der neben den Honoi
ren des Handwerks auch der Künstler Joh.
Schwanthaler und das Jahr 1785 genannt
Kot-Nr. 178.
Die Nachfahren von Thomas im 1B. Jdhl
dert sind mit ihren Arbeiten noch weniger
die Grenzen des lnnviertels hinausgekon
als ihr Ahnherr. Bei aller Beschränkung
die Handwerksordnung, die fast nur Me
söhnen ein Fortkommen in der Kunst" er
lichte, zeigt sich doch ein gesunder Zug
Qualität Die Hauptwerkstätte übernahrr
weils der künstlerisch Fähigste unter den
srhwistern, unbeeinflußt von der Reihenl
der Geburt In der Rieder Werkstätte folgti
Thomas sein jüngster Sohn Johann Franz
1762, auf diesen der zweitjüngste Johann
d. Ä. 1720-1795. Ein begabter Sproß
Nebenlinie, Joh. Georg 1740-1810, grür
eine Werkstatt in Gmunden.
Eine Reihe von Besonderheiten im Wandel
17. zum 18. Jahrhundert fallen bei dem
gang durch die Ausstellung auf, die im gr-
und ganzen die chronologische Reihenfolgi
achtet. Schon allein der Wechsel in den Fo
ten ist beachtlich Während Thomas für
großen Altäre häufig überlebensgroße Fig
schuf die Barbaragruppe aus Schalchen,
Paulus für Mattighofen und der Engel de
sefialtares von Maria Plain sind Beispiele
für erreichen auch die größten Figuren
Nachfolger im späteren 18. Jahrhundert
volle Lebensgröße, und diese bei weitem
die Qualität der Kleinfiguren und -gruppen
zryolidenen el von Thomas Schwamhuler,
"uck, um 16 noch Freilegung und Retusche
zr OriginuIfussung, 1973.
xufgruppe von Thomas Schwqnthuler aus
ehrnbuch, 1675 reduzierle Ersifussung 197V72
eigelegf und ergänzt.
xufgruppe Johann Franz Schwanfhalers aus
ffnang mit neuerer Fassung.
selben Künstler. Außerdem findet überhaupt in
der Themenstellung der Aufträge eine deutliche
Verschiebung zugunsten der Einzelgruppe und
später vor allem zum Kleinkunstwerk statt, was
die Auswahl der Obiekte aus dern 18. Jahr-
hundert für die Ausstellung sehr erleichterte.
War es doch weitaus seltener notwendig, Einzel-
werke aus ihrem unmittelbaren architektonischen
Zusammenhang zu reißen. Gerade das Studium
dieser oft besonders köstlich ausgeführten Klein-
kunstwerke, u. a. auch der Krippenfiguren, bil-
det den Houptreiz des Abschnittes über das
18. Jahrhundert in der Ausstellung, in dem das
Weiterwirken von Thomas' Entwürfen und Grund-
konzepten und die Erweiterung dieser Grund-
lagen durch neue Einflüsse ebenso wie ihre
Veränderung durch den Zeitstil in den mannig-
faltigen Erzeugnissen der Schwanthaler-Werk-
stätten anschaulich gemacht wird. Joh. Franz
nimmt nach einer glatteren und flacheren Pe-
riade in seiner reifen Zeit viele Formprinzipien
seines Vaters wieder auf, nur weicher, empfind-
samer in der Grundhaltung und zarter, aber
mit tiefen Unterschneidungen und malerischen
Licht- und Schottenwirkungen in der Ausführung,
vor allem der Gewandpartien. Ein besonders
schönes Beispiel dafür ist die Gestalt der hl. Mar-
garetha aus Wippenham Abb. 7,8 Kat.-Nr.149.
In seinen Gruppen lockert er die kompakte Kom-
position von Thomas durch das Einbeziehen des
Luftraumes zwischen den Figuren auf, so bei der
Verkündigungsgruppe aus Hohenzell 1732 Kot.-
Nr. 141, bei den bewegten Tabernakelgruppen
wie in Waldzell 1721 Kot-Nr. 139 oder bei
der schönen Taufgruppe von Ottnang Abb.
Kot.-Nr. 148, zu der die von Thomas im Jahre
1675 für Mehrnbach geschaffene ein gutes Ge-
genbeispiel bildet Abb. Kot-Nr. 35. Sein
Enkel Joh. Peter löst dann die Gesamtkompo-
sition weiter auf, so daß oft statt der formalen
Beziehung der Figuren zueinander nur die Blick-
richtung den wahren Zusammenhalt bildet, wie
in der Tabernakelgruppe des Rieder Hocholtares
Kat.-Nr. 175 oder bei der reizenden kleinen
Verkündigung in Wiener Privatbesitz Kot.-Nr.
217. lm Alter wird Joh. Franz' Stil müder, die
Falten zockiger, wie im Gnadenstuhl von Haag-
Huntassing Kat.-Nr. 152, vielleicht schon unter
dem Einfluß seines Sohnes Joh. Peter, der sicher
schon seit der Jahrhundertmitte in der Werk-
stätte des Vaters mitarbeitet was Zuschreibun-
gen sehr erschwert. Von Joh. Peter, der 1758
noch bei Lebzeiten des Vaters die Werkstätte
übernimmt, stammen die meisten erhaltenen
Schwanthaler-Arbeiten. Er muß bis ins Alter un-
erhört fleißig gewesen sein, haben wir doch
gerade aus den Jahren 1784 und 1785 eine
Reihe van besonders schönen Werken von ihm
erhalten, so die beiden Gruppen Anna mit Ma-
ria und die Pietä in der Pfarrkirche von Ried
Abb. 15 und zwei sehr ähnliche Madonnen-
statuen, eine sitzende und eine stehende, in
Altheim und Reichersberg. Das großangelegte
Krippenwerk in Pram, eine der schönsten Dar-
stellungen dieser Art in Österreich,scheintihn vom
Jahre 1777 an Dotierung am zugehörigen Ka-
sten der Geburtsdarstellung bis ins hohe Alter
beschäftigt zu haben Kot-Nr. 197. Viele Figu-
ren zeigen deutlich den Stil der 1792 datierten
und signierten Hauskrippe aus Ried sogenannte
Köglkrippe", Kot-Nr. 180. 1795, drei Wochen
vor seinem Tode, quittierte er noch die Rechnung
für die Figuren des Hocholtares von Peters-
kirchen. Er und sein Neffe Joh. Georg in Gmun-
den haben nicht nur neben einer Anzahl von
mittelgroßen Figuren für Kircheneinrichtungen,
Kleinreliefs, Kleingruppen und der Gmundner
vor allem auch im Detail gut beobachtete und
reizvoll gefaßte Tier- und Krippenfiguren hinter-
lassen Abb. 16, beide haben auch bewußt
auf Werke ihres großen Ahnen Thomas zurück-
gegriffen und diese, in zarte Rokokoformen um-
gesetzt, im Kleinstformot wiederholt Joh. Georg
z. B. die Mittelfiguren des Gmundner Hoch-
oltares, eine Anbetung der Könige Kat.-Nr. 261,
Joh. Peter die Ölberggruppe Kot-Nr. 193 und
in einer auch fassungsmäßig besonders delika-
ten Ausführung die Michaelsgruppe des Reichers-
berger Brunnens Kot-Nr. 200, Abb. 1. Damit
schließt sich der Kreis der barocken Schwanthaler.
lhre immer dem Gegenständlichen verhaftete Art,
die alle Übertreibungen und Verzerrungen des
Manierismus und des Rokoko vermieden hatte,
ließ sich nahtlos in den Klassizismus der Jahr-
hundertwende überführen. Vielleicht auch durch
die politische Loslösung des lnnviertels von Bay-
ern bedingt, übersiedelte Joh. Peters des Ä.
tüchtigster Sohn Franz Jakob 1760-1820 nach
München, erlangte akademische Bildung und
Aufträge bei der klassizistischen Neugestaltung
der bayrischen Hauptstadt. Sein Sohn Ludwig
aber wurde in seinem kurzen Leben er starb
46iährig 1848 der Hofbildhauer Ludwigs l. und
der klassizistisch-romantische Bildhauer des deut-
schen Südens schlechthin. Wenn auch die Ba-
varia" sein bekanntestes Werk ist, so ist sein
reifstes, durch Vorstudien während vieler Jahre
vorbereitetes die Marmorfigur der Nymphe in
Schloß Anif bei Salzburg, eine würdige Schwe-
ster von Moritz von Schwinds Märchenfiguren.
Entwürfe und Modelle dazu gehören zu den
wichtigsten Stücken des zweiten Teiles der Aus-
stellung in Reichersberg Kai-Nr. 461-472. Von
den beiden Houptmeistern des 19, Jahrhunderts
aus der Familie der Schwanthaler liegen bereits
gedruckte Monographien aufz, für die übrigen
muß einstweilen der ausführlich angelegte Kata-
log genügen, wenn auch eine Monographie über
Thomas bereits in Vorbereitung ist.
Hl. Christophorus vom Doppelaltar Thomas
Schwanthalers in St. Wolfgang, 1975 Original-
fassung von Franz Gamann, Ried, nach Restau-
rierung 1974.
Weberaltar der Stadtpforrkirche Ried Pietä Joh.
Peter d. Ä. von 1785 nach Freilegung der Origi-
nalfassung 1973174.
Anmerkungen
lVeröffentlicht durch M. Baubödr, Rieder Altarbauverträge.
Erweiterter Sonderdruck u. d. 93. Jahresbericht des
Bundesgymnasrums Riad, ms.
'A. Huber, Franz Jakob Schwanthaler 1760i1820 Mün-
chen 1973. n. Otten K. Eidlinger, Ludwig Michael
Schwanthaler 1802-1848. München wo.
Unser Autor
Dr. Waltrude Oberwalder
Wien 23, Brennergasse 14
Manfred Koller
Zur Ausstellung der
Schwanthaler-Familie
in Reichersberg
Barockskulptur aus der
Sicht des Restaurators
Änmerkung
'Zu allen etailfragen und Nachweisen vgl. den Beitrag
über Material, Fassung und Technologie der Schwan-
thaler und die Problematik von Restaurierung und Er-
haltung ihrer Werke im Katala der Ausstellung Die
Bildhauerfamilie Schwanthaler 3-1848 sowie die von
den Werkstätten des Bundesdenkmalamtes heraus ego-
benen Restauratorenblättar der Denkmalpflege in ster-
reiätm", 111974, die Barockaltar und -skulptur gewidmet
sln
Die Ausstellung über den barocken Teil der Bild-
hauertamilie Schwanthaler hat neben der histo-
rischen und kunstgeschichtlichen Präsentation den
für österreichische Verhältnisse im allgemeinen
und die getaßte Skulptur im besonderen höchst
seltenen Vorzug, daß in die wissenschaftliche
und praktische Vorbereitung umfangreiche Re-
stauriermaßnahmen und systematische Studien
zur Frage der Originalität von Farm und Fas-
sung integriert werden konnten. Die Restaurie-
rung und technologische Untersuchung war be-
reits mitentscheidend für die Auswahl der Ex-
ponate und wurde über den Großteil der ge-
zeigten Obiekte hinaus auch auf das künstle-
rische Ambiente der allein einer Ausstellung zu-
gänglichen Einzeltiguren im zugehörigen Rah-
men der Kirchenausstattung an Altären, Kanzeln,
Orgeln u. a. ausgedehnt. Die Blickweitung war
nicht nur vom Zustand der meisten Exponate
bedingt, sondern auch insoweit notwendig, als
Barockskulptur großteils nur als Ensemblekunst
verständlich wird, während sie, allein zur Schau
gestellt, einem ihr nur in wenigen Spitzenleistun-
gen innewohnenden Autanomiemaßstab runter-
worfen wird. Dieser Teil der Vorbereitungen
wurde zum größten Teil von den Restaurierwerk-
stätten des Bundesdenkmalamtes getragen und
sollte zugleich als Grundlage für weitere Er-
haltungsmaßnahmen durch die Denkmalpflege
dienen. Die Ergebnisse wurden bereits vor Be-
ginn der Ausstellung auf einem Restauratoren-
treffen in Wien erörtert mit dem Ziel, den Weg
zur Anwendung der am Schwanthaler-Material
gewonnenen Erkenntnisse in der Praxis der Er-
haltung unserer Barockskulptur überhaupt so
kurz wie möglich zu machen. Denn in vielen
Fällen konnte festgestellt werden, daß in erster
Linie Unkenntnis über die Eigenart der ursprüng-
lichen Obertlächengestalt und ihrer Fassung de-
ren Zerstörung oder Beschädigung an ganzen
Altören wie Einzelfiguren verursacht hat. Aller-
dings bot erst die Bearbeitung eines derart um-
fangreichen lokal und historisch eng verbunde-
nen Materials Voraussetzungen, durch die eine
Entwicklung von Altartechnologie und Barock-
fassung, aber auch ein realistischer Überblick
über die derzeitige Erhaltungssituation dieses,
verglichen mit mittelalterlichen Altarwerken und
Skulpturen, bis heute wesentlich sorgloser be-
handelten Teiles unseres Kunsterbes zu gewinnen
war. Insgesamt waren 262 Einzelfiguren oder
Gruppen sowie an die 130 Altäre in den Kreis
der Untersuchungen und Restaurierungen einbe-
zogen, von denen auf der Ausstellung ein größe-
rer Altar, Thomas Schwanthalers Florianialtar
von 1669 aus der Rieder Stadtpfarrkirche Abb.
26, sowie 144 Skulpturengruppen oder Altär-
HI. Margarethe von Johann Franz Schwanthaler
in Wippenham Zustand 1970.
Dieselbe Figur nach Freilegung und Ergänzung
des Originalinkarnats und Erneuerung der Ge-
wandfassung 1972-73.
Pietd Johann Peter d. Ä. Schwanthalers in Ried
von 1785 mit der Übermalung der Farbteile wohl
durch Alois Ferch um 1845.
10 Signatur von der Ubermalung der Farbteile am
Buch der Maria in der Annagruppe Johann
Peter Ä. Schwanthaler von 1784 in Ried.
11 Hauptgruppe aus dem Ölberg von Thomas
Schwanthaler in der Stadtpfarrkirche Ried, Zu-
stand 1974.
12 Detail aus Abb. 11 zeigt autgerissene Holzober-
tläche und schwarzen Pilzbetall als Folge der
Entfernung der Fassung nach dem letzten Krieg.
13 Annogruppe Ihomas Schwanthalers vorn Hoch-
altar in Waldzell 1683 Neufassung durch Alais
Firlei um 192031930.
14 Tabernakelengel Johann Ferdinand Schwan-
thalers von 1775 in Gurten mit Neufassung durch
Alois Firlei 1922. lm Vergleich zu Abb. 11 wird
die Nivellierun der Farmunterschiede durch
gleichförmigen aßmalerstil deutlich.
Anmerkung
iVgl. Gert von der Osten, Vermutungen über die Anzahl
der Altkolner Talel- und Leinwandbilder, in Vor Stefan
Lachner, Die Kölner Maler van 1300 bis 1430, AussL-Kat.
Köln 1974.
chen bei insgesamt 242 Katalognummern des
Barockteiles zu sehen sind
Die Aufstellung im Kreuzgang des Stiftes Rei-
chersberg und seinen Anrüumen kommt leider
dem Besucher für die Erkennung dieser Zusam-
menhänge nicht entgegen. Sowohl die beengte
räumliche Situation als auch die fast ausschließ-
liche künstliche Beleuchtung sind für die Skulp-
turen nicht ideal. Das gebündelte Licht der
Punktstrahler zerlegt die vorherrschende Vergol-
dung der bewegten Faltenoberflöchen in harte
Kontraste, schafft Klimaprobleme durch Würme-
strahlung und lcßr zudem einige besonders sub-
tile Figuren Kot-Nr. 323, 36 nur im Gegen-
licht sehen. Die angesichts der vorgegebenen
Platzmöglichkeiten nur ungefähr mögliche Kon-
kordanz von Katalag- und Aufstellungsfolge er-
schwert die Orientierung. Die optische Nivellie-
rung der formalen, fassungs- wie erhaltungsmö-
ßigen Qualitötsunterschiede durch gleichmäßige
Reihung der Objekte vor einheitlich dunkel-
blauem Hintergrund und zwischen aufwendigen
Plattenverblendungen lassen Zustand und Fas-
sung großteils nur über das Studium des Kata-
loges und weniger aus unmittelbarer Anschauung
bewußt werden.
Erhaltungssiluation
Während für das Mittelalter fast überall mit nur
wenigen Prozent überlieferten Kunstwerken des
einstigen Bestandes zu rechnen ist7, liegen für
barocke Kirchenausstattung wie privaten Kunst-
besitz der Zeit die Verhältnisse wesentlich gün-
stiger. Allerdings ist die Lage auch hier sehr
unterschiedlich. Die an den kirchlichen Zentren
Oberösterreichs im frühen T7. Jahrhundert vor
allem van oberbayrischen Meistern aus Weil-
heim getragene Altarbauwelle ist nur in auf
Randkirchen abgeschabenen Resten erhalten
ehem. Hochaltöre von Kremsmünster und Gar-
sten in GrünaulAlmtal bzw. in der Spitalskirche
Eterding, während an Ort und Stelle nur ein
bedeutendes Altarwerk des Frühbarock, nämlich
der Hochaltar in Mandsee des Salzburgers Hans
Waldburger, in situ erhalten ist. Das Werk der
Brüder Zürn im lnnviertel aus dem zweiten bis
dritten Viertel des 17. Jahrhunderts ist bereits
besser überliefert, doch auch hier sind wie bei
mehreren Altören Thomas Schwanthalers ott nur
mehr die Figuren auf im 18. Jahrhundert er-
neuerten Altären erhalten geblieben z. B. Eit-
zing, Arnsdorf, Mattighafen Kot-Nr. "I8, 34, 37.
lm 18. Jahrhundert restaurierten die Schwantha-
ler bereits mehrfach Werke ihrer Vorfahren und
erhielten nur mehr selten Aufträge zu Altar-
werken, während im 19. Jahrhundert der Be-
stand durch regelmößige, oft erstaunlich subtile
Ubermalungen renoviert und dem Zeitgeschmack
15
16
17
18
19
Weberalfar der Sfadipfarrkirdwe Ried nc
legung der Originalfassung 1973l74.
Detail aus Weihnachiskri pe Johann
ääiävanthclers in Obergrün urg, nach Re
Detail des Kopfes aus Abb. 16 zeig1
werlung der Oberfläche durch mindei
Ubermolungen.
Sfehender Köni aus der Anbeüung
Thomas Schwan? alers am Hochallar
ienfirs! von 1668 1963 grob freigelegle
nachreskaurierie Originalfassung von
Koch aus Ried.
Detail aus Abb. 18 zeig! den zweisch
lnkarnataufbau mit Brauenzeichnung
der Oberschicht sowie deren Beschödlgur
angepoßt wurde z. B. Alois Ferch in Ried 1845,
Abb. 10. Von der Regotisierungswelle in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der andern-
orts zahlreiche Barockaltäre zum Opfer fielen',
blieb das bäuerlich-konservative lnnviertel weit-
gehend verschont. Ausnahmen bilden der Ab-
bruch des Hochaltars zu Peterskirchen von 1795
mit Figuren Johann Peter d. Ä. Schwantholers
irn Jahre 1881 KaL-Nr. 181 und der des monu-
mentalen Hochaltars Martin Zürns von 1642 in
der Stadtpfarrkirche Braunau erst im Jahre 1906.
Doch auch unter den auf uns gekommenen Al-
tären wie Einzelskulpturen ist die Substanz nur
in den seltensten Fällen heil geblieben oder be-
friedigend wieder hergestellt worden. Um die
Ursachen dieser Situation, mit der wir heute
konfrontiert sind, bewußtzumochen, muß näher
auf die Vielfalt der Schäden eingegangen wer-
den.
Vor der materiellen sei noch ein Blick auf die
geistige Situation gestattet. Bereits im Titel der
Schwanthaler-Ausstellung wird ebenso wie durch
alte und neuere Bildhauermonographient primär
der Bildhauer als dominierender Urheber asso-
ziiert, während tatsächlich Auftraggeber, Schrei-
ner, Bildhauer und Faßmaler ein mehr oder min-
der großer schöpferischer Anteil am Ganzen, ie
nach der Stärke ihrer Persönlichkeit oder durch
äußere Umstände bedingt, zukommt. Dieses Un-
verstöndnis dem arbeitsteilig organisierten, durch
bestimmte Zunftregeln gebundenen Werkstatt-
betrieb als Basis komplexer Ausstattungsstruktu-
ren und architektonisch gebundener Dekoratio-
nen gegenüber ist noch immer vom überholten
Geniegedanken des 19. Jahrhunderts und durch
die völlig veränderte Arbeitswelt des industriel-
len Zeitalters geprägt. Dabei stellt etwa das im
Rahmen der Kunsttopogrophien aufgearbeitete
Material eine nur selten diesbezüglich genutzte
Fundgrube dar, deren Ergiebigkeit sich gerade
für Altäre der Schwonthaler und ihrer Zeitge-
nossen in Oberösterreich und Salzburg erwie-
sen hat. Das allmähliche Zusammenbrechen die-
ser selbstverstündlichen Art von Kooperation
für die das überwiegende Fehlen von Künstler-
signoturen bezeichnend ist5 gegen Ende des
Barock veranschaulicht beispielhaft der im Ko-
stenvoranschlag des Salzburger Bildhauers Jo-
hann Hagenauer für den neuen Hochaltar der
Pfarrkirche in Köstendarf1764 geäußerte Wunsch
...nebst der Bildhauer- auch die Fassarbeit
zu übernehmen..., damit meine Freyd bey rei-
ner Ausarbeitung und verschidtenen Ausdruck
der Gesichter mir vollkommen bleibe und nicht
so, wie es mir schon oft mols geschehen ist,
durch Vergründung verpatzet wird..."'. Nicht
zuletzt muß eine vorwiegend auf formale und
inhaltlidwe Werte reduzierende Kunstwissenschaft
Anmerkungen 3-9
'Vgl. G. odolitsch, Maria Trost bei Graz
Diagnosen und Therapien an einer Walltoh
Usterr. Zeitschrift für Kunst und Denkmalpfli
ms, s. 165-171. Renard, Wiedoraufstellung
gebauten Barockaltären, Jahrbuch der rheinischi
malptlege, 11111927, S. 66-74, und Metterrnd1,
selzun von Barockaltären, ebenda IVIWIB,
'Ausnagmen bestätigen die Regel wie z. B. C. Z1
Manleultel, Die Bildhauerlamilie Zürn,1606-1666,
horn 1969, oder die vorbildlichen Fassungsong
Katalog der Skulpturensammlung Staatl. Museer
lin, wss, von H. Maedebach.
sSignierlu Bildwerke kennen wir von Martin Zürn,
Braunau, von den Schwanthalern nur Arbeiten
kogeneratian Johann Peter d. Ä., Kot-Nr. 177,
Johann Georg, Kat. 750, 159. Interessant ist
malersignatur zu KaL-Nr. a.
'P. Buberl F. Martin, Die Denkmale des
Bezirks Salzburg, Usterr. Kunsttopographie
1913, S. so ff.
Die mit allerhand sdtönen curiösen und geheir
senschalten ausgefüllte Farbe-Belustigung
berg Anna 1711, Cap. XV.
'Diesballlgliche Beispiele größerer Figuren sind
Ausstellung u. a. die Kuh-Nr. 66, 65, 141,
Klein ruppen z. B. Kot.-Nr. 25 146.
'M. atin, L'art du peintre, doreur, vernisseur
1753, deutsch Der Statfiermaler, Leipzig 1779
dle Neuauflagen.
intwortlich für die Unwissenheit und Igno-
tateriell-technischer, aber auch fassungs-
her Entwicklung gegenüber gemacht wer-
nur ein bezeichnendes Streiflicht dazu
wen, läßt sich aus der bisherigen Fachlite-
zum Thema Barockaltar kein Ansatz für
ift, Typik und Chronologie des allbekann-
nwarz-Gald-Typus finden, der nach ver-
enen, für die Übergangssituation am An-
les 17. Jahrhunderts bezeichnenden For-
ngefaßt, weiß-gold, blau-gold, ganz ver-
linear marmoriert ab dem vierten Jahr-
katholischen Bereich immer stärker do-
und mit großen zeitlichen Überschnei-
in städtischen Zentren ab etwa 1690, in
zbieten oft erst nach 1730 von großteils
zft imitierender buntfarbiger Marmorie-
ibgelöst wird. Ebenso ist erstaunlich, zu
daß man noch nicht die stilistische Kon-
der Fassungsentwicklung in Parallele zum
17
Farmwandel an Altar wie Einzelskulptur von
der Spätgotik bis ans Ende des Barock studiert
hat, die für den mitteleuropäischen Bereich an
Werken der Schwanthaler, ihrer Vorstufen und
einiger Zeitgenossen, wie Meinrad Guggenbich-
lers, angedeutet werden konnte. Die weiter hie-
für nötigen, auf die materielle Substanz gerichte-
ten Forschungen wären freilich eine wichtige
wissenschaftliche Aufgabe der Denkmalpflege,
zu der sie aber bei der gegenwärtigen Problem-
fülle durch alle interessierten Nachbardiszipli-
nen entlastet werden müßte.
Zur Veranschaulichung der unmittelbaren nega-
tiven Auswirkung dieser Zwiespöltigkeit unseres
derzeitigen Verhältnisses zu gefaßter Skulptur
wie Architektur nicht nur des Barock sei auf
einige typische Fakten hingewiesen.
l. Isolierte Wertschätzung der Einzelskulptur
sie ist vom liturgisch-funktionellen Wandel der
Kirchenausstattung bis zum Museums- und Kunst-
"I9
handels-ObiekW Ursache fragwürdiger Ersatz-
lösungen, die die Einzelskulptur vielfach formal
wie funktionell verfremdet.
2. Entfernung oder Reduktion der Fassung zu-
gunsten einer angenommenen reinen Form"
oder aus Umgehung lästiger Konservierungs-
maßnahmen damit werden nicht nur die farbig-
illusionistischen Qualitäten und inhaltlichen Be-
zugsebenen vgl. Kindlein-Farbe", Frauen-
Leib-Farbe", Alter Leute-Farbe", Todter
Leute-Farbe", sondern durchaus auch Teile
des formalen Konzepts zerstört. Dies einmal
durch das beim Ablaugen unumgängliche fase-
rige Aufreißen der feinen Halzkanten und
Grate", zum anderen durch Verlust der model-
lierenden Funktion der zur Fassung gehörigen
Grundierung, deren Reparierung" von franzö-
sisch reparer" nach Watin die fünfte Haupt-
Verrichtung der Vergoldung darstellt". Durch er-
haltene Arbeitsverträge ist gerade für Thomas
18
Schwonthaler und den Rieder Schreiner
mann belegt, daß bereits sie und nicht der
maler die Grundierung ganz oder nur zum
nach vollendeter Altaroufstellung in der
auszuführen hatten Zell am Pettenfirst 1667!
Schließlich wird mit dem gerade an Sch
thaler-Plastiken bis in die unmittelbare
wart praktizierten Ablaugen auf den Hol
die überaus wichtige Schutzfunktion der Fa
aufgehoben. Der 1947 derart reduzierte
Ölberg Thomas Schwanthalers Kot-Nr. 65
denn auch heute wie andere Kot-Nr. 21
nur aufgerissene Holzstruktur, sondern auch
lenweise dichte mikrobiologische Halzzerstö
in Form schwärzlich hotierter Punkte Abt
12.
3. Änderung der klimatischen Umweltbedir
gen durch immer zahlreicher eingebaute
auf zumeist überhöhten Wärmebedarf
stellte Kirchenheizungen, aber auch durch
lisotorische Klimabelastungen im Kunstha
bei Ausstellungen und in Privatsammlungen
den vielfach bis in unsere Zeit durch Jültl
derte einigermaßen stabile Umweltverhält
radikal verändert. Diese Gefahr Abb.
gerade für prominente Obiekte heute verr
zu, für die stets eine restauratarische Bet
tung der Empfindlichkeit und entsprechende
gleichsmaßnahmen erfolgen müßten.
4. Unsachgemäße Restaurierungen histor
Renovierungen sollten stets wertfrei betra
werden, aber auch bei Beurteilung von
nahmen im 20. Jahrhundert sind Varzustand
Umstände zu bedenken. Schluß gemacht
iedoch werden mit der bis heute geübten
störung oder Beschädigung von Originalfa
gen im Zuge von handwerkliche Solidität
strebenden oder aus Geldmangel rationa
renden Renovierungen, da diese großteils
der an Haltbarkeit und noch weniger in qur
tiv-formaler Hinsicht sich mit Fassungen
Barockzeit, aber auch nicht mit den Übermt
gen des frühen 19. Jahrhunderts messen kä
und zudem Bildwerke verschiedener Sch
thaler aus verschiedener Zeit durch ihren
heitlichen Neufassungs-Stil" zu fataler Ähr
keit verfremden Abb. 13, 14.
5. Normaler Altersverfall hier sind vor
Holzschädlinge zu erwähnen, von denen
Zeitpunkt der Ausstellungsvorbereitung etw
bis 20 Prozent des kirchlichen Schwanthale
standes befallen war Abb. 21. Ferner sind
Beschädigungen durch den kultischen Geb
bei Prozessionen und Oster- wie Weihnachtst
chen zu erwähnen, die aber zumeist erstau
gering sind, obwohl davon neben Prozess
stangen Kot-Nr. 4313, 156-8 auch ganze
rengruppen Kat.-Nr. 178 bis zu kleinen Alt
Kot-Nr. 186 betroffen waren. Ihre fest
Verwendung war eben von regelmäßiger
und Wertschätzung begleitet Abb. 16, 17.
Technologie und Restaurierung
Sinnvolle Restauriermaßnahmen haben übe
Festhaltung des jeweiligen formalen wie
riellen Befundes hinaus das Studium der
sprüngliclten Herstellungstechnik sowie der
späteren Veränderungen zur Voraussetzung
den Schwanthaler-Bereich seien die wichtig
hier zum Teil erstmals festgehaltenen Elen
genannt, über deren Verbreitung und lokale
zeitliche Bezüge gleichwohl erst unscharfe
stellungen bestehen.
Für gebeizte Altarbauten wurde im Gegei
zu grundiert gefoßten Altarbouten dem übl
Nadelholz feineres Schnitzholz Linde, AI
aufgezogen. Die Skulpturen und Ornamente
ren in der Mehrzahl aus frischem Ahori
oder im 17. Jahrhundert seltener, im 18.
annes d. T. von Johann Peter d. Ä. Schwan-
ler aus Aurolzmünster zweischichtiger Ori-
alinkarnat während der Abnahme von vier
zrmalungen, Vergoldung war nicht iibertaßt.
Maria Magdalena aus einer Kreuzigungs-
ppe von Johann Franz Schwanthaler, Hohen-
1753 stark wurmzerfressener Holzkern tritt
er durch Uberlassungen scheinbar intakter
ertläche heraus.
lel Thomas Schwanthalers vom Josefsaltar
Maria Plain 1673 1974 zu stark aufpolierte
yinale Ganzgoldfassung von Nikolaus Ga-
lGrabmayr aus Salzburg.
ine Michaelsgruppe Johann Peter d.Ä Abb.1
wanthaler im Stift Reichersberg während
ilegung der originalen Lüsterfassung links.
to Thomas Schwanthalers vorn Benediktsaltar
Maria Plain, 1676 1973 lreigelegle Original-
sung ohne Retuschen.
1d und Arm des Puttos aus Abb. 24 mit
weren Fassungsschäden durch unsachgemäße
ilegung1973.
k2l
ungen 10-13
uböck, Rieder Altarbauverträge vor 300 Jahren,
was v3. Jahresbericht des Bundesgymnasiurns
einheitlicher Neutassungsstil Alais man an Wer-
Jns Waldburgers Hochaltur Mondsee um, Tho-
Schwanthalers Mörschwang 192a, Kuh-Nr. a9,
all, KaL-Nr. 40, und Hochallar Gmunden, Johann
I. Ä. Allheim, KaL-Nr. und Johann Ferdinand
ithalers Gurten 1922, KaL-Nr. Franz Firleis
inz Mathias Aspach, KaL-Nr. wie bei Johann
s. Ä. Schwanthaler Riad 194a, Kai. 1771 Alois
an Thomas Schwanthaler ZelllP. m3, Kuh-Nr. 23,
1970, KaL-Nr. 441, Johann Peter d. Ä. Mett-
KaL-Nr. 173 und Johann Georg Kematen 1959,
wonam ..
um... w......,.,... a".-.
ger aus Lindenhalz gefertigt. Thomas Schwan-
thaler schnitzte auch in Erlenholz. Die Verlei-
mungen von Altarbouten wie Figuren sind stets
mit Ahorndübeln verstärkt. Die mindestens zwei-
schichtigen Grundierungen enthalten überwie-
gend graue dolomitische Steinkreide, seltener
Gips und Bleiweiß, wobei sich hier zeitliche
Gruppierungen abzeichnen
Für die Fassung, zu der außer Bemalung auch
Metallauflagen gehören, bilden die lnkarnate,
diverse Metallautlagen, mit oder ohne farbige
Lüstrierung, und schließlich der Firnis selten rich-
tig erkannte und behandelte Probleme. Der
größere Teil aller zusätzlich mikroskopisch und
farbenanalytisch untersuchten 67 Figureninkar-
nate wies zweischichtigen Farbaufbau in Form
von Untermalung und lasierender oder decken-
der Oberschicht auf. Differente Farbgebung,
scharf abgegrenzteVarmodellierungen oder aber
das Fehlen von Binnenzeichnung Abb. 19 und
vor allem die stets erst auf der Oberschicht
21. Feingehaltanalysen der Blattmetallautlagen
von Gold, Silber, Zinn Stanniol, Bronze und
Messing sind leider aufgrund der Dünne des
Materials selten möglich. Ihre Oberflächen er-
hielten auf Goldschmidtarbeit" KaL-Nr. 60
durch Politur verschiedene Glanzformen und
durch Überzüge in Form von Lüstrierung ver-
schiedene metallische Farbeffekte. Die aus-
schließliche Metallfassung von Figuren ist als
Anschluß an die Erzplastik der Renaissance in
Österreich bereits 1609 belegt Hochaltar von
Stift Stams in Tirol, wobei wie bei der echten
Erzplastik durch bräunliche Lasuren zusätzliche
Modellierung der Metallobertläche aufgetragen
wurde, die gerne übersehen oder für falsch ge-
halten wird". Kombinierte Gold-Silben oder
nur Goldfassungen kommen bei den Schwantha-
lern ebenso wie getriebene Metallarbeiten ehe-
maliger feuervergoldeter hl. Michael am'Rei-
chersberger Stiltsbrunnen, Silberbüsten aus Ried,
Kot-Nr. 6617 nur im Werk von Thomas vor
Jahrhundert Johann Franz Schwanthaler vor
und wurde unter anderem noch 1966 als fal-
sche" Vergaldung am Hochaltar Thomas Schwan-
thalers in Münsteuer entfernt". Weitere vom
Vergolderhandwerk längst vergessene Feinhei-
ten zeigen die nie überdeckten Glanzpoliment-
Vergoldungen der bezeichneten Gruppen Jo-
hann Peter d. Ä. Schwanthaler in der Rieder
Stadtpfarrkirche, Anna und Maria von 1784 Kot.-
Nr. 177, Farbabb. und die Pietd von 1785
Kot.-Nr. 178, Farbabb. 6,15 alle Staßfugen der
Goldblättchen in Faltentiefen und Rändern sind
mit einer Vermeil" genannten goldgelb ge-
färbten Gummiharzlösung zur Erzielung perfek-
ter Übergänge bestrichen Watins 16. Haupt-
verrichtung der Vergoldung 1. Dazu kommen be-
wußte Variationen im Feingehalt. Sa verwen-
dete der Lambacher Maler Heupl 1665 für die
Fassung der Seitenaltäre Veit Adam Vogls in
Zell am Pettenfirst drei verschiedene Goldsorten
aus Augsburg, Nürnberg und Regensburg, zwei
Arten Blottsilber sowie Zwischgold" nach Anm.
10. Die Farblüster bestimmen zur vorwiegenden
Vergoldung der Außenseiten die Unterkleider
und Innenseiten Umschläge des Gewandes der
meisten Schwanthaler-Figuren. Die Tonskolo be-
herrschen im 17. Jahrhundert vergulaender Fir-
nis über Silber und Stanniol" nach Anm.
Krapprot, Grün und seit der Mitte des 18. Jahr-
hunderts auch das 1704 entdeckte Berlinerblau.
Die gegenüber mittelalterlichen Lüstern vorwie-
gend auf Weichharzen basierende Bindung ist
Ursache von Sprödigkeit und leichter Löslichkeit
dieser Farblüster, die denn auch bei den bisher
üblichen Freilegungsmethoden zumeist schwer
beschädigt werden, obwohl makellose Abdek-
kung möglich ist Abb. 23, Farbabb.l. Ähnliches
gilt für die Damaszierung" oder Musierung"
genannten aufgemalten Farbmusterungen auf
Silber, die nach 1650 im allgemeinen aufhören
z. B. noch an den Zürn-Altören von St. Geor-
genlMattig 1645 und 1649 vorhanden und im
18. Jahrhundert im süddeutschen Rokoko aller-
dings nicht bei den Schwanthalern auf Silber
wie auf Gold wieder auftreten z. B. Figuren Jo-
seph Anton Feuchtmayrs oder Anton Sturms.
Die Firnisfrage, die für die Beurteilung der ur-
sprünglichen Erscheinung sehr wesentlich ist,
kann am schwersten genau beantwortet wer-
den. Die Archivalien zu Altären verraten nur,
daß als Überzug der gebeizten oder gemalten
Schwarzfassungen der Architektur im 17. Jahr-
hundert stets Florentinerlack" ein dunkelrot-
brauner Rotholz- oder Karminlack Anwendung
fand, der als Kugellack oder WienerlarJr bis ins
19. Jahrhundert bekannt war". Im 18. Jahrhun-
dert sind die zumeist wäßrig ausgeführten Altar-
marmorierungen vorwiegend mit wohl farblo-
sem spanischem Firnis" überzogen worden, des-
sen Rezeptur uns noch fehlt. lnkarnatfirnisse ge-
hen aus den Quellen nicht hervor und waren
auch analytisch nicht zu erfassen. Überzüge auf
Metall gehören zu der bereits oben erwähnten
Lüsterproblematik.
Angesichts dieser diffizilen Fassungsstrukturen
und dem ihnen zukommenden Wert als untrenn-
barer Bestandteil des Originals" sind für ver-
antwortungsbewußte Restaurierungen nur zwei
Alternativen möglich. Die der Konservierung des
zuletzt bestehenden Zustandes oder einer bes-
ser erhaltenenfilteren Renovierungsphase oder
die Freilegung der Erstfassung mit allen uns
heute zur Verfügung stehenden Mitteln und größ-
ter, vielfach nur unter ständiger mikroskopi-
scher Kontrolle erzielbaren Arbeitsgenauigkeit.
Die jeweiligen Umstände von Erhaltungszustand,
derzeitiger Funktion, Umweltbedingungen bis zur
Kostenfrage und der spezifischen Erfahrung der
verfügbaren Restauratoren sind dafür bestim-
12
mend. Natürlich auch die Relation von Aufwand
zu erzielbarem Resultat und der damit verbun-
denen noch viel zu wenig beachteten Wertstei-
gerung oder -minderung. Für umfangreiche Re-
staurierarbeiten an einer mittelgroßen Skulptur
unter Freilegung und Erhaltung der Originalfas-
sunlgen sind Arbeitszeiten von einem halben Jahr
und mehr durchaus realistisch. Ein normaler Ba-
rodraltar mit etwa fünf Skulpturen und der üb-
lichen Dekoration ist bei derzeitiger Kostenlage
sicher kaum unter einer Viertelmillion Schilling
richtig freizulegen. Die andere Alternative, die
der Bewahrung von Zweit- und Drittfossungen,
wurde über Weisung der Denkmalpflege in zwei
Fällen Lochen, St. Florian bei Helpfau in letzter
Zeit mit Erfolg praktiziert. Je nach dem Zustand
ist aber dabei auf möglichste Zusammengehö-
rigkeit der einzelnen Teile und Schichten zu ach-
ten, da sonst wieder ein Pasticcio verschiedener
Zustände entsteht. Nötige Teilerneuerungen von
Fassungen, vor allem, wenn sie das Aussehen
authentisch nachweisbarer Zustände bewahren,
widersprechen der geforderten Einheitlichkeit
keineswegs, erfordern aber entsprechende Do-
kumentation der getroffenen Maßnahmen Abb.
26. Damit bleibt auch der Anteil des Vergol-
der- und Staffierergewerbes erhalten, nämlich
Erneuerung im Rahmen des unbedingt Nötigen
und Bewahren der übrigen Substanz. Schnell-
restaurierungen oder Neufassungen kosten zwar
relativ wenig Geld, zerstören aber dafür um so
mehr Originalwert, vom historischen Standpunkt
der Unersetzlichkeit ieder überlieferten Quelle
ganz abgesehen. Abschließend sei an einem
Beispiel illustriert, daß unter den gegebenen
Umständen stets das Weniger ein Mehr bedeu-
tet und daß der Ehrgeiz nach Gewinnung des
ursprünglichen, mit der Aura des Originals"
umgebenen Zustandes entweder in realistischer
Einsicht der Problematik gezügelt oder aber mit
der Konsequenz erhöhten Zeit-, Geld- und Ar-
beitsaufwandes durchgestanden werden muß. ln
der Wallfahrtskirche Maria Plain bei Salzburg,
einem der schönsten Barockensembles des Lan-
des mit sieben Altären drei mit Skulpturen von
Thomas Schwanthaler, hat man im letzten Jahre
eine vollständige lnnenrenovierung durchgeführt.
Obwohl für die Fassung der einheitlich Ende des
17. Jahrhunderts entstandenen Altarkörper eine
um die Mitte des 18. Jahrhunderts zu datierende
Blaufassung" rekonstruiert werden mußte, da
schwarze und rotbraune Spuren der Erstfassung
zu gering waren, hat man dennoch die fast
50 Skulpturen aller Altäre und weiteres lnventar
in etwa Jahresfrist mit bedeutenden Verlusten
auf die Erstfassung freigelegt Abb. 25, lasie-
rend ergänzt und die Vergoldungen auf stärk-
sten Hochglanz poliert, was nicht nur technisch
bedenklich ist, sondern auch im Widerspruch zu
den unleugbaren Alterszeichen der Oberfläche
steht Abb. 22. Eine verlustfreie Abnahme der
drei Ubermalungen an einem Engelputto Tho-
mas Schwanthalers aus Maria Plain Kat.-Nr. 36
erforderte zum Vergleich etwa sechs Wachen
und sonst aber fast keine Retuschen Abb. 24.
Dem vielfach geäußerten bequemen Einwand,
daß nicht im freien Handel befindliche Kunst-
werke, die wie das Kircheninventar zudem dem
staatlichen Denkmalschutz unterliegen, totes Ka-
pital darstellten, sei entgegengehalten, daß die
in entscheidendem Maße van der Kunstfülle des
Barock bestimmte Kulturlandschaft Österreichs"
über den Fremdenverkehr sehr wohl auch in der
Wirtsdwaft unseres Landes zu Budie schlägt. Es
bleibt zu hoffen, daß zufolge der Einsicht in
diese, freilich von vielen für sich reklamierte Um-
wegrentabilität in Zukunft von allen Seiten mehr
als bisher für richtige Erhaltungsmaßnahmen ge-
tan wird.
26
26 Florianialter Thomas Schwanthalers der Rieder
Stadt farrkirche von 1669 fotogrammetrischer
Aufri und Zustandsplan 1974 schwarz in
Holz und Fassung ergänzte Teile, kariert
1973174 erneuerte Vergoldungen, punktiert
konservierte Vergoldungen und Farblüster von
1842, weiß 1972-1974 freigelegte originale
Farbfassungen.
Anmerkungen 14-16
gßrauiiierte" ergeblldunygergawäädeäla iügzdiedAussäellurg
it tw-rrt. nsina
4529351912?" ist. rGeorgenlMattig Wieufür Guggldn-
bictllers Hocttaltar Mictlaelbeuern oder Wolf Weissen-
kirdlners Kanzel Straßwaldten Arbeiten belegt bzw.
ßgrrttstaltsutsabsrllegerg B.
ezept z. in ar eustigung zit. nm.
Florentinerlack war bis ins 19. Jahrhundert zu vielfältigen
audt Haus-Anstrichzwecken üblich, vgl. c. F. o. Ttlon,
Vollstandlge Anleitung zur Lackirkunst, Weimar 1835.
Zur Blaufassung von Altären ab 1700 siehe den techno-
logischen Kalalogbeltrag.
Vgl. o. Prettere nur, Drel Wallfahrtsort an der Pll er-
Straße im Mnttigtal, in Oberösterreich, 24, 1974, S. f.
Ll Unser Autor
Dr. Manfred Koller
Oberrestauratar am Bundesdenkmalamt
1030 Wien, Arsenal
Adolf Hahnl
Die Bekehrung des Paulus
und des Hubertus
Werke von Johann Georg Schwan-
thaler in Salzburger Sammlungen
Der Verfasser bittet um Hinweise auf die der-
zeit verschollenen Linzer" Reliefs, Abb. und 2.
Anmerkungen 1-7
'Dommuseum...zu Salzburg. Katalog hrsg. v. Johan-
nes Neuhardt, Salzburg 1974, Nr. 171, 172, Abb. 76, 77
hier als österraidtischer Bildschnitzer, um 1780.
ie Bekehrung des Paulus kaufte das Salzburger Dom-
kapitel als Werk J. B. Hagenauers am Münchner
Kunstmarkt, die Hubertusgru pe ist eine Dauerleihgabe
der Wr. wechselseiti en ersid1erung, ebenfalls auf
dem Kunstmarkt erstan en.
"in Heimatgaue, 11. Jg. 1930, 234-236, Abb. auf
Taf. 16.
'Herrn Kustos Dr. Benna Ulm, l.inz, sei für seine dies-
bezüglichen Bemühun en herzlich gedankt.
fDie Denkmale des enediktinerstiftas St. Peter in Salz-
burg. um Bd. xu, Wien 191a, s. 119, Nr. 11,12, Fig.183.
fVgl. lnga Ieiter-Hdfer Johann Baptist Hagenauer.
Diss. d. Phil. ak. Wien 1952, und A. Hahnl Im ädntan
und wahren sm" der Antike. In ln Salzburg geboren,
Z. Aufl. Salzburg 1973, 69 ff.
"Die Bildhauarfamilie Sdtwanthaler 1613-1548 Katalog,
Linz 1974, S. 173-181.
Zu den ständigen Exponaten des Salzburger Dom-
museums' zählen zwei aus Lindenholz geschnitzte
Gruppen, die offensichtlich als Gegenstücke von
einem Künstler geschaffen wurden. Dafür spre-
chen nicht nur äußere Gründe, wie dieselben
Dimensionen der Basisplatte, auf der die ein-
zelnen figuralen Teile montiert wurden, und der
gleiche Maßstab der Figuren, sondern auch stili-
stische Übereinstimmung und thematische Ergän-
zung Es ist ieweils das Erscheinen Christi als
Halbbildnis bzw. als Gekreuzigter dargestellt,
wobei Geworfensein hl. Paulus und Anbetung
hl. Hubertus als einander ergänzende Gebets-
haltungen veranschaulicht werden. Während die
Besitzgeschichte dieser beiden Gruppen keine
nennenswerten Ergebnisse beisteuert", soll der
Versuch unternommen werden, die erwähnten
mit zwei weiteren Pendants in Verbindung zu
bringen, die aufgrund einer Signatur bzw. auf-
grund stilistischer Argumente gleichfalls für Jo-
hann Georg Schwanthaler in Anspruch genom-
men werden.
1930 veröffentlichte G. Guggenbauer zwei Re-
liefs Pauli Bekehrung" und St. Hubertus", die
zusammen mit zwei weiteren Reliefs der Anbe-
tung der Hirten und der Könige gleichformatig
25 cm breit, 33 cm hoch sowie signiert und
datiert sind, und zwar die Bekehrung des Paulus
mit Joh. Georg. Schwanndaller Sculpsit et in-
ventor. Anno 1777" und die Bekehrung des Hu-
bertus mit Johann Georg Schwanndaller sculp-
sit et inventor. 1779". Leider war es nicht
möglich, diese einst in Linzer Privatbesitz befind-
lichen Reliefs auszuforschen',so daßihreWieder-
gabe aufgrund der alten unzulänglichen Publika-
tian erfolgen mußf. Soweit ersichtlich, sind die
beiden Linzer" Reliefs in der Reproduktion leicht
beschnitten, denn die Rokokokartusche in der
rechten bzw. linken unteren Ecke, auf der stolz
die oben zitierten Signaturen eingeschnitten sind,
erscheinen hier fragmentiert Abb. und 2.
Die dritten der hier zu nennenden Pendants be-
finden sich im Besitz der Erzabtei St. Peter in
Salzburg.
Auch sie wurden bereits von Hans Tietzes publi-
ziert und von uns mit den Pendants im Dom-
museum in Zusammenhang gebracht, die ihrer-
seits erst durch die Schwanthaler-Ausstellung in
Reichersberg dem OEuvre Johann Georg Schwan-
thalers eingegliedert werden können. Der Weg
ist hiebei ein zweifacher. Zum einen soll versucht
werden, die beiden unsignierten Salzburger Pen-
dants in eine stilistisch und thematische Ent-
wicklungsreihe mit den signierten Linzer" Re-
liefs zu stellen, zum anderen, sie in stilistische
Relation zu J. G. Schwanthalers Tiergruppen zu
setzen.
l. Das Linzer" Relief Pauli Bekehrung von
1777" ist zweifelsohne das früheste Werk Jo-
hann Georgs in dieser Themengruppe. Die Szene
schildert die bekannte Begebenheit der Apostel-
gesdtichte, Kapitel Unterdessen begab sich
Saulus, wutschnaubend und voll tödlichen Has-
ses gegen die Jünger des Herrn, zu dem Hohen-
priester und ließ sich von ihm Briefe nach Da-
maskus geben, wonach er die Anhänger der
neuen Lehre gefesselt nach Jerusalem schaf-
fen solle. Bereits war er unterwegs in die Nähe
von Damaskus gekommen, da umblitzte ihn auf
einmal ein Licht vom Himmel; er stürzte zu Bo-
den und hörte eine Stimme, die ihm zurief
,Saulus, Saulus, was verfolgst du mich?' Seine
Begleiter standen sprachlos da; denn sie hörten
wohl die Stimme, aber sahen niemand".
Schwanthaler ordnet seine Komposition in einer
großen Diagonale an, wobei das auf den Vor-
derhänden eingeknickte Pferd mit dem rücklings
abgeworfenen Paulus eine Achse bilden, die im
Hintergrund durch die fast parallel ausgeridtte-
ten Lanzen der begleitenden Soldaten fortge-
setzt wird. Als Kontrapost dient dazu in der
rechten unteren Bildhälfte eine Dreiergruppe von
teils emporblickenden Soldaten. Über dem tief-
sten Punkt dieser Komposition erscheint in einem
V-förmigen Wolken- und Strahlenkranz der Auf-
erstandene am Himmel, dessen linker Hand ein
Blitzstrahl entführt. Im Hintergrund sind die
Mauern der Stadt Damaskus sichtbar. Das augen-
scheinlich sehr flach gesdinittene Relief ordnet
die Figuren parallel zur vorderen Bildebene; die
Figuren agieren zu den seitlichen Rändern hin,
Aktionen in die Bildtiefe oder Verkürzungen und
Überschneidungen fehlen. Die Körper sind
knapp, mit Betonung einer gewissen Schönlinig-
keit herausgearbeitet, Gewandteile umspielen in
weich gedellter Faltengebung die Körper. Der
Gegensatz wird im Vergleich zu einem als An-
dachtsbild weitverbreiteten Kupferstich Augsbur-
ger Herkunft aus der Serie der Tagesfeste,
25. Januar, Pauli Conversio", unsigniert, un-
datiert, a. v. 1a. Jh. deutlich Abb. a.
Während das Andachtsbildchen im Sinne des
Spütbarock eine raumhaltige Komposition mit
einem aus dem Bild sprengenden Reiter, wehen-
den Gewändern und Fahnen und einer im dia-
gonalen Kreuz angeordneten Ersdwinungsszene
aufzeigt, ist das Linzer" Relief vom Klassizismus,
wie er an der Wiener Akademie damals durch
Beyer und Johann Baptist Hogenauer vertreten
wurde, nicht unbeeinflußt geblieben". Daß ein
gewisser Bruch durch Johann Georgs Werk geht,
hat die Reichersberger Ausstellung gezeigtÄ Die
hll. Kirchenvater von Vöcklabruck-Schöndorf und
Kematen an der Krems 1772, 1774 sind pathe-
tisch bewegte Gestalten" mit wehenden Gewan-
dern; sie gehören der spätbarock-rokakohaften
Stillage des Frühwerkes an. Im Linzer" Relief
der Paulusbekehrung werden die neuen Stil-
mittel des Frühklassizismus an einem Thema er-
probt, das im Barock eine überzeugende Formu-
lierung gefunden hatte. Es trifft nicht den Kern
der Sache, wenn man diese Kleinreliefs, die zu-
dem oft signiert sind, nicht zum Besten" rechnet,
was Johann Georg geschaffen hat. Die Kontro-
verse, welcher Stil besser" ist, dürfte wenig ge-
eignet sein, einen Künstler, der im Umbruch der
Zeiten stand, zu interpretieren.
2. Die Salzburger Gruppe Pauli Bekehrung
Abb. Dommuseum, dürfte nicht viel später
als das Linzer" Relief entstanden sein, vielleicht
sogar um 1779. Auf einer vorne konvex gestalte-
ten Basisplatte Länge 52,1 cm, Breite min. 17 cm,
max. 23,5 cm sind die einzelnen, aus Lindenholz
geschnitzten Figuren und Versatzstücke durch
Holzzapfen fixiert, und mit Ausnahme der Pau-
lusfigur auch verleimt. Die ganze Gruppe ist
weißlich gesohlemmt, nur die Augen sind dunkel
nachgezeichnet, während Zaumzeug, Steigbügel
und Schwertschlaufe aus den natürlichen Mate-
rialien Lederriemchen, Blech gefertigt sind. Der
Erhaltungszustand ist mit geringfügigen Brudt-
stellen sehr gut, die Fassung original. Johann
Georg Schwanthaler mußte das Thema von dem
hochoblongen Linzer" Relief zu dem queroblon-
gen Salzburger umbauen. So kommen die bei-
den seitlichen Versatzstücke eines stilisierten Bau-
mes der Blattform nach zu schließen eine Eiche
und der Stadt Damaskus auf stark gewelltem
Berge dazu. Paulus, der auf dem Relief im kon-
sequenten Bewegungsablauf vom Pferd gestürzt
ist, wurde hier aus der Tiefe der Komposition
von seinem Reittier geworfen. Er liegt kopfüber
am steilen Berghang, das bartumwallte Haupt
abgewendet, Arme und Beine im Abwehrgestus
erhoben. Das Pferd bietet sich, am Kamm des
Hanges situiert, in kaum verdeckter Ansicht dar.
Es ist durch die Mad1t der Erscheinung wohl ge-
stürzt, hat aber seine beiden Vorderhände in
13
Bekehrung des hl. Paulus. Johann Georg 5c
ihaler, 1777. Ehem. Linz.
14
Puuli Conversio. KuDfersHch, Augsbu
Vierlel 18. Jh.
Bekehrung des hl. Paulus. Johann
Schwunihcler um 1779. Dommuseum
urg.
Bekehrung des hl. Paulus, nach 1779.
Georg Schwunihuler Erzubfei S0,
Salzburg.
Bekehrung Pauli. Augsburger Andachisbil
um 1750 Seifenverkehrr.
Bekehrung des hl. Hubertus. Johann Georg
Schwunfhaler, T779. Ehem. Linz.
ßlw
Im; Vxr Dnmnu puqrurarlm cerwzr. 12,-.
S. Eusiuchius, Augsburger Andcchisbildchen,
Viertel 18.111.
Bekehrung des hl. Hubertus. Johann Georg
tSjchwanlhaler um 1779. Dommuseum Salz-
Bgkihrung das hl. Hubertus. Johann Georg
Schwanthuler nach 1779. Erzabtei St. Peter,
Salzburg.
graziöser Weise eingewinkelt und den Schädel
zum Himmel gewendet, so daß die Mähne in
prachtvoll perforierter Weise abflattert. Knapp
über seinem Leib erscheint über Wolken und im
Strohlenkranz die Halbfigur Christi mit Kreuz
und Blitzbündel. Während die Figuren von Chri-
stus und Paulus noch ganz in der Tradition von
Johann Peter dem Älteren Pramer Krippen-
werk stehen, weist das Pferd in seiner unver-
kennbaren individuellen" Reaktion auf die be-
rühmten Tiergruppen Johann Georgs, etwa auf
die kämpfenden Pferde" des Linzer Landes-
museums" hin. Die flammenartig stilisierten
Schweifhaare, die in die Wellenbewegung des
Berges einzumünden scheinen, und die spezifi-
sche Formung der Wegsteine als Polyeder bieten
Ansatzpunkte für einen Vergleich. Der Auswei-
tung der Salzburger Gruppe, indem Johann
Georg Landschaft in seine Komposition auf-
nimmt, wodurch diese wieder in die Nähe des
Augsburger Kupferstiches gerückt erscheint, wi-
derspricht eine Verknappung der figuralen Szene
auf zwei Personen, wobei im Brennpunkt seines
künstlerischen Interesses die Darstellung von
Natur" im weiteren und die des Pferdes im
engeren Sinne gelegen ist.
3. Die zweite Salzburger Gruppe Pauli Bekeh-
rung Abb. St. Peter, stellt eine iüngere Fas-
sung dieses Themas dar. Bedauerlicherweise
scheint dieses Werk in keiner der zeitgenössi-
schen Stiftsraittungen" oder lnventare auf, so
daß eine Erwerbung im 19. oder 20. Jahrhun-
dert zwar nicht völlig auszuschließen, aber den-
nach wenig wahrscheinlich ist'. Am ehesten
noch ist eine Erwerbung dieser Pendants unter
Abt Beda Seeauer anzunehmen. Er, der der bür-
gerlichen Nebenlinie der Grafen von Seeau
Schloß Seeau am Hallstätter See, OÖ ent-
stammte, hat die Verbindung mit seiner Heimat
stets gepflegt. So lesen wir in seinem Tagebuch
am 28. Juli 1779" Auf besdwehenes Ansuchen
des Herrn Salzburger Ambtsmann zu Gmünd-
ten am Traunsee hab ich disen Altar" in das
neu erbaute Gotteshaus zu lschl in Oberöster-
reich bestimmet, wo noch gar kein Hochaltor
ist". Nach in diesem Jahre reiste er anläßlich
einer Abtswahl in Stift Admont durch seine
Heimat, um die Verwandten zu besuchen. Es ist
nicht ganz von der Hand zu weisen, daß man
später, als Dank für den geschenkten Hochaltor,
diese Gruppen als Verehrungen" übergab".
Abt Beda, der die Stiftskirche St. Peter von 1760
bis 1782 im Sinne des Spätbarock und Rokoko
hatte ausstatten lassen, wobei er den damals in
Salzburg vorherrschenden Frühklassizismus Ha-
genauerischer Prägung kaum beachtete, konnte
der Adressat dieser zierlichen Gruppen sein,
wobei man wohl eine Einflußnahme des Abtes
als Auftraggeber" wird ausschließen müssen.
Auf einer dunkelbraun politierten, reich ge-
schwungenen Platte Länge 53 cm, Breite min.
17 cm, max. 26,9 cm, die auf fünf blütenförmi-
gen Füßchen ruht, sind zwei gestürzte Reiter mit
ihren Pferden sowie, im Strahlenkranz schwe-
bend, die Halbfigur Christi mit Kreuz und Blitz-
bündel dargestellt. Während die Figur des rück-
lings am Boden liegenden hl. Paulus, mit Muskel-
panzer, Mantel und Stulpenstiefeln bekleidet,
ienem der Gruppe im Dommuseum weitgehend
entspricht diese Entsprechung trifft auch auf
die Halbfigur Christi zu wurde anstelle der
Versatzstücke, die Natur und Landschaft mor-
kieren sollten, ein zweiter Reiter eingefügt. Da-
imit nähert sich Johann Georg wieder stärker
der Textvorlage, die von Begleitern spricht, und
dem Linzer" Relief. Hier wie dort tritt stärker
eine V-färmige Komposition der irdischen"
Gruppen in den Vordergrund. Auch die Ähnlich-
keit der beiden Pauluspferde, mit Felldecke und
16
fliegender Mähne dargestellt, ist evident, indes
die zweite Reiter-Pferd-Gruppe die seitenver-
kehrte Paraphrase einer Paulusdarstellung zu
sein scheint, die als barodces Andachtsbild noch
vor der Jahrhundertmitte entstanden ist. Die
Abb. zeigt bewußt eine seitenverkehrte Repro-
duktion. Das bockende, mit den Hinterhänden
weit ausschlagende Pferd vereint eine derart
verblüffende Naturbeobachtung Detailverismen
mit einer vom Klassizismus geforderten Stilisie-
rung, wie sie von den Tiergruppen Johann
Georgs her bekannt sind "l. Diese Gruppe in St.
Peter ist nicht nur, weil sie auf Staffage, um
Landschaft anzudeuten, verzichtet, nach iener im
Dommuseum anzusetzen, wobei dies im Sinne
einer inneren Entwicklung zu verstehen ist.
4. Das Linzer" Relief Bekehrung des hl. Huber-
tus Eustachius Abb. ist laut Signatur 1779"
entstanden. Daß es trotz der Differenz von zwei
Jahren zum Paulusrelief als echtes Pendant ent-
standen ist, bezweifelten weder Gustav Guggen-
bauer noch Hermann Ubell'. lm Gegensatz zu
der tumultartigen Szene der Paulusbekehrung
vollzieht sich die Bekehrung des hl. Hubertus
der ikonographische Unterschied zur Bekehrung
des hl. Eustachius fällt kaum ins Gewicht in der
Stille. Unter Laubbäumen, deren Geäst die obere
Bildhälfte füllt, erscheint dem in die Knie gesun-
kenen leidenschaftlichen Jäger zwischen dem
Geweih eines prachtvollen Zwölfenders das
Kreuz Christi. Das an einem Baum angehalfterte
Pferd wendet seinen Blick dem Hirsch zu, wäh-
rend die mit einer Leine verbundenen Jagd-
hunde den Vordergrund markieren. Hubertus,
durch Degen und Hifthorn als Jäger ausgewie-
sen, kniet auf einer Bodenschwelle, die zum
Wald hin ansteigt. Diese Darstellung entspricht
weitgehend einem ikonographischen Typus, der
durch niederländische Tafelbilder Meister des
Marienlebens" formuliert, durch A. Dürer" tra-
diiert und durch Augsburger Stecher des Barock
unserem Meister bekanntgeworden sein mußte
Abb. 7.
5. Die Salzburger Gruppe der Hubertusbekeh-
rung, Dommuseum Abb. bildet aufgrund der
gleichen Gestimmtheit den stärksten stilistischen
Zusammenhang mit dem Linzer" Relief von
1779", so daß man es sich bald danach ent-
standen wird vorstellen müssen. Sogar ein völlig
identisches Motiv, wie das zur Hälfte in ein
Baumloch gekrochenes Eichhörnchen, tritt zu-
tage. Wie bei dem Pendant der Salzburger
Paulusbekehrung sind die Einzelfiguren und Ver-
satzstücke auf einer Basisplatte eingezapft Länge
52,3 cm, Breite min. 16,6 cm, max. 23,3 cm;
max. Höhe 34,5 cm und mit Ausnahme des ab-
hebbaren hl. Hubertus fest verleimt. Kleine Be-
sd1ädigungen finden sich am Geweih und der
Kleidung des Heiligen, sonst ist die Gruppe sehr
gut erhalten. Die Arbeit aus Lindenholz ist
weißlich überfaßt, wobei nur die Augen der
Figuren und das Eichhörnchen in den natürlichen
Farben erscheinen. Mit Rücksicht auf das Pen-
dant ist die Szene verkehrt worden, wodurch im
Gegensatz zum Linzer" Relief der Hirsch eine
Bewegung einleitet, die im passiven Sinn zum
knienden Heiligen führt. So entsteht im Bild
eine Stille, die vorn Künstler zu lyrischer Ge-
stimmtheit ausgewertet wird. Aus hohlen Baum-
ruinen blicken Fuchs und Käuzchen zu, der Hund
verhofft, Eidechsen, ein Vogel und sogar eine
Gemse verharren reglos; es ist der Zauber eines
Märchenwaldes. Ein Vergleich mit einem zeit-
genössischen Augsburger Andachtsbild des hl.
Eustachius mag beweisen, daß Johann Georg
Details, wie die gedrungenen Baumruinen mit
den an Eichenlaub erinnernden Blättern sowie
die Gemse auf dem Felsgipfel solchen Vorlagen
entnommen hat Abb. 7.
6. Die andere Salzburger Gruppe der Hubertus-
bekehrung Abb. St. Peter, die hier erstmals
publiziert wird, weist die vorhin beschriebene
Gestimmtheit der Gruppe des Dommuseums
nicht mehr auf. Wie ihr Pendant ist sie auf einer
dunkel politierten, reich geschweiften Holzplatte
mit Füßchen Länge 33,5 cm, Breite max. 27,3 cm,
min. 18 cm; Höhe 37 cm montiert, Alle Figuren,
aus Lindenholz geschnitzt, sind naturfarben.
Zaumzeug und Steigbügel bestehen aus Leder-
riemchen und Blech. Durch den Verzicht auf
iene Versatzstüdre, die die Waldlandschaft mar-
kieren davon blieb lediglich eine Baumruine
im Hintergrund erhalten durch das Hinzufü-
gen eines Pferdes und dreier Hunde und durch
die Kompositionsweise, die diese relativ großen
Figuren in einer Ebene einander gegenüber-
stellt, entstand, im Gegensatz zur Paulusbekeh-
rung von St. Peter, eine weitgehende Neuinter-
pretotion des Themas. Nicht das Erscheinen des
Gekreuzigten im lädierten Geweih, und nicht
die zauberische Stimmung der Dommuseums-
gruppe, sondern eher der kurze Moment einer
erzwungenen Rast, wenn der Jäger sein Halali
geblasen hat, ist hier intoniert. Darauf deuten
die starke Betonung der Tierleiber und ihre na-
türlichen bis ins veristische Detail nachgezeichne-
ten charakteristischen Bewegungen hin". Gerade
diese Tiere sind es, die formal und stilistisch mit
den bekannten, für Johann Georg Schwonthaler
in Anspruch genommenen Tierhatzgruppen über-
einstimmen.
Es ist stilgeschichtlich gesehen eine Spät-
zeit, die solche Kabinettstücke schafft, deren
Typus seit dem 16. Jahrhundert nachweisbar ist.
Anstelle der kostbaren Materialien Edelmetalle,
Elfenbein, Halbedelsteine, wodurch die Arbeiten
eines B. Cellini und M. Steindl unter der Kate-
gorie Kunsthandwerk" und angewandte Kunst"
subsummiert wurden, tritt bei Johann Georg
Schwonthaler Holz bzw. Ton, der angestammte
Werkstoff des alpenländischen Barock. Es war
eine neue gesellschaftliche Schicht, für die solche
Kabinettstücke geschaffen wurden, der Beamten-
adel, das im späten 18. Jahrhundert zu größerer
kultureller Bedeutung gekommene Bürgertum und
die Geistlichkeit, die von den Söhnen der eben
genannten Stände genommen wurde. Wenn die
Porzellanmonufakturen" des adeligen Europas
nach den Stichen Riedingers 1718-1765 ihre
zauberhaften Gruppen um die Jahrhundertmitte
geschaffen haben, so ist dies grundsätzlich kein
anderer Vorgang als bei Johann Georg Schwan-
thaler. Nur die Tonlage hat sich geändert.
Anmerkungen 8-17
Schwonthaler-Katalog a. a. O., Nr. 237, Abb. 68.
'Die Sommeltätigkeit des Abtes Albert Nagnzaun er-
streckte sidi auf Mineralien, Vögel, Hölzer etc., die des
Abtes Albert Eder auf nazarenische und mittelalterliche
Kunst. Abt Romuald Homer sammelte überhau nichts
Einschlägiges, und der bekannte Herausgeber es Salz-
burger Urkundenbuches AbtHWillibald Hauthaler war
iißiilveäifhrsiindfilx'Q9333? '"'"ess"""
"Gemeint ist der ehem. Hochaltor von St. Peter von
n. Woldburger.
Die Kirchenrechnungen der ab 1770 durch Maria Theresia
ggstiftäten lFsd1ler Jflilffälfdle Sgeben "kleineln Bßhiäfsiittä?
er iese rage. g. ranz tiiger rsg.,
Ein Heimatbudl zur SUU-Jahr-Feier der Markterhebung.
Linz W66.
"EGs ist hinslänglich bikagnt, daß Jshalnn Gheorg für diese
ru en tidie von ie inger zur orage atte.
LpPThieme-Becker, Künstlerlexikan, Bd. 37, 219, 220,
Eustachius, London.
"RgL Albsrieäht lgürälnNDalswäesamle graphische Werk ll.
agner ern a1 r.
Vgl. Katalog Schwonthaler a. a. O., Nr. 238-246. Die
Tiere sind aufgrund der originalen Zopflöcher richtig
aufgestellt. Leider ist der stehende Hund im Vorder-
grund dn den Laufen ergänzt worden. Der liegende
zlundkrimlklifnterlgränd aufmdeml Spie verdeckt hat
en rmerdu emurn s. zu en.
"Zwischen 1741- 7M schuf z. B. J. J. Kändler eine viel-
figurige Bekehrung des hl. Hubertus, Dresden.
Unser Autor
Dr. Adolf Hahnl, Kunsthistoriker
A-SOlO Salzburg, Postfach 113
hier
und Herzog, lgnaz Günthers Frühwerk
GeppersdurilrCSSR ll und II in Pan-
1966, S. 2177252, XXIV, 1966, S. 217-252,
S. 303-313.
Werke van lgnaz Günther tft Ratlenbach m.
Hättet, 1951, Nr. 20, S. 83784
mies Fruhwerk lgnaz Günthers in. Die Kunst
10m Helm, 55, 1955, S. 332-333
Neue Funde zum Werk lgnaz Gunthers in
1954, S. 419779. Devs. Chrrstusdarstelluh-
zGunthe-r Das Münster, 20, 1961536973221
Eine kunsthistorische Sensation ersten Ranges
war die noch gar nicht lange zurückliegende
Wiederentdeckung des von lgnaz Günther um
1752f53 geschaffenen Erstlingswerkes Abb.
in einem auch heute noch weltabgeschiedenen
Ort. in Koprivna-GeppersdorflCSSR im müh-
rischen Altvatergebirge'. Zu einer genaueren
Vorstellung anderer in jener Zeit entstandener
Werke Günthers trugen dann einige Veröffent-
lichungen von Karl Sitzmann 195112, Heinrich
Decker 1955! sowie vom Verfasser bei 1954
und 1967', Eine weitere Lücke schließt sich durch
Gerhard P. Woeckel
Eine unbekannte
hl. Scholastika
aus der Frühzeit
lgnaz Günthers
Zum 200. Todestag am 28. Juni 1975
lgnaz Günther, hl. Schalastika, um 1755. Linden-
holz, Hohe 130 cm, mit Stab 158 cm
lgnaz Günther, Maria als lmmaculata; 1752153.
Höhe 191 cm. Koprivna-GepperSdQrfICSSR,
Pfarrkirche Allerheiligste Dreifaltigkeit.
die nachfolgende Publikation einer bisher unbe-
kannten Skulptur Günthers. Varwegzunehmen ist,
daß sie ebenfalls in diesen frühen Schaffens-
bereich gehört, das heißt, genauer gesagt in ie-
nen Zeitabschnitt, der durch die Rückkehr 1754
nach München eingeleitet wurde. Uber die Früh-
zeitGünthers ist man deshalb so wenig orientiert,
weil im Gegensatz zu den anschließenden Schaf-
fensiahren seine damals ausgeführten Werke nur
sehr sporadisch erhalten blieben. Bei der von
uns zu besprechenden Plastik Abb. handelt es
sich um eine aus Lindenholz geschnitzte Figur
17
lgnaz Günther, hl. Schalaslika Abb. Delail- lgnaz Günther, Unbekannler Heiliger Andreasill,
ansichl von rechts um 1755. Höhe 151 cm. München-Nymphenburg,
lgnaz Günther, Maria als lmmaculaia Abb. Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, Kapelle
Devailansichl van links lgnaz Günther, HI. Petrus mit lnschriflkarlusche
lgnaz Güniher, hl. Scholaslika Abb. 1l, Ge- Maflh. 16, 1B, um 1755. Höhe 175 cm. München-
wanddetail mil Fallenwurf Nymphenburg, Krankenhaus der Barmherzigen
lgnaz Günther S. Forsler, Gotlvaler mit Zep- Brüder, Kapelle
1er und Weltkugel, De? von der Monslranz,
um 1752153. KoprivndvGeppersdarflCSSR.
Pfarrkirche Allerheiligsle Dreifaltigkeit.
130 cm, mit Stab 158 cm. Sie stellt die
talastika dar5. Von ihren sie kennzeich-
Attributen, von ihrer Ordenskleidung,
er mutmaßlichen Provenienz und von spe-
ikonographischen und stilistischen Pro-
wird noch anderswo zu sprechen sein.
re Komposition im einzelnen einzugehen,
tt nötig. Es sei iedoch erlaubt, auf das
;leichschenklige Dreieck hinzuweisen, das
esamtkomposition zugrunde liegt. Wie wir
derer Stelle bereits sagten, gehört die
trische Grundfigur eines Dreiecks zu den
wieder von Günther bevorzugt angewen-
Kompasitionsmitteln. Wie genau durch-
der formale Aufbau dieser Figur ist, zeigt
Buch links oben bis zur Kugel rechts
ilClt erstreckende diagonale Linienführung,
1s der Gestalt unterlegte geometrische
wirkungsvoll durchkreuzt. Zu bemerken
sich die Plastik in einem ausgezeichne-
taltungszustand befindet. Überall hat sich
hte, ins Hellgrau gehende Bolusgrund,
Unterlage für eine ursprünglich vorhan-
assung diente, erhalten. Zeitgenössisch ist
lle lnkarnat des Gesichts und der Hände.
nglich ist auch die über rotem Bolus-
angelegte Blattvergoldung bei der Krümme
Jbes und auf der Kugel in der Sockelzone.
kömmlicher Weise ist die hl. Scholastika
aser Skulptur im Nonnenhabit dargestellt.
er trägt sie ein engärmeliges Gewand.
eichnend für ihre Tracht ist die rings ge-
ene, weitörmelige Flocke. Nach J. Braun
dadurch nicht nur als Ordensfrau, son-
zugleich als Benediktinerin kenntlich ge-
"s. Über dem Kopf trägt sie Schleier und
zl, ein den Hals und den oberen Teil der
rtedeckendes Tuch. Gegen die allgemeine
ist, daß der Weihel, eine Art innerer
zdeckung, bei dieser Darstellung nicht var-
ist. In der ursprünglichen Fassung muß
impel Hals und Schulteransatz einst wir-
rungen 5-9
eilige wurde um 480 geboren. Sie sall kurze Zeit
2m hl. Benedikt, d. h. im Jahre 543, gestorben sein,
dem Bericht Gregors des Großen in seinen Dial. ll,
tr sie schon als Kind Gott geweiht. Sie soll ein
es Kloster bei Subioco Raccabotte mit dem
en in Montecossino vertauscht haben. Wie der
nedikt wurde audw sie in Montecassina beigesetzt.
der Zerstörung des Klosters durch die Langabarden
wurden Reliquien des heiligen Geschwisterpaares
I0 durch fränkische Mönche nach Fteury-sur-Loire
im Satnt-Benoit-sur-Loire übertragen Im Jahre
elangten Reliquien der hl. Sdtalastika größtenteils
Juvignv-sur-Loison, woe ein kleineres StürJr nach
ms. Vgl. dazu Lexikon für Theologie und Kirche'
37, Sp. 3115. Bibliotheca Sanctorum, XI, Rom 1768,
-749. Mit ihrer Legende hängt es zusammen, daß
leilige als Patronin für Regen, doch gegen den
nldg verehrt wird.
iracht und Attribute der Heiligen in der deutschen
Stuttgart 1943, S. 796.
Sales Do Die alten Trachten der männlichen
veiblichen Orden sowie der geistlichen Mitglieder
gaerlichen Orden, Leipzig 1930, S. 53 mit Fig. 256,
aun, Tracht und Attribute der Heiligen in der
hen Kunst, a. a. 0., S. 827. Hier, d. h. bei dem
m0, ist vom gleichen Attribut die Rede.
in gleichen Zusammenhang gehört Tägliche Er-
eines wahren Christen" von Joseph Giulini,
urä 1753; zweite Aufla ebenda 1762-1764. 1.
1351136 w. Fe ruar, Namenstag der hl.
tstika. Illustration in Gestalt eines Stiches 17,5x
von Johann Jacob Ebersbach 1717-1754 nach
Entwurf von Johann Wolfgang Boumgartner 1712-
Der Stich schildert das letzte Beisammensein des
wisterpaares, von dem schon Gregor der Große
einen Dialogen berichtet. Auf dem nach
ausgeführten Gemälde von Lazzaro Ealdi um
723 in der Capella di S. Benedetto in S. Maria
Marzo in Rom wird eine andere Szene aus
.e en des hl. Benedikt geschildert. Dem var dem
stehenden Heiligen erscheint in der Stunde seines
seine Schwester, die hl. Scholastika, in voller
istrocht, Sie erteilt dem Sterbenden, der beide
ausgebreitet hat, den Segen. Der Entwurf zu
Bild befand sidt früher in Berliner Privatbesitz.
H. Voss, Die Malerei des Barock in Rom, aerrn
s. 557 mit Abb. s. 277. Wie zu einem friedlichen
vereint, ist eine andere Darstellung des lieilidgsn
wisterpaores. Sie ist wssentlirJ-r spater entston en.
zene wurde von Josef lgnaz Mildorfer 17194775
ihre 1755 bis Altarblatt gemacht. Es befindet sich
linken Turmseitenkapelle in der Pfarr- und Wall-
ktrche zu Unserer Lieben Frau in Hafnerberg
Altenmarkt Gtl der TriestinglNU. Vgl. e. Eccel,
lghGl Mildarter und das Hochaltarblatt von
ttt bei Brixen in Cultura Altesina, 17, 1963,
4a, bes. s. 36 mit Abb. Taf. xt. am, xvttt,
in NU, Wien 1924, s. m.
kungsvoll weiß umrahmt haben im Gegensatz
zu dem Schleier, den man sich schwarz vorzu-
stellen hat. Auch das Gesamthabit der Ordens-
kleidung war ursprünglich schwarz. Mit Aus-
nahme des hier nicht vorhandenen Weihels ent-
spricht die bei der Skulptur zu findende Ordens-
tracht genau iener, die bei dem Ordenszweig
der verbesserten Benediktinerinnen Unserer Lie-
ben Frau vom Frieden" seit 1603 eingeführt war.
Das dieser Figur beigegebene vornehmste Attri-
but ist der in der rechten Hand gehaltene Stab
mit einer reich geschnitzten Krümme. Er kenn-
zeichnet die Heilige, die als Stifterin und als
Patronin des Benediktinerinnenordens gilt, als
Äbtissin. In Nachbildung des Mases-und-Aaron-
Stabes Exod. 20; 12 gehört der Krumm-
stab als Zeichen höherer Macht und als Sinn-
bild der Hirteneigenschaften" J. Sauer be-
kanntlich zu den lnsignien eines Bischofs, aber
auch eines Abtes bzw. einer Äbtissin, jedoch nur
innerhalb ihres Klosters. Das der Heiligen bei-
gegebene Buch, das sie in der Linken hält und
seiner Schwere wegen vom Oberkörper gestützt
wird und dem offensichtlich auch ihre Blick-
richtung gilt, ist ein generelles Attribut. Das Buch,
das wohl als die Satzungen ihres Ordens ver-
standen sein will, macht die Heilige als Ordens-
stifterin kenntlich. Ungewöhnlich ist ein anderes
Attribut, das innerhalb der bisher bekannten
Scholastika-lkonographie ein Unikum ist. Ge-
meint ist damit die Weltkugel in der Sockelzone.
Durch die hier vorliegende Motivation, daß die
kennzeichnenderweise in die entgegengesetzte
Richtung blickende Heilige verachtungsvoll ihren
rechten Fuß auf die ihr zu Füßen liegende Welt-
kugel setzt, soll offenbar dadurch symbolisch
zum Ausdruck gebracht werden, daß durch diese
Handlung der völlige Verzicht auf alle irdischen
Güter, Ehren und Genüsse" J. Braun ausge-
sprochen wird". Darauf wird sogleich zurückzu-
kommen sein.
Augenscheinlich ist die ikonographische Ver-
wirklichung eines solchen Themas wie des vor-
liegenden auch mit abhängig von der zeitge-
nössischen Fassung der Heiligenlegende, die ihm
zugrunde liegt. Die detaillierte Kenntnis einer in
der liebenswerten Sprache der Zeit abgefaßten
Heiligenlegende muß in iedem Falle bei dem
Auftraggeber und bei dem von ihm beauftragten
Künstler vorausgesetzt werden. Ein in Süddeutsch-
land und im benachbarten Österreich außer-
ordentlich weit verbreitetes Heiligenlexikon war
die Große Hauslegend". Sie wurde von Caspar
Erhard verfaßt, der heiligen Schrift Doctor und
Pfarrer zu Parr in Bayern" 1. Auflage Augs-
burg 1739. ln Band Seite 146 ff., ist von dem
hl. Benedikt und der hl. Scholastika, dem leib-
lichen Geschwisterpaar, die Rede, sie seien zwei
schöne Lichter der Kirchen und fürtreffliche Bey-
spiele der geistlichen Vollkommenheit". Von der
zuletzt genannten Heiligen wird an der gleichen
Stelle berichtet, sie sei von einem lebhaften
Geist und holdseligen Gebärden, von einer fröh-
lichen Gemütsbeschaffenheit und aufrichtigen
Lebensart" gewesen, C. Erhard spricht weiter
davon, daß die hl. Scholastika bereits in ihrer
Jugend die Einsamkeit mehr als die Gesellschaft
geliebt habe. Dies sei, so führt C. Erhard aus,
auch der Grund dafür gewesen, daß sie des-
sentwegen... auch alles Geschrnuckes und Klei-
derprachts völlig abgethan" habe, weil die
äußerliche Kleiderzierde den Menschen nicht
lobwürdig mache, sondern das größte Lob einer
Jungfrau müsse von innen, von der Tugend und
Eingezogenheit herrühren". Liest man eine der-
artige zeitgenössisch interpretierte Fassung der
Heiligenlegende aufmerksam durch, kann man
es sich auf Grund dieser Lektüre leicht erklären,
warum gerade bei unserer Plastik das Weltku-
gelsymbol verwendet ist. Das sonst keineswegs
häufige Attribut wird damit zu einem Negativ-
symbol, es erscheint angesichts des weltabge-
wandten Denkens der Heiligen wie ein Gegen-
pol. Dies wird äußerlich dadurch zum Ausdruck
90 lgnoz Gunäher, Anbefende Maria Detail aus
einern Entwurf für ern Anduchisbild Augusiinerr
gnudenkind". Munchen, Siclull. Grophxsche
Sammlung, lnv rNv. 5935
10 lgnuz Günfher, Sogenannte Starnberger Hei-
lige 1755. Detuilunsich! mit Kopf. Starnberg,
Würmgcumuseum
11 lgnuz Günlher, hl. Scholosiiku Abb. Demil-
icht von rechts rückwärts
12 lg o2 Günther, hl. Scholosüku Abb. Demil-
cnsicht von vorne
13 lgnaz Günther, Maria als Apokalypfisches Weib,
ehem. Konzelbekrönung in München-Renners-
Tiqrf, 1760. München, Erbgerneinschoh von Seid-
EIN
gebracht, daß die hl. Scholastika auf die Sphaira 15"
wie auf einen Spielball tritt. Damit erhält die
Darstellung der Ordensheiligen einen ausge-
sprochen schalastischen Bezug.
Bevor wir uns im einzelnen den verwandtschaft-
lichen Beziehungen zuwenden, welche die neu
entdeckte Figur mit einer Reihe anderer von
dem Bildhauer geschaffener Werke sowie mit
einer seiner Entwurfszeichnungen verbindet, sei
es erlaubt, vorher noch auf einige wenige the-
mengleiche Skulpturen aufmerksam zu machen,
soweit diese der Plastik des deutschsprachigen
Gebietes im 18. Jahrhundert angehören. Zuerst
sind hier zwei Schalastikadarstellungen zu nen-
nen, deren Gegenstück, wie zu erwarten, ie-
weils ein hl. Benedikt ist. Die beiden recht un-
gleichen Figurenpaare wurden von Joseph An-
ton Feuchtmayr 1696-1770 ausgeführt, ienem
schwäbischen Bildhauer, den man häufig als
Antipoden des in München wirkenden kurbaye-
rischen Hofbildhauers Günther bezeichnet hat.
Die genannten Skulpturen gehören ieweils zur
Ausstattung in benediktinischen Ordenskirchen.
Sie befinden sich über dem Dorsale des um
1720 ausgeführten südlichen Chargestühls in
Weingarten und, um 1746 entstanden, auf der
Nonnenempore der Einsiedeln unterstellten Be-
nediktinerinnenklosterkirche in Fahr Kanton
AargaufSchweiz". In Ausdruck und Bewegung
gibt es jedoch bei beiden Figuren so gut wie
keine Beziehung zu der später ausgeführten the-
mengleichen Plastik thers, die sie an Quali-
tät bei weitem übertrifft. Vom Thema her ge-
sehen, fordert das zuletzt genannte Werk nun
auch zum Vergleich mit zwei anderen etwa
gleichzeitig entstandenen Stuckfiguren heraus,
die von dem oberschwöbischen Bildhauer Jo-
hann Joseph Christian 1706-1777 modelliert
wurden. Die beiden hl. Äbtissinnen Scholastika
und ihr Gegenstück, die selten dargestellte hl.
Gertrudis von Helfta, gehören zu der Ausstat-
14 lgnaz Günther, hl. Katharina von Siena, von
1760. Detailansicht. Altenhohenau am lnn, Do-
minikanerinnenklasterkirche
15 lgnaz Günther, hl. Anna, um 1758. München-
Thalkirchen, Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Ma-
ria.
Anmerkungen 10-11
w. Baeck, Joseph Anton Feuchtmayr, Tubingen ms,
S. 49 mit Abb. 25, 27 und 38.
Derselbe, Feuchtmayr-Meisterwerke, Tübingen m3,
S. 24125 mit Abb. 49.
10
tung der SL-Benediktus-Kapelle in der ehemali-
gen Benediktinerabteikirche in Zwiefalten. Für
diese beiden Figuren und in gleicher Weise für
die hl. Scholastika Günthers gilt, daß ihre Ge-
sichter eine unverkennbare physiagnomische
Ähnlichkeit mit der berühmten hl. Therese Ber-
ninis in S. Maria della Vittoria in Rom haben.
Diese Verzückungsdarstellung verdankt, wie E.
Michalski richtig interpretiert, einen Teil ihrer
unerhörten Wirkung der beinahe wörtlichen
Übersetzung einer Vision der heiligen Nonne in
die plastische Form" Gleichzeitig hat Bernini
mit diesem Gesicht einen für die Borockplastik
der nachfolgenden Jahrzehnte hochbedeutsamen
Archetypus geschaffen, dessen Kenntnis selbst
bei Bildhauern, die nachweislich nie in Rom
waren und zu denen auch J.J. Christian und lgnaz
19
Günther gehören, einwandfrei nachzuweisen ist.
Der Komposition nach zu schließen, war die auf
Untersicht angelegte, von dem Münchener Bild-
hauer geschnitzte Heiligenfigur einst auf der
Evangelienseite eines offenbar nichtallzu großen
Altars, und zwar vor einer Wandflöche, aufge-
stellt, da ihre Rückseite wie üblich nicht ausge-
arbeitet ist.
Aus der überaus sorgfältig bearbeiteten Ober-
fläche geht hervor, daß das Werk auf Nahsicht
berechnet ist. Als mutmaßliche Gegenstück ist
eine Darstellung des hl. Benedikt von Nursia
anzunehmen. Er, Gründer des Benediktineror-
dens, ist zugleich der Zwillingsbruder der Heili-
gen. Aufgrund einer solchen spezifischen The-
menstellung ist mit guten Gründen zu vermuten,
daß das solcherart ikonographisch zusammen-
16
17
18
19
20
21
lgnaz Günther, Mater dolorosa, Höhe
Entwurf für die themenglelche Figur
Pfarrkirche St. Jakob, Vierkirchen bei
München, Bayerisches Nationalmuseum
lgnaz Günther, Mater dolorosa, sign. ur
1770. lngolstadt, Pfarrkirche St. Anton
lgnaz Günther, hl. Scholastika Abb.
ansicht frontal
lgnaz Günther, Entwurf für die Pieta-Gru
Nenningen, um 1774. Lavierte Pinselzeu
München, Staatl. Graphische Sammlung
Nr. 32 213
lgnaz Günther, Modell für die Pieta ii
ningen, 1774. Lindenholz, Höhe 25,5 crn
chen, Bayerisches Natlonalmuseum Nei
bung 1974
lgnaz Günther, Pieta, Detpilansicht
kapf im Profil. Nenningen, Frledhofskapel
Anmerkungen 12-16
E. Michalski, Jose Christian, Leipzig 1926, S. 5B und
Abb. 1021103. Woedrel, Johann Joseph Christian
von Riediin an Ein Oberschwäbischer Bildhauer des
Roäoako, Lin nu und Konstanz 1958, S. 104 und Abb, 37, 33
un 5.
Ä. Schönberger, lgnuz Güniher, München 1954, S. 25-27.
Dnrnuch harte der Hocholiur vier überlebensgroße Figu-
ren, Darsieilungen der Heili en Lavreniius, Sixius, Korbini-
an und 509110, im Äuslug ie Hi. Dreiialiigkeii. im Zu
der Sökularisniion wurde der Älfcr von der Gemein
Pnrtenkirchen für die dcr!i?e Pfarrkirche um 75 Gulden
eaeorben. Der Günther-Arm verbrannte dort im Jahre
5.
N. Backmund, Die Koliegiui- und Kanonissensiifie in
Bayern, Windber 1973, 5. 57158. M. Hurtig, Die
oberhuyerischen iifie, ll, München 1935, S. 55-59.
J. B. Predvii, Das Kuncniknissiiil S0. Andre auf dem
Domberge in Freising, Freising 1388, S. 101.
"Th. Hetzer, Die Fresken Tiepolos in der Würzburger
Residenz, Frankfurt u. M. 1943, S. 39.
G. P. Woeckei, Die Hcndzeichnungen des kurbuyerisdien
iklofbirildhcägers Franz lgnuz Günlher im Ersdieinen,
a0. r.
ahörende Figurenpaar einst zur Ausstattung
ner Kirche des Benediktinerordens gehörte,
nes Ordens, zu dem Günther nachweislich
ige Beziehungen hatte. So wurde ihm die Aus-
hrung des vierfigurigen Hochaltares 1755 ff.
.1 ..-i-.i-
verschollenen Ausstattung gehörten. lkonogra-
phische und datierungsmäßige Gründe sprechen
iedenfalls sehr dafür.
Zu dem Verständnis des Güntherschen Gesamt-
werkes trägt ganz erheblich die Beobachtung
heiligste Dreifaltigkeit in Kapiivna-Geppersdorfl
CSSR Abb. 2. Es steht außer Frage, daß die
größenmößig so verschiedenen Figuren einander
ähnlicher sind, als man es vielleicht im ersten
Augenblick vermutet. Rein motivisch etwa läßt
22
damit zu vergleichende Apastelfiguren. Sie sind
ebentalls in die mittleren fünfziger Jahre zu da-
tieren. Es ist dies ein kniender Heiliger seinem
Typus nach ein Andreas?l, Höhe 15T cm Abb.
und ein stehender hl. Petrus, Höhe 175 cm Abb.
B. Mit großer Wahrscheinlichkeit gehörten die
beiden nach unveröffentlichten Figuren einst zu
der Ausstattung der im Jahre 1809 abgetrage-
nen Klosterkirche der Barmherzigen Brüder zu
St. Max vor dem Sendlingertor in München. Die
vor einigen Jahren restaurierten Figuren, Kran-
zeugen des Frühwerkes van Günther, bisher
kaum bekannt, befinden sich ietzt in der Kapelle
des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder
in München-Nymphenburg. In unverkennbarem
kampositionellem Zusammenhang mit der Figur
der hl. Scholastika befindet sich ein voll signier-
ter und 1755 datierter Zeichnungsentwurf Gün-
thers Abb. München, Staatliche Graphi-
sche Sammlung, Inventar-Nr. 5935 W. Auf diesem
Blatt, einem Entwurf für ein Andachtsbild, hat
eine kniende Maria beide Hände vor der Brust
gefaltet. Sie blickt auf das ihr zu Füßen liegende
Augustinerkind", ein in München viel verehrtes
Gnadenbild einst in der Augustiner-Eremiten-
Klosterkirche. lm Vergleich zu der Figur der
hl. Scholastika bietet die Entwurfszeichnung wirk-
lich eine Überraschung, so sehr ähneln sich
beide Gestalten im Typus, im Ausdruck sowie in
der Art der räumlich erscheinenden Gewand-
bildung. Die zwischen beiden Figuren sich er-
gebende Affinitöt ist derart eng, daß das auf
der Zeichnung erscheinende Datum 1755 einen
wichtigen Anhaltspunkt für die zeitliche Einord-
nung der offenbar um die gleiche Zeit entstan-
24
denen Plastik bietet. Genau im gleichen Jahre,
1755, befinden wir uns, wenn wir anschließend
die eben genannte Figur mit der sogenannten
Starnberger Heiligen", Starnberg, Würmgau-
museum Abb. lO, vergleichen, eine Plastik, die
mit Recht zu den bedeutendsten Werken der
Frühzeit Günthers zählt". Ihr Gesichtsausdruck
ist nicht leicht zu interpretieren. Er scheint, wor-
auf A. Zallinger-Thurn hingewiesen hat, durch
einen undeutbaren Zug von Trauer verschleiert"
zu sein. Die von schräg rechts aufgenommene
Ansicht des Kapfprafils mit dem weit
tergezagenen Lid, mit der charakteristisch
löngten Nasenform ohne Absatz von de
und mit der sensibel erfaßten Partie um
und Kinn ist mit dem ganz von links gesi
Gesicht der hl. Schalastika typusmdßig sc
gend verwandt, als hätte der Bildhauer
kurz hintereinander nach demselben Mad
arbeitet Abb, lt, 12. Einen Einblick
Möglichkeit einer weiteren Typusvariatii
Günther erhält man, wenn man zu eine
23
24
25
26
27
Sduolusiiku, 1768-1770. Mul-
lersdorf, ehem. Benedikfinerabfeikirche
Kluuber, S. Scholasiiko, Augsburg, Mine 18. Jh.
S1ich,14 cm
Krümme des Äbüssinnensfubes der hl. Sdmolu-
siika Abb. um 1755. Vorderseite
Krümme des Äblissinnensiubes der hl. Schula-
s1ika Abb. 23, um 1770. Rückseite
Krümme des Äbtissinnenstubes der hl. Scholu-
slika Abb. um 1755, Rückseite
23 lgnaz Günther, hl. Scholastika, 1768-1770, Mal-
lersdorf, ehem. Benediktinerabteikirche
24 Klauber, S. Scholastika, Augsburg, Mitte 1B. Jh.
Stich, 14 cm
25 Krümme des Äbtissinnenstabes der hl. Scholo-
stika Abb. um 1755. Vorderseite
26 Krümme des Äbtissinnenstabes der hl. Schula-
stika Abb. 23, um 1770. Rückseite
27 Krümme des Äbtissinnenstabes der hl. Schola-
stika Abb. um 1755, Rückseite
11.
Soror S. ßenedicli
mllv adß.Jr-il-l.nf.y
24
schließenden Vergleich den Kopf der hl. Anna,
um 1758 Abb. 15, heranzieht, eine Büste, die
sich am Hochaltar der Pfarr- und Wallfahrts-
kirche St. Maria in München-Thalkirchen befin-
det". Ein anderes bisher nach nicht gesehenes
Phänomen besteht darin, daß bei dieser Dar- 73
stellung die Gewandung einer solchen weib-
llclte" Helllge" Umerkennbcr der Tracht 910er 28 lgnaz Günther, hl. Scholastika Abb. Detail- 29 lgnaz Günther, hl. Scholastika Abb. Detail-
Ordensfrau angeglichen wurde. Dies gilt in glei- ansicht von rückwärts ansicht, Sockelzone mit Gewand und Weltkugel
cher Weise für einige noch zu erwähnende
Günthersche Mariendarstellungen. Die auffal-
tlende Typenfixierung im Werk Günthers zeigt
sich auch bei dem für den Bildhauer äußerst
charakteristischen Kopf eines im Jahre 1760 aus-
geführten Apokalyptischen Weibes Abb. 13,
München, Privatbesitz, eine Figur, die sich einst in
der Pfarr- und Wallfahrtskirche in München-Ra-
mersdorf befand. Im Typus schließt an sie an eine
berninesk empfundene hl. Katharina van Siena
Abb. 14, vor 1760, im Hochaltar der Dominika-
nerinnenklosterkirche in Altenhohenau am lnn".
ln diesem Zusammenhang besonders zu erwäh-
nen sind eine nach der Mitte der sechziger Jahre
entstandene Mater dalorosa in der St-Jakobs-Ka-
pelle in Weyarn, dann ein Entwurf, Höhe 18 cm,
im Bayerischen Nationalmuseum in München
Abb. 16 und die hier nicht abgebildete zuge-
hörige Ausführung einer themengleichen Figur in
der Pfarrkirche St. Jakob in Vierkirchen bei
Dachau sowie eine signierte und 1770 datierte
schmerzhafte Muttergottes in Ingolstadt Abb.
17, St. Anton". Wenn man das Gesicht der
hl. Scholastika mit diesen nonnenhaften Ma-
riengestalten vergleicht, erscheint ihr Antlitz wie
Anmerkungen 17-20 s. S. 26
S. SCHOLASTICA Soror Slßenedicli
am ..r.-...-....4P
das einer iüngeren Schwester Abb. 1B. Nach
all dem Gesagten ist es nicht mehr als folge-
richtig, wenn man erstmals Günthers letzte Schöp-
fung, die großartige Pieta in der Friedhofska-
pelle in Nenningen 1774, in den hier zu disku-
tierenden Komplex der Typenfixierung mitein-
bezieht. Dies bezeugt ihre dreifache Abwand-
lung der erste zeichnerische Entwurf Abb. 19,
München, Staatliche Graphische Sammlung, lnv.-
Nr. 32.2113," das aus Lindenhalz geschnitzte Mo-
dell Abb. 20, München, Bayerisches National-
museum; Neuerwerbung 1974, und die entspre-
chend variierte Ausführung Abb. 21. Der so er-
kennbare künstlerische Formprozeß erstreckt
sich demnach auch auf die jeweilige Variation
einer hier vorliegenden typusmäßigen Gestal-
tung. Es verwundert daher nicht, daB auch die
Gesichter der hl. Scholastika und der wie eine
Ordensfrau dargestellten Maria auf dem Nen-
ninger Vesperbild einander vergleichsweise sehr
nahestehen, obwohl ihre Entstehungszeit so viele
Jahre auseinander liegt Abb. 22.
Das letzte Werk in der Reihe der großen Altar-
bauten Günthers ist der Hochaltar 1768-1770
in der ehemaligen Benediktinerabteikirche in
Mallersdorf. Er ist nicht, wie bereits Adolf Feui-
ner" richtig sah, ein Werk der ersten Ur-
sprünglichkeit, sondern ein Werk des Ausklan-
ges". Das von kompetenter Seite abgegebene
Urteil, mit dern wir völlig konform gehen, be-
zieht sich vor allem auf den plastischen Schmuck,
vier überlebensgroße polierweißgefaßte Figu-
ren, zu ie einem Paar gruppiert. Bei den beider-
seits des Altarblattes stehenden Gestalten be-
stätigt sich unsere ikonographische Beobach-
tung, daß in der Ausstattung benediktinischer
Ordenskirchen als Gegenstück zu dem hl. Bene-
dikt von Nursia meist die hl. Scholastika als
zweite der beiden Kardinalerscheinungen abend-
ländischen Mönch- bzw. Nonnentums dargestellt
ist. Durch die prononcierte Kopfhaltung, die
Blickrichtung und durch das Motiv der rhetorisch
erhobenen Rechten, die ursprünglich den Krumm-
stab hielt Abb. 23, ist die Figur auf ein größeres
Ganzes, d. h. in diesem Falle auf die Altarmitte,
bezogen. Der Äbtissinnenstab, das an einem
Band um den Hals hängende goldene Kreuz und
das Regelbuch in ihrer linken Hand sind gene-
relle Attribute. Eine auf dem Buch mit ausge-
breiteten Flügeln sitzende Taube ist iedoch indi-
viduelles Beiwerk. Sie weist auf die Vision hin,
die der hl. Benedikt im Augenblick des Todes
seiner Schwester hatte. Nach dem in den Dia-
logen ll zu findenden Bericht des hl. Gregor sah
der hl. Benedikt in seiner Zelle ihre abgeschie-
dene Seele in Gestalt einer Taube in den Him-
mel fliegen. Im Werk lgnaz Günthers war die
Mallersdorfer hl. Scholastika bisher die einzige
bekannte Gestalt dieses Themas. Es erscheint
daher unumgänglich notwendig, sie mit der the-
mengleichen Plastik zu konfrontieren, mit der
wir uns bisher beschäftigt haben. Mit ihr ver-
glichen, zeigt sich bei der Skulptur in Mallers-
dorf ein auffallender Stilwondel, der für die
Spätphase Günthers charakteristisch ist. Die Ge-
wandanordnung beschränkt sich hier auf die
Wiedergabe großer durchgehender Stoffbah-
nen, bei denen im Gegensatz zu früher längst
nicht mehr so tiefe Unterschneidungen gegeben
sind. Gleichzeitig erscheint das Körperliche viel
stärker betont, wenn man etwa das Spielbein
betrachtet, dessen Ober- und Unterschenkel sich
deutlich unter der Gewandstruktur abzeichnen.
ist bei der frühen hl. Scholastika noch ein reich
bewegter unruhiger Umriß feststellbar, so ist im
Vergleich dazu die Komposition des wesentlich
später ausgeführten Werkes viel beruhigter ge-
staltet. Dies äußert sich auch in der fließenden
26
Geschlossenheit des Umrisses. lm ganzen ge-
sehen, erscheint die auf Einansichtigkeit ange-
legte späte Günther-Figur bedeutend flächiger
gegenüber dem etwa 15 Jahre früher ausge-
führten Werk. Unabhängig von diesen stilisti-
schen Beobachtungen befremden bei der Mal-
lersdorfer Ordensheiligen einige Motive. Dies
erklärt sich dadurch, daß ihr, was bisher noch
nicht erkannt ist, ein Typus zugrunde liegt, der
offenbar durch ein kleines Andachtsbild 14x9
cm vermittelt wurde. Der nach der Mitte des
18. Jahrhunderts entstandene Stich Abb. 24
trägt die Signatur Klauber Cath." olici,
die von den Brüdern Joseph Sebastian um
1700-1768 und Johann Baptist 1712-nach
1787 in Augsburg gemeinsam gebraucht wurde.
Daß Günther dem vermutlich vom Auftragge-
ber vorgeschriebenen Typus nicht sklavisch folgte,
sondern ihn modifizierte, sieht man daraus, daß
er beispielsweise den Kontrapost im Gegensinn
verwendete. Was die Charakterisierung des The-
mas anbetrifft, so stehen sich die frühe und die
späte Scholastika-Figur Günthers in einer eigen-
tümlichen Diskrepanz gegenüber. Bei dem Früh-
werk haben sich Thema, Komposition und Aus-
druckskraft auf bewundernswerte Weise gestei-
gert. Es gehört deshalb zu dem Besten, was
Günther auf dem Gebiet der religiösen Skulptur
geschaffen hat. Es liegt nicht nur an dem von
dem Augsburger Andachtsbild übernommenen
Typus, daß gegenüber dem Frühwerk die späte
Mallersdorfer Figur qualitativ weit weniger über-
zeugt. Es ist, als ab die Kraft der künstlerischen
Imagination hier bereits merklich schwächer ge-
worden ist.
Bevor wir unsere Betrachtung abschließen, sei
vorher noch auf einen Günther kennzeichnenden
Formzusammenhang aufmerksam gemacht. Die
geschnitzte Krümme mit einer geöffneten und
von oben gesehenen Blüte, die als Bekrönung
des Äbtissinnenstabes bei der frühen bzw. der
späten Scholastika-Figur erscheint, ist in mor-
phologischer Hinsicht erstaunlich ähnlich. Dop-
pelten Wert erhält die noch zu erweiternde
Beobachtung dadurch, daß eine fast identische
Krümmenform Abb. 2527 auch bei anderen
Günther-Figuren vorkommt. Diese findet sich
an den Stäben, welche der hl. Korbinian 1759 ff.
am Hochaltar in Rott am lnn und der hl. Bene-
dikt von Nursia in Mallersdorf als Kennzeichen
ihrer Würde in den Händen tragen. Für den
besonderen Rang einer Bildhauerwerkstatt wie
der von Günther in München geführten spricht
gewiß die in sich konforme Qualität und die
ieweils kongruente Farm bei einem Gegenstand,
der als Beiwerk großer Figuren sonst kaum be-
achtet wird.
Für die Vervollständigung der noch keineswegs
lückenlos erfaßten Zusammenstellung der iko-
nographie über die hl. Scholastika" ist das
mit seiner späten Nachfolgerin in Mallersdorf
verglichene themengleiche Frühwerk lgnaz Gün-
thers gewiß eine willkommene Bereicherung Abb.
28, 29. Vom ikonographischen Gesichtspunkt aus
gesehen, muß man dem genialen Frühwerk atte-
stieren, daB es dem Bildhauer gelungen ist,damit
eine der überzeugendsten Scholastiko-Darstel-
lungen überhaupt geschaffen zu haben. Es ist
daher nicht zu hoch gegriffen, wenn man be-
hauptet, daß die um 1755 zu datierende hLiScho-
lastika zu seinen glücklichsten Erfindungen ge-
hört. Aus dem zeitgenössischen Schaffen kann
kaum etwas Vergleichbares ihr an die Seite ge-
stellt werden. Man hat den Eindruck, daß lgnaz
Günther bei dieser von ietzt an wieder in sein
Werk einzureihenden Plastik wirklich sein Be-
stes geben wollte.
Anmerkungen 17-23 Anm. 17-20 s. Text S.
A. Schönberger, a. a. 0., S. 24 mit Abb. und 7.
A. Sdiönberger, a. a. S. 3D-31 mit de
133-139. Stilistisch unzutreffend ist eine hier
sdila ene Dotierung der Büsten in die Zeit un
A. Sgtönberger, a. a. 0., S. 35-36 mit den Abb.
19, bzw. ebenda, S. 65 f. mit den Abb. 96 und 97.
"A. Schönberger, a. a. 0., S. 51 mit den Abb. 72
ferner S. 73l74 mit den Abb. 102 und 103. G.
Neue Funde zum Werk lgnaz Günthers, op. zit.,
J. Blatner, Beiträge zum Werk von lgnaz Gür
Deutsche Kunst und Denkmalpflege, 1956,
wobei auf die offensichtlich unzutreffende Herlu
der St-Nikolaus-Kirche in Spalt hier nicht nähe
gan an werden soll.
Woeckel, Die Handzeichnungen des kurbay
zofbildhauers Franz lgnaz Günther im Ersdielnei
r. 79.
A. Feulner, lgnaz Günther ll, München 1947,
A. Schönberger, a. a. S. 71-73 mitÄden Abb.
Sehr beachtenswert, dodi so gut W19 ohne
Beispiele, ist B. Heurtebize P. Triger, Salnte
stique, Partonne du Mans. Sa vie son culte.
dans l'histoire de la cite; Solesmes 1891 2.
Mons 1923.
.1 Unser Autor
Dr. Gerhard P. Woeckel
Zentralinstitut für Kunstgeschichte
Forschungsunternehmen
2-München, Meiserstraße 10
KIEIEEHWUJIIMFLVQIW
"w. 1M .5.
1.5, Äfmß
g. oä
twf ,.-M
im, wir; .53"
..-,
In; KNX o1
mx w.
"t'iiiz4i'läfdllil'.'äu
Ludwig Neustifter Der Entwurf Gustav Klimts
für den Fries im
Palais Stoclet in Brüssel
lmfossender Resfourierberich!
wber den Enfwurf im
jsterreichischen Museum für
lngewondie Kunst, Wien
hat
mirms
Farbiges Email, buntes Mosaik aus Glas und
Keramik, getriebenes, teilweise vergoldetes Me-
tall, Halbedelsteine und Perlmutter, in weißen
Marmor eingelegt, bilden den leuchtkräftigen
Fries des Speisesaales im Brüsseler Palais Stoc-
let' Abb. 4.
ln den beiden einander entsprechenden Friesen
der Längswdnde füllt ein Baum mit spiraligen
Ästen, mit Blüten und dreieckigen Blättern,
Schmetterlingen und Vögeln ornamental die Flö-
che, eine Wiese mit bunten Blumen bildet die
Bodenzone.
Die ornamentalen Felder der beiden Friese sind
spiegelbildlich identisch, auch der Strauch, der
aus zart bewegtem Stamm und Zweigen mit
dreieckigen Blättern gestaltet ist. Nur die figura-
len Darstellungen unterscheiden sich voneinan-
der im Thema eine weibliche Figur auf der
einen, eine Zweifigurengruppe auf der anderen
Seite des Raumes.
Über die Bedeutung der Figuren wurde bisher
viel gerätselt. Zwar entsprechen die ietzt üb-
lichen Bezeichnungen Erwartung" und Erfül-
lung" dem oberflächlichen Eindruck, doch gehen
sie offensichtlich nicht auf Klimt selbst zurück.
Die Zweifigurengruppe wurde auch interpretiert
als Umarmung", Kuß", Liebespaar". Fest steht,
daß Klimt selbst auf dem Entwurf des Uster-
reichischen Museums die weibliche Figur der
Gruppe als Tänzerin" bezeichnete. Arpad
Weixlgärfner benennt andererseits die Erwar-
tung" als Tänzerin", und Navotny-Dobai zitie-
ren Weixlgärtner, ohne näher auf diese Thema-
tik einzugehen. Die gängigen Bezeichnungen
Erwartung" und Erfüllung" werden wohl in
der kunsthistorischen Terminologie als notwen-
dige Arbeitsbegriffe weiterhin verwendet wer-
den müssen, doch ist es wichtig klarzustellen, daß
die ursprüngliche Bezeichnung Klimts wohl eine
andere gewesen ist. Eine völlige Klärung dieser
wie auch anderer noch offener Fragen ist nur
aus zeitgenössischen Quellen, etwa Berichten,
Schriftverkehr usw., zu erwarten, die bisher noch
unbekannt sind.
lkonographische und stilistische Gesichtspunkte
28
sind nicht Thema dieser Arbeit und sollen daher
nur kurz gestreift werden. lkonagraphische Pa-
rallelen zum Beethoven-Fries Umarmung", Abb.
8a und zu mandwen Gemälden Kuß", Abb.
sind unbestreitbar, Ornamentik und Stilisierung
finden sich im CEuvre Klimts in vielen Bildern
wieder. Ungeklärt ist nach wie vor die Thematik
des Mosaiks an der Schmalseite, von manchen
Autoren als rein ornamentale Flächenfüllung,
von anderen als sehr stilisierte männliche Figur
gedeutet Abb. 7.
Es liegt nahe, das Gesamtprogramm des Beet-
hoven-Frieses und des Stoclet-Frieses miteinan-
der zu vergleichen. Die Anordnung der Dekora-
tion an drei Wänden des Raumes zwei Längs-
seiten und eine Schmalseite ist verwandt. Er-
Wartung" und Erfüllung" in Brüssel stellen unter
gewissen Gesichtspunkten eine Art Kristallisa-
tion des Beethoven-Frieses dar, dessen drei
Grundthemen Die Sehnsucht nach dem Glück",
Die feindlichen Gewalten" und Freude, schö-
ner Götterfunke" umfassen. Auf die Stoclet-De-
koration umgesetzt, entspräche das erste Thema
der Erwartung", das zweite der im Ornament
der Schmalseite kaum wahrnehmbaren Gestalt,
das dritte Thema der Erfüllung".
Um den Stoclet-Fries lassen sich eine Reihe von
Vorstudien in Skizzenform und mehrere Ent-
würfe gruppieren, die häufig auch als Karton"
oder Werkvorlage" angesprochen werden. Eine
Skizze befindet sich im Historischen Museum der
Stadt Wien Abb. ein bis ins letzte Detail
ausgeführter Entwurf mit zahlreichen Notizen
für die Ausführung im Österreichischen Museum
für angewandte Kunst Abb. und ein
angeblich damit identischer Entwurf in Straßburg.
Leider bildet der Münchner Katalog des Jahres
1964 fälschlicherweise statt des Straßburger Ent-
wurfs den entsprechenden Teil aus Wien ab, so
daß mir ein Vergleich dieser beiden interessan-
ten Entwürfe nicht möglich war.
Der im Österreichischen Museum befindliche
Entwurf, allgemein zwischen T905 und 1909 da-
tiert, besteht aus neun Teilen, die von Klimt
eigenhändig von bis numeriert wurden. Zwei
Teile blieben unnumeriert, sind iedoch, wie
anderen, ausführlich mit Notizen versehen. Kli
numerierte den Entwurf Abb. folgendern
ßen l. Teil von links, 2. Teil von links" us
manchmal auch nur mit einer Ziffer. Dieser
der Bezeichnung entspräche dann die Nun
rierung des zweiten Entwurfteiles Abb.
l. Teil von rechts" usw., wobei als 2. Teil
rechts die sogenannte Erfüllung" anzuset
wäre. Es ist wohl richtiger, diese Originolang
ben zu übernehmen, anstatt, wie dies bei
allen bisherigen Abhandlungen geschehen
sich mit den Buchstaben bis oder bis
behelfen.
Fast iede Restaurierung bringt neben den vie
restauratorischen Problemen auch die Mögli
keit wissenschaftlicher Entdeckungen mit si
Das Verständnis eines Kunstwerkes beginnt
dem Original. Eine genaue Materialkennti
das Überprüfen des Kunstwerkes auf zusätzlic
Information wie in unserem Fall der Notiz!
der Numerierung, der Materialangaben känr
verhindern helfen, daß Arbeitshypothesen
luftleeren Raum stehen oder doß Zusammr
hänge konstruiert werden, die ieder Grundlo
entbehren. Erst nach gewissenhaftem Ausschi
fen aller Informationen, die das Werk sel
liefert, sollte man den gefährlichen Boden
Hypothese betreten.
Der Entwurf Gustav Klimts ist neben seir
künstlerischen Qualität noch aus einem am
ren Grund besonders bemerkenswert. Er tri
eine Vielzahl von Notizen und Hinweisen,
sich auf Material und Technik der Ausführu
beziehen. Es ist wohl äußerst selten, dclß
ein Entwurf zu einem Monumentalwerk mit
diesen Angaben erhalten hat.
Dieser Entwurf wird dadurch zum zeitgenö
schen lnformationsträger für einen Arbeitsp
zeß der Jahrhundertwende und ist, soviel
ietzt bekannt wurde, das einzige Zeugnis seil
Art, das sich aus dieser Zeit erhalten hat. Die
Einmaligkeit berechtigt mehr noch, verlang
die nachfolgende lückenlose Wiedergabe al
Notizen.
Entwurf Klimts für den Stoclet-Fries, Teil 1-7,
von Klimt eigenhändig numeriert. Österreichi-
sches Museum
Spiegelbildliche Fotomantage des Entwurfs für
die zweite Längswand des Palais Staclei mit
Verwendung des Originalentwurfs zur Erfül-
lung" zweiter Teil von rechts
Entwurf zum Mosaik an der Schmalseite des
Speisesacles im Palais Stoclet, Österreichisches
Museum lnv.-Nr. 37198
Skizze van Gustav Klimt zum Fries im Palais
Stoclet, Historisches Museum der Stadt Wien,
lnv.-Nr. 96482110
8a Gusiav Klimt, Beethoven-Fries", 1902. Ausschnitt
8b Gustav Klimt, Der Kuß", 1907108. Ausschnitt
Strauch, Detail aus der Skizze Abb.
10 Strauch, Teil aus dem Entwurf des Üster-
reichischen Museums
Anmerkung
'Die ithllgste literclur isl in Gusiav Kliml l862vl91B,
Zei nungen Gedöchlnisuosstellung der Graphlsdien
Sammlung Albertina, Wien 1962 und bei Fritz Novotny-
Johannes Dabai, Gustav Klimt, Salzburg 1967, angegeben.
wg
a-xl 1c.
"am s-sifääsfa-
k. mA
v4!
71V ßhtäif
mlJa-Jßäüwee?
Von den neun im Österreichischen Museum er-
haltenen Teilen des Entwurfs wurden sieben von
Klimt selbst numeriert Abb. 5. Die nicht nume-
rierten Teile werden im Anschluß an sie be-
handelt.
Teil Abb. ll
Der erste Teil des Entwurfes wurde van Klimt
am ausführlichsten mit Notizen versehen. Sie
umfassen genaue Angaben über Material und
Ausführung der Details. Das ursprünglich vor-
gesehene und in diesem Teil noch ausgeführte
hohe Blütenmotiv veränderte er zu einer stili-
sierten niederen Form Abb. II. In der Skizze
des Historischen Museums Abb. die chro-
nologisch früher als der Entwurf des Österreichi-
schen Museums anzusetzen ist, wird diese hohe
Blüte als Dreiecksform wiedergegeben. Dieser
Teil ist als einziger voll signiert Abb. und
trägt eine Stundenaufstellung;
ERSTER THEIL VON LINKS I. THEIL
nicht verwenden Auszuführende Blüthe Richtige
Blüthe Baum Blätter Mosaik Diese Blüthe nicht
verwenden Valute einzuschalten für den wegfal-
lenden Blütenslengel
Für die in Mosaik auszuführenden Stellen muß der
Marmor tiefer ausgehöhlt werden als für die in
Material Baumblüthen Blumen und Blätter des
Bodens
Getriebenes Metall grünlich gold auszuführende
Blüthe Email einzufassen mit silberartigen Metall
Stegen getriebenes MetaIl-Blüthe Material
Grün Mosaik Blumen in Material Email
Grün Mosaik getriebenes Metall etwas gebuckelt
Die Voluten sind am äußersten Rande durchzu-
stechen, damit sie eher breiter, aber ia nicht schmä-
ler werden Material Email nicht verwenden
30
Material Blätter getriebenes Metall ein wenig
gebuckelt und Blüthen Kristallglas geschliffen
Email Mosaik grün Material Email Mosaik
Blätter getriebenes Metall grünlich ein wenig ge-
buckelt Material Email oder Glas Mosaik
Baum Blätter Mosaik sehr helles Grün nicht zu
verwenden
Der Baum wird in Mosaik ausgeführt die Voluten
sowie die Baumblätter die Baumblüthen dagegen
sind in Material gedacht Email eventuell farbiges
Glas getriebenes Metall grünliches Gold
Gustav Klimt
Ugggwmwg
ägso-o-c-oanolj
Teil Abb.
Die durch Abschneiden des rechten Randes un-
vollständige Bezeichnung wäre in ihrem ganzen
Wortlaut II. TEIL VON LINKS. Erhalten ist
II VO VON Nr. II.
Dieser Teil trägt nur eine einzige Notiz
Diese Blüthe ist etwas nach links zu rücken etwa
Millimeter"
Teil Abb. I4
Auf diesem Teil finden sich Notizen zu Blüten,
Blättern, Vogel, Stengel, Boden sowie Maßan-
gaben
3. THEIL
Die gesendete Blüthenprobe ist nicht gut, ich habe
mir die Galdtlächen derselben aus dünnerem ge-
triebenem Metall vorgestellt die Stege zwischen
den Farben können aus Gold sein und zugleich
etwas breiter werden Die Email Blumen proben
II Detail von Teil aus dem Entwurf des Öster-
reichischen Museums
und I3 Detail von Teil
I4 Detail von Teil
des Bodens sind noch weniger gut es sollen nicht
alle Zufälligkeiten nachgeahmt werden die Far-
ben müßten schöner sein eventuell könnte man hie
und da farbiges Glas in Metall fassen vielleicht
könnten auch manchmal zugeschnitten Mosaikplat-
ten im ganzen in Metall gefaßt werden einiges
wie beim Blaugoldmosaik Blattgoldmosaikü wäre
für manche blaue Blume ganz gut zu verwenden
Einzelne von den Blumen welche sich oft wieder-
holen werde ich genauer zeichnen und nachschicken.
Blüten geschliffenes Kristallglas Blätter getriebenes
grünliches Gold Stengel gleichfalls
Dieses Mass wurde nur von der Werkstätte ange-
geben, dürfte falsch sein Goldmosoik
Ungefähr richtiges Mass genau nicht möglich an-
zugeben weil das Papier sich stets verändert.
Richtiges Mass
Vogel Email Stege aus oxidiertem
oder eisenartigem Material."
Teil Abb, 12,13
Klimt gibt hier genaue Hinweise zur Ausführung
des Baumes Stamm, Zweige und des Bodens
4. TElL-VON-LINKS
Irgend ein weihses Material, ein wenig erhaben und
glatt sehr weiß nicht Mosaik
nicht Mosaik sondern irgend ein sehr weißes Ma-
terial glatt und erhaben
Die im Stamm mit Bleistift im Gold bezeichneten
Kreise sind in leicht gebuckeltem Metall goldig auf-
zusetzen
Flecken Mosaik Gold Mosaik Grün Mosaik
Mosaik
Die mit hellem Silber bezeichneten Flecken sind
eventuell in Perlmutter einzusetzen.
Mosaik
Sehr weißes Material nicht Mosaik die nicht
bezeichneten weißen Flecken Silber und Grünflecken
des Baumstammes werden Mosaik
Perlmutter
Silbermosaik möglichst hell eventuell mit hellgrauem
und weißlichem Mosaik unterbrechen
richtig falsch Grüner Boden Mosaik Blätter getrie-
benes Metall grünlich gold
Perlmutter"
silberartigem
Teil trägt nur die laufende große Num-
in der Bodenzone.
Abb. 10
isem Teil finden sich Notizen zum Strauch
Schmetterling, Blumen, Stiel und Boden
Silberfarbe
IL VON LINKS
nicht Mosaik Stengel Mosaik
tterlinge nicht Mosaik anderes noch zu be-
endes Material
sammt Blumen und Stiel nicht Mosaik
rn anderes Material
lotizen behandeln Blätter und Blüten des
es sowie den Boden, Außerdem findet sich
er eine Maßangabe
IL-VON-LINKS
nicht Mosaik anderes Material
ztall Blätter Mosaik Baumblätter durchaus
nicht Mosaik anderes Material
getriebenes Metall Richtiges Mass
es Mass"
iannte Erfüllung"
wichtig ist hier die Bezeichnung Tänzerin"
ie weibliche Figur. Die Notizen beziehen
auf die Kleider der Figuren Perlmutter
auf die Begrenzung der Valuten
lTlGE SEITE
Jtter Die weißen Blumen am Boden der
rin sollen auch aus Perlmutter sein
se untere Begrenzung der Voluten kann erst
im Nachbarstück festgestellt werden
Jtter"
Mosaik der Schmalseite
Für dieses Mosaik gab Klimt einige Hinweise für
die Detailausführung
Größere weiße Fläche soll in weißem Email ge-
macht werden die kleinen ganz weißen Formen
des oberen Mittelfeldes sollen ebenfalls in Perl-
mutter gemacht werden 899 cm
Die Mehrzahl der weißen Formen in diesem und
dem gegenüberliegenden Feld sollen in Perlmutter
ausgeführt werden.
Die Bleilinien der Seitenfelder sollen in Metall ge-
trieben werden.
Alles Farbige soll in
werden.
Die glänzenden Metallflächen sollen poliert werden.
STOCLET SPEISEZIMMES SCHMALSEITE
OBEN"
Der neunteilige Entwurf Klimts im Österreichi-
schen Museum für angewandte Kunst besteht
aus Packpapier unterschiedlicher Stärke. Klimt
legte über die ganze Oberfläche einen Qua-
dratraster, der auch seinen Entwurf im Histori-
schen Museum Abb. gliedert.
ln der Vorzeichnung mit Graphitstift gab er die
Umrißlinien und die Binnenzeichnung der Details
an. Die Konturierung verstärkte er manchmal
durch blauen Farbstift. Die Gesichter zeichnete
er mit Graphitstift vor und verstärkte die Linien
zum Teil mit grüner Farbe. Die lnkarnatteile wur-
den farbig laviert. Die bunten Farben unterlegte
Klimt zum Großteil mit Deckweiß. Neben Blatt-
gold und -silber verwendete er auch Gold- und
Silberfarbe. Die Begrenzungslinien der einzelnen
Entwurfsteile gab er in Rot, Blau oder mit Gra-
phitstift an. Die seit langem notwendige Restau-
rierung war im Jahre 1973 durch Einbeziehung
Emailtechnick ausgeführt
des Entwurfs in meine Diplomarbeit an der Mei-
slerklasse für Konservierung und Technologie
Hochschule Akademie der bildenden Künste,
Wien möglich geworden".
Jahrelange Lagerung in feuchten Räumen, un-
sachgemäße Kaschierung und schlechte Befe-
stigung auf zum Teil ungehobelten Brettern ha-
ben im Lauf der Jahre eine ganze Reihe von
Schäden verursacht. Dazu kamen Fraßschäden
durch Holzwiirmer, Rostflecken, Nagellöcher usw.
Starke klimatische Schwankungen, denen der
Entwurf bei Ausstellungen ausgesetzt war, be-
einträchtigten ebenfalls den Erhaltungszustand.
Bei den durdw Feuchtigkeit entstandenen Schä-
den sind Wasserflecken, abblätternde Farbe sa-
wie starke Wellen- und Faltenbildung zu nen-
nen. Wasserflecken treten durch den Schmutz-
rand, den sie nach dem Trocknen hinterlassen,
in Erscheinung. Diese Ränder konnte ich durch
Aufstreuen pulverisierter Zitronensäure auf das
vorgefeuchtete Papier und anschließendes Wäs-
sern relativ gut zum Verschwinden bringen. Doch
muß diese Reinigung unbedingt vor einer neuer-
lichen Kaschierung durchgeführt werden, um
den Klebstoff nicht anzulösen, denn dies kann
unter Umständen wiederum zur Wellenbildung
führen.
Anmerkung
7Für wertvolle Hinweise und Unterstützung danke ich
Frau m. Alice Strobl Graphisdie Sammlung Albertina,
Herrn. akad. Chefrestaurator Prof. Otto Wächter Usler-
reidtisdie Nationalbibliothek, für ihre Mithilfe Herrn
techn. Oberolfizial Josef Sorna und Herrn Dieter
Schall Österreichisches Museum für angewandte Kunst.
31
32
Blattgold und Blattsilber sind mit einem Anlege-
mittel, das aller Wahrscheinlichkeit aus Anlege-
öl und pflanzlich-tierischem Leim besteht, ange-
schossen. Dieses Gemisch verursachte starke Riß-
bildung bei Blattgold und Blattsilber sowie in
Papier und Gewebe eine starke Bräunung, die
im Extremfall bis zur völligen Perforation führte
Abb. 15, 20. Der Versuch, dieses sehr hydrophile
Anlegemittel mit Wasser herauszulösen, brachte
ein relativ gutes Ergebnis.
Durch brutales Abreißen des auf Holz festgeno-
gelten Entwurfs wurde eine Unzahl häßlidwer
Löcher in Papier und Gewebe verursacht Abb.
21. An mehreren Stellen durchstießen harte,
spitze oder kantige Gegenstände den Entwurf
Abb. 22. Kleinere Löcher, die durch Wurm-
fraß Abb. 19, mechanische Beschädigung und
Nägel Abb. 21 entstanden waren, füllte ich
mit in der Farbe des Papiers getäntem Pa-
pierkitt. Größere Fehlstellen ergänzte ich durdt
Ansetzen passender Papierstücke. Feuchtigkeit
begünstigte die Oxydation der Eisennägel und
führte zu starken Rostflecken in Papier und Ge-
webe. Diese Flecken ließen sich mit stark ver-
dünnter Salzsäure etwa 10 bis 15 Prozent aus
dem Papier herauslösen, doch mußte im An-
schluß sofort gewässert werden.
Für die Trägerplatte hatte man ursprünglich zum
Großteil Föhrenbretter zusammengenagelt, de-
ren Harzfluß Gewebe und Papier durchtränkte
und als brauner Fleck an der Oberfläche des
Entwurfs zu sehen war. Dieses Harz stellte eine
feste Verbindung von Holz, Gewebe und Papier
her. Um den Entwurf von der Platte abnehmen
zu können, mußte ich zuerst diese Harzverbin-
dung mit einem Gemisch von Terpentin und
Alkohol 11 lösen.
Die Einwirkung von starkem Licht und der hohe
Anteil an Holzschliff im Packpapier führten im
Lauf der Zeit zu einer starken Bräunung, die
noch von der Rückseite her durch das rohe Holz
der Trägerplatte verstärkt wurde.
Heute ist eine ganze Reihe guter und wirksamer
Bleichverfahren bekannt und erprobt. Doch ver-
zichtete ich auf eine Bleichung des Papiers, weil
sich eine solche bei der Größe der einzelnen
Teile 200x120 cm und im Hinblick auf den
schlechten Zustand der Farbe sehr schwierig, ia
fast unmöglich gestalten würde. Von der Ergän-
zung der Farben und des Blattmetalls nahm ich
bewußt Abstand, da der Originalentwurf Klimts
trotz aller Alterungssdiäden mit allen Notizen
und Ausführungshinweisen so gut wie möglich
erhalten werden sollte.
Beim Ablösen der einzelnen Teile des Entwurfs
kam an den umgeschlagenen Rändern eine ganze
Reihe bisher völlig unbekannter Notizen, die
sich auf die Ausführung einzelner Details be-
ziehen, zum Vorschein. Überdies wurde durch
die alte Montierung manchmal auch ein Rand-
streifen des Entwurfs verdeckt, wodurdw das ur-
sprüngliche Format verkleinert und der nahtlose
Zusammenstoß der einzelnen Entwurfsteile ver-
hindert wurde. Für die neue Montierung waren
die von Klimt selbst eingezeichneten Abgren-
zungslinien maßgeblich, die von ihm auch mehr-
mals als richtigeswMaß, falsches Maß" oder
kurz richtig falsch" näher definiert wurden.
Die Teile des Entwurfs faltete ich in der Verti-
kalen genau an der Maßlinie. Um eine Ein-
heitlichkeit in der Höhe zu gewährleisten, war
es aber notwendig, manchmal über die horizon-
talen Maßlinien hinauszugehen, da die Höhen
der einzelnen Teile durch die Unterschiedlichkeit
des Papiers variierten.
Ich mußte aus diesen und anderen Gründen
eine besondere Halterungstechnik entwickeln, die
es jederzeit erlaubt, die Notizen auf den um-
geschlagenen Rändern zu sehen, ohne vorher
34
Nägel, Klammern und dergleichen herauszu-
ziehen oder Klebstreifen abzulösen. Welches
Material sollte nun für die neue Halterung ge-
nammen werden? Holz schied aufgrund seiner
schädlichen Einflüsse auf Papier und Farbe aus.
Spanplatten, die in der Hauptsache aus Holz
bestehen, kamen ebenfalls nicht in Betracht. Wie
sich aus den durchgeführten Tests ergab, wird
bei diesen Platten nicht nur der schädigende
Einfluß des Holzes wirksam, sondern auch der
undefinierbare, beißend rieduende Anteil des
Bindemittels. Papier bräunte bei Alterungsver-
suchen im Wärmeschrank viel rascher, wenn
diese Spanplatten als Träger benützt wurden.
Tests mit altem Fichten- und Tannenholz zeigten
bei gleicher Prüfzeit und gleicher Temperatur
viel weniger Bräunung im Papier. Platten, be-
stehend aus glasfaserverstärkten Polyester- oder
Epoxydharzen, konnten neben einer Reihe ande-
rer Gründe wegen ihrer leichten Verformbar-
keit bei dünnem Querschnitt nicht überzeugen.
Bei all diesen Testversuchen zeigte eloxiertes
Aluminium vorn Typ Al 99,3 halbhart keine Ver-
ünderung des Papiers. Aluminium hat auch, wenn
es dünn ist, eine völlig plane Oberfläche und
genügend statischen Halt. Dieses Material hat
sich für meinen Zweck ausgezeichnet bewährt,
und ich bin davon überzeugt, daß es in vielen
restauratorischen Bereichen verwendet werden
könnte. Meines Wissens stellen die Montierung
des Stoclet-Entwurfs mit Aluminium und meine
Methode der nagel- und klebstofffreien Halte-
rung ein absolutes Novum dar.
Für die vier bereits montierten Teile des Ent-
wurfs schenkte die Firma Vereinigte Metall-
werke Ranshofen-Berndorf AG die Aluminium-
platten des oben genannten Typs dankenswer-
terweise dem Museum.
Der Aufbau der Halterung gliedert sich folgen-
dermaßen Abb. 24
Grundplatte Abb. 25 und 27
lsolierschicht von holzfreiem Japanpapier
Entwurf und Verschnürung
Trägerplatte Abb. 26
Entwurf
Verglasung mit Perspex-Acrylglasplatten
Spannfeder Abb. 27
Haltebacken Abb. 27
Winkelprofil zur Verstärkung der Grundplatte
Abb. 25
Winkelprofil zum Festhalten der Perspexver-
glasung
Bei Grund- und Trägerplatte verzichtete ich auf
den maßgeredwten Zuschnitt der Normplatten
mittels Schlagschere. Grund dafür war der Um-
stand, daß beim Schneiden mit der Schlagschere
das Metall an der Schnittkante deformiert wird
und infolge der Pressung leicht zur Wellenbil-
dung neigt. Das Zuschneiden mit der Stichsäge
war für mich wesentlich zeitraubender, iedoch
hatte ich die Gewähr, völlig plane Aluminium-
platten zu erhalten.
Für Grund- und Trägerplatte erwies sich eine
Stärke von mrn als völlig ausreichend. Zu dünne
Platten würden sich bei dem Format von 200 120
cm zu leicht verformen. Zu starke Platten hin-
gegen erhöhen das Gewicht. Mit einem Winkel-
profil 30x30x3 mm verstärkte ich die Grund-
platte an den Kanten. Zur Befestigung aller
Einzelteile verwendete ich eloxierte Aluminium-
schrauben und vernickelte Messingschrauben
mit versenktem Kopf. Um die Haltebacken
der Trägerplatte an der Rückseite der Grund-
platte mittels Stahlfedern zu fixieren, war es
nötig, dementsprechende Ausnehmungen an der
Grundplatte zu machen Abb. 25. Die Träger-
platte Abb. 26 fertigte ich in Länge und Breite
um mm kleiner als die Grundplatte, damit der
Haltewinkel Abb. 24 nicht am Papier des Ent-
wurfs scheuern kann. Durch die eingebau
lierschicht von holzfreiem Japanpapier Ab
wird ieder Kontakt des Entwurfs mit dem
vermieden. Auch klimatisdte Schwankung
denen das Metall naturgemäß ein andere
halten als das Papier zeigt, sollen durch
panpapier ausgeglichen werden. Ein Loch
in Grund- und Trägerplatte Abb. 26 so
ausreichende Belüftung von der Rückseit
Befestigung des auf Landkartenmollino ka
ten Entwurfes ließ ich den Mollino in
Breite von cm über das Maß des Er
stehen. Durch diesen Saum führt eine
schnüru-ng, die ein Verrutschen des Entwu
Transporten und sonstiger Bewegung verh
Diese Verschnürung Abb. 26 hat dur
Stärke des Garns die zusätzliche Aufgabe,
Abstand zwischen Grund- und Trägerplc
schaffen. Der so entstandene Zwischenraur
als eine Art Luftreservoir, um durch die
rierte Trägerplatte Luft an die Rücksei
Entwurfs abzugeben. Grund- und Träge
wurden mit Stahlfedern, die ich aus Bar
25x1,5 mm schmiedete, verbunden. Sie
die Aufgabe, unter einem bestimmten,
nent wirkenden Druck die beiden Plotten
menzuhalten und harte Stöße bei Trans
abzutedern. Als Schutz gegen die Oxy
wurde die Oberfläche der Stahlfedern
rnet. Eingeschoben werden die Federn in
dafür vorgesehenen Schlitz an den Haltel
Abb. 24, 27, die durch ihre Konstrukti
Herausrutschen der Feder verhindern. Z.
glasung verwendete ich mm starke P1
Acrylglasplatten vom Typ VE von ICI,
welche einen absoluten UV-Schutz gewäh
Abb. 24. Mit einem Winkelprofil 46x7x
werden diese Perspexplatten festgehalten
24 k.
Die umgeschlagenen Teile des Entwurfs si
meiner Methode der Halterung iederzeit
weniger Handgriffe zugänglidw. Die K0
tion der Halterung dient nicht nur als Ral
sondern stellt auch einen wertvollen Schu
Schäden, die beim Ein- und Auspacken
wieder durch die Reibung des Packmaterir
standen sind, können nun verhindert werd
Für Transportzwecke wurden große Sp
sten mit filzgepolsterten Einschubleisten
fertigt, in welche die einzelnen Teile oh
liches Packmaterial eingeschoben werde
Aufbewahrung dient dieselbe Kiste, nu
hier ein mit vielen Löchern versehener
verwendet.
Meine Zielsetzungen bei der Restoiurieru
Klimt-Entwurfes waren die Sicherung de
Bestandes und eine zweckentsprechende
rung. Mittel und Methoden der Durchf
wurden der Problemstellung entspreche
wählt.
Dieses fragile Kunstwerk kann damit
sichertem Zustand der Wertschätzung kil
Generationen überantwortet werden.
.1 Unser Autor
Akad. Oberrestaurator Ludwig Neustifter,
Österreichisches Museum für angewandte
Lehrbeauftragter an der Hodtschule
Akademie der bildenden Künste
1010 Wien, Stubenring
Huusfassade Wien, 8., Buchfeldgosse vor
der Restaurierung
Denkmalpflege ist keine Selbstverständlichkeit,
sawenig wie Historismus. Über die Motive von
beiden gibt die Wissenschaft bedauerlich wenig
Auskunft. Sie befaßt sich ist einmal ein Phäno-
men wie Historismus vorhanden mit der
Frage, warum die einen Gotiker" und die an-
deren Klassiker" werden. Aber ehe man ein
Motiv hat, gotische oder klassische Stilformen
aufzugreifen, muß man eines haben, sich in kei-
1a
nern eigenen Stil auszudrücken. Diese grund-
sätzliche Frage, warum es überhaupt zu Histo-
rismus kommt sozusagen als eine generelle
Möglichkeit der Existenz von Kunst wird selbst
in prinzipiellen Erörterungen der Thematik höch-
stens vereinzelt gestreift, so von H. G. Evers in
der Historismusdiskussion mit Nikolaus Pevsner,
Ludwig Grote u. a. in München und auf Schloß
Anifl963'.
Analog iegen die Dinge in der Denkmalpflege.
Was die Wissenschaft nicht beantwortet, beant-
wortet um so bereitwilliger das Schlagwort, und
ihm zufolge liegt allem Bewahren alter Archi-
tektur Sentimentalität oder Dekadenz oder bei-
des als Motiv zugrunde. War Karl der Große
dekadent, als er in seine Bauschöpfungen antike
Bauteile verpflanzte und auf diese Weise Re-
likte alter Baukunst bewahrte? Als ein paar
Jahrhunderte später sein Namensvetter Karl lV.
in Böhmen zurückgriff auf ihn und seine eige-
nen politischen Konzeptionen symbolisierte und
sichtbar machte in reliquienhaft auf Karl den
Großen zurückverweisende Kunstschöpfungen,
war er da sentimental? Steht nicht umgekehrt als
Motiv hinter solchen Erscheinungen an Stelle
von Müdigkeit angespannteste politische Ener-
gie, die nur für ihr Programm noch nicht hin-
reichend genug eigene Artikulationsfähigkeit er-
warben hat und sich daher alter Vokabeln für
36
neue Begriffe bedient? Hier zumindest müßte
man hinter dem Bewahren alter Bausubstanz
nicht das Absterben einer alten, sondern das
Durchsetzen einer iungen Kultur diagnostizieren.
Was also grundsätzlich hinter einem Phänomen
wie Denkmalpflege steht, soll varsichtigerweise
offenbleiben. Vorderhand ist die Wissenschaft
bloß in der Lage, wenigstens einigermaßen den
einen oder anderen Fall des Auftritts von Kon-
servierung historischer Architektur zu erklären.
Ob sich dann in der Vielzahl tatsächlich aufge-
tretener Motivationen eine generelle Vorausset-
zung wird finden lassen, das zu beantworten
steht vorläufig noch aus. Vorerst muß es genü-
gen, für die europäische Entwicklung einige kon-
krete Beispiele der Motivierung von Denkmal-
pflege aufzuspüren.
Motivation
Hinter der europäischen Denkmalpflege schei-
nen seit dem 19. Jahrhundert drei Beweggründe
zu stehen ln der ersten Hälfte des "I9. Jahr-
hunderts dominiert gemäß der geschichtlichen
Situation, in der bürgerlich-fortschrittliches Be-
mühen gegenüber restaurativen Ordnungsver-
suchen alter gesellschaftlicher Mächte steht, das
Bestreben, für die ie eigene politische Zielset-
zung Denkmäler gleichsam als programmatische
Embleme einzusetzen. Hier wird etwa in den
Kämpfen der schon zitierten Gotiker" und Klas-
siker" Stil gegen Stil ausgespielt, sozusagen
eine Kriegspropaganda" gegen die andere ge-
mäß den Zielsetzungen der ieweiligen Parteiun-
gen. Hier ist ein Stil besser" denn der andere,
was man praktiziert, ist der später so berüchtigte
Stildogmatismus". Wenn Viollet Le Duc die
Gotik verteidigt und ihre Denkmäler restauriert,
ist das nicht nur ästhetisches Faible, sondern po-
litisches Programm. Wie im Mittelalter das auf-
brechende Stadtbürgertum in seinen weiträumi-
gen Handelsunternehmungen daranging, die
Enge feudalwirtschaftlicher Eigenbedarfsdeckung
zu überwinden, und damit überhaupt erst Geld
für Großbauten, wie die städtischen Kathedra-
len, aber auch fortschrittlicher Geist da war,
konstruktive Neuerungen zu wagen, so scheint
Viollet Le Duc auch zu seiner Zeit die Gotik
noch immer technisch und ästhetisch das fort-
schrittlichste Mittel, dem neuerlichen bürgerlichen
Durchbruch, wie er sich seit der Französischen
Revolution vollzieht, adäquaten baulichen Aus-
drudc zu verleihen z. Sehr konsequent restauriert
er daher in der Denkmalpflege nicht nur var-
handene Gotik, sondern rekonstruiert abhan-
den gekommene und scheidet stilistische Zutaten
späterer Zeitalter aus. Dieses purifizierte Straf-
gericht ist unter dem Namen der stilistischen
Restaurierung" bekannt und berüchtigt gewor-
den?
Berüchtigt, weil das nachfolgende halbe Jahr-
hundert aus einer völlig veränderten gesellschaft-
lichen Situation heraus dachte Bürgertum, das
war etzt nicht mehr eine kämpfende, aufstei-
gende Schicht, sandern eine bewahrende, eine,
die durch die folgenden Revolutionen nach der
großen Französischen 1830, 1848 vor allem
ihr Ziel erreicht und sich sogar mit den alten
Mächten arrangiert hatte. Wo es keinen Krieg
mehr gab, gab es keine Kriegsziele mehr, auch
keine Kriegspropagando, die diese Ziele pro-
klamiert hötte, auch künstlerisch nicht Stile wur-
den ietzt nicht mehr gegeneinander ausgespielt,
sondern sie wurden nunmehr plötzlich gleich-
wertig", alle nur spezielle, bloß historische Aus-
prägungen eines an sich Ästhetischen, relativ,
ohne überzeitliche Gültigkeit. Der Historismus
1a Kurlspluiz, wesf. Studtbuhnsiotion, Restau-
rierungsprobe 1968 durch das Kulturamt der
510d! Wien
1b Sludfbchnsfufion Kurlsplatz, Resfcurierungsproe
be 1969 durch das Kullurcmf der Stadt Wien
Ruprechfsplutz und Entwurf von Prof. Nie-
dermoser 1968169 für die Kopierung zweier
klussizisiischer Wohnbauten der Stadt Wien
3a Buchfeldgusse vor der Resfaurierung durch
das Kulvurami der Sind? Wien
3b Buchfeldgosse noch der Restaurierung durch
das Kulturumf der 510d? Wien
Anmerkungen 1-3
'Niko1ous Pevsner u. Hisiorismus und bildende Kunst,
Münthen 1965.
ßMuurice Sessel bei Nxkolcus Pevsner 0., S. 43 ff.
JWuller Frodl; SkrFpYen seiner Vor1esungen über Denk-
rnolpflege in Wien und Rom, sow1e Gerhard! Kupner
"Neuer Kulechismus der Üenkmcüpflege" 1n Uslerreichi-
sehe Zehschrih iür Kunsl und Denkmalpflege, Jahrg. XXV,
1971, 5.113".
1b
5a Blick auf Kahlenberger Straße vor der Re
rrerung
5b 19, Kohlenberger Straße nach der sfädti
Restaurierung
6c 18, Pöizleinsdorfer Slruße 103, ursprüng
Zusfand
6b T8, Pörzleinsdorfar Straße 103 nach der
gun von Resten aus dem 16. Jahrhundert
der isrorischen Überarbeitung
7a 14, Linzer Straße 452, WindischgräIz-Villa,
nierung 1969 durch die Stadt Wien
7b 14, Windischgrötz-Vlllu, Sanierung 1969, De
der demonfierfen Öfen
7c 14, WindischgröTz-Villa, Sanierung 1969
nach Wiederhersfellung
Anmerkunqen
'Vgl. z. B. Karl Mannheim His9orismus", W11
soziolo ie", Neuwied 1970.
iAlois iegl Der moderne Denkmulkulius, Wienbh
1903, z. B. S. B. Zu Dvorak vgl. Hefl d. Usf. Zfsz
Kunst u. Orm-Pflg. 1974
16b
üppnsuunnn
zun snussu
und, und zwar was besonders betont zu
en verdient vorerst nicht als künstlerische,
ern als politische und weltanschauliche Be-
Ing. Friedrich Meinecke und Karl Mannheim
sich ihrer Erforschung gewidmett. Aus
Resultaten wird ersichtlich, daß ietzt, da
errungen hatte, was man wollte, die Idee
ortschritts in der Geschichte zu verblassen
tnt, daß nicht mehr ein Zeitalter besser als
andere scheint, sondern daß die Epochen
ch als gleichwertig gelten, als bloß histo-
Darin liegen zugleich die Beweggründe
eine sehr feinnervige Reaktion der Denk-
tlege, ablesbar an englischen, italienischen,
illem aber auch österreichischen Beispielen
dem großen Max Dvorak ist Stildogma-
is" etwas Verwerfliches. Nicht weniger geht
lois Riegl um die Gleichwertigkeit der Stile
iurierungen haben ietzt von einem gotischen
inal nicht mehr Zutaten späterer Epochen
des Barock zu entfernen, sondern beides
leichwürdig wissenschaftlich zu erfassen und
malpflegerisch zu bewahren. So objektiv
diese wissenschaftliche Methode" der Denk-
tflege auch gibt, historisch gesehen ist ihre
aktivitöt, ihre Zeitgebundenheit unüberseh-
Riegl selbst liefert die besten Dokumente
Il'. Er entwickelt eine richtige Ideologie der
xmalpflege, derzufolge das, was in der
tentwicklung geschieht, nichts sei als die
zrspiegelung dessen, was Darwin für die
irentwicklung festgestellt hatte. Ausdrücklich
den Entwicklungsgedanken Bezug nehmend,
ersteht ihn aber Riegl in einer verräteri-
Weise, indem er nämlich an Stelle von
vins Kampf der Arten" keinen Kampf der
mehr setzt, sondern umgekehrt Entwicklung
als Fortschritt, sondern als ewigen Kreis-
lauf von gleichem auffaßt. Ja, in einer bewunde-
rungswürdig instinktsicheren Ahnung fühlt er
offenbar sogar, daß hinter seiner Position mehr
als bloß Wissenschaft steht, nämlich die histo-
ristische Weltanschauung seiner Tage, die er als
Teil der Entwicklungslehre geradezu im An-
blick stöndigen Werdens und Vergehens"
als die moderne Farm der Andacht bezeichnet-ä.
Im 20. Jahrhundert ist bis in unsere Tage hinein
dieses Denken wirksam geblieben. Und doch
reicht es als Motivation nicht aus, um die heu-
tige Situation der Denkmalpflege zu erklären,
die dadurch gekennzeichnet ist, daß es gar nicht
inehr nur um Denkmäler und ihre Pflege, son-
dern um Altstadterhaltung", also um etwas
geht, was oft unter Vokabeln wie Stadtbild-
pflege" etc. im weitesten Sinne des Wortes ver-
7b
39
Grabmalhain I8, Schuberl-Park, einer de
in slödlischer Obhuf befindlichen Orlsfri
mil den ursprünglichen Grcbslellen van
ven und Schubert
Rulhauspork, SNuuß-LannerADenkmal
rend einer städtischen Reslaurierung
Salesiunergasse 33, Jasef-Hoffmann-C
tafel, wie viele Wiener Gedenklafeln in
scher Obhut
Millöckergasse Thealer an der
Beethoven-Gedenktafel und einer Taf
Aktion Wien eine Stadt stell! sich vor"
Hofburg, Michaelerkuppel, Feslbelei
der Stadt Wien
Modell eines der Proiekie zur Spillelber
rung Vlien
18
Anmerkungen
AVgl. das Heil 12, Jahrg. 59, d. Zeilschrifl Werk"
1972, zu Thema Resraurieren und Bauen im im
Konlexi".
'Pe9er Leisching Wiederbelebung historischer Sla
Die Lösung Frankreichs als mogliches Vorbild
Köln W65, Verlag Hermann Bdhlaus Nachf.
äil-
an wird. Mit der zumindest teilweisen
iindung der historistischen Weltansicht hät-
Denkmalpflege eigentlich abnehmen müs-
ihr Motiv damit im Schwinden war. Statt
hat sie zugenommen; ihrem Aufgaben-
nach hat sie sich von der Erhaltung der
monumente zu der ganzer Ensembles"
kelt, legistisch ist der Apparat gesetzlicher
rnung allseits im Zunehmen, und budgetär
die Ziffern der Kulturverwaltungen in
Hinsicht ständig an. Was steht also hin-
Denkmalpflege der zweiten Hälfte des
irhunderts, die sich zur Altstadterhaltung"
iehnt hat?
tliegen scheint ein Teil iener Protestbe-
zu sein, der sich heute die bürgerliche
schatt in und außerhalb ihrer eigenen
gegenübersieht. Es war der Industriali-
gsprozeß, durch den das bürgerliche Un-
mertum die Städte zu Großstädten ver-
ilt hat, die Architektur zur Ware und die
lt zu einer inhumanen Sachwelt umfunk-
te. Heute stößt dieser historisch durch-
gitime Prozeß auf Korrekturwünsche, die,
iert oder nicht, eine Variationsbereite von
Verbesserung auf der rechten und nicht
rechten Seite bis zur Überwindung auf
iite der neuen Linken" aufweist. Da, was
als Wohnumwelt geboten wird, mehr der
von Bautechnikern als von Baukünstlern
stammen scheint, reklamiert die Erbitte-
lroßstädtischer Termiten, in Städten leben
nnen, darin man wieder Mensch sein
Gewiß kein bauliches Problem allein,
aben auch ein bauliches. Wenn nun aber
genwärtige Architektur nicht in der Lage
manes Bauen zu bieten nicht aus der
der Architekten oder bei weitem nicht
ihrer, sondern aus der der Gesellschaft,
beauftragt so kann die vergangene
Umfunktianierung ienes Gehäuse beistel-
ms gesucht wird. Diesen Prozeß leistet die
ialptlege heute. Statt humane Architektur
am Bauschaffen van heute zu beziehen,
man sie aus dem von gestern, an Stelle
chitektur tritt die Architekturkonserve, und
cht als Einzeldenkmal, sondern als ganzes
ild, als richtige Umwelt, die nicht sosehr
Kunstwissenschaft, sondern für die Psy-
ie der Menschen wichtig ist, die darin le-
Es geht um Therapie, nicht um Wissen-
und die Kunst, die da gefragt ist, ist weni-
hohe" mit ihren Sehenswürdigkeiten,
die anonyme" mit ihrer Wärme und
Lokalkolorit. Das scheinen die Motive zu
Ilie heute vielleicht weniger hinter der
ialpflege selbst als hinter ihrer Entwicklung
stadterhaltung stehen 6.
eispiel Wiens
dterhaltung" ist heute zu einer internatio-
Erscheinungsform von Denkmalpflege ge-
t. Einzelne Städte wie Maastricht in den
landen sind ahne besondere neue le-
ie oder finanzielle Maßnahmen daran-
gen, ihr altes Zentrum in toto zu revitalisie-
nicht nur einzelne Monumente zu pfle-
im vorliegenden Fall das Stokstraatge-
inzelne Länder wie Frankreich haben
teue gesetzliche und wirtschaftliche Me-
entwickelt, dieses Problem in den Griff
ommen, im Falle Frankreichs etwa durch
naffung der berühmten Loi Malraux, die
tste Denkmalschutzgesetzgebung der
die ganze Stadtkerne nicht nur künstle-
.ondern auch funktionell und ökonomisch
egenstand ihrer Konzeption macht7. Klas-
Länder der Denkmalpflege, wie Italien,
sich diesem Sog nicht entziehen auch
13V
41
das römische Parlament hat Finanzierungsge-
setze beschlossen, durch die Altstadtgebiete nicht
mehr nur zum Aufgabengebiet von Restaurato-
ren, sondern von Stadtplanern und Wirtschafts-
experten gemacht werden". Schließlich darf ein
Echo dieses Geschehens auch für den Osten
vorausgesetzt werden man denke an die pol-
nischen, tschechischen oder ungarischen Leistun-
gen wenn auch dort gegenüber dem Westen
sehr viel mehr anders geartete Motivgruppen
im Vordergrund stehen, nationale nämlich, die
im Spannungsfeld zwischen diesen Ländern und
Deutschland, aber auch in dem zwischen diesen
Staaten selbst eine verständliche Rolle spielen.
Nun darf zwar die österreichische Situation als
Analogie betrachtet werden auch hier gilt noch
das alte Denkmalschutzgesetz aus dem Jahr
1923, das nur gestattet, Einzelobjekte unter Schutz
zu stellen. Auch hier hat sich die Überzeugung
durchgesetzt, daß von da aus zur Erhaltung
ganzer Altstadtteile übergegangen werden muß.
Bis jetzt ist dieses Anliegen auf staatlicher Ebene
aber nur bis zum Entwurf einer Novelle zum
Denkmalschiutzgesetz gediehen, und wenn dieser
Entwurf auch den Ensemblebegriff bereits kennt,
so kennt er doch nicht entsprechend ausländi-
schen Beispielen eine entsprechende fina-n-
zielle Verpflichtung des Bundes zur Leistung der
nötigen Unterstützungen von Eigentümern ge-
schützter Objekte. Noch 1973 stellte etwa der
Staat für das gesamte Bundesgebiet rund 20
Millionen Schilling für solche Zwecke zur Ver-
fügung, während allein das Budget des Bundes-
landes Wien zum selben Zeitpunkt bereits 30
Millionen pro Jahr ausmachte. Kein Wunder
also, wenn die österreichischen Bundesländer
gleichsam im Alleingang versucht haben, Abhilfe
zu schaffen während Salzburg und Wien auf
Landesebene Altstadterhaltungsgesetze beschlos-
sen und Fonds gegründet haben, bemühen sich
andere Städte und Länder entweder Analoges
z-u tun Graz, Innsbruck oder durch Direkt-
maßnahmen die Aufgaben der Altstadterhaltung
voranzutreiben Krems, Schärding, Steyr etc.. In
ihrer Gesamtheit haben die österreichischen Bun-
desländer als Punkt A14 ihres Forderungspro-
gramms" an den Bund überhaupt beschlossen,
die Kompetenz Denkmalschutz" auf die Lan-
desebene übertragen zu lassen.
An dieser Stelle soll ein Beispiel genügen, diese
Entwicklung zu belegen, dasjenige Wiens.
Zunächst ist schon die Änderung der Verwal-
tungsstruktur ein lndikator für den Prozeß, der
im Schoß eines solchen Stadtorganismus ab-
läuft standen für Belange der Stadtbild- und
Denkmalpflege" 1967 nur zwei hauptamtliche
Mitarbeiter zur Verfügung, so zählt man heute
neun. Gab es zum selben Zeitpunkt außer der
Bauordnung keine gesetzlichen Möglichkeiten zu
entsprechenden Aktionen, so existiert seit 1972
in Form einer Novelle zur Bauordnung ein Alt-
stadterhaltungsfonds, der, aufbauend auf den
Leistungen des Wohnungsverbesserungsgesetzes,
jährlich rund 35 Millionen Schilling zur Abdek-
kung der künstlerisch nötigen Zusavzarbeiten zu
vergeben hat. Stehen durch Bescheide seitens
des Bundes rund 800 Objekte der Stadt unter
Schutz, so können durch die Einführung des
Schutzzonenbegriffs" auf Landesebene elf
dieser Zonen sind bereits rechtskräftig 10.000
Fassaden als bedeutsam für das Stadtbild be-
wahrt werden
Zunächst also eine Änderung im Apparat" der
städtischen Verwaltungl Was aber ist die Effi-
zienz dieses neu geschaffenen Apparates? Er
agiert im Rahmen des folgenden Maßnahmen-
katalogs
Zunächst werden Häuser in Schutzzonen" re-
stauriert. Die Beiträge schwanken nach den bis-
42
herigen Erfahrungen von etwa 20.000 Schilling
bei einfachen Objekten bis zu Millionen bei
komplizierteren, wobei immer vorausgesetzt ist,
daß die Substanz des Gebäudes selbst entweder
im guten Zustand ist oder durch Eigeninitiative
des Eigentümers unter Ausnutzung aller sonsti-
gen Förderungsmöglichkeiten in einen solchen
versetzt wird. lst das nid1t der Fall, beauftragt
die Stadt Gesellschaften mit der Sanierung, wie
dies in den Fällen Blutgasse, Schönlaterngasse,
Am Gestade, am Ruprechtsplatz geschehen ist
und am Spittelberg" geschehen wird, um nur
einige Beispiele aus der inneren Stadt" und
ihren ehemaligen Vorstädten zu nennen. Eine
der Hauptsorgen dabei die Preisbildung der
sanierten Wohnungen, die zur Zeit durch geeig-
nete gesetzliche rund andere Maßnahmen auch
in den Bereich kleinerer Einkommen als er-
schwinglich überführt werden soll, ist, wie in
vielen Städten, so auch in Wien ein Problem.
Sodann werden wenn es weder um Restaurie-
rung noch Sanierung geht Veränderungen am
historischen Bestand einer Sahutzzone Abbrü-
che, Umbauten, Neubauten einer Begutachtung
nicht nur seitens der Architekturabteilung des
Wiener Magistrats, sondern auch seitens des
Kulturamtes der Stadt Wien unterzogen. Sowohl
Prozesse der Stadtplanung mit ihren Festle-
gungen von Baufluchtlinien, Bauklassen etc.
als auch der Liegenschaftsverwaltungen mit
ihren Transaktionen alten Baubestandes als
auch des Baugeschehens selbst mit ihren bau-
polizeilichen Vorschreibungen werden durch
den Filter dieser Prozedur geleitet, um nach
Möglichkeit zu gewährleisten, daß störende Ein-
griffe nicht zustande kommen.
Vielleicht ist gerade für eine Stadt wie Wien
der Hinweis angebracht, daß die zeitliche Grenze
der Gebäude, die solcher Betreuung unterliegen,
nicht etwa um 1850 gezogen und alles, was da-
nach geschaffen wurde, als nicht schützenswert
empfunden wird. Der Wiener Historismus nicht
nur der der Ringstraße, sondern auch etwa der
des Botschafterviertels man denke an die Met-
ternichgasse, die Schwindgasse etc. gilt der
Stadtverwaltung ebenso als Stigma der Donau-
metropole wie die Zeugnisse der folgenden Epo-
chen die Restaurierungsproben des städtischen
Kulturamtes an den Otto-Wagner-Pavillons der
Stadtbahnstationen Karlsplatz, die Finanzierung
der Restaurierung von Wagners Kirche am Stein-
hof, die Zuschüsse zu der Restaurierung von
Wagners Villa in der Hüttelbergstraße 26 oder
zum berühmten Hofpavillon, Zuschüsse zur Re-
staurierung der Werke von Schülern Wagners
Zacherlhaus am Wildpretmarkt etwa, Hoffmann-
Villen oder der Ankauf des Adalf-Loos-Hauses
in der Larachegasse zeugen davon.
Aber nicht minder wichtig scheint bei all diesen
Objekten, den Finger auf den Umstand zu le-
gen, daß es sich hier zumeist nicht um Architek-
tur der hohen Kunst", sondern um anonyme"
Architektur handelt. Die Millionenbeträge des
Wiener Altstadterhaltungsfonds dienen nicht in
erster Linie Monumentalbauten wie den zi-
tierten Werken Wagners sondern vor allem
dem Bürgerhaus oder Weinbauernhaus, wie es
sich am Rande der Stadt in den ehemaligen
Ortskernen noch findet, oft geadelt durch einen
Aufenthalt Beethovens für dessen Eroica-Haus
und dessen Heiligenstädter-Testament-Haus" die
Stadt Millionenbeträge zwecks Ankaufs und Wie-
derherstellung aufgewendet hat oder auch an
sich durch jenen Charme, der bis in die Romane
Doderers hinein zum unabdingbaren Bestands
Wiens gehört.
Kurz, daß es hier um das Ambiente und nicht
um Kunst in musealer Isolierung geht, dürfte
daraus ebenso klargeworden sein, wie es aus
einigen Begleitumständen" ablesbar erscheint
nicht nur, daß die Stadtverwaltung über die Ge-
bäude hinaus sich um die Ausstattung" des
Straßenraumes zu kümmern hat, z. B. durch die
Pflege von 1500 Skulpturen 1975, dem Jahr des
100. Geburtstages von Anton Hanak, gedenkt
das Referat für Stadtbild- und Denkmalpflege
mit der Nachlaßverwaltung des Bildhauers zu
prüfen, ob nicht Werke des Bildhauers, die im
Modellzustand steckengeblieben und nie ge-
gossen worden sind, posthum noch realisiert wer-
den könnten, tut sie das auch durch ihre Prä-
sentation wertvollen Bestandes in Form von Fest-
beleuchtungen, Tafeln der Aktion Wien eine
Stadt stellt sich vor" u. a.
Schon Dvorak mahnte in seinem Kated1ismus
der Denkmalpflege", daß das Geringe oft mehr
der Beachtung bedürfe als das Große m. Und er
hat mit diesem Wort den Weg der Denkmal-
pflege vorausgewiesen, den sie im 20. Jahrhun-
dert nehmen sollte und der hier am Beispiel
Wiens illustriert wurde den Weg zur Altstadt-
erhaltung".
Schlußfolgerungen
Die Schlußfolgerung aus dem generell und am
Beispiel Wiens Vorgesagten kann nur eine Fest-
stellung sein, die manchem gewiß als Ketzerei
erscheinen wird nämlich, daß die heutige
Blüte" der Denkmalpflege etwas Temporäres,
ein Durchgangsstadium, etwas ist, was wieder
welken muß und soll. Diese Konklusion bezieht
sich vornehmlich auf die Ausweitung der Denk-
malpflege zur Altstadterhaltung. Es ist nicht Auf-
gabe der Denkmalpflege, humanen Lebensraum
zu schaffen. Daß sie es heute unter dem Titel
Altstadterhaltung" tut, ist ein interimistisches
Einspringen für jene lnstanz, die eigentlich legi-
timiert ist, diesen Bedarf zu decken die jeweils
zeitgenössische Architektur. Es ist schon gesagt
worden daß moderne Architektur heute diese
Aufgabe nicht erfüllen kann, liegt nicht so sehr
an ihr als an der Gesellschaft, der sie zu dienen
hat. Gesetzt aber, daß diese Gesellschaft einen
anderen Aggregatzustand erreicht hätte als den,
in dem sie jetzt verharrt, so könnte damit sehr
wohl ein Nährboden entstanden sein, der dem
Baukünstler ermöglichen würde, architektonische
Umwelt zu schaffen, die man dann nicht mehr
aus der Vergangenheit, sondern aus der Gegen-
wart so beziehen würde, wie man sie sich
wünscht. Von diesem Moment an würde die
Ausdehnung der Denkmalpflege zur Altstadter-
haltung ihre Legitimation weitgehend verlie-
ren, auch wenn das den Verteidigern ewiger
Werte" unangenehm zu hören ist. Wer aber mit
philosophischem oder soziologischem Denken
sich vertraut gemacht hat, würde darin nichts
Bekümmerndes finden, sondern einen Nachweis
dafür, daß auch eine Sache wie Denkmalpflege
nicht eine des Absterbens, sondern des Einbe-
zogenseins ins Leben ist.
Anmerkungen 8-10
'Vgl. zu Die Anführungen van J. P. Pigeat und C. Dreyfus
am Altstadterhaltungskangreß in Split von 20.-23. 10. 1971,
publiziert in der Europarotspublikatian CONFERENCE
EUROPEENNE DES POUVOIRS LOCAUX" CPLIP 36,
sowie die Arbeiten in Bologna.
'Zu diesen und den folgenden An aben vgl. die Sonder-
nummer Altstadterhaltung in gNien" der Zeitschrift
Aufbau" Nr. 516 1973.
"Max Dvorak Katechismus der Denkmalpflege, Wien 191a,
2. Auflage, s. 24.
Unser Autor
Dr. Gerhardf Kapner
Obermagistratsrat am Referat
für Stadtbild- u. Denkmalpflege
Lehrbeauftragter f. Kunstsoziolagie an der
Universität Wien
Mag-Abtlg. Rathaus
1010 Wien
Qoly
oe
05
Holl
adtsanlerung und
ltentwicklung
äeispiel Münchens
dem Ende des Wachstums-
ns
ne menschliche Stadt
yild des Sanierungsgebiets Haidhausen
mitte. Am unteren Bildrand sind Isar und
imilianeum zu erkennen, am oberen Osten
Ostbahnhof. Der regelmäßige Straßenver-
der allerdings nicht restlas durchgebildet
le, geht auf die erste soekulative Stadt-
I. München und Wien
Ein statistischer und baugeschichtlicher
Vergleich
Als Großstadt ist München iung, Wien hingegen
alt. Im Jahre 1800 hat die damalige kurtürstlich-
bayerische Residenzstadt rund 40.000 Einwohner
gehabt auf einer Fläche van 91 ha, die Kaiser-
stadt Wien jedoch rund 200.000. Wiens Innere
Stadt ist auch abgesehen von den öffentlichen
zwischen einstigem Glacis und Linienwall hal
ihre städtebauliche Originalität früheren
chen als dem lndustriezeitalter und den Baul
der Gründerzeit zu verdanken. Zudem hat Wl
den Bambenkrieg verhältnismäßig glimpfl
überstanden, und selbst bei manchen im Del
mehr oder weniger geglückten Eingriffen sein
städtebaulichen Gesamtcharakter keineswe
verloren, den Charakter der kanzentrisch, fi
hierarchisch aufgebauten Residenzstadt, um;
Ganz anders verlief die Entwicklung in Mün-
chen. Seit 1806 Hauptstadt nicht mehr des Kur-
türstentums Bayern, sondern des aus der Erb-
masse des Reichsdeputatianshauptschlusses und
der Napoleonischen Kriege wohlangereicherten
Königreiches Bayern, zog München den Nutzen
aus der zentralistischen Staatsorganisation des
spätautklörerischen Grafen Montgelas Erster
Minister des Königs Maximilian I. Joseph bis
1817 und aus dem Kunstsinn des in seinen er-
sten Regierungsiahren liberalen Romantikers
Ludwig l.
Münchner Bauhistariker weisen darauf hin, wie
deutlich die Münchner Altstadt bereits vor Jahr-
hunderten in vier verschiedene Viertel unterteilt
war im Nordosten der Hof und die Regierung,
im Nordwesten Adel und Patriziertum auch
wenn man in München den Wiener Stadtpalais
der großen Familien vergleichbare Anlagen ver-
geblich suchen wird, in den beiden südlichen
Vierteln Bürgertum, Handwerk und Kleinhandel l.
lnteressanterweise lebt diese Einteilung unter-
schwellig bis heute fort; beispielsweise hat sich
das patrizische Viertel mit dem Promenadeplatz
als Mittelpunkt sehr konsequent in das örtliche
ßESTAND
BLOCK 15
44
Zentrum der Großbanken und Konzernnieder-
lassungen gewandelt, haben die Firmen die feu-
dale Architekturtradition offensichtlich bewußt
übernommen oder im Falle von Bombenschüden
restauriert. Analoges ließe sich auch von den
übrigen Altstadtvierteln sagen. Doch wirkt die
Vierteleinteilung noch über das alte Weichbild
Münchens hinaus, und zwar so, daß die jeweils
angrenzenden Gebiete der Stadterweiterungen
des 19. Jahrhunderts deutlich von den entspre-
chenden Nutzungen der Altstadtviertel beein-
flußt werden. Man könnte also zumindest der
Tendenz nach von einer sektoralen Ausstrah-
lung" der Altstadtviertel auf die angrenzenden
Quartiere sprechen, die von den Münchner Stadt-
planern lnnenstadtrandgebiete" genannt wer-
den. Seit in Münchens Altstadt wie in anderen
Städten der Druck zur Citybildung immer stärker
wurde, zeichneten sich auch in den ieweils ent-
sprechenden lnnenstadtrandgebieten gleichlau-
fende Umschichtungen ab, allerdings von vorn-
herein mit einer großen städtebaulichen Hypo-
thek belastet Während drastische Nutzungs-
änderungen in der Altstadt oft auf denkmal-
schützerische Einsprüche und den Widerstand zu
Recht lokalstolzer Bürger stießen iede
Altstadt hat ia repräsentative Aufgabe
wirkt als ldentifikationsanreiz Wahrze
funktion" für die Bewohner aller Stud
konnte indessen die gleiche Entwicklung
heutigen lnnenstadtrandgebieten lange
ohne nennenswerten öffentlichen Wider
verlaufen, wobei einige Faktoren zusai
trafen;
Erstens waren zumindest Teile der lnnei
randgebiete nicht so stark von Luftangriffe
stört worden, so daß geschlossene Baube
gemischter Nutzungen allgemeine Wohng
und Gewerbegebiete aus der Gründerzeit
kommen sind, Baubestände also, die schc
kulturpsychologischen Gründen in der
lichkeit nicht als erhaltenswert galten.
Zweitens war weiten Teilen der Öffentl
gerade wegen ihrer Vorurteile und weg
oft unansehnlichen Zustandes der Bauter
bewußt, welche Spekulationshöhen diesr
trumsnahen Standorte im Grundstückmar
reits erreicht hatten, welchen Investition
also das Kapital vornehmlich das übel
nale Großkapital auf diese Gebiete ai
Eurwußr
ßtocx 15
Dernonstrativobiekt Block 15 in Haidhausen
er Kriechbaumhof 16. Jh.l, die älteste erhal-
te Haidhausener Herberge". Herbergen sind
1e Frühtorm der Eigentumswohnung, meist
Taglöhnern und Ziegelarbeitern bewohnt
wesen. Es bestehen Pläne, den Kriechbaum-
if nach Entkernung des lnnenhofes als Kultur-
nkmal an anderer Stelle wieder aufzubauen.
ispiel der Haidhausener lnnenhotverbauung
irch S-Bahn-Station und Plan einer Fußgänger-
ne unter Spekulatiansdruck geratene lokale
tkaufsstraße, die Weißenburger Straße.
1eres einer vom Mieter durch Eigeninitiative
novierten Haidhausener Dreizimmerwohnung.
te beträchtliche Anzahl Haidhausener Bürger
it ihre Wohnungen aus Eigenmitteln bis zu
.000 DM modernisiert Beweis des Engage-
znts für das angestammte Wohnviertel.
kungen 1-4
Egon Dheus, Die Olympiastadt München Entwick-
und Struktur. Stuttgart 1972, S. 50.
ner im April 1974 vom Bund Deutscher Architekten
vom Münchner Verkehrs arlament" veranstalteten
ssion wurde unwiderspra en beklagt, daB das im
oetindtiche Münchner U-Bahn-Netz nichts anderes sei
in vereinfachtes Schema des alten Straßenbahnnetzes.
Ievölkerung Münchens
700 ca. 24.000 1950 832.000 1969 1.274.000
ca. 40.000 1961 1,08500! 1970 1,312.000
ca. 500.000 1967 1,204.000 1971 13130432
480.000 1968 1,231.000 1972 1338324
1971 bis 1972 ist das Wachstum bereits praktisch
Null, es ist dies der Zeitpunkt der Tendenzwende.
eshauptstadt München Referat für Stadtforschung
Stadtentwicklung, Stadtentwicklungsplan '74. Grund-
tür die öffentliche Diskussion. München 1974 fortan
als SEP '74, S. lll-5.
ÜEK
iüANßq LEONHARU-
PREYSIHSSTRASSE
TAND
iumninul
wenn
nur
mm Jmsunz
um
EASßtAHi
xmrwmumussn
um stummen
lhtlll
nunmn man
UUEEUE LII
Drittens hat München in städtebaulichem und
funktionellem Sinne den Schritt von der mittel-
punktorientierten Klein- und Mittel-Stadt zur
polyzentrischen Stadtstruktur genau genommen
bis heute noch nicht getan vom Entwurf des
Stadtentwicklungsplans 1974 einmal abgesehen,
im Gegenteil, die bis in die späten sechziger
Jahre wenig feinfühlig ausgebrochenen Straßen-
schneisen haben Stern- und Ringcharakter, ie-
doch nicht den eines Rasters, und selbst das
und S-Bahn-System ist auf den klassischen
Stadtmittelpunkt Marienplotz zentriert 2.
Vielleicht nützt es, hier auf einige Tatsachen zu
verweisen, welche die Stadtentwicklung Mün-
chens van der etwa Wiens grundlegend unter-
scheiden. Einmal gilt es festzuhalten, daß Mün-
chen entgegen seinem Image eine der größten
lndustriestädte der BRD ist, und zwar gerade,
weil die Industrialisierung hier spät begonnen
hat; deshalb sind moderne" Industriezweige
wie Elektrotechnik und Flugzeugbau, also be-
sonders expansionsfreudige Zweige, in und um
München stark vertreten. Ferner verzeichnete
München während der Nachkriegszeit und bis
1972 eine in Mitteleuropa nahezu beispiellose
BLOCK
WIIFGANE, LEUNMARD-
lll PREVSIIGSTRASSE
BESTAND
IHEI iilill!
neun
nmurn man ms
Bevölkerungszunahmea. Es lohnt sich, über die
reine Statistik hinaus einigen Ursachen dieses
Wachstums nachzugehen; Mag sein, daß der
vielgerühmte Freizeitwert hier auch eine Rolle
spielt. Aber entscheidender dürfte doch sein,
daß Bayern bis 1945 vornehmlich agrarisch struk-
turiert war, also daß ein besonders großer An-
teil ehemaliger Landbevölkerung in anderen,
meist städtischen Berufen sein Brot suchen mußte;
daß München der Sammelpunkt vieler vertriebe-
ner Deutscher, auch und besonders aus den
Nachfolgestaaten der Habsburger-Manarchie,
war; daß schließlich Bayern das einzige Land
war, dessen territoriale Geschlossenheit von der
alliierten Länderneueinteilung nach 1945 nicht
angetastet wurde, daß also gerade in der fak-
tisch hauptstadtlosen BRD die einzige wirtschafts-,
kultur- und verwaltungsgeographisch unbeein-
trächtigte Landeshauptstadt besonderes Gewicht
erlangen mußte. Auf diese Weise ist München
seit langem hochspezialisiertes Oberzentrum
des bayerischen und süddeutschen Raumes".
Also läßt sich verstehen, warum die Münchner
lnnenstadtrandgebiete zu einem besonderen
Konfliktfeld in der weiteren Stadtentwicklung
BLOCK
Wlltiülttlüq lißtttlhtlß-
UtIJ PREYSItGSTRASSI-I
BESTAND
11mm in BEIM! NÄLLXLAVSEIISENEIH
3mm
warum
umhin
wann
MM mmunumum
IIEIAIIEIFISNICI
OH 316m
LH immun.
II asüli
lt-t-llll
sann III-l In
45
wurden, wobei der Konflikt sich soeben erst zu
artikulieren beginnt, also seit unter Bürgern,
Planern und in begrenztem Maße auch Poli-
tikern eine gewisse Sensibilität für Funktions-
widersprüche im Organismus einer Stadt ver-
breitet ist.
Politisch durchsetzbar wurden die Wünsche der
betroffenen Bevölkerung, zumal der von Ver-
treibung bedrohten angestammten Bewohner,
allerdings erst, als Verwaltung und Politiker eine
vordem für unmöglich gehaltene Trendumkehr
der Bevälkerungsentwicklung seit 1972 festzu-
stellen hatten. Wie verschiedene andere bundes-
deutsche Großstädte auch, hat München eine ne-
gative Bevölkerungsentwicklung in dreifacher
Hinsicht 1. Das seit 1964 herrschende Geburten-
defizit der deutschen Stadtbevölkerung wird nicht
mehr von Wanderungsgewinnen deutscher Zu-
wanderer aufgewogen. 2. Immer mehr einkom-
mensstarke d. h. steuerkräftige Angehörige mitt-
Ierer und höherer Schichten, die meisten mit
Kindern, verlassen die Stadt und ziehen ins Um-
Iand. 3. In iüngster Zeit ist sogar der weitere
Zuzug von Ausländern, bisher eher mißmutig
registriert, durch die wirtschaftliche Rezession in
Frage gestellt?
Zwei Gegenmaßnahmen hat die Münchner Stadt-
verwaltung bisher getroffen. Die eine, die sozu-
sagen defensive, ist die sogenannte Zweckent-
fremdungsverordnung, die verbietet, bisher als
Wohnungen genutzte Räume anderen Nutzun-
gen zuzuführen. Die andere ist der Beschluß der
Stadt, die lnnenstadtrandgebiete allmählich zu
sanieren.
ll. Sanierung in München
Erfreulicherweise sind selbst iene Gebiete, die in
München als sanierungsbedürftig gelten, vom
Bauzustand her im internationalen Vergleich im-
mer noch erträglich, von der Wohnungsausstat-
tung her unbefriedigend, aber zumindest in der
Sozialstruktur im wesentlichen intakt, wobei der
auch im Münchner Planungsdenken bisweilen
enthaltenen Unterstellung entschieden zu wider-
sprechen wäre, nämlich daß die Massierung von
Ausländern an sich schon ein sanierungsbedürf-
tiger Nachteil sei. Ein Großteil der Münchner
Sanierungsimpulse zielt weniger gegen eine be-
reits eingetretene Slumbild-ung ab als vielmehr
gegen die tatsächlich spürbare Tendenz der
Citybildung, also der immer intensiveren kapital-
gesteuerten, auf Gewinnmaximierung bedachten
Sondernutzung der Stadtfläche. Die Strategie
ist demnach, weitere Citybildung durch ein Sy-
stem lebenskräftiger Stadtviertel abzublacken.
Die erste größere Sanierungsmaßnahme im Sinne
des Städtebauförderungsgesetzes StBouFG vom
27. Juli 1971 hat München bereits 1971 ins Auge
gefaßt, beginnt sie aber wegen fehlender Mit-
tel im städtischen Haushalt" erst seit 1973174
konkreter zu planen und vorzubereitenf. Dem
politischen Hintergrundverständnis für das Ti-
ming solcher Entwicklungen dient vielleicht die
Ansicht, daß wohl die erwähnte ungünstige Ent-
wicklung der Bevölkerungsstruktur die erforder-
liche Umschichtung der Haushaltsmittel um et-
was anderes als Prioritätenänderung handelt es
sich ja nicht politisch durchsetzbar gemacht hat,
allenfalls zusammen mit dem sich nur sd1ritt-
weise verstärkenden Planungsbewußtsein" der
Öffentlichkeit.
Voraussetzungen der Sanierung
1.1 Rechtliche Voraussetzungen Grundlage die-
ses wie der meisten anderen Sanierungsproiekte
in der BRD ist der im StBouFG dargelegte Vor-
gang. Ziel ist darin, daß I. die bauliche Struk-
tur in allen Teilen des Bundesgebietes nach den
sozialen, hygienischen, wirtschaftlichen uncl kul-
46
turellen Erfordernissen entwickelt wird, 2. die
Verbesserung der Wirtschafts- und Agrarstruk-
tur unterstützt wird oder 3. die Siedlungsstruk-
tur den Anforderungen an gesunde Lebens- und
Arbeitsbedingungen der Bevölkerung ent-
spricht". Die Sanierung verläuft, verkürzt dar-
gestellt, in den folgenden Rechts- und Verwal-
tungsschritten Vorbereitende Untersuchung und
förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes,
Aufstellung eines Sozialplanes für die Betroffe-
nen Mieter, Pächter und Eigentümer, Erörterung
der Neugestaltung des Sanierungsgebietes mit
den Betroffenen, Aufstellen eines Bebauungs-
planes, Ordnungs- und Baumaßnahmen, ferner
eine Reihe bodenrechtlicher Vorschriften wie
besonders Umlegungsverfahren, Vorkaufsrecht
der Gemeinde,gemeindliches Grunderwerbsrecht,
Abbruch-, Bau- und Modernisierungsgebot, Ent-
eignungsvorschriften, Aufhebung der förmlichen
Festlegung des Sanierungsgebietes.
Die Kosten der Sanierung tragen zu ie einem
Drittel Bund, Land und Gemeinde. Laut 71
StBouFG hat der Bund für den Zeitraum 1971 bis
1973 insgesamt 450 Millionen DM zur Sanie-
rungsförderung bereitgestellt, weitere Mittel er-
scheinen danach in den allgemeinen Haushal-
ten. Die Kosten der Neubebauung und der Er-
satzbauten trägt der Eigentümer als Bauherr,
bei Bedarf mit Finanzierungshilfe und -beratung
durch die Gemeinde.
Voraussetzung für die Erklärung eines Gebietes
zum Sanierungsgebiet ist das Vorhandensein
städtebaulicher Mißstände". Nach StBouFG
sind dabei die Wohn- und Arbeitsverhältnisse
oder die Sicherheit der in diesem Gebiet woh-
nenden und arbeitenden Menschen" und die
Funktionsfähigkeit des Gebietes" in bezug auf
Verkehr, wirtschaftliche Situation und Entwick-
lungsfähigkeit sowie infrastrukturelle Erschlie-
ßung zu berücksichtigen.
Leider ist es hier unmöglich, auf das StBouFG
näher einzugehen. Zusammenfassend darf man
aber sagen, daß es ein praxisnahes Gesetz ist,
eine Mehrzahl von Sicherungen gegen soziale
Härten enthält, Grundstücksspekulationen soge-
nannte Planungswertsteigerungen Zumindest
theoretisch verhindert, auf soziale Kontinuität
der gewachsenen Gebiete achtet, für soziale
Mieten sorgt und schließlich die Lasten einiger-
maßen erträglich verteilt. Die Gemeinden haben
im StBouFG ein Instrument erhalten, das eine
behutsame, zukunftsorientierte und letztlich stär-
ker gesellschaftlich integrierende Nutzung be-
bauten Bodens erlaubt. Nicht vergessen seien
auch ene Bestimmungen des Gesetzes,die selbst-
herrliches Bürokratenhandeln verhindern und die
Betroffenen zur Mitsprache ermuntern sollen, ia,
Mitspracherechte sogar zwingend vorschreiben.
1.2 Stadtgeographische und wirtschaftliche Vor-
aussetzungen der Münchner Sanierungsgebiete
Zwei Viertel des Innenstadtrandgebietes" hat
die Münchner Planung seinerzeit in die engere
Wahl genommen, Westend Abb. Gebiet ll
und Haidhausen-Süd Abb. 2., südlicher Teil von
Gebiet III. Als erstes soll der Stadtteil Haid-
hausen-Süd 84 ha Fläche saniert werden, doch
ist die förmliche Festlegung als Sanierungsge-
biet bei Redaktionsschluß dieses Artikels noch
nicht beschlossen.
Die stadtgeogrophischen Gründe der Sanierungs-
bedürftigkeit von Haidhausen-Süd sind beispiel-
haft Einerseits dringen vom Westen, von der
Altstadt her, überregionale Nutzungen in das
bisherige Wohnviertel hinein, andererseits ist
vom Osten her, von dem durch den S-Bahn-Ver-
kehr stark aufgewerteten Ostbahnhof in ihm
bündeln sich fünf S-Bahnlinien, ein ähnlicher
Druck zu erkennen, nämlich die Tendenz zur
Entwicklung eines Einkaufszentrums. Zum wirt-
schaftlichen Aspekt wäre noch festzuhalte
dieser Stadtteil der Markt für rund 80.01
wohner anderer Stadtteile und des Um
ist'. Dadurch, daß die S-Bahn Haidhause
ser an das Zentrum anbindet, sind auch
teristische Nutzungsänderungen bzw. Stei
gen der Grundstückspreise und Ladenmie
verzeichnen, beispielsweise in der an
Bahn-Haltestelle Rosenheimer Platz entst
kleinen Fußgängerzone die einige Politike
Einsicht in die nachteiligen Zusammenhäng
erweitern wollen allein diese Erwartur
im fraglichen Gebiet die Ladenmiete
auf 20 DMlqm hinaufgetrieben.
Haidhausen-Süd setzt sich aus fünf versr
nen, in sich aber homogenen baulichen
chen zusammen; es sind dies Reste der
Iichen Bebauung; Gründerzeitbebauung
tensiv gewerblich genutzten Hinterhöfen;
bebauung, die nach der Gründerzeit entst
ist; Gewerbegebiete; Bereiche öffentliche
zung"".
1.3 Haidhausen-Süd Bevölkerungsanaly
Wahnqualität Die Einwohnerzahl dieses
teiles ist seit Jahrzehnten rückläufig, sie
im Jahre 1972 letzte veröffentlichte Ar
19.575, gegen noch rund 23.000 Einwohr
Jahre 1961. Nur 11,7 Prozent der Bevöll
sind iünger als 15 Jahre Münchner Durch
14,6 Prozent, hingegen 19 Prozent im
alter Höchstwert in München. Annähernd
vierte Einwohner lebt von einer Pension,
oder Arbeitslosenunterstützung. Die Erwe
välkerung Erwerbsquote 54 Prozent best
47 Prozent aus Arbeitern, das ist der vierth
Anteilsatz in München. Der Stadtbezirk
bietet rund 8000 Arbeitsplätze. Weiterfül
Schulen gibt es im Bezirk keine; rund zwe
tel der Bevölkerung haben nur Volkssc
schluß zweithöchster Anteilsatz in Münche
Die zur Sanierung des Bezirkes ausgearl
Grundlagenuntersuchung Münchner Oster
rakterisiert dessen Struktur folgenderrr
Auf 0,27 Prozent der Fläche des Stadtge
leben 1,47 Prozent der Münchner Bevölk
Damit weist Haidhausen-Süd mit 234,0 Ei
nerlha die vierthöchste Einwohnerdichte
Münchner Stadtbezirke auf bei gleichzeitig
ster Arbeitsplatzdichte außerhalb der Cit
heißt intensiver Verflechtung von Wohne
Arbeiten"?
Von den 7344 Wohnungen sind 58 Prozent
Bad, nur 12 Prozent haben Sammelheizung
Prozent haben kein eigenes WC; rund
20 Prozent der Bevölkerung leben in Rück
Hofgebäuden", die sowohl in ihrer Belii
und Belüftung benachteiligt sind wie auch
ihre niedrige Bauweise Rauchabzug zu
Belästigung der Anwohner werden.
80 Prozent der Wohnungen sind vor 19'
richtet, davon drei Viertel vor 1900, PI
stammen aus der Zeit von 1919 bis 1941
18 Prozent aus den Jahren seit 1948. Mit
Zahlen liegt Haidhausen-Süd, was das
nungsalter betrifft, an zweitschlechtester
im ganzen Stadtgebiet". Eine Geböudeur
chung hat ergeben, daß ein weit über 51
zent liegender Geböudeanteil in die Koteg
Reporaturbedürftig, Mangelhaft und
schlecht eingereiht werden muß
Ziele der Sanierung in Haidhausen
Im Gegensatz zu der in München bis zum
der sechziger Jahre herrschenden Neigung
den Citybereich hinaus Kernnutzungsgebiet
zuweisen, besteht für Haidhausen nunmei
Absicht, den Charakter und das hergebi
Lebensgefühl des Bezirkes durch die Sani
nicht zu verändern, sondern vor allem mo
UHU STFUKTUTVETUESSETTICI ZU WHKCII. IJUä
enswerte des Gebietes ist mehr in seinem
kter als in seinen Baudenkmälern zu su-
Sein lebendiger Eindruck ist nicht mit einer
Wohndichte allein zu erklären, vielmehr
er intensiven räumlichen Verflechtung von
en und Arbeiten sowie mit den zahlreichen,
traßenbild belebenden Läden und Gast-
1"."
iele der Haidhausener Sanierung liegen
ich im wesentlichen in einer behutsamen
sserung der Wohnqualität und Wahnstruk-
bwehr strukturfremder Versorgungseinrich-
wie Kaufhäuser und Supermärkte, Ver-
Jng der Verkehrsnutzung und Verbesse-
ler Infrastruktur, sowie in baulichen Maß-
an im engeren Sinne, wie Abbrüchen, Neu-
und Modernisierungen. Hierzu kommt
rundsätzlicher Beibehaltung des Arbeits-
angebots eine konsequent einzuhaltende
rbepalitik, die dafür sorgt, daß unrentabel
dene Kleingewerbebetriebe nicht mehr
ien Ruhestandsanfang des bisherigen oft
ätigen Inhabers hinaus weitergeführt wer-
Ait dieser Zielsetzung ist auch eine andere
ite deutlich ausgeschieden, nämlich wie
nanchen Städten geschieht in einem ehe-
an Sanierungsgebiet möglichst viele Be-
der überregionalen gehobenen Konsum-
gung Mode, Schmuck, Kunstgewerbe an-
eln zusammen mit Kultureinrichtungen wie
ien, insgesamt Angebote, denen die Be-
ung des Stadtbezirkes in der Regel be-
IQSlOS gegenübersteht.
ißnahmen der Sanierung
"adtteilsanierung insgesamt Wie bereits
nt, wurden für die Stadtteilsanierung in
ausen Konzepte entwickelt und dabei ein
Jahrzehnt in vorbereitende Überlegun-
ind Forschungen investiertß. Sinngemäß
an die Verantwortlichen, daß die Durch-
ig der Stadtteilsanierung nach mindestens
ire dauern wird.
llock 15" Um einerseits sowohl für die
sstäbe praktische Erfahrung zu gewinnen
Jch dem nach StBauFG mitbeteiligten Bür-
praktisches Beispiel zu bieten, wurde ein
iumliches potentielles Sanierungsgebiet ab-
nzt"", und zwar in Gestalt des sogenann-
lacks 15 Abb. 3-6. Dort soll nach Art
Pilotprogramms" die Stadtteilsanierung
1er werden Die verberearende Pheee, die 12 Madell Gesamtansicht des in Abb.11 im Detail
"mliche" Feslleglmg des 5G"le'U"9S9eble' 11 Teil eines Schwabinger Hinterhafs 833312212 lnnenhois der geplante" Form der
hren soll, hat Mitte Mai 1974 begonnen
an Bürger Ende Juni, als in einem eigens
teten Zelt eine mehrstufige Ausstellung er-
wurde. Die Ausstellung dauerte insge-
drei Monate und behandelte 1. den Be-
sowie die Verfahren und Ziele einer Sanie-
Jnd 2. Planungsalternativen. Psychologisch
war, daß der Bevölkerung immer wieder
wurde, die Konzeption sei noch offen;
echend hielten sich während der Dauer
usstellung ständig Mitarbeiter der Sanie-
itelle des Stadtbaureferats und zweimal
entlich ein Mietberarer des Sozialreferats
isprächen bereit. Dessenungeochtet hat ein
am offiziösen Münchner Forum Münchner
asionsforum für Entwicklungsfragen e. V."
tmenarbeitender Arbeitskreis Sanierung"
el an der sozialen Unbedenklichkeit der
ungsvorhaben angemeldet. Richtig daran
ist der Vermieter nämlich berechtigt, Moderni-
sierungskasten auf die Mietzinse umzulegen, und
zwar ist dadurch mit einer Steigerung der Mie-
ten von 30 bis 43 Prozent ie nach Berechnungs-
methode und Gesetzesauslegung zu rechnen. Es
trifft allerdings zu, daß Haidhausen laut Woh-
nungs- und Gebäudezählung 1968 mit 2.18 DM
Quadratmetermiete die zweitniedrigste Durch-
schnittsmiete aller Münchner Stadtbezirke hat".
Doch für viele Einwohner ist eine niedrige Miete
eine Grundvoraussetzung ihrer Wohnungswahl.
Übrigens ist ein Mietdurchschnitt aus dem Jahre
1968 heute bestenfalls noch relativ gültig.
Obiektiverweise wird man sagen dürfen, daß die
Anstrengungen der Stadtplaner, zu einer ge-
meinsamen Willensbildung mit den betroffenen
Bewohnern zu kommen, verhältnismäßig groß
sind und auch noch viel persönliches Engage-
ment mit einschließen.
Für den Block 15 liegt folgender Befund vor
Einwohner Einheimische 112
Ausländer 44
156
Gewerbebetriebe Grundstücksfläche 5415 qm
Geschaßflächenzahl Bestand 1,21
Geschoßflächenzahl bei voll ausgenütztem Bau-
recht 1,77
Vorhandene Bruttogeschoßfläche 6550 qm
Bruttogeschoßfläche bei voll ausgenütztem Bau-
recht 9600 qm
Bodenardnungsmaßnahmen erforderlich".
Aus dieser Bestandsaufnahme entwickelte sich
das folgende Konzept baulicher Sanierungsmaß-
nahmen
1. Beseitigung der Hofbebauung Entkernung,
48
verbunden mit Umsetzung einiger Gewerbebe-
triebe und Bewohner Abb. 6.
2. Modernisierung und Instandsetzung der als
erhaltenswert geltenden Randbebaiuung, darun-
ter mehrerer denkmalgeschützter Objekte ent-
standen seit 1800 Abb. 5.
3. Ergänzung der Randbebauung, vornehmlich
mit Wohnbauten, in denen aber auch einige der
ansässigen Betriebe wieder untergebracht wer-
den sollen.
4. Einrichtung eines Neubaues als provisorisches
Mieterhotel" für den Zeitraum der Umsetzungs-
moßnahmen.
3.3 Finanzierung und Kosten Für die Sanierung
einer einzelnen Wohnung werden Durchschnitts-
kosten von 12.500 DM erwartet. Wichtig ist hier-
bei der Grundsatz, daß das StBauFG die Neu-
schaffung von Wohnraum nicht subventioniert,
sondern dafür sind öffentliche Mittel wie be-
sonders Wohnbauförderungsmittel einzusetzen.
Allerdings räumt das Gesetz die Möglichkeit
der Var- und Zwischenfinanzierung ein sowie
die Deckung sonstiger Kosten der Sanierung,
insbesondere auch der durch sie bedingten Ge-
meinbedarfs- und Folgeeinrichtungen, wenn sonst
der Sanierungszweck nicht erfüllt werden
könnte." lj 39 Abs. StBaiuFG.
Allgemein gesehen, sind nach dem StBauFG för-
derungswürdig 1. vorbereitende Untersuchun-
gen; 2. weitere Vorbereitungen und vorberei-
tender Grunderwerb; 3. Ordnungsmaßnahmen
wie Umzug von Bewohnern, Verlagerung von
Betrieben, Bodenordnung, Beseitigung baulicher
Anlagen, Gebäudeentschädigung für Substanz-
verlust, Abbruchkosten und Erschließungskosten.
Außerdem ist der Einsatz von Sanierungsmitteln
14
13 Blick aus dem 15. Stockwerk des Appartment-
Hochhauses Schwabylan"
14 Schwabylan" von Osten gesehen
413
Anmerkungen 5-17 s. Text S. 46, 47
Zielprognase des SEP '74, Kap.
fMünchner Stodtratdrucksache, Beschluß der Vollversamm-
lung des Stadtrates vom 15. Mai 1974, Referentenbericht.
StBcluFG Ziffer Ä.
Mündliche Auskunft des BaurefercltslSanierungsstelle an
den Verfasser.
Gruppe Stadtplanung, Leitung E. Mücke, Münchner Osten,
Grundlagenuntersuchung zur Stadterneuerung. München
197D, S. 31.
Alle Angaben nach E. Dheus, a. a. O., S. 58.
"Münchner Osten, S. 25.
Mündliche Mitteilung des BaureferatslSonierungsstelle.
Münchner Stadtanzeiger, 1. Februar 1972.
Münchner Osten, Strukturkarte Zustand der Gebäude.
"Münchner Osten, S. 31. Diese Zielvorstellung geht
konform mit dem von der Stadt München seit 1971 fest-
gelegten Obevziel Erhaltun der Wahnsituation", vgl.
tadtratsdrucksache Anm. ÖLQDQkUmentGtiOn S. 32.
Erste Aufträge ergingen im Jahre 1964, vgl. Münchner
Osten, S. 9.
Stadtratsdrucksache Anm. Dokumentation S. 17.
auch bei solchen Denkmalschutzpraiekten zu-
lässig, deren Durchführung einen wirtschaftlich
vertretbaren Rahmen übersteigt.
Innerhalb der bisher für Haidhausen vorliegen-
den Planung rechnet die Stadt München für die
Jahre 1975 bis 1979 mit einem jährlichen Ausga-
benansatz von 15 Mio. DM davon ie ein Drittel
aus städtischen Mitteln. Für die Beurteilung der
Kostenstruktur ist vielleicht aufschlußreich, daß
pra Verlagerung eines Betriebes mit Mio. DM
Ausgaben gerechnet wird. Berücksichtigt man,
daß die Münchner Sanierungsvorhaben bisher
über ein Demonstrativproiekt noch gar nicht
hinausgediehen sind, dann vermag man zu er-
messen, welche Kosten erst bei vollem Anlaufen
des Programms auf die öffentlichen Hände"
zukommen werden. Der Münchner Stadtbaurefe-
rent Zech hat im Jänner 1974 die Sanierungs-
kosten allein für Haidhausen auf 15 Milliarden
DM geschätzt, das ist der dreifache Jahresetat
der Stadt München!
3.4 Funktioneller Schwerpunkt des Sanierungs-
praiektes Haidhausen Das sich bisher abzeich-
nende Konzept läßt erkennen, daß die Stadt
München unter dem Begriff Sanierung vorran-
gig die Funktion Wohnen", und zwar möglichst
unter Beibehaltung gewachsener sozio-ökono-
mischer Gefüge, wiederherstellen will. Damit un-
terscheidet sich das Münchner Konzept deutlich
von Vorstellungen, die im Extrem den Städtebau
der USA beherrschen, wo Sanieren bekanntlich
vorwiegend darin besteht, Slums großflächig
niederzureißen und gesunde", das heißt steuer-
kräftigere Bevölkerungsschichten oder Arbeits-
plätze auf der Tabula rasa anzusiedeln". Übri-
gens ist die amerikanische Lösung den Euro-
mgebung des Komfortwohnbaues Dappelan-
ge Orpheus und Eurydike"
rpheus und Eurydike" und Nachbarhaus
16
rkungen 18-26
heus, a. a. O., S. 200.
tratsdrucksache Anm. Dokumentation s. 52.
er ist es an dieser Stelle nicht möglich, die sehr
essanten Steuerungsmechanismen amerikanischer Flä-
Sanierung" zu erörtern.
Recht weist Haidhausen Information", das Mittei-
sblutt der Sanierungsstelle, Nr. TIJuni 1974, S. auf
Unterschiede hin Wenn man Haidhausen mit
hen Sanierungsgebieten in Städten wie Berlin und
burg vergleicht, wird man verstehen, daß Haid-
en audi heute nach ein Stadtteil ist, in dem es sich
zu wohnen, ia, für manche Leute ist es sagar be-
ers wichtig, in einem Stadtteil wie Haidhausen zu
'34, Kap. m.
den Spiegel" vom 3. Juni 1974, S. 131-134.
liesem Prolekt s. Grub Partner, Konzeptionsstudie
toase. Ein Modell zur innerstädtischen Naherholung.
hen 1973.
tratsdrudcsache Anm. Dokumentation S. 4a t.
'74, S. ll-3.
nicht ganz fremd; Berlin beispielsweise
bt in seinen zugegebenermaßen proble-
chen Altbauvierteln wie Kreuzberg mit
unverständlicher sozialpolitischer Kurzsich-
eine ähnliche Sanierungspolitik".
unktion Markt", die ia auch eine legitime
el des Entstehens von Städten ist, wird in
wens Sanierungsproiekten derzeit also zu-
edrängt, und das mit gutem Grund.
ist die nach dem Münchner Konzept ver-
nde Sanierung nicht in erster Linie Denk-
lege, wirtschaftlicher Nutzen wird nicht
riegend aus der touristischen Verwertung
irierter Baudenkmäler erwartet. Dement-
iend ist die städtische Finanza-usstattung
ienkmalpflege zurückhaltend bis kaum exi-
schwankten die Ansätze fürs kommende
ziahr doch zwischen 20.000 DM und einer
DM. Das bedeutet nicht, daß Erhaltens-
nicht erhalten werden soll, schon unter
Segriff Originalität und Stadtgestalt", wie
anzes Kapitel des Stadtentwicklungsplanes
reißt", sind entsprechende Forderungen zu
t. Jedoch, München setzt die Akzente ein-
anders als etwa Städte, die ihren ge-
tlichen Baubestand zu einer Erwerbsquelle
chen suchen.
Stadtoasen" ein privates Sanierungs-
st Der Münchner Architekt Hermann Grub
or einigen Monaten mit einem auch von
oerregionalen Presse" und vom Fernsehen
teten Sanierungsvorschlag hervor. Grub,
'bauer bekannter Freizeitzentren Kur- und
waltungszentrum Alpamare", Bad Tölz,
kelteden Plan,von seinem eigenenWohn-
in München-Schwabing ausgehend, den
teilweise verbauten und durch Grenzmauern
häßlich unterteilten Hinterhof eines Vierseit-
wohnblocks Abb. 11 in eine Erhalungsland-
schaft, in eine Stadtoase" Abb. 12 umzuwan-
deln. Grub will den etwa 8000 qm großen Hin-
terhof innerhalb des Gevierts älterer Schwabin-
ger Komfortwohnhäuser von allen Grundstück-
mauern, provisorischen Autogaragen, Schuppen
und Müllecken befreien und statt dessen eine
stark reliefierte Garten- und Parklandschaft mit
einem Schwimmbad, einem Kindergarten ein hi-
starischer, erhaltenswerter Reitstall soll hiermit
eine neue Aufgabe erhalten und einer zwei-
stäckigen Tiefgarage mit 180 Plätzen schaffen.
Einschließlich Tiefgarage die Grub durch eine
Betriebsgesellschaft kommerziell nutzen lassen
will würde das Proiekt auf 3,5 bis Mio. DM
kommen, ohne Tiefgarage auf 800.000 DM. Es
versteht sich, daß für die gemeinsame Nutzung
der verschiedenen in Privatbesitz liegenden Hof-
anteile noch eine passende Rechtsform gefun-
den und eine Teilumwidmung durchgesetzt wer-
den muß. Grub denkt an eine gemeinnützige
Trägergesellschaft, in der neben den Anrainern
auch die Stadt und solche Großfirmen vertreten
sein sollen, die so Grub allmählich Bereit-
schaft zeigten, allein schon zur Erhaltung des
Goadwill einen Ausgleich für ihre eigenen Bau-
sünden Büropaläste, lndustriebau zu schaffen.
Grubs Initiative, die sich auch auf die Zustim-
mung der meisten Anwohner stützt, wurde vom
Bayerischen Umweltministerium mit der Ertei-
lung eines staatlichen Forschungsauftrages
200900 DM für ein innerstädtisches Begrü-
nungs- und Aktivitätskonzept" beantwortet. Dem
Münchner Architekten schwebt vor, quer durch
die Stadt eine ganze Kette von lnnenhöfen für
die städtische Naherholung" nutzbar zu ma-
chen.
Freilich eignet sich dieses interessante Konzept
besser für städtebaulich und sozial wohlfunktio-
nierende Stadtteile als für Sanierungsgebiete,
setzt die vorgesehene Form der gemeinsamen
Freizeitnutzung doch bestimmte sozial konver-
gente Verhaltensweisen der Benutzer voraus,
ganz abgesehen von stillschweigenden Grund-
entscheid-ungen über Freizeitverhalten insge-
samt".
Grubs Plan trifft sich mit den Sanierungspra-
iekten der Stadt insofern, als diese in ihrem
Sanierungsplan Haidhausen für eine spätere
Ausbaustufe ein Zellenkonzept" vorsieht
Wohnstraßen, ein Fußwegnetz, das einen gan-
zen Stadtteil fußläufig wieder erlebbar" machen
soll, und eben Einbeziehung der Höfe in das
Wohnumfeldß."
Die Crux all dieser Pläne liegt in der nur indi-
viduell zu fällenden Entscheidung, welche Ge-
werbebetriebe aus den Hinterhöfen abgesiedelt
werden können, ohne daß die Versorgung der
lokal ansässigen Bevölkerung und das Arbeits-
platzongebot darunter leiden.
lll. Der Stadtentwicklungsplan 1974 und
die Sanierung
Es kann deshalb nur versucht werden, allge-
meine Grundsätze zu entwickeln, die auf der
Erkenntnis beruhen, daß das äußere Erschei-
nungsbild einer lebendigen Stadt nicht als At-
traktion für Touristen angesehen werden darf,
sondern darüber hinaus in erster Linie als ln-
strument der Stadtentwicklung, mit dem die Le-
49
bensqualität in dieser Stadt verbessert werden
kannu."
Stadtentwicklungsplanung ist kein Podium für-
Diskussionen über Systemveränderungen?"
Grundsatz des Münchner Stadtentwicklungs-
planes 1974.
München gehört zu den Städten, die sich nach
den Bambenzerstörungen des zweiten Welt-
krieges 40 Prozent Zerstörungen dafür ent-
schieden hoben, ihr Stadtbild in iiberkammener
Form wiederaufzubauen. Es wäre heute müßig,
darüber zu streiten, ob den Ausschlag für diese
Entscheidung die geringe Wirtschaftskraft der
Nachkriegszeit, die Suggestivkraft der histori-
schen Lösungen König Ludwigs l. lsar-Athen"
oder der Beharrungswille des baiuwarischen
Stammes gegeben hat. Tatsache ist, daß bis zum
Stadtentwicklungsplan 1963 das mittelalterliche
Raumgefüge Münchens, die Prachtbauten vor
allem der Ausdehnungsphase des 19. Jahrhun-
derts und die monumentalen Straßenzüge sy-
stematisch renoviert oder nach den zerstörten
Vorbildern wiederaufgebaut wurden. Diese Ent-
wickl-ung des monazentrischen München, das
theoretisch nur an der Peripherie Neugestaltun-
gen zuließ, wurde aber von einer Reihe von
Faktoren gestört. Anhaltspunkte der Auseinan-
dersetzung waren besonders zwei Projekte
1. der Plan, das zentrumnahe Wohngebiet Lehel"
zu einer Kernnutzungszone Cityerweiterung zu
machen; 2. der Bau des Altstadtringes Nordost
geplant war damals, die ganze Altstadt mit
einem autobahnähnlichen Straßenring zu um-
geben. Das Lehel bleibt erhalten, der Alt-
stadtring Nordost wurde gebaut, er kündet ietzt
dem Kraftfahrer so einer seiner Planer wörtlich
von den Erlebnisqualitäten des Autofahrens".
Der Stadtentwicklungsplan 1974 versucht nun,
die Ballungstendenzen zumindest abzubremsen,
wenn schon nicht umzukehren, und zwar in Er-
kenntnis folgender städtebaulicher Nachteile der
bisherigen Entwicklung
i. Kaufhäuser und Büropaläste wurden zu Do-
minanten im Erscheinungsbild der zentralen Be-
reiche". 2. Bauwerke mit eigenständigem Archi-
tekturcharakter mußten standardisierten Neubau-
ten weichen. 3. Die Funktianstrennung griff im-
mer mehr -um sich Entmischung der Stadtteile.
4. lndividualverkehr verschlechterte die Wohn-
bedingungen in der Innenstadt. Grundstücksspe-
kulation verhinderte die organische Erneuerung
familiengerechter Wohnbauten in zentralen La-
gen. 5. Die Wohnsiedlungen im Außenraum sind
eintönig und entbehren ieder urbanen Identifi-
katiansmöglichkeit.
Daraus ergab sich für den Stadtentwicklungsplan
1974 unter dem Gesichtspunkt, die Qualität des
öffentlichen Raumes zu verbessern, eine Reihe
von Zielen; die wichtigsten darunter sind Er-
haltung der Originalität als Ausdruck der Ge-
schichte der Stadt; lndividualität durch Vielfalt
an Gebäuden und Raumtypen; Identifikations-
hilfen in Form eindeutig unterscheidbarer Merk-
male und Wahrzeichen; Einbeziehen von Straßen
und Plätzen in den Lebensbereich der Bewoh-
ner Kraftverkehrsnutzung nur sekundär. Diese
Ziele führen zu der in München übrigens kei-
neswegs neuen Forderung, die gewachsenen
Strukturen, wie z. B. alte Darfkerne, zu einem
System von Stadtteilzentren heranziubilden. Daß
die Erhaltung der Gestaltqualität, etwa in den
alten Dorfkernen, und gleichzeitig ihre Aufwer-
tung zu Stadtteilzentren ein Widerspruch ist, ha-
ben Kritiker bereits deutlich gemacht", nicht zu-
letzt deshalb, weil der Spekulationsdnudc die
denkmalpflegerischen und sonstigen beruhigen-
den Maßnahmen durchkreuzen wird. Immerhin
gilt es als Absicht anzuerkennen Die Qualitä-
ten historischer Stadtbereidie, die in den Maß-
50
stäben, den Raumlösungen, den Fassadengestal-
tungen und der noch teilweise vorhandenen Be-
pflanzung van Straßenzügen und Platzanlagen
liegen, sind Werte, die nidit ersetzbar sind und
daher keinesfalls dem Fortschritt geopfert wer-
den sollen 1'." Dabei sind in den Plan ei-nige Ma-
ximalforderungen geraten, die zu konservatori-
schen Übertreibungen führen könnten. Var allem
ist ein Großteil der Altstadt und der angrenzen-
den Gebiete kartographisch mit einer Legende
ausgewiesen lnnenstadtrandgebiete mit vor-
wiegend geschlossener Bauweise, die auf Grund
ihrer Gestaltqualität zu erhalten sindfa." Prof.
Fred Angerer vom Lehrstuhl für Städtebau der
TU München knüpfte daran die Frage, ob hier
der Versuch einer Festschreibung nicht zu weit
getrieben sei. Die für den Plan Verantwortlichen
replizieren, daß mit dieser Formulierung nur
der Wunsch ausgedrückt sei, die Moßstäblichkeit
der Bebauung, die Baulinien und das städte-
bauliche Grundkonzept zu sichern. ln diesen
Zusammenhang gehört auch die Absicht der Pla-
ner, Hochbauten auf die Höhe des Baumbewuch-
ses ziu beschränken ein in München bis in die
Mitte der sechziger Jahre im wesentlichen ein-
gehaltener Usus.
Keineswegs eindeutig sind die Meinungen der
Münchner Fachleute zum Thema Fußgängerzone.
Stellt die Fußgängerzone zwar einerseits eine
Verkehrsberuhigung und damit eine zumindest
indirekt konservatorische Maßnahme dar, so hat
die Erfahrung doch andererseits gezeigt, daß die
Fußgängerzone noch stärker kommerziell ge-
nutzt wird als das gleiche Gebiet zuvor und daß
andere Nutzungen, etwa solche, die idealisti-
scherweise an die Polis- und Agora-Funktian
anknüpften, sich kaum durchsetzen konnten. Ge-
wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die
Feststellung, daß bei den Geschäften außerhalb
der Fußgängerzone beginnend bei nur weni-
gen hundert Metern Entfernung der Umsatz
um 40 Prozent zurückgegangen ist, ein Ergebnis
also, das dem Grundgedanken der Streuung
von Versorgungseinrichtungen geradezu entge-
gengesetzt ist.
IV. Sanierungsgebiete von morgen
Ein leider nur zu häufiger Mißstand aller Stadt-
planung ist es, daß die meisten Bauten von
heute mit dem geistigen Rüstzeug von gestern
errichtet werden, nidit nur wegen des iedem
Fachmann bekannten Time lag zwischen Planung
und Bauausführung, sondern auch, weil wir allzu
sehr dazu neigen, zwar die Bausünden unserer
Väter zu beklagen, unsere eigenen Lösungen
iedoch ka-um jemals in Frage stellen lassen. Hier
müßte die Forderung nach einer alternativen
Planung" für jedes wichtigere Bauwerk und
stadtplanerische Konzept einsetzen. Die Ursa-
chen der soeben angedeuteten Mißstände sind
klar, es handelt sich darum, daß einmal die
große Zahl der Architektur- und Stadtbenützer
bis ietzt kein politisch durchsetzbares Planungs-
bewußtsein" entwickelt hat ein solches Bewußt-
sein muß politisch durchsetzbar sein, sonst ist
es zum Scheitern verurteilt und daß zum an-
dern der Fachmann, der in der Regel Erfül-
liungsgehilfe der Minorität privater oder öffent-
licher Bauherren ist, zu folgendem Zirkelschluß
neigt Der Bürger hat nur wenig planerisches
Vorstellungsvermögen was übrigens von Wohn-
baugesellschaften obiektiv nachgewiesen wurde,
alsa brauchen wir ihn nicht zu fragen. Da der
Bürger bisher aber so selten gefragt wurde, hat
er auch keine Gelegenheit gehabt, sich Sach-
verstand, ia überhaupt nur die Fähigkeit, seine
Bedürfnisse zu artikulieren, zu erwerben.
In diesem Sinne seien abschließend zwei Neu-
bauten betrachtet, die teils durch Public rela-
tions, teils durch architektonische Qualitä
gefallen sind und dennoch als städtebc
Ensembles bereits für eine Sanierungsan
keit vorprogrammiert scheinen. Das eine
Einkaufszentrum und Apartmenthor
Schwabylon" in Nardschwabing. Das Ein
zentrum hat es nicht vermacht, von dem
binger Flair zu profitieren es ist auch
viel zu abseits gelegen und entwickelt
in kurzer Zeit zu einem pressenotorischer
erfolg. Gewichtiger dürfte das Schicksc
15stöckigen Apartmenthauses sein. Diese
maschine steht beziehungslas neben eint
Wohngebäuden der dreißiger Jahre un
Nachkriegszeit; einelnteraktion findet nich
Für das ungute Lebensgefühl im Schwal
zeugen zahlreiche Vandalismen mit den
putz ausgerissene Ganglichter, demolierte
körper und dergleichen. Charakteristisch
städtebauliche Ambiente, mit dem sicl
Schwabylon"-Bewohner abfinden muß,
gegen aufgelassenes Bahngelände, Schrott
und eine Autobahnauffahrt orientierte Rül
Abb. 13 und 14.
Problematisch bleibt auch die in Sichtwei
Schwabylon" errichtete, architektonisch
fellos hochinteressante Wohnanlage aus
Teilen Orpheus und Eurydike" des Archi
Hans-Busso v. Busse, München. Abbildu
wurde mit Absicht so gewählt, nicht etw
den Eindruck dieses Obiektes böswillig
zusetzen, sondern um aus der Sicht des
ners zu zeigen, mit welchen Gestalt- iunr
weltquolitäten" sich dieser in seiner
Wohnumgebung auseinanderzusetzen ha
Wohnanlage befindet sich im Hintergrur
Bildmitte. Abbildung 16 will das Proble
Maßstäblichkeit beleuchten Für das ältere
alte! Nachbarhaus gilt, was die Sanierun
ner in Haidhausen gerade abschaffen
Daß der Rauch den höher wohnenden Nai
in die Wohnung quillt... Wie bei alle
iekten dieser Art bleibt zu fragen, wo de
Bewohner des Hochhauses iene nachbai
Sozialkontakte schließen sollen, die immer
von der neueren Stadtforschung als wich
das Funktionieren eines Stadtteiles und fi
Wohlbefinden der einzelnen Bewohner bt
tet werden. Vielleicht sollte städtebaulic
antwortungsbewußte Architektur künftig rr
diese Richtung gehen.
Die Gründe, welche die Architekten sul
drängen, unter Anerkennung der Sachzw
oft städtebauliche Kompromisse zu schl
die sie selbst nur ungern vertreten, sinr
Verfasser durchaus bekannt. Aber vielleich
das Europäische Jahr des Denkmalschutze
ein guter Anlaß, nicht nur in die Vergang
zu blicken, sondern auch in die Gegenwa
Zukunft. Auch bei uns, in unserer Gene
müssen Bedingungen geschaffen werdei
deren Hilfe wir uns und unseren Nach
zuliebe nicht Zonen des Verschleißes erl
sondern Stätten des verwurzelten und
wachsenden Lebens. Das wäre vermutlict
die schlechteste Sinnerfüllung eines vorbi
den Denkmalsch-utzes.
Anmerkungen 27-30
77 ebd. S. A-ll.
Der wohl fundierteste kritische Beitrag zum SEP
bis ietlt die Beiträge zum Münchner Stadtentwi
alcn '74", Heft 11 Juli 1974, der Sammlungsre
Münchner Forums.
SEP '74, S. ll-6.
ebd., Abb. ll-Q.
Unser Autor
Dr. Oskar Holl
München 90
Lindenstr. 28
Gerd-Dieter Stein
Das Buch als
Gesamtkunstwerk"
im Jugendstil
Heinrich Vogeler, Buchsdnmuck zu Oscar Wildes
Granalupfelhuus". Um 1896
Anmerkungen 17-97
Mcircus Behmer, Illustration zu Oscor Wildes
"Salome". 1906
Kolo Moser, Illustration zu einem Gedicht von
Arno Holz. Aus Ver Sacrum". 1908
Bernhard Pankok, Zierleiste. 1898
Adolf Höfer, Zierleiste,1897
Henry van de Velde, Titelblatt für den lnsel-
verlag. 1908
Henry van de Velde, Doppeltitel zu Friedrich
Nietzsche Ecce Homo", Detail. 1908
wo-um-wm
lDazu Jugendstil", hrsg. v. Jast Hermund, Darmstadt,
1971 Wege der Forschung, Bd. cxi, s. 1x.
"Arthur Schnitzler, Paracelsus, in Dram. Werke, Frank-
furtlM., Bd. 1962, S. 498.
"Vgl. Anm. 1.
'Hans Curiei, Vom 19. zum 20. Jahrhundert. In ebd.,
S. 123-144.
5.10! Hermand, Der Schein des schönen Lebens. Studien
zur Jahrhundertwende, FrankfurtlM. 1972, 30.
'Vg1. hierzu a. linda KoreskueHartmann, Jugendstil
Stil der Jugend", München 1969 div 583, S. bzw
Bernard Champigneulle, Jugendstil Art nouveau, Güe
tersloh, a. 1., s. 11 r.
'Außer den schon zitierten Werken sind zu nennen
Friedrich AhlerseHestermunn, Stilwende Aufbruch der
Jugend um 1900, Berlin 1941 2. Aufl. 1956.
S. Tschudi Madsen, Jugendstil. Europäische Kunst der
Jahrhundertwende, Mündien 1967.
1182er Schmutzler, Art rtOuVeuU Jugendstil, Stuttgart
Hans H. Hotstätter, Gesdiichte der europäischen Jugend-
stilmalerei. Ein Entwurf, 3. AufL, Köln 1969.
Hans H. Hofstätter, Jugendstil. Druckkunst, 2. AufL,
BadenrBnden 1973.
Richard Hamannllost Hermand, Stilkunsl um 1900, Berlin
1967.
Edelgard Haiek, Literarischer Jugendstil. Vergleichende
Studien zur Dichtung und Malerei um 1700, Düsseldorf 1971.
Dominik Just, Literarischer Jugendstil, Stuttgart 1969.
Lyrik des Jugendstils. Eine Anthologie, hrsg. v. J. Her-
mund, Stutt art 1964 Reclam 89281.
Alle diese ücher bieten sehr umfangreiche und weiter-
führende Bibliographien an.
"Hierauf weist e. Ha'ek d. a. 0., s. n. in ihren sehr
outschlußreichen Stu ren nachdrücklidi hin.
'Jugend in Wien. Literatur um 190D" Ausstellung des
Deutschen Literatururchivs.
1959 und 1964 fanden einschlägige Ausstellungen im
Münnhner Haus der Kunst statt, 1960 in Neu Yark, 1961
in Paris, in Wien 1964, in London und Bregenz 1971
um nur einige wenige Beispiele onzuführen.
52
Sieben Billionen Idhre vor meiner Geburt
war ich eine Schwertlilie.
Unter meinen schimmernden Wurzeln
drehte sich ein andrer Stern.
Auf seinem dunklen Wasser
schwamm
meine blaue Riesenblütz.
r." "rygix
in uvlllcyl lluuxwilu ululc u... ululw, luu-
on Sinnenreiz zu Aufwall-ung, der andere
zt hin bei der Betrachtung des eigenen
und kokettiert krünkelnd" mit dem Selbst-
l. Verantwortung ist bürgerlich, schon die
asionisten wollten sie nicht mehr tragen.
iilOft hingegen könnte ins Auge gehen,
acheut man die Anstrengung und will den
des schönen Lebens"' nicht missen. Je-
xt seine Rolle, man muß sie spielen. Man
das Spiel im Spiel Was ist nicht Spiel,
ir auf Erden treiben,...Wir wissen nichts
ndern, nichts von uns; wir spielen immer,
weiß, ist klugl."
hönomen wie das des Stils der müde
den Schwertlilienm lößt sich wohl kaum
hin mit der Bezeichnung Modeerschei-
abtun. Seit iener nun schon historisch
denen Ausstellung Um 1900", die Hans
1952 in Zürich veranstaltete, hat sich die
ilung des Jugendstils grundlegend geän-
aus dem Paradebeispiel des Geschmack-
und Kitschigen war etwas Hochinteressan-
unerhört Modernes geworden. Man hatte
tzlich nicht mehr mit einer skurrilen Epi-
zu tun, sondern man stand vor einer
inung geradezu epochalen Ausmaßes; und
nmern sich nun Kunsthistoriker und Litera-
chichtler sehr fleißig um den sogenannten
Stil", um Art nouveau, I'Art pour l'ort,
Style, Ästhetizismus, Decadence, Fin de
Neuromantik, Symbolismus, Sezessionis-
nd welche Bezeichnungen mehr man noch
und anführen möchtet. Neben einigen
iativen, sachlichen und weiterführenden
uchungen' und Erkenntnissen dorniniertdie
ahl iener Publikationen, die eifrig dazu
gt, den Jugendstil weiterhin in seinem
artigen dubiosen Nebel und Ornament
rn zu lassens. Auch durch Ausstellungen
mmer wieder das Interesse am Jugendstil
kt und wachgehalten! Wobei sich wohl
ies abnützt, vieles Neue aber in den so
aren Begriff aufgenommen wird; und er-
icherweise treten kaum Ermüdungserschei-
ein, im Gegenteil er blüht und blüht.
zt es in diesem Jahr sogar im Marbacher
w-Nationalmuseumy eine umfangreiche,
"ragend ausgewählte und dokumentierte
ellung, für die man das Motto von Schnitz-
utobiographie Jugend in Wien" entlehnt
elbstverstöndlich handelt es sich hier nicht
ne Ausstellung, die ausschließlich Jugend-
ionote zeigt; aber das Wien um 1900 läßt
oen nicht ohne Sezessionen und Jugendstil
n.
amit ist man zu dem Zentralproblem aller
Betrachtungen gekommen, sie sich mit der
hl der verschiedensten Stilbemühungen um
Jhrhundertwende beschäftigen. Es dürfte
eine vergleichbare Zeitspanne geben, die
inem ähnlichen Stilpluralismus aufwarten
bzw. sich damit abplogen muß. Es handelt
aineswegs um eine iener guten alten Zeiten,
ien oben noch oben und unten noch unten
denen sich ieder einer herrlichen indivi-
tischen Vielfalt von lebenserfreuendem
xngebot hingeben durfte. Es handelte sich
ne krankhafte Hektik, die zwangsläufig in
iferno des Weltkrieges führte und die den
tig-gewaltsamen Umbruch mit sich brachte.
zialen und soziologischen, die wirtschaft-
und industriellen, die ideologischen und
politischen Problemstellungen waren ehe-
vom Naturalismus aktualisiert worden. Die
iter des Impressionismus haben sie dann
ungewollt, aber als brave Bewahrer der
wenden Machtverhältnisse weitgehend in
ssenheit geraten lassen. Und die Künstler,
'l. il. ill
IT Jl III
.1!
FRIEDRICH
NIETTSCHE
lllll
xv xÄw 33h,
WMV.
..w xmxa
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1102m CO tne wen. cne mgaigrs 6515131?
ChJptcr l. Hn I-ldvcnrurc in thc
Good undwr rhz Mchnfainshß
not Ralph, found, so hat
Grat glimmu of dawn. all
mor thcwood was not vzry
thida aftcr th Grat mile, and
rhzr wzr clurings her and
thnqlSc rod Ralph till the
aun was at pointtoriamandh
thoac clearinga er wüßdllawns,
on thc l'urthr aid whereof
rhm was merc thicket, aß hc
dumcd, than had yzt cum
to; so dnw rin and loohed
about him ibraminurc. Gvzn
K1
ums cne man man
tc thztimuppointzdioritwas
two hcure aftzr midnight, so
stcppzd au! cf hie KUR clad
in all hia war gar, and went
atraight to th doddered oah,
and feund Rdhad ther with
but an horsmwmrcbv Ralph
hnrw that held hin pur-
pos cf going hia ways to Ut-
tzrbol so roch him by th
ßhouldzrs and nnbraczd him,
roughurl an hwaa.and Km,
had hnultd to him on mo-
wmt o9? inte nighr. am
gy mcnt of rim thm amßt am!
Ralph got alhorxuback with-
ab? eut delay ürod bis waye wari
ly acroaß highway and into
thc wood, and thzr was nun
to hindcr him. Chough it was
dark but for the atarlighmhere
which horßc.
thcrzwith dccmcd hard
aacundlus harshthan thecry
er iay in rh buchltrnß,
and shrillzr than thz moaning
th morning breez in th
wood. So falle to liatening
with both um, and thia timz
deema hat bears thz voic
of woman thcnwith um
into hie mind that old dcar
advzn nur of thc Glood pcril-
oumforhuvasdrumywith
PQBKCJQCYIIISSOFÜÜBÖCCÜBvQI
thlongandlonelynighnßut
dcubkd somzwhat of
rh voic whm it had paeecd
hin zarmao ßhooh bis rein,
Tor thcught it not good to
tarry Scarc thzn had hie
hora atzpptd out. er ihn
um woman running out cf
thichet befor him mad
torurd him ovzr the uwn. So
gar o0? his hors .1! am
mad somuvaycvcn beforz th
53-2
die durch die Phase des Jugendstils gingen,
machten auch nur in einigen Fällen den Ver-
such, das soziale Problem zu lösen. Die Mehr-
zahl von ihnen huldigte ziemlich unverhohlen
prä- und kryptofaschistischem Gedankengut".
Einige traten freilich auch den Weg zum ex-
pressionistischen Schrei" an, zum Aktivismus und
zu der Utopie, daß nach der reinigenden Kriegs-
katastrophe der neue Mensch" in neuer Umwelt
den idealen Staat aufbauen werde. Die meisten
dieser Idealisten mußten schon zu Beginn des
Reinigungsprozesses" ihr Leben lassen.
Innerhalb der englischen Jugenstilbewegung
war William Morris 1834-1896 wohl der ein-
flußreichste Vorkämpfer für die neuen Ideen. Als
Sohn sehr reicher Eltern verbrachte er eine sorg-
lose Jugend, um sich dann plötzlich mit allern
Nachdruck für seine Vorstellungen einzusetzen.
Er sah in der englischen lndustriewirtschaft, die
sich auf die schlechten Grundlagen des Kapita-
lismus stützte, als überzeugter Sozialist die Wur-
zel allen Übels. Den allgemeinen Verfall der
Menschenwürde und der Formen suchte er durch
das gediegene Kunsthandwerk zu bremsen. Den
Arbeiter wollte er aius dem Elend ziehen und ihm
eine neue und schöne Umwelt sichern. Morris
strebte eine Einheit von Kunst und Leben" an.
Ihm schwebte dabei das von ihm idealisierte
mittelalterliche Zunftwesen vor. So sah er in der
gotischen Kathedrale das Symbol für die Zu-
sammenarbeit aller Künstler als Handwerks-
leute"". Seiner Vorstellung nach muß Kunst
vom Volk gemacht sein, für das Volk, als eine
Beglückung für den Hersteller und den Nutz-
nießerlz".
Morris selbst stellte das überzeugendste Beispiel
für diese Gesamtheit der Künste dar er war
Schriftsteller und Dichter, Maler und Designer,
bildete einen festen Mittelpunkt für Schüler und
54
Trabanten, schuf Holzschnitte, Zierleisten, Initia-
len, Illustrationen und Bucheinbände für seine
Bücher und verkaufte auch eigenhändig alle
Stücke, die in seinen Werkstätten hergestellt
worden waren Möbel, Gebrauchstextilien, Tape-
ten und Bildteppiche. Die Gestaltung der Wohn-
räume war sein höchstes Anliegen. Sie sollten
eine Gemeinschaft von Menschen beherbergen
können, ohne daß der Sinn ihres Zusammenseins
von Äußerlichkeiten gestört wird I3".
Es ist nicht verwunderlich, daß Morris mit diesem
Idealismus der weniger tragisch als kurzsichtig
zu nennen ist Schiffbruch erlitt. Die Vielzahl
seiner künstlerischen Anregungen und Ideen
wirkte zwar ausgesprochen befruchtend, seine
sozial-utopischen Gedanken hingegen blieben
restlos unverwirklicht. Eine derartig teure Her-
stellung der verschiedensten Kostbarkeiten al-
les von Fachleuten und Künstlern handgefertigt
mußte zu astronomischen Verkaufspreisen füh-
ren. Es handelte sich fast ausnahmslos um Einzel-
stücke, Einmaligkeiten, Modelle". Der schlichte"
Gebrauchsgegenstand war für den Arbeiter un-
erschwinglich. Nur die ganz wenigen Superrei-
chen und Snobs konnten diese exquisiten Pretia-
sen bezahlen. Kostbarste Exklusivität und erle-
senster Luxus blieben notwendigerweise dem
Volk unzugänglich und damit auch suspekt.
Aber die Industrie und damit war Morris' Idee
pervertiert sah die Lücke. Man stellte einfache
und billige Formen, Verzierungen und Gegen-
stände massenhaft her, die dem lenkbaren Durch-
schnittsgeschmack den Schein der Vornehmheit
vorgaukelten und auch im tristesten Hinterhaus-
zimmer als geschmacklose Kitschraritöten der Fa-
milie blühten. Kurzfristig konnten sich die dritte
und vierte Künstlergarnitur vor Aufträgen kaum
retten. Dann regierte ausnahmslos das Fließ-
band; der Kitsch feierte Hochkoniunktur. Das
Arthur H. Mackmurdo, Titelseite zu
City Churches, 1883
Edward Burne Jones, The well at the
end". Buchgestaltung W. Morris, Illustration
E. BurnchJones. 1896
11 Aubrey Beardsley, Doppelseite aus; Thc
Malary, Le Morte D'Arthur. 1893194
12 Aubrey Beardsley, The Climax. Aus
Wilde Salome". 1894
13 Aubrey Beardsley, The Stomach Dance.
Oscar Wilde Salome". 1894
Anmerkungen 10-13
Vgl. hierzu HamannlHermand, Stilkunst, a. a. o.
1l'7lafstütter, Gesch. d. eurap. Jugendstilmalerei, a.
cßuzn. SUNNYSIDE ganemvrou xswr.
S-ah'
555
xä
353-
xääß
7393
im;
4k0v
alles führte notgedrungen zu den landläufigen
Klischeevorstellungen über den Jugendstil. Bei
allem Zurück zu den von der Natur vorgegebe-
nen Linien und Farmen, bei allen gutgemeinten
Versuchen, Literatur, darstellende Kunst, Ge-
brauchsgegenstände ieder Art, Architektur und
sogar Musik der breiten Masse zugänglich zu
machen, der Jugendstil war einfach zu schwach,
zu substanz- und fundamentlos, um sich als
eigene Stilrichtung über mehr als ein paar Jahre
zu etablieren.
Die wirklichen Künstler, die als Initiatoren den
neuen Stil in kürzester Zeit hochgetrieben hatten,
sahen diese Schwäche des Jugendstils in den
meisten Fällen sehr bald ein und lösten sich
mehr oder minder radikal von ihm. Die Künstler
aus dem zweiten Glied hingegen kochten noch
bis Kriegsbeginn ihre Suppe auf der allgemeinen
Stilverwirrung ab; und die lndustrie schöpfte
ihren Markt bis zum Grund rücksichtslos aus.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß
außer Morris auch etliche andere bedeutende
Jugendstilvertreter mit ihrem Sazialidealismus
nicht durchdrungen der Grund waren immer die
enorm hohen Herstellungskosten und die Un-
fähigkeit, die eigenen Ideen der breiten Öffent-
lichkeit klarzumachen, sie ihr dienstbar zu ma-
chen und damit aus dem sozialen Mißstand her-
auszuhelfen. S0 scheiterten Charles R. Mackintosh
1868-1928, Margaret MacDonald 1865-1933,
Frances MacDanald 1874-1921 und Herbert
MacNair in Glasgow sie bildeten eine Künstler-
gruppe, die die totale Kunst" zu verwirklichen
suchte, das Grundprinzip des Modern Style".
Auch die Ecole de Nancy" und Emile Galle
1846-1904 kannte nicht verhindern, daß gna-
denlose lndustrialisierung und Kommerzialisie-
rung ihre ldeen verwässerten und schließlich in
den billigen Kitsch zagen. Aber auch die Grün-
der der Wiener Secession und besonders die von
Josef Hoffmann und Kola Moser 1903 gegrün-
deten Wiener Werkstätten wurden durch die ex-
klusiven Preise in die Hände einiger sehr Reicher
getrieben und konnten so zwar elitär ge-
schmacksbildend einwirken; aber die ursprüngli-
che Idee, nämlich eine Kunst für iedermann er-
schwinglich zu produzieren, blieb unverwirklicht.
Das trifft auch auf Henry van de Velde 1863
bis 1957 zu. Trotz all seiner Forderungen, die
Kunst zu entrümpeln", Mobiliar und Gebäude
funktionell zu konzipieren, weitgehend auf De-
kar zu verzichten, konnte er sich in Belgien und
Deutschland mit seinen fortschrittlichen Ansich-
ten nicht wirklich durchsetzen. Allerdings ist die
Bedeutung unverkennbar, die er z. B. auf Werk-
bund, die Weimarer Kunstgewerbeschule und
das Bauhaus ausübte.
Der Extremste der Puristen", der Wiener Adolf
Loos 1870-1933, kämpfte damals von allen
Drr Bunte Dngzl von lcbrgrbn
bunarrtunbnruttunbttcungig Q1
15m Ztaleitacrbud von Duo
jultus birrbaum Q2 mit Ztud
fdymudvonpmrbrltrzitsdßjm
Drrlagr von ödnttlcr lnqflzr
1G Berlin unb lcipgig Q1
56
14 '36? Behrens, lnnentitel zu Der bunte Vogel.
15 Melchior Lechter, Vorzeichnung zum Titelbild zu
Die Lieder von Traum und Tod. aus Teppich
des Lebens" von Stefan George. 1899
16 Josef Hoffmann, Gedichtumrahmung. Aus Ver
Sacrum"
Anmerkungen 14, 15
1.
gkfsjäZ-g,
12.- Im;
.1 H.S'HAMRMH'LWJ'
17
17 lwan J. Bilibin, Illustration zu einem Märchen
von Puschkin. 1905
18 Carl Czeschko, Doppelseite aus Die Nibelun-
gen. 1909
19 Arthur J. Gaskin, Illustration zu Edmund Spen-
ser, The Shepheardes Calender, 1896
113m. HamannlHermand, Stilkunst, a. a. 0., s. sw.
ßzn. nach H. Hofstätter, Geschichte, a. a. 0., s.
Qtßclß-lß."
Müll
E... n...4...........a..i.,m.
s... n..." m... ...i lrulslzn Mund.
Und dann ...i sdummuwusun w..."
Ühkhwlndlm a... Wxutnpund
Dutt! lnun, "m... Blulmrlgen
Schadn um du Tag dm zmzn Kuu
m. w.. wlndxln cm. lnllcgen,
m. man man... kammzn m"...
ums 1mm suuu.
heute als hochmadern wiederentdeckt
neue, sachliche und auf jedes Ornament
tende Bauweise .. die kunst ist etwas,
erwunden werden rnuß"
auis C. Tiffany 1848-1933 in New York
USA außer dem Jugendstil auch nach die
liche Kunst bei den vermögenden Leuten
gemacht hat ähnlich wie S. Bing in
Jr Europa, ist bekannt. Nur fehlte ihm
;ensatz zum wirtschaftlichen das sozial-
he Engagement, das sich noch eher bei
hikagoer Architekten Louis Sullivan 1856
finden ließe.
zum Buch als Gesamtkunstwerk", zur
unst. Es war der schon ausführlich er-
Morris, der die entscheidenden lmpulse
hlte, die zu dem plötzlichen unerhörten
wen von Druckkunst und Buchillustration
Seiner Ansicht nach muß die graphische
xtion der Buchseite sein
die wahre Buchseite das ist, was das
hlagene Buch zeigt- nämlich die Doppel-
Er Morris faßte sie praktisch als zwei
olumnen auf, die zwar durch die Kon-
des Buches getrennt sind, iedoch, wenn
ffnet ist, vereint eine Schriftseite bilden,
rch den schmalen Rückensteg geteilt ist.
erhalten wir die rechte und die linke Seite
alumne, ie nachdem sie rechts oder links
Mittellinie des Buches liegt. Die schmal-
inder liegen natürlich innen und oben,
titesten außen und unten. Letzterer sollte
er breitere sein; man könnte ihn die
xbe des Buches nennen, und es ist Sinn in
breiten Rand, abgesehen davon, daß es
uge wohltut, wenn die Hand das Buch
kann, ohne etwas von dem Text zu ver-
lS"
iuffassung präzisierte Walter Crane 1845
der von Text- und Bildseite ein geisti-
optisches Gleichgewicht forderte. Die
nensionalitöt solle die Tiefenillusion ver-
Linie und Ornament haben die Auf-
erfüllen, Bild und Text in harmonisch-
ieziehung zu halten. ln diesem Zusam-
ig sind noch zu nennen William Dyce
864, Ford Madox Brown 1821-1893, Ed-
urne-Jones 1833-1898 und Dante Gabriel
1828-1882, die sich cum grano salis der
aphaelite-Brotherhaad" zuordnen lassen,
7iälf-äistsmßltt
'39"-
äXxxlt-äxtf."
sowie Charles Ricketts 1866-1931 und Charles
Shannon 1865-1937.
Morris hatte 1891 in London-Hammersmith die
Kelmscott-Press gegründet und damit das Zen-
trum für seine neue Kunst geschaffen. Lucien
Pissarro folgte 1894 mit seiner Eragny-Press in
Epping-Essex und C. R. Ashbee 1898 mit der
Essex-House-Press in Upton.
Es ist nicht weiter erstaunlich, daß oll diese
von Anfang an internationalen! Bestrebungen
nach Organen suchten, die Möglichkeiten boten,
regelmäßig an einen großen Leserkreis heran-
treten zu können. In England waren die wich-
tigsten dieser Zeitungsneugründungen Hobby
Horse 1884, The Dial 1889, The Studio 1893,
The Savay 1896 u. a. Beardsley, Crane, Voysey,
Toorop, Khnopff; in Frankreich La Revue Blan-
che 1891, Art et Decoration und L'Art decoratif
1897; in Belgien Van Nu En Straks 1893. An
deutschen Zeitschriften sind zu nennen Pan 1895
von O. J. Bierbaum u. a. gegründet, Insel
1899; Bierbaum, A. W. Heymel und R. A. Schrö-
der, Jugend 1896; G. Hirth und Simplicissimus
1896; A. Langen und Th. Th. Heine. Und in
Wien erschienen Kunst und Kunsthandwerk und
Ver Sacrum 1898; das Organ der Wiener Seces-
sion, deren erster Präsident G. Klimt war.
Die meisten dieser Zeitschriften konnten sich nur
kurze Zeit halten, andere z. B. Jugend" und
der Münchner Simpl" hingegen paßten sich
den jeweiligen Zeitströmungen mehr oder weni-
ger an und hielten sich über Jahrzehnte. Als
gutes Beispiel für die teilweise bis ins Abstruse
gesteigerte Exklusivität einiger iener Künstler-
kreise mögen hier Stefan Georges Blätter für
die Kunst" 1892 stehen, die außer dem Mei-
ster nur ganz wenige Erwählte zu Gesicht be-
kommen durften. Melchior Lechter illustrierte,
F. Gundolf rührte die wissenschaftlich gedeckte
Werbetrommel.
Der anhaltende Erfolg, den der Jugendstil in
der Malerei, der Graphik, dem Kunsthandwerk
und Kunstgewerbe hat, ließ und laßt die Ger-
manisten nicht ruhen. Unter Bezeichnungen wie
der Große Jugendstil" und ähnlichen Verball-
hornungen wurde fast das gesamte literarische
Schaffen iener Zeit eingruppiert. Eifriges Durch-
forsten brachte gänzlich vergessene Poeten und
Tagesliteraten zum Vorschein; vornehmlich die
Trivialliteratur bot reiche Fangerträge. Ließ sich
schon trotz aller Bemühungen man wollte kei-
nesfalls hinter den Bilanzen der Kunsthistoriker
zurückstehen wenig literarischer Jugendstil tin-
den, so entdeckte man doch immerhin den Ju-
gendstil in der Literatur. Keine Haarspalterei
sollte betrieben werden; Vergleiche an Sprach-
stil, Grammatik, Interpunktion, Themen-, Bilder-
und Motivwahl lieferten und liefern immer neue
Beweise. Und so konnte dem literarischen Im-
pressionismus rund dem Frühexpressionismus ein
Großteil an Boden abgewonnen werden.
Hier seien nun einige Beispiele angeführt in
subiektiver Auswahl; eine vollständige Liste wä-
re ebenso ermüdend wie umfangreich
Der neue Idealismus drückt die neuen Menschen
aus. Sie sind Nerven; das andere ist abgestor-
ben, welk und dürr. Sie erleben nur mehr mit
den Nerven, sie reagieren nur mehr von den
Nerven aus... es ist ein geflügeltes, erdenbe-
freites Steigen und Schweben in azurne Wollust,
wenn die entzügelten Nerven träumen"?
So treffend charakterisierte Hermann Bohr be-
reits 1891 die kommende Epoche in seiner Uber-
windung des Naturalismus".
Und in Richard Beer-Hofmanns Der Tod Georgs"
1900 heißt es
Wenn sie ihm eine Frucht bot, stieg ihr schlan-
ker Arm aus einem Kelch zurückfallender brei-
ter Spitzen; ihre schmalen, weißen Finger, die
58
aus ihrer Hand, wie zu einer Dolde sich ver-
ästelnd, wuchsen, spreizten sich um die Frucht,
die sie nicht umspannten. Ein nicht mehr ganz
bewußtes Erinnern an vieles war dann in dieser
Gebärde"."
Das wohl bekannteste und vielleicht auch ein-
drucksvollste Beispiel bietet Thomas Mann in
seiner Novelle Tristan" 1902.
Erinnern Sie sich des Gartens, mein Herr, des
alten, verwucherten Gartens hinter dem grauen
Patrizierhause? Das grüne Moos sproß in den
Fugen der verwitterten Mauern, die seine ver-
träumte Wildnis umschlossen. Erinnern Sie sich
auch des Springbrunnens in seiner Mitte? Lila-
farbene Lilien neigten sich über sein morsches
Rund, und sein weißer Strahl plauderte geheim-
nisvoll auf das zerklüftete Gestein hinab. Der
Sommertag neigte sich.
Sieben Jungfrauen saßen im Kreis um den Brun-
nen; in das Haar der Siebenten aber, der Ersten,
der Einen, schien die sinkende Sonne heimlich
ein schimmerndes Abzeichen der Oberhoheit zu
weben. Ihre Augen waren wie ängstliche Träume,
und dennoch lächelten ihre klaren Lippen...
Sie sangen. Sie hielten ihre schmalen Gesichter
zur Höhe des Springstrahles emporgewandt,
dorthin, wo er in müder und edler Rundung sich
zum Falle neigte, und ihre leisen, hellen Stimmen
umschwebten seinen schlanken Tanz. Vielleicht
hielten sie ihre zarten Hände um ihre Knie ge-
faltet, indes sie sangen Ja"
Die perfekte Beschreibung eines Jugenstilbildes!
Und zudem fühlte sich auch noch ein anderer
Schriftsteller äußerst betroffen Arthur Holitscher.
Er, der bis zum Tristan" mit Mann bekannt war,
glaubte sich um ein Motiv bestohlen aus seiner
Erzählung Die Fremden im Musee Wiertz" und
fühlte sich außerdem noch in der Person des
Herrn Spinell unangenehm karikiert. Neuerdings
wird die Meinung vertreten, Thomas Mann habe
Peter Altenberg, den Spitzenvertreter der Wie-
ner Impressionismus-Literaten, in der Figur des
Detlev Spinell porträtiert".
Eine sehr schöne und sicherlich auch interessante
Arbeit wäre es, einmal die europäische Jugend-
stil-Buchillustration zusammenzustellen. Hier sei
der Versuch einer vorläufigen Auswahl unter-
nommen.
Heinrich Vogeler und Emil Rudolf Weiss waren
beide Maler und Graphiker. Sie illustrierten
viele Jugendstil-Publikationen Pan, Jugend, In-
sel, Neue Rundschau und Bücher der Verlage
S. Fischer und Eugen Diederich. Den Buch-
schmuck für seinen einzigen Gedichtband Dir"
1899 gestaltete Vogeler selbst. Von Weiss er-
schienen Die blassen Cantilenen" 1896 und die
Erzählung Elisabeth Eleanor" 1896.
Carl Otto Czeschka entwarf den Buchschmuck
für die Nacherzählung des Nibelungenliedes von
Franz Keim. Das unerhört kostbar gestaltete
Bändchen erschien kurz nach der Jahrhundert-
wende im Wiener Verlag Gerlach und Wiedling,
der durch seine herrlich illustrierten Märchen-
und Jugendbücher bekannt wurde. Neben Czesch-
ka sorgten noch Berthold Löffler, lgnatius Tasch-
ner, Otto Tauschek, Franz Wacik und Moritz
Jung für den Buchschmudr.
Auch der 1899 gegründete Wiener Verlag" be-
sonders mit seinen Sonderreihen Bibliothek mo-
derner deutscher Autoren" und Bibliothek be-
rühmter Autoren" und der Verlag der Wiener
Graphischen Werkstätte bemühten, sich um ex-
quisite Umschlagszeichnungen und Buchschmuck
z. 8. Felix Dörmanns Der Herr von Abadessa",
illustriert von Emil Orlik; Hermann Bahrs Der
Franzl", illustriert van Orlik und Alfred Raller.
Rudolf Löw illustrierte Carl Spittelers lmago"
1907, Marcus Behmer Ernst Hardts Tantris der
Narr" 1920 und Heinrich Vogeler Hofmanns-
thals Der Kaiser und die Hexe" 1900
Oscar Wildes Märchen"; Emil Rudolf
besorgte den Buchschmuck für Bethges
sische Flöte" 1910, Tiemann für Rilkes Sti
Buch" 1905 und Ehmke für Boccaccios
Leben Dantes" 1909. Peter Behrens erl
durch seine richtungweisenden Schriftty
im Auftrage der Gebrüder Klingspor
Übergang vorn freien Linienspiel zur fe
Form. Eine Sensation waren kurz zuvc
Schrifttypen Otto Eckmanns gewesen BIN
für Klingspor. Besonders berühmt nebe
nen Drucktypen und dem Eckmann-Sch
wurde seine Titelseite für Die Wach
der bekannten 7. Auch die Handschrifter
fan Georges erregten großes Aufsehen. D4
fluß des genialen Beordsley 1872-1898
neben Vogeler auch auf Thomas Tl
Heine spürbar, dessen Arbeiten plakativ-I
turistisch-zeitkritisches Engagement zeigen.
Thomas Theodor Heine, der wie alle ar
vorwiegend in den einschlägigen Zeitsc
veröffentlichte, illustrierte unter anderem
Münchner Scenen" 1900 von Frank Wec
Eckmann Wilhelm Hegelers Sonnige
1898; Behrens Otto Julius Bierbaums
bunte Vogel" 1899, Lechter Maurice
lincks Der Schatz der Armen" und die
Georges Das Jahr der Seele", Teppic
Lebens" und Maximin"; Emil Rudolf Weis
den Buchschmuck für Rilkes Geschichtei
lieben Gott" 1900, Bierbaums Gugeline"
und Alfred Walters Heymels Die Fischer"
Vogeler für Ricarda Huchs Vita somnium
1903, Bierbaums Neubestellter lrrgarte
Liebe" 1906 und Gerhard Hauptmanns
arme Heinrich"; Johann V. Cissarz Tsche
Dramen 1902, van de Velde Nietzsches
Homo" 1903, John Jack Vriesländer Tsche
Werke 1901, W. Müller-Schoenefeld Bi
Das Liebesleben in der Natur" 1903;
hard Pankok illustrierte den Katalog der
Weltausstellung 1900 und Ludwig Sütterl
Anthologie Graßstadt-Lyrik" 1900. Äuße
tirisch behandelte Bierbaum diesen biblio
Ästhetizismus in seinem Prinz Kuckuck" 191
Ohne Antwort blieb bislang die Frage,
der ornamental-florale und auch der sa
funktionelle Jugendstil seit den frühen für
Jahren wieder so unermüdlich blühen.
mehr als zehn Jahre währte um die Jahrhi.
wende eine Erscheinung, die dann enz
als das Musterbeispiel für Kitsch abgesti
worden zu sein schien, und nun ist sie ir
Renaissance nicht nur für Wissenschaftler
essant, sondern wird auch wieder von
Werbung und Industrie okkupiert. Und
weltanschaulich finden sich nicht etwa ge
oder mühsam konstruierte Parallelen. Bl
kinder und Hippies mit ihrem Wunsch
nach friedlichem und freiem Zusammenlel
innern an die Sonnenwanderer eines Fidl
schließlich auch an die Anfänge von Verb
gen wie dem Wandervogel. Wieder nimrr
zwar all die Ungerechtigkeit und das Sct
che der Umwelt wahr, aber wieder feh
aktive Engagement.
So dominiert weiterhin eines iener Ursy
des Jugendstils der Springbrunnen. Nu
kurze Zeit bleibt dem Wassertropfen wi
seines herrlichen Bogens innerhalb der Fc
Er erreicht den Kulminationspunkt, wird
bricht seinen Flug ab und fällt zurück ins
Aber iahraus-iahrein einmal ist das lnl
größer, dann wieder geringer erfrei
Springstrahl den Zuschauenden Kleinkind
Greise.
Ähnliches mag sich beim Jugendstil und
Betrachter begeben.
er Staifer
unb hie 53m
von pugo von
Jßxcßer Verley
20
omas Theodor Heine, Schutzumschlag. 1898
ainrich Vageler, Titelblatt. 1900
arcus Behmer, Titelseite
'to Eckmann, Die Woche". Titelseite. 1899
fred Kubin, Schutzumschlag, 1903
kungen 16-19
ann ahr, Die Überwindung des Naturalismus. Zweite
van Zur Kritik der Moderne 1891, S. 157 f. zit.
D. Jost, l.it. Jugendstil, a. a. O., S. 16.
rd Beer-Hatmclnn, Der Tod Georgs was, s. 552
nach ebd., s. 16.
as Mann, Tristan. ln Sämtliche Erzählungen, Frclnk-
1. 1963, S. 198.
bt kaum einen Schriftsteller der Jahrhundertwende,
ssen Werk nicht Jugendstilzüge nachgewiesen werden
en z. s. auch bei Bierbaum, Nietzsche, George,
armsthal, Rilke, Stadler, Altenberg, Hesse, Dehmel,
auatmann, Schlaf, Halbe, C. Hauptmann, Schnitzler,
an, R. Walser, Lasker-Schüler, Wedekind, Vall-
er, Schaukal, Huah, Heym, Sorge, Walzagen, Dau-
ey, Sack, Stucken U. v. 0.. Vgl. hierlu besonders
st, Lit. Jugendstil, a. a. O.; E. Haiek, Lit. Jugendstil,
O.; sowie die andere oben angeführte Literatur, die
ich bibliagraphische An aben bietet.
1ierzu besonders Wolf ietrich Rasch, Thomas Manns
lung Tristan". In Jugendstil, hrsg. v. Hermand,
O., S. 413-455.
er Autor Dr. Gerd-Dieter Stein, Assistent am
itut für deutsche Sprache
Literatur der Universität Salzburg.
163 Mattsee Nr. 147
G.
AIVIA IN AKTEN MODERNGILLUSTRIGRTG ZEITSCHRIFT
tN -Hlle stehen Tag ein Hd!-
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FISCHER VERLAG bttil lt.
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Katja Laske- Fix
Zum 100. Geburtstag des Künstlers'
Oskar Laske
Ein vergessener
Geschichtenmaler
Nur wenige unserer Zeitgenossen verbinden
heute noch etwas mit dem Namen Oskar Laske.
Wenngleich der Wiener Maler und Graphiker
Oskar Laske 1874-1951 nie zu den spektakulä-
ren Künstlerpersönlichkeiten zählte, sondern be-
scheiden und zurückgezogen arbeitete, so sorgte
doch sein reiches künstlerisches Werk besan-
ders die Tausende zöhlenden Graphiken und
Buchillustrationenl zu seinen Lebzeiten für
eine weite Verbreitung seiner Bildideen. Neben
vielen Erwähnungen und Kurzberichten schrieben
vorwiegend in den zwanziger Jahren be-
kannte Kunsthistoriker, wie etwa Arpad Weixl-
gürtner, Hans Tietze und der mit dem Künstler
befreundete Musikwissenschaftler Joseph Gregor,
Artikelz über ihn, die allerdings für den heutigen
Leser in ihrer überschwenglichen Begeisterung
teilweise schon fast grotesk wirken. Nach Laskes
Tod im Jahre 1951 wurde es dann mit Ausnahme
der Gedächtnisausstellungen im Künstlerhaus und
in der Albertina 1952 recht still um ihn. Zwar
veröffentlichte Fritz Novotny 1954 einen Bild-
band, der ausschließlich Aquarelle reproduziert,
doch dann erschienen erst wieder zu Laskes
10. Todestag zwei Nachrufe auf den Künstler,
der eine von Wilhelm Mrazek, der andere von
Gustav Künstleri Sein Vergessensein ist um so
erstaunlicher, als Oskar Laske nicht nur zu den
bedeutendsten, sondern auch zu den liebens-
wertesten österreichischen Malern" der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts zählte 5.
Vor 100 Jahren am 8. Janner 1874 wurde
Oskar Laske als Sohn des gleichnamigen Archi-
tekten im böhmischen Czernowitz geboren, wo
sein Vater gerade den Bau der erzbischäflichen
Residenz leitete; schon wenige Jahre später zog
die Familie nach Wien, das für Oskar Laske zur
eigentlichen Heimat wurde und wo er auch die
meiste Zeit seines Lebens verbrachte. Obwohl sein
zeichnerisches Talent sehr früh erkennbarwar und
er schon 1888f89 beiAnton Hlavacek Unterricht im
Landschaftszeichnen bekam, studierte er zunächst
auf Drängen seiner Eltern ab 1892 Architektur als
Schüler Karl Königs an der Technischen Hoch-
schule in Wien. Er schlug somit die Laufbahn
seines Vaters ein und baute Häuser in Wien
z. B. die Engel-Apotheke in der Bognergasse,
Niederösterreich, Möhren und Kärnten und so-
gar in Dresdenä. Daneben gestaltete er in die-
ser Zeit die Inneneinrichtung des Kabaretts
Nachtlicht" und schuf Entwürfe für Gläser,
schmiedeeiserne Gitter und TeppicheÄ Von sei-
nen Entwürfen zu Monumenten, von denen das
geplante Weltfriedensdenkmal" für Den Haag
1910111 am aufsehenerregendsten war, wurde
nur das Kriegerdenkmal in Czernowitz realisiert.
Seit 1904 also erst im Alter von 30 Jahren
wandte sich Laske dann immer stärker der Ma-
lerei und der Radierung zu, um 1910 ganz den
erlernten Architektenberuf aufzugeben. Diese
Entscheidung wurde wohl beschleunigt durch die
zahllosen Eindrücke, die er auf seinen vielen
Reisen durch ganz Europa, nach Nordafrika und
bis in den Orient erhielt, und die er im Bilde
festhalten wollte. Von überall brachte er eine
reiche Ausbeute an Skizzen, Motiven, Themen
und sonstigen Anregungen mit. Besonders der
Kontakt mit der islamischen Welt muß für ihn
sehr beeindruckend gewesen sein. Die Blätter
aus Konstantinopel und Tunis etwa gehören zu
den schönsten aus dieser Zeit, nicht zuletzt we-
gen ihrer an Macke erinnernden, sonnendurch-
glühten Farbigkeit. Während des ersten Welt-
krieges kam Oskar Laske als Soldat und Kriegs-
maler in mehrere osteuropäische Länder und
nach ltalien von der Sinnlosigkeit des Krieges
und seinen Folgen berichtet er durch viele Werke
Für Mitteilungen zur Person des Künstlers danke ich Frau
Katharina Gosch, München, und Frau lsabello Laske, Wien.
usnahrne der Abb. und aus dem Besitz der
chen Gra hisdien Sammlung München lnv.-Nr. 192085
942183 etinden sidi die abgebildeten Werke in
xesitz.
lrödlermarkt in Odessa", Aquarell, 467x355
mit Tinte bezeichnet links unten Trödler-
iarkt in Odessa, signiert rechts unten O. Laske.
lahrscheinlich ist das Blatt in den Jahren 1916
der 1917 entstanden, da sich Oskar Laske ge-
en Ende des Krieges zweimal als Kriegsbe-
chterstatter in der Ukraine aufhielt.
Fischmarkt in Brügge", Radierung und Aqua-
nta, 118x176 mm, in der Platte unten signiert
1d bezeichnet O. Laske Marche aux poissons
ruges, entstanden 1912.
Fischpredigt des heiligen Franziskus", Farb-
thographie, 394x486 mm, in der Platte be-
aichnet links unten Fischpredigt, signiert rechts
nten O. Laske, 1919 erschienen im Verlag der
iesellschaft für vervielföltigende Kunst, Wien.
ie Thematik der Predigten des heiligen Franz
an Assisi hat Oskar Laske immer wieder be-
hüftigt. In verschiedenen Techniken Ol, Tem-
era, Lithographie illustriert er die Geschichte,
'ie der Heilige den Fischen, den Vögeln oder
uch allen Tieren emeinsam predigt. In solchen
ildern findet Laskes erzöhlerisches Talent den
im adäquaten Inhalt.
vgl. Abb. die gleich weit weg sind von
den landläufigen Phrasen des lustigen wie
des heldischen Soldatenlebensw. Seine künstle-
rische Produktivität, die nach dem Krieg noch
zunahm und die für ihn sein ganzes Leben lang
bestimmend blieb, brachte eine fast unüber-
schaubare Zahl von Gemälden, Graphiken und
Zeichnungen hervor. ...; er ist ununterbrochen
tätig, von der Unendlichkeit charakteristischer
Gesichte, die das Kaleidoskop des Lebens an
ihm vorüberführt, soviel wie möglich einzufan-
gen; er zeichnet, zeichnet, zeichneti" In seinem
Atelier in der Nisselgasse versammelten er
und seine Frau eine Musikerin bis ins hohe
Alter einen Kreis von guten Freunden um sich.
Wie stark er für sein Schaffen die Verbindung
und Zusammenarbeit mit anderen Wiener Künst-
lern suchte, beweist die Tatsache, daß er 1905
dem Jungbund", 1907 dem Hagenbund" und
1910 der Gesellschaft österreichischer Archi-
tekten" beitrat, in den Jahren 1924 bis 1939 so-
wie 1945 bis 1950 der Wiener Secession" an-
gehörte und ab 1928 Mitglied des Wiener
Künstlerhauses" war.
Mit großem Interesse probierte Oskar Laske die
verschiedensten Mal- und Drucktechniken aus.
Eindeutig bevorzugte er Mischtechniken; so fin-
den sich auf den meisten seiner Auqarelle auch
Deckfarben, und seine Radierungen sind oft völ-
lig mit Wasserfarben übermalt. Auffallend ist
auch die Tatsache, daß er Landschaften am lieb-
sten in Aquarell ausführt, während es sich bei
den Figurenkompositionen von Skizzen und
Vorstudien abgesehen überwiegend um Ul-
bilder bzw. Radierungen oder Lithographien
handelt. Der Künstler versuchte sich gleichfalls
als Entwerfer von Plakaten, Exlibris, Kalender-
illustrationen und Umschlagtiteln. Nebenbei be-
schöfligte er sich noch intensiv mit Buchillustra-
tionen, wobei seine Vorliebe von Anfang an
Kinderbüchern galt. Das erste von ihm bebil-
derte war der TilI Eulenspiegel", dem Volks-
buch nacherzöhlt von Victor Fleischer 24 Farb-
lithographien und 31 Zeichnungen, Verlag Anton
Schroll, Wien 1920". Die Illustrationen, die für
Kinder zu tiefsinnig und zu kleinteiiig sind, bie-
ten eine unerschöpfliche Fülle an Ideen. Sie sind
mehr als reine Erläuterung des Textes, iedes für
sich ist eine eigene Geschichte Abb, 4. Sehr
beliebt waren auch Laskes Bühnenbilder und
Kostümentwürfe für Inszenierungen im Schön-
brunner Schloßtheater, im Burgtheater und im
Theater in der Josefstadt zum Beispiel zu Shake-
speare, Viel Lärm um Nichts", 1920; Goldoni,
Diener zweier Herren", 1924; Henri Rabaud,
Maruf", nicht aufgeführt; Goldoni, Kaffee-
haus", 1930. Der Zuschauer sieht zwar kaum
die Durchdachtheit der vielen zusammenwirken-
den Züge, die malerische Geschlossenheit iedes
Bildes, aber er fühlt ihre Wirkung als Stimmung
des Ganzen, als wohlgelungene Laune, als mu-
sikalische, mimische, sprachliche, als geistige und
61
als räumliche malerische und poetische Einheit
Die Inhalte von Laskes Bildern wiederholen sich
häufig und dies oft in großen zeitlichen Abstän-
den. Es sind neben Darstellungen von Land-
schaften, Straßen und Marktplätzen Abb.
und hauptsächlich Schilderungen biblischer
Themen überwiegend aus dem Alten Testament
zum Beispiel Paradies", Noah", Jonas", Da-
niel in der Löwengr-ube", Fischpredi-gt" Abb.
und Vogelpredigt des hl. Franziskus" sowie
mythologische Themen etwa Tierfabeln des
klassischen Altertums" und literarische Suiets
Faust-lmpressionen", Papageno", Cid". Alle
Werke Laskes zeichnen sich durch eine unge-
heure Vielfalt der Details aus, sie spiegeln die
Freude eines Erzählers wider, der auch nicht die
kleinste Einzelheit seiner Geschichte vergessen
möchte. Er erzählt Märchen selbst dann, wenn er
Realität wiedergibt, aber er erzählt diese Mär-
chen so, als seien sie Realität vgl. Abb. 5. Der
Beschauer erhält ieweils Einblick in den ganzen
Mikrokasmos der dargestellten Figuren. Die Akri-
bie, mit der er iede einzelne Person präsentiert,
ist besonders an seinen Bildern, aufdenen große
Menschenmengendargestelltsind,bewunderungs-
würdig. Die Menge hat es Laske angetan; ihre
bunte Vielgestalt will er malen, ihre unruhige und
bewegliche Seele erfassen lz." lm Zusammenhang
mit Oskar Laske wurden deshalb häufig Pa-
rallelen zu Pieter Brueghel d. Ä. gezogen. Rein
formal ist der Vergleich naheliegend; sicher ist
auch, daß Laske die berühmten Werke des
Bauernbrueghel" im Kunsthistorischen Museum
in Wien studiert und bewundert hat. Vom Stili-
stischen iedoch ist er fest in seine Zeit einge-
bunden, ohne dabei einer bestimmten Strömung
zugeordnet werden zu können. Trotzdem wurde
sogar versucht, Laske mit Ensor in Verbindung zu
bringen m. So schreibt O. Kallir in dem New Yor-
ker Ausstellungskatalog Austrian Expressionists"
von 1964 Laske's Bible illustratians etchings
and color lithographs peopled with hundreds
of figures, show close relationship to James
Ensor whose work he greatly admired"." Dieser
Vergleich erscheint iedoch fragwürdig, denn wäh-
rend in den großflächigen Gemälden Ensors das
Maskenhafte, Dämonische, Beängstigende als
Hauptelement dominiert, taucht es bei Laske nur
vereinzelt und dann zweitrangig auf. Sein klein-
teiliger Bildaufbau verweigert schon eo ipso eine
verwandte Expressivität. Das Spezifische seiner
Kunst ist der Grundton der Heiterkeit, in der
auch eine Spur lronie mitschwingen kann; diese
für sein ganzes Wesen charakteristische innere
Heiterkeit und Ausgeglichenheit sind allen seinen
Werken immanent. Der ihm eigene, typisch öster-
reichische Stimmungsimpressionismus" F. No-
votny seiner farbenfrohen Aquarelle hinderte
ihn andererseits nicht daran, eine Affinität zum
Wiener Jugendstil in Buchillustrationen oder
Graphiken durchscheinen zu lassen vgl. Abb. 6.
Seine Ausbildung als Architekt erklärt die be-
sondere Bedeutung, die in seinen Bildern dem
formalen Aufbau zukommt. Sein Sinn für far-
bensatte Wirkungen ist sa groß wie sein Talent,
Bewegung ieder Art glaubhaft zu machen; seine
überragende Qualität in formaler Hinsicht ist
aber seine Art zu komponieren, den scheinba-
ren Wirrwarr seiner übersprudelnden Erfindun-
gen zu größter Übersichtlichkeit und Eindring-
lichkeit zu bändigen, den gestalteten Tiefraum ..
doch wieder zur Bildfläche zu zwingen". Nur
schwer Iäßt sich bei Oskar Laske eine Entwick-
lung des Stils feststellen. Erkennbar ist eine
zunehmende Vereinfachung der Formen. Anstelle
der fast unüberschaubaren Details der frühen
Werke treten großflächigere, oft heftig bewegte
Farbkomplexe in frei ausgestalteten Raumper-
spektiven der späteren Zeit. Parallel dazu wer-
62
Anmerkungen 1-17 Anm. 1-10 s. Text S. 60, 61
Ein Verzeichnis der Werke Oskar Laskes liegt bis heute
nicht VOf. Weder seine Gemälde -VDr1 denen er in dem
selbst dngelegten KGtGlUQ "Kbmpasitionen und Zyklen"
281 Ol- und Temperabilder aufführt noch seine Graphi-
ken sind zusammenfassend bearbeitet. Eine Liste der Gra-
phik aus den Jahren 1904-1921 findet sich im Anhang
S. 17-22 des Büchleins von E. Tietze-Conrat, Oskar Laske,
Wien u. a. 1921. Eine wichtige Quelle ist das Nachlaß-
Verzeichnis von R. Ernst, Oskar Laske. Der künstlerische
Nachlaß, hrsg. von L. Schulz-Laske und E. Kesselbauer-
Laske, Wien 1954.
'Weixlgärtner,A.,Oskar Laske, in Die graphischen Künste,
36. 19., Wien 1913, S. 11-40;
Tietze, H., oskdr ldske, in; Die Kunst, 29. Jg., Wien
1914, s. 241-249,
Gregor, 1., Laskos Faust-Im ressianen", in oie graphi-
schen Künste, 43. Jg., Wien 20, S. 24-29.
'Novotny, F., Oskar Laske, Österreichische Aquarellisten,
Bd. ll, Wien 1954.
Mrazek, W., Oskar Laske. Zum 1D. Todestag des Künstlers
in Kleine Geschichte der modernen Kunst in Usterrei
seit der Gründung der Wiener Secession, 1961, s. 7-1
Künstler, G., oskdr Ldske. zum 10. Tddestdd dm so.
vembesr 1152i in Alte und moderne Kunst, Heft 5a,
Laske vertrat die österreichische Kunst nidrlt nur in seiner
Heimat, sondern dudt auf Ausstellungen im Ausland z. B.
auf der Internationalen Aquarell-Ausstellung 1923 in Mai-
ldnd vgl. The studid, es, 1923, s. 174; ddnn 1950 und
1964 in Amerikd vgl. Tiie Art News, 49, 1950, Ndu.
sowie o. Kdllir, Ausstellungskatalog Austrion EX
nists. WUtEYCOlOIS, drdwings, prints. The edle
Etienne, 6,25. 1. 1964, New vdrk 1964. Als Anerk
iiir sein sdlidtten erhielt oskdr ldske 1925 die
rneddiile der lnterndtidndlen Bugra" in Leipzig
den Preis der Gemeinde Wien, 1932 die Goldene
medaille und 194a den Preis der stddt wien.
"Genauere An dben ddIU finden sich bei Weixlg
A., d. d. 0., .39.
'Vgl.Thieme, .. Becker, F., Allgemeines Lexikon der
den Künstler VOn der Antike bis zur Gegenwart,
Leipzig 192a, s. 40a, H. Ankwicz. odrdn schließt
Artikel in Vollmer, H., Allgemeines Lexikon der bil
Künstler des 20. Jahrhunderts, Bd. Leipzig 1956,
Künstler, G., Cl. d. 0., s. 19.
'Tietze, 11., d. d. 0., s. 24a.
vgl. dGlU E. TietZe-Cortrdt, oskdr Ldskes Till Eulen
in Die bildenden Künste, Iv, wien 1920, 1x7 i.
stdessl, 0., Bühnenbilder VOR oskdr ldske. .die
seien Künste, ss. Jg., Wien 190, s. 91-9a, hier s.
lt Tietze, H., d. d. 0., s. 242.
11 Vgl. z. e. sdtritier. K.. Malerei und Plastik in ast
vdn Mdkdrt bis Wotruba, Wien-München 1963, s.
Kallir, 0., d. d. 0., ohne Seitenzahl.
"Tietze. H.. d. d. 0., s. 24a.
lt Born, w., oskdr Laske. Ausstellung
Würthle, in Österreichische Kunst
l-lett s. 40.
Weixlgürtner, 94., d. d. 0., s. 24.
in der
Wien
die innerhalb einer engen Farbskala tonig
stuften Landschaftsaquarelle der Jahre bis
Ende des ersten Weltkriegs abgelöst von
an, häufig sogar unrealistischen Farben in
Spätwerk, eine Veränderung, die in der
gen Graphik weniger zu spüren ist. Die
änliche Note Laskes setzte sich während sei-
tanzen Schaffenszeit gleichbleibend wenn
unterschiedlich stark aus den genannten
enten Erzählfreude, Betonung des Bildauf-
meist starke Farbigkeit und Heiterkeit zu-
nen. Man könnte seine Eigenart auch cha-
irisieren als ...seine illustrative Auffas-
die sich erst zufrieden gibt, wenn sie die
zur Pointe verdichtet hat. Hier liegt der
I6 Reiz seiner Arbeiten aber auch ihre
ihr. Vor allem die großformatigen Kompo-
ien neigen zu zerfallen. Je enger sich Laske
echnik und Vortrag an die Gestaltungsprin-
der Graphik hält, desto überzeugender
an seine Schöpfungen ß". Diese unterschied-
Wertschötzung der gemalten und der gra-
zhen Blätter gilt wohl auch aus heutiger
natürlich ist eine solche Grobgliederung
als Vereinfachung zulässig; es gibt viele
ir mit graphischem und Graphiken mit ma-
rhem Charakter. Laskes Radierungen und
graphien wirken in ihrer Mehrzahl weitaus
1er und überzeugender als seine besonders
ar Spätzeit oft etwas grell-bunten, fahrigen
rrelle, Tempera- und Ulgemälde.
er zählt Oskar Laske nicht zu den großen
tlern" seiner Zeit, zu denen er sich selbst
auch nicht rechnete. Er war mehr der Typ
erfahrenen, ungeheuer fleißigen Hand-
ers, der alles, was ihn bewegte, im Bild
ergeben wollte. Man muß seine Aquarelle,
ihiken und Zeichnungen genau und mit
betrachten, um ihren Reiz zu erleben und
ihnen häufig innewohnenden Humor zu ent-
en. Um diese Aussagekraft in seinen Bil-
zu erreichen, mußte Oskar Laske seine
reit äußerst genau beobachten. Die Fähig-
mit wenigen Strichen das Charakteristische
Bewegung, einer Stellung festzuhalten,wird
dem Künstler ununterbrochen geübt. Immer
er ein Notizbuch, das weniger auffällt
ain Skizzenbuch, mit sich und zeichnet auf
iwayfahrten zum Beispiel mit seiner Füllfe-
alles darein, was ihm in seiner Umgebung
nteressant auffällt. ln dieser Art zu skizzie-
hat er sich eine solche Gewandtheit ange-
et, daß er fast nie bemerkt wird
Eulenspiegel ißt die gebratenen Hühner des
Waffen", Farblithographie, T50 115 mm, si-
lniert rechts unten OL ligiert, aus Till Eulen-
piegel", dem Volksbuch nacherzählt von Victor
EIeIiZcher, Verlag Anton Schroll, Wien 1920, nach
t.
as ganzseitige Litho illustriert die Geschichte,
lie Eulenspiegel in Buddenstedt bei dem
'tarrer und dessen einüugiger Magd erlebte.
Kasperl", Radierung und Aquatinta, 155x248
nm, in der Platte bezeichnet links unten Kas-
terl, um 1945146 entstanden.
ieses Blatt trägt den Untertitel Wladios Pup-
ienspiel". Es illustriert wohl die Aufführung
'on Arthur Schnitzlers Tapferem Kassian"
turch den in den vierziger Jahren in Wien sehr
xekonnten Marionettenspieler Wladimir von
Ialoziecky im Vordergrund rechts; vor der
lühne im Hintergrund sitzen links ein Musikant
und der Maler Laske.
,Sautanz", Radierung und Flächenätzung, 'l70x
60 mm, um 1922 Z.
Die Wildschweiniagd ist kompasitionell so auf-
iebaut, daß sich alles Dargestellte die Jäger
lnd die Jagdhunde ebenso wie das Gras und
tie Bäume der Rundform einordnen. Diese
ungewöhnliche, noch sehr dem Jugendstil ver-
iaftete Anordnung innerhalb des Bildfeldes,
iewirkt für das uge einen wild bewegten,
wirbelnden" Eindruck.
,Positano", Radierung, 137 147 mm, in der
'latte unten bezeichnet und signiert Positano.
D. Laske.
nser Autor Dr. Katia Laske-Fix,Kunsthistorikerin
iareestraße 59, 56 Wuppertal
-'.'.'BX'..;. a.
nefin
Künstlerprofile
Alois Riedl
Beschränkung im Sinne bildnerischer Verdichtung
und formale Konzentration zählen zweifellos zu
den wichtigsten Kriterien zeitgenössischer Malerei.
Den bildenden Künstler zeichnet nicht die Fähigkeit
aus, in möglichst vielen Sätteln reiten zu können und
durch handwerkliche Artistik zu brillieren, sondern
das Vermögen, die beabsichtigte künstlerische
Aussage in Übereinstimmung mit den gewählten
Mitteln und Methoden mit größtmöglicher Intensität
und Einsehbarkeit zu formulieren. Die Fähigkeit,
Wesentliches herauszuarbeiten und sich darauf in
der Absicht selbstkritischer Weiterentwicklung zu
beschränken, ergibt bei Vorhandensein ent-
sprechender Potenz in der Regel die ausreichend
breite und zugleich auch ausreichend spezifische
Basis eines größeren Werksabschnittes. Die iüngste
Entwicklung des 1935 in St. Marienkirchen bei
Schärding geborenen oberösterreichischen Malers
Alois Riedl beruht auf einer Grundlage der
skizzierten Art. Riedl arbeitet als künstlerischer
Autodidakt seit Jahren konstant an seinem
künstlerischen Anliegen. Er reflektiert dieses
selbstkritisch und fand zuletzt eine mitunter nahezu
ideale Balance zwischen gestalterisch-thematischer
Absicht und malerischer Umsetzung. Er stellte bisher
eher gelegentlich aus, erst 1974 gab es mit
Personalen in Linz Maerz-Galerie, Wien Galerie
in der Blutgasse und Villach Galerie an der
Stadtmauer eine kompakte Ausstellungsserie.
Was Alois Riedl interessiert und was er in
schöpferischen Variationen gleichnishafter Art
abwandelt ist einerseits der formale Vollzug, das
Spannungsverhältnis und die Ästhetik seiner Malerei,
und zum anderen die durch diesen Umsetzungs-
prozeß ausgelösten seelischen Schwingungen,
Rückkoppelungen und intuitiven Komponenten.
Riedls großes und zugleich bewußt abgegrenztes,
sehr subjektives Thema sind Stühle, alte Sofas und
Sessel. Sie sind für ihn vielsagende und beziehungs-
reiche Gegenstände eines verschlüsselten
Engagements am Menschen und seiner engeren
Umwelt. Der Künstler malt zivilisatorische Relikte,
Fakten des Alltags, die den Eindruck erwecken, mit
Charakteren ausgestattet zu sein. Wie in anderen
Fällen muß der Betrachter allerdings auch hier den
Dingcharakter" des Gemalten überwinden. Er darf
nicht am Suiet hängenbleiben, sondern sollte über
dessen Mittlerfunktion nachdenken und den
relativierenden Zusammenhang suchen. Der von
Riedls Bildern ausgehende Reiz wird von seiner
Fähigkeit bestimmt, Materie als etwas Lebendiges,
quasi Atmendes zu erleben und darzustellen." Mit
diesen Worten charakterisierte Kristion Satriffer
die nicht selten zu Mißverständnissen Anlaß gebende
Malerei des Oberösterreichers Die Presse", 5. Juli
1974. Zu den Fakten, die die Qualität der Bilder
und Zeichnungen von Alois Riedl bestimmen, zählen
in erster Linie die Prögnanz und der Nuancenreich-
tum seiner herben, zurückhaltenden Darstellungen.
Riedls Bilder sind handwerklich solid und beherrscht.
Sie sind ausgewogen in ihrem Verhältnis von rein
graphischen zu primär malerischen Elementen. Sie
vertüg über Spannung und Harmonie, die die
Sensibilität ihres Urhebers unterstreichen. Haltung
und Umsetzung decken sich unter Verzicht auf iedes
unnötige Beiwerk.
Peter Baum
Sofa, Großer Ausschnitt, Ull
Harttaser, 1973
Alois Riedl
Sessel, 1974. Mischtechnik
Sofa, 1973. KohlefPapier
Sofa, 1974. KahlelFapier
Sofa, 1974. ÖllPapier
D-Ulamrd
im
Herbert Pasiecznyk
Maler mit Mahler
Jeder Mensch trägt Konflikte mit sich und seiner
Umwelt auf seine ihm eigene Art aus Herbert
Pasiecznyk malt Bilder. Indem er malt, klärt er seine
persönlichen Konflikte oder versucht zumindest
eine Lösung dafür zu finden. Jedes Bild stellt einen
neuen Anlauf, einen neuerlichen Versuch dar, eines
Problems Herr zu werden, es in den Griff zu
bekommen. Mehrere Anläufe machen einen Zyklus
aus. Pasiecznyk arbeitet vielfach zyklisch oder geht
zumindest an ein Problemffhema mehrmals von
verschiedenen SeitenlAspekten heran. Gleichzeitig
mit der Arbeit an einem Bild während der sich das
Bild ständig verändert unterliegt auch das dem
Bild zugrunde liegende Problem einer ständigen
Veränderung, das heißt, es stellt sich ein- und
dasselbe Problem für den Maler von Sekunde zu
Sekunde aus ständig anderer, sich ständig
verändernder Sicht. Meistens arbeitet Pasiecznyk
bei Musik, meistens bei Musik von Gustav Mahler;
die Musik scheint Pasiecznyk Unterstützung und
Hilfe bei der Arbeit zu sein. Angste und
Beklemmungen des Malers werden an dessen Bilder
weitergegeben.
Herbert Pasiecznyks antiseptische und keimfreie
Bildwelt besteht aus VersatzstückeniGegenständen,
die in einen meist kahlen Raum gestellt werden.
Von besonderer Wichtigkeit ist dabei die Auswahl
dieser VersatzstückelGegenstände, denn dadurch ist
bereits zu einem wesentlichen Teil die Aussage eines
Bildes festgelegt. Für den Betrachter sollen diese
Gegenstände Fetisch- bzw. Symbalcharakter be-
sitzen, ohne iedoch dabei Assoziationen zu wecken.
Ein Schuhspanner zum Beispiel ruft beim Betrachter
kaum irgendwelche Assoziationen oder Gefühle
hervor; es handelt sich um einen neutralen
Gegenstand"; trotzdem oder gerade deshalb steht
der Schuhspanner als symbolische Darstellungl
Abbildung einer Person, eines bestimmten Menschen.
Die Einflüsse des Surrealismus, z. B. eines de Chirico
in dessen frühen Jahren oder von Konrad Klapheck,
auf Herbert Pasiecznyk treten dabei deutlich zutage.
Der Reiz und die Spannung der Pasiecznvkschen
Bilder liegen in dem Kontrast, der sich ergibt durch
die Wechselwirkung zwischen Flächen einerseits und
verschiedenartigen Strukturen andererseits.
Dadurch, daß Pasiecznyk nach Fertigstellung der
Vorzeichnung der meistens ein Raster zugrunde
liegt nichts mehr an der Komposition eines Bildes
verändert, wirken seine Bilder derart beklemmend
und statisch keine Bewegung, kein Laut, sondern
ein schweigender klinischer Raum, in dem sich ein
Operationstisch, eine Nähmaschine und ein Regen-
schirm zufällig treffen.
lch schiebe die Prothese des Kopfes, die Puppe vor,
ich schiebe sie vor mich." Der Mensch wird zur
Puppe, der Kopf wird zum Träger der Perücke. Die
Puppe ist die Prothese des Menschen. Pasiecznyk
schiebt in allen seinen Bildern etwas vor Er gibt
einem Gegenstand die Funktion eines anderen
Gegenstandes und setzt diesen Gegenstand in
einen Raum
Aufgabe eines Betrachters ist es nun, die
abstrahierten SvmbolefGegenständefVersatzstücke
zu identifizieren" und sie in seine eigene Sprache
zu übersetzen"; nur so kann er Pasiecznyks Bilder
verstehen.
Manfred Chobot
Aktuelles Kunstgeschehen Österreich
Wien
Galerie Schottenring
Hannes Haslecker. Ludwig Merwart
Österreichs bildende Kunst wird im allgemeinen zu
eng und einseitig gesehen. Ein Fixieren auf wenige
Gruppen, populäre Namen und Stilrichtungen
erweist sich dabei ebenso als Fehler wie ein falsches
strukturelles Einengen, das schon längst nicht
mehr den Gegebenheiten entspricht und die
insgesamt feststellbare Dynamik der künstlerischen
Gesamtentwicklung leugnet.
Die beiden Künstler, die von der Galerie
Schottenring der Ersten österreichischen Spar-Casse
zum Auftakt der Saison 74l75 vorgestellt wurden,
vertreten weder die modische noch die sonderlich
gefragte Seite der Plastik und Malerei in unserem
Land. Beide gelten auch bis zu einem gewissen
Grad als Außenseiter. Sie zählen zur Generation
über Fünfzig und können auf eine durch Haltung
sich auszeichnende Geradlinigkeit und logische
Fortentwicklung ihres Schaffens verweisen, um
die sie nicht wenige ihrer prominenten Alters-
genossen beneiden müßten. Die künstlerischen
Steigerungen 'der letzten Jahre lassen es zu, daß
man das Werk beider zumindest der vergleichbaren
Spitze in Österreich eingliedert. Die Basis einer
sinnvollen Vergleichbarkeit der gezeigten neuen
Kollektionen wird durch das beiden Künstlern
gemeinsame Bemühen um formale Reduktion,
Ausgewogenheit und Materialadäquanz unter-
strichen. Hasleckers Steine fungieren gleichsam als
Ruhepole inmitten einer hektischen Umwelt.
Sie sind Aufrufe zur Stille, haptisch und ästhetisch
anspruchsvoll, überlegt gegliedert und bei aller
Ausgewogenheit spannungsreich akzentuiert.
Abstraktion steht hier für Wesentliches und
Wesenhaftes, getragen durch die sensible Balance
von Ahnung und Aussprechen.
Ebenso wie der Oberösterreicher ist auch der
Wiener Merwart ein Künstler der Stille, Ordnung
und einer deutlich hervortretenden Harmonie.
Sein geometrisch bestimmter Bildkosmos ist das
Resultat einer überaus konsequenten Entwicklung,
die, ausgehend vom Tachismus, über ein vergleichs-
weise beruhigtes lnformel zur Abstraktion im
Sinne des Konstruktivismus gelangte. Merwart
unterstreicht innerhalb formaler Ordnungsprinzipien
seine außerordentliche malerische Sensibilität.
In seinen mit Hilfe von nahezu unbeschränkt
variierbaren Elementplatten gedruckten Eisen-
ätzungen treffen schöpferisches Vermögen und
beherrschtes Handwerk kongenial aufeinander.
2. 10.-16. n. 19741- Abb. 1,2
Museum des 20. Jahrhunderts
Franz Ringel
Seit längerem geplant, wurde die umfassende und
beeindruckende Persanalausstellung des 1940
geborenen Grazers nunmehr mit voller Berechtigung
verwirklicht. Was der vormals den Wirklichkeiten"
angehörende Künstler zeigte, war durch die Bank
qualifätsvoll ausgewählt und auch im Verhältnis
von großen zu kleineren und mittleren Formaten
auf echte Steigerungen im Gesamtzusammenhang
der Schau bedacht. Rein künstlerisch gesehen, lößt
sich den existentiellen Gleichnissen dieses hart
und offen agierenden Expressionisten auch von
seiten der Interpretation nichts Neues hinzufügen.
Was er zeigt, ist nun einmal nur eine Seite,
nur eine Variante der Aufdeckung menschlicher
Zustände und Ängste. Ringel stellt den Menschen
als sexuelles Monster dar, als gleichsam unschuldig
Schuldigen seiner ebenso zum Normalen" wie
zur Perversion" neigenden Begierden und
körperlichen Abhängigkeiten. So extrem auch für
viele die schockierende Offenheit des Künstlers sein
mag, sie ist wahr und berechtigt. Die Eigenwilligkeit
und Kraft der bildnerischen Umsetzung gehen
mit dem Anliegen konform und sichern Ringel
seinen Stellenwert. Ob Ringel aus seiner
gegenwärtigen Position heraus allerdings tragfähige
Aspekte einer echten Aussageerweiterung und
Weiterentwicklung gewinnen kann, sdneint iedoch
zumindest momentan fraglich.
August-September 1974 Abb.
66
Galerie Brandstätter
Wolfgang Herzig
Ulbilder, Gouachen und einige Zeichnungen aus
den Jahren 1972 bis 1974 präsentierte die neuerdings
sehr aktive Galerie. Ihr programmatischer
Schwerpunkt liegt erfreulicherweise bei der
iungen österreichischen Kunst, wobei man
gegenstondsarientierte Maler und Graphiker
bevorzugt. In penibler Malweise, mit Sinn für
Humor und erträglichem Sarkasmus entwirft
Herzig Szenen des heutigen Alltags. Er holt sidi
seine Anregungen aus der nächsten Umgebung,
aus der Gegend des Naschmarkts, dem Espresso
Girardi" und dem Gänsehäufel. Verglichen mit
dem harten Analytiker Ringel, bleiben die
Ambitionen seines Kollegen freilich eher amüsante
Oberflächenschilderungen.
15. 10.-11. 11. 1974 Abb.
Galerie am Graben
Schmuck aus Stahl
Nach Kapfenberg, Nürnberg Albrecht-Dürer-
Gesellschaft und Linz Neue Galerie landete die
von Peter Skubic mit beträchtlichem Einsatz
organisierte Wanderausstellung nunmehr in der
attraktiven Wiener Galerie am Graben. Die
Schau konfrantierte mit annähernd achtzig Beispielen
aus Stahl und Edelstahl, den Ergebnissen eines
Sympasions, das von Böhler, VUEST-Alpine und
Sdioeller-Bleckmann, den führenden österreichischen
Konzernen der stahlerzeugenden und werarbeiten-
den Industrie, gesponsert wurde. 17 Designer aus
sechs Nationen nahmen daran teil. Einer der
wichtigsten Aspekte der Veranstaltung lag in der
angestrebten Strukturerweiterung und infrage-
stellung des Begriffes und der bisherigen Resultate
Schmuck". Die dem Experiment offenen Ergebnisse
hinterließen einen befriedigenden Gesamteindruck.
Sie stammten von den Holländern Emmy van
Leersum und Giis Bakker, Anton Cepka CSSR,
Otto Künzli und Cornelia Rating BRD, Helge
Larsen AUS, Elisabeth Räthlisberger CH und
den Österreichern Brigitte Haubenhofer, Fritz
Maierhofer, Gert Mosettig, Werner Schmeiser,
Sepp Schmälzer, Peter Skubic, Leonhard Stramitz,
Josef Symon sowie Waltrud und Arthur Viehböck.
23. 9.-12. 10. 1974 Abb.
Stadtmuseum Linz
lmage Linz"
In einer begrüßenswerten und richtig durchdachten
Aktion setzte sich der Kiwanis-Club der
oberästerreichischen Landeshauptstadt diesmal für
ein künstlerisches Anliegen ein. Der von ihm
ausgeschriebene Wettbewerb lmage Linz" hatte
bei Preisen von insgesamt 60.000 Schilling eine
Einreichung von 214 Exponaten von 111 Künstlern
aus nahezu allen österreichischen Bundesländern
zur Folge. Die überregionale Jury sie traf auch
die Auswahl der rund B0 Arbeiten für die
Ausstellung vergab die Preise an Franz Zadrazil
1. Preis zu 25.000 Schilling. Herbert Friedl 2. Preis
zu 15.000 Schilling, Hans Werner Jascha 3. Preis
zu 10.000 Schilling und vier gleichdotierte Preise
zu 2500 Schilling Wolfgang Denk, Peter Sengl,
Johannes Wanke und Gerhard Weigl. In Anbetracht
der engen thematischen Ausrichtung des
Wettbewerbes darf das Ergebnis in seiner Spitze
als überraschend gut bewertet werden. Dies gilt
auch hinsichtlich der Werke einiger nicht mit
Preisen ausgezeichneter Künstler, unter ihnen Meina
Schellander und Bertram Castell.
OktoberlNovembor 1974 Abb. 6-9. Peter Baum
Salzburg
Museumspavillon
Herbert Boeckl
In der vom Kulturamt der Stadt Salzburg
veranstalteten Ausstellung wurde eine Auswahl von
Boeckls Zeichnungen und Aquarellen gezeigt,
die dann auch in Graz und Eisenstadt zu sehen sein
wird. Hofrat Koschatzky hat in seiner Eröffnungs-
ansprache darauf hingewiesen, daß es zwar
Ablehnung aus Intoleranz und Unwissenheit
woanders auch zur Genüge gäbe, das Schlimmste
aber ist die Gleichgültigkeit". Beispiel dafür
möge der große Gobelin sein, den Boeckl auf
Anregung Holzmeisters für das neue Salzburger
Festspielhaus geschaffen hatte und der in einem
dunklen kleinen Gang der Stunde seiner
entsprechenden Anbringung horrt. Abb. 10
Galerie Welz und Museum Carolino
Augusteum
Giacomo Manzü
Nach den Präsentationen der Werke Manzüs bei
Welz in den Jahren 1954,1955,1953, 1959,1960
und 1966 braucht man den Hausitaliener der
Salzburger" so erst iüngst ein österreichisches
Boulevardmagazin hier wohl nicht mehr
vorzustellen. Über Manzüs Tänzerinnen und
Kardinäle, über seine Darstellungen glutvollen,
sinnlichen Lebens wie über die Meditationen über
das Jenseitige und die letzten Dinge des Seins,
über sie mögen mißverstehende Fortschrittsfanatiker
von erotischen Gefälligkeiten sprechen oder von
katholischem Kitsch. Diese Vertreter eines
schönheitstrunkenen Menschengeschlechts werden
wohl bleibendes Zeugnis sein von einem
arbeitsreichen Bildhauerleben. Ob man dies aber
von Manzüs kunstgewerblichen Arbeiten wie dem
kleinen silbernen Sesselchen auch sagen wird,
bleibe dahingestellt. Abb. 11
Galerie Pointner
Franco Fonatti
Die durch den Salzburger Architekten Alfred Pointner
gegründete Ateliergalerie in der Nonntaler
Hauptstraße 20 wird ihr Schwergewicht auf den
Ausdrucksformen zeitgenössischer europäischer
Architekten haben. Für den 32iährigen Architekten
Franco Fonatti ist bauen heute nicht bauen mit
dem Gedankengut van gestern, für ihn ist bauen
heute bauen für die Zukunft. Man kann Fonattis
Städteproiekte als gebaute Landschaft im wahrsten
Sinne des Wortes bezeichnen. Als ge-baute
Landschaft also, nidit als ver-baute. Gewiß steht
Fonatti in der Tradition italienischer Architektur-
visionen, auch seine Phantastik bleibt formulierbar,
denkbar, klar. Für ihn sind, wie er selbst mitteilt,
organische Wachstumsvorgänge, wie manche
Vorgänge im Knochenbau, Ausgangspunkte
grundsätzlicher Überlegungen.
Kunstverein
Traditionsgemäß veranstalten auch heuer die
Internationale Sommerakademie für bildende Kunst
und der Salzburger Kunstverein Ausstellungen von
Werken iener Künstler, die 1974 zum ersten Male
in Meisterklassen dieser Akademie unterrichteten.
Francesco Somaini, 1926 in Lomazzo Como
geboren, ist sich längst darüber im klaren, daß
Bildhauerei und Architektur durch wechselseitige
Beziehungen miteinander verbunden und nicht als
einzelne Kunstgattungen" getrennt aufzufassen
sind. Somaini bewies mit den in dieser Ausstellung
gezeigten Werken wie auch mit seinem 1972
erschienenen Buch Urgenza nella citta" Verlag
Mazzotto, Mailand, daß die historische wie soziale
Institution der Stadt nicht verfallen ist, daß die
Stadt ein historisches Größenverhältnis bewahrt,
wobei die Anteilnahme der Künstler nicht nur
möglich, sondern dringend und notwendig ist.
Das Interesse des 1924 in Trbovlie geborenen Malers
Joie Ciuha galt sdton früh der Byzantinistik und
den Kulturen des Ostens, auch buddhistischer Kunst
und den indianischen Zivilisationen in Südamerika.
Diese Vorliebe verbindet sich in Ciuha mit der
Phantastik seiner Träume, mit Farben von großer
und satter Schönheit; seine lkonen" aus Costada
und Surrealismus durchsetzen unsere Wirklichkeit
mit eigenwilligen Visionen. Franz Wagner
Maximilian von Mexiko
Ausstellung auf Burg Hardegg
Mai bis November 1974
Johann Carl Fürst Khevenhüller-Metsch 1839-1905
hat in seinen Tagebüchern wertvolle Aufzeichnungen
über seinen Dienst beim österreichischen
folge 1-1
nnes Haslecker, Sminplustik, Jugoslawischer Kalk, W74
Ludwig Msrwori beim Hängen seiner Aussbellung
Franz Ringel, Zeichnung, 1974
lolfgung Herzig, Badende
Peter Skubic, Elementplastik, 1974
Pever Sengl, Hommage 1974 Anlon Brudmer". UllLwd.
uns Werner Jusdua, Image Linz", Gruphilzeicänung xVolfxgärlwg Denk, Herzliche Grüße aus dem Donuufal. Franzklndruzil, ln Linz bei leidnem Südwind", Misch-
cry- Oechni
erben Boeckl, Erzberg, 1945. Tusche 11 Gwclcumu Munzü, Mädchen. Bronze "I2 Sduloßuufriß, Maximilian-Ausstellung, HcrdegglNU
67
Aktuelles Kunstgeschehen Österreich
Freiwilligenkorps in Mexiko hinterlassen. Auf ihn
ging auch später die Idee der Errichtung einer
Gedächtniskapelle an der Stätte der Erschießung
von Kaiser Maximilian zurück. Unter Fürst
Khevenhüllers Besitzungen befand sich auch die
Burg Hardegg in Niederösterreich, die er seit 1878
nach Plänen von Humbert Walcher Ritter von
Moltheim, dem maßgeblichen Architekten des
romantischen Wiederaufbaues der Burg
Kreuzenstein, restaurieren und ausbauen ließ; der
Tod des Fürsten verhinderte die Vollendung.
In einem Raum iedoch, der 1945, nach Kriegsende,
geplündert wurde, waren Andenken an Kaiser
Maximilian von Mexiko ausgestellt.
Nach einer Idee Wilfried Enzenhofers wurde nun
eine von der Stadtgemeinde Hardegg an der Thaya
veranstaltete Ausstellung auf der Burg geschaffen,
welche vielfältige Aspekte zur Persönlichkeit von
Kaiser Maximilian und zu historischen Begleit-
umständen dokumentiert; so etwa die Reisen des
Erzherzogs, sein Wirken als Generalgouverneur
von Lombarda-Venetien, seine schöpferische
Beziehung zur bildenden Kunst, die mexikanische
Unternehmung, die Verbindung zum Hause
Khevenhüller-Metsch.
Es kann hier nur auf einige Exponate hingewiesen
werden, die bedeutsam sind und teilweise der
Uffentlichkeit überhaupt nicht bekannt waren.
So stellte das Bildarchiv der Nationalbibliothek
zwei Ulstudien von der Hand des iungen
Erzherzogs zur Verfügung. Aus dem Heeres-
geschichtlichen Museum und der Österreichischen
Galerie stammen Werke Josef Sellenys von den
Reisen des Erzherzogs in Aquarell und Bleistift,
aus dem Historischen Museum der Stadt Wien
kommt ein sehr gutes Ulgemälde desselben Malers.
Wichtig auch die Reproduktionen nach Zeichnungen
Julius Hofmanns in der Albertina verwahrt für
nicht ausgeführte Schloß- und Villenproiekte des
Kaisers in Mexiko; Julius Hofmann hatte die
Innenausstattung von Miramar bei Triest, dem
romantischen Schloß des damaligen Erzherzogs
Maximilian, geschaffen und war auch wesentlich an
den Schlössern Ludwigs ll. von Bayern beteiligt.
Eine Leihgabe des Österreichischen Museums für
Volkskunde, die geeignet scheint, zum Nachdenken
über angeblichen Kitsch" anzuregen, ist eine
Wachsbossierung des Kaisers als Leiche im Sarg
nach dem Typus des im Grabe liegenden Christus.
Von dem winzigen Obiekt geht eine makabre
Eindringlichkeit aus, eine schwer definierbare
mystische Stimmung.
Der ausführlich bebilderte Katalog erhält dauernde
Benützbarkeit durch wichtige Abhandlungen über
Aspekte der Ausstellung. Abb. 12 Klaus Eggert
Tirol
Innsbruck Galerie im Taxispalais
Alfred Kubin
Anläßlich des zehniährigen Bestehens der Galerie
zeigte man im Rahmen der Sonderausstellungen
diesen Klassiker der österreichischen Moderne.
57 Blätter aus dem Teil des Nachlasses, der sich
in dem oberösterreichischen Landesmuseum Linz
befindet, wurden aus 3500 Arbeiten ausgewählt. Es
handelt sich durchwegs um frühe Graphiken,
zwischen 1900 und 1920 entstanden. Eine Ausstellung
späterer Arbeiten soll folgen. Es waren wichtige
und gute, bekannte und weniger bekannte Blätter
zu sehen. Die Auswahl, von Paul Flora und Wilfried
Kirschl besorgt, war des Jubiläumsiahres würdig.
Ein guter Katalog mit einem Vorwart von Wieland
Schmied, einer Zeittafel, einer Bibliographie und
vielen Bildwiedergaben ergänzte die Schau.
2. 7.-1. 9. 1974 Abb. 13
Galerie Krinzinger
Tantra
Es handelt sich um eine von einer indischen
Religiansform entwickelte bildliche Äußerung, die
gerade heute auch in unserem Lebensraum
Interesse findet. 17. 8.-28. 9. 1974 Abb. 14
Kärnten
Villach Galerie an der Stadtmauer
Alois Riedl
68
Der Maler hat sich auf einen kleinen Sektor der
motivischen Auswahl beschränkt das Sitzmöbel.
Hier wieder wird oft nur im Ausschnitt ein
Liniengefüge gebracht, das dann eine starke
Spannung aufweist. Die Farben der Olbilder sind
fast durchwegs zurückhaltend und haben oft etwas
Melanchalisches, dabei doch immer wieder
Anziehendes 18. 7.-2. B. 1974 Abb. 15
Hans Muhr
Der Bildhauer bot einen kleinen Querschnitt
Bronzen, Holz- und Steinskulpturen. Man konnte
vergleichend einen Willen zur Verdichtung und
Signalhaftigkeit feststellen. Die Steine werden
zusehends strenger, sie haben aber wieder deutlich
menschliche Bezüge 7. B.-5. 9. 1974 Abb. 16
Villach RathauslParacelsussaal
Georg Pevetz
Gedächtnisausstellung für den 1971 gestorbenen
Künstler, der lange Zeit in Villach wirkte und der
in den zwanziger Jahren mit dem Nötscher
Malerkreis in Verbindung war. Es waren Aquarelle,
Gouachen, Tusche- und Kohlezeichnungen sowie
Pastelle zu sehen. Pevetz war ein überaus fleißiger
Maler, der vom Expressionismus herkam, schließlich
aber, trotz einiger Vorstöße, über einmal
erarbeitete Möglichkeiten nicht hinausging.
4.-20. 7. 1974
Steiermark
Graz Neue Galerie
Weiler, Wickenburg, Wotruba
Zeichnungen aus den letzten drei Jahren. Drei
Personen, drei Persönlichkeiten, drei Temperamente.
Max Weiler, 45 Exponate. Versponnen, bewegt,
locker und zierlich auch bei großen Formaten.
Alfred Wickenburg, 52 Exponate. Kräftig, hinter-
gründig, schwer, dicht und kompakt auch in kleinen
Blättern. Fritz Wotruba, 38 Exponate. Freie
Graphiken, Studien und Werkzeichnungen, aus
denen überall der Bildhauer spricht. 4.-2B. 4. 1974
Aspekte der Landschaft
Wolfgang Böhm, H. G. Leitner, Hans Praetterhoffer,
Peter Rataitz, Wolfgang Walkensteiner, Reimo
S. Wukounig stellen Bilder, die mit dem Thema
Landschaft in Zusammenhang sind, aus. Es ist eine
ganz neue Sicht und fast immer eine Landschaft
ohne den Menschen und doch fast ausschließlich
mit Zeugnissen des Daseins dieses Menschen.
Freilich bestürzend und bedrüdrend, fern ieder
Idylle. Am stärksten in der Aussage Wokounig.
9. 5.-2. 6. 1974 Abb. 17
Johannes ltten Der Unterricht
Grundlage der Kunsterziehung war der Untertitel
der Schau, die fast 200 Exponate zeigte. Es handelt
sich dabei fast ausschließlich um Arbeiten
verschiedener Schüler lttens. Eine lebendige
Begegnung mit der Lehre lttens. Guter Katalog mit
Beispielen und Aufsätzen. 22. B.-29. 9. 1974
Graz Gan galerie im Rathaus
Karl Anton eck
Zeichnungen, teils mit Farbe; Akte, Porträts,
Landschaften, Selbstverfremdungen und Themen
allgemeiner Art. Aussparungen und Reduzierungen
auf Wesentliches, aber auch Verzerrungen und
Übertreibungen, um Spezielles herauszustreichen.
Die 30 Exponate, durchwegs großen Formats,
zeigen einen einprägsamen Querschnitt und
beweisen einmal mehr, daß gerade auf graphischem
Gebiet Österreich reich an großen Begabungen ist.
12. 9.-11. 10. 1974 Abb. 1B
Oberösterreich
Linz Neue Galerie
Schmuck aus Stahl
Die Schau ist Resultat des von Peter Skubic
initiierten Schmuck-Symposions". Berichte Heft
Nr. 125, 1361137 27. B.-14. 9. 1974
Aspekte der Düsseldorfer Kunstszene
Van acht bzw. neun bekannten iungen deutschen
Künstlern werden hier erstmals in Österreich Werke
gezeigt. Monika Boumgartls Fotos wollen uns die
Erfahrung Zeit bringen. Bernd und Hilla Becher
machen uns diese funktionelle Welt bewußt.
Rupprecht Geiger und Karl Gerstner arbeiten allein
mit Farbe. Erwin Heerichs konstruktive Strenge
öffnet Flächen zu Räumen. Heinz Mack zeigt
Lichtstellen und Klaus Rinke Positionsvergleiche,
Günther Ueckers Hauptgestallungsmaterial sind
lange Nägel, mit denen er verschiedene
Gegenstände verfremdet. Ein sehr ansehnlicher
Katalog begleitet die Schau.
24. 9.-19. 10. 1974 Abb. 19
Stadtmuseum Linz im Nordico
Anton Watzl
Anläßlich der Deutschen Woche wurden 60 Porträt-
Zeichnungen, Stadtansichten von Berlin, Hamburg,
München und Nürnberg von dem bekannten Linzer
Graphiker und Maler siehe amk-Künstlerprofile,
Heft Nr. 135 gezeigt. 13. 9.-13. 10. 1974
Niederösterreich
Wiener Neustadt Galerie
Österreichische Phantasten
Hier wird versucht, den Kreis der Österreichischen
Phantasten zu erweitern, und zwar nicht, indem
weniger bekannte oder begabte zu den vier oder
fünf Hauptvertretern dazugenommen werden,
sondern indem Vertreter anderer Richtung dafür
reklamiert werden. Es waren also neben den
bekannten Phantasten" auch Karl Karab und
Arnulf Rainer, aber auch Alfred Hrdlicka, Wolfgang
Herzig und Heinz Stangl vertreten. 7. 9.-12. 10. 1974
Brunn am Gebirge Gliedererhof
8. Internationales Keramikersymposion
Teilnehmer aus Rumänien, Schweiz, Japan, Israel
und Österreich zeigten ihre in den Ziegelwerken
der Fa. Wienerberger entstandenen Keramiken.
Rohstoff war das industriell vorgeformte
Grundelement Ziegel. Es entstanden Reliefs,
Freiplastiken, Raumgestaltungen. Der Leiter Kurt
Spurey sagt dazu Mit diesem Symposion wurde
ein neuer Schritt getan, um die Annäherung von
Architekt und Künstler voranzutreiben." Gerade in
dieser Richtung könnte man sich eine Auswertung
der Anregungen der Schweizerin Defraoui, von
den Österreichern Spurey und Höffinger vorstellen.
1. 8.-13. 10. 1974 Abb. 20
Scheibbs Rathaus
Josef Schagerl
27 Metallplastiken, meist Messing, doch auch
Chromnickelstahl, manche mit Silber- und Gold-
auflagen. Präzise Arbeiten. Die vom Technischen
geprägten Obiekte strahlen bei aller Dynamik eine
große Ruhe und ästhetische Ordnung aus. Die
reiche Auswahl von Arbeiten der letzten Jahre
zeigte, wie konzentriert und selbstkritisch der
Künstler arbeitet. 13. 7.-4. 8. 1974 Abb. 21
Eichgraben Galerie im Speisesaal
Eine interessante neue Galerie mit einem neuen
Publikum. Als erste Ausstellung lsolde Jurina,
Collagen, Lathar Bruckmeier, Zeichnungen, Lucia
Keller, Aquarelle, und Fritz Laderer, Materialdrucke
B. 6.-30. 6. 1974. Es folgte Rudolf Haybach mit
Adria-Impressionen, Malereien und Graphiken
11. 8.-4. 9. 1974 Abb. 22
Burgenland
Eisenstadt Landesgalerie Schloß Esterhazy
Franz Erntl
Malerei und Graphik aus den Jahren 1928-1974.
Bei Wahrung des Gegenstandes können wir eine
immer freiere Auflösung in Licht und Abstufungen
in zarte Farbnuancen feststellen. Die 60 Bilder
beweisen, daß hier ein meisterhaftes Empfinden
eine diesem entsprechende Ausdrucksform gefunden
hat 11. 10.-20. 10. 1974 Abb. 23
Unterrobnitz
Rabnitzer Malerwochen
Zum vierten Male fanden im Rabnitztal Malerwochen
statt. Es nahmen heuer Rudolf Klaudus, Harro
Pirdi, Hilde Uccusic und Franz Vass teil. Ein
erfreuliches Ergebnis. 26.49. 7. 1974 Abb. 24
Alois Vogel
folge 3-24
wwspq QM
lfred Kubin, Fee, um 1900. Feder, lovien, gespritzt Tnmrcmalerel
15 Alois Riedl, Sofa, Zeidmung
17 Reimo s. Wukcunig, Monument im Anne-Frunk-Annu
e. Rosa Luxemburg w. collranerden zögling er-es-
we-einen
20 Gedulc Ogenllsruel 8. lmernuhnrißlcs Keramik- 21 Josef Schugerl, Conlru vcndilum meder", Chrom-
symposion Brunn am GebirgelNü nickelsvuhl, 1973174
uleria im Speisesaal. EidlgrubenlNiederöslerreidu
23 Franz Emil, Landschaft
24 Harro Pirch, Landschaft
Notizen
Aachen Aus der Neuen Galerie
Podiumsdiskussion am 27. September 1974 Die
documenta 511972 und ihr Einfluß auf die aktuelle
Kunst". Harald Szeemann, Generalsekretär der
documenta und Bazon Brock, deren Architekt mit
ungewöhnlichem Gestaltungskonzept, hatten als
Widerpart Wieland Schmied. Diskussionsleiter war
Dr. Becker. Ausgangspunkt der Veranstaltung
die These, inwieweit große internationale Aus-
stellungen die Entwicklung der Kunst beeinflussen
können, weil umfangreiches Material dabei
geordnet, gruppiert und stilbezeichnet wird.
Das immer wieder auftretende Risiko solchen
Einflusses sollte aufgezeigt werden, das entweder
einen zeitlichen Querschnitt einseitig bewertet oder
eine kunstgeographische Beschränkung mit sich
bringt. Ein äußerst heißes Eisen also, das da
anzufassen war.
Wir stellen vor Schule der Neuen Prächtigkeit".
Vier Berliner Maler, Bluth, Grützke, Koeppel, Ziegler,
kommen mit einem Dialogmanifest. Vorgang Sie
stellen ihre Bilder auf und rezitieren gleichzeitig eine
Textkomposition, gespickt ieweils mit ihren künst-
lerischen und gesellschaftspolitischen Interessen. Wer
da meint, daß das an Moritatensänger auf Jahrmärk-
ten erinnert, sollte indes glauben, daß diese Form der
Iuvre-Repräsentation tatsächlich neu sei. In zwei
Stunden, von 20-22 Uhr, an einem Samstag,
dem 12. Oktober, geschah solches in Aachen.
Kunstfrühschoppen, 13. Oktober 1974. Künstler und
Kunstinteressierter heben zum gemeinsamen Wohle
die Molle? Nun denn, Kunst wirft immer Fragen
auf. Darüber reden können, bringt besseres
Verständnis auf beiden Seiten. Dr. Becker will den
Kunstfrühsdtoppen fest etablieren. Dazu gibt's
neuerdings ein Restaurantl Glückliches Aachen!
Berlin Heinrich Richter
Vom 16. September-W. November 1974 zeigte die
Galerie Nierendarf Gemälde, Aquarelle, Zeich-
nungen und Graphiken von Heinrich Richter, Berlin.
Das Ausstellungsplakat Pärchen" ist in der
immer seltener angewendeten Technik des Original-
linolschnittes ausgeführt. Abb. 25
Brüssel Delmotte
In der Avenue Louise 62 gibt's die Galerie Isy
Bradiot. Im September dieses Jahres präsentierte
man hier das Werk von Marcel Delmotte.
Der Künstler im avant-propos L'art est la
transfiguration des choses par Ia magie de la
sensation. La tronsfiguratian est d'autant plus forte
que notre emotion est intense." Delmottes
Surrealismus wird zum Ritual und erfaßt alle Themen
des Universums, reicht bis zum vorauszusehenden
Untergang des Menschen, aspektiert van einem
durchgängigen Wurzelmanierismus als tragende
Bildsymbolisierung. Abb. 26
Cleveland Neuerwerbung des
Art-Museums
Ohios Cleveland Museum of Art mit seinem
Direktor Sherman E. Lee konnte das importante
Werk, hl. Katharina, des deutschen Meisters
des 16. Jahrhunderts Matthias Grünewald erwerben.
Am 17. September d. J. wurde es den Besuchern
des Museums als ein Gemälde von exzeptioneller
Individualität zum erstenmal nach über 300 Jahren
in der Early German and Flemish Paintings
gallery" präsentiert. Abb. 27
Düsseldorf Neu Galerie La Bertesca
In einem alten Haus am Rhein richtete sich die in
Genua und Mailand beheimatete Galerie La
Bertesca" ihre dritte Niederlassung ein. Zehn
Räume und 400 Quadratmeter sind italienischer
Stützpunkt des Galeristen Francesco Masnata,
der hier mit allerlei Aktivitäten die kontemporäre
internationale Kunstszene und die Italiens publik
machen will. Eine Eräffnungsausstellung zeigte
Werke u. a. von Adami, Boetti, Costa, Darboven,
Erben, Flavin, Girke, Judd, Kosuth, Le Witt Noland,
Ongaro, Poons, Roth, Simonetti, Twombly, Vostell,
Warhol bis Zeniuk.
70
DresdenlWien OKZ Museen der Welt
Zyklus
Im Usterreichischen Kulturzentrum, Gem-Sekr.
Prof. Herbert Gaisbauer, fand am 26. September
1974 ein Lichtbildervortrag anläßlich eines stolzen
Jubiläums statt. Im Zyklus Museen der Welt stellen
sich vor" sprach Dr. Joachim Menzhausen,
Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden,
über die Neueinrichtung der Sächsischen Schatz-
kammer Grünes Gewölbe anläßlich ihres
250. Gründungstages.
FrankfurtlM. Thonet-Ausstellung
Hilmar Hoffmann, Kulturdezernent der Stadt, und
Dr. Annaliese Ohm vorn Museum für Kunsthandwerk
Frankfurt luden zu einer Ausstellung von
Bugholzmöbeln des alteingesessenen Wiener
Hauses Thonet aus der Zeit von 1830 bis 1974.
Wer heute in der Wiener Innenstadt am neuen
Haus Thonet vorüberkommt, wird immer wieder
zwischen den Neuschöpfungen der Gegenwart die
Alt-, ia fast Uraltmodelle dieses Weltruhm
besitzenden Unternehmens erblicken. Beweis dessen,
daß ein in seiner Form und Funktion optimales
Obiekt die Zeiten überdauern kann und das heute
wir erlebten dasselbe bei der Shaker-Präsentation
in ieder Beziehung praktikabel und ein
Nonplusultra in seiner Art bleibt. Thonets
ewigiunge Renaissance hält unvermindert an.
Esslingen Aus der Künstlergilde
Als Mitveranstalter fungierte die hiesige Künstler-
gilde bei einer Dokumentation des architektonischen
Werkes des Wiener Otto-Wagner-Schülers
Joseph Maria Olbrich im Düsseldorfer Haus des
deutschen Ostens im Oktober I. J. und einer Schau
des liebenswerten österreichischen Malerpoeten
Oskar Laske, der in Bildern, Aquarellen, Zeichnun-
gen, Druckgraphik, Bühnenbildentwürfen sowie
Buchillustrationen seine Universalität in der
Regensburger Ostdeutschen Galerie von ietzt,
5. Dezember 1974, noch bis zum 19. Jänner1975
unter Beweis stellt. Siehe auch unser Laske-Beitrag
in diesem Heft, S. 60l
lllinoislWien University Art
Unter dem Titel University Art. Moderne Grafik
USA" zeigte die Grafik-Ausstellung der University
of lllinois Leiter Prof. Dennis Rowan Arbeiten
ihrer Schüler aus dem Jahre 1973. Mit diesen
Arbeiten zugleich wird auf die Anerkennung
hingewiesen, die eine Universität durch Einsatz
vortrefflicher Lehrer und modernst eingerichteter
Studios erwirkt hat.
Amerikahaus, 17.-31. Oktober 1974.
Lausanne Louis Soutter
Ausgangspunkt einer größeren Tournee einer
Werkauswahl des Schweizer Malers Louis Soutter
ist das im hiesigen Palais de Rumine etablierte
Musee Cantonal des Beaux Arts. Der 1871 geborene
Künstler, Vertreter der L'Art Brut, wurzelt im
psychopathologischen" Bereich. Le Corbusier in
seinem Buch über Soutter Ces dessins sont.
Voila l'homme!" Die Exhibition wird, aus Basel
kommend, im März 1975 im Wiener Künstlerhaus,
im April anschließend im Kulturhaus Graz und
darnadi in den Städten Ulm, Bochum, Gent, Turin,
Mailand, Bologna, Paris, Madrid und Winterthur
anlaufen. Abb. 2B
London Henry Moore bei Gibson
Thomas H. Gibson, Direktor der gleichnamigen
Gallery, arbeitete mit Henry Moores Sekretär David
Mitchinson und Alan Wilkinson, Kurator des
Moore-Centres, Toronto, an einer Abfassung eines
Kataloges über Zeichnungen und Aquarelle
Henry Moores. Im August war in der New Bond
Street 9a unter anderem des Künstlers Mother
and Child with Bath", 1946, zu sehen. Abb. 29
MarylandfWien Tadeusz Lapinski
Ein Künstler, der seit 25 Jahren nur lithographiert,
ist eine Seltenheit. Einer, der nach diesen 25 Jahren
erklärt, daß seine Leidenschaft, anstatt nachzu-
lassen, eher noch stärker geworden ist, kann nur
von echter Liebe zum Medium getrieben sein.
Er gilt demnach wahrscheinlich zu Recht als der
erste Farblithograph der Welt. Raritäten sind daher
auch seine oft löfärbigen Arbeiten, die er mühevoll
selber druckt. 1928 bei Warschau geboren,
nach Akodemiestudium selbst Professor, lebt
Lapinski nach Lehraufträgen in Warschau, Paris,
New York und Porto Alegre heute als Amerikaner
an der Universität von Maryland. Der Künstler
kam extra nach Old Europe, um in der Wiener
Galerie Pabst seine neuesten Lithographien zu
zeigen. 23. 10.-16. 11. 1974. Abb. 30
Mönchengladbach Spurey-Porzellon
In der Kunstkammer Ludger Köstenßtlbertusslraße
waren, wie noch der Wiener Ausstellung im
Österreichischen Museum für angewandte Kunst
vorgesehen, vom 10. Oktober-B. November 1974
Kurt und Gerda Spurey mit ihrem Modernen
Porzellan aus Wien" zu Gast.
Nürnberg Aus der Kunsthalle
Bis in den August hinein dauerte eine Ausstellung
des gebürtigen Schlesiers Christian Mischke.
Der Wiener Schule verwandt, Meisterklassengast bei
Hausner in Wien, findet man bei Mischke starke
Affinitäten zum Phantastischen Realismus. Doch ist
er weniger gesellschaftskritisch als seine deutschen
Kollegen, und der Bereich des Absurden wird
nicht so geschichtsbezogen abgetastet, wie dies die
Wiener tun. Mehr romantisch-naturmystisch sind
seine Ansätze.
Ottawa News aus der National Gallery
of Canada
Tagtäglich Betrieb in der Galerie eines riesigen
Landes. Selbst im Sommer ein Reigen von Veran-
staltungen. Daraus hervorgehoben die Shaw des
kanadischen Architekten Moshe Safdie for
everyone garden". Eindrucksvoll daraus das
Modell Western Wall Square, Jerusalem",
das in seiner Anlage bestechend wirkt Vision eines
befriedeten Nahen Ostens. Eine Walker-Evans-
Ausstellung, Photographie, City-Series, Galleryv
Talks, Children's-Programme, Visitor-lntroductions,
Films Taurs, Education-Services Der Aktivitäten
kein Ende! Das kann ein Publikum binden! Abb. 31
Paris Reunion des Musees nationoux
Über die Universite de Paris und das Institut
Francais de Vienne kam uns Nachricht über
Veranstaltungen in den Musees nationoux zu.
Vom 21. September-24. November 1974 in den
Galeries Nationales du Grand Palais Centenair
de Vlmpressionisme". 42 Werke der großen Meister
dieser faszinierenden Malerepoche.
20. Juli-14. Oktober 1974 Orangerie des Tuileries
Cezanne dans les Musees nationoux". 31 Werke
des genialen Revolutionärs der Malerei zum
erstenmal im Gesamten dem Publikum freigegeben.
Abb. 32
Regensburg Ostdeutsche Galerie
Mit zwei Ausstellungen wartete man hier im August
und September auf. Heinrich Klumbies Das Neue
Werk und Johannes Molzahn. Ersterer, Professor
in Karlsruhe, liegt mit seinem Schaffen zwischen
dem lnfarmel und dem Konstruktivismus. Der
zweite, ein gebürtiger Duisburger, siedelt vor-
wiegend im Bereich konstruktivistischer, spiritueller
Kunst, im Auslauf religiösen Aspekten unterworfen.
Vaduz Neues Zentrum für Kunst
Ein neues Zentrum für Kunst und Kommunikation
wurde in der ersten Augusthälfte im benachbarten
Fürstentum Liechtenstein eröffnet. Zum Anlaß
erfolgten zwei Vernissagen von Ausstellungen
Paul-Armand Gette, Du Rhin la prairie alpine,
notes et observations sur la principaute du
Liechtenstein" und Villegte.
Leopold Netopll
Bildfolge 25-32
25 Heinrich Richter, LinolschniN
26 Delmone, L'homme devunf le chuos
27 Mallhias Grünewnld um 14701804528, hl.
Katharina,
UllHolz, Clevelund Museum Ar!
29 Henry Moore, Moiher und Child with Bnlh, 1946
VfB-M. 1a
30 Tndeusz A. Lapinski, Neue LHhographie
ndesminisferium für Wissenschaft
Forschung
suchersiafistik der staatlichen
Jseen und Kunstsammlungen
74
Bundesministerium für Wissenschaft
Für den Kunstsammler
Der Kunstmarkt
Bericht über die Kunst- und Anti
in München mit Vorschau auf die
vom 8. bis 14. Mai 1975.
Viel wird gesprochen über Krise und Inflation. Es
ist aber beeindruckend, festzustellen, wie wenig
dieses Krisengerede den Kunst- und Antiquitäten-
handel beeinflußt. Eigentlich gar nicht. Verwunder-
lich im ersten Moment, wo doch gerade der
Kunst- und Antiquitätenhandel bei rezessiven
Tendenzen der Wirtschaft zuerst reagiert hat.
Verständlich wird diese neue Situation, da dem
Käufer die absolute Wertbeständigkeit wertvoller
Obiekte, verbunden mit seriöser Wertsteigerung,
in den letzten Jahrzehnten bewiesen wurde. Die
Wertbeständigkeit hält auch dem Vergleich mit
Vorkriegspreisen stand von einigen Ausnahmen
abgesehen.
Mittelwertige Obiekte zeigen iedoch einen Stillstand
der Preisentwicklung an.
Warum ist qualitätsvolle Kunst relativ unempfindlich
gegen Rezession
1. Wirkliche Qualität brachte nach kritischen
Wirtschaftsphasen immer Wertsteigerung;
2. die interessierte Sammler- und Käuferschicht ist
weiterhin stetig im Wachsen begriffen.
Bewußt oder unbewußt dürfte sich der Handel auf
den Käuferwunsch nach besserer Qualität einstellen
und eingestellt haben. Wie ich auf der Münchner
Messe feststellen konnte, war, van ganz wenigen
Kojen abgesehen, das Anbot weit über dem
Voriahresdurchschnitt.
Hat diese älteste Messe im deutschen Sprachraum
eine Wandlung durchgemacht? Ja und nein, denn
gerade bei einer so großen Messe ist die Gefahr
der Verwässerung im Anbot gegeben. So empfinden
viele Käufer etwas als nicht angebracht das
Nebeneinander von alter und zeitgenössischer
Kunst.
Darum ist gerade der strengen Leitung der Wiener
Kunst- und Antiquitätenmesse zu danken, daß auf
relativ kleinem Raum überschaubar Qualität
angeboten wird. Denn nur die exakte Einhaltung
des gesteckten Rahmens, Qualität vor Quantität,
garantiert wieder eine Messe, die in erster Linie
den Liebhaber alter Kunstobiekte als Kenner und
Sammler anspricht. Trotzdem wird bei der Messe
Mai 1975 das Anbot vielfältig sein denn neben
Möbeln, Bildern, Plastiken und Kleinkunst findet der
Interessierte Glas, Porzellan, Silber und Zinn,
Gabelins und Teppiche. Darüber hinaus wird die
Schmuck- und Jugendstilkoie beibehalten.
Auf vielfachen Wunsch wird die Jungsammler"-
Koie, die 1973 großen Anklang fand, aller
Voraussicht nach in kleinerem, iedoch neuem
Rahmen präsentiert. Auch ist man bestrebt, eine
einheitliche Koie zu schaffen, die mit gehobener
Ware ausgestattet wird. Die Chance des Entdeckens
und Findens ist iedoch nicht nur hier, sondern auf
der ganzen Messe gegeben.
Der spezielle Anreiz dieser Messe liegt nicht nur im
Charme der Aussteller und ihrer Ausgestaltung,
sondern heute noch mehr in der Tatsache, daß sich
diese Wiener Kunstmesse im europäischen
Messekonzert" etabliert hat. Etabliert mit dem Ruf
des hohen Niveaus und relativ günstiger
Preisansätze. Wolfgang A. Siedler
uitätenmesse
esse in Wien
II
Gesehen im Kunsthandel
Madonna mit Kind, Anf. 15. Jh.,
80 cm, alte polychrome Fassung.
Otto Buchinger lnh. J. Karl Pöhlmann,
Antiquitäten, Kleinkunst,
LinzlD, Bethlehemstraße
Tapisserie, Brüsseler Arbeit, 1580-1620,
Parklandschaft mit Gesellschaft und Schloß,
Grundtöne Blau-Grün, 500 300 cm.
Wolfgang A. Siedler, Wiener Kunstsalon,
Wien Spiegelgasse
Das Geheimnis", Wien um 1780. Modell von
A. Grassi, Bossierer Martin Schneider,
eingeritzt; Schneider-Carporal, 25,5 cm.
Ehem. Sammlung Pollack,
Antiquitäten C. Bednarczyk,
Wien Dorotheergasse 12
72
HI. Nepomuk, Sandstein,
Österreich, 1. Hälfte 18. Jh.
Reinhold Hafstätter, Kunst und Kunstgewerbe,
Wien Bräunerstraße 12 und Dorotheergasse 15
Alt-Wiener Deieuner, 1834, in originaler
Lederkassette. Silberarbeit von Stefan
Meyerhofer, Parzellanbemalung von
lgnaz Obenbigler MaL-Nr. 154.
Antiquitäten Herbert Asenbaurn,
Wien Kärnlnerstraße 28
Deckelterrine mit Unterteller von Buntmaler
Johann Streffler Mal.-Nr. 46, 1765-1811,
25,5 cm, 27 crn Teller 38 cm.
Antiquitäten Friedrich Kratschmann,
Wien Spiegelgasse 15
Josef Danhauser, Die Testamentseröffnung",
UllHolz, 96x 112 cm, sign. u. dat. 1844.
Galerie L. T. Neumannllnh. August Eymer,
Wien Kohlmarkt 11lMichaelerplatz
Haydnhaus
Wilhelm Bernatzik 1853-1906,
OllLeinwand, 73 99 cm.
Antiquitäten Josef Winkler,
Wien Seilergasse 14
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Dorotheum Wien
605. Kunstauktion, 17.-20. September 1974
Jacopo di CionelNachfolger, um 1380,
Triptychon Mitteltafel 40 19 cm thronende
Madonna mit zwei Engeln, den Heiligen
Antonius, Abbas und Papst Zacharias; auf den
Flügeln ie 45x 11 cm die Heiligen Katharina
und Magdalena, die Kreuzigung und
Verkündigung. Tempera auf Holz, gepunzter
Goldgrund. Gesamtmaß geöffnet mit Sockel
59,5 46 crn KaL-Nr. 36
Taxe ÖS 120.000.-
Erlös öS 250.000.-
10 Alfred Kubin Leitmeritz 1877-1959 Zwickledt,
Das Antlitz des Tigers", sign. A. Kubin,
Tuschfeder, Aquarell, 19,5 32 cm Kat.-Nr. 363
Taxe öS 35.000.-
Erlös öS 65.000.-
Neumeister KG, vorm. Weinmüller, München
156. Auktion, 23. und 24. Oktober 1974
11 Franz von Defregger 1835-1921, June Bäuerin,
sign. und dat. 1887, ÜllPappelHolz, 52 41 cm
Erlös DM 21 .000.-
12 Max Liebermann 1847-1935, Allee im Sommer,
sign. und rückw. dat. um 1900,
UllLeinwand, 60 72,5 cm
Erlös DM 70.000.-
Kunstauktionshaus Lempertz, Köln
538. Auktion Moderne Kunst, 17. Mai 1974 Nachtrag
13 Maurice de Vlaminck Paris 1876-1958 Rueil-la-
Gadeliere, Paysage D'Hiver, sign. unten links
Vlaminck, Gouache und Deckweiß, Karton,
45 53 cm Kat.-Nr. 564
Taxe DM 32.000.-
Kunsthaus am Museum, Köln
61. Auktion, 16.-19. Oktober 1974
14 Prunkvase, Frankreich, um 1770,
Bronzemantierung, Rasenquarzitmarmor
Taxe DM 7000.-
Erlös DM 13.000.-
Sotheby, London
Auktion vom 2. Oktober 1974
15 Halbhoher Schrank, Frankreich, 3. Viertel 19. Jh.,
Furniere und Marketerie aus verschiedenen
Edelhölzern, vergoldete Bronzebeschläge,
188 cm Kat.-Nr. 178
Erlös Q2000.-
Christie's, London
Auktion vom 8. Oktober 1974
16 USA-Dollar aus dem Jahre 1791,
extrem feines und seltenes Exemplar
KaL-Nr. 171
Erlös f. 2700-
Bildfolge 1-16
13
15
hoFq nLeRle
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Kunst des Mittelalters
und der Renaissance
Die Galerie
für den Sammler
und Kenner
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KUNSTABTEILUNG, WIEN, l., DOROTH EERGASSE 11,
Tel. 52 3129
Für den Kunstsammler
August Eymer und die Kunsthandlung L. T.
Neumann
Michaelerplatz in Wien. Looshaus, Michaelerkirche,
dazwischen die Kunsthandlung L. T. Neumann.
1833 gegründet, seit 140 Jahren also am Platz,
eine charakteristische Ecke am Kohlmarkt mit
Auslagen voll Bildern und Graphik, vorwiegend
des "I9. Jahrhunderls. Untrennbar verbunden dem
Hause August Eymer, eben iunger Achtziger,
seit 55 Jahren hier tätig, seit 30 Jahren Alleininhaber
des Kunslhandelsunternehmens. Eine Reihe stolzer
Jubiläen. Die AMK gratuliert. Eymer, vorerst auf
Empfehlung von Dominik Artaria ger. beeid.
Schatzmeister und Sachverständiger, ist später
Vorstandsmitglied der Wiener Kunsthöndler.
In langen Jahrzehnten erworbenes Fachwissen,
hochgehaltene Grundprinzipien des Standes ließen
ihn zur Wiener Spezies zahlreicher Kunden,
Freunde und Sammler werden. Echtes Gespür für
einschlägige Obiekte, einfühlende Kundenbetreuung
und intensivsie Kontakte im beruflichen Bereich
hoben und festigten durch die Person August
Eymers Ansehen und Existenz eines rührigen
Wiener Kunslhandelshauses.
607. Kunstauktion
11.,12.,13. und 14. lVlärz1975
Gemälde alter und moderner Meister,
Graphik, Skulpturen und Holzarbeiten, antikes Mobiliar,
Antiquitäten, Jugendstil, Asiatika, Waffen.
Besichtigung 6., 7., 8., 9. und 10. lVlärz 1975
Alfred Slange zum Gedenken
Am 14. Augusl 1974 hälle Alfred Slange seinen
80, Geburlslag feiern können. In Glachgau Sachsen
als Sohn eines Sladlbaurales geboren, habililierle
er sich 1925 in München, wa er bei Wölfflin sludierl
halle. Nach einiähriger Täligkeil in Erlangen
erhiell er 1935 das Ordinarial in Bonn und leble
ab 1960 in Tulzing, wo er am 9. Seplember1968
verslarb. Neben zahlreichen Aufsölzen begründele
vor allem die elfbändige Deutsche Malerei der
Golik" 1934-1961 seinen Namen. Er schuf auch
alle Grundlagen und Vorarbeiten zu dem krilischen
Gesamlverzeichnis Die deulschen Tafelbilder vor
ANTIQUITÄTEN
erßert Aymbaum
Kunstgevverbe
Gemälde, Skulpturen
Möbel
SKULPTUREN
KLEINKUNST
von musealer
Qualität
Varia
Werkdokumenrolion für die Ausstellung
Albin Egger-Lienz".
Innsbruck 1976
Das Land Tirol und das Tiroler Landesmuseum
Ferdinandeum in Innsbruck veranslallen 1976 aus
Anlaß des 50. Tcdesiahres von Albin Egger-Lienz
eine große Ausstellung über sein malerisches und
graphisches Werk.
Hinweise und Milleilungen über den Verbleib van
Egger-Lienz-Werken, vor ullem in Privalbesilz,
werden erbelen an Tiroler Landesmuseum,
z. H. Dr. G. Ammann, A-6020 Innsbruck, Museum-
siruße I5 Tel. 52 22f22 03.
Wilhelm Huth
Nahezu täglich arbeitete er in der Bibliothek des
Österreichischen Museums an einer Bibliographie
des Hahlglases". Dem Ruheständler voll stratzender
Vitalität, den nahen Siebziger sah ihm niemand an,
galten Vorliebe und Neigung von früh an den
fragilen Materien Glas und Porzellan. Darüber
hinaus war er ein Allrounder er sollte Malerei
studieren den alles fesseln kannte. Huth war
Mitbegründer und lange Jahre Vizepräsident der
Internationalen Paracelsus-Gesellschaft in Salzburg.
Vom Erstsludium her Chemiker, festigte sich mit
den Jahren über seiner Arbeit mit dem Glas die
Bindung zu Kunst und Kunstgewerbe. Er nahm
teil an den Aktivitäten des Museums, publizierte
und hielt auch im Rundfunk Vorträge. Ein
Ausbund" an Agilität, der urplötzlich und bei
bester Gesundheit abberufen wurde, mitten aus
voller Arbeit.
Bronzen, Italien, um 1600
besonders feine Möbelbeschläge
WOLFGANG AUGUST
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Das Buch vom neuen Tisch. Herausgegeben von
der Gruppe 21. Zahlreiche Mitarbeiter, Hamburg
1972. 120 Seiten, zahlr. vorw. farb. Abb., 70.-.
Die Gruppe 21, ursprünglich 21 Lieferfirmen van
modernem Hausrat Keramik, Porzellan, Glas,
Textilien, zählt nunmehr 24 Mitglieder. Neben
Usterreich und der BRD sind die Schweiz, Holland,
Frankreich und die skandinavischen Staaten
vertreten. Der vorliegende schmale Band ist ein
Handbuch über ein genau umschriebenes Kapitel
des modernen lndustrial Design, eine Zusammen-
stellung zeitgenössischer Möglichkeiten, den Eßtisch,
besser gesagt die heutige Eßkultur, darin dar-
zustellen. Jedes der zwei Seiten langen Kapitel
zeigt einen gedeckten Tisch in Großaufnahme
und in Gruppen getrennt Porzellan, Glas, Blumen-
vasen, Besteck, Haushaltsapparate für den Eßtisdi
und Tischleuchten. Einige Designer werden
vorgestellt. So Stig Lindberg Glas und Keramik,
Carl Pott Bestecke, Luigi Collani Entwerfer von
der Teekanne bis zum Rennwagen, Dieter Rams
Chef-Designer der Braun AG., und der große
Designer aus Finnland Tapio Wirkkala. Beste
Unterrichtung des Käufers erfolgt durch die
Werkstoff-Berichte" von Waldtraud Paustian
Steinzeug und Prozellan. Weiters hervorzuheben
Berichte über die Herstellung von Eßbestecken und
über Glas. Hervorragend die Reproduktionen
der Glas-Fotos. Wohltuend die harmonische
Abstimmung der gesamten Illustrationen auf warme
Farbakkorde von Gelb, Ratgelb und Braun.
Für alle Freunde rund um den Eßtisch manche
der Schöpfungen sind wahrhaft zeitlos und schön
und nicht mehr modische Produkte der Gegenwart,
vielleicht späten Schöpfungen von Josef Hoffmann
und Oswald Haerdtl zu vergleichen. AMK-Prädikat
für Freunde des gehobenen Kunstgewerbes mit
gastronamischem Aspekt, Wilhelm Huth
77
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des 18. Jahrhunderts
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Ehem. Sammlung Karl Mayer, abgebildet Nr. 457, Modell von A. Grassi, Malernurnrner 30
farblg abgeblldet Wiener Porzellan 17184864"! Andreas Nagl, Ehem. Sammlung Oskar Bondw.
Tafel XXXIV. Hohe 28 cm Höhe 23 cm
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Varia, Bildnachweis
Salzburg.
Gruppe 73", eine neue Vereinigung
bildender Künstler.
lm Einverständnis mit der Leitung des Salzburger
Kunstvereins und auf seinem Boden" hat sich in
Salzburg eine neue Gruppe bildender Künstler
zusammengefunden. Anläßlich der Gründung wurde
ausdrücklich betont, daß von einem Programm,
von Manifesten oder Machtansprüchen, die es nach
außen hin durchzusetzen gäbe, nicht die Rede
sein kann". So ist zu fragen, was Maler und
Bildhauer, die sozusagen von Berufs wegen zur
Individualität, zur eigenen Handschrift" tendieren,
bewogen haben mag, sich zu einer schöpferischen
Gemeinschaft zusammenzuschließen. Die Wahl
Slavi Souceks zum Ehrenpräsidenten dieser Gruppe
mag ein Hinweis für den Versuch einer Antwort sein.
Einerseits ist für alle Arbeiten, die in einer
Ausstellung im großen Saal des Künstlerhauses
im Juli und August 1974 zu sehen war, ein mehr
oder minder starkes Abstrahieren vom sogenannten
Vorbild Natur bestimmend. Andererseits hat es
iedes Gruppenmitglied auch die Bildhauer
verstanden, sich die Techniken und Möglichkeiten
auf dem Gebiete der Druckgraphik so vollkommen
unzueignen, duß die ieweils 13 Blätter der anläßlich
der Neugründung aufgelegten Kassettene und
Mappenwerke auch eine reiche Ernte der iahre-
langen Bemühungen um die Hebung der druck-
gruphischen Qualität durch Slavi Soucek
darstellen.
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chen, 44, 45 Bundesdenkmulaml, Wien, 10, 12
Kirchhof 11, 54, 85 E. Mejchar
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Sammlung München, 20, 22 Gesellschafl für wis-
senschaftliches Lichtbild, München, 23 P. Grün-
zweig, Wien, 41 A. Hahnl, Salzburg, 14, 15 Dr. O.
Hall, München, 48, 49 W. Huber, München, 47
F. Kern, Wien, 40 M. Köhler, München, 17, 18
Landesbildslelle WienlBurgenland, 38, 39, 41 Archiv
Dr. K. Laske-Fix, Wupperlal, 60, 62, 63 Referal für
Sladrbild und DenkmalpflegelMog-Abl. Wien, 35,
37, 40 Landesamt München, 19 Neuslifier,
Wien, 27-33 Österreichisches Museum für ange-
wandte Kunsl, Wien, 91 F. Prugger, München, 43
C. Pospesch, Salzburg, 14, 15 Pressedienst der Sladl
Wien, 36, 37, 3B, 40 Salzburger Museum Carolino
Augusreum, Salzburg, 84, B5 Srudia Sramek, Wien,
37 Slaarliche Graphische Sammlung München, 60,
61 Münchner Sradianzeiger, München, 43 Archiv
Dr. G.-D. Stein, Salzburg, 51-57, 59 Dr. F. Slödrner,
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Modell-Fall Vaudreuil"
Proiekt mit Zukunft oder Experiment?
Alarmierende Aufschreie einer von bedrohlichen
Zuständen geängstigten vor allem urbanen
Umwelt drängen zur Eindämmung von extremen
Fehlentwicklungen, lösen hektisch Konferenzen,
Kongresse aus. Ansätze, ausgetüftelte Studien,
Programme bewältigen nicht die Probleme,
die menschliches Leben, die Existenz des Indivi-
duums für die Zukunft in Frage stellen. Unter
den Aspekten Altstadterholtung, Stadtentwicklung
und Denkmalschutz beleuchteten wir analoge
Situationen in den Großstädten Wien und
München in diesem Heft. Städtische Körper, die
mit der gleichen umweltbedrohenden Problematik
zu kämpfen haben. Wir vermögen nun knoppest
ein weiteres Beispiel zu demonstrieren.
Vaudreuil Modell und Versuch zur optimalen
Gestaltung künftigen städtischen Lebens. Wer schon
kennt Vaudreuil sur Seine? eine Zugstunde von
Paris, Bahnlinie Paris-Le Havre, zehn Kilometer
südöstlich des Stadtzentrums von Rauen. 5000 Ein-
wohner noch im Jahre T972 sollen sich bis 1979 auf
40.000 und bis zum Jahr 2000 gar auf 140.000 ver-
mehren! Man ist fürs erste perplex, wenn man
darunter Gesundung derzeitiger Mißverhöltnisse
verstehen soll. Präventive Heilkunde als Einsatz für
die städtische Umwelt laufen beim Experiment in
natürlicher Größe, Vaudreuil, auf eine Konfron-
tation wissenschaftlicher, technischer und
urbanistischer Aspekte mit ökonomischen, finan-
ziellen, psychologischen und soziologischen
Gegebenheiten hinaus, deren Endresultat optimal-
realistische Lösungen ermöglichen sollen.
Prof. Jean Paul Lacaze, Chefingenieur, General-
direktor für die Entwicklung der neuen Stadt und
Professor der Ecole Nationale, ist der Reolisator
des französisch-omerikanischen Gemeinschafts-
unternehmens. Seit 1968 befaßt er sich mit der
Modellstadt Vaudreuil, eines Stadtkeimes, der
des gewünschten Wachstums fähig sein muß und
dessen Konzeption nicht die eines Gliedes eines
Körpers sein kann, sondern der alle Elemente und
Anlagen in sich tragen muß, gleich dem Kinde,
das sein künftiges Erwachsensein in sich vorge-
bildet trägt. Geschieht hier Epochemachendes?
Fürs erste bedenklich erscheint uns, daß dieser
künstliche Stadlkeim, der die Pariser Agglomeration
entlasten sall, wie ein sich ballender Einbruch
in ländliche Stillgebiete reziproke Bedrohung
involviert, wenngleich alle Dörfer rundum ihren
Charakter und ihr Wesen beibehalten sollen.
Doch als eine vorerst einzelne realistische Wohn-
vision von morgen kann eine ganze Region die
wahrscheinliche Verwirklichung urbonistischer und
architektonischer Forschungsergebnisse für sich
in Anspruch nehmen. Das Alte als Kern sall
erholten und saniert werden, eine natürlich
gewachsene Landschaft soll mit neuen Grünzonen
durchsetzt, Wässer und Luft rein gehalten werden.
Optimalste Planung des sich bewegenden
Verkehrs vierspurige Einbahnstraßen, eine Ebene,
darüber ein enges Fußwegenetz, die Anlage
der Infrastruktur so, daß städtisches Leben optimal
ablaufen kann.
Die Modellstadt Voudreuil wird allmählich einge-
schlossen bis zum Jahr 2000 im Raum von Groß-
Rouen, dessen Bevölkerung von 500.000 auf rund
l,200,000 Menschen angewachsen sein soll. Ein
neuer, gesunder Organismus, Vorbild und Beispiel
einer Bewältigung für die Zukunft? Werden die
Fußgänger auf höherer" Ebene den gleichen
Abgasgerüchen ausgesetzt sein wie wir heutigen?
Oder zieht man dann schon in von Androiden und
Robotern gelenkten Rikschahs dahin oder in
elektromobilen Alwegbahnen? Leopold Netopil
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III
Originale und Plagiate"
Section
Im letzten Dezennium schossen sie nur so aus dem
Boden, die diversen umweltverschönernden
Unternehmen. In Städten, Provinzen, regional,
national, international. Ein mächtiger differenzierter
Pool. Weltumspannende Konzerne ebenso wie
simple lnterior-Corner in Klein- und Großstädten,
teilweise mit hochgestochenen Programmen.
Prafitierend vom Modewort der schöneren
Umwelt", das quer durch alle Schichten der
Gesellschaft geistert, denn ieder will schöner
wohnen, ieder sein behagliches Nest von Zeit zu
Zeit nach neuestem Stand ausgebaut haben.
Man stattet sich mit Kunst" aus, recht und schlecht,
nach sozialem Stand und Vermögen, was nicht
zuletzt auch eine Frage des Geschmacks und des
damit erreichbaren Angebots ist. In Wien profilierte
sich ein Unternehmen in neuerer Zeit Noever
Noever und seine Section N. Ein völlig neuer
Geschöftstypus, dessen Programm und Konzeption
nichts von konsumentenheischender Farce hält
und das auf eine ganz bestimmte Gruppe von
Menschen ähnlicher Gesinnung, nicht aber auf
Produktgruppen spezialisiert sein will. Die
Sectian bringt Unbekanntes auf den öster-
reichischen Markt, Kreationen namhafter
Architekten und Designer. Bilder, Obiekte, Möbel,
Leuchten, Kleider in affinitiven und assoziativen
Zusammenhängen. Ausschließlich eine bestimmte
geistige Auffassung, eine bestimmte gebaute und
geformte Qualität sind Grundlage des Konzeptes.
Originale und Plagiate" betitelte sich eine Schau,
die Naevers vom 1B. September bis 15. Oktober
1974 zeigten und mit der sie demonstrierten,
wie sehr es ihnen um die Reinheit eines Produkts
zu tun ist, das sie stets selbst zu führen gewillt sind.
Die in alle Welt ausstrahlenden Einflüsse gerade
italienischer Designer sollten an Objekten
Castiglionis und Scarpas sowohl aufgezeigt
wie der Rattenschwanz von Plagiaten im Gefolge
zur Abschreckung vor Augen geführt werden.
Mit zwei winzigen, an die Brille anhängbaren
Leuchtkörpern eine Art Heimleuchtemarkierung"
auf nächtlichen Wegen? bewies Achille
Castiglioni, Jahrgang 19l8, gebürtiger Mailänder,
der Presse humorig seine Reverenz. Zusammen
mit seinem 1968 verstorbenen älteren Bruder
Pier Giacomo Jahrgang 1913 begann er 1939
antikonformistische Ideen des Design zu realisieren.
Verblüffend extreme Entwurfbeispiele stellen die
im Castiglione-Design produzierten Licht-
maschinen" dar. Ein Teil davon waren die Grund-
loge des den Plagiaten vorgesetzten Ausstellungs-
instrurnentariums. Außergewöhnliche Lampen
industrieller Fertigung, deren Aktualität nadi
I5 Jahren bezwingend ist. Nicht freut es den
Designer, wenn er seine Schöpfungen so schön
als wie Skulpturen" empfunden sieht, nichts ist
unzutreffenden Nicht weil man ihnen hohe
ästhetische Qualität absprechen könnte, sondern
weil solche Vergleiche Vorurteile bewirken.
Neuartige Lichtsituationen ebenso zu schaffen
wie überraschende Formen, war Hauptanliegen
der Schöpfer. Die Selektion originaler Leucht-
körper zu den Plagiaten im unmittelbaren Vergleich
ließ deutlich werden, wie sehr ein optimal
erfundenes klassisch" gewordenes Produkt zur
Nachahmung geradezu herausfordert. Und wie
wurde oberflächIich" Form abgelauscht, die
Funktion dabei aber völlig verkannt oder verbildet.
Haus Noever-Section schloß mit dieser Schau
an seine bisherige Aktivitätenreihe an, um seine
Absidit zu verwirklichen, den Einfluß der Castiglioni
und Scarpa auf das aktuelle Design-Geschehen
hier sichtbar zu machen, somit den Effekt zu
erreichen, geschmäcklerische Provokationen der
Industrie, durch oberflächlich modische Kosmetika
konsumsteigernd zu agieren,ab absurdum zu führen.
Leopold Netopil
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83
Für den Kunstsammler
Volker Kutschera
Spielzeugsammeln
Daß das Spielen mit Spielzeug eine Domäne der
Kinder sei, glaubt heute wohl niemand mehr. Es
ist nicht nur iener merkwürdige Hang zum Spiel,
der Dichter und Denker immer wieder konstatieren
ließ ln iedern rechten Manne steckt ein Kind",
der uns zu Spielzeug-Liebhabern werden lößt
wör' er die einzige Triebfeder, müßten wir dabei
die vielen in Spielzeug verliebten Frauen in aller
Welt übersehen, die aber ganz entschieden un-
übersehbar geworden sind. Es muß also einfach
von Erwachsenen gesprochen werden.
Denn der Erwachsene macht was die Liebe zum
Spielzeug anlangt mit seinem Kopfe wett, was
ihm an unmittelbarer, kindlich unbefangener Be-
ziehung zum Spielzeug mit dem Zugewinn von
Schlips und Nylons allmählich verlorengegangen
war. Er sammelt. Er trägt natürlich nicht wahllos
zusammen, womit zu spielen ihm gerade Spaß
bereitet er sammelt mit System. Er organisiert
seine Sammlung und schließlich sich selbst samt
seiner Sammlung etwa in einem Sammlerklub,
den unter anderem eine Sammlerzeitschrift zusam-
menhölt.
Kurzum, er baut sich gewitzigt iene Brücken, die in
ein fast verlorenes Paradies hinüberragen sollen,
nicht ohne die nun einmal für seine aufgeklärte
Welt notwendig erscheinenden Stützen aus Leistung,
Repräsentation und einer nicht zu knappen Portion
Wissenschaftlichkeit. So gelingt es ihm, nicht nur
ohne Einbuße, sondern sogar noch mit beträchtli-
chem Gewinn für das Erscheinungsbild seiner Per-
sönlichkeit, was ihn im Innersten bewegt und freut
nämlich das Spielen mit Spielzeug auch nach
außen hin sichtbar näher an den Mittelpunkt seines
Lebens und Strebens heranzurücken.
Freilich werden Sie ietzt einwenden, Sie hätten den
Eindruck, daß es manch einer der Ihnen bekannten
Jünger der gerade in unseren Tagen stetig zuneh-
menden Zunft der Spielzeugsammler bei der Be-
schäftigung mit den Stützen" und Pfeilern" der
zitierten Brücke" in die Welt seiner Spielzeug-
Sehnsüchte bewenden lasse, ohne ie ernsthaft An-
stalten zu machen, sie zu benutzen, um ungestört
von der Meinung seiner Umwelt sich ganz dem
sonst verlorenen Paradies des Spielens zuzuwen-
den. Sie haben recht aber ist nicht das Bauen von
Brücken in eine vergangene Welt die allerausge-
klügeltste, raffinierteste Form des Spielens? Aber
lassen wir Spitzfindigkeiten beiseite, es ist schon
ein faszinierendes Erbe der Kindheit in uns, das
Phantasie und Freude am Spielzeug, am Spielen
sei, ia, daß Fortschritt ohne neugieriges Spielen
überhaupt nicht zu denken wäre. Wer sich dem
Spielzeugsammeln verschrieben hat, weiß das aus
ganz privater Erfahrung! Meist verlegt sich nämlich
das Spielen der Erwachsenen mit alten, gesammel-
ten Spielsachen aut das Nacherfinden" und Wie-
derherstellen ihrer vormaligen Funktionen, aufs Re-
parieren, Restaurieren und Ergänzen. Die solcher-
maßen geforderten Kenntnisse der innersten, intim-
sten" Sphären des ieweiligen Spielzeugs nehmen
diesem keineswegs den Reiz, ia, sie vertiefen so-
gar die spielerische" Beziehung zum geliebten
Obiekt Spielzeug.
Das Sammeln von Spielzeug und das ist einer
der unschätzbaren Vorzüge dieser Liebhaberei
84
Beispiele aus der Sammlung Folk im
Salzburger Museum Carolino Augusteum
kennt keine einheitlichen Richtlinien! Sehen wir von
den durch die Welle der Nostalgie aufgeschwemm-
ten Sammelsurien ab, die mit der Made kamen und
mit ihr gehen werden, so gilt der Satz Erlaubt ist,
was gefällt." Je nach ererbtem Grundstack, Potenz
der Brieftasche und speziellen Interessen lassen sich
Sammlungen aufbauen, die sich dem Charakter des
Sammlers in Eigenart und Aussage so anpassen,
daß sie nur schwer von ihm getrennt zu denken sind.
Manch einer wird sein Herz für optisch-technische
Spielsachen entdecken und nächtelang heimlich al-
leine oder mit auserwählten Freunden durch das
schwelende Licht einer Laterna magica bunte Bilder
vergessener Tage an die Wand proiizieren, manch
einer seine Liebe zur wohlgeordneten Proportion im
Einrichten und Betrachten alter Puppenhäuser freien
Lauf lassen, ein dritter schließlich wird mit Geduld,
Klebstoff uncl Ersatzteilen ans Auffinden, Entröt-
sein, Reparieren und Wieder-in-Gang-Setzen der
Mechanismen alter beweglicher Spielsachen und
früher Automaten gehen und dabei die stille, tiefe
Lust des Erfinders lebhaft nachempfinden. Die
Reihe ließe sich mit Puppen, Schaukelpferden, Brett-
und Kartenspielen, Zinnfiguren, Leisem und Lär-
mendem, Graßem und Kleinem beliebig fortsetzen.
Universalisten und geldige" Leute werden alles
zusammen in ihrer Sammlung zu vereinen trachten.
Je größer die Sammlung, desto wichtiger sind Kar-
tierung, Identifizierung, Dokumentation und wis-
senschaftlich-historisctie Bearbeitung der einzelnen
Obiekte. Über dieser Tätigkeit kann man zum
Fotografen, Filmer, Bibliothekar und Privatgelehrten
werden. Wohl alle aber wurden mit ihrer Samm-
lung reicher, nicht gerade an Geld, aber an Freude
und in der Befriedigung, den Kanten und Klippen
der täglichen Realität wirksam eine eigene Welt von
besonderer Harmonie entgegensetzen zu können.
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Für den Kunstsammler
Franz Windisch-Graetz
Vier kleine Tische
ln einer dritten Folge der Berichte über die Möbel
im Stift Kremsmünster sollen nun dem Leser vier
kleine Tische vorgestellt werden. Gerade dieser
Möbeltyp ist für die esteigerten Ansprüche signi-
fikant, die während des Spätbarodß in zunehmen-
dem Maße an eine angenehme und gepflegte Art
der Einrichtung gestellt wurden.
lm zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts vollzog
sich in Österreich der Übergang vom italienisch
orientierten Hochbarock zu dem unter dem Einfluß
der französischen Regence stehenden Spätbarock.
Sein arnamentales Leitmotiv war das sogenannte
Laub- und Bandelwerk", das Jean Berain 1640
bis 1711 als Bereicherung der Groteske kreiert hatte
und als dessen wichtigster Verbreiter im deutschen
Sprachraum der Nürnberger Ornamentist und Archi-
tekt Paul Decker 1677-1713 auftrat. Seine in Kupfer
gestochenen Vorlagen Neu lnventirtes Laub Bandl
und Groteschgen-Werk" sowie andere ähnliche Ver-
öffentlichungen fanden weiteste Verbreitung.
Es ist aufschlußreich und reizvoll zugleich, an den
vier Tischen zu beobachten, wie die hier tätigen
Meister die Stilelemente des Hoch- und des Spät-
barock bei jeder ihrer Arbeiten auf ganz ver-
schiedene Weise miteinander in Verbindung brach-
ten und wie keiner der Tische ausschließlich einer
einzigen der zwei Richtungen allein verpflichtet er-
scheint. Von einem strengen 5til- oder Modediktot
kann also keineswegs die Rede sein, vielmehr war
ein recht freies Spielen und Kombinieren unter-
schiedlicher Anregungen und Traditionen durchaus
möglich, ia sogar üblich und beliebt. Dazu hat sicher
die ländliche Umgebung beigetragen, die immer
überlieierungstreuer ist als das städtische bzw. hö-
tische Kulturzentrum. Italienisches und Französisches
werden miteinanderverbunden, und es kommen sogar
noch ältere Reminiszenzen hinzu, die bis in die
Renaissance zurürkreichen. Und doch macht keines
der vier Ergebnisse den Eindruck, als wäre es ein
Stückwerk aus heterogenen Teilen, sondern wirkt in
seiner Gesamtheit durchaus harmonisch.
Abb. Einer der Tische ist mit der Jahreszahl
1723 bezeichnet. Damit ist freilich noch gar nichts
darüber ausgesagt, ob der Meister auch stilistisch
auf der Höhe seiner Zeit stand. Bei näherem Hin-
sehen gelangen wir vielmehr zu einer gegenteiligen
Meinung. Im Jahre 1723 sollte das Laub- und Band-
werk bereits durchwegs seine voll ausgeprägte Form
aufweisen. Aber davon kann hier nicht die Rede
sein. Zwar finden sich in allen größeren Feldern
und besonders im Mittelfeld Bänder und Lauber",
aber es fehlt ihnen jene kalligraphische Prägnanz,
die gerade dieses Ornament in seinem reifen Sta-
dium auszeichnet. Hier sind die breiten, rollenden
Schwünge der Blattranken des Hochbarock noch
ebenso beibehalten wie das alte Sternmativ in der
Mitte des Feldes; die auf den Zweigen sitzenden
Vögel lassen sich sogar noch viel weiter, nämlich bis
in den Manierismus, zurückverfolgen. Auch die ge-
drehten Säulen gehören dem Formenschatz des
italienisch geprägten 17. Jahrhunderts an, während
die in scharfen Knicken geführten Stege mit den in
wechselnden Farben achtzackig aufgeleilten Feldern
wieder aus dem späten Manierismus herüberge-
nommen sind. Wir haben es also mit einem recht
konservativen Meister zu tun. Die verwendeten
Holzarten sind in der Hauptsache Nußbaum- und
Nußmaserholzfurniere, Eiben- und wiederum Nuß-
baumhalz für die sich übersdineidenden Rahmen-
bänder der intarsierten Felder, Ahornholz graviert
und mit heißem Sand schattiert für die Marketerie.
Höhe 81, Länge 115,5, Breite 75,5 cm.
Abb. Auch bei diesem Tisch ist das Bandwerk
von einem in weichen Wellen fließenden Duktus
gekennzeichnet, wie er der frühen Entwicklungs-
phase dieses Motivs entsprach. Ja man ist gar nicht
immer sicher, ob es sich um Bänder handelt, deren
Bewegung von Blattspiralen begleitet wird, oder ab
es nicht doch viel eher Blattgebilde sind. Wieder
finden sich und diesmal sogar an prominenter
Stelle Erinnerungen an die große lntarsientradi-
86
Kleiner Tisch, dat. 1723
Kleiner Tisch, gegen172ß
Kleine Tische, 720-1730, vermutlich von Stephan Jegg,
St. Florian
tion des Manierismus im Mittelfeld des Tischblattes
eines der so beliebten Maikrügeln" und in den
Eckzwickeln die nicht weniger oft verwendeten Vö-
gel. Die vierkantigen, nach unten konisch zulaufen-
den Beine haben freilich nichts mehr mit dem italie-
nischen Hochbarock zu tun; hier macht sich der
französische, etwas klassizistisch strenge Einfluß
geltend; auch die Blütengehänge an den Seiten
der Beine weisen in diese Richtung. Der Typus des
Zweistützentisches muß gerade in den Klöstern
während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts als
Zier- oder Spieltisch besonders geschätzt worden
sein, weil er sich sowohl in Kremsmünster als auch
in St. Florian, den beiden am reichsten mit Möbeln
ausgestatteten Stiften, mehrfach erhalten hat. Er ist
im wesentlichen nach dem gleichen Prinzip wie die
Einstützentische oder die Gueridons gebaut, bloß
mit dem Unterschied, daß die S-förmig geschweiften
Füße, die die beiden Stützen oder Schäfte tragen,
aus Gründen der Stabilität nicht unmittelbar auf
dem Boden stehen, sondern auf Stegen aufsitzen,
die ihrerseits wieder auf Balusterkugeln ruhen.
Diese komplizierte Bauweise gibt den Möbeln eine
etwas prötentiöse Wirkung was wohl auch be-
zweckt werden sollte. Die verwendeten Holzarten
sind Nußbaum- und Nußmaserholzfurniere, Ahorn
für die Marketerie graviert und mit heißem Sand
schattiert, die breite Einfassung des Moikrügels aus
Zwetschkenbaumholz, die schmalen Rahmungen der
Felder aus Eibenholz. Tischblatt und Stege zeigen
die gleiche Schweitung des Umrisses. Gegen 1720.
Höhe 84,5, Länge B8, Breite 74 cm.
In seiner vollentwickelten und somit in seiner rein-
sten Form tritt uns das Laub- und Bandwerk auf
den letzten zwei Tischen entgegen. Hier besticht die
Exaktheit der Zeichnung, hier wird so präzise, wie
es sein sall, zwischen den Bändern und den sie
umspielenden Blättern unterschieden. Bei beiden
Tischen ist die Formgebung der Marketerie so über-
einstimmend, daß die zwei Möbel offenkundig aus
ein und derselben Werkstatt hervorgegangen sein
müssen. Die Bauweise des Tisches von Abb. weist
eindeutig nach St. Florian, wo es mehrere nahezu
gleichartige Beispiele gibt, die von Stephan Jegg
1674-1749 in Zusammenarbeit mit dem Bildhauer
Leonhard Sattler 1674-1744 angefertigt wurdenl.
Abb. Bei dem Tischgestell handelt es sich um
eine Lösung, die bis in die Spütgotik zurückverfolgt
werden kann und seitdem immer wieder in einer
dem Zeitstil gemäßen Interpretation zur Anwendung
gelangte. Ganz im Sinne des Laub- und Bandwerk-
stils sind hier die radial gestellten Schragen als
Bänder" aufgefoßt, deren Schweifung von großen
geschnitzten Akanthusblättern betont wird. Die
verwendeten Holzarten sind Nußmaser- und
Zwetschkenbaumfurniere; die gravierte Marketerie
ist aus Ahornholz geschnitten und in schwarzen,
geschliffenen Kitt intarsiert; das große Mittelmotiv
ist von einer lebhaft geschweiften Eibenholzbordüre
gerahmt, die von einer schmaleren, weiter außen
verlaufenden Einfassung aus Palisander- und Nuß-
baumhalz Licht- und Schattenetfekt an vier Stellen
gekreuzt wird. Das Gestell aus Nußbaumholz; Kral-
lenfüße auf flachen Scheiben. Auch die Verwendung
von schwarzem Kitt Ebenholzersatzll als Grund für
die lntarsien weist auf die Werkstatt von Stephan
Jegg hin, der dieses Material gerade in den frühen
zwanziger Jahren bei seinen St. Florianer Prunk-
möbeln mehrfach zu demselben Zweck verwendete.
1720-1730. Höhe 7B, Länge 99, Breite 71 cm.
Abb. Hier fallen wieder die gedrehten Säulen
auf, die wir bereits als ein Element des italieni-
schert Barock kennengelernt haben. Zum Unterschied
mit dem ersten Tisch sind hier die Windungen des
Schaftes profiliert. Bezüglich der Marketerie muß
hier eine Angabe im letzten Bericht korrigiert wer-
den". Bei dem dort unter Nr. 21 abgebildeten Tisch-
Anmerkung
F. Windisch-Graetz, Baradxe Möbellumst in Österreich,
Überblid und Farschungslage Die Möbel des Stiftes
St. Florian, in St. Florian, Erbe und Vermächtnis, Fest-
sdtrift zur 9D0-Jahr-Feier, Mitteilungen des Oberöster-
reidiischen Landesarchivs, Bd. 10, 1971, S. 369, 379,
Abb. 16, 28
F. Windisdi-Graatz, Barocke Möbel aus dem Stift
Kremsmünster, in An. und moderne Kunst, s. 1a, 22
Schluß s. S. 88
87
Aus dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung
Wiener Bundesmuseen
Neuer Besucherrekard beim Tag der
offenen Tür".
Mit über 33.000 Besuchern konnte der Tag der
offenen Tür" am Nationalfeiertag 1974 wieder einen
neuen Rekord" buchen 1971 waren es über
12.000, 1972 27.000, 1973 29.000 obwohl die
Bedingungen diesmal nicht die allerbesten waren
keine überragende Sonderausstellung stand auf
dem Programm, es war ein Samstag und sohin kein
echter" arbeitsfreier Tag, kein Museumswetter"
herrschte, und die Österreichische Galerie" im
Oberen Belvedere mußte wegen Umbauarbeiten
geschlossen halten
Wie in den Jahren vorher, war auch diesmal das
Naturhistorische Museum der Sammelpunkt vor
allem der Eltern und Kinder wiederum mit einem
vielfältigen Jugendprogramm; mehr Besucher als
im Vorjahr konnte das Museum für Völkerkunde,
knapp mehr auch das Museum für angewandte
Kunst und das Museum des XX. Jahrhunderts zählen.
Frau Bundesminister Dr. Firnberg, auf deren
energisches Drängen endlich die Fassaden- und
Eingangstorrestaurierungsarbeiten an den
Repräsentationsgeböuden des Kunsthistorischen
und des Naturhistorischen Museums in Angriff
genommen wurden, besuchte diese beiden Museen
an diesem Tage und enthüllte in einem Festakt
vor dem Museum für Technik, Industrie und
Gewerbe ein Denkmal für Viktar Kaplan.
Friedrich Langer
1975 Jahr der Denkmalpflege
Der Europarat in Straßburg hat das Jahr 1975 zum
Jahr des Denkmalschutzes proklamiert. Man weiß
um die unabdingbare Gefahr, die allem Erhaltens-
werten droht, wenn unentschuldbare Passivität
die Kunstgüter der Vergangenheit durch
Nichtbeachtung primitivster Grundsätze der
Erhaltung langsam aber sicher dem Verfall preisgibt.
Neben anderen im Verein mit dem Bundesdenkmal-
amt zu setzenden Maßnahmen leistete das
Ministerium, Prof. Dr. Friedrich Langer als
Verantwortlicher, mit der Drucklegung eines
Bildkalenders unter dem obigen Schützermotto,
betitelt Burgen und Schlösser in Österreich",
einen besonderen Beitrag, der die Schönheit
österreichischer Baukunst vor Augen hält, gleichzeitig
aber auch bewirken soll, nicht nachzulassen in den
Bemühungen, diese Bauwerke für heute und die
Zukunft zu erhalten. Mit einer Folge von
Großaufnahmen aus dem gesamten österreichischen
Raum konnte ein iunger, aufstrebender Fotograf,
Georg Riha, seine Fähigkeiten unter Beweis stellen.
Echte fotoschöpferische Kreativität im Verein mit
unaufdringlich-strenger Gestaltung schuf hier ein
prächtiges kalendarisdies Großpanorama van
bezwingendem Stimmungsgehalt und bezeugt
eindringliches Festhalten stiller Kunstgröße. Möge
diese ins Bild gebrachte Schönheit mahnen, sie zu
schützen. Allein das rechtfertigte diesen Beitrag des
Ministeriums zum Jahr des Denkmalschutzes und
darüber hinaus.
Plakatwettbewerb für Studenten 1974
Besucht die Bundesmuseen"
Auch im televisionistischen Zeitalter halten die
Plakate ihre Litfaßbastionen, das Bild der Stadt
bestimmend. Bunte Werbeträger tausender Dinge,
die unser Leben prägen Kühlschränke, brutzelnde
Fleischgerichte, Riesenzigaretten, blubbernde
Sprudelwösser, Strumpfhosen, Autos und .. und
ein überquellendes permanentes Anbot an die
Konsumgesellschaft. Immer größer wird das Plakat
und beginnt in Reihen soldatisch zu exerzieren,
um der Hektik der immer weniger um sich
schauenden" angesprochenen Menschen begegnen
zu können, um stärker ins Auge zu springen". In
diesem Monsterkonzert, in dieser Uberfülle großer
Formen und penetrantester Farbkonglamerate soll
sich auch das Kunstplakat behaupten. Museen, durch
Ausstellungen lebendig, werben, dotationsbedingt,
zeitweise mittels Plakate.
Frau Dr. Hertha Firnberg, Bundesminister für
Wissenschaft und Forschung, stets der Förderung
der Jugend in allen Bereichen aufgeschlossen,
initiierte einen Plakatwettbewerb, um zu
demonstrieren, wie ernst es der oft so geschmätiten
Studenteniugend selber um ihr besseres Voran-
kommen ist.
Besucht die Museen" so lautete das Thema. Und
die Studenten beteiligten sich unerwartet stark. Eine
Fachiury machte es sich und hatte es nicht leicht,
zu prämieren. Eine Art Varpublikum" und
Zwischeniury aus Presse und Musealbereich konnte
fast verblüffend genau das Ergebnis bestätigen.
Man kürte drei Preiströger, denen in einer Feier-
stunde die Frau Bundesminister ieweils neben den
gleichen Ehren in Urkunden auch den ansehnlichen
Betrag von ie 10.000 Schilling überreichte. Zwei der
Preisträger kamen offensichtlich aus den Traditionen
eines Rudolf von Larisch, einer setzte sich etwas
offener mit strengerer, gleichsam industrieller
Symbalsprache durch. Wer selbst mit der
Problematik des sogenannten Kunstplakotes zu
ringen hat, weiß um die Schwierigkeit und die
ununterbrochene Herausforderung, sidi in der
obenerwöhnten Situation zu behaupten. Mit
Noblesse allein ist da nicht immer zu reüssieren,
das könnte man den künftigen Plokatkünstlern mit
auf den Weg geben.
Leopold Netopil
'rlclfruud Jungwinh, Wien, Hnchschuie für ungewcndle
uns!
7Klcus Pöll, Wien,
Hochschule füv an ewcndfe Kuns!
"Gorvfried Hugene er, Linz, Hochschuie für künsllevisdme
Form und Gesiollung.
Fortsetzung von Seite 87
chen es gibt deren zwei, die eindeutig mit Abb,
zu einer Serie gehören schien die Möglichkeit zu
bestehen, es mit dem Meister der Bibliotheksein-
richtung, dem Ennser Tischler Balthasar Melber, in
Verbindung zu bringen. Nach neuerlichem Vergleich
mit den Bandwerkformen auf den Bibliotheksmöbeln,
die der Entstehungszeit entsprechend 1707-1708
einer früheren Stilphase angehören, muß diese An-
nahme revidierl werden. Infolge der Ähnlichkeit mit
Abb. kann nur Stephan Jegg als Verfertiger in
Betracht kommen, denn von Melber konnte bisher
keine Arbeit aus den zwanziger Jahren ausfindig
gemacht werden, die beurteilen ließe, wie er das
Laub- und Handwerk des reifen Stils, den die Tische
Abb. 5-8 zeigen, gestaltet hätte. Die verwendeten
Holzarten sind Nußmcserholz lMittelfeld, Zwetsch-
kenbaumholz Einfassungen, Ahornintarsien in
schwarzem Kitt; für die Eckzwickel wurde Gold-
staubkitt verwendet. Gedrehte Beine aus massivem
Nußbaumholz, vergoldete Krallenfiiße auf flachen
Scheiben. 1720-1730. Höhe 76, Länge 99, Breite 72 crn.
zhbesprechungen
Garas, Franz Anton Maulbertsch, Leben
Werk, mit CEuvre-Katalo geordnet
Standorten, 48 Farbtafe 89 Textabbil-
ilen, 267 Seiten, Folio, Verlag Galerie Welz,
urg 1974
erste große Maulbertsch-Monographie von Frau
Goras, Generaldirektorin des Museums der
nen Künste in Budapest, war im Jahre 1960 im
lthea-Verlag erschienen. In ihrer umfassenden
ige war diese Monographie ein großer
enschaftlicher Wurf gewesen, beispielhaft im
ührlichen Werksverzeichnis, in den Quellenanga-
und im ikonolagischen Register. Dieses Werk
auch dem Besitzer des nun vorliegenden neuen
ies weiterhin nützlich sein. Die Neuerscheinung
gt wichtige Verbesserungen. Das Werks-
eichnis ist auf den letzten wissenschaftlichen
gebracht werden, da in den vergangenen
zehn Jahren immerhin eine Reihe wichtiger
ke neu entdeckt werden kannte. Der
eitende Text ist in drei großen Essays der
zeit, der Reife und dem Spätwerk gewidmet
verarbeitet harmonisch die letzten Erkenntnisse.
augenfälligste Verbesserung bringt iedoch die
ildliche drucktechnische Gestaltung, welche im
ensatz zur Monographie von 1960 in 4B
arrogenden Farbtafeln Maulbertschs Werk auch
ristisch zu gebührender Wirkung verhilft. In
"gesamten Anlae ist die Publikation auch für
allgemeinen Kunstliebhaber ohne wissen-
ftliche Spezialisierung gut zu benützen. Dies
unterstützt durch eine angefügte kultur-
irische Zeittafel, welche Maulbertschs Lebens-
onen den zeitgenössischen Künsten und
ienschoften ebenso wie der Politik und
schaft gegenüberstellt.
l-Prädikat Künstlermonographie, allen
enschaftlichen Ansprüchen entsprechend,
ktechnisch von bester Qualität.
Kurt Rossacher
zlog römischer Münzen. Von Pompeius bis
tulus. Band I. Von Ralph Kankelfitz. 1974,
S., zahlr. Abb., DM 58.-
ßer Deutscher Münzkatalog. 1975. äVon
bis heute. Von Paul Arnold, Haral
imann un Dirk Steinhilber. 4. vollständig
rarbeitete und erweiterte Neuaufla 1974.
S., zahlreiche Wappen- und Münza b.,
erback, DM 4B.-
tmünzkatalog 20. Jahrhundert. 1975. Von
lther Schön. 6. vollständig überarbeitete und
eiterte Neuauflage 1974. 1080 S., über 2500
lZ- und Wappenabb., Paperback, DM 22.-
Battenberg-Verlag, München.
ömerkatalog stehen die Prägungen mit
scherporträts im Vordergrund, wobei die
zahl der Rückseitentypen gerafft worden war.
.-rt werden die Nummern der Werke von
en und RlC. Für iede Münze werden drei Preise
mnt und nach Erhaltensstufen und Patina
iilliert erläutert.
40.000 verkauften Exemplaren ist der GDMK"
inem Standardwerk des deutschen Marktes
arden. Auch die nun vorliegende 4. Auflage
eichnet alle Münzen, Gedenkmünzen und
anten der deutschen Staaten seit 1800.
Bewertung gilt für Stüdce in sehr schöner"
yorzüglicher" Erhaltung.
lich neu erscheint der Schön" als vollständiger
ilog aller offiziellen Münzprägungen
1900-1975.
-Prädikat Wichtige Nachschlagewerke für
izensammler.
recht-Dürer-Gesellschaft, Katalog 28,
zkseper, im Museum, Radierungen von
drich Meckseper, Instrumente und Geräte des
manischen Nationalmuseums. Ausstellung
Eermanischen Nationalmuseum in Nürnberg,
Juli bis 29. September 1974.
zuletzt erschienene Katalog der Albrecht-Dürer-
ellschaft Nr. 2B ist einer Ausstellung des
Künstlers Friedrich Meckseper gewidmet. Dieser
Schüler Karl Rössings gehört seit einiger Zeit zu
den Geheimtips der bundesdeutschen
Graphiksammler. Die Nürnberger Ausstellung
konfrontiert die Arbeiten des Künstlers mit
Museumsstücken, die der instrumentalen Bildwelt
seiner Stilleben entsprachen. Auf diese Weise
erhielt diese Ausstellung durch die Verbindung
von Vergangenem und Gegenwärtigem eine
besonders originelle Note. Diese fand auch ihren
Niederschlag in dem Katalog, der wie alle
vorangegangenen Kataloge der Dürer-Gesellschaft
verdient, mustergültig enannt zu werden.
AMK-Prädikat Für den Graphiksammler und
Bibliophilen besonders wertvoll.
Wilhelm Mrazek
Geschichte der Architektur in Wien, Gerhart
Egger, Von der Renaissance biszum Klassizismus;
Renate Wagner-Rieger, Vom Klassizismus bis
zur Secession, Geschichte der Stadt Wien,
Neue Reihe, Band Vll, Wien 1973, heraus-
gegeben vom Verein für Geschichte der Stadt
Wien im Selbstverlag.
Mit dieser Arbeit über die Architektur in Wien liegt
nunmehr dank der Tatkratt des Vereins für
Geschichte der Stadt Wien die Darstellung der
kunstgeschichtlichen Entwicklung Wiens bis zum
Ende des ersten Weltkrieges geschlossen vor.
Es scheint müßig, gerade in dieser Zeitschrift die
beiden Autoren noch vorstellen zu wollen; ihre
bisherigen wissenschaftlichen Leistungen sind mit
ein Grund dafür, daß der nun vorliegende Band
für alle weiteren Forschungen ein wertvolles
Handbuch darstellt.
Es ist selbstverstän ch, daß im Text weder eine
vollständige Übersicht über alle Bauwerke des
betreffenden Zeitabschnittes noch ein Ersatz einer
Kunsttopographie gegeben werden kann und soll.
Wesentlich ist dabei die Behandlung der
stilistischen Entwicklung, dargestellt an den hierfür
entscheidenden Obiekten. Auch soll, bezogen auf
den historischen Hintergrund des in dieser Zeit
die Stadt betreffenden Zeitgeschehens, der
Versuch unternommen werden, aufzuzeigen, aus
welchen Überlegungen und durch welche Einflüsse
es zu den verschiedenen Formulierungen der
Bauoufgaben kam und welche Nachfolge
sie fanden".
Sorgfältig gearbeitete Register und 215 Abbildungen
zum Teil nach historischen Fotografien ergänzen
den wertvollen Text.
AMK-Prädikat Für iede Beschäftigung mit
österreichischer Kunstgeschichte unumgänglich
notwendiges Handbuch.
Edition Tusch, Wien. Österreichische Graphiker
der Gegenwart. Hans Franius, Bilder und Gestal-
ten, von Walter Koschotzky. 141 Seiten mit einem
CEuvre-Katalog sämtlicher Holzschnitte.
Radierungen und Litho raphien bis 1972 mit
ca. 350 Abbildungen, avon zahlreiche
gonzseitig. 1200 numerierte Exemplare, davon
200 mit zwei signierten Originalradierungen.
Normalausgabe 420.-, DM 64.-; Vorzugs-
ausgabe ca. 800.-, DM 120.-. Margret Bilger,
Die Holzrisse, von Melchior Frommel. 173 Seiten
mit ca. 50 anzseitigen Reproduktionen und
ca. 400 Ab ildungen im Katalo teil. Wiedergabe
sämtlicher Arbeiten. Französis Broschur
in bedrudctem Schuber. Format 24x22 cm.
480.-, DM 72.-, sFr 78.-.
Mit den Bänden Vlll und lX der Reihe
Österreichische Graphiker der Gegenwart" sind
der Edition Tusch wieder hervorragende Bücher
gelungen. Den Werkkatalogen ist ieweils ein
Essay vorangestellt, der sich bei Hans Fronius auf
den Zyklus Bilder und Gestalten", 1972, bei
Margret Bilger auf das von ihr entwidtelte
Verfahren des Holzrisses und auf die Holz- und
Linolschnitte der Frühzeit bezieht. Während das
Lebenswerk Hans Franius schon zahlreiche
Würdigungen gefunden hat, ist dies bei Margret
Bilger bisher nicht der Fall gewesen. Das
vorliegende Buch von Melchior Frommel ist die
erste ausschließlich dem Werk Margret Bilgers
gewidmete Publikation. Der Autor gehörte lange
Jahre zum engsten Umkreis der Künstlerin und war
daher prädestiniert, sich der Aufgabe des Sammelns
und Ordnens der von 1924 bis 1954 entstandenen
Drucke zu widmen.
AMK-Prädikat Für den Graphiksammler und
Bibliophilen besonders wertvoll.
Wilhelm Mrazek
Johann Muschik, Die Wiener Schule des
Phantastischen Realismus. 151 Seiten,
32 Farbtafeln, 40 Abbildungen, Leinen, 1974,
Verlag für Jugend Volk, Wien, 190.-
Das aus der Feder des Doyens der Wiener
Kunstkritiker stammende Buch muß als eine
endgültige Zusammenfassung des Themas
angesehen werden. Keiner war berufener als
Johann Muschik, diese abschließende Übersicht und
Präzisierung zu geben. Seit dem Jahre 1946,
das heißt, seit dem Beginn der Wiener Schule",
hat er diese Künstler nicht nur begleitet, sondern
indirekt auch geleitet". Allerdings nicht als ein
älterer Malerfreund, sondern als einer, der durch
seine ständige Stellungnahme an dem Bewußt-
werdungsprozeß der Wiener Gruppe größten Anteil
hat. Sie verdahken ihm nicht nur den Namen,
sondern auch ihre Historiographie", die sich bei
knappster sachlicher Formulierung ungemein
interessant liest. Johann Muschik zeigt in
zahlreichen Kapiteln alle Probleme auf, die mit
dem Phantastischen Realismus" zusammenhängen.
Kernstück ist das ungemein lesenswerte Kapitel,
worin er den Begriff des Phantastischen Realismus"
der Wiener Schule definiert und ihn von dem des
Surrealismus klar und deutlich absetzt. Muschik
behandelt in diesem Buch nicht nur den harten
Kern" der Haupfvertreter, sondern auch die
Separatisten" und Maler der zweiten und dritten
Welle, ia selbst die Alleriüngsten, die Enkel-
generation aus der Schule Rudolf Hausners. Der
knappe und lesenswerte Text wird durch
ausgezeichnetes Bildmaterial in Farbe und
Schwarzweiß hervorragend ergänzt. Der wissen-
schaftliche Apparat ist nicht zu klein ausgefallen,
und das Literaturverzeichnis läßt erkennen, daß
diese Wiener Spielart bereits ein weltweites
literarisches Echo gefunden hat. lm Rahmen dieser
literarischen Arbeiten nimmt Muschiks Werk iedodt
den Rang eines kompetenten und authentischen
Opus Optimum ein.
AMK-Prädikat Für den Graphiksammler und
Bibliophilen besonders wertvoll. Wilhelm Mrazek
Franz Kumher, Monographie mit einer
Einführun von Andre Ficus, Delp'sche Verlags-
buchhand ung, München 1974, 56 Seiten
Eine Monographie über den 1927 im Banat geborenen
und zur Zeit in Hildesheim lebenden Maler und
Graphiker, der weder an einer Biennale noch
an einer großen Kunstmesse teilgenommen hat
oder sonstwie extravagant aufgefallen ist.
Sicher ein Risiko für einen Verlag, aber ein Risiko,
um das man Kumher und andere in der Reihe
bildende kunst" bei Delp erschienene deutsche
Maler und Bildhauer nur beneiden kann. Im
vorliegenden Band wird, besonders durch die vielen
Farbwiedergaben der Aquatinta-Radierungen von
Phantasiemaschinen, bestätigt, daß Qualität
nicht nur bei den wenigen, die die Aufmerksamkeit
auf sich zu lenken verstehen und die immer wieder
von Zeitungen und Galerien erkoren werden,
zu finden ist. Hier wird einem intensiv arbeitenden
und strebenden Künstler die Möglichkeit geboten,
an einen weit größeren Kreis heranzukommen,
als es ihm sonst allein mit seinen Ausstellungen
möglich ist.
30 Abbildungen, wovan zahlreiche farbig sind,
geben uns einen Überblick vom Schaffen Kumhers.
Die Einführung, von einem älteren Kollegen
geschrieben, ist persönlich und eher feuilletonistisch,
Fachstimmen ergänzen iedoch sehr vorteilhaft
diesen Text. Die üblichen Anmerkungen über
Werdegang, Ausstellungen und Publikationen
beschließen den Band
AMK-Prüdikat Moderne Kunst. Informativ, vor
allem für alle Museums- und Ausstellungsleiter.
Alois Vogel
89
Österreichisches Museum für angewandte Kunst
Spielkarten und Kartenspiele
Schriften der Bibliothek 10
Ausstellungsraum der Bibliothek
und Kunstblättersammlung
Altes Haus, 1. Stock,
1010 Wien, Stubenring
28. 5.-1. 9. 1974
lst Österreich ein Land der Kartenspieler? Dem
hier Aufgewachsenen, Eingesessenen stellt sich
diese Frage erst gar nicht. Er weiß vom unwider-
stehlichen Hang des Knaben zum Spiel mit den
Karten in versteckten Hinterhöfen, vom einfach-
derben Kartendreschen in Wirtsstuben und
Pensianistenlauben heimischer Parks, vom Bridge-
klub der Bürger und den unzähligen Varianten der
Kartenspiele und Spielgelegenheiten bis hinauf zum
Cercle privee der High-Society. Allen gemeinsam
ist die Freude am Spiel mit den Karten. Nichts
interessanter also, als einiges über Herkunft und
Wesen dieses weitverbreiteten Spiels zu erfahren.
Einmal mehr öffnete sich die schier unerschöpfliche
kleine Schatzkammer" der Bibliothek, um eine
homogene, von Frau Dr. Hanna Dornik-Eger klar
eingerichtete Schau freizugeben. Vam Buchbinder
des Hauses, Herrn D. Scholz, wurde ihr dabei
vorbildlich assistiert. Von der Presseführung der
Porzellanmacher" Spurey herübergekommen,
stand man plötzlich in einer ganz anderen Welt,
vor Kleinwerken exzellenter graphischer Kunst und
war sehr beeindruckt. Und dann wird man viel
tiefer in das Wesen der Kartenspiele eingeführt,
als man annehmen kann. Da ist das Auf und Ab
einer Entwicklung, die zeitweise voller Dramatik ist,
und der Spielkartenkundige von heute ist erstaunt
zu hören, daß es Verbote gab, daß man
Spielkarten verbrennen ließ. Viterbo, 1376,
bedeutete einen der schwärzesten Tage für die
Anhänger des teuflischen" Spiels, ein generelles
Spielverbot stoppte alle damit verbundenen
Freuden. Weitere Erschwernis des Ansehens der
Spielkarte war, diese eher als nutzlosen Gebrauchs-
gegenstand zu klassifizieren. Als Wegwerfware",
wenn benützt und abgenützt. Um so beträchtlicher
daher der Wert erhalten gebliebener, über die
Jahrhunderte auf uns zugekommener Kartenspiele.
lm 14. Jahrhundert, vermutlich aus dem Orient
nach Europa gekommen, breitete sich das Spiel
mit den Karten vorerst über Italien, Frankreich
und Deutschland nach und nach in ganz Europa aus.
Sein Siegeszug war durch anfängliche Verbote
nicht nur nicht mehr aufzuhalten, im Gegenteil,
man huldigte gerade diesem Spiel mit besonderer
Spiellust, ia geradezu mit Fanatismus. So besteht
auch heute unverrückbar eine unabsehbare
Gemeinschaft derer, die sich diesem Spielvergnügen
hingeben, dem die Besessenheit ebenso innewohnt
wie das galante Tändeln der Welt des Ancienne",
in der über gefächerten Kartenblättern hinweg
dereinst und auch heute noch amauröses Blick-
eplönkel die Lust am Kartenspiel erhöhte.
Spielkarten und Kartenspiele sind somit von
ihrer Anlage her sowohl künstlerische und
kulturgeschichtliche Dokumente wie auch von ihrer
vergnüglichen Verwendung her gesehen Obiekte,
die Lust ebenso wie unersöttliche Sucht wenn einer
vom Spielteufel besessen ist hervorzurufen
imstande sind Abb. 2.
Linde Waber
Farbholzschnitte 1971-1974
Katalog Neue Folge Nr. 31
Altes Haus, Säulenhof
Wien Stubenring
1.-31. 8. 1974 14 Tage verlängert
Wie das natürlich gefaserte, genarbte Holz unter
ihren Schnitten steht im Grunde ihres Wesens die
schlichte Einfachheit ihrer ländlichen Herkunft.
Und sie, die stets mit einem Lächeln, das sie aus
den Wäldern ihrer Kindheit herübergerettet
zu haben scheint, in dieser Stadt lebt und arbeitet,
meint, daß sie die Großstadt krank macht"!
und meine eigene innere Landschaft entspricht
dieser Situation". Linde Waber, auf Feldern und in
Wäldern frei aufgewachsen, prallt unmittelbarer
obwohl sie lange genug schon in der Betonsauna
Stadt lebt an Einengung, Verbauung, Verfall,
90
Morbidität und Pseudotümelei. Hier liegt ihr
künstlerischer Ursprung, ihr Ankämpfen, ihr echtes
human-künstlerisches Engagement. Sie prangert
in der harten Kunst des Holzschnittes hart die
allmähliche Auflösung letzter, naturhafter Zustände
dieser Welt an. Sie charakterisiert mit der
Darstellung der so tausendfach toten Welt eines
Autofriedhofes" nichts anderes als das unauf-
haltsame tödliche Verrosten der menschlichen
Gesellschaft, verstrickt in die Hybris alleszer-
fressender Technisierung. Linde Waber sieht mit
Entsetzen, wie schön" die Stadt wächst und das
so lebensnotwendig soziale Grün" eingeengt,
zugebaut, verzementiert wird. In ausgewogenen
Kompositionen offenbart sich eine reiche Thematik,
Okzidentales scheint ihrem Wesen wie ihren
Arbeiten zu entströmen. Reisen, mehrere nach
Japan, nach Afrika und gelegentliche Heimfahrten'
ins Waldviertel schenken neue Eindrücke, eröffnen
neue künstlerische Bildwelten. Manchmal sieht
die Darstellung ihrer Welt seltsam verzerrt,
vertrackt aus, so wie sie sie im Grunde wahr und
bloßgelegt, in ihrer skelettartigen Ursprünglichkeit
erkennt und sdmeidet. Jedes Blatt ein reiches,
spannungsgeladenes Feld markanter, spontan,
doch bewußt gesetzter Balken, Linien und Schraffen,
die tiefe, svmbolgeladene Räume mit realitäts-
bezogenen Akzenten schaffen. Linde Waber wird
von nidit wenigen nicht recht verstanden. Obwohl
nicht als Abstrakte" abgestempelt, schneidet sie
vielen zuwenig wahre, sag realistische Natur in
ihre Holzschnitte. Doch das hindert eine Linde
Waber nicht, sich zu engagieren, auf die Barri-
kaden zu steigen, wenn sie das langsame Krepieren
der Stadt bedrückt. Außerdem ist oder scheint sie,
Liesl Uivary zufolge, zu den Menschen zu gehören,
die unter anderem immer ein fröhliches Naturell
zu haben scheinen bei allen beliebt zu sein
scheinen nie in Schwierigkeiten zu stecken
scheinen und die siehe oben nie gekränkt zu
sein scheinen und die trotz allem mit sich und
der Welt zufrieden zu sein scheinen .1 Abb.
Keramische Farmen
Werke von sieben britischen Keramikern
Crafts Advisory Committee, London
British Council, Wien
Altes Haus, Eitelbergersaal
Wien Stubenring
13. 9.-13. 10. 1974
Eine bohemienhaft wirkende Gruppe, mit Bier-
gläsern und Zigaretten, kommuniziert als Plakat-
träger. Lebendig, lebensnah frischen Wind aus
Old England mitbringend. Sieben unkomplizierte
Youngster aus dem Swinging London" konnte
ein allem Neuen aufgeschlossener Direktor,
Hofrat Prof. Dr. Wilhelm Mrazek, im Haus begrüßen.
Er tat dies mit Dank an die mitveranstaltenden
Institutionen und Genugtuung, weil er im Austausch
und in der wechselseitigen Präsentation iedweder
künstlerischer Äußerungen ein willkommenes Mittel
sieht, gute Tendenzen zu vermitteln, heimischen
Künstlern und Kunsthandwerkern frische lntentianen
und frisches Blut zuzuführen, und umgekehrt.
Er empfindet die Existenz des CAC Crafts
Advisory Committee, eines konstitutionierten
Beratungsausschusses für Kunsthandwerk in London,
als fruchtbringend und als eine für Österreich
wünschenswerte Einrichtung. Ob's dazu kommen
wird?
Glenys Bartan, Paul Astbury, Jacqueline Poncelet,
Elizabeth Fritsch, Jill Crowley, Geoffrey Swindell,
Gordon Baldwin, so heißen sie, die sieben iungen
Briten, die keramische Formen zeigten. Die
Betonung liegt auf Formen, was auch gleich eine
Signifizierung ihrer Arbeiten bedeutet. Sieben
Töpfer-Individualisten, ein orthodoxes Studium
an der Londoner Royal Academy hinter sich, die,
keinerlei Anspruch auf Arriviertheit erhebend,
in nach neutraler Selektion zustande gekommener
Gruppe eine partielle Demonstration kontemporörer
britischer Keramik darstellen. Beim ersten Um-
blicken fällt tatsächlich der frische unkonventionelle
Zug auf, der durch die Schau geht. Man registriert
geometrische Komponenten, Futuristisches, wie das
devastierte Wrack eines Raumschiffes, Felsen
aus schwarzem" Anti-Porzellan, zartest-graviertes
Weißporzellan mit kleinen Löchern, eine verspielte,
lustig anmutende Teekannenherde" neben
handkofferartigen Schöpfungen und uns in der
Form bekannteren" gebräuchlicheren Objekten
in leichter, neuartiger Bemalung. Was doch auf-
fällt, daß trotz des Titels mit Hauptgewicht auf
Formen nicht wenige Arbeiten doch dem gängigen
Formenkanon einzuordnen wären, was durchaus nicht
heißt, sie stünden deswegen im Offside". Was
einem nach dem Verlassen der Ausstellung erst
auffällt, man hat vergessen obwohl man es
wollte danach zu schauen, was von Mann und
was von Frau geschaffen wurde. Ach ia, am Plakat
entdeckt man's wieder die Damen, deren vier,
waren in der Überzahl. Aber sonst, von den
Arbeiten her, waren es einfadi sieben iunge Briten,
deren freibildnerisches und experimentelles Schaffen
einiges für die Zukunft erhoffen läßt Abb. 6.
Außerhalb des Stammhauses
Metallarbeiten des Historismus
SchloB Grafenegg bei Krems
Auch im heutigen Sommer bis hinein in den Herbst
4. 5.-1. 11. 1974 waren über die bisher gezeigte
Sammlung galvanoplastischer Kopien des 19. Jahr-
hunderts hinaus weitere Metallarbeiten, diesmal
aber Originale, gleichfalls des 19. Jahrhunderts,
aus dem Besitz des Museums hier ausgestellt.
Wenn man weiß, wie alle diese Metallarbeiten
trotz sorgfältiger Betreuung durch FOl Fr. Steiner
ein lichtloses" Dasein in Flurdepots fristen, dann
kann man es nur gutheißen, daß diese zu Demon-
strationszwecken ans Tageslicht geholt und wie in
Schloß Grafenegg einen stilgemäßen würdigen
Rahmen und wenn auch nur vorübergehend
Publikumsinteresse und Beachtung finden.
Hofrat Dir. Prof. DDr. Gerhart Egger wollte hiermit
die künstlerische Situation des Historismus etwas
ausleuchten, weiß man doch, wie groß die
Bedeutung dieser Galvanos als Vorbilder für den
Künstler des Historismus gewesen ist. Bei dieser
nun erfolgten Gegenüberstellung von Original und
Kopie sollte auf die Parallelität des künstlerischen
Vorgangs aufmerksam gemacht werden, denn der
Künstler des 19. Jahrhunderts sah ia nicht in der
strengen Gesamtkopie sein Ideal, sondern darin,
aus einzelnen kopierten Teilen neue Obiektformen
zu schaffen Abb. 7.
Schmiedekunst in Österreich
Neues Museum Alte Hafmühle
HollabrunnfNiederösterreich
Eine Museumsgründung im niederösterreichischen
Raum bot willkommene Gelegenheit, aus den
Sammlungsbestönden des Hauses Schmiedekunst
in Österreich" unter die Leute zu bringen. Immer
und immer wieder ist es allererste Aufgabe des
Museums, mit den Kunstgütern der Vergangenheit,
wenn sie es verdienen, das Gegenwartsschaffen
zu befruchten und die große Linie der Entwicklung
fortzusetzen. Momentan hat ein moderner
Schmiedekünstler, Sepp Auer, eine Ausstellung
hier im Stammhaus eröffnet, und priori erkennt
man sofort, wie selbstverständlich dieses Zurück-
greifen auf Schaffensweise und Tradition gerade
bei diesem uralten Handwerk ist. Hofrat Prof.
Dir. Dr. Wilhelm Mrazek stellte gerne dem Neuen
Museum in Hollabrunn einen Teil der Sammlung
des Museums zur Verfügung. Er bearbeitete
zusammen mit FOI Steiner, der die schmiedeeisernen
Objekte schaureif machte, die Auswahl und
stellt dazu fest
Die Sammlung des Museums, eine der bedeutend-
sten in Osterreich, wurde ausschließlich im
vorigen Jahrhundert zusammengetragen. Sie
sollte den Kunstschmieden und Kunstschlossern
Vorbilder für die eigene Produktion liefern.
Die für Hollabrunn getroffene Auswahl zeigt
daher einen Uberblidc über das Schaffen dieses
Handwerkszweiges von der Spötgotik bis zum
Hochbarock. Alle Beispiele zeichnen sich durch
Schönheit und Gediegenheit aus und lassen
erkennen, daß die Schmiede und Schlosser in
Jahrhunderten schöpferische Phantasie und
ltungskraft besaßen
lsterreichische Museum konnte daher sowohl
Statuten gemäß wie auch dem Zug der
llgend, kulturellen Bestrebungen neue Räume
ielegenheiten der Präsentation zu schaffen,
erecht werden.
iieses Neue Museum Alte Hofmühle über
Beitrag des Hauses hinaus eine Keramik-
iung, eine Studiengeschichtliche Sammlung,
terreichisches Rarissimum einzig dastehend,
kt mit Obiekten studentischer Lebens-
urig, und eine Franz-von-Zülow-Sammlung
ist, ist ein Verdienst von Wiss. OR Dr. Hubert
von der Österreichischen Galerie, der mit
erieller Hilfe von Anbeginn an, als man
iber Ziegelberge klettern mußte, die
'en vorantrieb, wa er nur konnte. Er kann
ER Honaratioren der Stadt auf eine gute
imsgründung stolz sein. Uns scheint, daß an
leinem Wochenende Samstag, sonn- und
xgs, auch im Winter, ein Besuch dieses
ssanten Neuen Museums recht anregend
önnte Abb. B. Leopold Netopil
nrseiller Tcrock", VIII, Lo Jusiice die Geredmligkeiü,
nnheim, Joh. Nonmur, Z. H. 1B. Jh. UMK-K. I.
3941171
wansformahonskorve, 5. G. Coha, 1807. Entwurf W.
üsliun Fober du Faur. UMK-K. I. 1313901146
de Weber, Elngeengles Grün, 197172, Furbhohsdmiü
de Weber, Frieden und Forischriff", 1971, Farbholz-
niH
ben brivische Töpfer aus London
sen m5! künstlichen Schlchlen, Dcvid-Leuch-Verfuhren.
msmzides PorzeHun, Kabul! und Exsen
neß Grufenegg Allegorie au! den wein, wien, man
König. Brßnle, gegossen von HcnusclmUslerreichisches
seum m. angewandte Kunev, UMK-lnvßNr. Br. 44a
ues Museum Alle Hofmühle, HoHobrunnlNU Ausv
wgeschild eines Hufschmiedes, Usßerreich, 1688. Öster-
chädää; Museum für ungewondie Kunst, UMK-lnv.
KUNSTHAUS AM MUSEUM
CAROLAVANHAM
GEMÄLDE KUNSTVERSTEIGERUNGEN ANTIQUITÄTEN
D5 KÖLN, DRUSUSGASSE 1-5, TEL. 238137
Kunstauktionen
März, Juni und Oktober.
Sonderauktion
außereuropäjsche Kunst
und archäologische Funde
im November.
Katalog auf Anfrage
Wechselnde Ausstellungen.
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Einzelstücken jederzeit
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Züricher Wellenschrank, H. 187 cm, B. 153 cm, T. 56 cm. Schätzpreis DM 5000.-
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Tradition 1973 Fortschritt
Wagner'sche Univ.-Buchdruckerei Buchroithner 81 Co., Innsbruck, Erlerstraße 5-7 Telefon 05222129761
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München Brienner Straße 14 Almeida-Palais, Telefon Ü89l28 3011
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23.124. April 1975
25426411111 1975
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015 Pr-
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y. ßiks-'L1likdlßsv .4... 41......
-..;.4.41
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Kunst und Kunstgewerbe
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l., Bräunerstraße 12 Dorotheergasse 15 -Telefon 52 89 84 und 52 89 85