Dan letz Drittel 17. Jh.
Meist eter cde, 26,5 cm
xfryxxxwfßßldglßßß Kßäxlißxßßi
Jzwwßmzgaxxfxlk
ln Geldgeschäften sind wir Spezialisten.
Aber das heißt noch lange nicht, daß wir
deswegen aufandere Dinge vergessen
auf die Umwelt,aufEinrichtungendie uns
allen zugute kommen,vvie Krankenhäuser,
U-Bahn, Bäder,Wohnungen ..
Und auf alles, was unser Leben verschö-
nern kann.
Wie zum Beispiel Kunst.
Eroffnung der Ausstellung "Ostevrewchische Glaskultur" der Z-Zwelgslelle
Wien Operngasse 8. DIGSB WanderaussteHung zeig! Exponate des Öster-
relchnschen Museums für angewandte Kunst und ist vom 30. 6. brs 25. 7.
1975 der Z-Zweigstelle Wuzn Schnttenring1 Privalkontenstelle. vom
28. 7. 29.8.1975in der Z-Zweigstelle Wien 15, Sparkassenplatz und
anschließend weiteren Z-Zweigslellerw der Bundeshauptstacit zu sehen.
Wir präsentieren heuer in unseren Zweig-
stellen ca. 80 Ausstellungen von Wiener
Kunstlern und von Wiener lVluseen.
Weil vvir nicht irgendein Geldinstitut sein
vvollen.
ZENTRALSPARIASSE
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inge asonbaum, vvuen graben telefon 52 39 99
art n0uveau art deco
modernes
kunsthandvverk
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KUNST und ANTIQUITÄTEN
C. BEDNARCZYK
speziell
erlesenes Kunstgewerbe
des 18. Jahrhunderts
140 kUHSf
olte und moderne Kunst 20. Jahrgang 1975lHeff140
Robert Waissenberger
Wiener Veduten Rudolf von Alts im Besitz
des Historischen Museums der Stadt Wien
Handzeichnungen und Aquarelle ..
Gode Krämer
Johann Liss, ein deutscher Maler des Barock
Zur Ausstellung des Lebenswerkes des Künstlers
in Augsburg und Cleveland .. 11
Franz Wagner
Zur Wiedereröffnung der Salzburger Residenzgalerie .. 18
Hilde Zaloscer
Die Bedeutung der bildenden Kunst
im äuvre von Thomas Mann .. 24
Franz Wagner
Egon Schiele im Münchner Haus der Kunst 31
Wolfgang Lampert
Egon Schieles Wiener Zeit-
seine Ateliers und seine Begegnungen .. 33
Künstlerprofile .. 36
Bernhard Hollemann von Alois Vogel .. 36
Karl Reißberger von Wilhelm Mrazek 37
Aktuelles Kunstgeschehen 38
Für den Kunstsammler P4 .. 44
Österreichische Glashütten zur Barockzeit
von Wilhelm Mrazek .. 48
Österreichisches Museum für angewandte Kunst .. 50
Bildnachweis .. 47
Titelbild Egon Schiele, Doppelbildnis Heinrich und Otto Benesch,
1913. Öl Kat. Nr. 50. Auf der Ausstellung in München, Haus der
Kunst, 22. 2-11. 5. 1975 Familiengruppe des Zwerges Seneb, 6.
Dynastie, um 2500 vor Christus
Berichtigung eines Beitragstitels zu Heft 139, S. 14
Der Beitrag von Franz Windisch-Graetz muß anstatt Kunstmöbel aus
dem Stift Kremsmünster" richtig Kunstkammermöbel aus dem Stift
Kremsmünster" lauten!
Richtigstellung im Index 1975 für Verweise, Zit. u. ä.
Herausgeber Kurt Rossacher Eigentümer und Verleger AMK-Verlag,
A-5024 Salzburg, lmbergstraße Postfach 12, Telefon 06222 73731.
Redaktion Wilhelm Mrazek Chefredakteur, verantwortlich für den Inhalt;
Franz Windisch-Graetz Kunstgeschichte, Peter Baum Wiener Kunstkritik,
Alois Vogel Bundesländerberichte, Leopold Netopil graphische Gestal-
tung, lmprimatur; alle Österreichisches Museum für angewandte Kunst,
A-101O Wien, Stubenring Telefon 0222 725696 und 0222 725697.
Zweigredaktion Salzburg Kurt Rossacher Gesamtgestallung, Franz Wagner
Salzburger Kunstkritik, alle A-5024 Salzburg, lmbergstraße Postfach 12.
Herstellung Wagnefsche Uniw-Buchdruckerei Buchraithner Co., Innsbruck.
Für unverlangte Einsendung von Manuskripten oder Fotos wird nicht gehaftet.
Preis ab 1975, inkl. Porto Jahresabonnement, Nummern davon ein Dop-
pelheft, öS 495.- inkl. Mehrwertsteuer, DM 70.-, sfr 82.-, Lit 17.000.-. Ein-
zelheft öS 85.- inkl. Mehrwertsteuer, DM 12.-, str 14.-, Lit 2800.-.
Rotes 1975, second class mail included subscription or issues per anno,
211.-, US 28.- by oir US älä 43.-, single issue Q2.-, US 95 5.- by air
US Q3 7.-.
Vertrieb WUB, A-6010 Innsbruck, Erlerstraße5w7, Postfach 211. Bank Credit-
anstalt, Filiale Innsbruck, Konto Alle und moderne Kunst", Nr. 89-53291.
Anzeigen AMK-Verlag. Erscheinungsort Innsbruck.
Ausstellung "Kontraste"
der Rank Xerox Austria Ges. m. b. H.
Einen echten Beitrag zur Kunstförderung
in Österreich leistete die Rank Xerox Austria
Gesellschaft m. b. H. mit dem von ihr
ausgeschriebenen Zeichenwettbewerb 75
Kontraste? Aus den 2000 Zeichnungen von
ca. 480 Künstlern ermittelte man durch eine
namhafte Jury drei Hauptpreisträger und
acht Anerkennungen.
Die in sechs Städten gezeigte Auswahl von
80 Zeichnungen aus dem Wettbewerb ist H3
Wien, Linz und Villach nun noch an drei
Orten zu sehen
Innsbruck, Kongreßhaus 29.8.-14.9.1975
Salzburg, Traklhaus 26. 9.e19.10.1875
Graz, Opernhaus. Redoutensaal
24.10.-9.11.1975
Robert Waissenberger
Wiener Veduten Rudolf
von Alts im Besitz des
Historischen Museums der
Stadt Wien.
Handzeichnungen und
Aquarelle.
Rudolf Alf, Blick auf Wien vom Leopoldsberq,
1833. Aquarell, ?4,9x 36,9 cm. HM lnv.-Nr. 23.906
Es braucht wohl nicht besonders betont zu wer-
den, welche Bedeutung der Bestand an Werken
der Familie Alt, im besonderen von Werken
Rudolf von Alts, für das Historische Museum der
Stadt Wien hat. Man weiß, wie groß die Anzahl
der bisher nicht erfaßten Werke ist, die dieser
Maler geschaffen hat und mit welcher Intensi-
tät er immer auf sein Thema eingegangen ist.
Es war die Stadtvedute, die minuziös genaue
Darstellung von Architektur und Landschaft, mit
welcher Rudolf von Alt, den man vorzüglich als
Aquorellisten zu schätzen gelernt hat, seinen
Namen erhalten und bewahrt hat. Offenbar
brauchte er nie lange, um sich in den Charak-
ter einer Landschaft einzuleben, er notierte und
malte, auch auf seinen Reisen, wie es sein Ge-
genstand erforderte. Das Reisen war für die
Erweiterung seines Horizontes wichtig, doch blieb
sein zentrales Thema letzten Endes doch Wien
schied zu diesen seine Umwelt auf eine heitere,
aber auch skeptischere Art betrachteteß. Und
doch, wenn man solche Überlegungen anstellt,
könnte man letzten Endes vermuten, Alt sei nur
ein Ersatz für einen Fotografen gewesen, der
sauber notierte und das Gesehene auf solche
Art überlieferte. Das Malen von Veduten, das
Festhalten von Situationen im Stadtbild, aber
auch von lnterieurs war sein Beruf. Nicht zuletzt
hat er sich damit sein Geld verdient. Doch was
er damit für Wien schuf und was er daraus
machte, war mehr. Es wäre falsch, ihn von An-
fang an einen lmpressionisten zu nennen, ob-
wohl er vor der Natur malte. Insofern schloß er
ganz an seine genannten Vorgänger an, als er
anfangs gar sehr eine durchaus obiektive Art der
Darstellung und dagegen iede persönliche Emp-
findung, seine eigene Stimmung, zurückzudrän-
gen suchte. Es entstand also eine genaue, durch-
Rudolf All, Blick auf Wien vom Heumarkt,
Bleisliflzeichnung, uquurellieri, 19,9x70,4
HM lnv.-Nr. 17.665
Das wird in allen Schriften über ihn betont, und
es sind auch genug Aussprüche des Malers selbst
überliefert worden, mit denen dies bestätigt
wird. Der Stephansdom war sein Lieblingsmativ,
ihn stellte er von allen seinen Motiven am öfte-
sten dar. Also rühmt man neben der allgemein
kulturgeschichtlichen besonders die lokalge-
schichtliche Bedeutung seines Werkes, vor allem
die liebevolle Umständlichkeit", mit der er seine
Ansichten wiedergab l.
Das Wort von der Liebe zum Gegenstand ist bei
Alt richtig am Platz. Vor allem das alte Wien
bedeutete ihm viel, das um die Mitte des Jahr-
hunderts noch nicht mehr als 400.000 Einwohner
hatte und dem er, nach all den vielen Verände-
rungen baulicher Eigenart, nachtrauerte. Er fühl-
te sich eins mit dieser Stadt, wenn man ihn,
diesen Nachklang des biederen Winzigmalers
Wigand", rief, um neue, veränderte oder von
Veränderung bedrohte Winkel der Stadt im Bilde
festzuhalten. Dach wie man ihn mit Wigand
vergleicht, so rühmt man in ihm den Nacheiferer
eines Thomas Ender, aber auch eines Salomon
Kleiner, Carl Schütz, Johann Andreas Ziegler
oder Laurenz Janscha, der allerdings im Unter-
aus gekonnte Wiedergabe des Gesehenen, wenn
auch keine sklavische Replik. Man spürt in al-
len Blättern die positive Einstellung z-ur Sache.
Architekturdetails nachzuspüren, bereitete ihm
beispielsweise sichtlich ein Leben lang Behagen.
Zwar hat er, wie schon festgestellt, geradezu un-
zöhlige Male den Stephansturm dargestellt,
doch verstand er es, den Ergebnissen immer
wieder eine andere Note zu geben! Er erlaubte
sich keine Flüchtigkeit und stand immer souverän
über dem Gegenstand, abwohl er sich ihm in
großer Treue verpflichtet fühlte. Vielleicht ist es
auch nicht falsch, zu sagen, daß die Wiener
Blätter mit einem noch größeren Engagement
geschaffen, zumindest aber mit noch größerer
Überzeugungskraft ausgestaltet sind als iene,
die auf Reisen entstanden. Dafür gäbe es eine
Erklärung Der Lebensraum, in dem sich der
Künstler bewegt, kommt in der Darstellung un-
mittelbarer und dichter zur Geltung, als das nur
kurz, wenn auch nicht unbedingt flüchtig Er-
schaute kommen könnte.
Das Historische Museum der Stadt Wien verfügt
über mehr als siebzig Aquarelle und Zeichnun-
gen Rudolf von Alts, die ausschließlich die Wie-
Anmerkungen 1-3 4-85
lK. Malkon in Kindlers Malerei-Lexikon, Bd.
m4, s. 72. Entgegen der allgemein vertretenen A.
sung Sehe ich in RuctQlf Alt doch in erster Linie
Zeichner und nicht den Maler. Er dachte nicht ir
malerischen Fläche, sondern er kolorierte". Er
zumeist mit spitzem Pinsel, der iltm solcherart Zeiche
oder Feder ersetzte. Daß dies den topographischen
seiner Arbeit steigerte, ist WOlll verständlich.
Ludwig Hevesi, Rudolf Alt, Wien l9l0, S. 65 und 72.
Ludwig Münl, Rudolf VDI! Ält, Wien T954.
ner Vedute zum Gegenstand haben. Zuerst sei
iene breitformatige, aquarellierte Zeichnung an-
geführt, iener Blick auf Wien", der mit dem
i. Oktober 1870 datiert ist und eine topogra-
phisch genaue Aufnahme der Inneren Stadt,
über den neu angelegten Stadtpark hin gesehen,
zeigti ln der Mitte der "nur mehr oder weni-
ger zeichnerisch ausgeführten Darstellung des
Parks sieht man die Karolinenbrücke. Ganz links
im Bild ist die Karlskirche mit dem Fruhwirt-
haus sowie der Verlauf des noch nicht über-
deckten Wienflußbettes dargestellt, weiters das
Gebäude des akademischen Gymnasiums und
sodann breit die Front der Hätuser in der Jo-
hannesgasse sowie das Gebäude des Kursulons
davor. Ganz in der Ferne ist die Hügelkette der
Wienerwaldberge erkennbar, ebenso deutlich im
Stadtbild die Türme der Michoelerkirche und der
Franziskanerkirche sowie die Fassade des Palais
ter iedern Dombaumeister umlernen". Und er
notierte gewissenhaft sehr wohl iede Verände-
rung, beispielsweise also auch die Eingerüstun-
gen der Turmspitze in den beginnenden vierziger
Jahren des 19. Jahrhunderts oder die Hinzufü-
gung des Langhausgiebels unter Dombaumeister
Leopold Ernst.
Aus dem gleichen Jahr 1832, in dem Alt sein
erstes Ölgemälde im Besitz der Österreichischen
Galerie von der Ansicht des Stephansplatzes
schuf, entstand das Aquarell vom Stock-im-Eisen-
Platz mit dem Stephansdom und dem seltsam
verdickten Turm im Besitz des Museums Das
geschah in einer Zeit, als Alt die Proportion des
Bauwerks noch nicht im Griff hatte 6. Doch schon
bei diesem Blatt legte Rudolf von Alt großen
Wert darauf, den Platz vor der Kirche mit Genre!
szenen zu bereichern, vor allem erscheint auch
hier, wie öfter bei ihm, die Darstellung einer
lnv.-Nr. 17.665. Blick auf Wien vam Heumarkt,
rellierte Bleistiftzeidmung, 19,9x 70,4 cm. Hevesi,
O., S. 67168, Alfred May, Wien in alten Ansichten,
i-Salzburg 1965, Tafel 109.
si, a. a. O., S. 65.
lnv.-Nr. 106.499. Stephansplatz, Aquarell. 216x363
iign. u. dat. r. u. M. Rudolph Alt 1832".
lnv.-N 30.535. Edce des Laianskyschen Hauses auf
sen-Platz, Bleistiftzaichnun 44,7 14,4 cm.
30.530. Teil dar Stephans irche und des
15k schon Hauses, Bleistiltzeichnun 25x39 cm.
am unteren Rand signiert. v. Alt".
Coburg. Die Kuppel der Peterskirche ist zu se-
hen und beherrschend der Turm von St. Stephan.
Ebenso sind der Turmhelm der Kirche Maria am
Gestade, die Türme der Jesuitenkirche und als
Ganzes die Dominikanerkirche sichtbar, und weit
rechts im Bild, im Bereich der später errichteten
Postsparkasse, die Franz-Josephs-Kclserne. Das
Blatt ist aus Teilen zusammengefügt, entstammt
vielleicht also einem Skizzenbuch. Eine zweite,
in einem höheren Maß durchgemalte Fassung
des Blattes ist kürzlich, in Wiener Privatbesitz
befindlich, bekanntgeworden.
Falls innerhalb des Bestandes des Historischen
Museums an Blättern Rudolf von Alts überhaupt
Prioritäten gelten können, handelt es sich bei
dieser Zeichnung um eine der wichtigsten.
Weiters gibt es also eine Fülle von Darstellun-
gen, die sich ganz oder teilweise mit der Ste-
phanskirche bzw. mit dem Stock-im-Eisen-Platz
in Wien befassen. Hevesi bezeichnete den Wie-
ner Dom als Alts bauliches Ideal und Herzens-
kind". Er hätte ihn über hunderte Male gemalt,
wußte ihn auswendig, habe ihn trotzdem aber
niemals aus dem Gedächtnis oder gar nach
einer Fotografie dargestellt. Er mußte aber un-
Fronleichnomsprozession. Der Platz wirkt weit
offen. Gut erkennbar ist das von Rudolf von Alt
ebenfalls häufig gemalte Laianskysche Haus,
das dem Dom gegenüberlag. Davon besitzt das
Historische Museum eine schmale, hohe Bleistift-
zeichnung, auf der unter anderem auch ein Ge-
schäftslokal Zum silbernen Kranze" erkennbar
ist. Aus diesem Blatt vermag man Rudolf von
Alts Technik des Zeichnens gut zu erkennen. Er
schuf sich Fixpunkte in der Linienführung, von
denen weiterzuzeichnen ihm nicht schwerfieV.
Auf einer weiteren Bleistiftzeichnung des Histo-
rischen Museums sind ebenfalls der Stephans-
dom und das Laianskysche Haus zu erkennen,
einer Skizze, die offenbar als Grundlage für ein
Aquarell oder Gemälde diente, da Alt genaue
Farbnotizen darauf anbrachte". Möglicherweise
hielt er mit diesem Blatt zum ersten Male die
Ansicht nach dem Ausbau der Langhausgiebel
fest und studierte so bei dieser Gelegenheit die
veränderte Situation. Es könnte das Blatt dem-
nach frühestens aus dem Jahre 1855 stammen.
Schließlich verfügt das Historische Museum noch
über zwei weitere Detailstudien des Stephans-
dames, einer Bleistiftzeichnung von der West-
Rudolf Alt, Blick aus der Grabengasse auf den
Stack-im-Eisen-Platz, 1843. Aquarell, 37,6 27 cm.
HM lnv.-Nr. 333
Rudolf Alt, Michaelerplatz Blick zum Alten
Burgtheater, 1889. Aquarell, 39,8x51 cm. HM
lnv.-Nr. 31.259.
nerkungen 9-15
lnv.-Nr. 30.537. Stephansdüm, Westseite, Bleistift-
izle. Z5,1x13,4 cm. Sign. r. u. All", und HM
n-Nr. 105.769. Stephansdorn, Südseile, Aquarell. Qläx
cm.
zvesi, a. a. 0., Tafel 21. HM lnv.-Nr. 333. Blick aus der
abengasse auf den Stock-im-Eisen-Platz, aquarellierte
derzeichnung. 57,6x27 crn. Sign. u. dat. l. u. Rudolf
1843". May, a. a. 0., Tafel 76.
lnv.-Nr. 17.666. Freyung in Wien, Bieistiftzeichnung,
wllenweise aquarelliert. 30,7x51 cm. Sign. u. dal. r. u.
Alt 849". May, a. a. O., Tafel 76.
lnm-Nr. 45811Sicherslellungsbestandl. Der Hatvvih-
seite mit dem Riesentor und ein die Südseite
darstellendes Aquarell, ein undatiertes Blatt, das
iedoch vor dem Aufsetzen der Giebel entstan-
den ist'.
Ein bekanntes, auch aus der Literatur" bekann-
tes Aquarell ist der Blick aus der Grabengasse
auf den Stock-im-Eisen-Platz". Es handelt sich
dabei um eine Mischform aus Federzeichnung
und Aquarell, wobei deutlich Höhungen mit
Deckweiß feststellbar sind. Der Stephansturm
im oberen Teil eingerüstet ist hier beherr-
schend, die Stimmung ist hochsommerlich, sicht-
bar sind abermals das Laianskysche Haus und
die schmale Einfahrt in die Singerstraße. Nicht
unwesentlich ist auch an diesem Blatt die Dar-
stellung der in ieder Beziehung malerisch le-
bendig aufgefaßten Valksszenen.
Einige der schönsten und markantesten Wiener
Plätze hat Rudolf von Alt in einem besonderen
Maß charakterisiert. Die Zeichnung einer An-
sicht der Freyung mit dem Blick gegen Heiden-
schuß und Hof ist durch eine zarte Aquarellie-
rung reizvoll gesteigert". Ganz links erkennt
man die Fassade der Schottenkirche, dann das
Schubladkastenhaus, auch Ludwig Schwanthalers
Austriabrunnen, der wenige Jahre vorher an die-
Stephansturm. Den Platz Am Hof zeichnete Alt,
offenbar zu Studienzwecken, in festlichem Ge-
wand mit Fahnen und Blumen anlößlich der
Feier der Einführung des Dogmos der Unbe-
fleckten Maria 1854. ln der Mitte des Platzes
sieht man Balthasar Herolds geschmückte Säule,
rechts erkennt man auch nach einen der beiden
allegorischen Brunnen von Johann Martin Fi-
scher, die dort standen, sich aber seit 1875 im
Besitz des Historischen Museums der Stadt Wien
befinden
Für die Kenntnis der topographischen Verhält-
nisse des alten Wien ist schließlich auch Alts
Darstellung des Michaelerplatzes mit dem alten
Burgtheater von großer Wichtigkeit. Dieses
Aquarell aus dem Jahre 1889 zeigt links die
Winterreitschule sowie in der Mitte des Blattes
das Gebäude des alten Burgtheaters knapp vor
seiner Abtragung, mithin also den gesamten
Bereich des Michaelerplatzes, der sich kurz nach-
her grundlegend verändert hat u. Hier, wie auch
bei der Darstellung des Neuen Marktes", be-
völkerte der Maler die Szene mit zahlreichen
Figuren". Originell wirkt im Mittelgrund rechts
ein von schweren Pferden gezogener Bierwagen
mit vielen Fässern. Im Hintergrund sieht man
gen essender Mann am Tisch, ihm gegenüber
eine Dame mit einem mit reichem modischem
Putz versehenen Hut und sieht ihm zu. Im Vor-
dergrund erkennt man unter anderem einen
Bosniaken", einen Mann im Straßenanzug, der
aber einen Fez trägt. Im Hintergrund betreten
festlich gekleidete Menschen die Kirche.
Dieses besonders farbige Blatt, das aus Alts
späten Lebensiahren stammt, zeigt also, wie alle
vorher genonntenfdaß sich der Maler in einem
besonderen Maß für das Volksleben interessierte
und nicht einfach nur nach topographischen Wie-
dergaben strebte, die ihm allein zu eintönig er-
schienen wären. Man gewinnt die Überzeugung,
daß ihm die Darstellung solcher Szenen Behagen
bereitete. Einige davon es wird von ihnen
nochmals zu sprechen sein erscheinen gerade-
zu als Kabinettstücke der Genredarstellung und
haben somit für den Historiker besonderen Wert.
Alt hatte für alles Interesse, gleichgültig, ob es
sich um alte Bereiche der Stadt handelte oder
um städtebauliche Neuerungen. Solche festzu-
halten war auch die Aufgabe des Blickes von
der Opernkreuzung in die Kärntnerstraße", eines
Aquarells mit Weißhöhungen, das links das Ge-
bäude der Oper, rechts die Opernkreuzung, im
Hintergrund den Stephansturm zeigt". Rechts in
der Kärntnerstraße ist die Fassade der Malteser-
kirche sichtbar. Auf der Opernkreuzung es ist
vormittags herrscht lebhafter Verkehr, ein
vollbesetzter Stellwagen überquert soeben die
Kreuzung. Oftmals scheint es, daß Alt gerade
noch zum richtigen Augenblick einen Zustand
festgehalten hat, oder aber sich auch beeilte,
eine neue Situation im Stadtbild zu notieren.
Die iReihe der Darstellungen von Ansichten der
Inneren Stadt, die man von Alt kennt, ist also
groß. Bei vielen von ihnen handelt es sich um
skizzenhaft ausgeführte Blätter, gleichsam hand-
schriftliche, topographische Protokolle, van de-
nen sich viele ebenfalls im Besitz des Histori-
schen Museums befinden. Sie überliefern De-
tails, die trotz aller Skizzenhaftigkeit den vollen
Wert der Quelle haben. Manchmal überwiegt
der Eindruck, es handle sich um rasch, wenn
auch mit der für Alt so typischen Sicherheit hin-
geworfene Notizen. Oft genügt es dem Zeichner,
nur die wesentlichen Partien einer Architektur
voll auszuführen. Doch liegt gerade in dieser
fragmentarischen Behandlung des Themas viel-
fach der eigentliche graphische Reiz. Manchmal
lassen die Blätter eine Änderung im Rhythmus
der Darstellung erkennen, was darauf deuten
würde, daß Alt zu einer anderen Stunde oder an
einem anderen Tag abgeschlossen, was er vor-
dem begonnen hat". Zu besonders interessan-
ten Darstellungen gehören solche des Para-
deisgartls mit dem Cafe Corti", des Theseus-
tempels", der Löwelbastei" usw.". Natürlich er-
scheinen andere Blätter, wie ein Blick von der
Herrengasse auf das Gebäude der österreichisch-
ungarischen Bank und das Cafe Zentral, der
Durchgang Bäckerstraße mit der Alten Universi-
tät oder der Blick von der Radetzkybrücke ge-
gen die Franz-Josephs-Kaserne mit dem Franz-
Josephs-Tor, genauer ausgeführt, mehr durchge-
zeichnet und insgesamt also Details besser ver-
mittelnd, als dies die Fotografie imstande wäre.
Insbesondere erkennt man an der zuletzt ge-
nannten Zeichnung eine Front mittelalterlicher
Häuser um Kai sowie im Hintergrund deutlich
den Karnhäuslturm". Ganz nahe diesem Stand-
punkt befaßte sich der Wiener Topograph unter
den Malern und Zeichnern auch mit der Situation
bei der Franz-Josephs-Kaserne und dem Franz-
Josephs-Tor. Auf dem um 1860 entstandenen
Aquarell sieht man links eine Gruppe von Men-
schen, die offenbar den Klängen einer Militär-
kapelle, die hier gerade aufspielt, lauscht".
Auch die Gegend am Donaukanal, am Beginn
der Praterstraße, nahe der Ferdinandsbrücke,
teilweise mit dem Blick auf die Innere Stadt, ist
durch Aquarelle und Zeichnungen Rudolf von
Alts dokumentiert. So besitzt das Museum ein
Blatt, ähnlich dem Aquarell, das schon bei He-
vesi abgebildet", aber erst fünfzehn Jahre spä-
ter entstanden ist. Damit ist einer der Beweise
dafür zu finden, daß Alt zu seinen Motiven im-
mer wieder zurückkehrte, um sie auch in einer
neuen Situation zu betrachten. Die beiden Blät-
ter lassen demnach in besonderem Maß die sich
ständig wandelnde Situation an Donaukanal er-
kennen". Schließlich waren die ehemaligen
Vorstädte überhaupt Gegenstand von Alts Be-
trachtung. So stellte er beispielsweise auch die
Gegend von St. Ulrich dar. Ein wohl gegen
Ende des 19. Jahrhunderts entstandenes Aqua-
rell zeigt eine Ansicht des Faßzieherhauses auf
dem Spittelberg". Das stark farbige Aquarell
vermittelt die Ansicht eines charakteristischen,
angeblich ältesten Hauses des Spittelberges mit
Eckturm, mit einem Fleischerladen und einer Re-
klamehinweistafel Franz Wagner Passepar-
tout-Erzeuger". Die Spittelberggasse fällt rechts
schräg ab. Es ist Vormittags, und die Gasse ist
von Fußgängern belebt.
Eine andere Zeichnung vermittelt den Blick von
der Burggasse gegen den SL-Ulrichs-Platz". Hier
sind im besonderen zwei wichtige Häuser des
alten Wien zu sehen, eines, das etwa im 15.
Jahrhundert entstanden war und in dem sich ein
Gasthaus Johann Statter befand, sowie das be-
rühmte Haus Ulrichsplatz mit der reich gestal-
teten Rokokofassade, auch heute noch eines der
schönsten erhaltenen Wiener Bürgerhäuser aus
der Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts.
Weiters waren das Glacis vor der Josefstädter
Straße sowie die Währinger Straße mit dem
Blick vom Josefinum gegen die Stadt Gegen-
stand von Darstellungen Alts". Schließlich be-
gab sich der Maler auch immer wieder in die
entlegenen Dörfer im Weichbild der Stadt. So
findet sich auch eine offenbar aus einem Skiz-
zenbuch stammende Bleistiftzeichnung von Un-
ter-St.-Veit im Besitz des Museums u.
Doch wie schon bemerkt wurde, waren oft eben
erst entstandene Ba-uten Wiens Gegenstand der
Betrachtungen des Malers. Zunächst hielt er die
Situation des alten Nordbahnhofs in einer Zeich-
nung fest, links eine Straße, die am Bahnhof
entlangführt und an der Bäume stehen; in der
Mitte und rechts ist das Gebäude selbst mit
einem mächtigen Portikus zu sehen. Die Stim-
mung ist winterlic 2'. Ferner stellte Alt aber
auch den Nordbahnhof, gesehen vom Prater-
stern, dar ohne das Tegetthoffdenkmal, das
erst 1870771 entstand und an dessen Stelle sich
ein kleiner Pavillon befand. In gleicher Weise
wie Alt den Nordbahnhof zeichnete, hielt er
auch die Situation beim Ostbahnhof fest". Und
weiters porträtierte" er überhaupt eine Reihe
von Wiener Gebäuden in ähnlicher Weise wie
die Bahnhöfe.
Den Blick in die Wipplingerstraße mit dem al-
ten Rathaus" bezeichnete schon Ludwig Hevesi
als eines der Hauptaquarelle" Alts". Es zeigt
die Fassade des Objekts, rechts wird aber auch
in einer äußerst geschickten Perspektivierung
der engen Straße ein Teil der Fassade der Böh-
mischen Hofkanzlei angedeutet. Beim Tor des
Alten Rathauses steht ein Zeremonienmeister,
und auf das Tor fährt eben der Prunkwagen des
Bürgermeisters zu. Im Fond sitzt Bürgermeister
Uhl. Im Hintergrund ist der sogenannte Ver-
mählungsbrunnen auf dem Hohen Markt des
iüngeren Fischer von Erlach zu sehen. Am Alten
Rathaus sind eben die Dachdecker an der Arbeit.
Das Aquarell hat gioßes Format und fällt in
Rudolf Alt, Freyung in Wien 1849. Bleistiftzeich-
nung, stellenweise aquarelliert, 30,7x51 cm. HM
lnv.-Nr. 17.666
Rudolf Alt, Paradeisgartl mit Cafe Corti. Bleistift-
zeichnung, 16,5x 22,2 cm. HM lnv.-Nr. 30.539
Anmerkun en 16-29
HM lnv.- r. 33.616. Blick van der Opernkreuzung in die
Kärntnerstraße, uarell. 24,6x34,4 cm. Sign. u. dat.
r. u. Alt B76". ay, a. a. 0., Tafel 110.
HM lnv.-Nr. 105.347. Blick über den äußeren Burgplatz in
Richtung Karlskirchel, Bleistift, aquarelliert. 9,5x14,4 cm.
HM lnv.-Nr. 30.523. Freisingergasse, Blick auf den
Bauernmarkt", Bleistiftzeichnung. 20,9x 16,4 cm. Sign.
r. u. Alt". HM lnv.-Nr. 30.536. Blick in die Herren-
gasse, Bleistiftzeichnung. 9,5x13,3 cm. Sigri. v. Alt".
HM lnv.-Nr. 67.996. Türme der Innenstadt, im Vordergrund
Franziskanerkirdie, Bleistiftzeichnung, 17,7 x24,9 cm. Sign. r.
u. All". HM lnv.-Nr. 67.097. Ansicht einer Gasse,
Bleistiftzeichnung, 17,2 10,9 cm. Sign. r. u. Alt".
HM lnv.-Nr. 30.539. Poradeisgartl mit Cafe Corti, Bleistift-
zeichnung. 16,5x22,2 cm. Bez. I. u. Paradeisgartl".
Sign. r. u. Alt". HM Inv.-Nr. 63.415. Theseusternpel
im Valksgarten, Bleistiftzeichnung. 13,4 20,9 cm. Bez. r. u.
TlteseustempeW. HM Inv.-Nr. 5240. Blick vom Paradeis-
gartl auf die Stadt, Bleistiftzeichnung. 16,3 42,2 cm. Bez.
I. u. Alt". HM Inv.-Nr. 6005511. Partie von der Löwel-
bastei bis zur Bellaria, Bleistiftzeichnung. 17,6x24,1 cm.
HM IHVuNV. 105.219. Blidc von der Herrengasse in die
Strouchgasse, Bleistiftzeichnung. 19,5x23,3 cm. Sign. u.
M. Alt". HM Inv.-Nr. 138.587. Durchgang Bäcker-
straße zur Älten Universität, Bleistiftzeichnung. 16,4x21
cm. Sign. r. u. Alt". HM Inv.-Nr. 33.337. Blick von
der Radetzkybrücke gegen das Franz-Josephs-Tor und die
Franz-Josephs-Kaserne, Bleistiftzeichnung. 19,4x33,7 cm.
Sign. r. u. A11".
HM lnv.-Nr. 106.118. Franz-Josephs-Tar und Franz-Joseph
Kaserne mit der Radetzkybrücke im Varder rund, Bleisti
zeichnun 14,2 18,5 cm. HM lnv.-Nr. 05.815. Franz-
Jusephs-Tar und Franz-Josephs-Kaserne, Aquarell. 14,6
21 cm. Bez. r. u. Alt".
Hevesi, a. a. 0., S. 70.
77 HM lnv.-Nr. 106.156. Donaukanal mit Ferdinandsbrücke
und Rotenturmtor. Sepia-Aquarell. 14,7 x20,9 cm. Sign. u.
dat. I. u. Alt B57". May, a. a. O., Tafel 102. HM lnv.-
Nr. 63.412. Untere Donaustraße, Bleistiftzeichnung. 21x
33,9 cm. Sign. u. M. Alt".
HM Inv.-Nr. 17.663. Spittelberggasse mit Faßzieherhaus,
Aquarell. 31 44,6 cm. Nicht sign., nicht dat.
HM lnv.-Nr. 30.532. Blick von der Burggasse gegen den
SL-Ulrichs-Platz, Bleistiftzeichnung. 20,7 25,3 cm. Sign. I.
u. Alt", darunter bez. bei der SL-Ulrichs-Kirche,
Neugebauers Geburtshaus, Portraitmaler", oben M.
Gasthaus Joh. Statter".
"HM Inv.-Nr. 30.540. o... am; vor der Josefstädter
Straße, Bleistiftzeichnung. HM lnv.-Nr. 30.533. Währmger
Straße, Blick vom Josefinum gegen die Stadt, Bleistift-
zeichnung. 16,5 20,2 cm. Sign. r. u. Alt".
HM lnv.-Nr. 30.534. Unter-St-Veit, BIeistiftzeichnungÄ-tßx
42,8 cm. Sign. u. bez. r. u. Alt Unter St. Veit".
HM lnv.-Nr. 30.527. Der alte Nordbahnhof, Bleistiftzeich-
nung. 18 25,7 cm. Bez. u. sign. r. u. Nordbahnhof Alt".
HM Inm-Nr. 63.413. Blick vom Ende der Praterstraße zum
Nordbahnhof, Bleistiftzeidmung. 14,2 21,8 cm. Nidit
Si nicht dat.
lnvvNr. 106.124. Ansicht des Ostbahnhafes, stemm-
zeichnung. 22,8x37,B cm. Sign. r. u. Alt".
HM lnv.-Nr. 17.936. Blick in die Wipplingerstraße mit
dem Alten Rathaus, Aquarell. 605x483 cm. Sign. u. dar.
t. u. Alt 883". Hevesi, a. a. 0., S. 7B.
s.
'27
dieser Beziehung aus dem gewohnten Rahmen.
Alt hatte im Jahr 1883 den Auftrag erhalten,
eine Reihe von Aquarellen für die Gemeinde
Wien auszuführen. Es entstanden bei dieser
Gelegenheit nicht nur lnnenansichten des Alten
Rathauses, sondern auch die sehr originelle
Ansicht des Hofes des Rathauses mit dem An-
dromedabrunnen". Der Brunnen mit dem Blei-
relief Georg Raphael Donners und dem prunk-
vollen Balkongitter darüber bildet den Mittel-
punkt der Darstellung, wenn auch nicht allein
den Gegenstand des Aquarells. Viel ist noch
von der Fassade zu sehen, an den Fenstern
stehen Menschen und blicken in den Hof herab.
Im Vordergrund steht ein Pferdewagen mit
einem Kutscher, der eine Peitsche hült. Diese
Szene zieht zunächst den Blick des Betrachters
an.
Ballhausplatz ist ein kleines Aquarell vorhan-
den, das den Zustand vor dem Abbruch der
Festungsmauer zeigt". Darstellungen des Hein-
richshofes besitzt das Museum zweimal in Skiz-
zen von Rudolf von Alt, wobei die eine Zeich-
nung auch noch den Zustand der Ringstraße
festhält, knapp nachdem die Alleeböume ge-
pflanzt worden waren, die noch ganz iung
erscheinen". Um eine malerisch mit ganz feinem
Pinsel ausgeführte Vedute handelt es sich bei
dem Blatt Das Burgtor von Außen". Man sieht
im Vordergrund den Ausritt der Ungarischen
Garde, rechts im Hintergrund den Durchblick auf
das Gebäude der Nationalbibliothek". Eine
Bleistiftzeichnung befaßt sich mit dem Roten-
turmtar". Die Votivkirche ist in zwei Blättern
des Historischen Museums der Stadt Wien vor-
handen. Die bei Alt eher seltene Form der Feder-
solchen Entwürfen niemals auf ein genaues
halten der Details, mitunter auch kleiner
szenen, die er seinen großen durchgefü
Aquarellen immer beifügte. Dadurch erhalte
Skizzen viel Lebendigkeit und wirken wie
schlassene Kompositionen, wenn auch au
Ausführung gewisser Bereiche bewußt ve
tet wird.
Mit besonderer Anteilnahme widmete sic
der Darstellung des Wohnhauses von Frii
Amerling in der Mollardgasse". Zweim
dieses Obiekt in der Sammlung des Mu
von der Hand Alts dokumentiert. Das eir
wird ein üppig wuchernder Garten dargs
rechts an renaissancehafte Formen erin
das Haus Amerlings, der im Bild, unte
Haustür stehend, auch selbst dargestellt ist
zweite Blatt ist ein überaus locker gerr
Damit ist aber die Reihe der im Besitz des Hi-
storischen Museums sich befindenden Darstel-
lungen von prominenten Gebäuden der Stadt
Wien noch nicht erschöpft. Ähnlich in der Auf-
fassung der Darstellung des Alten Rathauses
erscheint die topographisch wichtige Ansicht des
reich stukkierten Hauses zum weißen Elephan-
ten" in der Kärntnerstraße". Alt wählte zu seiner
Darstellung einen Sannenstand, der Streiflicht
bewirkte, wodurch die Reliefwirkung des Stukkos
gut zur Wirkung kommt. in Form einer Blei-
stiftskizze auf Karton hielt Alt das Ende des
19. Jahrhunderts zerstörte Schönbrunner Haus
unter der Tuchlauben, vielleicht knapp vor der
Demolierung, fest". Ferner notierte er auch die
Szene bei der Griechischen Kirche auf dem
Fleischmarkt, wobei es sich bei diesem Blatt um
eine reine Skizze, auf welcher der Maler auch
nach verschiedene Details ringsherum festhielt,
handelt". Auch von der Fassade der Minariten-
kirche besitzt das Historische Museum eine De-
tailskizze". Vom Ministerium des Äußeren am
zeichnung wählte der Maler aus Anlaß der Er-
öffnung der Vativkirche im Jahre 1879. Die An-
sicht zeigt am Varplatz der Kirche eine große
Menschenansammlung sowie auch eine Ehren-
tribüne. Das Hauptgebäude der Wiener Uni-
versität links ist eingerüstet". Drei Jahre später
entstand eine andere Darstellung der Votivkir-
che, eines der eindrucksvollen großformatigen
Aquarelle im Besitz des Museums". Auch da-
bei handelt es sich um eines iener repräsentati-
ven Werke Alts, die bis in das letzte Detail
durchgemalt sind. Eine Reihe von großen Re-
präsentativbauten der Stadt, wie die Hofstal-
lungen, das Palais Schwarzenberg, das Palais
Rasumatsky, das Palais Schönburg, Belvedere,
Arsenal, Schönbrunn und die Glariette, sind in
Skizzen, die sich im Besitz des Museums befin-
den, wiedergegeben". Diese Blätter sind alle
typische Notierungen von Zuständen, vielfach,
wie schon festgestellt wurde, wohl im Hinblick
auf später auszuführende Aquarelle angefertigt.
Trotzdem verzichtete Rudolf von Alt auch bei
für Alts Kunst allerdings nicht charakterist
richtig impressionistisch autgefaßtes, fläch
gelegtes Blatt; Eine hochsommerliche Stim
Architektur im Gegenlicht bietet dem Betr
ein Gleichnis von Italien, als solches das
chen im Stadtbild wohl auch verstanden
kann.
Um ein ungewöhnliches Aquarell Alts
es sich bei dem Projekt zur Neugestaltur
Karlsplatzesma. Es war dies offenbar eint
stellung des städtebaulichen Problems Karl
zu dem sich Alt eine Lösung vorstellte.
seits der Karlskirche sind Kolonnaden zu
mit denen offenbar eine ähnliche Wirku
zielt werden sollte wie mit den Kolonnade
ninis der Peterskirche in Rom. Im Vorde
links, die Mitte des Platzes betonend, bi
sich eine Säule in klassizistischer Form,
ihrer Spitze eine Hermesdarstellung trägt.
Zum Abschluß sei auf eine Reihe von
schaftsdarstellungen Alts verwiesen, die
malerisch schönsten Bestand zählen, übe
Rudolf Alt, Wien von der Spinnerin um Kreuz,
1841. Aquarell, 37,6x59 cm. HM lnv.-Nr. 56.389
Rudolf Alt, Arsenal. Bleistiffzeichnung, 13,9x30,7 Rudolf All, Palais Rcsumofsky. Bleisliftzeich-
cm. HM lnv.-Nr. 105.301 nung, im Miüelfeil uquarellierf, 19,2x25,5 cm.
HM lnv.-Nr. 63.421
10 Rudolf AII, Der alte Nordbahnhof. Bleisiifizeich-
nung, "I8 25,7 cm. HM lnv.-Nr. 30.527
merkungen 30-43
lM lnv.-Nr. 31.430. Hof des Allen Ralhauses, Aquarell.
1,3x54,6 cm. Sign. u. bez. l. u. All 353".
lM lnv.-Nr. 31.307. Das Haus zum weißen Elephanlen"
der Kärlnerslraße, Aquarell. 33,1x25,ß cm. Sign. u.
a0. l. u. All B86".
IM lnv.-Nr. 30.530. Das Schönbrunner Haus unter den
räclxauben, Bleisliflzeichnung. 22,1 x15,1l cm. Sign. l. u.
i".
IM lnv.-Nr. 30.531. Die Griechische Kirche auf dem
lReiäclhmarkl, Bleislillzeimnung. 25,3x 19,5 cm. Sign. r. u.
e".
IM lnv.-Nr. 115.992. Fenslersludie an der Minarilenkirdle,
leisliflzeichnung. 22x17 cm. Bez. u. dal. u. r. M.
All Wien".
lM lnv.-Nr. 63.413. Das Mlnislerlum des Äußeren am
tälwausplarz, Bleisliflzeidmung. 9,61143 cm. Sign. I. u.
H".
1M lnv.-Nr. 63.413. Der Helnrichshof von der Edre Kärnt-
erring-Kürnlnersfruße, Bleisäifrzeichnung. 13,3 20,9 cm.
ez. r. u. Drasche-Palais". HM lnv.-Nr. 105.790. Der
leinrichshol, Bleisriflzeichnung, 10,2 20 cm.
lnv.-Nr. 106.389. Das Burgtor von außen, Aquarell.
2,5 15,5 cm. Be u. All".
lnv.-Nr. 106.41 Rolenlurmlor, Bleislilfzeichnung.
1,8 x16,1 cm. Bez. u. All".
lnv.-Nr. 61.139. Die Eröffnung der Volivlrirche 1579,
ederzeichnung. 39,7 64,1 cm, Sign. l. u. All".
lnv.-Nr. 105.307. Die Valivkirche, Aquarell. 46 37 cm.
lnv.-Nr. 30.541. Teilansicht der Halslallun en, Blei
rizze. 193x116 cm. Sign. r. u. All". lnv. Nr.
1.417. Palais Schwarzenberg, Bleislillzeichnung. 13,3
3,9 cm. Bez. r. u. Fürs! Sdiwarzenber Palais". HM
lvßNr. 63.421. Palais Rasumalsky, Bleisliglzeidmung, im
lillelleil aquarellierl. 19,2 x25,5 cm. HM lnv.-Nr. 56.356
llCIiS Schönburg, Bleistiflskizze. 13,4x19,5 cm. Sign
Rudolf v. AIL". HM lnv.-Nr. 63.416. Eelvcdere, Bl
aichnung. 13,4x20,9 cm. Bez. u. Eelvedere". HM
iv.-Nr. 106.135. Sdaönbrunn, Ble lillzeichnung Skizzen-
laN. 17,3 x42,5 cm. Nichf sigru, "ich! dar. HM lnv.
13. Glorielle, Bleisliflzeichnung. 14,2 x23,6 cm. Sgn.
da r. u. All B47". HM lnv.-Nr. 105.301. Arsenal,
lelslillzeichnung. l3,9x30,7 cm. Bez. u. sign. u. M.
Arsenal All".
lnv.-Nr. 31.2131. Das Haus Friedrich Ämerlings, Aqua-
xll. 39,1x51,3 cm. Sign. u. dar. l. u. All". HM lnv.-
106376. Das Amerlingäclilössel, Äquarsll. 32,5x
cm.
lnv.-Nr. 50.056. Praiakt einer Nauguslallung des
ärl; 3203155, Aquarell. 33,1 x45 cm. Sign. u. dai. r. u.
ma-ßw-wß-
1,2
das Historische Museum der Stadt Wien ver-
fügt. Zunächst ist das Aquarell Praterwiese" zu
nennen". Es ist dies ein Blatt mit besonders
viel Stimmung. Auch ist die Art der Bewältigung
des Themas voll Reiz. Es handelt sich dabei um
eine Bleistiftzeichnung, die sehr trocken aqua-
relliert ist, andernteils blieb die Farbe oftmals
überhaupt vollkommen ausgespart. Fragmente-
risch was freilich nicht reizlos ist, und in man-
chem die Wirkung des Blattes noch steigert
sind auch die Praterbäume dargestellt. Links im
Bild befindet sich eine Gruppe von Besuchern,
die offenbar um ein Marionettentheater ver-
sammelt ist.
Auch die Aquödukte der Hochquellenwasserlei-
tung boten für Alt Anlaß zu Darstellungen im
Aquarell. So malte er auch das Reservoir der
l. Wiener Hochquellenwasserleitung am Rosen-
hügel als kahle, sannenhelle Landschaft unter
tiefblauem Himmel. Der Aquarellauftrag ist leb-
haft und erinnert fast an Delacroix". Ein ande-
resmal stellte er das Liesinger Aquädukt" dar
beide Aquarelle entstammen dem selben Jahr
1873, dem Jahr der Eröffnung der Anlage. Ein
schönes, offenes Aquarell", in dem der Vorder-
grund spärlich gemalt ist, ein Blick vom Nuß-
berg, zeigt rechts den Anninger und links die
Donauauen". Dieses wie das folgende Aqua-
rell kamen dem Historischen Museum der Stadt
Wien aus dem Nachlaß von Arthur Roessler zu.
Das Aquarell Sonnenfinsternis vom 8. Juli 1842"
zählt schließlich zu den interessantesten und im-
ponierendsten künstlerischen Zeugnissen des 19.
Jahrhunderts, welche das Historische Museum
der Stadt Wien besitzt". Der Maler war von
dem Naturereignis so gefongengenommen, daß
er den Charakter seiner Malerei an Hand dieses
Gegenstandes vollkommen änderte. Im linken
Drittel des Blattes sieht man die verfinsterte
Sonne, mehr der Mitte zu Kahlenberg und Leo-
poldsberg, darüber den seltsam rot gefärbten
Himmel. Die Landschaft ist in grünlich-blaues
Licht getaucht. Wahrscheinlich hat sich der Stand-
punkt des Malers in der Gegend des heutigen
Türkenschanzparks befunden.
Ein verhältnismäßig frühes, aus dem Jahr 1841
stammendes Aquarell ist Wien von der Spin-
nerin am Kreuz"? Es ist mit spitzem Pinsel"
gemalt und hat sowohl große malerische Wir-
kung, als es auch auf graphisch betonte Details
eingeht. Im rechten Bilddrittel steht die Spin-
nerin am Kreuz", die Situation beherrschend.
Rechts davon führt die Triester Straße, auf der
lebhafter Verkehr herrscht, an dem Wahrzeichen
des Wienerberges vorbei. Hier fällt besonders
ein Plachenwagen auf, der charakteristisch und
mit viel Liebe zum Detail ausgeführt ist. lm
Vordergrund findet man einen Hüterbuben mit
einer Schafherde, im Mittelgrund ein Getreide-
feld, und diese abschließend die Geleise der al-
ten Gloggnitzer Bahn, auf denen gerade ein Zug
mit zwei Lokomotiven fährt. Im Hintergrund er-
kennt man das Kahlengebirge und dazwischen
die Stadt selbst mit vielen Details Beherrschend
die Stephanskirche, die Karlskirche und ganz
rechts das Belvedere. Der Betrachter gewinnt
den Eindruck einer sommerlichen Landschaft, in
besonders glücklicher Weise ist hier malerische
Wirkung mit konkreter Aussage verbunden".
Zwei Blätter sind schließlich noch zu erwähnen,
die besondere Bedeutung haben, eine Ansicht
der Donau vom Nußberg aus" und das Aqua-
rell Blick auf Wien vom Leopaldsberg"5'. Lud-
wig Münz sah dieses Blatt als Beispiel für Alts
volle malerische Befreiung" in der Zeit um
1840 an. Es handle sich dabei um eine Skizze,
die sich nirgends in vedutenhafte Details ver-
liert und den besten Arbeiten gleichzeitiger
Künstler Englands und Frankreichs gleichwertig
10
anzusehen sei. Das andere Aquarell, den Blick
auf Wien vom Leopoldsberg", rühmt Münz als
Beispiel für eine frühe, von Alt erreichte Mei-
sterschaft. Die Ansicht zeigt links die Kirche am
Leapoldsberg mit einer fast völlig abgefallenen
Fassade. In der Mitte des Vorplatzes befindet
sich eine Laube, in der eine Gruppe von Men-
schen beisammensitzt. Offenbar herrscht Sonn-
tagsstimmung, die Menschen sind festlich geklei-
det. Im Hintergrund ist deutlich das Augebiet der
Donau mit den vielen, verzweigten Wasserläu-
fen erkennbar, auch der Stadtkern mit der Ste-
phanskirche, rechts im Hintergrund der Annin-
ger und der Pfaffstättner Kagel. Auffallend ist
die intensive, iedoch sehr differenzierte Farbig-
keit des Aquarells. Der Himmel ist tiefblau, die
Blätter der Laube im Vordergrund beginnen gelb
zu werden, es ist also ein Tag im beginnenden
Herbst.
Ein umfassender Vergleich des CEuvres Alts ließe
die Erkenntnis zu, daß viele der skizzenhaft aus-
geführten Blätter, die in der Sammlung des Hi-
storischen Museums der Stadt Wien das Über-
gewicht haben, nur eine Grundlage zu Arbeiten
bildete, die später oder zur gleichen Zeit aus-
geführt wurden. Denn es ist nicht wahrscheinlich,
daß Alt seine großen Blätter zur Gänze vor
der Natur ausgeführt hätte. Dies muß im Ate-
lier geschehen sein, allerdings eben unter Zu-
grundelegung vorher angefertigter Skizzen. Of-
fenbar betrachtete Alt seine Notierungen als
Archiv, in dem er für die Ausführung seiner gro-
ßen Blätter nachschlagen konnte. Trotzdem liegt
es aber in der Natur der Skizze, daß sie oft
noch unmittelbarere Wirkung auf den Beschauer
hat als das ausgeführte Werk und also als
überzeugender, weil lebendiger anzusehen ist.
Doch mochten manche der Skizzen, die entstan-
den waren, Alt später wohl ihrer künstlerischen
Substanz wegen besonders überzeugt haben,
so daß er sie offenbar manchmal erst Jahre
nach ihrem Entstehen signierte. Sie sind dem-
nach nicht geringer zu schützende vollwertige
Werke von Alts Hand. Demnach ermöglicht die
große Zahl der Handzeichnungen und Aqua-
relle Rudolf von Alts im Besitz des Historischen
Museums der Stadt Wien einen Überblick über
das Werk dieses Malers überhaupt. Dem Cha-
rakter des Museums entsprechend, liegt der Wert
der Darstellung vorwiegend in der Überliefe-
rung topographischer Zustände. Nun ist die
Aussage des künstlerischen Werkes Alts zwei-
felsohne aber mehrschichtig. In bedeutendem
Maß vermittelt es Hinweise auf Aspekte nicht
nur des Topographen, wie beispielsweise auch
des Volkskundlers, schlechthin bieten sie aber
iedermann Vergnügen, der in ihnen nichts ande-
res sehen will als einfach den Wert der künstle-
rischen Manifestation.
Anmerkungen 44-51
HM lnv.-Nr. 63.411 S. 4380, Praterwiese, Aquarell. 26,9
36,9 cm. Sign. r. u. All". May, a. a. 0., Tafel 92.
45 HM lnv.-Nr. 17.942. Reservoir der l. Wiener Hoch uellen-
Wasserleitung am Rasenhügel, Aquarell. 17,4x2 cm.
Sign. u. dat. r. u. Alt 873".
HM lnv.-Nr. 17.940. Liesinger Aquüdukt, Aquarell. 1B
78,7 cm. Sign. u. dat. r. u. Alt B73".
HM lnv.-Nr. 196.479. Blick vom Nußberg auf Wien, Aqua-
rell. 15,9 1126,13 m. Sign. M. u. Alt".
HM lnv.-Nr. 105.390. Die Sonnenfinsternis vom B. Juli 1542,
Aquarell. Cll,7x43,6 cm. Dat. u. sign. I. u. Wien am
8. Juli 184? Alt".
HM 1nv.-Nr. 56.389. Wien von der Spinnerin am Kreuz.
Aquarell. 37,6x59 cn". Bez. l. u. Rudolf All 1341". May,
a. a. 0., Tafel. 54.
HM lnv.-Nr. 17.669. Blidr auf die Donau vom Nußberg,
Aquarell. 25,5x34,1 cm. Sign. u. dat. r. u. Alt 342".
May, a. a. 0., Tafel 81.
HM lnv.-Nr. 23.906. Bliirk auf Wien vom Leapoldsberg,
Aquarell. 24,9 36,9 cm. Bez. l. u. 1B33". Hevesi, a. a.
ftggel 49. Münz, a. a. 0., Tafel 51. May, a. a. O.,
I1 Unser Autor
Dr. Robert Waissenberger
Direktor des Historischen Museums der Stadt Wien
A-1040 Wien, Karlsplatz
Gode Krämer
Johann Liss-
ein deutscher Maler
des Barock
Zur Ausstellung des Lebenswerkes des Künstlers
in Augsburg und Cleveland
Johann Liss, Inspiration des. hl. Hieronymus".
Ausschnitt. Venedäg, S. Niccolö da Toleniino
Nachdem die ersten Gesamtousstellungen aus
dem Gebiet der deutschen Barockmalerei, die
den Werken Elsheimers Frankfurt 1966167 und
Schönfelds Ulm 1967 gewidmet waren, sich für
die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit
ihnen, für die Kenntnis ihres Stils und die Ein-
schützung ihrer Persönlichkeit so außerordentlich
fruchtbar erwiesen, war eine Ausstellung des Ge-
samtwerks von Johann Liss um 1597-1630, dem
dritten der großen in ltalien lebenden deutschen
Künstler, ein hoffnungsvoller Wunsch, nahezu
eine Vorbedingung für eine weitere Bearbeitung
der immer noch sehr ungenügend bekannten
deutschen Kunst des Barock. Dabei standen einer
solchen Ausstellung mindestens ebenso viele
Schwierigkeiten finanzieller und konservotori-
scher Art entgegen wie den beiden früheren.
Eher größere, denn es galt, ein zahlenmäßig
allerdings recht kleines CEuvre aus allen Teilen
Europas und weitere wichtige Werke auch aus
amerikanischen Sammlungen zusammenzutragen,
ein Unterfangen, das besonders kostspielig und
risikoreich sein mußte, da die Entfernungen häu-
fig nur Lufttransporte zulassen. Eine glückliche
Zusammenarbeit des Cleveland Museum of Art
und der Städtischen Kunstsammlungen Augsburg
macht es nun möglich, daß unter der Schirmherr-
schaft des lCOM zunächst vom 2. August bis
zum 2. November in Augsburg anschließend
daran vom 17. Dezember 1975 bis 7. März 1976
in Cleveland eine nahezu komplette Gesamt-
12
ausstellung mit etwa 40 Gemälden, 13 eigen-
höndigen Zeichnungen und Radierungen und 14
Kopien nach zum Teil verschollenen Werken ge-
zeigt werden kann; eine in Anbetracht der im-
mer geringeren Leihfreudigkeit von Museen und
Sammlern sicher einmalige Gelegenheit, diesen
wirklich europäischen Maler, den neben seiner
deutschen Herkunft der niederländische Realis-
mus ebenso beeinflußt hat wie die Farbigkeit
Venedigs und die Kunst Roms, kennenzulernen,
Verbunden mit dieser Ausstellung ist eine gründ-
liche, längst überfällige Neubearbeitung des
Werkes von Johann Liss durch den einen Initia-
tor dieser Ausstellung, Rüdiger Klessmann, und
die Wissenschaftlerinnen des Clevelander Mu-
sevm Ann Tzeutschler Lurie und Louise S. Ri-
chards. Denn die grundlegende Monographie
von Kurt Steinbart erschien in kleiner Auflage
1940 und wurde für die Volksausgabe 1946 nur
wenig erweitert. Seit damals konnte eine Reihe
von neu entdeckten oder neu zugewiesenen Bil-
dern und Zeichnungen in einigen Aufsätzen pu-
bliziert werden, ohne daß die dadurch gewon-
nene Erweiterung des Werkes und unseres Wis-
sens über Liss nochmals im gesamten darge-
legt wurde, so daß im wesentlichen noch im-
mer Steinbarts mit sehr persönlicher Begeiste-
rung vorgetragene Deutung der sfilistischen Ent-
wicklung des aldenburgischen Malers gilt, die
vor allem von der Absicht des Autors bestimmt
Johann Liss, lnspiration des hl. Hieronymus".
Venedig, S. Niccolo da Tolentino
Johann Liss, Hochzeitstanz". Budapest, Museum
der schönen Künste
die hohe Eigenständigkeit und geniale Un-
iflußbarkeit seines Künstlers herauszustel-
Obwohl auch Steinbart immer wieder die
ilder für Figuren und Kompositionen zu Liss'
rn erkannte, abbildete und daraus Schlüsse
gab er den Übernahmen insofern eine ge-
Beiläufigkeit, als Liss in seiner Sicht die
len Vorbilder im optischen Gedächtnis spei-
und diese erst später, gleichsam unbe-
,verwandell und als eigene Schöpfungen in
Bildern auftauchen. Dach kann es, zumal
Qang von Liss als eines bedeutenden Ma-
und starken Anregers nicht nur für die
che Kunst, sondern ebenso für die seiner
lheimat Venedig und der Niederlande an-
tttl ist, nicht darum gehen, seine Malerei in
iremden Umgebung zu isolieren; vielmehr
es, sein Werk, entstanden im Austausch mit
damals wie heute hochgeschätzten Zeit-
ssen, zu verfolgen und zu dokumentieren.
vor allem ist von Wichtigkeit und verdient,
meiner als es bisher der Fall ist, bekannt-
icht zu werden Daß es während des Barock
Elsheimer und vor Schönfeld und Loth einen
tren deutschen Maler gegeben hat, dessen
über alle Ländergrenzen hinaus geschätzt
zls vorbildlich angesehen wurden,wie öffent-
ehrenvolle Aufträge, z. B. das Altarbild
Niccolo da Tolentino in Venedig, Inspira-
Jes hl. Hieronymus" und die Vielzahl von ei-
iindigen Wiederholungen seiner Bilder zei-
Nichtig ist diese Tatsache aus zwei Gründen
liegt eine zusätzliche Erklärung für den be-
reits im späten 17. Jahrhundert einsetzenden
großen Aufschwung deutscher Kunst, der nicht
aus dem Nichts heraus entstand und nicht von
ausländischen Vorbildern allein abhängig war
Eine Großväter- und Vätergeneration von ge-
achteten Malern deutscher Herkunft hat es ge-
geben, auf die sich die Künstler berufen konnten
und auf die auch konkret zurückgegriffen wurde,
wie die Aufnahmen von Motiven nach Elsheimer
und Liss sowie die Kopien nach ihren Werken
zeigen. Denn so endgültig wie die durch frühe
Todesfälle abgebrochenen Lebensläufe des Els-
heimers und Liss' anzuzeigen scheinen, waren
die Aufenthalte deutscher und niederländischer
Künstler in Italien nicht Den fast selbstver-
stündlichen Studienreisen nach ltalien folgten
kürzere oder längere Aufenthalte dort; doch
erst nach 18 Jahren kehrte Schönfeld zurück,
Rottenhammer blieb 17 Jahre dort, so daß nicht
auszuschließen ist, daß auch Liss früher oder
später zurückgekehrt wäre.
Außerdem mag diese Beschäftigung mit den all-
gemein anerkannten Künstlern, die in Italien mit
Erfolg tätig waren und die z. T. nur durch ihr
Ansehen in den Gastländern der durch die Um-
orientierung deutschen Geistes im 19. Jahrhun-
dert hervorgerufenen Vergessenheit entgingen,
auch zurück- oder weiterwirken auf die Kunst
des Barock in Deutschland selbst, so daß die
meist noch in erschreckender Weise unbearbei-
teten Künstler und Kunstwerkstätten deutscher
Zentren allmählich wissenschaftlich erforscht wer-
den und damit das Bild des l7. Jahrhunderts in
Deutschland, das bisher so einseitig von dem
Andenken an den Dreißigiährigen Krieg ge-
prägt ist, etwas differenzierter wird. Exempla-
risch für die Unkenntnis und das mangelnde ln-
teresse an deutschen Künstlern des "I7. Jahr-
hunderts ist das Beispiel der herausragenden
Malererscheinung Joachim von Sandrart, über
den es eine Reihe von Aufsätzen und ein-e Dis-
sertation, doch keine zusammenfassende Mono-
graphie mit guten Abbildungen gibt, keine Dar-
stellung seiner Stilentwicklung.
Diesem Ziel, der Bearbeitung der deutschen
Kunst des Barock Grundlage und Anregung zu
geben, dem die Deutsche Barockgalerie ihre
Entstehung verdankt und dem auch ihre Erwer-
bungsabsichten gelten, ist die Johann-Liss-Aus-
stellung gewidmet.
Da die Kunst des Barock und Rokoko im allge-
meinen ein internationaler Stil ist, der nachhal-
tiger als ieder andere mit Ausnahme der Gotik
aus der Vermischung verschiedener Einflüsse
entstand und sich weiterentwickelte, und die
deutsche Kunst der Zeit im besonderen beein-
flußt wurde von den angrenzenden Staaten, ist
die Beschäftigung mit Liss besonders lohnend,
da in seinem Werk vielfältige Einflüsse verar-
beitet sind. Dennoch behält er bewirkt viel-
leicht durch die von Sandrart bezeugle Sponta-
neität beim Malen einen so persönlichen Stil
bei, daß um eine kleine Anzahl traditionsgemäß
ihm zugeschriebener Werke außerordentlich fol-
gerichtig das ietzt etwa 45 Bilder starke Werk
gruppiert werden konnte; dies, obwohl die The-
Jahann LISS, Das Morrospiel". Ausschnih S. 15.
Kassel, Staatliche Gemäldegalerie
Johann Liss, Das Mormspiel". Kassel, Staatliche
Gemäldegalerie
Johann Liss, Der verlorene Sohn". Wien, Akcdee
mie der bildenden Künsfe
Johann Liss, Gelage von Soldaten und Kurlisa-
nen". Kassel, Stoulliclwe Gemäldegalerie
matik seiner Bilder, offenbar den Einflußsphüren
seiner Umwelt folgend, sich innerhalb der etwa
zwölf Jahre seines Wirkens in erstaunlicher Wei-
se wandelt.
Seine Frühwerke, z. B. der Hochzeitstanz" und
der Bauernstreit", zeigen zwar eindeutig die
Nähe zur niederländischen Kunst, doch griff
Liss andererseits auf Typen, Motive und Bewe-
gungen der deutschen und niederländischen
Graphik des T6. Jahrhunderts zurück. Beim Blick
auf Liss' folgende Jahre ab etwa 1620 in Ve-
nedig und Rom ist es faszinierend, zu beobach-
ten, wie sich in seinen Bildern als sei er in
einer anderen, nicht mehr bäuerlichen Welt
heimisch geworden der gesellschaftliche Rah-
men seiner Darstellungen wandelt, obwohl der
Verlorene Sohn", das Morraspiel" oder die
Soldatengelage" van denen jeweils mehrere
eigenhändige Fassungen in der Ausstellung zum
Vergleich zu sehen sind vor allem vom The-
matischen her noch die Einflüsse der niederlän-
dischen Gesellschaftsstücke spiegeln. Besonders
die letztere Komposition verdeutlicht allerdings
auch den für Liss überragenden Einfluß Cara-
vaggios, Für die außerordentlich positive Auf-
nahme des Riesengemöldes bei den Zeitgenos-
sen Sandrart schreibt ... daß diese Werke
nicht allein hochgepriesen, sondern auch von
den Kunstliebenden um großen Wehrt erkautfet
worden" waren sicherlich die überschöumende
Lebendigkeit und Lebensfreude ausschlaggebend,
die Liss, noch weit über den Realismus Cara-
vaggios hinausgehend, seiner Darstellung gab.
Diese Fähigkeit, seinen Gestalten körperliche
Fülle und den Anschein von wirklicher Bewegung
zu geben, zeichnet alle seine Werke, im Ansatz
auch die frühesten, aus. In den Zeichnungen er-
reicht er diese Eigenschaften durch den auf- und
abschwellenden Strich und die Laviertechnik, die
nicht nur realistisch zur Schattierung verwandt
wird, sondern frei und malerisch das ganze Blatt
überzieht. Bei den Gemälden tritt die valle Be-
herrschung dieser malerischen Kultur erst durch
die Berührung mit der Kunst Venedigs ein. Ein
Bild wie das M0rraspiel" in Kassel, in dem
von dem links unten keifenden Hund über die im
Spiel und im Zuschauen gestikulierenden Perso-
15
Johann Liss, Hochzeitstanz". Zeichnung. Mün-
chen, Staatliche Graphische Sammlung
Johann LisS, Toilette der Venus". Schlaß Pom-
mersfelden
Johann Liss, Verzückung des hl. Paulus". Aus-
schnitt 17. Berlin, Staatliche Museen, Preu-
ßischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie
Johann Liss, Verzückung des hl. Paulus". Berlin,
Staatliche Museen, Preußischer Kulturbesitz, Ge-
müldegalerie
Johann Liss, Amor vincit". Cleveland, Museum
of Art
nen una Cilt rauschenden Weinstöcke bis zum
Vogeipoo- rechts oben alles in Bewegung ist und
miteinanae korrespondiert, ist eir Beispiel do-
für. Ein ganz anders gearletes C105- Clevelander
Bild Amor vincit" mit der scheinbar ganz ruhi-
gen Gestalt des jungen Gottes, der dem Be-
lrachter ernsi und anzüglich mahnend seinen
Pfeil vorweist. Der leicht beschattete Kopf, die in
hellem Licht präsentierten Körperpartien, die
tiefe Höhlung des Flügels sind von höchster
Slofflicltkeit und durch die differenziert gemal-
ten Übergcinge von Licht und Schatten erscheint
die Haut warm uiia bewegt und der Mund im
Sprechen geöffnet als werde der Betrachter
ganz spontan von emern wirklichen Gegenüber
fixiert.
Ubersieht man das Lebenswerk von Liss was
in der Ausstellung vor den Originalen möglich
sein wird von den ungemein vitalen Bauern
der Frühzeit und den von Lebenstülle, Schönheit
und Krof' erfüllten Körpern der römischen und
venezianischen Bildern zu den religiösen Visio-
nen, in denen Körper und Gegenstände in Far-
ben und Licht zu vergehen scheinen, so liegt
darin eine große Vielfalt an Anregungen in viele
Richtungen. Dabei käme einer Richtung, nämlich
der des Einflusses der zuletzt genannten Bilder
auf die Malerei des süddeutschen Rokoko mit
seinem ähnlichen Bildaufbau aus Licht- und
Schattenzonen, effektvoll eingesetzten Gesten
und Körpern und alles zusamrnenschließendem
Farbkosmos besondere Bedeutung zu, bewiese
sie doch rückwirkend die deutsche Kompo-
nente der Kunst von Johann Liss.
Unser Autor;
Dr. Gode Kramer
Kustos an den Kunstsammlungen
der Stadt Augsburg
0-8900 Augsburg, Maximilianstraße 46
Franz Wagner
Zur Wiedereröffnung der
Salzburger Residenzgalerie
Jan van Qoyen 1596-1656, Bauernhöfe mit
Heustock, Ol auf Holz, 41x66 cm, monogram-
miert und 1632 datiert
Peter Paul Rubens 1577-1640, Allegorie auf
Karl V. als Wellherrscher, Öl auf Lw., 166,5x
141 cm
David Teniers II, 1610-1690, Bauern vor einem
Kamin bei Kerzenlicht, Öl auf Holz, 26x21 cm,
voll signiert
Anmerkungen 1-2
lDiese Nachrichten wie auch die vorhergehenden sind
einer vorzüglichen Geschichte der Residenzgalerie" von
Franz Fuhrmann entnommen und erstmals 1955 in einem
kleinen Katalog der Residenlgolerie Salzburg" erschie-
"e".
"Dazu ausführlich Ernst H. Busctiberk, Die Czerninsche
Gemäldegalerie und die Sammlung Clernin" lft dem
unter zitierten Katalog.
Anton Faistauer und des damaligen Landeskon-
servators Eduard Hütter stehende Galerie bei
ihrer Eröffnung am 28. August 1923' vorerst
mit privaten Leihgaben, wie solchen der Wiener
Museen und der Kirchen und Klöster Salzburgs,
zufriedengeben. Trotzdem konnte Franz Martin,
der dann im Laufe der Jahre neben seiner Tätig-
keit am Salzburger Landesarchiv und an den
Bünden der Österreichischen Kunsttopographie
zum verdienstvollen alleinigen Leiter und Be-
treuer der Galerie geworden war, bis zum Jahre
1938 32 Objekte erwerben, darunter Makarts
Bildnis seiner ersten Frau, Weißenkirchners Jo-
hannes der Täufer" und ein aus dem öster-
reichischen 18. Jahrhundert stammender quali-
tötvoller Hl. Sebastian".
Im Zuge der politischen Ereignisse des Jahres
1938 wurden die Röume der Residenzgalerie für
Bürozwecke angefordert, die Sammlung selbst
aufgelöst; Franz Martin konnte für sichere De-
ponierung sorgen. Das Interesse an rein ver-
mögensrechtlichen Fragen war es zunächst, wel-
che im Jahre 1950 die zuständigen öffentlichen
Stellen zur Überprüfung und Klärung des ver-
worrenen Fragenkamplexes Residenzgalerie"
veranlaßten; am 3. August 1952 wurde die neue
Residenzgalerie eröffnet, 1953 außerdem eine
umfangreiche Sonderausstellung der Werke Fer-
dinand Georg Walclmüllers durchgeführt, die
außerordentliche Resonanz hatte.
Es war das Verdienst des so kenntnisreichen
Hofrates Erwin Hainisch vom Bundesdenkmal-
amt, auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht
zu haben, die Gemöldesammlung der Familie
Czernin für einige Zeit an die Residenzgalerie
zu binden; am 15, März 1954 wurde zwischen
Graf Eugen und dem Bundesland Salzburg ein
Vertrag vereinbart und unterzeichnet, der unter
bestimmten Bedingungen und einem qualifizier-
ten Vorkaufsrecht der Salzburger Residenzgale-
rie 85 international bedeutende Gemälde aus
dieser Sammlung als Leihgabe auf 16 Jahre
sicherte.
Die gröflich Czerninsche Gemäldegalerie? ist die
spöteste in der Reihe der großen hochadeligen
Gemaldesammlungen, die in Wien zwischen dem
Barock und dem Varmörz entstanden sind und
die nicht verwechselt werden darf mit ienen etwa
1100 Gemalden im berühmten Prager Familien-
palais der Czernins am Hradschin, die schon im
18. Jahrhundert veräußert werden mußten. Die-
se Sammlungen spiegeln in höchst aufschluß-
reicher Weise die Geschmacksentwicklung jener
anderthalb Jahrhunderte. Die fürstlich Liechten-
steinsche Galerie mit ihrem großen Reichtum an
Werken von Rubens, Van Dyck und den ltalie-
nern des 16. und 17. Jahrhunderts und die gräf-
lich Harrachsche Galerie mit ihrem speziellen
süditalienischen Charakter sind noch echte Ba-
rockgalerien. Bei den um die Mitte des 18. Jahr-
hunderts entstandenen und leider schon zu
Beginn des 19, Jahrhunderts in alle Winde zer-
19
streuten Sammlungen Kaunitz und Esterhdzy
war der aufkommende Geschmack an den Hal-
lündern spürbar, andererseits aber auch die all-
gemeine Hinwendung zum Klassizismus, der in
der in diesen Sammlungen stark vertretenen
Malerei des französischen 17. Jahrhunderts und
in der Auswahl der Italiener zum Ausdruck
kommt. Noch deutlicher ist diese Ausweitung des
Geschmackes in der Sammlung des Akademie-
präsidenten Anton Graf Lamberg, die heute den
Grundstock der Wiener Akademiegalerie bildet
neben ausgezeichneten holländischen und flämi-
schen Bildern findet sich hier eine bedeutende
Gruppe von ltalienern des 15. Jahrhunderts und
deutsche Maler, die beide damals noch ein künst-
Joachim Bueckeloer um 1533-1573, Morklszene,
Öl auf Eichenholz, 111 163 cm, monogrom-
mierl IB und dotiert 1563
Melchior Hondecoeter 1636-1695, Geier im
Hühnerhof, Ausschnitt, Öl auf Lw, 136x165 cm,
voll signiert
Jakob Ruysdoel um 1628-1682, Norwegische
Landschaft mil Wasserfall, Ül auf Lw., 98 84 cm
lerisches Neul0nd" repräsentierten. In der nicht
viel jüngeren Czernin-Gulerie ihr Schöpfer wor
Graf Johann Rudolf 175711845 ist diese
Entwicklung noch weiter fortgeschritten hollän-
dische Meister des 17. Jahrhunderts spielen in
ihr eine weitaus dominierende Rolle. Nicht nur
des weltberühmten Czerninsclien Vermeer" we-
gen, des Maler im Atelier", der heute eine der
Perlen des Wiener Kunsthistorischen Museums
darstellt und über dem Hans Sedlmoyr und Kurl
Bodl kunslwissenschuttliche Klingen gekreuzt ha-
ben. Auch die übrigen holländischen Meister
dieses Zeitraumes, Rembrandt und Dou, die bei-
den Ruysdoel, Potler und Cuyp, Brouwer und
Ostde, Metsu und Netscher, sowie die holldndi-
schen ltolionislen sind mit vorzüglichen Werken
vertreten. Nach 1845 wurde die Sammlung in
Paul Troger 11698-1762, Tobias heilt den blinden
Vater mit der Galle des Fisches, Dl auf Lw.,
73,5 91 cm
21
Paul Troger 1698-1762, Das Kind Moses
die Krone des P11nr00,Ö1 oufLw.,11Ü,5 x1
Donie1 Grun 1696-1757, AHegorie der
vzissenschuft, Skizze zu einem Deckenbil
Wiener Hofbikxllofhek, Öl 0x11 Lw., 4B,5x
das neue Palais am Josefstädter Glacis, heute
Friedrich-Schmidt-Platz, übertragen und in den
eigens für diesen Zweck vorgesehenen, für die
damalige Zeit außerordentlich modernen Ober-
lichtsälen aufgestellt. ln diese Räume ist nun
nach Ablauf des Salzburger Leihvertrages der
Hauptbestand der Galerie Graf Johann Rudolfs
wieder heimgekehrt. Es war eine der heute so
selten gewordenen mäzenatischen Taten, als
Graf Czernin zum Zeichen seiner Verbundenheit
und zur bleibenden Erinnerung an die Salz-
burger Zeit" seiner Bilder das Porträt des Bild-
hauers Francais Duquesnoy von Jacques Blan-
chard 1600-1638 der Salzburger Residenzgale-
rie zum Geschenk machte.
Daß das Ausscheiden der Sammlung Czernin für
die Präsentation der Gemäldesammlung Salz-
burger Residenzgalerie" heute leicht verschmerz-
bar ist, ist vor allem der planvollen Ankaufs-
und Sammeltötigkeit Hofrat Narobes sowie des-
sen Nachfolgers in der Leitung der Galerie, Dr.
Edmund Blechinger, zu danken. Denn während
der knapp 20 Jahre, in der die Sammlung Czer-
nin eines der Fundamente der Residenzgalerie
bildete, konnte die Galerie ihre eigenen Bestän-
de systematisch vermehren. Bedeutende Werke
von Makart, Waldmüller, Gauermann und Amer-
ling konnten ebenso erworben werden wie Bil-
der von Rottmayr, Troger, Maulpertsch, Kremser-
Schmidt, Altamonte, Gran, Solimena und Tie-
pala; eine besondere Bereicherung stellt das
Porträt Karls V. von Rubens dar. Selbst aus der
Sammlung Czernin konnten mehrere wichtige
Gemälde erworben werden, darunter einige
flämische und holländische Meister vgl. Abbil-
dungen; vor allem ist der Ankauf der gesam-
ten Bilder der französischen Meister von großer
Wichtigkeit und überregionaler Bedeutung, da in
österreichischen Sammlungen, selbst im Wiener
Kunsthistorischen Museum, die französischen
Meister des 17. Jahrhunderts nicht sehr zahlreich
10
11
Hans Makart
Farbskizze, O1
Ferdinand Geor
der am Fenster,
184W18B4, Gesellschaftsszene,
uf Lw., 47 74 cm
Waldmüller 1793-1865, Kin-
auf Lw., 89 65 cm
vertreten sind. Als längerfristige Leihgaben hat
die Residenzgalerie mehrere Gemälde aus der
Sammlung Schönborn-Buchheim zur Verfügung
gestellt erhalten.
Sichtbarer Ausdruck für den Erfolg solcher An-
kaufspolitik ist der nunmehrige Bestand der
Salzburger Residenzgalerie mit knapp mehr als
200 Gemälden, die in ihrer Gesamtheit einen
interessanten repräsentativen Querschnitt durch
die europäische Malerei vorn 16. bis zum 20.
Jahrhundert bieten. Die Hauptakzente liegen in
zwei Räumen mit holländischen Meistern, zwei
mit französischen und drei mit italienischen Mei-
stern, dem großen Ecksaal mit dem österreichi-
schen Barock sowie in zwei Sälen mit Meister-
werken des 20. Jahrhunderts, der eine dem Schaf-
fen Boeckls, Klimts, Koligs und Gerstls, der an-
dere ganz dem Anton Faistauers gewidmet.
Schließlich ist die Wiedereröffnung Endpunkt
umfangreicher Renovierungsarbeiten. Ziel dieser
Arbeiten war vor allem, die Galerie, deren aus-
gewählte Bestände bisher nur in den Sommer-
monaten zu sehen waren, in Zukunft ganzjährig
geöffnet zu halten und damit einen langgeheg-
ten Wunsch gerade der Salzburger Kunstfreunde
zu erfüllen. Außer dem notwendig gewordenen
Einbau einer indirekten Beleuchtungsanlage war
unabdingbare Voraussetzung für ein solches
Vorhaben, neben den größtmöglichen Sicher-
heitsvorkehrungen alle aus konservatorischen
Überlegungen nur denkbar wichtigen Maßnah-
men für ein klimatisches Gleichgewicht während
der Heizungsperiode zu treffen. Damit ist ein
neues Kunst-Zentrum" geschaffen worden, des-
sen Besuch sich alle Bewohner Salzburgs und
deren Gäste und Freunde besonders angelegen
sein lassen sollten.
Unser Autor
Franz Wagner
A-5163 Mattsee, Postfach 11
23
Hilde Zaloscer
Die Bedeutung der
bildenden Kunst im OEuvre
von Thomas Mann
Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt"
J. W. Goethe, Faust lll5. Akt
ln ihren Memoiren schreibt Katia Mann wie bei-
läufig, daß Thomas Manns Liebe und Interesse
vor allem der Musik gegolten hat Zur Malerei
hatte er kein sehr lebhaftes Verhältnis, und an
zweiter Stelle kam die Skulptur" Gewiß, die
Musik spielt im Cfuvre des Dichters eine aus-
nehmend große Rolle, doch es ist lange über-
sehen worden, welch wichtigen, ja entscheiden-
den Beitrag zur Genese seines Werkes auch
die bildende Kunst geliefert hat. Natürlich ha-
ben beide Kunstgattungen, die Musik und die
bildende Kunst, sich in verschiedener Art aus-
gewirkt, das ist bei ihrer Wesensverschiedenheit
auch nicht anders zu erwarten.
Die tiefe, bis an die empfindlichsten Nerven-
enden rührende Delektation, die dem Dichter
die Musik gab, vermittelte die bildende Kunst
sicher nicht. Der Fragwürdigkeit dieser Delek-
tatian war sich schon Hanno Buddenbrook
wie Thomas Mann selbst bewußt. Adrian
Leverkühn sollte ihr Opfer werden.
Als tragender Gefühlshintergrund ist daher die
Musik in zahlreichen Werken gegenwärtig, und
schon in Jugendwerken verwendet der Dichter
die Musik als auslösenden Faktor einer tragi-
schen Situation. Es sei an Der kleine Herr
Friedemann", an Tristan", an Wälsungenblut"
erinnert. Im Spötwerk Doktor Faustus" wird die
Musik zum tragenden Pfeiler der Thematik, eben-
so wie der Komposition. Denn Thomas Mann
verwendet Formprinzipien der Musik für den
Aufbau seines epischen Werks. Nicht nur über-
nimmt er das Prinzip des Leitmotivs" von Wag-
ner, das wäre wenig. Aber die Buddenbrooks"
z. B. sind als dreistimmige Fuge angelegt, ein
Kompasitionsprinzip, das im Doktor Faustus"
wiederaufgenommen wird. Hier wird das Ord-
nungsprinzip, das der Fuge innewohnt, auch in
langen theoretischen Traktaten aufgezeigt. Sie
ist das geeignetste Mittel, um den Gefahren des
lrrationalismus und der Anarchie, dem Grund-
thema des Werkes, entgegenzuwirken, sie zu
entschärfen. Gewiß, in dieser Vielfalt ist die bil-
dende Kunst im äuvre von Thomas Mann nicht
integriert. Sie existiert auf einer anderen, in-
tellektuelleren und bewußteren Ebene, was ie-
dach weder ihre Bedeutung noch ihre Notwen-
digkeit für Thomas Manns Werk schmälert.
Vorerst sei folgende prinzipielle Feststellung ge-
macht Einer der entscheidendsten Umbrüche in
der Geschichte der bildenden Kunst das Auf-
kommen des Expressionismus und in seiner Folge
der abstrakten Kunst mit ihren bedeutenden
Künstlerpersönlichkeiten, wie etwa Klee und Pi-
cassa, hat Thomas Mann miterlebt, er muß sie
gekannt haben, doch sie werden mit keinem
Wort erwähnt. Von der Annahme, daß dies Zu-
fall sei, wird man wohl absehen müssen. Dieses
Schweigen ist ein Totschweigen. Der Grund die-
ser Ablehnung aber wäre auf ieden Fall eine
Untersuchung wert, und der Vergleich mit Goethe
und seiner Haltung zu einer Kunstströmung, die
während seiner Zeit aufkam, der Romantik,
drängt sich auf, ia, es liegt nahe, daß Goethes
leidenschaftliche Ablehnung der Romantik und
Thomas Manns Totschweigen des Expressionis-
mus auf einen ähnlichen gemeinsamen Grund
zurückgehen. Das ist um so wahrscheinlicher,
24
als die Romantik und der Expressionismus ihrer-
seits aus ähnlichen Quellen strömen. K. Momm-
seni hat beweisen können, wie sehr Goethes
Abneigung gegen Kleist und die Richtung, die er
repräsentierte, vor allem in der Ahnung von
der persönlichen Gefährdung, die in dieser
Strömung lag, in der Angst vor dem Einbruch
des irrationalen begründet war. In einem Brief an
Schiller heißt es auch wörtlich lch kenne mich
zwar nicht selbst genug, ob ich eine wahre Tra-
gödie schreiben könnte, ich erschrecke aber bloß
vordem Unternehmen und bin beinahe überzeugt,
daß ich mich durch den bloßen Versuch zerstö-
ren sic, d. A. könntea." Diesen ahnungsvallen
Albrecht Dürer, Michel Walgemut.
Germanisches Nationalmuseum Nürnberg
Anmerkungen 1-6
'Katia Mann, Meine ungeschriebenen Memoiren, hrsg. von
E. Plesen u. M. Mann, Fischer T974, S.
K. Mommsen, Kleists Kampf mit Goethe, Heidelberg 1974.
Zitiert nach K. Mommsen, a. a. 0., S. 204.
'Ob Thomas Mann in seiner Erzählung Beim Propheten"
und in der Figur Daniel zur Höhe außer der zwielichtem-
den Ersdreinung L. Derlath Allgerneineres, Zeitgeschicht-
lidtes im sinne rinne, ist schwer zu entsdieiden, darne
ledüth in Betradnt gezogen werden.
'Jose Ortegu Gasset, Die Aufgabe unserer Zeit, Berlin
n. 1., s. 121 er.
"H. Zaloscer, Die Anthithetik im Werke Thomas Manns,
Bull. de la Faculte des Lettres, Universite d'Alexandrie,
Tame Xlll, T959.
Worten ließen sich zahlreiche, ihrem
nach gleiche Äußerungen Thomas Mann
genüberstellen'. Im Doctor Faustus" exe
fiziert der menschliche und künstlerische
sammenbruch Leverkühns, wohin der Um
mit dem irrationalen und damit verbunden
Enthemmung führen muß. Man könnte sog
der Problematik des Doktor Faustus"
Prozeß, dessen Angeklagter der Expressian
ist, sehen. Werke aus der Geisteshaltung
Klassik, die Thomas Mann in sein Werk
nimmt, bestätigen diese Annahme. Und
könnte den Humanismus, der den entsche
den Schwerpunkt in Thomas Manns Werk
deutlicher zum Ausdruck bringen als die Vt
die er herangezogen hat. Nur iener Kuns
ren Mittelpunkt der Mensch, in seiner
und physisch unzerstörten und unzerstörl
Totalität, ist, gilt die Liebe und das lnteress
Dichters, nie aber einer Kunst, die Orte
Gasset eine enthumanisierte" genannt hat
Um auf die Frage, warum Thomas Mani
Werke der antropomorphen und hoch
schen Kunst in sein Werk aufnahm, Werki
nicht nur die allgemeine Konzeption des
färbte, sondern auch den Stil entscheiden
formt hat, antworten zu können, müsse!
etwas ausholen. Der Grund lag im natur
schen Ausdruckswillen der Kunst des
gläubigen 19. Jahrhunderts, in seinem Nati
mus, Resultat des wissenschaftlichen Positiv
der bürgerlichen Ära, als dessen Erben UIN
bildlichen Vertreter Thomas Mann sich immi
trachtet hat. Er blieb daher der überlie
naturalistischen Romanform und zwei ihre
sentlichen farmbildenden Strukturelementer
Es ist dies die Gestaltung der Zeit und di
Raums. Der Zeitablauf ist ein linearer um
spricht dem Ablauf des Romangescheheni
Raum, auf den Standort des Erzählers bez
entspricht einem auf den Gesetzen der
perspektive konstruierten Raum. Diesen Kc
tionen ist Mann treu geblieben. Soweit die
positionsform. Wie steht es mit der Ther
Nun, diese ist, wie schon erkanntt, von
ersten bis zu seinem letzten Werk unveri
die gleiche; die Erkenntnis von der trag
Dichotomie des Daseins, Folge einer lDIFK
Wertsetzung in der Welt. So sind denn
die Hauptfiguren der Romane, Selbstproi
nen des Dichters, immer wieder in diesen
flikt, auf welcher Daseinsebene immer
abspielt, eingespannt. Das Gesamtoeuvre
mas Manns,sa weitverzweigt es in Zeit und
ist, besteht im Grunde nur aus Variatione
ses Grundthemas.
Was nun den eigentlichen Ramanstoff an
die Fabel, so weist das Werk des Dichter
Besonderheit auf So vielfältig die Milieu
die Zeiten sind, in denen die Handlung
so ist sie fast nie vom Dichter frei erfi
meist handelt es sich um Neugestaltung
reits existierender Werke. im Gegensatz
zu Balzac, Dostojewski oder Dickens, ui
einige bedeutende Romanciers zu nenne
Mann seinen Stoff nie aus eigener Pha
geschöpft, ebenso wie auch seine Rornanf
ihr Sein nicht dem Schöpferwillen des
verdanken. Vom ersten bis zum letzten Werk
stützt sich Mann entweder auf autobiographi-
sche Fakten oder auf künstlerisch bereits vorge-
formtes Material. In der J0sephstetralogie", im
Doktor Faustus" und im Erwählten" ist es
sogar ein dichterisch vorgeformter Stoff. Mit
anderen Worten das Rohmaterial der Dichtung,
dessen sich der Dichter bedient, gehört einer
bereits ierenden Wirklichkeit an. Es geht
r.l1.!'n
..
listischen Gestaltung widerspricht. Andererseits
aber finden diese ungewöhnlichen Gespräche
immer vor einem aufs lebendigste beschriebe-
nen, situationsbedingten Hintergrund statt, eben-
so sind die Menschen, die sie vorbringen, von
unüberbietbarer Anschaulichkeit, von einer ein-
zigartigen, fast greifbaren Gegenwärtigkeit. Bis
ins kleinste, nur durch direkte Beobachtung er-
faßte Details schaffen eine haluzinatorische Na-
Figuren Anschau-ungsstützen" wie er selbst
es nannte zu verwenden. Mit anderen Wor-
ten, er war gezwungen, Vorbilder, der sichtba-
ren Welt entnommen, in sein Werk zu mon-
tieren'.
Thomas Mann war sich seiner Sterilität in dieser
Hinsicht bewußt. Kurz nach dem Skandal, den
das Erscheinen der Buddenbrooks" auslöste,
hat er in einem Aufsatz Bilse und Ich" sein
se mich selbst fortwährend, ia bedenklich anmu-
tende Montage-Technik gehört geradezu zur
Konzeption des Buches P5"
Das Kompositionsprinzip der Montage, schon in
Frühwerken verwendet, wird immer häufiger.
Die Memoiren" van Katia Mann haben eini-
ges zur Entschlüsselung" solcher Montagen bei-
gesteuert und bestätigt, was Thomas Mann be-
reits in Bilse und lch" geschrieben hat Der
Künstler stützt sich am liebsten auf die
Wirklichkeit.
Das Kunstmittel, bereits existierendes Material
in das eigene Werk einzubauen, ist eine seit
langem geübte Praxis und war z. B. im Barock
sehr beliebt. Zu Beginn unseres Jahrhunderts
erhält diese Technik unter dem Namen Mon-
tage" in allen Kunstgebieten eine neue Auf-
wertung und wird von n-un an programmatisch
angewendet. Benützt Picasso in seinem Ovalen
Stilleben" aus dem Jahre 1912, das als erste
moderne Montage gilt, einen echten Strick als
Rahmen und ein Stück Wachstuch, das ein
Geflecht vortäuscht, während gleichzeitig Brac-
ques und Juan Gris aufgeklebte echte Tapeten
und Zeitungsfetzen in ihre Kompositionen ein-
führen, so geht es diesen frühen Beispielen
doctus" der Vergangenheit wie der Gegenwart
entnimmt, ist immer höchstes Kunstgut. Nur größ-
te und reprösentativste Meisterwerke der Ver-
gangenheit werden als Zitate" in das eigene
Werk aufgenommen, darin montiert".
Die literarischen Montagen Thomas Manns sind
in einer Reihe von Untersuchungen zum Großteil
demontiert" worden w. Die Bibliothek des Dich-
ters, Bücher, Listen, Werke, die er bei der
Arbeit, zur Fundamentlegung",wie er es nannte,
konsultierte, heute im Thomas-Mann-Archiv in
Zürich bewahrt, haben diese Arbeiten weitge-
hend erleichtert.
G. Bergsten die für den Doctor Faustus" eine
vorbildliche Arbeit geleistet hat, unterscheidet
typenmößig zwei Arten von Zitaten". Gleich
ob es um Elemente der Wirklichkeit, d. h. um
faktische Gegebenheiten, wie lebende Personen,
authentische Milieus, wirkliche Ereignisse, geht
oder künstlerisch bereits geformtes Material ist,
kann es sich einerseits um offene" Zitate han-
deln, d. h. um solche, die der Leser erkennen
soll, oder um geheime", die selbst dem kundig-
sten Leser entgehen können oder sollen.
Eine für die Genese des Werkes Thomas Manns
äußerst wichtige Quelle wurde iedoch über-
Männliches Bildnis, nach 700 v. Chr. Berlin, ehem.
Ägyptisches Museum
Königin Teie, um 1400 v. Chr. Berlin, ehem.
Ägyptisches Museum
doch noch in erster Reihe um eine Auswertung
der formalen Möglichkeiten solcher Fremdkör-
per. Mit den Dadaisten jedoch wird die Montage
sozialkritisch. Diese montieren vorwiegend Ab-
fälle des Lebens", um den Geschmack und die
Kultur der Bourgeoisie zu persiflieren. Ihre Mon-
tagen sollen den falschen Ästhetizismus und sen-
timentalen Kunstgenuß dieser Gesellschaft an-
prangern. Außerdem kann man durch die Mon-
tage auch den Naturalismus, ein ebenfalls spe-
zifisches Kunstmittel der bürgerlichen Kultur, ad
absurdum führen warum ein Trampe-Laeil malen,
wenn man das Obiekt selbst, tel quel, auf die
Malfläche nageln kann! Gesteigert wird diese
Kunstfeindlichkeit noch dadurch, daß die Dada-
isten, wie schon weiter oben gesagt, vorwiegend
Abfälle des Lebens verwenden Zeitungsfetzen,
Blechstücke, Flaschenkorken u. ä., lauter armse-
liges Zeug, das aus dem Mülleimer zu stammen
scheint. Diese Montagen drücken also schon
durch die Wahl der Objekte ihren Protest ge-
gen die hohe" Kunst aus. In der Literatur kann
Karl Kraus als der vallkommenste Vertreter die-
ser Montagetechnik" gelten. Für ihn waren
die Abfälle der Sprache Tagespublizistik, All-
tagsgewösch, ihres Sinnes entblößte Sprachkli-
schees in monumentaler Form verwendet Mit-
tel, um den Unwert einer Gesellschaft zu geißeln.
Bei Thomas Mann ist die Montage von der der
Dadaisten oder der von Karl Kraus grundver-
schieden. Er hat sie nie als Zeichen einer sozia-
len Kritik verwendet, es handelt sich bei ihm
nie um Abfölle" des Lebens oder der Sprache.
Im Gegenteil das Material, das der Poeta
76
sehen. Erklörlicherweise, denn sie lag außer-
halb des Forschungsgebietes der Literaturhisto-
riker Die Welt der bildenden Kunst.
Kurz nach dem Erscheinen des Doktor Faustus",
im Jahre 1947, habe ich aufzeigen können, daß
eine ganze Reihe der Helden auf Porträts van
Dürergemalter Personen zurückgeht und in einem
ungewöhnlichen künstlerischen Umformungspro-
zeß im Roman zu neuem Leben erweckt worden
ist". Damit war bewiesen, daß Thomas Mann
nicht nur Texte und Fakten in sein Werk auf-
nahm, sondern auch Werke der bildenden Kunst.
Es handelte sich um etwas, was man Bildzitat"
nennen könnte. inzwischen sind weitere Unter-
suchungen vorgenommen worden, die meine
Mutmaßung bestätigt haben, und zahlreiche
Bildzitate" sind entschlüsselt worden. Es waren
ihrer nicht wenige
Der Grund, warum Thomas Mann Montagen die-
ser Art in so auffallend großer Menge verwen-
det hat, ist der gleiche, der ihn zwang, auch bei
seinem Stoff auf Vorlagen zurückzugreifen. Auch
bei der Konzeption seiner Romanfiguren benö-
tigte Thomas Mann ein Vorbild. Wenn Erinne-
rungen und persönliche Anschauung, die sich
Thomas Mann, wie wir wissen, wenn er in
Not" war wie er es in seinem Entschuldi-
gungsbrief an G. Hauptmann nennt caute que
coute verschaffen mußte, nicht ausreichten, griff
er zlu bildlichen Vorlagen ieder Art Fotogra-
fien, Ansichtskarten, Prospekten und vor allem
Kunstbüchern. Aus allen ließen sich Anregungen
für die Gestaltung der Romonfigur holen, die
zu erfinden" Thomas Mann ebensowenig im-
Familiengruppe des Zwerges Seneb, um 2500 v.
Chr. Museum Kairo
Anmerkungen 15-19
Th. Mann, Die Entstehung, a. a. 0., S. 60.
H. Mayer, Das Zitat in der Erzühlkunst, Zur Gesdi. und
Poetik des europäischen Romans, Stuttgart 1961; W. R.
Berger, Die mythologischen Motive in Thainas Manns
Roman Joseph und seine Brüder", Wien 1971, w.
Holthusen und H. Taubner, Dürers Philipp Melanditon
und Bildnis einer iungen Frau" als visuelle Vorbilder
für die Eltern von Adrian Leverkühn in Thomas Manns
Dßktßr Faustus" in Die Waage", val. No. 1963,
u. Finke, Dürer und Thomas Mann, Manchester 1973.
ll G. Bergsten, Thainas Manns Doktor Faustus", Studia
Litterarum Upsalensis 1'763.
"H. Zaloscer, Le Docteur Faustus" de Thomas Mann et
ses mediales, in L0 Revue du Caire, Kairo 1953.
Siehe Fußnote No. 16.
war, wie für die Erfindung der Intrige.
is Mann hat auch nicht verschwiegen, wie
ihm bei der Konzeption seiner Roman-
die bildende Kunst war. So heißt es
nd der Vorarbeiten zum Doktor Faustus"
en, Exzerpte Luthers Briefe. Dürer-Bil-
An einer anderen Stelle notiert er ...
ilte es an Anschauungsstütze .. Irgendwie
ius der Vergangenheit, aus Erinnerungen,
lntuition geschöpft werden"? Man be-
wie neben literarischem und erlebtem
lie bildende Kunst als gleich wichtige Quel-
Jngezagen wird. Manchmal hat der Dichter
orbild aufgedeckt so etwa für den Mo-
Das Gesetz", oder den Hermes Psycho-
as im .loseph" manchmal liefert das
Anhaltspunkte, in vielen Fällen aber stellt
eim Leser angesichts der Beschreibung so
er Romanfigur oder auch Szene jenes
ümlich-quälende Gefühl des deiä-vu" ein.
ien aber kann das Vorbild nur, wer es
Phantasiemangel so muß man es wohl
der Thomas Mann zu solchen Anleihen
ist durch eine außergewöhnliche Beob-
gsgabe kompensiert. Er selbst schreibt
Die eine und naheliegendste Möglichkeit war die
weiter oben erwähnte, Werke der bildenden
Kunst, in diesem Falle Porträts, als Modelle für
die Romanfiguren zu verwenden. Das gilt vor
allem für historische Romane, wie etwa den
Doktor Faustus" oder die Josephstetralogie".
Tatsächlich lieferten für die Personen im Dok-
tor Faustus" Gemälde Dürers und seiner Zeit-
genossen die Vorbilder. Wir wissen, daß sich
Thomas Mann mit Dürer sehr eingehend be-
schäftigt hat". Für Die Geschichten Jaakobs"
haben Werke der monumentalen Kunst der Pha-
raonenzeit Modell gestanden.
Einige Beispiele seien im folgenden vorgeführt,
doch ist keinerlei Vollständigkeit angestrebt, die-
se kann kaum erreicht werden, es geht uns
lediglich um das Prinzipielle des künstlerischen
Vorganges.
Daß die Eltern und die nächste Umgebung des
Adrian Leverkühn von Dürer und seinen Zeit-
genossen stark geprägt sind, ist naheliegend,
waren der historische Faust und Dürer Zeit-
genossen. Thomas Mann legt Gewicht darauf,
die mittelalterliche Atmosphäre zu betonen, die
1a auch für die Thematik wichtig ist. Er spricht
von dem schönen altdeutschen Kopf" des Vaters
Adrians, an einer anderen Stelle, daß er vom
besten Deutschen Schlag" war". Tatsächlich
hat für den Vater das Porträt von Philipp Me-
lanchton als Modell gedient", während für die
Mutter das Bildnis einer iungen Frau" im ehe-
maligen Museum in Berlin Abb. fast wört-
lich abgeschrieben" ist. Man vergleiche den;
... die Ohren zur Hälfte bedeckenden Schei-
tel.. sehr straff gezogen so daß die
Teilungslinie über der Stirn die weiße Kopfhaut
bloßlegte. Trotzdem einiges iases Haar vor
den Ohren sehr anmutig davon herunter"?
Ebenso deutlich erkennbar ist Adrians Onkel,
der Geigenbauer Er war ein Mann mit unge-
ordnet herumhängendem aschfarbenem Haar
und einem bartlosen, sympathisch ausgearbei-
teten Gesicht, dessen Backenknochen sehr stark
hervortreten, mit gebogener, etwas hängender
Nase, einem ausdrucksvollen Mund..." Daß es
sich hier um das Porträt von Wolgemut von
Dürer handelt, bis zu den in bemühter Herzens-
güte, auch Klugheit dreinblickenden Augen"",
erkennt ieder, der das Porträt von Dürers Leh-
rer kennt Abb. l. Die für Adrian schicksalhafte
Esmeralda trägt Züge der Jungen Veneziane-
rin" im Kunsthistorischen Museum in Wien, dies
iner Beobachtungsgabe als von einer Lei-
lQTT, einer Passion, einem Martyrium und
ttum ... als Künstler zwingt dich der
zu beobachten, blitzschnell und mit
"zlicher Bosheit jede Einzelheit zu perzie-
Und es genüge ihm, heißt es, einen
sbacher z. B. nur einen Augenblick zu
chten, um mehr über ihn und seinesglei-
wissen als manch anderer.
so außerordentlichen Beobachtungsgabe
lem Dichter in der Sprache ein einzigar-
Vergegenwärtigungsvermögen zur Verfü-
Die fotografische Treue der Beobachtung
er nicht nur formend, sie ist deutend und
ld zugleich. An einer bis in die tiefsten
ten der Erscheinung dringenden Beobach-
abe entzündet sich die dichterische Ge-
gskraft und mit ihr das psychologische
itnisvermögen des Dichters.
also die Vorausserzungen und Gründe,
omas Mann zur Verwendung von visuellen
len zwingen und so das Phänomen des
tates" hervorbringen. Sie liegen, um es
sagen, im Phantasiemangel des Dichters.
genden wollen wir einige Bildmontagen
üsseln, als Beispiele nur, denn vor allem
ezeigt werden, daß Thomas Mann nicht
ich in den Bildmontagen, ebenso wie in
terarischen Montagen, offene" und ge-
so geheime, daß man sie eher schon
armetische" bezeichnen müßte, verwendet,
doß es verschiedene Möglichkeiten für
Mann gab, das visuelle Vorbild in den
lstaff zu verweben.
Musikantinnen.
Theben
Damengesellschatt. Fresko. Museum Kairo
Fresko im Grab des Nakht,
Anmerkungen 20-29
Th. Mann, Die Entstehung, a. a. O., 28
Th. Mann, Die Entstehung, a. a. O., 27
Th. Mann, Bilse und ldl, a. a. O.
U. Finke, a. a. O.
Th. Mann, Doktor Faustus", Das Leben des deutschen
Tonsetzers Adrian Leverkühn erzählt von seinem Freunde,
Stockholm 1947, S. H.
75 Th. Mann, a. a. O., S. 36; lrmgard Kern, .. was zu
entlarven". Eine Identifikation der Eltern Adrian Lever-
kühns, in Frankfurter Allg. Ztg., 24. April 1959.
Th. Mann, Doktor Faustus", a. a. O., S. 36.
Th. Mann, Doktor Faustus", a. a. O., S. 62.
Zolascer, les Hypostoses du Temps dans Vaeuvre de
Thomas Mann, in La Revue du Caire, Kairo 1959.
lmgngh Joseph und seine Brüder, Stockholm 1952.
hat Thomas Mann in einem Brief bestätigt".
Soweit einige Montagen von Bildwerken im
Doktor Faustus", daß ihre Zahl weit größer
sein dürfte, muß nicht erst gesagt werden. Auch
einige Beispiele aus den Geschichten Jaakobs"
seien angefügt. Wer z. B. erkennt in dem
tüchtigen Ehezwerg Dudu", dessen Frau den
Arm um ihn schlingt, und in seinen zwei über-
großen Sprossen"" nicht die Figurengruppe
aus dem Ägyptischen Museum" in Kairo, die
einen Zwerg mit einer lebensgroßen Frau und
seinen zwei Kindern darstelltl? Abb. 3. Hier
stellt sich auch die ebenso interessante wie wich-
tige Frage der Priorität Hat die Figurengruppe
Thomas Mann angeregt, die Gestalt des Zwer-
ges und seiner Rolle im Ablauf des Romange-
schehens zu schaffen, oder gab das Bildwerk
nur gewisse äußere Eigentümlichkeiten für eine
bereits konzipierte Figur? Wer erkennt nicht in
seinem Gegenpart, im Zwerg Gottlieb, mit ägyp-
tischem Namen Bes-em-heb, der sich in ewiger
Gala" befindet so bezeichnet Thomas Mann
nicht ohne Humor den ichtyphalischen Gott
den gleichfalls zwerggestaltigen Fruchtbarkeits-
gott Bes, der in unzähligen Amuletten darge-
stellt wurde? Die großartige Figur des Bekne-
chan, Amons Hohepriester, ist einer eindrucks-
vollen Porträtplastik im ehemaligen Museum in
Berlin nachgebildet Abb. 4. Man vergleiche die
Beschreibung, die Thomas Mann vom Priester
gibt, mit der Plastik Sein eiförmiger Kopf mit
dem niemals bedeckten, glattrasierten Schädel
war bedeutend und nach seinem Ausdruck gänz-
lich bestimmt durch ein tief und scharf einge-
27
schnittenes Zeichen zwischen den Augen ..."".
Kann die Übereinstimmung zwischen dem Par-
trät und der Ramanfigur nur Zufall sein? Kön-
nen die tief eingeschriebenen Zeichen zwi-
schen den Augen" eine unabhängige Eingebung
des Dichters sein? Aber fahren wir fort. Das
Aussehen Echnatons folgt Zug um Zug seinen
Forträtplastiken. Es ist das eines iungen, vor-
nehmen Engländers von ausgeblühtem Ge-
schlecht", das Gesicht langgezogen, hochmütig
und müde, mit nach unten ausgebildetem, also
keineswegs mangelndem und dennoch schwa-
chem Kinn ..., der lange Hals, der schmalen,
weichen Brust, dem vertretenden Bauch Jede
dieser Eigentümlichkeit ist wörtlich von den Dar-
stellungen des Pharao abgeschrieben". Ebenso
ist die Königsmutter Teie Abb. mit ihrem
feingebogenen Naschen, den aufgeworfenen,
von Furchen bitterer Weltkunde eingefaßten
Lippenu" besonders auffallend sind die Fur-
Fiorenza". Es ist die Schilderung einer Szene, in
der Fiora, von ihren Begleiterinnen gefolgt, La-
renzo, der auf seinem Krankenlager ruht, besucht.
Die Szene, der Aufbau, der Raum, all das stützt
sich zur Gänze auf die Darstellung der Geburt
Mariä von Ghirlandajo in Sta. Maria Novella in
Florenz. Meine Vermutung wurde erst nach der
Gründung des Thamas-Mann-Archivs bestätigt,
als ich unter den Materialien auch eine Abbil-
dung des Frescos fand.
Szenische Nachdichtungen, die auf Werke der
bildenden Kunst zurückgehen, sind in den Ge-
schichten Jaakobs" besonders häufig. Da ist z. B.
das reizende Orchester von Harfenistinnen,
Lautenspielerinnen und Bläserinnen der Doppel-
flöte in weiten Hauchgewöndern von Kleidern",
die bei der Damengesellschaft der Mut-em-enet
aufspielen Abb. während die Damen selbst
an Lotasblüten riechen, einander Näschereien
zum Kosten reichen" Abb. es ist das gleiche
Blinder Harfenspieler. Relief aus dem Grube
des Puienemhab. Riiksmuseum Leyden
Detail vom Thronsessel des Tutankhumon. Mu-
seum Kairo
chen zu Seiten ihres Mundes deutlich auf dem
Portrötköpfchen, das uns von der Königs-
mutter erhalten ist, zu erkennen, bevor sie
der Dichter stolz und müde", auf ihrem Thron
sitzend, zu neuem Leben erweckte und im Ro-
man vor uns erstehen ließ. Mut-em-enet, mit
ihrem geschlöngelten Mund mit seinen vertief-
ten Winkeln und schattigen Wangen" lächelt
uns auf zahlreichen Frauenköpfen dieser Zeit
entgegen. Ihrem Mann, dem Fleischesturm"
Petepre auf seinen Säulenfüßen" ein mate-
rialbedingtes Stilelement der ägyptischen Frei-
plastik begegnen wir im Josephsroman wie
auf Schritt und Tritt seinen Vorbildern in Mu-
seen. Auch die Gestalt von Esnat, der Schild-
iungfrau", dem Weibe Josephs, kann nicht ohne
Vorbild entstanden sein, so einmalig sind ihre
Charakteristika Lieblich und gewissermaßen
einmalig war auch ihr Körperbau, der durch die
gesponnene Luft ihrer Kleidung schien, ausge-
zeichnet durch eine von der Natur ausnehmend
schmal und wespenartig eingezogene Taillen-
gegend mit entsprechend ausladendem Becken
und langer Bauchpartie darunteru." Hier stellt
sich dieses Gefühl des deia-vu" ein, von dem
weiter oben die Rede war, doch das Vorbild
konnten wir nicht eruieren. Soweit also einige
Beispiele für das direkte" Montieren von Por-
träts aus der bildenden Kunst in dem Roman.
Die zweite, formal kompliziertere Art, Bildwerke
in die Erzählung einzubauen, besteht darin, daß
eine Bilddarstellung im Roman zu einer lebendig
bewegten Szene, zu einem Geschehen gestaltet
wird. Eines der frühesten Beispiele findet sich in
28
Orchester, mit den gleichen Instrumenten, mit
den gleichen Hauchgewändern", das einst einem
Großen in Theben aufgespielt hat und heute
seine Grabkammer schmückt. Hierher gehört
auch der alte, blinde Harfenspieler", der bei
Petepres Mahlzeiten aufspielte Abb. und mit
dürren Krummfingern in die Saiten greift"3'; die
dürren Krummtinger", die Thamas Mann so
nachdrücklich hervorhebt, lassen sich ebenfalls
nur aus der direkten Beobachtung des Werkes
erklären. Die Tempelmüdchen, die im Tanz die
Sistren und Tamburine schütteln und über ihren
Köpfen das gerade ausgestreckte Bein erstaun-
lich hoch aus der Hüfte"" recken, sind eine Wie-
derbelebung der Tempelmödchen aus einem Re-
lief im sogenannten Ärztegrab" in Sakkarah,
wo sie die gleichen akrobatischen Kunststückchen
aufführen. Die Reihe könnte fortgesetzt werden,
schließen wir mit zwei sehr repräsentativen Bei-
spielen. Da ist die Beschreibung des eigenartig
bewußt ungezwungenen Sitzens, eine Art Räkeln,
Echnatons Abb. der den Arm auf der Rück-
lehne seines Thrones ruhen lößt". Das gewisse
Sichgehenlassen", das diese Sitzweise ausdrückt,
so verschieden von der üblichen hierotischen
Haltung der Pharaonen, und das zu beschreiben
Thomas Mann sich nicht Genüge tun kann, sall
u. a. die revolutionäre Freiheit des Herrschers,
der mit der Tradition bricht, illustrieren. Dieses
eigenartige Sitzen ist aber ebenfalls ein wört-
liches Zitat" und der gleichlautenden Darstel-
lung u. a. auf der Rückenlehne des Thronsessels
des Tutankhamon entnommen Abb, 9. Unser
letztes und besonders instruktives Beispiel für die
"I0 Weidende Gänse. Fresko aus einem Grab in
Medun. Museum Kairo
10a Katze im Papyrusdickicht. Aus Beni Hasan. Mu-
seum Kairo
Anmerkungen 31m7?
Th. Mann, Joseph, Bd. ii, s. 1059.
Th. Mann, Joseph, Bd, ll, s. 1583 n.
11 Th. Mann, Joseph, Ed. II, s. 158i.
Th. Mann, Joseph, Bd. ii, s. 1698.
14 Th. Mann, Joseph, Bd. ll, s. 1357 t.
ll
ßih. Mann, Joseph, Bd. s. 1025.
eih. Mann, Joseph, ae. ll, s. an.
Th. Mann, Joseph, Bd. lt,5.1582,
ik, wie eine bildliche Darstellung zu einem
schen Geschehen aufgelöst und umgeformt
die Vergoldung" Josephs, der im Roman
eigenes Kapitel unter diesem Namen ge-
iet ist u. Angeregt von einer Darstellung, ge-
et der Dichter ein fast theatralisches Ge-
ien mit aller Ausführlichkeit, mit allen De-
der die Personen und die Situation erfor-
Und im Grunde ist der Text nichts anderes
eine genaue, bis ins Kleinste getreue Be-
ibung, oder besser Abschreibung" der
lem Palast von Tel-ellAmarna stammenden
ellung einer solchen Vergoldung" wie
igen dieser Art genannt wurden, ...im
welcher auf der Prunkestrade denn also
zarte und lächelnd in matter Distinktion
ende Paar im Schmuck ihrer hohen mit
enschutz versehenen Mützenkranen und mit
ichem Vergnügen, recht aus dem Vollen
ifend, einen Regen von Kostbarkeiten auf
I3
Nun, diese Stickerei ist die genaue Wiedergabe
von Darstellungen, die wir von Werken der alt-
mesopotamischen Kunst kennen. Soweit also ein
Werk der bildenden Kunst, das in den Roman-
text montiert ist. Nun folgt die Beschreibung von
Josephs Tätigkeit, der mit Hilfe eines beson-
deren Polsterstrickes, der zugleich um den eigel
nen Leib und um die Palme geschlungen ist...,
sich in die Krone des Staubblüten tragenden
Baumes emporarbeiten ..." muß. Muß, oben
angelangt, die Rispen abschneiden und mit Be-
hutsamkeit in Behälter sammeln... und dann
den Stamm eines fruchtbaren Baumes hinautge-
hen .. in die fruchtknotentragenden Blütenstön-
de hineinhöngen ..." Solches aber hat Thomas
Mann persönlich, während seiner Orientreise, in
Ägypten gesehen! Denn so werden bis heute
hier Palmenböume befruchtet. Wie die beiden
Szenen, die eine einem Kunstwerk entnommen,
die andere dem Leben abgelauscht, mit Poti-
egünstigten niedergehen ließ". Es folgt die
Je Aufzählung der Kostbarkeiten, die auf
Qeliet dargestellt sind. Hier also wird das
ngeschehen zur Gänze auf Grund einer
then Vorlage gestaltet.
zrgsten" hat nachgewiesen, daß Thomas
nicht selten Zitate aus verschiedenartigen
übernimmt und verbindet. Das gleiche
FlCh bei der Verwendung visueller Vorla-
aststellen. Ja, Thomas Mann koppelt sogar
gen von verschiedenem Realitätsgehalt, d.
kann sich um eine Übernahme aus der
chkeit handeln, die mit einem Vorbild, das
zr bildenden Kunst stammt, verbunden wird.
nderen Worten einmal wird von einem
verk, das andere Mal vom Leben abge-
sen. Ein Beispiel dieser Kombinationstech-
ndet sich im Kapitel Joseph redet von
iar", in der Szene, in der Joseph im Gar-
'otiphars die Befruchtung der zweige-
itlichen Palmbäume vorzunehmen hat;
also war dem Sohne Jaakobs Beschäfti-
zugewiesen, und es war eine, die ihm auf
enklich schmerzliche Art ein teures und
klich verlorenes Besitztum in die Erinne-
ziurückriefw." Und nun folgt die Beschrei-
der Darstellung, die auf dem bunten
seiner Mutter gestickt war, und die Be-
ing einer Palme dargestellt hatte; Einen
an Baum hatte sie die Stickerei darge-
zu dessen Seiten zwei bärtige Engel ein-
gegenüberstanden und ihn zur Befruch-
nit den Zapfen der männlichen Blüte be-
iatten."
ll
12
13
Anmerkungen 38-427
Eselherde, um 2650 v. Chr. Museum Kairo
Kraniche, um 2650 v. Chr. vom Tempel Der-el-
Bahari, Theben
König Chefren, Dioritbüste, um 2500 v. Chr. Mu-
seum Kairo
Th. Mann, Joseph, Bd, s. 1662 n.
a. Bergsten, ü. a.
Th. Mann, Joseph, ad.
"Th. Mann, Joseph, Bd.
H. Breasted, Geschichte Ägyptens, Zürich 193.5, Abb. 211,
42J
984 tf.
S. 1572 ff.
212, 245, 255. Das Buch ist während der Zeit,
als Thomas Mann dn seinem Joseph" arbeitete, er-
schienen.
phars persönlicher Tragödie, seinem Kastraten-
tum, in Beziehung gebracht werden, ist eines
iener großartigen Beispiele, wie Thomas Mann
Sinn- und Beziehungsgewebe" herstellt.
Daß die Kretische Laube", in der Pharao den
iungen Traumdeuter empfängt, mit ihrem rei-
chen Freskenschmuck, in dem Frauen in star-
ren Prunkröcken saßen und wandelten, den Bu-
sen entblößt", während ein Prinzchen mit Wes-
pentaille" zwischen abenteuerlich blühenden
Gräsern iagte"", eine getreue Wiedergabe der
Palasttresken von Knossos ist, ist naheliegend,
weist ja schon der Name darauf. Hier handelt
es sich um ein affenes" Zitat; anders verhält
es sich um die Malereien, die das Gartenhäus-
chen van Hui und Tuii schmücken. Hier hat Tho-
mas Mann eine ganze Reihe berühmter Werke
der altägyptochen Kunst in einer einheitlichen
Montage" vereint man sah eine dreschen-
de Eselsherde Abb. 11, aus der man es iahen
zu hören vermeinte"... sie ist telle quelle im
Grabe des Ti in Sakkarah zu sehen; weiters
sah man einen Fries fettbrüstiger Gänse" Abb.
10 sie ergehen sich auf dem berühmten Fries
von Medun, heute im Museum von Kairo; die
grünblickende Katze im Schilf" entstammt dem
Wandgemälde aus dem Grab des Chnem-Ho-
tep, bei Beni-Hasan Abb. T0, und die stol-
zierenden Kraniche" schmücken die Wände des
Tempels der Hatschepsut in Der-el-Bahari Abb.
12. Ob Thomas Mann aus dem Werk von
Breasted Geschichte Ägyptens wo all oben
angeführte Werke abgebildet sind, oder von den
Originalen abgeschrieben" hat, lößi sich weder
entscheiden noch ist es für unser Problem wichtig.
Wichtig allein ist die Tatsache, wie sehr der
Dichter von anschoulichem Material abhing, und
in wie vielfältiger Art er es verwendet hat. Nicht
selten geschah dies mit einem Augenzwinkern
für den gewitzigten Leser, iener Ironie und Ver-
steckenspiel, die Thomas Mann liebte.
So etwa, wenn der Besuch Josephs im Bildhauer-
atelier des Ptach beschrieben wird und uns prak-
tisch alle Meisterwerke der pharaonischen Kunst,
in loco gewissermaßen, vorgeführt werden u.
So bewundert Joseph Königsbilder im Kopf-
tuch, von dessen über die Schulter fallenden Flü-
geln ihre Ohren abstanden es handelt sich
um die Granitstatue des Sesostris im Museum in
Kairo; oder; Könige, denen ein Falke im Nak-
ken die Flügel spreitete" Abb. I3, es ist die
überlebensgroße Dioritstatue des Chefren im
gleichen Museum, eines der großartigsten Werke
altügyptischer Kunst. Joseph sieht auch den
Schreiber mit unterschlagenen Schenkeln", ge-
meint ist wohl das Werk im Louvre, und, um
unsere Liste nicht allzulang zu machen, er bewun-
dert auch das Doppelpartröt eines Mannes und
einer Frau Sie waren bemalt, wie sie da mit
geschlossenen Knien nebeneinander saßen .. in
den natürlichsten Farben der Haut Ptachs
Künstler hatten ihnen Augen gemocht ein
schwarzes Steinchen im Glasfluß als Sehlach,
aber in dieses wieder ein Silberstiftchen, das als
Lichtblitzlein darin auflebte." Mit unnachahmli-
Tllalnxs MAXN
l.ux.x.xllAr'l-Z'iuluu
04-71.?
itn-p-w ffördßzr 4...., z..- '41
cher Präzision ist hier das Doppelbildnis des Ra-
hotep und seiner Frau Nofritabgeschrieben"und
in ihre einstige Daseinssphäre zurückversetzt.
Neben solchen erkennbaren, also offenen"
Zitaten, in denen Thomas Mann entweder
Einzelpersonen noch bildhaften Vorbildern gestal-
tete, oder ein Bild, also eine statische Darstel-
Iung in ein Geschehen in der Zeit gestaltete,
verwendet Thomas Mann Werke der bildenden
Kunst in einer subtileren, oft schwer zu entzif-
fernden Form; hier handelt es sich um ge-
heime", ia man könnte sie sogar hermetische"
Zitate nennen.
Eine derartige Montage findet sich z. B. im sie-
benunclvierzigsten Kapitel des Doktor Faustus".
Nach seiner wirren Rede stürzt Leverkühn zu-
sammen, und die darauffolgende Szene allge-
meiner Bestürzung schließt mit den Worten
Frau Schweigestill... hob den Kopf des Be-
wußtlosen, und seinen Oberleib in mütterlichen
Armen haltend Hier hat ahne ieden Zwei-
fel sowohl was das Äußere der Haltung an-
langt als auch dem inneren Gehalt nach die so
leidvolle Pieta des Michelangelo, die Pietä Ron-
danini Modell gestanden. Die Szene im Roman
ist eine reine Nachdichtung dieser so ausdrucks-
vollen Plastik, doch könnten Nichteingeweihte
ein derartiges Zitat" leicht überlesen ß.
Die größte Bedeutung kommt aber jenen Bild-
montagen zu, die, ohne Rücksicht auf den Sinn-
geholt des Bildwerkes, lediglich vom Optischen
ausgehend, in Sprache umgesetzt werden, wo
ein konkretes, greifbares Werk in das abstrakte
Medium der Sprache umfunktioniert wird. Hier
haben wir es mit einem formalösthetischen Phö-
30
14 Michelangelo, Detail aus dem Jüngsten Ge-
richt". Sixtinische Kapelle, Rom
4'145
24 ißriyfmfs, .4,
akamzaei-z... Yoga.
34411., 1614;;
Qnrrräriw. aß
44144241 14-. 011.5 1,1,
549114; fele'ul Jan-a;
maß, Yhißwis-w te-srlvrasße ,r,,.
14 pn-wa. Äfrqz,
10.4., Jäßwmgfmhmglm,
ll-uärfoua ywlk ki.,rr
A. Zwar, 44111-4... 234W
Im? wen-MM; 741.44 7mm 174m-
Jfat wu 41 M2
1-14 afafm
MM ri re-l-erwrlßxaßes
MM! wie a4 ßr-rw 45,12....
äaaw 4114;. Iarlüswnfl.
I5 Briefstellen aus Thomas Manns Schreiben an Dr.
Hilde Zaloscer, die sich auf den vorliegenden
Beitrag beziehen.
Thomas Mann, ErlenbachlZürich, 24. August 1953
Sehr geehrte Frau, nehmen Sie verbindlichsten
Dank für die Übersendung der Revue du Caire"
mit Ihrem Aufsatz Le Docteur Faustus et ses
Modeles". lch habe die ausgezeichnete Arbeit
mit aufrichtigem Vergnügen gelesen
Über Nietzsche scheint M. Collevill's ent-
cleckender Scharfblick nicht herausgelangt zu
sein... Da geht es bei Ihnen anders zu. Sie
haben mehr gesehen von den verschwiegenen
und doch so offenkundigen Hintergründen des
Buches, und wenn Sie es geradezu une sorte de
rornan-clef de notre epoque" nennen, so hat
mich das, weil es witzig ist, amüsiert und, weil es
wahr ist, ergriffen... Dürer ist selbstverständ-
lich immer gegenwärtig und auch die Gegenwart
der ieune Venitienne" ist richtig erkannt...
Ihr Aufsatz, soviel ist sicher, gehört zu den
besten, einsichtigsten Studien, die über den
Doctor Faustus" geschrieben worden sind...
Ihr sehr ergebener
Thomas Mann
4'447.
flkrr
4'114
..,;,
ßyeu-s-ß-x lzvql
Anmerkungen 43-46
Th. Mann, lose Bd. S. 336 f.
Th. Mann, D0 IOr Faustus", a. d. 0., S. 763.
45 Th. Mann, Doktor Faustus", u. a. O., S. 773.
Weitere Beispiele dieser hermetischen" Bildzitate siehe
in H. Zaloscer, Ägypten in Thomas Manns Jasephsroman,
Cl. G. 0., S. T23.
nomen ganz eigenständiger Prägung zu tu
es bei der Umsetzung der statischen, stur
Bildwerke in die lebendig-dynamische Wel
Erzählung, des Wortes, um die Umsetzung
Formkategorien, geht, von denen iede ihre
nen unverwechselbaren Werte besitzt.
Die vollkommenste Umsetzung erfolgt also
wo der Realitätsgeholt des Bildwerkes vom
der Sprache zur Gänze aufgesogen, seine
krete Gültigkeit aufgelöst wird und ein
Sprachwerk entsteht. Eines der schönster
zugleich instruktivsten Beispiele dieses Kun
tels, das, soweit ich es beurteilen kann
Thomas Mann verwendet hat, ist das folg
ebenfalls dem Doktor Faustus" entnor
Das Werk schließt mit den Worten des
nisten, der in einer apokalyptischen Visio
Schicksal seines zerstörten Vaterlandes, De
land, heraufbeschwört Heute stürzt es,
einem Auge die Hand und mit der GFIdEft
Grauen starrend, hinab von Verzweiflur
Verzweiflung"? Diese ebenso pathetisch
auch anschauliche Metapher ist aber nichts
res als die genaue Beschreibung einer derl-
figuren aus Michelangelos Jüngstem Gr
in der Cappella Sixtina Abb. I4! Jeden
das Werk kennt, wird beim Lesen dieses
das Vorbild mit aller Deutlichkeit gegenv
So wird ein durch sein Pathos dazu geeig
Bildwerk, als Metapher zu reiner Dichtkui
die Sprache integriert. Weitere Beispiele fi
se Art der Montage" ließen sich anführer
auch hier soll das Einmalige und Prinz
aufgezeigt werden, die besondere Art,
Thomas Mann Werke der bildenden Kun
wendet hat".
Mag denn Thomas Manns Liebe in erster
der Musik gegolten haben, deren Wurze
auch Gefahren er immer wieder untersuc
für die Gestaltung seiner Romanfiguren,
ausgeprägten Naturalismus, der ihnen den
pel der Authentizität a-ufdrückt, war
dende Kunst von ausschlaggebender Bede
Gewiß, seine Beobachtungsgabe war
war weniger emotionell gefärbt als sein
gung zur Musik. Doch die Werke der bilc
Kunst boten nicht nur die notwendiger
schauungsstützen", sie bereicherten au
Sprache und ein eigentümlich schillerndl
ment, ein Paradoxon zwischen Anschaul
und Abstraktheit.
Erst naali Fertigstellung dieses Essays konnte irl-i
Untersuchungr Bild Und Text bei Thomas Mann,
kumentation", Francke-Verlag Bern, Kenntnis nehme
diese werden zahlreiche Arbeiten zu der Frage derl
im znyrs von Thomas Mann hinfällig, da nunrr
im Archiv vorhandene Material ledem zugänglich
iedes Raten und Erraten sich erübrigt. Daher sclleir
wichtig, darauf hinzuweisen, daß meine ersten in dil
ning weisenden Arbeiten Le Docteur Faustus et sc
les" in Kairo im Jahre 1953 und Ägypten in
Manns Jasephromon zum Problem des ßildzitat
Jahre 1974 in Toronto erschienen, also ohne zirliil
des eingangs erwähnten publizierten Materials.
Unser Autor
Prof. Dr. Hilde Zaloscer
Kunsthistorikerin
Franz-Koci-Straße 6lStiege15,'IlO0 Wien
Franz Wagner
Egon Schiele im Münchner
Haus der Kunst
Egon Schiele, Edith Schiele",
Kreide KaL-Nr. 764
191 B. Schwarze
Vom 22. Februar bis zum 11. Mai 1975 beher-
bergte das Haus der Kunst in München mit 285
Katalognummern die bisher wohl umfassendste
Ausstellung von Werken Egon Schieles 1890 bis
1918. Es hat ungewöhnliche Mühe und entspre-
chend hohe Versicherungssummen gekostet,diese
72 Gemälde, über 200 Aquarelle, Gouachen und
Zeichnungen sowie zehn druckgraphische Arbei-
ten zusammenzutragen. Thomas M. Messer, der
Direktor des Salomon-R-Guggenheim-Museums,
New York, hatte die wissenschaftliche Bearbei-
tung und die Zusammenstellung der Ausstellung
übernommen, an deren Zustandekommen außer-
dem noch, wie der reich illustrierte Katalog mel-
det, Otto Kallir, Walter Koschatzky und Rudolf
Leopold maßgeblich beteiligt waren. Womit für
Kenner und Liebhaber der Kunst Schieles bereits
die internationale Bedeutung dieses Vorhabens
erwiesen wäre. Verbleibt zu notieren, wie groß
diese Bedeutung neben der der publizistischen
Unternehmungen van Kallir, Leopold und neuer-
dings von Erwin Mitsch für das Werk des
großen Visionörs gewesen ist.
Die stilistische und spirituelle frühe Abhängigkeit
Schieles von Gustav Klimt war bisher kaum
übersehen worden. Schiele selbst hatte Klimt als
seinen geistigen Mentor anerkannt, der ihn auf
seinen Wunsch hin beraten hatte, als er siebzehn
gewesen war und noch die Akademie besuchte.
Ein attenkundiges Beispiel, das schon eine Reihe
von Kommentatoren beschäftigte, ist die Bezie-
hung von Schieles Kardinal und Nonne" zu
Klimts ebenso berühmtem wie oft reproduzier-
tem Bild Der Kuß". Jedoch Was Schiele stili-
stisch Klimt verdankte, diente ihm vor allem am
Anfang seiner Entwicklung. Er wurde erst ganz
er selbst, als er sich ein expressives ldiom an-
eignete, das seine unverwechselbare, einmalige,
persönliche Handsdwritt trug. Für Schiele bedeu-
tete die um 1910 erworbene künstlerische Unab-
höngigkeit unter anderem die Loslösung von
Klimt.
Im Katalogvorwort, dem diese Sätze entnommen
sind, hat Thomas Messer aber auch a-ut gewisse
Ähnlichkeiten zwischen Ferdinand Hodler, Ed-
vard Munch und Egon Schiele hingewiesen.
Während Schieles zeichnerischer Stil und seine
Neigung zu linearen Strukturen ihn mehr mit
'21
Hodler zu verbinden scheinen, so verbindet ihn
mit Munch die Fähigkeit, den seelischen Status
des modernen Menschen dargestellt zu haben
vermittels einer intensiven, vorbehaltlos ehrlichen
Dokumentation der ,condition humaine', wie sie
sich in Liebe, Leben und Tod offenbart." Messer
schreibt aber weiter Das ganze Problem der
wechselseitigen Beeinflussung ist viel komplexer,
als die vorwiegend mit Intuition und festen Ka-
tegorien arbeitende Kunstgeschichte es wahrha-
ben will. Tatsache ist, doß ieder Künstler als
Rohmaterial aufgreift, benutzt und absorbiert,
was ihm für seine Kunst von Nutzen erscheint
Gutes und Schlechtes, Lebendiges und Totes,
Optisches und Literarisches, Psychologisches und
Wissenschaftliches dies alles dient dem Jagd-
instinkt des schöpferischen Menschen als Beute,
Egon Schiele, Doppelbildnis Heinrich und Otto
Benesch", 1913. Ol Kot-Nr. 50
Egon Schiele, Selbstbildnis", 1910. Schwarze
Kreide und Deckforben Kali-Nr. B7
32
und im besonderen Maße trifft dies auch auf
einen Künstler wie Schiele zu."
Für das Ergebnis der Beutezüge" Schieles sind
drei Elemente wichtig, auf die Hans Kinkel in
seiner vorzüglichen Besprechung der Ausstellung
vom 12. März 1975 in der Frankfurter Allge-
meinen Zeitung" hingewiesen hat Der neugie-
rig gespannte, zwischen Hypnose und Verzük-
kung fixierte Blick, der als monochromer Farb-
raum gegebene, immaterielle Körper und die
zum flächensüchtigen Ornament stilisierten, auf
Aktion und Besitz gerichteten Hände.
Die Kunst Schieles war und ist nicht populör",
nicht volks-nah" und wird es auch nie sein.
Sie wird aber immer das sein, was Schiele 1913
auf eine seiner Zeichnungen geschrieben hat
Die Wahrheit wurde enthüllt."
Unser Autor
Franz Wagner
Postfach 5163 MaHsee
tgang Lampert
an Schieles
ener Zeit seine Ateliers
seine Begegnungen
'ien Kurzbauergasse Schiele wohnte hinter
an beiden schmalen, oben runden Fenstern
'ien Alserbachstraße 39
'ien Alserbachstraße 39 das nordseitige
elierfenster
'ien Alserbachstraße 39 Blick vom Südfen-
er auf die Votivkirche
rkungen 1-3
1869 erbaut.
touser vorne sind heute umgebaut.
vor einigen Jahren bei einer Kunstouktion des
er Dorotheums ein ähnlidies Bild Schieles, aber
lierausblick in Klosterneuburg" betitelt, angeboten
gelang es dem bekannten SchieleASarnmIer Dr.
ald, das richtige Motiv nadiluweisen.
Der am 12. Juni 1890 in Tulln geborene Egon
Schiele, der seit 1902 das Stiftsgymnasium in
Klosterneuburg besucht hatte, bestand im Okto-
ber 1906 die Aufnahmeprüfung an der Akademie
der bildenden Künste in Wien. 1907 bezog er
seine erste eigene Wohnung im 2. Bezirk, Kurz-
bauergasse 6. Sie befand sich im fünften Stock
dieses eher pompösen Hauses schräg gegenüber
den Meisterschulen für Bildhauerei, in allernäch-
ster Nähe des Donaukanals und nicht weit vom
Volksprater. Trotz der hohen Lage kann man
schwer von einem Atelier im gebräuchlichen Sinn
sprechen an einen kleinen fensterlosen Raum
schließt ein größeres, sehr hohes Zimmer mit
zwei schmalen Fenstern in der oberen Hälfte,
von wo aus man den gesamten Prater über-
blicken kann. Die frühere, nur ungefähr einen
halben Meter breite Plattform unterhalb der
Fenster, zu der man über eine schmale Treppe
gelangte, wurde inzwischen durch eine breitere
ersetzt.
Über eine vom Gang ausgehende eiserne freie
Wendeltreppe kommt man auf das Flachdach
des Hauses. Von dort aus, gegen Südwesten
gerichtet, malte Schiele 1908 den Blick über
Wien, mit der Kirche St. Othmar am Kollonitz-
platz' und der Karlskirche mit den beiden Tri-
umphsäulen im Hintergrund R. Leopold Egon
Schiele", Werkk., Nr, 102'i".
Nach der Rückkehr von einem dreiwöchigen
Aufenthalt in Krumau zusammen mit dem Maler-
kollegen Erwin Dominik Mime van Osen An-
fang Juni 1910 zog Schiele für ungefähr fünf
Monate nach Wien Alserbachstraße 39.
Eingang des Hauses ist in der Grundlgass
und das sehr geräumige Atelier bewohnt
die Restauratorin Hermine Hausner. Gemein
mit ihrem Mann, dern Maler Rudolf Haus
hatte sie die Räume 1942 übernommen, noch
iene seit der Machtübernahme durch die
als Aufenthaltsort für zu deportierende JL
gedient hatten. Es ist dies wohl die am be
erhaltene und vielleicht auch beeindrucken
Unterkunft Schieles, sowohl was die Größe
Räume und ihren gepflegten Zustand als
deren heutige Ausstattung betrifft. Eines der
den großen nordseitigen Zimmer wird als
beitsraum benutzt, von den nach Süden gel
den Räumen bietet sich ein Ausblick über
ganze Innenstadt, von der Votivkirche im
dergrund bis zum Stephansdom dahinter.
Über eine dortige Begegnung mit Schiele sch
der Wiener Maler Max Oppenheimer 1885
1954 in seinem 1938 in der Schweiz erschiene
Buch Menschen finden ihren Maler" folgen
Zwischen den beiden Stühlen und den
Staffeleien meines Ateliers stand plötzlich
junger Mensch. Die dunklen Augen seines
geschorenen Asketenkopfes sahen mich un
wandt an. Dann sagte er lch möchte lh
meine Bilder zeigen!" Wir gingen sogleich.
genüber dem Nordbahnhof Oppenheimer
wechselt hier den Franz-Josephs-Bahnhof
dem Nordbahnhof, im fünften Stock eines
Hauses und an eine Kiste gelehnt, standen
mälde, Farben standen auf dem Fensterbrett,
'ge von Zeichnungen bedeckten den Boden.
Bilder waren auf Hintergründe gemalt, die
Stanniol beklebt waren. Die Linienführung
bizarr und sehr ornamental. Ich sagte, daß
eine andere Auffassung vom Malen hätte,
er die Intensität, auf die es allein ankäme,
iene mir außerordentlich und der meinen ir-
1dwie verwandt. Deshalb komme ich zu dir",
;te er. Zwei Tage und drei Nächte blieben
beieinander, durchstreiften die Vorstädte und
Hügelgelönde und gaben unsere letzten
zuzer für ein Glas Milch am Morgen. Wir er-
indeten alle Probleme der Kunst, denn wir
iren iung er 18, ich 23. Monate malten wir
beneinander, standen einander Modell und
lten Not und Farben. Wir waren arm halb
rhungert, aber wir hatten ein Ziel und waren
ilz auf unsere Bedürfnislasigkeit.
November 1910 wohnte Schiele in der Grün-
rgstraße 31 im 12. Bezirk. Dieses im wesent-
1en aus zwei größeren Räumen bestehende
elier mit Blick über Schönbrunn bewohnte
äter, bis ungefähr 1940, der Maler Jungnickel,
es zu einem Treffpunkt für Freimaurer ge-
iltete. Türen und Fenster waren schwarz ge-
ichen. Zu Beginn des zweiten Weltkriegs ver-
iwand Jungnickel in Italien und ließ alles zu-
k. Mit Hilfe der Berufsvereinigung der bilden-
Künstler konnte die Emailliererin Nora Grill-
banek dort einziehen, aber unter der Auflage,
die zurückgelassenen Zeichnungen Jungnik-
ls einen geeigneten Aufbewahrungsort zu fin-
n. Schließlich konnten diese in einem Atelier
Margaretengürtel untergebracht werden und
irden dort versiegelt aufbewahrt; aber zur
ianzierung dieses Unternehmens wurden eini-
der Bilder und sonstige Gegenstände des
nstlers versteigert.
it mehr als dreißig Jahren unterhält nun Frau
'ill-Kubanek ihre Emaillierwerkstätte und eine
ymnastikschule. An der Akademie für ange-
zndte Kunst, der damaligen Hochschule für
igewandte Kunst, hatte sie zuerst durch zwei-
1110112 Jahre die Textilklasse unter Wimmer-
iesgrill besucht, wechselte dann aber in die
ichklasse für künstlerische Emailarbeiten über,
unter der Oberleitung Josef Hoffmanns stand.
hiele blieb in der Grünbergstraße bis Juni
11. Nach seinem mißglückten Aufenthalt in
"umau wohnte er ab 5. August für kurze Zeit
ei seiner Mutter in Wien Sobieskigasse 14116.
JCl1 nach seinem anschließenden zweiten Flucht-
irsuch aus Wien nach Neulengbach, der im
oril 1912 mit einer 24tägigen Haft endet, fin-
in wir ihn wieder bei seiner Mutter, die inzwi-
hen nach Wien 12, Rosenhügelstraße umge-
igen ist.
Ab Ende Juni 1912 mietet er das Atelier im 9.
Bezirk, Höfergasse 18. Dazu schreibt er selbst an
den Kunstschriftsteller und Mitarbeiter der Ar-
beiterzeitung, Arthur Roessler 1877-1955, da-
tiert mit 7. Juni 1912;
lch werde von nun an bei meiner Mutterwohnen
und tagsüber arbeiten; ich habe bis ietzt in
allen Winkeln von Wien Ateliers gesucht, und
alle sind seit drei Jahren so wahnsinnig teuer,
daß ich die nicht bezahlen möchte; unter 800
Kronen kein anständiges. Zufällig zieht Osen
aus, der das billigste Atelier hat, er geht über
Sommer nach Krummau, und wenn er zurück-
kommt, nimmt er irgendein Zimmer. Sein Atelier
besteht aus zwei größeren Räumen, Wien
Häfergasse 18, und kostet samt Reinigung 40
Kronen im Monat. Ich könnte dieses sofort über-
nehmen, indem ich ihm für Juni den Zins gebe ..
Das Atelier des Osen wäre also erstaunlich bil-
lig, und ich finde zur Zeit kein besseres."
Dieser Erwin Dominik oder kurz Dom oder Mime
van Osen, den Schiele einige Male porträtiert
hat, war, soweit herauszufinden war, eine etwas
suspekte Gestalt. 1948 kam es sogar zu einer
Ehrenbeleidigungsklage zwischen ihm und Arthur
Roessler, weil letzterer ihn 26 Jahre vt
nämlich 1922, in einem seiner Schiele-B
verschiedener Unwahrheiten bezichtigt hattz
lm November 1912 findet Schiiele das Atel
der Hietzinger Hauptstraße 101, das er
seinem Tod behält. Dominierend darin is
Hauptraum hinter dem großen Mittel- um
zwei kleinen Seitenfenstern. Trotz verschie
Renovierungen und Umgestaltungen ist de
samteindruck, der durch die Fensterwam
stimmt wird, auch heute noch erkennbar
dort aus blickt man auf das gegenüberlieg
Haus, Hietzinger Hauptstraße 114, das
Schlossermeister Johann Harms, Schiele
rem Schwiegervater, gehörte. Dieser bew
mit seiner Frau und den Töchtern Editl
Adele eine Wohnung im ersten Stack. Im
1914 kam es zu den ersten Annäherungs
chen Schieles, aber erst zu Jahresende WUt
mit den Mädchen näher bekannt.
Der übrige Teil von Schieles Atelier ist
verändert, u. a. wurden ein Balkon und ein
raum dazugebaut, wobei durch letzteren
sprüngliche Eingangstür wegfiel.
Arthur Roessler erinnert sich an dieses
folgendermaßen
Der jeweilige Arbeitsraum Schieles war
flossen von einem unerklärbaren, aber
spürsamen, feinen, leichten Hauch, einem
wie ein Nebelschatten, in dem seelisch
geistige Elemente schwangen. Man sah si
und fand sich innerhalb eines kalkweißen A.
gevierts von schwarzen Dingen umg
schwarzen Kasten, Tischen und Stühlen, sr
zen Vorhängen, schwarzen Seidend
schwarzen Polstern, schwarzen Lackdasei
schwarzen gläsernen Aschenschalen, schwa
bundenen Büchern und schwarzen Vase
schwarzen Bordbrettern, schwarzen iapan
Schablonenschnitten in schwarzen Leistt
men, schwarzen Tür- und Fensterrahmen.
ten dieses Chors vieltönig abgestimmter S4
zen stand in einem weißen, kuttenartiger
kittel der iunge Künstler vor einer schv
Staffelei, auf der eine große, gespannte
wand lehnte, und pinselte an einem Bil
dem alle Farben des Spektrums in edelste
ter und blumiger Glut aus sich selbst
leuchteten."
Roessler berichtet auch von einem schv
Glaskasten, in dem Schiele die verschieden
sten Dinge aufbewahrte, wie exotische Scl
reien, Perlenschmuck von Negern, iapc
Netsukes, indianische Korbflechtereien,
lische Gewebe, Stickereien aus der Bieder
zeit, alte Bauernkalender, auf Palmblätti
schriebene Sanskrittexte, gebrochene grie
Wien 12, Grünbergstraße 31
Wien Höfergasse 18 das Atelier befindet sich
hinter den beiden linken Fenstern
Wien Hötergasse 18 lnnenansicht
Wien 13, Hietzinger Hauptstraße 101
Blick vom Atelier des Hauses Hietzinger Haupt-
straße 101, Wien 13, auf Schieles Sterbehaus,
Nr. 114. Die Wohnung seiner Schwiegereltern
befand sich im ersten Stock, hinter den drei
Fenstern von links
Egon Schiele, Entwurf für eine Wandbemalung
in Schieles Atelier in Wien 13, Wattmann-
iasse 1918. Bleistift, Deckfarben, schwarze
"usche auf Kartonpapier, 966x 502 mm
erkung
kleine Bleistiftzeichnung aus einem Skizzenbuch,
.tanden 1918, sowie ein farbiger Entwurf, 99,6 50,2 cm,
demselben Jahr waren die Vorarbeiten für die Aus-
ung des Ateliers, Vestibüls und des Stlegenautgan-
in der Wattmanngasse, laut Bestätigung seines
rvagers Anton Peschka. Jener letztere Entwurf, der sich
Besitz Dr. Rudolf Leopolds befindet, war mit Bleistift
vorgezeichnet und mit Decklarben gemalt, sämtli-
schwarzen Stellen allerdings mit Tusche. ln iedes der
len hellgrünen Quadrate schrieb Schiele mit Bleistift
die Malerei das Wart Vogel; er hatte also wahr-
tinlich erst für die Bemalung der Wand die Absicht,
xe Felder mit einem solchen zu versehen. Die Vorlage
zt im gesamten geschlossen einerseits durch das vor-
schen Ocker und die mit ihm korrespondierenden
und Orangeteile, andererseits durch die dekorative
elzeichnung In Schwarz. Für das vierte Feld von oben,
der Mitte, verwendete Schiele CllS Motiv sein Bild
gägnung" siehe R. Leopold Egon Schiele", Abb.
anwende
Tonvasen und Tartagra-Plastiken, siamesische
Bronzen und persische Buchdeckel, byzantini-
sche Motivbildchen und schimmernde Muscheln,
Tiroler Herrgöttle" und Körntner Hinterglas-
malereien, mit Blumenornamenten bemalte
zerne Gmundner Bauernschachteln, glasierte Ka-
cheln, russische Lackdosen, Mariazeller schwarze
Eisengüsse, barocke Zinnkönnchen und abervie-
len anderen kunterbunten Krimskrams.
Bereits am 21. Juni 1916 berichtet Schiele, der zu
dieser Zeit in der Provianturkanzlei des Offiziers-
kriegsgefangenenlagers Mühling bei Wieselburg
seinen Militärdienst versah, seinem Förderer Ar-
thur Roessler von seinem letzten Atelier in Hiet-
zing, Wattmanngasse 6. Im letzten Absatz er-
wähnt er Wenn wir heil den Krieg übertauchen
sollten so habe ich ein nettes kleines Haus
alleinstehend samt Garten für Wohnung und
Atelier in Aussicht."
Dieses kleine Haus, das er am 5. Juli 1918 be-
1D
zogen hatte, befindet sich heute noch im Gz
des Hauses, in dem sich eine Wohnung um
wahl ein größeres als auch ein kleineres At
befanden. Das erstere, in dem Schiele vor
großformatige Bilder malen wollte, war 12
breit, 10,8 Meter lang und zirka Meter ht
An Albrecht F. Harta und auch an Broncia
ler schrieb Schiele, daß, so gut ihm sein
Atelier gefiele, die Feuchtigkeit darin ihm
sehends unangenehmer werde und er sich
keine Krankheiten zuziehen wolle.
Bis 1938 wurde dieses letzte Atelier Schieles
dem 1891 in der Ukraine geborenen Bildht
Bruno Zach er verfertigte vor allem Kleinb
zen und Grabmäler benützt. ln später
wurden die Atelierfenster zugemauert und die
hen Atelierräume durch Zwischendecken Ul
teilt. Erhalten blieben der Wohnraum und
Nebenröume, die sich alle im obersten Stockv
befinden.
Unser Autor;
Wolfgang Lompert
Westbahnstraße 4813,
1070 Wien
Künstlerprofile
Homa onimolis" 197a. Kugelschrei-
ber, Temvera, FilzstiftfMillimeterpa-
prer, 43x61 cm
Heine unlmclls", im. Collage,
BleistiftlKartan, 42,Bx6'l cm
Homa animalis", 1973. Tempera,
riiman, KugelschreiberlMillimeterpu-
pler, 43x6lcm
Herr Neureich fährt am Sonntag
ausf, 1974. Kugelschreiber, Temveral
Mrlllmeterpapier, 43x61 cm
Bernhard Hollemann
36
Bernhard Hollemann
Hollemann ist, wie viele andere begabte Künstler,
in entscheidenden Jahren seines Lebens in eine
Umgebung gekommen, die ihn nicht mehr losließ
und auf seine Entwicklung Einfluß ausübte. Er
wurde in BorsumfHildesheim geboren, studierte
auf der Wiener Akademie bei Professor Andersen
und war ein eifriger Besucher Herbert Boeckls.
Zeichenunterricht vor dem Aktmodell, dem in die
Wiener Kunstgeschichte eingegangenen Abendakt"
Hollemann wohnt in Baden, ist österreichischer
Staatsbürger und mit einer Badnerin verheiratet.
Von der Schule Andersen ist in seinen ietzigen
Arbeiten nicht viel zu bemerken. Das Können, das
er sich bei Boeckl erworben hat, kommt ihm aber
gerade bei der stark graphischen Arbeitsweise,
der er ietzt nachgeht, außerordentlich zustatten.
Wir können sehr bald eine persönliche Note in
Hollemanns Arbeiten finden, die sich gerade in
den letzten drei oder vier Jahren zu einem
ausgeprägten eigenen Kanon entwickelte. Öfters
wurden seine Arbeiten als engagiert und gesell-
schaftskritisch apostrophiert. Sicher ist die Wirkung
seiner Blätter auf den Beschauer auch eine solche,
der Künstler selbst hat sie iedach nicht dahin
orientiert. Er hält fest. Wie die vorzeitlichen Maler
der Eiszeithöhlen die Erscheinungen ihrer Umgebung
auf die Hohlenwand zeichneten, aus ähnlichen
Voraussetzungen, so will es uns scheinen, zeichnet
Hollemann die Erscheinungen unserer Welt auf
ein Festhalten, gleich einem Bannen, einem Zauber.
Das scheint nun auch zu einer ähnlichen Technik
geführt zu haben Festhalten mit dem großen,
das Charakteristische erfassenden Strich. Erst später
kommt die Farbe dazu, und diese wird flächig
aufgetragen und ist selbst wieder Träger eines
Festzuhaltenden. Durch die Farben werden
Zusammenhänge mit nicht sichtbaren Wirklich-
keiten, etwa Eigenschaften, hergestellt.
Auch die Breite der Schilderung bei Hollemann
scheint uns mit iener urzeitlicher Maler
verwandt. Und doch ist unser Künstler ganz in
unserer Zeit verankert. Wir finden bei ihm vor
allem Probleme, Aufschwünge und Verirrungen
unseres Jahrhunderts in seinen Bildserien. In einer
großen Folge beschäftigt er sich mit der Raumfahrt
und mit allem, was damit zusammenhängt.
Beängstigende Bilder des Homo technicus
erscheinen vor uns. Aus dieser sehr technisch
orientierten Periode stammt vielleicht auch die
Verwendung von Millimeterpopier. Er selbst sah
in dieser Rasterung des Grundes ein verbindendes
Element seiner isolierten Figurenwelt. Später
übernimmt diese Funktion oft die Farbe.
Eine folgende Serie zeigt Herr Neureich fährt am
Sonntag aus". Auch hier sind alpdruckartig die
Zwänge aufgezeigt, denen ein Mensch verfällt,
dessen moralisches Potential mit ienem der
technischen Gegebenheiten nicht Schritt gehalten
hat. In filmstreifenortig nebeneinandergereihten
Umrahmungen werden Wunschbilder oder Variatio-
nen von Möglichkeiten an den Rand des
Geschehens, hier des Bildes, gezeichnet. Eine
Technik, die er in seiner umfangreichen nächsten
Serie Homa animalis" verstärkt anwendet. Das
Thema ist vielschichtig behandelt, wie io die
meisten Bilder Hallemanns mehrere Ebenen haben.
Hier ist einerseits das Tierische im Menschen, aber
andererseits auch eine gewisse mythologische
Überlieferung, Metamorphosen und Symbolik,
zuordnender Vergleich und Pröformation gezeigt.
Der Phantasie ist in diesen Blättern keine Grenze
gesetzt, und sie zeigt immer neue Zusammenhänge
auf. Von der Rasterung des Grundes kommend,
über Bildchenfolgen, Ubermalungen, Vergitterungen
durch Quer- oder Wellenlinien werden immer wieder
Verschleierung und Entschleierung, Moskierung und
Entemoskierung gezeigt. Die Farbe, Teilbereichen
vorbehalten, ist leuchtend und voll Kraft.
Hollemann ließ seine Arbeit reifen. Doch nun setzt
er uns die Zeichen der Zeit an die Wand. Es sieht
fast so aus, als würden sie viele verstehen. Zu
wünschen wäre es. Alois Vogel
Karl Reißberger
ln der letzten Zeit sind einige Maler auf die Technik
der Monotypie verfallen, um ihre Bildvorstellungen
zu realisieren. Bei dieser Technik, die gelegentlich
auch von den deutschen Expressionisten verwendet
wurde, wird eine beliebige Platte, zumeist Glas,
bemalt und im Anschluß daran auf angefeuchtetem
Papier ein einziger Abzug davon genommen. In
Wien war es vor allem der verstorbene Fred
Nowak, der mit dieser Technik expressive
Wirkungen erzielte.
Vergleicht man dessen Arbeiten, die wohl vielen
noch von seiner letzten Ausstellung im Üsterreichi-
schert Museum für angewandte Kunst her in
Erinnerung sein werden, mit jenen von Karl
Reißberger, so wird deutlich, zu welcher unter-
schiedlichen Gestaltung und Aussage die Monotypie
fähig ist. Sie erweist sich als ein Medium, das
gleich den traditionellen Techniken alle Gestaltungs-
möglichkeiten zuläßt. Dies gilt besonders für die
Arbeiten von Karl Reißberger, die man vom Duktus
her als spontan und von der Farbe als impressio-
nistisch bezeichnen kann. Vom Thema her sind
nahezu alle Blätter der Natur und ihren
Stimmungen gewidmet. Diese Blätter sind jedoch
nicht vor der Natur entstanden, sondern im Atelier,
das heißt aus den technischen und künstlerischen
Voraussetzungen des Entstehungsprozesses. Indem
der Künstler den farbigen Untergrund akzentuierte
und strukturierte, entstanden die visuell identifizier-
baren Bildvorstellungen wie Ein Morgen",
Sterbende Natur", Winterwald", Dunkle Stadt"
und andere. Reißberger folgte damit einer
Anweisung, auf die Leonardo da Vinci schon die
Maler als einen möglichen Gestaltungsvorgang
verwiesen hat. Da dieser Prozeß bei Reißberger
mit Intensität, großter Behutsamkeit und ohne
vehementen Zugriff erfolgt, verbleiben auch noch
die zartesten Valeurs und graphischen Strukturen
für den Gesamteindruck mitbestimmend. Dieser läßt
sich als ein ungemein sensibles Chaos beschreiben,
das gleich dem mythischen Begriff alle Möglichkei-
ten der Gestaltwerdung in sich trägt und hier sich
zumeist als eine Art dämmerhafter Traumzustand"
darstellt. Es ist daher nur zu verständlich, daß
nicht die polaren Zustände von hellem Tag und
dunkler Nacht Reißbergers Interesse finden, sondern
iene, die sich eher durch braundunkle oder neblig-
trübe Dämmerfarben auszeichnen. ln diesen
Bereichen herrscht dann ein nur vage konturierendes
Bildgestalten, das der Phantasie vollen Spielraum
läßt und nicht die scharfe und trennende Begrifflich-
keit des Tagbewußtseins kennt.
ln allen Blättern Reißbergers schwingen wegen
dieser Verhaltenheit" oder AnfänglichkeiW auch
nach hörbare" Elemente mit. Die Trennung
zwischen hören" und sehen" ist noch nicht radikal
vollzogen, die Blätter können nach musikalisch"
empfunden werden. Ihre Musikalität umfaßt die
Skala der leisen und dunklen Töne, welche die
Stimmungen der Schwermut, der Vergänglichkeit,
den Herbst und Winter evozieren.
Durch diese Gestaltungsweise und Aussagekraft
haben Reißbergers Blätter vieles gemeinsam mit
der Tuschmalerei der Chinesen. Wie bei diesen
kommt man auch den Arbeiten Reißbergers nur
dann nahe, wenn man nicht intellektuell an sie
herantritt, sondern seelisch offen und gelöst wie
bei einer musikalischen Darbietung. Erst dann
erschließen sie sich und vermögen die vom Künstler
angestrebte stille, aber intensive Wirkung zu errei-
chen. Wilhelm Mrazek
Sterbende Natur", T974. Monatvpie, 36 65 cm
SommeW, 1975. Monotvpie, 44 65 cm
Dunkle Smdw großer Ausschnitt, 1974. Monotvpie,
orvg. 45 es cm
Ein Morgen", 1973. Monatvpia, 34 49 cm
Karl Reißbergcr
37
Aktuelles Kunstgeschehen Österreich
Wien
Secession
ll. Internationale Graphikbiennale
Hermann J. Painitz
Josef Hegenbarth
Mitten im Festwochenrummel gelang es der Wiener
Secession, einen Ausstellungsakzent zu setzen,
der in künstlerischer Hinsicht nicht weniger zu über-
zeugen vermochte als von seinem Informationsgehalt
her. Freilich, das Verdienst am Zustandekommen
dieser ll. Internationalen Graphikbiennale Wien
kommt in erster Linie Mario Decleva zu, dem
Organisator der Ausstellung, zu der 130 namentlich
eingeladene Künstler rund 500 Zeichnungen und
Druckgraphiken eingereicht hatten. Erfreulich an der
breitgestreuten Konfrontation war unter anderem
auch die Begegnung mit neueren Blättern einiger
Altmeister" der Moderne Marino Marini, Ben
Nicholson, Mark Tobey, Jean Bazaine, Robert
Motherwell, Chillida und Matta. Nahezu alle heute
dominierenden Stilrichtungen und Tendenzen waren
präsent, darunter sieht man vom Kreis der
informierten Insider ab für Wien manches Neue.
Die Biennale ermöglichte einige Entdeckungen
darunter den Japaner Kunito Nagaoka und machte
deutlich, daß Österreich als Land exzellenter
Graphiker international keinen Vergleich zu scheuen
braudit. Nicht zufällig, sondern unter besonderem
Herausstreichen des künstlerischen Neuikeitswertes
wurde von der Jury auch eine Fotoüberzeichnung
des Wieners Arnulf Rainer mit dem Hauptpreis
bedacht. Drei weitere Preise gingen an Valeria
Adami Italien, den Verpacker" Christa er
beschäftigt sich ebenso wie Rainer mit neuen
künstlerischen Strukturen und bildnerischen
Möglichkeiten sowie an den in Wien lebenden
Kärntner Fritz Steinkellner für einen aufwendig
ausgeführten farbigen Siebdruck. Nach dem
Ergebnis der diesiährigen Ausstellung miißte es
nicht nur gelingen, den Fortbestand dieser für
Österreichs Kunstszene wichtigen Biennale zu
sichern, sondern auch das Budget für sie durch
Subventionen öffentlicher Stellen entsprechend
zu erhöhen. 12. 6.-31.7. 1975 Abb. 1-4
Einen ähnlich positiven Eindruck hinterließ auch
die ausstellungstechnisch hervorragend gestaltete
Personale des 1973 zur Biennale nach Sao Paula
entsandten Malers Hermann J. Painitz. Sie stand
unter dem Motto An Stelle von" und führte in
modellhafter Form die Grundüberlegungen des
Künstlers vor Augen. Texte werden als Schriftbilder
aufgefaßt und in eine andere visuelle Form
gebracht. Die Schrift mit ihrer Aufeinanderfolge
von Elementen symbolisiert Zeit, zum Lesen ist
Zeit erforderlich. Somit ist Schrift neben anderen
bildlichen Aussagen, wie Diagrammen, ein
geeignetes Demonstrationsobiekt für Zeit." Die
Komplexheit seines Anliegens wird auch in einer
größeren Broschüre dokumentiert, die aus Anlaß
der Secessions-Ausstellung erschien. Sie unterstreicht
ebenso die ausgeprägt individuelle wenn auch
auf Obiektivierung gerichtete formalästhetische
Komponente seiner Arbeiten wie den nicht selten
zur Ironie neigenden Theoretiker. Abb.
Zur Painitz-Ausstellung parallel wurde in der
Secessionsgalerie eine 70 Arbeiten der verschieden-
sten graphischen Techniken umfassende Personale
des bekannten deutschen Expressionisten Josef
Hegenbarth gezeigt. Es war im Schnitt eine
erfreulich qualitätsvolle Schau, mit der die Secession
ihr jahrelanges Mitglied dem Wiener Publikum in
Erinnerung rief. Josef Hegenbarth wurde 1884 in
Böhmisch-Kamnitz geboren. Er studierte von 1909
bis 1915 in Dresden, war Mitbegründer der Prager
Secession, Mitarbeiter beim Simplizissimus" und
nach dem Ende des zweiten Weltkriegs für kürzere
Zeit Akademieprofessor in Dresden. Die Zeitspanne
der gezeigten Exponate reichte von 1922 bis zu
Hegenbarths Todesiahr 1962. Als einem hervor-
ragenden Künstler des reinen Schwarz-Weiß
gelangen dem als Illustrator Kubin durchaus
vergleichbaren Zeichner Porträts, Tierstudien und
gesellschaftskritische Szenen, die Hegenbarths
eigenständigen Rang nicht nur neben einem Otto Dix
38
und Georges Grosz, sondern auch über die
Anliegen dieser beiden Künstler hinausgehend
unterstreichen. 6.-28. 5. 1975 Abb.
Galerie Ariadne
Maria Lassnig
Viele halten die aus Kärnten stammende und schon
seit längerem in New York lebende Malerin Maria
Lassnig für die bedeutendste lebende bildende
Künstlerin Österreichs. Ihre Wichtigkeit unterstrich
auch eine verdienstvolle Ausstellung der Galerie
Ariadne, die frühe Zeichnungen durchwegs aus
den Jahren 1948-1950 in einer bemerkenswerten
Auswahl vorstellte. Lassnig ging in diesen mitunter
Wege, die auch Arnulf Rainer zu seinem Anliegen
gemacht hatte. Und dennoch Iäßt sich schon deutlich
genug und auch entsprechend abgrenzbar all das
herauslesen, was dann die spätere Lassnig
ausmachte. Automatismus und Surrealismus waren
damals für Maria Lassnig prinzipielle Entscheidun-
gen, Möglichkeiten einer Weltsicht und eines
bildnerischen Verhaltens von großer lntrovertiert-
und Echtheit. Die für mich wichtigsten Versuche
bleiben die wenigen kleinen ,Selbstporträts', deren
Namen von damals ,introspektive Erlebnisse' sicher
nicht präzise genug war, weil ich nicht nach innen
,geschaut' habe, sondern gefühlte Erlebnisse
niederschrieb; sie waren eine wenn auch schüchterne
Grundlegung meiner ,Bodyawarenesspaintings',
die ich ietzt noch immer verfolge."
28. 4.-17. 5. 1975 Abb.
Künstlerhaus Wien
Jahresausstellung Der Kreis"
Im gewohnten Fahrwasser gemäßigter Moderne,
ausgezeichnet durch eine gewisse handwerkliche
Solidität, bewegte sich auch heuer das Gras der
Exponate dieser obligaten Johresausstellung. Neue
Namen waren lediglich Wilhelm Dabringer und
Peter Dressler. Als Gast war der Realist Helmut
Rusche mit von der Partie. April-Mai 1975 Abb.
Modern Art Galerie
Brigitta Malche
Die Konsequenz ihrer Malerei unterstrich die aus
Linz stammende Brigitta Malche auch in ihrer
iüngsten Personale. Wie früher zeigte sie kultiviert
gemalte, dem ästhetischen Kanon des klassischen
Kubismus angeglichene quadratische Bilder, die
als Abstraktionen mit gegenständlich orientierbaren
Hinweisen und Assoziationen klassifiziert werden
können. April-Mai 1975 Abb. 10
Galerie Brandstätter
Franz Schicho
Peter Pongratz
Mehr als andere nimmt sich die Galerie Brandstätter
in iüngster Zeit iener österreichischen Künstler an,
die sozusagen als etablierter Nachwuchs" Akzente
setzen und Bedeutung haben. Auf den iungen Franz
Schicho Jahrgang 1951, der die in ihn gesetzten
Hoffnungen erfüllt, folgte Peter Pongratz, der selten
ausstellende Star" der inzwischen de facto
zerfallenen Wirklichkeiten-Gruppe". Pongratz
präsentierte einen interessanten Querschnitt durch
Temperabilder, Gouachen und Zeichnungen der
Jahre 1974l75. 18. 15.-21. 4., 21. 5.-30. 6. 1975
Peter Baum
Graphische Sammlung Albertina
Karl Rössing
Rössing wurde 1897 in Gmunden in Oberösterreich
geboren. Schon seit 1917 beschäftigte er sich mit
der Druckgraphik, zuerst mit dem Holzstich. Bis 1950
illustrierte er in dieser Technik etwa 35 Bücher,
von denen einige in der Ausstellung zu sehen
waren. Die Aussage ist hart zupackend, in der
Nähe eines George Grosz und ebenso sozialen
Themen zugewandt. Vor Hitler in der Essener
Folkwang-Schule als Lehrer tätig, nach dem Krieg
in Stuttgart, zählen M. Sartorius, F. Meckseper und
H. Heuer zu seinen Schülern. Ab 1950 arbeitet er
an großflächigen Linolschnitten. Er hat diese
Technik zu einer einmaligen Meisterschaft entwickelt.
In fünf Druckvorgängen setzt er die verschiedenen
Farben übereinander und erreicht dadurch ungemein
malerische Wirkungen. Die Themen sind über-
zeitlicher, weisen in existenzielle Bezüge mensch-
lichen Seins, wobei oft mythologische Anspielungen
aufgegriffen werden. 20. 13.-20. 4. 1975 Abb. 11
Museum des 20. Jahrhunderts
Gerhardt Moswitzer
Die Plastiken Moswitzers sind ernster geworden,
auch weniger ironisch. In ihren gläsernen Schreinen
wirken sie feierlicher als die früheren Arbeiten.
Die Ausführung ist außerordentlich sauber und zeugt
auch auf dem kleinsten Raum von einem Ideenreich-
tum. Die viel älteren Werkzeichnungen weisen
schon auf die Strukturen der architektonischen
Körper". Im Vorraum einige Eisenplastiken aus den
frühen siebziger Jahren und verschiedene
Dokumentationen stellen die Verbindung zu den bis
ietzt von Moswitzer gesehenen Arbeiten her.
12. 3.-20. 4. 1975 Abb. 12
Galerie Würthle
Alfred Karger
Zeichnungen und Aquarelle aus den letzten Jahren.
Fast ausschließlich Landschaften. Bestechend die
feinen Zeichnungen mit dem immer dichter
werdenden Strichgefüge eines Waldes etwa oder
die zarten Linien, die geordnete Dach- und
Hausgevierte in einer leicht vibrierenden Spannung
halten. Die Aquarelle, sehr verfließend, in leichtem
Dunst aufgelöst, ungewöhnliche Farben.
6.-29. 3. 1975
Secession Grete Yppen
Es dominieren Olbilder in schweren Farben. Die
Yppen beweist mit ihnen wieder einmal, daß sie zu
den wenigen Künstlern gehört, die mit solch
kraftvollen Tönen arbeiten können, ohne in
Übertreibungen zu verfallen oder Mißklänge
anzuschlagen. Die starken schwarzen Balken geben
einen magischen Akzent, der den Betrachter nicht
losläßt. Wenn auch sehr viel Schwung in der
Pinselführung ist, so erkennt man doch einen sehr
überlegten Auftrag. 4. 4.-27. 5. 1975 Abb. 13
Historisches Museum der Stadt Wien
Beispiele früher lngenieurbauten in Wien
Eisenkonstruktionen
An Hand von 210 Exponaten wurde in dieser
Ausstellung dokumentiert, daß schon in Wien um
die Jahrhundertwende die Eisenkonstruktion in der
Gestaltung der Bauwerke eine große Rolle gespielt
hat. Natürlich dominierte dabei besonders der
Brückenbau. Doch auch die Dächer der Markt- und
Bahnhofshallen und die der Ausstellungshalle
Rotunde waren Eisenkonstruktionen. Das Riesenrad
ist uns heute noch annähernd in der Form iener Zeit
erhalten geblieben. Daß iedoch die Kirche Maria
vom Siege" und die Staatsoper schon mit eisernen
Dachstühlen gebaut worden sind, werden wenige
gewußt haben. 26. 3.-27. 4. 1975
Alois Vogel
Salzburg
Galerie Welz
Peter Krawagna
In den Aquarellen des 1937 in Klagenfurt geborenen
Malers wird das graphische Formgefüge kaum
angedeutet; auf farbig vorbereitetem Papier
verbinden sich oft die Gegenstände zu einer dichten
Farbinsel, die iedoch nie als unvollendet", sondern
als Zentrum räumlich-geistiger Energien zu deuten
wäre. Ab und zu tendiert die Form dahin, sich im
Farbrausch aufzulösen, doch bleibt stets die Farbe
dominant und von großer Ausdruckskraft.
3.-27. 4. 1975
Konrad Koller
Der 59iährige Arzt aus Villach dokumentiert mittels
des ihm technisch zugänglichen Weges der
Kleingraphik" künstlerische Ausdrucksfähigkeit von
Jlge 1-12
II
G. Fruhvrunk, Farbserigraphie
PIUUI
wer! MorherweH, Swebdruck
sie Javcchell, Verpackung der Berner Kunslhulle, Hermann J. Painitz, An Slelle von", Ausslellungs- Josef Hegenburlh, Sich leckende Kulze, 1957
rdruck mir Collage Qussthnill
Lussnig, Melne Eltern, 1948, BlelsllfllPcckpapier Maria Lussnlg, Tcrtüffe Ralner, 1949, ßleislifllPackpapler Golllried Gcebel, Glnslaine L. Face, 1972, Bleistift
Aktuelles Kunstgeschehen Österreich
hoher Qualität. Er scheint sich dabei, voller Humor,
hinter den Grenzen des real" Sagbaren aufzuhalten
und betreibt sozusagen Psychoanalyse la Fritz
von Herzmonavsky-Orlando. Doch die Welt des
Surrealen ist Vor-Bild und Ausgangspunkt für
Koller, seine illustrativen" Federzeichnungen sind
Visionen über das Innerste mancher unserer
Zeitgenossen. 3.-27. 4. 1975
Markus Vallozzo
Hier gibt es nur dieses Ich zeichne, also bin ich"
wie Vallazza selbst von sich sagt. Hier ist der
Mensch das Wichtigste, oft das Ausschließliche in
diesen Blättern, pulsierend, sinnlich, immer
Ieib-haftig Frauen zeichne ich am liebstenl",
voller Beweglichkeit. Vallazza weiß, daß Wissen
nicht eine Sache des Gehirns allein zu sein braucht,
weiß aber auch wie alle großen Zeichner daß
Wesentliches für die Augen unsichtbar bleiben
kann lch will ehrlich sein, ich liebe Geheimnisse."
Nach den wichtigen Salzburger Ausstellungen vom
März 1973 und vom Oktober 1974 von Werken
Vallazzas abermals ein bedeutendes Ereignis.
2.-25. 5. 1975
Nicole Bottet
Frau Bottets Aquarelle sind reine" Malerei, ohne
Titel, voll von Farbe, von Leuchtkraft, von Ahnungen
des Körpers, besonders voll von Geheimnissen des
Geistes. Was sichtbar in ihnen ist, ablesbar,
beschreibbar, ist wenig von Bedeutung; alles das
aber, was Esprit" sein kann, Geist, Seele, Leben,
Verstand, Witz, alles das wurde Gestalt in diesen
schönen Blättern. 2.-25. 5. 1975
Kunstverein im Trakl-Haus
Anton Bachmayr
In Heft 138 S. 48 dieser Zeitschrift wurde über
Bachmayrs graphischen Zyklus Alexis Sorbas"
berichtet. Nun waren Illustrationen zu Werken von
Edgar Allan Poe sowie Blumen- und Landschafts-
aquarelle zu sehen. 24. 4.-19. 5. 1975 Abb. 14
Museumspovillon
Albert Birkle
Zeichnungen aus sechs Jahrzehnten" hat das
Kulturamt der Stadt Salzburg zur Vollendung des
75. Lebensiahres des Künstlers zusammengestellt.
Gewiß ist das Hauptwerk des seil 1933 in Salzburg
lebenden Malers in der europäischen Glasmalerei
des 20. Jahrhunderts zu finden neben den
salzburgischen Kirchenfenstern von St. Blasius oder
der Christuskirche etwa in großen Zyklen in
Dornbirn, Graz, Konstanz oder in der Kathedrale
von Washington D. C. aber ebenso sind seine
Kahlezeichnungen, expressiv und gleichzeitig die
Leidenschaftlichkeit des Menschenbildes verkündend,
eine wichtige Komponente seines noch immer viel
zuwenig bekannten Gesomtwerkes.
Galerie Acodemio
Christine Heuer
Neben einigen Aquarellen erregten besonders die
Federzeichnungen mit den Themen aus Landschaft
und Architektur Aufmerksamkeit und erwiesen ein
wichtiges malerisches Temperament.
Mai 1975 Abb. 15 Franz Wagner
Tirol
Innsbruck
Galerie Bloch
Anton Christian
Zeichnungen voller Fabulierlust. Verschiedentlich
wird auch ein mythologisches Thema angeschlagen.
Manchmal wird der Künstler auch ironisch. Feine
Strichführung und geballte Linienbündel wechseln
ab. Farbige Flächen geben einen Kontrapost.
8.-27. 3. 1975
Kärnten
Klagenfurt
40
Galerie Hildebrand
Bilder zur neueren österreichischen Literatur
In der von der Galerie Basilisk, Wien, zusammen-
gestellten Schau wurde die Wechselbeziehung
der bildenden Künstler und der literarischen
Autoren dokumentiert. Unter den Literaten finden
wir die Namen G. Rühm, P. Handke, F. Moyröcker,
F. Achleitner, H. Lebert, A. Fuchs, A. Vogel,
H. C. Artmann, G. Saiko, Th. Bernhard u. a., unter
den Graphikern W. Frenken, R. A. Kaufmann,
A. Fink, K. A. Fleck, D. Ritter, A. Wichtl,
H. Staudacher u. a. 2.-16. 4. 1975 Abb. 16
Villach
Galerie an der Stadtmauer
Wolfgang Bergner
Des iungen Niederösterreichers Stärke ist auf alle
Fälle die Graphik. Er versucht immer wieder,
Bewegungselemente im Bildaufbau zu verwirklichen.
Musizierende Menschen geben dazu einen
geeigneten Vorwurf, ein bei allen Futuristen schon
beliebtes Thema. Hier war Bergner auch mit
Städteveduten vertreten, die ihn mit harten
Strichlagen und hellen Leerflächen in die Nähe von
Zens führen. 8.-25. 4. 1975 Abb. 17
Steiermark
Graz
Neue Galerie
Dora Maurer
Die 1937 in Budapest geborene Künstlerin nennt die
Ausstellung Verschiebungen". Mit den einfachsten
Mitteln soll die Möglichkeit eines Erscheinungs-
wechsels angezeigt werden. Sie verwendet dazu
geometrische Formen, aber auch fotografische
Abfolgen. Im Grunde werden die uns selbst-
verständlichsten und nicht weiter beachteten
Phänomene zum Bewußtsein des Betrachters
gebracht. Dora Maurer lebt in Budapest und Wien
und gilt als progressive Künstlerin des heutigen
Ungarn. 20. 3.-13. 4. 1975 Abb. 18
Tibor Goyor
Auch dieser 1929 in Ungarn geborene Künstler lebt
in Budapest und Wien, auch er gehört zur
ungarischen Avantgarde, ist Architekt und kommt
mit seinen Bildobiekten vorn Konstruktivismus. Auch
er zeigt uns Bewegungsabläufe. Mit Faltungen
und anderen sparsamen Mitteln will er Vorgänge
in Raum und Zeit vergegenwärtigen. Die Resultate
sind nach spröder als bei seiner Kollegin.
20. 3-13. 4. 1975 Abb. 19
Werner Doede
1907 in Posen geboren, ist Doede Kunsthistoriker,
aber auch zeitlebens als bildender Künstler tätig.
Ein Konstruktivist alter Schule, der später zu
einer freieren Gestaltung übergegangen ist. Die
besten Blätter der B5 gezeigten Exponate
entstammen der Zeit um 1930 und zeigen einen
starken Einfluß EI Lissitzkys. Hier sind sehr
saubere und klare Aussagen, die manchmal das
berühmte Vorbild übertreffen.
21. 13.-13. 4. 1975 Abb. 20
Frederick Kiesler
Der geborene Wiener, Architekt 1890-1965, der hier
an der Technischen Hochschule studiert hatte,
ging früh nach New York, bereits 1930 baute er dort
ein Kino in der B. Straße und war von 1933-1934
Direktor für Bühnenbildnerei, später Direktor des
Designlabors auf der Columbia-Universität in
New York. Er arbeitete auf den verschiedensten
Gebieten, als Architekt, Zeichner, Plastiker,
Designer. Er war sein ganzes Leben lang von einem
ungeheuren Gestaltungswillen beherrscht und
sprühte stets von Einfällen. Er verwendete die
Spirale, lange bevor Frank Lloyd Wrigth dafür
berühmt wurde, und er entwarf Gebäude auf
Pfeilern, ehe Le Corbusier sie zu seinem Eigentum
erklärte" F. S. Florian. Mit dem sakralen Bau
Schrein des Buches", den er gemeinsam mit
Armond Bartos in Jerusalem baute, hat sein
Planen einen Höhepunkt erreicht. Die Gedächtnis-
schau dokumentierte dieses große Leben.
20. 3.-13. 4. 1975 Abb. 21
Oberösterreich
Linz
Neue Galerie
Kornelius Kolig
Der bekannte Plastiker aus Villach stellt 24 seiner
überaus präzise gearbeiteten Obiekte und
Zeichnungen, 1968-1975, aus. Die Zeitspanne, in der
die Werke entstanden sind, ist zwar kurz, trotzdem
ist eine gewisse Entwicklung festzustellen.
Abgesehen davon, daß die bekannten Kugel- und
Halbkugelformen beibehalten werden, sehen wir
auch Röhrensysteme und Flächendurchdringungen,
auch iene Reiz- und Rotationsobiekte waren zu
sehen, die mit ihrer Mobilität dem Spiel- und
Veränderungstrieb des Menschen entgegenkommen.
Beachtenswert auch die Bleistiftskizzen, die für
den Obiektbauer Vorstufen auf dem Weg zum
Werk sind. 13. 11.-12. 4. 1975 Abb. 22
Niederösterreich
St. Pölten
Galerie Hippol
Arnulf Neuwirt Ölbilder, Aquarelle,
Collagen
Die kleine aber sehr subtile Schau stand unter dem
Motto Zum Frühlingsbeginn" und war auch
tatsächlich duftig und von zarten Farbreizen
geprägt. Neuwirth aquarelliert und collagiert
reich- und symbolholtig und versteht es
ausgezeichnet, mit kleinsten Einfügungen maximale
Wirkungen zu erzielen. Schillernde Federn und
glänzende Papierschnipseln tun das Ihre dazu.
20. 3.-30. 4. 1975 Abb. 23
Wiener Neustadt
Galerie
Henriette Hofmann und Loszlo Kutos
Beide Künstler stammen aus Ungarn. Die Hofmann
zeigte kultiviert gemalte Ülbilder, Kutos Klein-
plastiken, die im Aufbau an iene des Franzosen
Henri Matisse erinnern. Auch hier scheinen die
weiche Linienführung und die Umschließung von
Räumen wesentlich. 4-28. 4. 1975
Baden
Galerie Baden
Hans Pilhs
Der 1903 in Tullnerbach geborene Maler war lange
Zeit verschollen und wurde erst durch die Initiative
von Komm.-Rat Wilhelm Herzog wieder einem
größeren Kreis bekanntgemacht. Besonders
faszinierend sind seine Graphiken, die einen
Vergleich mit ienen von Egon Schiele herausfordern.
Mit ganz wenigen und sicher durchgezogenen
Linien wird hier gestaltet, Räume werden mit
einigen Strichen erschlossen. Die Malerei, expressiv
und kräftig, läßt an Frankl, aber auch an
Faistauer denken. Die Farben sind freilich meist
abrupter gesetzt. Eine der besten Ausstellungen
dieser Galerie. 14. 3.-5. 4. 1975 Abb. 24
Alois Vogel
Salzburgllnnsbruck,
Gruppe 73" im Kongreßhaus
Im Einverständnis mit der Leitung des Solzburger
Kunstvereins und auf seinem Boden" hatte sich
1973 eine neue Gruppe bildender Künstler
zusammengefunden. Die Wahl Slavi Sauceks zum
Ehrenpräsidenten mag Hinweis für die verbindenden
Elemente sein ein mehr oder minder starkes
Abstrohieren vom sogenannten Vorbild Natur" ist
für fast alle Arbeiten ebenso bestimmend wie die
von iedem Mitglied erreichte Vervollkommnung
aller technischen Möglichkeiten auf dem Gebiet der
Druckgraphik, wie nun auch in einer Ausstellung irr
lnnsbrucker Kongreßhaus deutlich geworden war.
30. 5. bis 13. 6. 1975.
blge 3-24
Yppen, Dunkles lnlerieußO! Anfon Bachmayr, Der Unäergung des Hauses Usher, 15 Christine Heuer, MalerulApulien, 1974, Federzeichnung
Federzewchnung
Feier Turrini, Suuschlcchfen I7 Wvolggang Bergner, Baden, Huuplplmz", 1972, Feder- 1B Dora Maurer, Verschiebung
zewc nung
er Gayor, Bwldcblekl 70 Werner Doede, Grafwk 21 Fredenck Klesler, Buchschrsnx, Jerusuäem, 1955
nellus Kolxg
m1 4'114 ..
23 Arnulf Neuwlrih, Aus duvl an Purndresen 24 HGVIS Pilhs, Küh2,1929, KreldelKchle
41
Notizen
Aachen Neue Galerie
Auch hier kämpft man mit den Stadtvätern ums
Überleben. Und kämpft man um sein Publikum.
Krisenzeiten lockern Verbindungen zur Kunst,
bisweilen auch Übersättigung. Mehr und mehr
versucht man, das Publikum aus seiner Passivität
zu reißen, es in den engeren mittätigen aktiven
Kreis, direkt in den Sponnungs- und Erlebnisbereich
aller Kreativität zu führen. Mit wechselndem Erfolg
nur, teils ist es die Scheu des normalen" Bürgers
dies gilt vor allem für den Bereich der progressiven,
der avantgardistischen Kunst vor Schöpfungen
zu stehen, mit denen er wenig anzufangen weiß,
teils die Lethargie gegenüber der Kunst schlechthin.
Wie dem abhelfen? Uns scheint, doß dies wie im
Falle der Neuen Galerie primär nicht mit
unpassenden Eröffnungsterminen oder mit sonstigen
organisatorischen Problemen zusammenhängt. Eher
ist es die von Künstlern oft mit voller Absicht
erzwungene Provokation, die Abwehr und
Abwendung von iedweder Kunstäußerung bewirkt,
vor allem der abstrakten, der afigurativen, der
chaotisch-destruktiv wirkenden. Nichtsdestoweniger
hat ede Form der Kunst ihre Berechtigung, wenn
ihre grundsätzlichen Voraussetzungen und Werte ihre
Manifestation rechtfertigen. Leider artet manches
solcher Kreativität in Selbstzweck und blutleeres
Posieren aus, und das erzeugt gleichfalls Abkehr.
Ein Publikum möchte auch ohne Interpretation mit
Kunst etwas anzufangen wissen, sonst rätselt es
vor ihr herum oder verliert die Lust an ihr. Wie nun
anders? Mit Erziehung von Kind auf, sich mit
positiver" wie negativer" Kunst auseinander-
setzen zu lernen, von Kind auf zu lernen mit
Kunst zu leben, diese als etwas naturnotwendiges
anzusehen. Kunst und Kunsterziehung fest in den
schulischen Bereich auch Grundschulen verankern
und von kleinst auf lehren. Dann wird vielleicht
die wie überall und nicht nur in Aachen gestellte
Frage Sagen Sie uns bitte einmal, warum wir Sie
so selten sehen weniger oft gestellt werden
müssen.
Wie immer äußerst variabel das Programm der
Neuen" Rudolf Schoofs, der Zeichner, der
Drucker vom Niederrhein, ansetzend in der tief im
Surrealismus wurzelnden gegenständlichen Seite
des lnformel, in den sechziger Jahren versuchend,
sein Verhältnis zur Pop-art zu definieren und
neuerdings zu einem Zeichenstil zurückkehrend,
der ebensoviel mit Michelangelo wie mit Beuys zu
tun hat 19. 4.-1. 6. 1975. Präsentation Wilhelm
J. M. Schmitz-Gilles, Aachener, 82iähriger
kanstruktivistischer Zeichner, in einem Werkstatt-
gespräch 9. 5. 1975 und musikalische, sonstige und
filmische Aktivitäten Truffauts, Etaix, Chabrols und
Polanskis.
BerlinlWien Michael Otto
Daß Stadtsilhouetten einander ähneln, beweist der
Berliner Radierer Michael Otto in einer seiner
Arbeiten in der Wiener Kleinen Galerie, wo er
u. a. vom 6.-27. 5. 1975 Pastelle zeigte. Abb.
Düsseldorf Aus der Vömel"
Alex und Edwin Vömel luden für den 11. 6. 1975 zu
einer Vernissage von Werken von Nikolaus von
Georgi, der lichtdurchflutete ätherische Land-
schaften im Wabenduktus als Ausflucht aus einer
dunkel-unheilen Welt offeriert. Abb.
Florenz Aus der Galleria Cavour
A. Masini präsentierte vom 6.-20. 5. 1975 seinen mit
zahlreichen prima Premios ausgezeichneten
Landsmann Nicola Gambedotti. Dieser, aus Urbina,
der alten Herzogsstadt der Montefeltro deren
Hof in der Frührenaissance ein Kulturzentrum ersten
Ranges war gebürtig, einer Stadt, die Raffael
wie auch weltberühmte Fayencen hervarbrachte,
scheint auch in seiner Malweise daselbst traditionell
verwurzelt zu sein. Voller satirischer Phantastik
setzt er uns mit aus metaphysischen und surrealen
Bereichen kommender Eloquenz Puzzles vor, die
zu erheitern wie auch zu mahnen verstehen.
Abb.
42
Karlsruhe
Aus dem Badischen Landesmuseum
Mit über 450 Exponaten wurde vom 2B. 1.-20. 4. 1975
die sogenannte Hallstattkultur Südwestdeutschlands
7.-5. Jh. v. Chr., eine der bezeichnendsten
urgeschichtlichen Epochen Mitteleuropas,
dokumentiert, iene Zeit, in der man von Bronze
zu Eisen als Werkstoff für Waffen und Gerät
überging. Die Funde Leihgaben aus Sammlungen
in Stuttgart, Tübingen, Donaueschingen, Singen,
Karlsruhe und Freiburg stammen aus reich
ausgestatteten Hügelgräbern, die meist der
frühkeltischen Adelsschicht vorbehalten waren. Die
Archäologie leistet hier wertvolle Schrittmacher-
dienste mit ihren Fundstücken und Erkenntnissen,
waren doch die Kelten durch keine schriftliche
Überlieferung außer der Erwähnung antiker
Schriftsteller des Begriffes Kelten" für Geschichts-
schreiber trächtig. Die einfach inspirierte,
geometrisierende variable Ornamentik, mit der die
frühen Kelten Schmuck und Waffen verzierten,
verrät deren ausgeprägten Schönheitssinn. So
konnte auch die Schau Frühe Kelten in Boden-
Württemberg" dem Menschen der Gegenwart das
stets erregende Moment der Betrachtung weit
zurückliegender Kulturen durch ein besonderes
Ausstellungserlebnis vermitteln. Wie uns Dr. lrmela
Franzke mitteilt, bietet das Badische seinen
Freunden sowie allen Interessierten eine weitere
Ausstellung an, die über die Durlacher Fayencen
1723-1347 handelt, und die noch bis zum 2B. 9. 1975
läuft. Abb.
KopenhagenlWoshington
200 Jahre Kongelige"
Mit einer Grand Gala unter Patronanz der
königlichen Familie im Königlichen Theater wurden
die Feierlichkeiten anläßlich des 200iährigen
Bestehens der Königlichen Porzellanmanufaktur
Kopenhagen" eingeleitet. Unter den im 18..1ahr-
hundert in Europa begründeten Porzellanmanu-
takturen ist die Kopenhagener eine der später
gegründeten, iedoch in ihrer unverwechselbaren
Eigenart mit dem ausgeprägten Erscheinungsbild
eine der profiliertesten und kommerziell erfolg-
reichsten. Neben Präsentationen im Museum für
dekorative Kunst und der Jubiläumsschau im
Stadtgeschäft in KopenhagenlAmagertorv wurde
1974 eine große Wanderausstellung durch die USA
eingeleitet. ln 14 Städten unter Patronanz des
Smithsonian-Institutes wurden in einer Retrospektive
an Beispielen aus den frühen Tagen bis zur
Gegenwart herauf am künstlerischen Unikat wie
am Gebrauchsgeschirr des Alltags Charakter und
Reichtum dieser Manufaktur demonstriert. Vielen
Amerikanern, denen das Kongelige"-Porzellan nur
ein vager Begriff von Blau-und-Weiß-Porzellan
war, hatten von Washingtons Renwick Gallery an
12. 4-30. 6. 1974 Gelegenheit, den hohen Rang
der Kongeligen", durch künstlerische Kreativität
wie durch technische Fertigkeit begründet, in
natura zu betrachten.
LondonfWien
Henry Moores Stonehenge" für die
Albertina
Das neueste Mappenwerk des bedeutenden
englischen Bildhauers und Graphikers Henry Moore,
Stonehenge", wurde hier von der Euro-Art und
der Bowog-Fondation in deren Räumen vom 18.-28.
April präsentiert. lm Sinne der neuen Einkommen-
steuergesetzgebung als Sonderausgabe steuerlich
voll absetzbar erworben, ist es der Wiener
graphischen Sammlung Albertina gewidmet worden.
MünchenlAachen
Neubau der Neuen Pinakothek
In der bayerischen Metropole hat man bereits mit
dem Ausschachten des Neubaues der bayerischen
Staatsgemäldesammlungen, der Neuen Pinakothek,
begonnen. Der Baubeauftrogte der Staatsgemölde-
sammlungen, Dr. W. D. Dude, sprach zu diesem
wichtigen Münchener Unternehmen in der Aachener
Vortragsreihe über Museumsneubauten am 2.5.1975.
Münster
Lore Heuermann in der Theatergalerie
Künstler sind meist in Bewegung, das fahrende Volk
von heute. lhre Bagage, sprich Buckellast, ist Kunst.
Last, die von Schau zu Schau getragen werden
muß, da abgehängt, dort schon wieder aufgestellt.
Erfolg? Darum ringen sie permanent, denn er
bedeutet Existenz, manchmal besseres Überleben.
Bisweilen kommt uns das bei manchen Künstlern
besonders zu Bewußtsein, und wir fragen uns auch,
ist Kunst wirklich Berufung oder selbsterwähltes
Schicksal? Manche meinen es mit ihrer Kunst so
ehrlich wie möglich, indes andere sich güldene
Karossen ermalen. Manche auch führen den Kampf
auf zwei Ebenen, sie müssen den Alltag
bewältigen" und dürfen sich dabei doch nicht ihre
künstlerischen Flügel verbrennen. Lore Heuermann,
allein auf sich und mit drei Kindern in den Alltag
gestellt, gehört zu ihnen. Kürzlich stellte sie, die
längst Wienerin geworden ist, in ihrer Geburtsstadt
Münster aus. Daselbst präsentierte man schon die
Kallwitz, Barlach, Roth u. a., und mit über 20.000
Besuchern und ausgezeichneten Kritiken kehrte die
Künstlerin heim. Voller neuer Pläne, bereit auch
für neue und größere Aufgaben. Lore Heuermanns
Anliegen, nicht nur das ihrer Kunst, ist der Mensch.
Die natürliche Rivalität und Auflehnung gegen den
männlichen Widerpart markiert als sichtbare
Expression ihr Werk. Anonym scheint davor nichts
Weibliches an diesem Pinsel. Er ist hart, ruppig,
ia schonungslos. Wir meinen dies zum Bewegungs-
zyklus, der das Amorphe, das Absterbende im
Menschen zum Gegenstand hat. Aus Ungelenkheit,
Geducktsein, Unförmigkeit, Gebuckeltsein und
Starrheit scheint alles Wesentliche und
Symptomatische des Menschen unserer Tage
unschön", aber wahr zu mahnen. Abb.
Nürnberg Aus der Kunsthalle
Den nahezu unbekannten graphischen Korpus des
Tachismus in Deutschland mittels einer Ausstellung
unter dem Titel Druckgraphik des deutschen
lnformel, 1951-1963" bekanntzumachen, ist das
Anliegen der Albrecht-Dürer-Gesellschaft Nürnberg.
Zusammen mit Dr. Rothe, Heidelberg, gelang hier
eine repräsentative Übersicht über eine Stilperiode
der fünfziger Jahre, die deren außerordentliche
Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksmittel, ihre
Dynamik und Spontaneität dokumentiert. Die
Auswahl der Werke wies die Namen der Künstler
Brüning, Cavael, Dahmen, Götz, Hoehme, Kreutz,
Platschäi, Schulte, Schumacher, Sonderborg
Hoffmann, Thiele, Trier und Wessel auf.
11.4.-1.6. 1975
Ottawa
Aus der National Gallery of Canada
In einer vom Londoner Victoria 8x Albert-Museum
organisierten Schau unter dem Titel High Victorian
Design" .-27. 4. 1975 waren Möbel, Metallarbeiten,
Keramiken, Einbände, Gemälde und Zeichnungen
dieser Periode englischer Kunst zu sehen. Abseits
der großen Turner-Ausstellung in London s. u.
Beitrag im übernächsten Heft 142lamk zeigte man
in der siebten einer Serie van small exhibitions"
drei Werke von J. M. William Turner, dem Maler
der golden visions". Am 4. 4. bis 4. 5. 1975
eröffnete man in der National Gallery ferner
eine große Schau von über 200 fotografischen
Werken der eigenen Sammlung, aus der Hand
amerikanischer, österreichischer, kanadischer,
französischer, italienischer, iaponischer, englischer
und schottischer Fotografen, beginnend von 1539
bis herauf zur Gegenwart. Die Dichte täglicher
Aktivitäten wurde mit Filmen und Gallery Talks
zu dieser Ausstellung stark durchsetzt, und Ansel
Adams, Darothea Lange wie das Thema
Fotografie als Kunst" bereicherten dieses. Abb.
Paris Musees nationaux und Brauer
Nach der am 3. 2. 1975 geschlossenen Ausstellung
De David Delacroix La peinture francaise
de 1774-1830" in den Galeries nationales du
Bildfolge 1-8
Palais, in der über12O Werke u. a. von
nard, David, lngres, Gericault und Delacraix
noche zwischen dem Tod Louis XV. und dem
harles X. dokumentierten, schloß ein Monat
in der Orangerie des Tuileries, am 3.3.1975,
Bastschau der Peggy Guggenheim Fondation,
tig, Art du XXe siecle", ihre Pforten. Diese
im venezianischen Pallazzo Venier dei Leoni
irtig installierte Collection vermittelte
nglich das breite Feld der revolutionären
urigen des Jahrhunderts vom Kubismus,
ssionismus bis herauf zu den Tendenzen aus
er Zeit. Abb.
der Allrounder, war vom 21. 5-30. 6. 1975 in
alerie Tchou 16 rue des Grands Augustins,
75006, zu Gast. Einer der Mattre der Wiener
zeigte er 19 Gravuren in Holz aus seinen
ichenrechten" und Arbeiten seines grafischen
es, die sich in Besitz der Wiener Albertina
len. Michael Otto, Dächer in Schöneberg, 1971, Radierung Nikolaus von Geargi, Große Krallandsdiaft
sotalFlorida
iem Ringlings-Museum
itionale, mit viel Beifall aufgenommene
tion The Arts of Louis Comtort Tiffany and
mes" wurde wegen des außerordentlich
Besucherinteresses um sechs Wachen
igert, womit sich eine Gesamtdauer vom
3.7.1975 ergibt. Erstmals wurde die
erische Person Tiffanys in all den Medien
stellt, in denen er arbeitete. Einer der
punkte, Fenster und Mobiliar aus Tiffanys
mce Laureltan HalllOyster BaylLong Island,
gleichlich das Four Seasons Window", das
ie Sensation von Paris war. Weiters waren
ys unveröffentlichte Fotografien, seine
iungen und Skizzen in Wasserfarbe und ein
mit 50 Feder- und Kreidezeichnungen, in
er seinen ersten Eurapatrip 1865 festhielt,
ein Gemälde My Family at SomesvillelMaine" r.
am Selbsiredend emgeschlossen Tiffunys NICOlD Gambedotti lfl der Galleria CuvouilFloienz Verzierter Äftnflhg, 7.-5. Jh. v. Chn, Bronze gegossen,
irwerk unter seinen Lampen, die Spider Ja cm Aflsfolhnge"
und Designs seines unverwechselbaren
e-Gloses. Fünf Räume, ausgestattet mit
konischer und europäischer dekorativer Kunst,
die Einflüsse Titfcinys auf seine Zeitgenossen
einen Einfluß auf die Kunst seiner Zeit
ientieren. Für europäische Kenner und
xperten sicher eine interessante Ausstellung,
ider eben in Übersee weit ab. Übrigens plant
ereits eine weitere Schau um Tiftany 1977178,
1er Aufwertung seiner Person als Renaissance
in der amerikanischen Kunst dienen soll.
Leopold Netopil
1973174 J. M. WllllGlTl Turner, Merkur und Argus, Collectian
National Gallery af Canada, Ottawa
indesministerium für Wissenschaft
id Forschung
isucherstatistik der staatlichen
useen und Kunstsammlungen
'75
is Bundesministerium für Wissenschaft
Forschung gibt bekannt, daß in den ihm
ttlrttninßnrlnn etm-itlirliinn Mlltßßh iiml
Für den Kunstsammler IQ
Wiener Kunst- und Antiquitätenmesse 1975
zufriedenstellend.
Eigentlich können wir mit den Basler und Münmner
Messeveranstaltern sagen besser als erwartet.
Der österreichische Kunsthändler hat zwar nicht
wie seine Kollegen in den Nachbarländern mit
gemischten Gefühlen dem Geschäftsgang auf der
diesiährigen Messe im vergangenen Mai entgegen-
gesehen er ist ia im allgemeinen optimistischer
aber seine Erwartungen, der wirtschaftlichen Lage
entsprechend, doch etwas zurückgesetzt. Zusammen-
gefaßt kann man sagen, daß sich die Verkaufs-
abschlüsse im Rahmen des Vorjahres bewegten,
wobei geringe Schwankungen zu bemerken waren.
Die Ursache liegt in einer gewissen Sättigung des
Einrichtungsmarktes, was sich hauptsächlich auf den
Möbelsektor auswirkte. Sehr gute, zum Teil ge-
steigerte Umsätze konnte der Gemäldehandel ver-
zeichnen, vieles vom Besten hat seine Interessenten
gefunden. Dasselbe gilt für die Graphik, das
Kunstgewerbe und die Teppiche, wobei es sich
zeigte, daß der inländische Kunde nicht nur mit
Verständnis, sondern auch mit Wissen die Auswahl
trifft. Erfreulich war das gesteigerte Kaufinteresse
iunger, beziehungsweise neuer Sammler, wie das
eines gewissen Stammpublikums, welches sich in
den fünf Jahren des Bestehens dieser beachteten
Veranstaltung herauskristallisierte.
Wie bei allen europäischen Messen van Niveau
sind auch in Wien ganz teure Obiekte, welche die
mittlere Wertgrenze übersteigen, schwierig zu
plazieren, dasselbe gilt auch für Gemälde und
Antiquitäten bescheidenerer Qualität. Die gute
Mittelkategorie schön, echt und doch erschwing-
lich hatte den Hauptanteil am Umsatz.
Trotz intensiver Werbung war es nicht möglich,
die Besucherzahl aus dem Ausland zu vermehren,
die inländische ist zurückgegangen, was wohl den
Anteil derienigen Besucher ausmacht, die in den
Anfangsjahren bloß aus Neugierde gekommen sind.
Die ernst zu nehmende Käuferschicht war iedenfalls
vollzählig vertreten und hat trotz vorsichtiger
Überlegung zu einem der wirtschaftlichen Lage
entsprechenden Erfolg der diesiährigen Wiener
Leistungsschau geführt. W. H.
Gesehen im Kunsthondel
Pieta, Niederländisch, 15. Jh., weißer Marmor,
27 cm. Hofgalerie Dr. Wolfgang Hofstötter,
Wien Spiegelgasse 14
Quirin G. van Brekelenkam 1620-1668, Leiden,
Die Briefleserin, Holz, 41,5 32,5 cm, voll bez.
und 1662 dat., Galerie St. Lucas1Polais
Pollavicini, Wien Josefsplatz
Jan Jansz Buesem geb. 1600, tätig in
Amsterdam, Eichenholz, 2B 42 cm Gutachten
Dr. Walter Bernt. Galerie Josef Winkler,
Wien Seilergasse 14
Dirk Datens 1600-1676, Landschaft mit Stoffage,
UllEichenholz, 47 78 cm Gutachten
Dr. Walter Bernt. Kunstgalerie Tomasz
Mentlewicz, Wien Seilergasse 14
Kokosnußpokal, Süddeutsch, dot. 1609,
Silber vergoldet, 23 cm, 10 cm. Becher,
Danzig, um 1690-1700, Meister Nathanael
Schlaubitz, Silber, teilvergoldet, 19 cm, 11,5
cm Rosenberg Nr. 1585. Antiquitäten Herbert
Asenbaum, Wien Kärntnerstraße 28
Deckelhumpen, Breslauer Beschau, Jahres-
buchstabe 1727-1737, Silber, Meistermarke CB,
16 crn, Gewicht 650 g. Reinhold Hofstätter,
Kunst und Kunstgewerbe, Wien
Doratheergasse 15 und Bräunerstraße 12
Schreibkassette, 1. Hälfte 18. Jh., Original-
beschläge, 50 30 33 cm. Friedrich Kratschmann,
Antiquitäten, Wien Spiegelgasse 15
Spielleier, Paris, sign. u. dat. Lauvet 10. X. 1778".
Wolfgang A. Siedler, Antiquitäten,
Wien Spiegelgasse
Renornmiervase, Josef Nigg Wien 1732-1563,
Rundfuß auf quadr. Plinthe, reiche Goldstaffage,
bunter Blumendekor, sign. Nigg, 55 cm.
C. Bednarczyk, Kunst Antiquitäten,
Wien Dorotheergasse 12
44
Auktionen
Dorotheum Wien
607. Kunstauktion, 11.-14. März 1975
10 Franz von Defregger Ederhof1Tirol 1835-1921
München, Die Kriegsgeschichten, sign. u. dat.
F. Defregger, 1887", OlHolz, 65 87 cm
Kot-Nr. 33.
Taxe 250.000.-
Erlös ÖS 550.000.-
11 Rudolf von Alf Wien 1812-1905, Blick auf Grein
an der Donau, sign. u. dot. R. Alt B59",
Grisaille Aquarell1Deckweiß, 14,5 20,5 cm
KaL-Nr. 172.
Taxe öS 7000.-
Erlös öS 40.000.-
Neumeister KG. vorm. Weinmüller, München
Nachtrag Herbstauktian 1974
12 Carl Spitzweg 1808-1885, lm Gebirge, Sign.,
ÖllKarton, 38 x23 cm; Roennefahrt, Anm. zu
WVZ 384.
Erlös DM 66.000.-
Kunsthaus Lempertz, Köln
545. Auktion, Alte Kunst, 5. Juni 1975
13 Schreibschrank Trois Corps, Österreich,
Anfang 18. Jh., Nuß, Nußwurzel und
Einlegehälzer auf Tanne, Zinnverarbeitung
und gravierte Messingbeschläge,
195 113xT 77 cm Kat.-Nr.1B19.
Taxe DM 23.000.-
Kunsthaus am Museum, Köln
63. Auktion, 19.-22. März 1975
14 Franz Masereel 11389 Blankenberghe-1972
Avignon, Tanzszene im Pariser Cabaret,
monogr. u. dat. 1924", Aquarell1Zeichenpapier,
63 53 crn Kat.-Nr. 2832.
Taxe DM 4500.-
Sotheby, London
Auktion vom 3. April 1975
15 Ein Paar Wiener Emailvasen, spätes 19. Jh.,
Mythologische Szenen und Episoden aus den
Abenteuern der Venus, bronzierte Silber-
montierung, 54 cm Kot-Nr. 46.
Erlös 7000.-
Christie's, London
Auktion vom 7. April 1975
16 Eine außergewöhnliche Wasserkanne, ca. 1620,
mit breitem Kamm-Muscheldekor, Silber-vergol-
deter Montierung, Löwenmasken und Delphin,
33 cm Kat.-Nr. 115.
Erlös Gns. 3200.-
Internationale Auktionsvorschau
17.118. Sept. München Neumeister KG
Antiquitäten, Skulpturen, Möbel,
Teppiche, Gemälde, Graphik
16.-19. Sept. Wien Dorotheum
609. Kunstauktion,
Gemälde, Graphik, Jugendstil,
Skulpturen, Antiquitäten, u. a.
21. Sept. PotzneusiedUBurgenland Egermann
Glas aus zwei Jahrtausenden
1.'2. Okt. Basel Erasmushaus
Bücher aus Schweizer Bibliotheken
9.110. Okt. Berlin Leo Spik
Gemälde, Möbel, Antiquitäten
14.-17. Okt. Wien Dorotheum
Auktion
15.-18. Okt. Köln Kunsthaus am Museum
65. Auktion,
Mobiliar, Mefollarbeiten,
Kunstgewerbe, Skulpturen, Gemälde,
Graphik, Schmuck, Vario
22.123. Okt. München Neumeister KG
Antiquitäten, Skulpturen, Möbel,
Gemälde, Graphik, Teppiche
Dllululgu I-lu
I6
45
IDURUTIPIIIEIIJM
KUNSTABTEILUNG, WIEN, l., DOROTHEERGASSE 11,
Tel. 52 3129
609. Kunstauktion
16., 17., 18. und 19. September 1975
14 Uhr
Gemälde, Graphik.
Jugendstil, Skulpturen, antikes Mobiliar.
Antiquitäten, Asiatika.
Waffen.
Besichtigung
11.. 12., 13. und 15. September1975 von 10 bis18 Uhr
Sonntag, 14. September, von bis13 Uhr
46
Für den Kunstsammler
Wiener Spaziergang.
Zweifellos richten Intuition und ein durch ständiges
stilkritisches Vergleichen geschulter Blick unter
Umständen mehr aus als wissenschaftliche Tests. Ein
gutes Beispiel ist van Meegerens berühmteste
Fälschung Christus und die Jünger von Emmaus".
Das Bild bestand alle wissenschaftlichen Tests von
der Bleiweißprobe über die Röntgenuntersuchung
bis zur Spektraluntersuchung.
Schon Max J. Friedländer empfahl größte Vorsicht
gegenüber Zertifikaten, iedoch die laufendeSchulung
der Augen, des Geschmacks und der Urteilskraft.
immer wieder interessant ist es, einem Sammler der
Vergangenheit zu folgen. Eine Auktion aus dem
Jahre 1916. Österreich im dritten Kriegsiahr. Diese
Auktion hatte Gemälde moderner und alter Meister
zum Inhalt. Die Beiträge stammen aus wie sich
der Versteigerer C. J. Wawra in seinem Katalog'
ausdrückte berühmten Wiener Sammlungen.
Die kurzen, aber prägnanten und konsequenten
Katalognotizen geben ein lebendiges Bild dieser
mit hervorragenden Namen bestückten Auktion.
S0 lauten z. B. die angeführten Bezeichnungen,
beginnend bei Andreas Achenbach, von schön bis
mäßig" über nicht schlecht" bei einer Ansicht
von Wien" von Franz Alt dieses Aquarell z. B.
erbrachte 1900 Kronen, zu dem 10 Prozent Aufschlag
hinzukamen, bis zu mittelmößig" bei einem
Ulbild Venedig" van Rudolf v. Att. Trotz der
Katalogbeschreibung .. ein hervorragendes Werk
aus des Meisters bester Zeit" vermerkte unser
unbekannter Käufer noch bes. schwach der
Schifferstand mit Gondeln". Dieses Bild, dem
unbeirrte Kritik zuteil wurde, erzielte einen
Spitzenpreis von 16.000 Kronen! Weiter geht's
mit teils Skizze" als Gedächtnisstütze, doch
sehr herzig" bei einem Aquarell Die Kartäuse
in Aggsbach" Preis 1200 Kronen von Rudolf
v. Alt. Als Museal" bezeichnet er ein Gemälde von
Alexander Calcime Nach dem Gewitter", es
erzielte 18.500 Kronen, nach einem Bietbeginn von
100 Kronen. Canon, Daffinger, Danhauser wurden
nicht näher beurteilt.
Wahrscheinlich waren diese für unseren Sammler
nicht von Interesse. Bemerkenswert aber, daß die
Dichterliebe" von Josef Danhauser 47.000 Kronenl!
erbrachte. In der Folge reihen sich Namen wie
Fendi, Füger, Führich, Gauermann, Lenbach, Lauer,
Pettenkofen mit Notizen wie lnteressanter Preis;
nicht schön; gefällig; Gesichter verzeichnet" oder
mit Bemerkungen wie zu abgezirkelt" bei einem
Moritz von Schwind. Ausgeboten wurden Schleich,
Schindler, Schrödl, Waldmüller und Zügel, dessen
Bild Unangenehme Begegnung" zwar 9800 Kronen
erzielte, aber mit nicht wert" taxiert wurde.
An dieser Stelle muß die Bemerkung eingefügt
werden, daß sämtliche oben angeführten Bilder
damals natürlich als Gemälde und Aquarelle
moderner Meister angeboten wurden.
Bei den Gemälden alter Meister" finden sich
bekannte Künstlernamen, wie Christoph Amberger,
Pieter de Bloot, Caravaggio lMichel Angelo Merisi,
Cranach, Cornelis Drost, Norbert Grund, Rotten-
hammer, David Teniers d. J. und Zuccorelli, die
zum Teil mit Notizen wie hervorragend",
einwandfrei", mittlere Qualität" und vergleiche
Bild Museum" charakterisiert wurden. Hier wurden
auch die absolut höheren Preise erzielt; den
Spitzenpreis der Auktion erbrachte Die Cello-
spielerin" in der Art des Jean Honore Fragonard
mit 150.000 Kronenl! durch einen Kenner, der sich
sicher sehr bewußt tiefgehend und vorausschouend"
mit Kunst auseinandersetzte. Heute agierenden,
aber erst recht beginnenden Sammlern muß das
Herz schwer werden, wenn sie diese Namen hören,
die auch auf großen Auktionen immer seltener
werden. Dennoch, solange nicht die immer praller
werdenden Depots der öffentlichen Hand selektives
Kunstgut vollständig geschluckt haben, verbleibt
von diesem für ieden und iede Geldbörse genügend
an Anbot übrig.
Abschließend möchte ich zu den drei Freiländer-
Kriterien Auge, Geschmack und Urteilskraft als
viertes ein einwandfreies Gedächtnis" hinzufügen.
W. A. Siedler
A. und G. TRIPOLD
Stets reiche Auswahl
an reizvollen Antiquitäten
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Vorhangstoffe, Mohair-,
Dralon- und Baumvvallplüsche.
Damaste und Brokate
für alle Stilrichtungen.
Ein Erzeugungsprogramm von höchster Güte
und erlesenem Geschmack.
Verkaufsniederlassung
Wien 1., Kärntner Straße 33
Ecke Johannesgasse Telefon 52 2904
Varial Buchbesprechungen
Bildnachweis
Salzburg, Anton-Faistauer-Preis 1975"
Vom Bundesland Salzburg wird für Malerei
unter Ausschluß von Graphik und Aquarellen
alliährlich ein Förderungspreis in Form von zwei
Stipendien vergeben. Durch diesen Preis soll
einem österreichischen Künstler die Möglichkeit
geboten werden, ein halbes Jahr im Ausland zu
arbeiten, ebenso wie einem ausländischen Künstler,
ein halbes Jahr in Salzburg tätig zu sein. ln der
Stadt Salzburg wird vom Ausschreiber ein einge-
richtetes Atelier mit Wohngelegenheit zur
Verfügung gestellt. Die Höhe des Preises beträgt
für jeden der beiden Preisträger 36.000,-.
Teilnahmeberechtigt sind Künstler, die das
40. Lebensiahr nicht überschritten haben und die
gleich welcher Nationalität ihren Wohnsitz in
Österreich oder in einem der an Üsterreich
grenzenden Länder haben. Bewerbungen erfolgen
durch Einsendung von geeigneten Unterlagen zur
Beurteilung des künstlerischen Schaffens des
Einreichers Lebenslauf, künstlerischer Werdegang,
Werkfotas, Dias, Kritiken, Kataloge etc. bis
längstens 15. September 1975 an die Kulturabteilung
des Amtes der Salzburger Landesregierung,
Chiemseehof, A-501O Salzburg.
Franz Unterkircher, Die Buchmalerei.
Verlag A. Schroll 8. Co., Wien 1974.
164 Seiten mit 16 Farbtafeln und
101 Abbildungen.
In seiner bekannten Reihe Entwicklung Technik
Eigenart" legt Schroll nun auch einen Band vor,
der ein breiteres Publikum in die Buchmalerei
einführen soll in eine besonders exklusive"
Kunstgattung also, zu deren Denkmälern heute nur
noch wenige Fachleute direkten Zugang haben
und mit deren früherer Bedeutung und künstlerischen
Besonderheiten selbst der gebildete Kunstfreund
kaum noch vertraut ist. Da ein so vorzüglicher
Fachmann wie der langjährige Leiter der
Handschriftensammlung der Österreichischen
Nationalbibliothek als Autor zur Verfügung stand,
wird der lnformationszweck des Bandes in
vorbildlicher Weise erreicht Der seriöse, dabei
leicht lesbare und auch für Kenner der Materie
immer wieder anregende Text Unterkirchers
vermittelt zunächst die Grundbegriffe, gibt dann
einen historischen Abriß der abendländischen
Buchmalerei und schließt mit kurzen Ausblicken
auf die illuminierten Bücher der wichtigsten
außereuropäischen Kulturen. Ein Namen- und
Sachregister erleichtert den Zugang zu den reichlich
gebotenen Einzeldaten und macht das Buch auch
als Nachschlagewerk brauchbar, da es eine erste
Orientierung über die Realien sowie über die
wichtigsten llluminatoren und ihre Auftraggeber
erlaubt.
Die Qualität der Farbtafeln ist leider teilweise
unzureichend, und dasselbe gilt überraschenderweise
auch van nicht wenigen Schwarzweißklischees.
Im übrigen vermeidet die Bebilderung bewußt
die allzu geläufigen Beispiele und ersetzt sie durch
weniger bekannte, oft aus den Wiener Hand-
schriftenbeständen. Insgesamt ein Buch, das man
jedenfalls mehr seines Textes als seiner Bilder
wegen empfehlen wird. G. Schmidt
AMK-Prädikat Handbuch, wissenschaftlichen
Ansprüchen entsprechend, für Sammler, Museen und
Kunsthistoriker geeignet.
Bildnachweis Seitenangabe in Ziffern
Archiv AMK, Wien, 43-45 Städtische Kunstsamm-
lungen Augsburg 11-15, 17 Staatsbibliothek Bam-
berg, 16 Archiv P. Baum, WienlLinz, 39 Fata
Goertz, München, 31, 32 Historisches Museum der
Stadt Wien, 1-5, 7-9 Staatliche Graphische Samm-
lung, München, 16 Österreichisches Museum für an-
gewandte Kunst l. Schindler, Wien, 48, 49, 51
Archiv K. Reissberger, Wien, 37 M. Römer, Wien,
33-35 Archiv der Salzburger Residenzgalerie, Salz-
burg, 19-23 F. Stadelmann, BadenlWien, a6 w.
Steinkopf, BerlinlDahlem, 16 Archiv Vogel,
Wien, 41 Archiv Dr. H. Zaloscer, Wien, 24-30.
47
Für den Kunstsammler
Wilhelm Mrazek
Die österreichischen Glashütten
zur Barockzeit
Die Glasmacherkunst, die unter allen Erfindungen
und Früchten der löblichen Feuer- und Schmelzkunst
nicht der geringsten eine" ist, erlebte in der
Barockzeit eine Blüte sandergleichen.
Schon im I6. und I7. Jahrhundert waren
venezianische Glasbläser nach Tirol gekommen und
hatten in Innsbruck und in Hall Gläser im
venezianischen Stil erzeugt. Als diese Glashütten
zugrunde gegangen waren, wurde die Erzeugung
rnit einheimischen Kräften in dem kleinen Orte
Kramsach weitergeführt. Hier wurden, wie ein
Warenverzeichnis van 1786 festhält, neben der
Kommerzware auch geschnittene Trink- und
Branntweinglöser, Karafindln, Grabkugeln und
blaue Pulverflaschen hergestellt. Diese Waren
wurden von den Kraxentragern bis in die
entlegensten Täler verkauft und deckten den Bedarf
der Tiraler Bevölkerung. Die Kramsacher Hütte
und ihre Erzeugnisse hatten nur lokale Bedeutung.
Anders verhielt es sich mit den Glashütten der
österreichischen Kranländer Böhmen und Schlesien.
In den Tälern und Wäldern des Riesen- und
lsergebirges entstanden im I7. und I8. Jahrhundert
zahlreiche Glashütten, deren Erzeugnisse einen
Höhepunkt in der Geschichte des europäischen
Glases bedeuten. Diese Hütten im böhmisch-
schlesischen Raum favorisierten einen neuen
Glasstil, in dem sich die barocken Stileigentümlich-
keiten hervorragend verwirklichen ließen. Entgegen
der hauchzarten und flüssigen Eleganz
venezianischer Gläser wurden die Gefäßwönde
stark und kantig gebildet, um den Giasschleifern
und -schneidern die Möglichkeit zu geben, Schliff-
und Schnittdekare ahne allzu graße Gefährdung
des Glases durchzuführen.
Die Glashütten des Hirschbergtals, die den Grafen
Schatfgatsch gehörten, bevorzugten für ihre
Glaserzeugnisse den Hachschnittdekar. In die
besonders dicke Gefäßwarid wurde der Schnitt so
tief geführt, daß kraftvolle, reliefartige Ornamente
stehenblieben, die die plastische Wirkung des
Gefäßes steigerten und den Eindruck von
bergkristallähnlicher Kostbarkeit hervarriefen.
Dieser Hochschnitt wurde nach 1700 vom Tiefschnitt
abgelöst, der größere Feinheit und Mannigfaltigkeit
im Dekar zuließ. In den folgenden Jahrzehnten
entfalteten die Glasgraveure der böhmischen und
schlesischen Hütten Schritt für Schritt den ganzen
Reichtum an Dekarmöglichkeiten.
Bevorzugte Glasform war der Pokal mit und ohne
Deckel. Die Grundform mit Fuß, Schaft, Kuppa und
Deckel ließ sich mannigfaltig dekarieien. Die
Kuppa war anfänglich trichter-, später becherförmig,
der Deckel mehr oder weniger gewölbt und mit
einem Knauf versehen, der Balusterschaft durch
Zwischenscheiben abgesetzt und der Fuß, ähnlich
dem Deckel, flach oder gewölbt gebildet. Ein
Schliffdekar van verschiedenartigsten Facetten
gab den einzelnen Gefdßteilen eine individuelle
Nate. Im Laufe der Entwicklung bedeckte man die
geschliffenen Teile mit immer reicherem Schnittdekar.
Aus der Vereinigung und der Kantrastierung von
Schliff- und Schnittdekar entstanden dann iene
gleißenden Prunkgefäße, die den Ruhm der
böhmisch-schlesischen Hütten ausmachten.
Die Vorlagen zu diesem phantastischen Reichtum
an Dekoratiansweisen entnahmen die Glasschneider
den Musterbüchern und Ornamentstichen. Zu Beginn
des I8. Jahrhunderts wurden die schweren Frucht-
und Blütengehänge von dem pflanzlich-
geometrischen Laub- und Bandelwerk und den
flüssigen Formen der Kalligraphenschnörkel
abgelöst. Nach der Jahrhundcrtmitte wcir es dann
clie Rocaille, welche das netzartige Dekorsyslem
des Laub- und Bandelwerkes zu miriiaturhaft
geschmückten kleinen Bildfeldern auflöste. Alle diese
Dekare waren aber mehr oder weniger nur Beiwerk
für die auf der Kuppawand angebrachten
Hauptmotive, die Wappen, Bildnisse, Manogramme,
48
figürliche Allegorien, Landschafts- und Jagdszenen
enthielten.
Neben Schliff und Schnitt wurden im böhmisch-
schlesischen Raume in der ersten Hälfte des
"I8. Jahrhunderts zwei weitere Arten der Glas-
veredelung gepflegt; Das Bemalen der Gläser mit
Schwarzlot und Gold und das Zwischengoldglas.
Die Bemalung mit Schwarzlot war in den Porzellan-
manufakturen üblich gewesen. Die Kontrasfwirkung
von Schwarz, Weiß und Gold war ein beliebter
Steigerungseffekt. Es lag nahe, ihn auch für das
Glas zu verwenden. Zumeist wurden figurale
Szenen, Allegorien, Chinoiserien, Jagden, Figuren
der Commedia dellarle, umgeben mit reichem
Laub- und Bandelwerk, auf die Wände der Gläser
gemalt.
Im 18. Jahrhundert wurde von einem unbekannten
Glaskünstler die alte Technik des Zwischengoldglases
fandi d'oro wieder in Umlauf gebracht, Mit
kleinen Wand- und Bodenmedaillons beginnend,
gelangte man schließlich zur Verdoppelung des
ganzen Gefäßes. Zwischen zwei ineinander-
passenden Gläsern wurde eine Silber- und
Galdfalie eingefügt, in die man verschiedenste
Themen hineinradierte
Alle diese Gläser waren Erzeugnisse von
Manufakturen und Fabriken. Nicht immer sind die
Namen der Glasherren bekannt, aber vollig
verborgen im Dunkel der Anonymität sind die
Glaskunstler, deren Erzeugnisse die Welt eroberten,
und die den künstlerischen Ruf des österreichischen
Glases und ihrer böhmisch-schlesischen Heimat
für alle Zeiten sicherten.
Fakal, Schlesien Schaffgotsch-Huttel, um 1710.
Farbloses Glas in reichem Hoch- und Tiefschnitt, mit
Emblem lSchafl olsch und Ornamenten. cm.
OMK, lnv VNr 2538
Becher, Schlesien Hirschberqtall, um l7OCt
Farbloses, dickwandiges Glas in Hachschnitl, mit Al-
lldnlwrlppeft, Maskerorts iiiia orriamcntalem Dekor
lLB cm
OMK, lnv.-Nr. Gl 1529
Deckelpakal, Böhmen, um l7l0
Farbloses Glas iri Matte und TlEfSCHHlli, mit Doppel-
adler riiil Brustschlld Uhd Spiegelrnonogrcimm cv
Carl v. vari Lothringen, Ei Maria Jasefa Eleonaral.
Baluslerschcift mit Schcibcnnadus, auf der Fußplatte
Groteskranken, auf dem Dackel Bandelwerk und Bluten?
straufie. 39 cm
OMK, iFlVrNT. KHM 386
Kanfeklschale, Bahmen, um l73Ül40
Farbloses Glas in Tlälr und Hochschnitt, mit vergalder
tern Muridrand Reiches Laub- und Baridelwerk. Die
Fußplatte faccttiert und vergoldet 12,8 cm,
OMK, lnvrNr. oi 198
5,6 Großer Deckelpokal, Böhmen, um l7lO Ansichten
Farbloses Glas mit ornamcntalcm und figuralem Dekor
in Schwarzlat und Gold. Angeschraubler Schaft mit
Nadus und Hahlbaluster sowie glatter Fuß. 52 cm.
ÜMK, lnv -Nr, KHM 367
Becher, Bahrnen, um 'l7?5
Farolasos Glas mt Darstellung einer Reiherbeize in
goldgehahtem Schwarzlot 12
OMK, lnv.-Nr. GI U46
Deckelbecher, Böhmen, um 1720
Farbloses Glas mit Figuren aus der Comrriedio dell arte
in Schwarzlot l6,8 cm
OMK, lnvrNr. GI 1247
Zwischengaldbccher, Bahmen, um l73l
lakantig, vier Medaillans zwischen Fries aus Laube und
Kalligraphenwerk Hl. MKlYGEl besiegt Luzifer,
praenbllls DaMlnVs postcrlVs gloCll riestorls VlVat
aririas, fEltertdEr POSllllOlt, al lta VaVet trater
fratrl MlChaiLi loseph sChaltz p. CaroLVs SChaltz
soClelatls lesV, oben und unten Akunlliusblattfrles in
Gold; Bodenmedaillon Gold auf Rat; SIT NOMEN
DOMINI BENEDlCTUM und Monagramm Christi in
Strahlenglarie. 2,4 ClTt Clironagrumm l722, 1728.
OMK, lnv.-Nr Gl 2358
lO Zwischengoldbecher, Balimen, um W00.
Qaseitig. Auf dem Mantel zwei durch Pflanzenornarnente
getrennte Medaillans mit zwei einander die Hande
reltlleridert Jünglirigen, beleltlllläl Üavid et lonatas";
ZWEl aus Wolken ragenden verschlungenen Hunden
über zwei brennenden Herzen, die durch die Zahl
verbunden sind. Darüber die umlaufende Inschrift.
Nichts schaenercs ist auf CllCStTV weldt als man rechte
freindschaft haolt wie Janatan und Davidts Trew
also auch unser frcindschaft seil" Auf dem Baden eine
Blumenvase auf Rubingrund. 8,4 cm.
OMK, lnv,-Nr, A28
"ll Zwischengoldpakal, Bahmen, um 1725.
Farbloses Glas in Zwischenglasmaterei in Gold. Mer
daillon S. Wenzeslai", Engel und Bettler, Fries van
Laube und Bandelwerk. Facettierier Wulst- und Balii-
sterschaft. l7,6 un.
OMK, lnv.-Nr. Gl 1025
iz Zwischengoldpokal, Bßllmert, um 1730
Farbloses Glas iri Zwistlttftglüämülcfßl iri Gold Dar,
Stellung einer Hlrschiugd IU Pferd und 7u Fuß Laub-
uria Bandelwerkfrlcs SOWle furettierler Balusterschaft.
17,6 cm
OMK, lriw-Nr. Gl 20
49
Österreichisches Museum für angewandte Kunst
Österreichische Keramik des Jugendstils
Sammlung des Österreichischen Museums
für angewandte Kunst, Wien
Buch und Katalog Neue Folge Nr. 35
herausge eben vom Prestel-Verlag München
und dem sterreichischen Museum
für angewandte Kunst
Altes Haus, Säulenhof und Saal
Wien Stubenring
13.12.-14.2.1975 und 6. 3.-31. 3. 1975
In logischer Folge führte man nach dem Glas des
Jugendstils" nun die Keramik des Jugendstils",
genauer der Jahrhundertwende beide Sammlungen
des Österreichischen Museums hier im Stammhaus
vor. Gleichfalls ein Zurschaustellen auf Zeit von
Obiekten, die konsequenterweise als ständige
Präsentation erwartet werden müßten. Wenn es
die Raumnot nicht gäbe! Womit man rechtfertigen
muß, daß dem Besucher wohl erlesene Schöpfungen
früherer Epochen ausreichend gezeigt werden,
dieser jedoch vergeblich nach solchen des 19. Jahr-
hunderts und der neueren Zeit sucht. Sa ist ein
durchaus lebenswichtiger Teil des 5ammlungs-
organismus der neueren Zeit stets in Depots
verbannt begraben auf fast ewige Zeiten?
Das wurde einem wieder so recht bewußt, als
man vor der Vielfalt schöpferischer Potenz der
österreichischen Keramik der Jahrhundertwende
stand, die Zeugnis gibt für die unbändige Kraft
und stilprägende Vielgestaltikeit dieser Zeit.
Nie mehr wurde seither in Österreich diese fast
fieberhafte Schaffensfreude, diese Vielzahl
keramischer Richtungen, diese reichen Form-, Dekor-
und Ausdrucksmöglichkeiten in einem Material
wieder erreicht." Sa endet der umfassende
titeltragende Essay, den Dr. Waltraud Neuwirth,
Autorin der reich ausgestatteten Publikation, als
Kern zum Thema verfaßte. Die Fertigstellung des
Werkes glich einer aufregenden Schußfahrt zu Tal,
bei der einiges an Qualität auf der Strecke bleiben
muBte. Sehr zum Leidwesen der Autoren. Doch das
war ganz kurz vergessen, als man der Presse
Gelegenheit gab, als erste die Ausstellung zu
besichtigen. Termingemäß zwar, allerdings wiederum
nur mit einem Katalogauszug. Den Pressestimmen
zufolge wurde, wie bei den einschlägien
vorangegangenen Ausstellungen, allgemein das
Verdienst anerkannt, daß Direktor Hofrat Prof.
Dr. Wilhelm Mrazek und Dr. Waltraud Neuwirth
neuerlich wertvolles Beslandsgut des Hauses seiner
katalagisierten Ordnung zuführten, die Thyssen-
Stiftung mit Dr. Coenen und der Prestel-Verlag
seine Publizierung in die wissenschaftliche Evidenz
ermöglichen halfen.
Waren es im Säulenhof die Obiekte, 312 an der
Zahl, die etwas dicht und auf einer wohl neutralen,
iedoch nicht ganz hormonisch-kontrastierenden
Farbe die Vitrinen füllten, so konnte im Saal eine
ganz beträchtliche Folge von Entwürfen guten
Einblick in die Entstehungsgeschichte mancher
Obiekte geben und den Gesamteindruck der
Ausstellung echt aufwerten. ist es doch immer
wieder aufregend, der Spontaneität des ersten
Einfalls vom ersten Strich an zu folgen, zu verfolgen
wie dieser aus dem Papier in die Materie umgesetzt
wird. Hier ist die Hand eines Moser, Hoffmann,
Peche oder Galle, einer Sika, Trethan oder eines
Margald in ideenfrischer Ursprünglichkeit
zu sehen, die neue Aufschlüsse vermittelt. Bei oder
besser vor den Obiekten wird einem teilweise
bewußt, wie sehr der Titel besser der Jahrhundert-
wende ohne kommerziell-gängigeres Jugendstil-
Korsett" lauten müßte. Doch das gilt unausge-
sprochen sowieso für den engeren Kreis der
Experten. Und weiters wird einem bewußt, wie sehr
wieder eine starke künstlerische, zudem pädagogisch
wirkende Persönlichkeit wie vor allem Kolo Moser
im eigentlich kunstgewerblichen Bereich einen
ungemein starken malerischen Aspekt zum Tragen
brachte. Ein überreiches Szenarium an Floralem,
Animalischem, Figurativem, Geometrisierend-
Strengem läßt abermals von der Geschlossenheit
dieser kunstgeschichflichen Epoche sprechen, die
von etwa 1890 bis 1914 reichte. Das Museum, sein
gegenwärtiger Direktor und dessen engste
Mitarbeiterin im Sammlungsbereich haben mit
50
dieser Aufgabe der österreichischen Keramik dieser
Zeit ihre volle wissenschaftliche Bedeutung
gegeben, indem sie eine ungeordnete Depot-
sammlung in ihre kunsthistorischen Bezüge setzten
und diese, unterstützt durch die umfassende, alles
ausschöpfende Publikation Dr. W. Neuwirths,
internationalen Sammlungen echt konkurrenzierend
gegenüberzustellen vermochten Abb. 1-6.
Meisterklasse für Keramik
Heinz Leinfellner
Ausstellung der Hochschule
für an ewandte Kunst
Altes aus, Säulenhof
Wien Stubenring
25. 4-25. 5. 1975
ln seinen letzten Lebensiahren beschäftigte sich
Heinz Leinfellner immer wieder mit dem Proiekt,
eine Ausstellung von eigenen Arbeiten gemeinsam
mit denen seiner Schüler zu veranstalten. Ein tra-
gisches Schicksal ließ ihn dieses Proiekt nicht mehr
realisieren. Wenn daher die Hodischule und das
Museum diese Ausstellung nachholen, so soll diese
nicht nur ein Akt des Geschehens, eine Totenfeier
sein, sondern gleichzeitig auch ein Fest der Leben-
den und der in die Zukunft wirkenden lmpulse."
Direktor Dr. Mrazek schickte dies der Ausstellung
voraus. Wie sehr ein Leben auch abrupt abreißen
mag, es geht dennoch alles weiter, doch wenn einer
mit Fleisch und Blut so Künstler und Lehrer war
wie Leinfellner, lebt er auch nach seinem
Hinscheiden erst recht weiter. 15 Jahre leitete, nein
lebte er inmitten und für seine Meisterklasse.
Mit Recht nennt ihn S. M. Prof. C. Unger, der
Rektor der Hochschule für angewandte Kunst,
einen großen Anreger für seine Sd1üler, welche
Leistung in der Mannigfaltigkeit der Arbeiten und
den vielfältigen Experimenten sichtbar wird".
Heinz Leinfellner ist vor allem Bildhauer, und mit
der Stehenden markiert er offensichtlich seine
künstlerische Abkunft aus der großen Meister-
trodition der Moser, Powolny und Obsieger.
Wiewohl er seine ganz spezifisdie Eigenart, ia
seinen ganz typischen Stil erst mit seinen Reliefs
gefunden hat. Unverkennbar auch die tiefgehende
Physiognomik seiner Porträts. Hier liefert ieder
Daumendruck, iede Kratzschraffur und iede
Ubersteigerung einer Gesichtspartie den Beweis
für eine wesensinterpretierende Bildhauerhand,
die von einem angeborenen Instinkt geleitet wird.
Hier stoßen wir mit in iene Bereiche der Kunst vor,
die die echte, auch vom Geiste her echte
Schöpfung empfinden läßt. Leinfellner vermochte,
wie Beispiele beweisen, einigen seiner Schüler vieles
von dem zu vermitteln, was ihm in einem langen
Bildhauerleben an Geist, an Erfahrung und an
Experimentierwillen eigen war. Wir erkennen dies
vor den Figurativen Anton Raidls im plastischen
Bereich wie auch vor den Reliefs Elisabeth
Schrammels oder dem Gebrauchskeramischen
Edla Freis, lnge Stockners und Hedwig Rabls. Auch
mit Arbeiten, die im Endeffekt im Experimentellen
stärker verhaftet blieben, morgen iedoch als
durchaus ausführbare Realität als Luftbefeuchter,
Elektroofen oder Schachspiel ihre Anwendung
finden könnten, stellten Leinfellner und Schüler die
methodisch angestrebte Universalität unter Beweis.
Die nun über 100 Jahre olte Hochschule für
angewandte Kunst ist laut Präambel ihrer Statuten
streng darauf bedacht, den Erzeugnissen des
Gewerbes und der lndustrie eine künstlerische Basis
zu geben, das Gebrauchsding auf ein ästhetisches
Niveau zu heben und durch die industrielle
Produktion einer breiten Uffentlichkeit zu
erschließen".
Leinfellners Universalität war dazu angetan, in
diesem Geiste zu wirken. Dazu war er noch von
echtem menschlichem Verständnis und Bewußtsein
erfüllt. Dies wird ihm einen Platz in der Ehrenliste
der Schule sichern. Abb.
Möhren Malerische Ansichten
aus Romantik und Biedermeier
Schloß GrafenegglKremslNO
Ausstellung des Adalbert-Stifter-Vereins,
München, und des Österreichischen
Museums für angewandte Kunst
S. 5. -1. 11. 1975
Wir stehen vor Schöpfungen des 19. Jahrhunderts,
die lmaginatianen iungfräulicher Landschaften
ebenso heraufbeschworen wie die der unter
malerischen Rauchschwaden dahinziehenden ersten
k. k. Eisenbahn Wien-Brünn, deren Lokführer,
quasi in Cut und Zylinder, offenen Auges am
dickqualmenden Rauchfang vorbei nach vorne
Richtung Fahrziel blickt. In diesen für uns Heutige
eher sentimentalisch-romantischen Impressionen
dokumentieren sich eigentlich am sinnfälligsten der
Geist und die Wandlung dieser Zeit im Spiegel
zeitgenössischer künstlerischer Schöpfungen. Wir
meinen die derzeit in Schloß Grafenegg laufende
Schau zit. Titels, deren Ausstellungsgut die durch
Leihgaben bereicherte Privatsammlung Dr. Hugo
Bratmann darstellt.
Zuweilen ertappen wir uns dabei, über einem pizzlig
pointillierten Bergrücken irgendeiner dieser
Darstellungen dem Pinsel des Künstlers von damals
nachzufühlen, seine Begeisterung, das Feuer seines
Naturerlebnisses, nachzuempfinden, wenn Land-
schaft im ähnlichen Erscheinungsbild scheinbar
unverändert vor uns Heutigen steht. Doch der
Künstler hat mit der Betulichkeit seines Jahrhunderts
auch dessen Stille und Unveränderliches hinein-
emalt, und darin liegt der ungemeine Reiz dieser
kleinen Kunstwerke. So ergeht es uns auch vor
den mährischen Ansichten. Ungemein Vertrautes an
Berg, Baum, Burg und Gebäu, Mensch und Maschine
steht da in liebenswerter Akkurotesse, Alt-
österreichisches im besten Sinne des Wortes.
Manchem davon meinen wir auch heute noch
daheim in bestimmten Gegenden und Winkeln
in Margen- oder Abendstimmungen menschen-
abgeschiedener Landschaften nahe zu sein wie
vor rund 150 und mehr Jahren. Wie gut paßt doch
diese Schau ins Niederösterreichische, eng
benachbart mit Möhren, dieser alten Kulturlandschaft
im Herzen Europas, beide über viele Geschlechter
und Generationen verzahnt und verbunden als olte
Stammregionen der k. k. Monarchie.
Mit dieser Präsentation wird nicht nur ein Jahr-
hundertpanorama in reich-variabler Blau- und
Grünpalette mit seinen ldealerscheinungen von
Landschaften, Burgen, Ruinen und Schlössern
aufgerollt, da ist auch die noch zierliche erste
Dampflakamotive, sind die dunkel gähnenden
Tunnels, die Viadukte über reißenden Flüssen und
Schluchten und die schwarzqualmenden Schlote über
den ersten erstehenden Industrien, Vorzeichen einer
Entwicklung, deren Bedrohlichkeit damals nach
von bläßlicher Abendröteramantik verklärt schien.
Hier wurde versucht, Möhren, dieses kulturgesättigte,
bis in die heutigen Tage seine spezifischen
Charakteristika bewahrende Land, wieder ins
Bewußtsein zu rücken, es aus dem politischen Dunkel
zu holen.
Dank gebührt vor allem der Hauptinitiotorin des
Unternehmens, Dr. Johanna von Herzogenberg, die
aus reiner Herzensbindung an ein Land und seine
Menschen die organisatorische Last nicht scheute,
die Sammlung Dr. Bratmann für die Ausstellung
auszuersehen und einzurichten.
Wer der Zeit ein Schnippchen schlagen will und
gerne alten Kindheitsträumen nachhängt, dabei,
künstlerisch verbrämt, topographische und
historische wie kulturgeschichtliche Kenntnisse
aufpolieren will, eile stracks nach Schloß Grafenegg,
denn dort ist im heurigen Sommer die Romantik
doppelt zu Hause.
Daß außerdem auf Schloß Grafenegg noch immer
die schon eingerichteten Ausstellungen Grafenegg
und der Schloßbau der Romantik", Gold- und
Silberschätze in Kopien des Historismus", Metall-
arbeiten des Historismus", Die romantische
Bilderwelt des Wiener Opernhauses" wie auch
die Ergebnisse des Wettbewerbes Kinder zeichnen
ein Schloß" auf dem heurigen Programm stehen,
sollte erst recht Ansporn sein, dieses Schloß aufzu-
suchen. Nicht zu vergessen ist, daß es musikalische
Veranstaltungen gab und gibt. Am 7. 9. u. a. ein
SchloßkonzerW mit Haydns Schöpfung und am 27. 9.
Schuberts Liederzyklus Winterreise". Abb. 10
tenstellen und sonstige Aktivitäten
Museums im Sommer 1975
aßmuseum Riegersburg
ier der ständigen interieurmößigen Einrichtung
Schaurüume und der Ausstellung Religiöse
nkunst des 16-19. Jahrhunderts", Khevenhüller-
iilienmuseum, ist eine Gemeinschattsausstellung
irerer Bundesmuseen in Vorbereitung Die
im Zeitalter des Barock"
nstag bis Sonntag, 9-12 und 13-17 Uhr,
oß PetronelllKunstgewerbernuseum
aus den Beständen des Hauses eingerichtete
Jusammlung erfuhr eine Ergänzung durch
Reihe neuer Exponate Puppenzimmer u. a.
Umstellung
nstag bis Sonntag, 9-17 Uhr.
müller-Schlößlßammlung Sobek
wie vor die repräsentative Einrichtung durch
rire- und Biedermeierinterieurs und Altwiener
en.
ie Besuchszeiten! Montag bis Freitag Besichtigung
Vereinbarung. Fixe Führungen ieweils nur an
ntagen, 11 und 15 Uhr.
ien sonstigen Aktivitäten durch das Museum
len die Beschickung der NU-Landesausstellung
ititt Altenburg Groteskes Barock" mit 250
iobiekten.
Repräsentation aus der Glassammlung des
ses Österreichische Glaskultur im 19.
'hundert" in der Zweigstelle der Zentralspar-
selOpernring anschließend Schottenring.
leschlassen wurde die Präsentation Das Glas
Jugendstils" nach Linz in MünchenlStuck-Villa
11. 5. 1975.
H1 großen Halsschmuck, Wien 1887, stellte das
.eum in der Reihe Das Kunstwerk des Monats"
Mai über in der Wiener Staatsoper aus.
Leopold Netapil
wie, Deluil, vor 1899. Fecriseiiiiie Tepiiiz.
CIMK, IHM-Nr. w. 1. 20a
Dome im Winierkoslüm, um 1912113, Eduard Klcblenc.
ZJMK, lnm-Nr. w. 1. 1262
zeme im PEII, um 1912113. Eduard Kiebieiie.
DMK, lnm-Nr. w. 1. 1260
lose, um 1910. Gmiiiidiiei Keramik.
IJMK, lmL-Nr. w. 1. 095
I1ese1ieiivqee,iim1910111, Hugo F. KirSCh.
JMK, lnv,-Nr. w. 1.1022
010 Moser, Enlwurf 10 einer Suppeflfeffihe
Heinz LeirNellner, Porträt Prof. Alberl Paris eiiveiiieii
Knien Rcidl, Zwei silzende Figuren
fETlZ iziemei, sing vaneiixxi. ZnOilTl, 103a, Temperu
Pepiei
Nivkowiz, Fieiiieiiiieii von Rothschilzfsches Eisenwerk",
l8574lB59. KoI. Lifho, gez. Kuliwoda
10
51
KUNSTHAUS AM MUSEUM
CAROLA VAN HAM
GEMÄLDE KUNSTVERSTEIGERUNGEN ANTIQUITÄTEN
KÖLN, DRUSUSGASSE 1-5, TEL. 238137
Kunstauktionen
März, uni und Oktober.
Sonderauktion
außereuropäische Kunst
und archäologische Funde
im November.
Katalog auf Anfrage
Wechselnde Ausstellungen.
Angebote von
Sammlungen und
Einzelstücken jederzeit
angenehm.
Besichtigung nach
Vereinbarung
Paar Konsolen, geschnitzt und vergoldet, 92 cm, 113 cm, 56,5 cm. Rom, um 1730? 1740
Tradition
Seit über 425 Jahren
Wagner'sche Unim-Buchdruckerei Buchroithner 81 Co..
Innsbruck, Erlerstraße 5-7 Telefon O522229761
ANTIQUITÄTEN
erßeri Asmßazum
Kunstgevverbe
Gemälde, Skulpturen
Möbel
.. ..,... Ex hmÄßJWNW
rockschrank Karl Vl.. Österreich, um 1700. Nuß, furniert und
rm, unterbrochen von drei gedrehten und vier intarsierten Säulen.
immleisten. Höhe 210 cm, Breite 200 cm, Tiefe 70 cm.
arsiert, reicf
rofilierte Fül
ne
REINHOLD HOFSTÄTTER
Kunst und Kunstgevverbe
WIEN
l., Bräunerstraße 12 Dorotheergasse 15 -Telefon 528984 und 528985