IVI. W. Turner 1775-18 51
rn 200. Geburtstag
rbtafein
Begriff des
sarntkunstvverkes in
ttfried Sempers
nsttheorie
Essay
Lettristische
Einflüsse als ein
Grenzproblem der
zeitgenössischen
Kunst in Osterreich
Joseph Slma, Bochum
Braque-Schmuck, Wien
Polnisches Kunsthandwerk, Wien
Arnuli Rainer, Münchan- New York Darmstadt
Kunstmarkt Koln. 1974, bin
Auf der Suche nach der ldentitat. Mailand
Plakatentwürfe österreichischer Künstler, Warschau
Andrea Palladio. Wien Paris
Friedensreich Hundertwasser. München New York- Zürich
22. Internationale Biennale, Florenz
Georg Eisler. Stuttgart- Hamburg Regensburg
Art 575, Basel
Jugendstil aus Wien. Expressiver Realismus aus Wien, Amsterdam
Georg lmmenhoi. Wien
Der Maler Franz Lerch. Wien
Hans Makart- Entwürfe und Phantasien, Wien
Allen Jones, Wien München
Alfred Kubin, Paris
Karl Korab. Genf München Mannheim
Groteskes Barock, Stift Alteriburg
Polnische Kunst, Flaooerswil
Alfred Frohner, Innsbruck
Leibl und sein Kreis. München
Arnulf Neuwirth, Wien
Frederick Kiesler, Wien Bochum
Herbert Bayer, Wien
Woligang Hutter. Düsseldorf- München
Johannes ltten, Wien
Alfred Hrdlicka, New York Berlin Koln Hsnnover- Stuttgart
.,Aus österreichischen Sammlungen", Genf
Karl Arnold. Wien Paris
Paul Jenkins. Wien
Josef Hoffmann, New York
Jürgen Messensee. Braunschweig
Libor Fata, Prag Wien New York
Walt Disney ,.Robin Hood". Wien
Egon Schiele. München
K. Roessing, Wien
Josef-Strauß-Ausstellung, Wien
Helmut Kies, Kopenhagen
Hagenbund, Wien
Kunstgespräche 1975, Wien
Österreich stellt Hundertwasser den Kontinenten vor, Paris Luxemburg Marseille Kairo
Kostbarkeiten aus Niederösterreich, Schallaburg
Salon de mai, Paris
Fritz Wotruba, Wien St. Gallen New York London Triest Mailand München- Flom-Florenz-Vaduz
Graphikbiennale. Laibach
Eduard Angeli, Wien
Otto Heuss. Wien
DieAuigaba von Holz in derUmgebung des Menschen. Stockholm Graz Wien
Art 675, Basel
Wiener Schule des Phantastischen Realismus, Feldkirch
Joseph Erhardy. Wien
Josef Engelhart. New York
Der Bauer und seine Befreiung, Dresden
Joannis Avramidis, Wien
Wolfgang Hoilegha, New York
Markus Prechensky, Wien
Jean Francois Millet, Paris
Rainer Wittenborn. Koln Wien München
Max Gubler, Wien
Russische Nonkoniormisten. Berlin
lvan Valtchev. Wien
Josef Mikl. Stift Melk
Roman Scheidl. New York
Fototexte von Jochen Gerz. Wien Karlsruhe
Charles Goodnough, Wien
Frederico Barocci, Bologna
The Splendor-Vestment, Chicago
Reime Wukounig, New York Wien
Kunstmarkt Köln 1975. Köln
Dick Arentz, Wien
Wiener Landschaft im Aquarell. Wien
Arik Brauer. Zürich
SOOJahr-Feier, Landshut
Barocke Tapissarien, Schloß Halbthurn
Max-Rainhardi-Gedächtnis-Ausstellung, Salzburg
Ge "ndi te Zeit, Wien
hael chwarz. Wien
Wien im Mittelalter. Wien
Ernst Fuchs. New York
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J. M. W. Turner, 1775-1351
Zur Ausstellung anlößlich des 200. Geburtstages
des Künstlers in der Londoner Royal Academy ..
lrmgard Luchterhandt
Zu Beginn der Kultur Die Große Mutter"
in der Symbolforschung zur Ur- und Frühgeschichte .. "I4
Gerhard Gross
Der Stein auf Burg Lackenhaus
und seine Deutung 17
Elisabeth Scheicher
Die Neuaufstellung der Sammlungen
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Gerhard P. Woeckel
Beiträge zu dem höfischen Werk
des Bildhauers Johann Baptist Straub .. 29
Ludwig Neustifter
Der Kreuzweg in Falkenstein
Das Hauptwerk des Tiroler Bildhauers
Ferdinand Ptaundler .. 40
Klaus Eggert
Der Begriff des Gesamtkunstwerks
in Gottfried Sempers Kunsttheorie .. 48
Ruediger Engerth
Lettristische Einflüsse als ein Grenzproblem
der zeitgenössischen Kunst in Österreich 57
Künstlerprofile
Peter Dworak von Manfred Chobot .. 64
Franz Milan Wirth von Alois Vogel .. 65
Aktuelles Kunstgeschehen .. .. 66
Für den Kunstsammler P4 72
Franz Winzinger, Meisterwerke es iapanischen
Farbholzschnittes von Fedor Sibeth .. 80
Auktion der Collection Henri Vever bei Sotheby, London
von Franz Winzinger 82
Buchbesprechungen 85
Österreichisches Museum für angewandte Kunst 86
Bildnachweis .. 79
Titelbilder Rittersaal, Kapitelsaal der Templer", der Burg Locken-
haus, Burgenland Ferdinand Ptaundler, Kopf des Josef von Ari-
mathäa, Detail aus der Grablegung des Kreuzweges in Falkenstein,
Niederösterreich.
Herausgeber Kurt Rossacher Eigentümer und Verleger AMK-Verlag,
A-5024 Salzburg, lmbergstraße Postfach 12, Telefon 06222 73731.
Redaktion Wilhelm Mrazek Chefredakteur, verantwortlich für den Inhalt;
Franz Windisch-Graetz Kunstgeschichte, Peter Baum Wiener Kunstkritik,
Alois Vogel Bundeslünderberichte, Leopold Netopil graphische Gestal-
tung, lmprimatur; alle Österreichisches Museum für angewandte Kunst,
A-1010 Wien, Stubenring Telefon 0222 725696 und 0222 72 56 97.
Zweigredaktion Salzburg Kurt Rossacher Gesamtgestaltun9l, Franz Wagner
Salzburger Kunstkritik, alle A-5024 Salzburg, lmbergstraße Postfach 12.
Herstellung Wagnefsche Univ.-Buchdruckerei Buchraithner 8. Co., Innsbruck.
Für unverlangte Einsendung von Manuskripten oder Fotos wird nicht gehaftet.
Preis ab 1975, inkl. Porto Jahresabonnement, Nummern davon ein Dop-
pelheft, öS 495.- inkl. Mehrwertsteuer, DM 70.-, sfr 82.-, Lit 17.000,-. Ein-
zelheft öS 85.- inkl. Mehrwertsteuer, DM12.-, sfr 14.-, Lit 2800- Doppel-
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Vertrieb WUB, A-6010 Innsbruck, Erlerstraße 5-7, Postfach 211. Bank Credit-
anstatt, Filiale Innsbruck, Konto Alte und moderne Kunst", Nr. 89-53291.
Anzeigen AMK-Verlag. Erscheinungsort Innsbruck.
INTERKUNST
Internationale Messe
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20. 23. Februar 1976
INTERKUNST istdie erste komplexe und
entsdieidende Großaktion, durch die die
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Fuß fassen soll. Wien soll total im Zeichen
der INTERKUNST stehen, die mit einem
neudimensionierten, unkommerziellen
Konzept ein massives Aufgebot von Werke
bedeutender internationaler und
österreichischer Künstler, repräsentiert von
führenden Galerien aus aller Welt,
vereint und hier vom 20.-23. 2. 1976 ein
Kantaktzentrum ersten Ranges
schaffen will.
INTERKUNST wird Wien, den
traditionsreichen Ort der Begegnungen,
für Tage zum Treffpunkt van Künstlern,
Sammlern und Kennern machen, denen
durch aktive Kommunikation und dichte
Konfrontation mit exklusiver moderner
Kunst neue und unberührte
Fublikumsschictiten gewonnen werden
sollen.
Stefan Fichert
J. M. W. Turner 1775-1851
Zur Ausstellung in der Londoner Rayal Academy
anläßlich Tumers 200. Geburtstags
J. M. W. Turner, Norham Casfle, Sonnenauf-
gang, ca. 1835-1840. Öl auf Leinwand, 91 X122 cm
mysteriöse Augenkrankheit zurückgeführt wur-
den, wird Turner heute als Genie gefeiert. Aber
ebenso wie die Einschätzung durch seine Zeit-
genossen kurzsichtig war, so unüberlegt ist jene,
die in ihm den Vater der modernen Malerei er-
blicken möchte.
Zweifellos ist die Turner-Ausstellung in der Royal
Academy R. A. einer der wichtigstenBeiträge
bisher zur Einschätzung des Werkes dieses Ma-
lers, das so außerhalb der Hauptströmungen
der europäischen Malerei steht und dessen Ein-
ordnung unter die in der Kunstgeschichte dafür
vorgesehenen Begriffe wie Klassizismus", Ro-
mantik", Präraffaeliten" oder gar lmpressio-
nismus" nur oberflächlich und selten von Dauer
unseren Ordnungsdrang zu befriedigen vermag.
Es ist die umfangreichste Ausstellung, die ie Tur-
ner gewidmet wurde. Sie umfaßt weit über 600
Werke sowie eine Sammlung von Dokumenten,
Briefen, Büchern und anderem relevanten Ma-
terial und kann mit Recht als eine repräsenta-
tive Darstellung seines Gesamtwerks angesehen
werden. Von den etwa 19.000 Zeichnungen und
Aquarellskizzen, die in den Archiven des Briti-
schen Museums untergebracht sind, ist verständ-
licherweise nur eine Auswahl zu sehen. Einige
der Werke sind verschollen, andere waren un-
zugänglich. Jedoch ist es den Organisatoren ge-
lungen, Turner der Öffentlichkeit in all seiner
erstaunlichen Breite und Vielschichtigkeit vorzu-
stellen, und die Öffentlichkeit hat von dieser
Gelegenheit in unvorausgesehenem Maße Ge-
brauch gemacht. Als sich am 2. März die Türen
schlossen, hatten etwa 450.000 Besucher die Aus-
stellung gesehen. Nicht ganz unbeteiligt an die-
sem Erfolg war der Aufbau der Ausstellung.
Durch eine Gliederung in neunzehn Einzelgrup-
pen, die weder rein chronologisch angeordnet
waren noch ausschließlich von Thematik oder
Problematik bestimmt wurden, ist es gelungen,
ein Gleichgewicht zwischen zeitlicher Kontinui-
tät und der fast verwirrenden Vielschichtigkeit
in Turners Werk zu finden, so daß die Viel-
schichtigkeit zwar erhalten blieb, ohne aber ganz
so verwirrend zu sein.
Organisiert wurde diese Ausstellung von der
R. A., die sie auch beherbergte. Dieser R. A., die
kurz vor Turners Geburt von König Georg lll.
begründet wurde, hatte Turner selbst sein Leben
lang angehört, nachdem er im erstaunlich frühen
Alter von 27 Jahren zum vollen Mitglied gewählt
wurde. Heute herrscht in dieser wie in sa vielen
ähnlichen Institutionen eine eher konservativ an-
mutende Atmosphäre. Die Wände in den "Gän-
gen sind übersäht mit Glaskästen, die alle mög-
lichen Requisiten enthalten, von Sir Joshua Rey-
nolds' silbernen Schuhschnallen bis zu Turners
Angelrute. Eine vergangene Welt scheint durch
die soliden Mahagonitüren vom Heute getrennt
zu sein, wobei man zu leicht vergißt, daß die
Einrichtung von Institutionen wie der R. A. auf
das damalige Kunstschaffen einen umwälzenden
Einfluß hatte. Eben diese Mahagonitüren zum
Beispiel haben zu ihrer Zeit beinahe einen Skan-
dal heraufbeschworen, und es wurde allgemein
als eine Frechheit des Architekten angesehen,
die olterprobte Eiche durch solch neumodisches
und unzuverlässiges Material zu ersetzen es
waren die ersten Magahonitüren in Europa. Von
der R. A. und ihrer Bedeutung für Turner soll
später noch die Rede sein.
Bevor ich nun den Leser auffordere, mir beim
Gang durch die Ausstellung zu folgen, möchte
ich noch kurz bei der Zeit in Turners Leben ver-
Sohn des Friseurs und Perückenmachers William
Turner und seiner sechs Jahre älteren Frau Mary
Marshall. In Cavent Garden hat er seine frühe
Kindheit verbracht, und Covent Garden war da-
mals, wie auch in gewissem Maße heute noch,
ein Viertel voller Gegensätze auf der einen
Seite die eleganten Geschäfte, die vornehmen
Equipagen, die wohlpropartionierten georgiani-
schen Häuserfassaden in King Street oder Hen-
rietta Street, die damals natürlich hochmodern
waren, und auf der anderen Seite der Markt mit
allem, was dazugehört; die Spelunken, die Hu-
ren, Abfall und Schmutz, die schäbigen Markt-
karren, die nie abbrechende Betriebsamkeit, ar-
beitende Kinder...; und dann etwas weiter öst-
19b
J. M. W. Turner, Selbstporträt, ca. 1798. O1 auf
Leinwand, 74,5 58,8 cm. Ausschnitt
19 J. M. W. Turner, Schneesturm Dampfschiff an
der Einfahrt eines Hafens, 1842. U1 auf Lein-
wand, 91,5 X122 cm. Ausschnitt
wuchs. Ules ist die Welt, ale er vom rrise
schäft seines Vaters aus kennenlernte; ein
spannte Welt voller Widersprüche, eine
die in völligem Gegensatz stand etwa zi
des ländlichen Constable. Es ist wahrschei
daß Turner, der einmal einer der größten
schaftsmaler werden sollte, als Kind, zumi
als kleines Kind, weder Baum noch Strauc
sehen hat, und daß sein erster Wald ein
von Masten, Segeln und Tauen war. Sein
haus selbst war nicht gerade eine Quellt
Sicherheit und ein Ruhepunkt für den
wachsenden in dieser rastlosen Umwelt.
Mutter begann die ersten Zeichen einer
krankheit zu zeigen, die sich unaufhaltbai
schlimmerte, bis sie dann schließlich, als
schon seine ersten großen Erfolge an der
feierte, in einem lrrenasyl in lslingtan
Häufige und vehemente Tabsuchtsanfälle
rütteten den Haushalt; schlimmste Eindrücki
Turner nie mehr verlassen haben und in
Licht der tiefe Schmerz, den er empfand,
den späteren Jahren alle Welt ihn selbst
Maler, zum lrren zu erklären suchte, nur Zl
ständlich ist. Auch dürfen wir annehmen,
sein lebenslanges Mißtrauen gegenüber
hier seine Wurzel hat. Dieses Mißtrauen hir
ihn, trotz seiner starken erotischen Bedürf
iemals eine dauernde und bindende Bezit
zu einer Frau einzugehen. Zwar wissen wi
verschiedenen Verhältnissen, auch von zwt
ehelichen Töchtern, aber diesen Bereich
Lebens hat Turner völlig von seinem Lebe
Maler getrennt und gegenüber der Wel'
seinen Freunden geheimgehalten. Seine ve
fende und mitunter fast dilettantisch anmu
Hilflosigkeit bei figürlichen Darstellungen,
lem bei Akten und Frauenbildnissen vgl.
sica", Abb. 16, mag auch hier begründet
Nach Krankheit und Tod seiner jüngeren
ster wurde der Elfiährige zu seinem Onkel
Brentford geschickt, einem westlichen, a1
Themse gelegenen Vorort. Dort besuchte
Schule, und dort auch kam er zum erstt
intensiv mit ländlichen Szenen in Berührur
begann zu zeichnen und zu skizzieren, unc
der zu Hause im väterlichen Friseurgeschäf
den einige dieser Zeichnungen an der Lade
ausgestellt, und ein wohlwollender Kunde
wahl auch die eine oder andere für ein
Pennies gekauft haben. Vater William mu
Begabung seines Sohnes erkannt haben, de
stellte den Ambitionen des Halbwüchsigen
in den Weg, obgleich er ihm keine Ausbi
zukommen lassen kannte. Turner hat nie
regelrechte und kontinuierliche Ausbildun
halten. Er verdiente sich zunächst etwas Ge
dem Kolorieren von Stichen und begann
bald mit dem Kopieren von Aquarellen fü
schiedene Auftraggeber.
Die Tradition des englischen Aquarells, vi
lem des sogenannten topographischen
rells, verdient noch eine kurze Betrachtung,
das Aquarell und die Aquarelltechnik nehn
Turners künstlerischem Werdegang eine
selfunktion ein, und zwar nicht nur in
Maltechnik, sondern auch im ästhetischen
seiner Bilder der Einheit von Licht und
und dem Begreifen der Farbe als kanstri.
Bildelement. Das Aquarell nahm im Englar
18. Jahrhunderts wohl einen größeren Pla
als in irgendeinem anderen Land. The
graphical watercolour", das topograp
Aquarell, war in gewisser Weise ein Bind
J. M. W. Turner, Zwei Studien auf einem Blatt
bewölkter Himmel über dem Meer; stürmische
Landschaft, ca. T817. Aquarell, 48,2 30,2 cm
J. M. W. Turner nach J. R. Cozensl, Ein Tal bei
lzränasbruck, ca. 1796. Bleistift und Aquarell, 16x
cm
zwischen dem aller Welt zugänglichen Journalis-
mus der Stiche und Gravuren einerseits und der
Malerei, der Kunst der Ulbilder, die noch zum
größten Teil von den adeligen Mözenen geföre
dert und gesammelt wurde, andererseits. Topo-
graphische Aquarelle sind naturgetreue Darstel-
lungen von bedeutenden Bauwerken, von Land-
schaften und Gewässern, wobei sich die letzteren
oft noch durch dramatische oder idyllische Qua-
litäten auszeichneten, von exotischen Motiven
sowie auch Kopien der großen Meister wie
Claude, Poussin, Wilson, Gainsborough, Rey-
nolds etc. Die sehr detaillierte Ausführung er-
J. M.W. Turner, Der berühmte SL-Bernhard-
ca. T803. Aquarell, 66,4 99 cm
"te Vollendetes handwerkliches Können. Tur-
gnete sich dieses Können erstaunlich schnell
1d bald verließ auch er die strikten Gren-
es topographischen Aquarells und erforsch-
ergründete die Möglichkeiten, die es für
künstlerischen Drang, einem Drang nach
ge und Dichtung", bot. Das topographi-
Äquarell kann als Kunst des kleinen Man-
gesehen werden. In dem prosperierenden
nd des späten 18. Jahrhunderts begann sich
ahlhabender Mittelstand zu entwidceln, der,
adeligen Vorbild folgend, anfing, Kunst zu
eln, eine Kunst zweiter Klasse das topo-
ische Aquarell. Für die iüngere Künstler-
ation aber, die von der Französischen Re-
an nicht unberührt blieb, nahm das Aqua-
JClt eine politische Bedeutung an; es wurde
Äusdruck der Opposition gegen König und
idel. Anti-rayale und anti-aristokratische
ile waren in den Kreisen um Turner, Girtin
Ianstable nicht ungewöhnlich.
begann Turner seine Laufbahn als Aqua-
Und so ist auch der erste Raum der Aus-
tg mit der Überschrift Anfänge 1789-1797"
sächlich den frühen Aquarellen gewidmet.
bt man sich in die Mitte dieses Raumes
üßt den Blick über die Wände schweifen,
Aquarell einen typischen Turner" erkennen. Es
handelt sich um ein unvollendetes Aquarell aus
dem Jahr 1793 mit dem Titel Oxford, St. Mary's
Church". Über die sparsame Bleistiftzeichnung
sind nur die ersten Lasuren gelegt, etwas Grau
und darüber Blau und Gelb. Die dominierende
Frontalansicht eines Hauses im Vordergrund er-
scheint noch völlig im Weiß des Papiers. Die
Aquarelltechnik, die sich so gut aus diesem Bild
ersehen lößt, ist nicht eine Technik des Addie-
rens, wie Ul ader Gouache, sondern eine des
Reduzierens zuerst ist nur Licht da, das dann
durch ein Ubereinanderlegen von Farblasuren
reduziert wird, bis die tiefsten Schattenpartien
entstehen. Farbe entsteht durch das Reduzieren
des Lichtes. Und es ist das Licht, nicht die Zeich-
nung oder der Umriß, das den Anfang von Tur-
ners Malerei markiert, und aus dem legendären
Ausspruch Turners auf dem Totenbett the sun
is God!" dürfen wir schließen, daß ihn das Licht
als varnehmlichste Treibkraft sein Leben hin-
durch bis an sein Ende begleitet hat. Aus diesem
Ausspruch geht auch hervor, daß Turners Begriff
des Lichtes ein idealistischer ist, der sich durchaus
nicht mit dem physikalischen der französischen
lmpressianisten deckt, als deren Vorläufer er
manchmal zu Unrecht gesehen wird.
Vierung zieht sich eine von der lichtdurchfluteten
Kuppel dem von rechts einfallenden Sonnenlicht
und dem dunklen Vordergrund bestimmte Kom-
position mit einer starken Betonung der Diago-
nalen, die die strengen Vertikalen der Pfeiler
und Spitzbögen aufzulösen scheint. In diesem
Jahr 1796 arbeitet Turner zusammen mit Girtin
für den Arzt und Kunstsammler Dr. Monra, für
den sie Aquarelle von Cozens kopieren vgl.
Abb. 4. In Dr. Monras Haus dürften die beiden
iungen Maler auch mit Werken bzw. mit Kopien
nach Werken von Claude, Wilson, Canaletto
und Rembrandt in Berührung gekommen sein.
lm gleichen Jahr malt Turner sein erstes Ölbild
Fischer auf dem Meer". Die Meisterschaft, mit
der er diese für ihn noch neue Technik bereits
beherrscht, ist erstaunlich. Auf den ersten Blick
scheint dieses Bild noch sehr im Trend der dama-
ligen Mondlichtszenen zu stehen. Besieht man
es sich aber ein zweites Mal, nachdem man be-
reits einen Gang durch die restliche Ausstellung
gemacht hat, dann zeichnen sich bereits Var-
ahnungen dessen ab, was später kommen soll
der Kontrast zwischen dem kalten Mondlicht
und dem warmen Laternenlicht im Boot eine
Spannung zwischen Mensch und Natur, die auf-
gewühlten Wassermassen ein Thema, das Tur-
und mit der Turner in seinen späteren Bildern
zum Entsetzen seiner Zeitgenossen alle Gesetze
und Konventionen klassischer Harmonie verläßt.
Sa zeichnen sich in diesen frühen Jahren bereits
formalen und ästhetischen Grundlagen des
reifen Malers ab.
Der nächste Raum umfaßt die Jahre zwischen
1797 und 1801. Die Fachwelt ist nun bereits auf
den iungen Maler aufmerksam geworden. Turner
besucht Klassen an der R. A., deren Mitglied zu
werden nur noch eine Frage der Zeit ist. Er ist
ein Arbeiter von ungeheurem Fleiß und nicht
minder großem Ehrgeiz, der wenig Interesse an
Tätigkeiten findet, die nicht in direkter Bezie-
hung zu seiner Kunst stehen. Das Skizzieren vor
der Natur nimmt fortan einen wichtigen Platz in
seiner Arbeit ein, und von zahlreichen Reisen
durch Engla und Wales bringt er das Rah-
material für spätere Bilder nach Hause. Die
Breite von Turners Stil hat in dieser Periode der
Erkundung ihren Ursprung. Wohl folgt er dem
Ruf nach einer Englisch Schule", der mit dem
Anschwellen der Romantischen Bewegung immer
lauter wird, einem Aufruf zur Abwendung von
klassischen Motiven und von der fast dogma-
tischen Anbetung Claudes. Aber er folgt diesem
Ruf nur halb, denn er versucht sich gleichzeitig
an klassischen, historischen Themen, wie in dem
Aeneas ancl the Sibyl, Lake Avernus" van 1798.
Daneben führt er seine Wasserstudien fort. Seine
J. M. W. Turner, lnnenansicht der Kathedrale
zu Ely, 1796. Aquarell, 62,7x49,1 cm
J. M. Turner, Dolbadern Castle, Narth Wa-
les,1800.0l auf Leinwand, 119,5 90 cm
J. M. W. Turner, Schneesturm Hannibal und
se ne Armee überqueren die Alpen, 1812. Öl auf
Leinwand, 145 236,5 cm
J. M. W. Turner,
Sch bruch eines Frachters, ca.
auf Leinwand, 173 241 cm
1805-1810. Öl
ition, die Bewegung der Elemente festzu-
tritt nun in aller Stärke zu Tage. Neben
rein bildnerischen Tätigkeiten macht sich in
in Jahren noch ein anderes Element in Tur-
Denken und Schaffen breit die Dichtung.
eginnt, seine Bilder mit Zitaten, zunächst von
ren, in zunehmendem Maß aber auch von
ten Gedichten zu versehen. Die Gedichte
lames Thomson 1700-1748 tauchen allent-
an in Zitaten und in Skizzenbüchern auf und
zweifellos von entscheidendem Einfluß auf
H5 Schaffen. Thomsons Gedichte beschrei-
.andschaften; sie beschreiben sie aber nicht
tatische Gegebenheiten, sondern als dyna-
ie Strukturen, die fließen, unaufhörlicher
igung, dauerndem Wechsel, vehementen Zu-
ienstößen und umfassenden Harmonien un-
irfen. Thomson hat Malerei gedichtet, und
er beginnt nun Dichtung zu malen. Bewe-
Wechsel, sidw bekämpfende Elemente,
aer, Luft, Sturm, Feuer; das Unmalbare sicht-
machen, ist die Aufgabe, die Turner, der
er, Turner, dem Maler, stellt.
Reise auf den Kontinent 1802" ist die
schrift, die der kleine dritte Raum trägt. Mit
Frieden von Amiens ist es zum ersten Male
er seit zehn Jahren möglich, den Ärmel-
zu überqueren und den Kontinent zu be-
1. Und viele Künstler, so auch Turner, ma-
von dieser Möglichkeit Gebrauch. Fast un-
irlich skizzierend, reist Turner durch Frank-
in die Schweiz und von dort wieder zurück
Paris, wo er sich vor allem im Louvre auf-
Er fertigt dort fünfundzwanzig farbige
nungen an, Kopien der Werke Tizians,
vrandts und Poussins. Nach seiner Rückkehr
zht eine Reihe großformatiger Aquarelle,
Jenen ich eines herausgreifen möchte, Der
berühmte SL-Bernhard-Paß" Abb. da es am
deutlichsten den Weg weist, den Turner einzu-
schlagen sich entschlossen hat. Wahrscheinlich
hat Turner dieses Bild nie öffentlich gezeigt. Die
Naturgewalten, die diese Landschaft geformt
haben, werden widergespiegelt in der Vehe-
menz der Pinselführung. Turners Aquarelltechnik
hat sich bereits weit van dem entfernt, was da-
mals als in der Ordnung" galt. Er schabt mit
dem Messer und trägt die Farbe im Vorder-
grund fast deckend auf. Die Diagonale, die den
Vordergrund von der Ferne trennt, ist dominie-
rend. Dunkel und Hell befinden sich hier nicht
im friedlichen Nebeneinander. Die Horizontale
ist fast aufgehoben und besteht eher als eine
theoretische Linie zwischen dem Betrachter und
dem Paßdurchgang, als im Bildaufbau selbst.
Der Durchgang, der Engpaß, durch den der Be-
trachter in die Tiefe des Bildes gezogen wird,
wird noch häufig in Turners Werken auftauchen.
Dem Erfolg an der R. A. zwischen 1802 und 1812
ist der vierte und größte Raum der Ausstellung
gewidmet. 1802 wird Turner zum vollen Mitglied
der R. A. gewählt. Sein Diplombildiist Dol-
badern Castle, North Wales", Abb. 7. Die R. A.
spielt von nun an eine wichtige Rolle in Turners
Leben, ist fast eine Art Familienersatz. Nicht
selten bezeichnet er die R. A. als Mutter", so
wie er seine Bilder Kinder" nennt. Man muß
sich hier vor Augen halten, welch" revolutionäre
Wirkung Institutionen wie die RÄA. auf das da-
malige Kunstschaffen hatten. Mäzenatentum und
die daraus resultierende Auftragsmalerei wurden
stark in den Hintergrund gedrängt. Dem Künst-
ler stand es nun frei, nach seinem eigenen Gut-
dünken zu schaffen, um dann die Endprodukte
seiner Arbeit der Öffentlichkeit und den poten-
tiellen Käufern vorzuführen. Die R. A. hielt ein-
mal im Jahr eine Ausstellung. Noch im 18. Jahr-
hundert wäre Turner undenkbar gewesen. Jetzt
aber kann er relativ unabhängig seinen eigenen
Weg gehen.
Aber wir dürfen auch nicht vergessen, daß Tur-
ner im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts
durchaus noch im Trend seiner Zeit stand. Die
großen, stürmischen Seebilder, die Wracks und
die Schiffbrüchigen entsprachen dem Geschmack
der Zeit, der Lust an Sensation und Katastrophe.
Es war die Zeit, die all diese wunderlichen
Apparate hervorbrachte, die magischen Spiegel,
die Pdnaramen, Anamorphasen, Apparate, die
in Bild und Ton Stürme und Gewitter vorführen
konnten. Darstellungen der Natur mußten gran-
dios oder zumindest malerisdW sein. So gab
es damals auch ein sogenanntes Claude-Glass"
zu kaufen, ein gefärbtes Glasplättchen, durch
das hindurch, was immer man zu betrachten
wünschte, in den warmen Farbtönen Claudes
erschiem Die Wirklichkeit selbst war höchst un-
interessant, denn sie hatte kein Pathos.
Turners Bilder entsprachen dem Geist' der Zeit,
obwohl sie bis an die Grenze des Erlaubten
gingen. Turners früher Erfolg muß in diesem
Licht gesehen werden. Motive wie Sintflut",
Pest in Ägypten", Schiffbruch", Boote im
Sturm", Schlacht von Trafalgar" wiegen vor
siehe auch Abb. 9. Die Tatsache aber, daß
diese Themen en vogue" waren, reicht nicht
aus, um die Intensität zu erklären mit der Tur-
ner sich ihnen hingibt. Der Sturm zu Lande und
auf- dem Meer wird für ihn ein komplexes Bild
der sozialen und geistigen Krise, in der England
-am Ende der Französischen Revolution und der
amerikanischen Befreiungskriege und am An-
fang der industriellen Revolution. steht, ein Bild,
das Turner in diesen Jahren zu artikulieren sucht.
Diese Krise findet auch ihren Weg in die R. A.,
wo sie sich in einem Machtkampf zwischen den
Königstreuen und den Demokraten äußert. Tur-
ner, obwohl er zu den letzteren gehört, ist kei-
neswegs ein politischer Aktivist", und seine
Reaktian auf diese internen Spannungen ist, 1804
in Harley Street seine eigene Galerie zu eröff-
nen. Zwar stellt er weiter in der R. A. aus, aber
viele seiner Bilder und Studien sind nun in
Turner's Gallery" zu sehen.
Die Eröffnung von Turner's Gallery hat, ganz
abgesehen von der politischen, auch eine per-
sönliche Bedeutung. Sie spiegelt Turners Wunsch
nach künstlerischer und auch finanzieller Unab-
hängigkeit wider, denn er weiß, daß er nur in
völliger Unabhängigkeit sein Ziel erreichen kann.
Er ist aber auch Engländer genug, um nicht über
seinen schöpferischen Drang die ökonomischen
Realitäten zu vergessen.
1812 stellt Turner in der R. A. sein Schneesturm
Hannibal und seine Armee überqueren die Al-
pen" Abb. aus. Es ist ein Werk, das am
Ende dieser Periode des frühen Erfolgs steht
und in dem sich die Essenz von Turners Schaffen
und Denken erkennen lüßt. Hannibals Alpenüber-
querung war ein geläufiges Thema und eine
Quelle der Inspiration für viele von Turners
Zeitgenossen. J. R. Cozens hat es gemalt, und
bei seinem Besuch in Paris 1802 sah Turner
in Davids Atelier dessen Bild Napaleon auf
dem SL-Bernhard-Paß", das Napaleon als einen
modernen Hannibal zeigt. Der Kampf zwischen
Rom und Karthago ist ein zentrales Motiv in
Turners Werk. Für ihn versinnbildlicht es die
Rivalität der beiden imperialistischen Mächte,
Britannien und Frankreich, wobei er eine Paral-
lele zwisdwen Britannien und Karthago zieht.
In Karthago sieht er ein irdisches Paradies, the
city of hope", die Stadt der Hoffnung dem
Untergang geweiht. Und der geistige Untergang
Britanniens ist für Turner, den Pessimisten, eine
imminente Realität; der Untergang eines Landes,
das über dem wachsenden Wohlstand die Kün-
ste und die geistigen Werte vernachlässigt. im
Ausstellungskatalog von 1812 versieht Turner
dieses Bild zum ersten Male mit einem Zitat aus
seinem eigenen Epos Fallacies of Hope" Trug
der Hoffnung, ein Gedicht, das van nun an häu-
fig zitiert wird, das es aber, soweit wir wissen,
nie gegeben hat, außer als Fragment in Form
von Zitaten zu seinen Bildern. In Hannibal"
verbinden sich zum ersten Male in aller Deut-
lichkeit lnhalt und Form von Turners Sym-
bolik. Als Form die vortex", diese dynamische
Spirale, als die einzig mögliche Form für den
Kampf der Elemente, der sich nicht in Flächen,
sondern in Kraftfeldern ausdrückt; ein ebenso
revolutionäres wie bemerkenswertes Konzept,
wenn man bedenkt, daß hier intuitiv Gesetze
vorausgeahnt werden, die zwanzig Jahre später
Faraday entdecken wird, die Gesetze der ln-
duktion. Auch noch als Farm Turners Realismus
seine Fähigkeit, das Unmalbare zu malen, oder
I0 J. M. W. Turner, Venedig mit Salute, ca. 1340-
1845. Ul auf Leinwand, 61,5 92 cm
11 J. M. W. Turner, Die Walten-Brücken, ca. T806.
Öl auf Leinwand, 92 x122,5 cm
12 J. M. W. Turner, Venedig St. Giorgio Maggiore
von der Dogana, 1819. Aquarell, 22,4x2 cm
13 J. M. W. Turner, Rom vom Vatikan. Raffael
begleitet von La Fornarina bei der Vorbereitung
seiner Bilder zur Ausschmückung der Loggia,
1820. Öl auf Leinwand, 177 335,5 cm
wie es ein zeitgenössischer Kunstkritiker aus-
drückt, dem Nichts eine substantielle Form ge-
ben zu können", beruht auf genauester Beob-
achtung der Natur. Hannibal" liegen Skizzen
und Notizen zugrunde, die Turner zwei Jahre
früher während eines Gewittersturmes über den
Yorkshire-Sümpfen gemacht hat. Und als lnhalt
der Kampf zwischen dem Paradiesischen und
dem irdischen, der Engpaß, hinter dem das
Licht zum Greifen nahe, doch unerreichbar ist
Trug der Hoffnung.
Mit Hannibal" verlassen wir den frühen Tur-
ner, und die Zeit, die nun falgt, bis hin in die
späten dreißiger Jahre, ist eine Zeit des Kon-
solidierens, eine Zeit des Vertiefens und eine
Zeit des Krüftesammelns die Stille vor dem
letzten Sturm. Hannibal" bedeutete den völli-
gen Bruch mit der Welt, die Turner umgibt, und
mit ihren Werten. Aber Turner selbst ist noch
Teil dieser Welt gewesen. Jetzt setzt ein lang-
samer Prozeß der Entfremdung ein. Die Stim-
men der Kritik gegen ihn werden lauter, Turner
gehe zu weit, er sei ein Genie, das sich selbst im
Wege stehe. Zyniker geben ihm den Beinamen
Over-Turner", to turn over" heißt kentern".
14
Das Gefühl, daß er nur noch für sich selber
male, wächst stärker, je weiter er sich von seiner
Umwelt entfernt zu haben vermeint. All dies
resultiert zunächst in einer gewissen Stille und
lnnigkeit und zugleich in dem Willen, sich alles
Sichtbare untertan zu machen. Die plein dir"-
Malerei nimmt nun einen wichtigen Platz in sei-
nem Schaffen ein.
Ein Raum ist englischen Motiven, die zwischen
1805 und 1815 entstanden sind, gewidmet vgl.
Abb.11. Der Einfluß der plein air"-Malerei
und der Tatsache, daß Turner zur Zeit das stil-
lere Landleben dem rastlosen London vorzieht,
macht sich bemerkbar. Oft verbringt er halbe
Tage im Boot auf der Themse, wobei er die
Angel auswirft als Vorwand, um ungestört das
Wasser und das sich darin spiegelnde Licht
beobachten zu können.
Ein weiterer Raum trägt die Überschrift Syn-
thesis 1814-1819", eine Synthese zwischen Eng-
land und ltalien, zwischen der Englischen Schu-
le" und Claude. Der Untergang Karthagos"
Abb. 17 befindet sich hier ein letztes Aufleuch-
ten der paradiesischen Stadt. Auch dieses Bild
ist von einem Zitat aus Fallacies of Hape"
begleitet, das mit den Warten beginnt; At
Hope's delusive smile...", und beim trügeri-
schen Lächeln der Hoffnung geht die Sonne
über Karthago unter. An der Oberfläche scheint
Turner zu allegorisieren, aber in Wirklichkeit
verbindet er Symbol und Realität zu einem
unzertrennlichen Ganzen. Diese Jahre sehen
auch die ersten sogenannten Calour-Beginnings"
Farbanfänge, die fortan eine zweite Ebene in
Turners Schaffen bilden. Es sind dies die vielen
Aquarelle und Studien, die nicht unter dem
Druck der Öffentlichkeit und der künstlerischen
Konventionen entstanden sind. Sie bilden den
Bereich in Turners Arbeit, der dem Experimen-
tieren und dem Artikulieren vorbehalten ist. Oft
Jahre, bevor bestimmte ldeen und Konzepte in
die Ölbilder Eingang finden, sind sie bereits in
den Colour-Beginnings" ausgesprochen. Land-
schaften werden bereits als reine Farbstruktu-
ren aufgefaßt. Die Einheit von Licht, Farbe und
Form wird hier erschlossen. Kräftige Primärfarben
werden zum Teil sogar deckend verwendet. Jede
Spur von chiaroscuro", der dunklen Tonigkeit
des Vordergrundes, ist verschwunden. Das Pa-
pier wird als Papier benützt, dessen Oberflä-
chenstruktur Teil des Bildes wird vgl. Abb. 14.
Nicht nur sind diese Aquarelle die Grundlage
für die späten Werke, sie sind Werke für sich.
Für mich gehören die schönsten Bilder Turners
zu diesen Colour-Beginnings" und Aquarell-
studien aus der Zeit, die zwischen dem Sturm
und Drang des Jungen und dem Zorn des Alten
liegt.
10
14 J. M. W. Turner, Paestum im Gewitter, ca. 1825.
Aquarell, 21,3 30,5 cm
15 J. M. W. Turner, Petwarth ein Maler bei der
Arbeit in einem Raum mit großem Fenster, ca.
1878. Guache auf blauem Papier, 14 18,9 cm
16 J. M. W. Turner, Jessica, 1830. Öl auf Leinwand,
122 92 cm
17 J. M. W. Turner, Der Untergang Karthagos, 1817.
Öl auf Leinwand, 170 239 cm
16
Bis hin in die späten dreißiger Jahre OlSt
beitet Turner auf zwei Ebenen, einer pe
lichen Aquarelle, Skizzen und einer öl
lichen Ulbilder. ln dieser Zeit unternimr
eine Anzahl von Reisen sowohl in Englani
auch auf dem Kontinent. Bemerkenswert ist
erste Italienreise von 1819, von der er
1500 Skizzen und Aquarelle zurückbringt.
diese Quantität bezeugt die ungeheure VVll
keit, die Turner dieser Reise beimißt. Rom
seine Kunstwerke, die Architektur, die klass
Landschaft sind alles Einflüsse von imm
Bedeutung auf die damalige Malerei, uni
mit eigenen Augen zu sehen, ist für Turner,
sen Errungenschaften so eng mit einem sp
nen Reagieren auf die Wirklichkeit verbu
sind, ein Imperativ. Es liegt fast eine ge
lranie in der Tatsache, daß aus dem Reii
des in ltalien gesammelten Materials in
folgenden Jahren bis zu seiner zweiten llt
reise 1828 nur drei ausgeführte Olbilde
italienischen Motiven entstehen. Es mag
daß der gewaltige Eindruck ihn inhibiert i1
mag aber auch sein, daß die Begegnung
Wirklichkeit die von anderen Malern wie Cl
übernommenen Konzepte gründlich ersch
hat.
Rom vom Vatican aus gesehen. Rafael bt
tet von La Fornarina bei der Vorbereitung
ner Bilder für die Ausschmückung der Lo4
Abb. 13 ist der wartreiche Titel des 18K
standenen Ulbildes. Ganz abgesehen von
Breitwandeffekt", der seine Wirkung auf
zeitgenössischen Betrachter nicht verfehlte,
die turneresken Züge der im Vordergrund
gebauten Werke Raffaels bemerkenswert
sie eine Identifizierung Turners mit dem Ul
sellen Künstler der Renaissance andeuten.
Auf der gleichen Reise macht Turner au
Venedig halt, einer Stadt, deren Einzigort
Turner von nun an bis an sein Ende besc
gen wird. Turner, dessen Ziel es ist, die
von Licht und Farbe in all ihrer Komplexhi
ergründen, findet in dieser zwischen Wasse
Luft gelegenen Stadt ein ideales Studienc
vgl. Abb. 12. Darüber hinaus aber wird
dig für ihn in gewisser Weise zu einem
Karthago die blühende Stadt, der überl
nehmende Merkantilismus und schließlicl
Versinken in politische, geistige und künstle
Belanglosigkeit. Die Vision Karthago wi
einer Vision der Realität Venedig.
ln diesen zwei Jahrzehnten vor dem
Sturm verbringt Turner auch viel Zeit
beit für Verleger. Eine Anzahl von Vignett
Gedichten von Byran, Campbell, Scott un
deren ist zu sehen. Aus seinem Reichtu
Skizzenmaterial schöpfend, arbeitet Turner
die vortex" auf. Turner versucht sich
an fast spielerisch anmutenden Motiven,
ren Malweise eine Ähnlichkeit mit Watteau
kennen ist. Zwischen 1828 und 1837 arbeitet
iederholt in Petworth, dem Landsitz Lord
nonts, eines Mäzens noch ganz im Stil des
xhrhunderts, der eine gewisse Bewunderung
iurner empfindet und seit 1802 eine be-
tliche Anzahl seiner Bilder gekauft hat. Et-
Landschaften um Petworth, vor allem aber
Zahl von lnterieurs, sind das Ergebnis die-
poradischen Aufenthalte. Einige dieser In-
lrs weisen eine erstaunliche Affinität zu
irandt auf, vor allem in der Behandlung des
llenden Lichtes, nur daß anstelle Rembrandts
nonochromer Tonigkeit Turners Farbe tritt.
in mehreren Ölbildern sind 116 farbige Stu-
in Petworth entstanden siehe auch Abb. 15.
das Ölbild Jessica" Abb. 16 verweist auf
irs Auseinandersetzung mit Rembrandt in
Jahren. Die Tatsache, daß Lord Egre-
es kaufte, trotz der schlechten Kritik, die
hielt, läßt die Annahme zu, daß er selbst
eser Rembrandt-Phase nicht unbeteiligt war.
lritik war in der Tat miserabel. Der Kritiker
,Morning Chronicle" zum Beispiel schrieb
H1 dieses Bild überhaupt irgend etwas ähn-
ieht, und das ist kaum der Fall, dann ist es
aus dem Senftopf entsprungene Dame..."
lobe schon anfänglich auf dieses Bild hin-
esen in Zusammenhang mit Turners eigen-
er Gehemmtheit bei der Darstellung von
ichen Themen.
Seite Turners, die öffentliche", scheint dar-
Rahmen noch extra berechnet haben. Diese
Anekdoten dürfen aber nicht überbewertet wer-
den. Geld und Besitz bedeuten für Turner vor
allem ein Mittel zur Unabhängigkeit, und auch
die einzige Möglichkeit, seine Position zu sichern
in einer Gesellschaft, die ihn nicht versteht. Die
andere Seite Turners aber, die persönliche",
zieht unbeirrbar die Konsequenzen, die sich aus
Hannibal" ergeben haben. Es ist die Seite, die
heute einen so wichtigen Teil seines Werkes
ausmacht die Colour-Beginnings", die Aqua-
rellstudien.
Es ist schwer festzulegen, wann sich diese bei-
den Ebenen wieder vereinen, wann der späte
Turner beginnt. 1829 stellt er in der R. A. Odys-
seus verspottet Polyphem Homers Odyssee"
aus, das als erster Durchbruch gesehen werden
kann. Es ist unter dem Eindruck seiner zweiten
Italienreise entstanden. Die Komposition erin-
nert an Claude, die starke Farbigkeit aber, die
von reinen Frimärfarben bestimmt ist, steht in
krassem Gegensatz zu Claudes warmer und mil-
der Tonigkeit. Drei Jahre später stellt er eben-
falls in der R. A. Staffa, Fingal's Cave" Abb. 18
aus, ein Bild, in dem die stürmische See mit
allem, was sie für Turner bedeutet, wieder in
aller Vehemenz deutlich wird. Der eigentliche
Wendepunkt aber ist durch einen äußeren An-
laß markiert in der Nacht des 16. Oktober 1834
zerstört ein Feuer die Hauses of Parliament".
Turner, sobald er von der Katastrophe erfährt,
begibt sich dorthin und skizziert die Szene mit
fast jaurnalistischem Eifer. Etliche Bleistiftskizzen
sowie neun Aquarellstudien sind das Ergebnis.
Ausstellung, eine Art Vorschau, an dem die
Künstler gewöhnlich letzte Verbesserungen so-
wie das Firnissen ihrer Bilder im Beisein von
Besuchern vornahmen vgl. Abb. 21 am var-
nishing day" also, so wird berichtet, habe Tur-
ner, ohne einen Augenblick innezuhalten, mit
Pinsel, Palettemesser und mit der bloßen Hand
dieses Chaos bearbeitet, bis die Nacht des
16. Oktober wiedererstand. Diesmal hat er selbst,
Turner, den Brand gelegt. Es ist bezeichnend, wie
spontan und intuitiv, wie wenig intellektuell und
theoretisierend Turners Konzept vom Bild als
Farbstruktur, von der Farbe als konstruktives
Element, ist, ein Konzept, das ia schon lange zu-
vor in den Calour-Beginnings" formuliert wur-
de. Mit dem Brand des Ober- und Unterhauses"
sind die beiden Ebenen in Turners Schaffen wie-
der vereint. Die Tatsache, daß es der Brand der
Parlamentsgebäude ist, der diese Vereinigung
bewirkt hat, hat auch noch eine andere Bedeu-
tung. Das Regierungszentrum geht in Flammen
auf für Turner, der den Zerfall und Untergang
seiner eigenen Gesellschaft so tief empfindet,
ein symbolisches Ereignis, ein apokalyptisches
Bild. Waren Hannibal" und der Untergang
Karthagos" eine Vision und Venedig die Vision
der Realität, so ist der Brand des Parlaments
die Realität der Vision.
Turners Vision des unsichtbaren Alptraumes, des
drohenden Unterganges, des Zerfalls der Kul-
tur unter dem Einfluß merkantilen Denkens,
findet vielleicht ihren deutlichsten Ausdruck in
einem fünf Jahre später entstandenen Bild. Und
wieder liegt ein aktueller Anlaß zugrunde. 1838
11
tderem auch von dem Sklavenschiff Zong"
wtet wird, auf dem eine Epidemie ausge-
ien war und dessen Kapitän entschieden
die Kranken über Bord zu werfen, um so
Versicherungssumme habhaft zu werden,
tur für Verluste auf See, nicht aber für
ste durch Krankheit beansprucht werden
te. 1840 stellt Turner sein Sklavenhändler
an die Toten und die Sterbenden über
ein Taifun naht" aus. Über der blutroten
in der Haie die Kranken und Toten zer-
hen, macht die untergehende Sonne dem
nden Sturm Platz. Wieder ist das Bild mit
Zitat aus Fallacies of Hope" versehen,
letzte Zeilen lauten
"lope, Hope, fallacious Hope!
Nhere is thy market now?
Hoffnung, Hoffnung, trügerische Hoffnung!
Wo ist nun Dein Handelsplatz?
verschmelzen die zwei Ebenen, von denen
die Rede war, in Turners Spätwerk zu einer
gen, aber die Breite seines Stils und die
alt seiner Thematik ist durch nichts ver-
zrt. Schneesturm Dampfschiff an der Ein-
eines Hafens" 1842 Abb. 19 führt das in
früheren Seebildern und vor allem auch in
inibal" Begonnene zu einem logischen Ende.
,vartex" als die Form der Bewegung ist das
xltende Prinzip, deren Dynamik selbst der
zont und das von Menschenhand gemachte
unterworfen sind. Licht, Farbe und Form
eine Einheit. Die Kritiker nannten das Bild
an Brei aus Tünche und Seifenschaum", und
er antwortet bitter Was glauben die denn,
ein Sturm aussieht." Es wird berichtet, daß
zs Bild entstanden sei, nachdem Turner sich
'end eines Sturmes vier Stunden lang an
Schiffsmast binden ließ, um die Wirkung
Naturgewalten an sich selbst zu spüren,
elbst Teil dieser vortex" zu werden. Diese
hichte wirft auch Licht auf Turners Realis-
dessen Realitüt" die Resonanz der Wirk-
eit in seiner eigenen Psyche ist. Seine Bil-
sind Äquivalente der physischen Gewalt der
ir.
urners Spätwerk gesellt sich zur Vehemenz,
der er empfindet, auch ein Wille zur Har-
ie. Es entstehen Bildpaare, die in einer dia-
schen Beziehung zueinander stehen. So zum
aiel Frieden" und Krieg" oder Das an-
Goethes Theorie, der Morgen nach der Sintflut.
Moses schreibt das Buch der Genesis". Goethes
Theorie, in der die Farbe in einen Bezug zum
Lebensprozeß gestellt wird, liegt Turner näher
als Newtons rein physikalische. Als gesamte
Theorie aber weist er sie zurück. Für Turner,
der sein Leben mit der Ergründung dieses Phö-
nomens verbracht hat, ist die Beziehung zwi-
schen Farbe und Leben ein ungleich differen-
zierterer Komplex, als er es für Goethe zu sein
scheint, und der Versuch, sie in einer Formel,
in einem System auszudrücken, widerstrebt ihm.
Auch stimmt er rein sachlich nicht mit Goethes
Ansicht überein, daß Farbe aus dem Zusammen-
treffen von Licht und Dunkelheit erstehe. Für
Turner ist Farbe ausschließlich ein Produkt des
Lichtes. Und als Antwort auf Goethe zertrennt
er dessen Einheit und ersetzt sie mit einer Dicho-
tomie aus Schatten und Dunkelheit einerseits
und Licht und Farbe andererseits.
Sein Wille zur Harmonie äußert sich aber nicht
nur in diesen Gegenüberstellungen, sondern auch
in den Bildern selbst. Die venezianischen Mo-
tive, die ihn seit seinen letzten beiden Besuchen
in dieser Stadt 1833 und 1840 beschäftigen,
zeichnen sich durch eine ungeheure Transpa-
renz und durch ein inneres Licht aus das unter-
gegangene Paradies bleibt doch ein Paradies,
und die trügerische Hoffnung ist dennoch des
Hoffens wert. Das hier abgebildete, unvollendete
Ölbild Venedig mit Salute" Abb. 10 zeigt
dieses innere Licht fast losgelöst von aller äuße-
ren Form. Ein ganz ähnliches Konzept liegt
auch den großen Schweizer Aquarellen zugrun-
de, die zwischen 1840 und 1846 entstanden sind
und denen ein ganzer Raum gewidmet ist. Das
ebenfalls unvollendete Ölbild Norham Castle,
Sonnenaufgang" Abb. zeigt in einzigartiger
Weise, wie sehr Licht, Farbe und Form eins ge-
worden sind, nicht nur im Kampf der Elemente
und in der Katastrophe, sondern auch in der
Stille und Harmonie dieser späten Landschaften.
Das Motiv Norham Castle" tritt immer wieder
in Turners Schaffen auf, von den Anfängen bis
hin in die letzten Jahre, und so ist auch der letzte
Raum der Ausstellung überschrieben; Retro-
spect Norham Castle 1798-1840". Van einem
topographischen Aquarell von 1798 bis hin zu
dem oben besprochenen Ölbild begleitet dieses
Motiv Turners Werdegang. Nicht nur Norham
Castle" aber, sondern auch viele andere Motive
Versmaßen dar.
Die allerletzten Werke Turners ähneln sich
in, daß eine zentrale Lichtquelle, die St
das Bild überstrahlt, eingefaßt von undeutli
figürlichen Gruppierungen. Engel in der
stehend" 1846 oder Merkur zur Warnung
Aeneas gesandt" 1850 verweisen auf der
gangs erwähnten letzten Ausspruch Turners
Sonne ist Gott", ab er ihn nun selbst
sprachen hat oder nicht, ist nur von sekun-
Bedeutung. Was an dem unfertigen tapogr
schen Aquarell von 1793 Oxford, St.
Church" beinahe durch Zufall deutlich
leuchtet nun als letzte Einsicht von diesen
Bildern. Der Kreis ist geschlossen.
Am 19. Dezember 1851 stirbt Turner. Im gle
Jahr wird der Crystal Palace" eröffnet,
Monument viktorianischen Denkens und
druck des englischen lndustrialismus und Me
tilismus. Er stirbt weit abseits des mainstrei
der nun von den Pröraffaeliten bestimmt
zu deren l'art pour l'art"-Theorie er in kr
Gegensatz steht. In der Tradition des 18.
hunderts hatte er begonnen, von der
Welle der Romantik hatte er sich tragen lr
aber in eine Richtung, in die ihm niemand
außer vielleicht Ruskin. Jahn Ruskin be
1843 sein Werk Modern Painters", das
der Grundsteine moderner Kunstkritik wi
soll, und er beginnt den ersten Band mit
Tribut an Turner. So ist in gewisser Weise
Brücke zwischen Turner und der moderner
lerei geschlagen, aber wir dürfen nicht
sen, daß es eine symbolische Brücke ist.
Parallele zwischen Turner und den lmpr
nisten ist, wie wir gesehen haben, kaum ha
Eher noch ließe sich eine Verbindung zi
zanne und den Kubisten herstellen. Und
Tat weisen Bilder wie Schneesturm, Dampl
an der Einfahrt eines Hafens" erstaunlich
stische Züge auf. Aber wo die Kubisten
intellektuelle und sachliche Analyse der
lichen Strukturen und lnterrelationen vc
men, arbeitet Turner intuitiv und sinnlich
dynamischen Konzepten Thomsons Dichtun
gend. Und so steht er wohl dem 18. JCJltfltL
näher als dem 20. War es schon nicht m6
Turner kunstgeschichtlich einzuordnen, so
wir beim Betrachten von Turners Werk woh
darauf verzichten, in ihm einen Taufpate
modernen Malerei zu sehen.
20 J. M. W. Turner, Der Brand des Ober- und des
Unferhuuses, 16. Oktober 1834, 1835. Öl auf
Leinwand, 92 123 cm
21 S. W. Parrof, Turner on Varnishing Doy, 1846.
Öl auf Holz, 25x 23 cm
J. M. W. Turner, Siaffa, FinguFs Cuve, 1832.
auf Leinwand, 91,5 122 cm
Unser Autor
Slefan Ficheri
Slamford Grove West
London N. "I6 6LJ.
Ul" UIIU Fl UllgUbblllblllU
Bereich ihre Stütze, sondern in Schöpfungsmythen
ohne Zahl, und auch die Geburt der lebendigen
Sprache wurde im Veda Altindiens nachge-
wiesen dem Weiblichen in den Mund gelegt
Der Name jener Göttin Vac" heißt 5prache"!
Richard Fester" stellt u. a. heraus, daß das eng-
lische Wort child" eigentlich Mädchz-zn" bedeu-
tet und der zur gleichen Wurzel gehörende
clun" dem Sinne noch Blutsverwondter der
umbrischen lnschriften, vor allem aber mit
chen des Mesolithikums und Spät-Jungpa
thikums aus Mas d'Azil' und Altamira",
die neuen Funde ähneln. Wirth meint, in
ltcilikerschrifien" den Nachweis für den
nicht foßbaren Kern der mit Germanen unc
ten verwandten europäischen Ureinwohner
liens und Westdeuischlands gefunden zu l14
und er datiert die Felsinschriften ins 3.
Anmerkungen i-lO
tZeichenbernalte Kiesel von Mus d'A1il lliLOOÜ v. Ihn.
Ed. Piatte es galtes colories du Mas diAlih liÄnthra-
polagie Vll,'lf196.
fßison mit Zuschrift, Wandmalerei aus der Höhle von
Altamira. Cartailhac u. Breuil, S. 73, Fig. 37.
aiheodor Mammsen, Monatsbericht der
demie", 1857, 453 f.
F. Altheim u. Traulmann-Nehring Kimbern und Runen".
Berliner Aka-
Untzersuchungen zur Ursprungsfrage der Runen, Berlin
sVatikan Codex Urbin, 290 membr. m. zeigt die
odil Rune dort noch als avoüberiieferung;
stammt aus dem Kloster BrunsweilerlKäln. Ende lO. Jahr-
hundert.
tWerner Hülle Steinmale der Bretagne", Ludwigsburg
1967.
iStemerne Grabstein von Callorgues, De du Gardl
Frankreich, jüngere Steinzeit. Herman irth Heilige
Ursdtrift der Menschheit", um 272,6, Koehler Ame-
lang, Leipzig um.
"Margarete Riemschncider, Augengott und Heilige Hoch-
zeit", Koehler s. Amelang, Leipzig 195a.
'Branzezeitlihe Goldscheibe aus Südirlond, Kilmuckridgel
Wextord London, Britisches Museum.
Marie E. P. Kam Am Anfang der Kultur" Nummu-
lites pertoratus mit Linienkreuz, Tatawngarn, S. 42, Gebr.
Mann, Berlin 1973.
14
Frau". Schließlich wird mit kind" im Engli-
schen freundlich", gütig" überhaupt bezeich-
net, worin eine hohe Wertung des Weiblichen in
uralter Zeit zu erblicken ist.
Aus all dem geht hervor, daß die Verehrung
eines mütterlichen Wesens an eine bestimmte
Seelenlage des Menschen gebunden war, die
ihre Entsprechung auch im Kosmischen hatte.
Man denke an die Zählung nach Nächten, da
der Mond für viele Völker das beherrschende
Großgestirn war. Schon früh wurde er mit sei-
nen drei Phasen als Zeitmesser" begriffen und
dieser Bezug auch im Dreieck, dem weiblichen
Geschlechtsmerkmal, erkannt. Ebenso stimmt der
Mondzyklus von drei mal neun 27 Tagen mit
dem Monatsrhythmus der Frau überein. Viele
Mythen geben Kunde von Mondfrauen, den We-
berinnen oder drei Spinnerinnen. Die war
der Erd- und Himmelsmutter verbunden samt
ihren Vertreterinnen, den drei Matronen, Heils-
rätinnen, Nornen oder Moiren, die in der Ge-
stalt der weißen Frau am Dolmen" auch in
eins zusammentließen.
War die Verehrung solcher Allmutter keinem
bestimmten Volke eigen, sondern lßachofen
einer Kulturstufe der Völker zuzuordnen, so wer-
den wir da gerade in den Hochkulturen die
Mutterverehrung nachgewiesen wurde-vieleVa-
riationen und Stufen in weit zurückreichender
Zeit zu vermuten haben.
ln seiner Felsbilderausstellung Fromhausen in
Lippe, die ich wegen ihrer dem Thema entspre-
chenden umfassenden Schau heranziehen möch-
te, spricht Prof. Herman Wirth von 30.000 Jahren
vor Chr. und einem Heimzeitalter der Frau"
Thesis-Zeit im Gegensatz zur Antithesis Man-
vorchristliche Jahrtausend. Er führt den Tc
Hinweis an, daß die Germanen allgemei
Nerthus verehrt hätten, und erinnert be
u. a. häufiger vorkommenden Schriftzeichi
und an Nerthus, Ceres und Jana. Fü
steht das ältere EM fehlen selten,
nicht der Dreisproß nahe dem Erdrr
haupt! Schon Th. Mommsena hatte
zeichen in den Alpen Norditalien entdeckt
damals bereits dem Griechischen ähnliche
phabete" unterschieden. Altheim-Trautman
faßten sich später mit venetischen lnsci
und Runen der Val Camonica. Soweit dar
tretende Zeichen neben Bildern erschienen
mit diesen einen beweisboren Sinnzusun
hang ergaben, zogen die Forscher auch
dische Felsbilder heran und wiesen gemein
Kulturerbe nach. Ähnlich erlebten wir
Zusammengehen von Bildern und Zeiche
den Funden sehr alter Felsgravierungen au
österreichischen Alpen, die Hofrat Prof.
BurgstallerlLinz in HornlLippe 1972 um
Jahr später in Salzburg in Bildern unc
drücken zeigte. Auch dort gab es vergleic
Proben aus Schweden, der Val Camonici
Dordagne, um die aus Urtagen bis in die
zeit weitergereichten Kulturzusammenhängi
zulegen. So verwundert es nicht, wenn
den Felsinschriften der Pfalz dazugehärig
der auftreten und ihre Entsprechungen z.
Aurignac-Magdalenien Grotten von F0
Gaume oder dem rnittelsteinzeitlichen Mas
Schriftzeichen finden. Das Erdmutterhaui
den neuentdeckten Felsbildern der Pfalz
vier Augen. Vielleicht symbolisiert es durc
häufiges Auftreten die Doppelherrschaft
eolithische weibliche Statuette aus Eleusis
I't-lJOl aus Zypern, 2200-2000 v. Chr. Badisches
mdesmuseum, Karlsruhe
öttin Nut oder Neith mit den zwölf Zeichen
es Zodiak und den Schiffen von Sonne und
ond; auf der Innenseite eines Sarkophags von
iter, Archon in Theben. 2. Jahrhundert n. Chr.
indon, British Museum
allische Volksmutter, Matrone mit den Men-
wenkindern, die unter ihrer Obhut stehen.
imerzeit. Rouen
iotische göttliche Mutter, unter deren Obhut
IS Kind der Mensch, das Tier, die Pflanze
aum nach der göttlichen Allordnung Rad
und. Nachbildung von Bildhauer J. Kottenrot,
MergenlSchworzwald, New York
Ö.-. des-
Gattesmutter über Himmel und Erde? Daneben
erscheint die Doppelaxt", ein Symbol ihrer Ge-
stalt, das schon in den Höhlen der ile de France
auftritt". Dieser Zusammenhang ist nicht so ab-
wegig, wie es scheint! Fanden sich doch an Men-
hiren der Bretagnes Steinäxte als Totenbei-
gaben, auch die Hacke" der ackerbauenden
Frau an Grabstellen der Jungsteinzeit? Der
Graböffnurigsvorgang, ursprünglich auf die Spal-
tung des Jahres bezogen, auch in Texten des
Vorderen alten Orients" nachweisbar, gehörte
zur Kultsymbolik der Gottes- und Erdmutter. Auf
dem Felsbild der Pfalz zeigen sich als weitere
Attribute das Gatteskind,ihrgefurchtesAckerbeet
und der Geleitvogel. Dieses der alten Erdmut-
ter zugehörige Zeichen findet sich als Ausdruck
der Beseelung H. Wirth auf vielen gezeigten
Beispielen, etwa der Hockbau-Tripolie-Kultur
Rußlands an den vieröugigen Steinmütterchen"
und der dazugehörigen Keramik. Daneben das
Kreuz im Rund, welches, einer frühirischen" Gold-
scheibe vergleichbar und schon im Mousterien
anzutreffen", hier das bäuerliche Jahr" bedeu-
tet. Eindrucksvoll wird dieses Symbol sichtbar am
hohen Questenbaum ein Schmuck der Aus-
stellung! mit dem alle Jahre erneuerten grü-
nen Kranze, einem bis heute im Harz erhaltenen
Brauch.
Neben Zeichen und Bildern der Altstein-, Kupfer-
und Bronzezeit ist in Fromhausen die Jungstein-
zeit reich vertreten Kultsteine GrimentzlWallis
und TaraslOberengadin mit großen Abdrük-
ken betreffender Felsbilder aus Schweden, wa-
hin die Festlandkultur vor dem 3. varchristlichen
Jahrtausend abgedrüngt war, wie an überein-
stimmender Symbolik erläutert wurde. Wir kön-
nen nicht umhin, die in Jahrtausenden überblick-
bare Kunst des frühen Menschen religiös zu
nennen, ganz gleich ob in abstrahierten oder
realeren Formen, in welchem Material auch im-
mer sie eindringlich vorgetragen wird! Wie jede
echte Kunst fließt sie aus der Meditation mit
neuer sctt
tens sutuptte e.
eigene Wiedergeburt und vordringlich die seiner
Sippe. Herman Wirth legt in seiner Ausstellung
dar, wie aus dieser Urreligion die Großstein-
gräberreligion als kosmischer Mythos ienes alten
Ahnenglaubens der letzten Eiszeit Südwesteuro-
pas Aurignac-Mogdalenien sich entwickelt und
als Tochterreligion ostwärts gewendet habe. Gu-
te Weltkarten veranschaulichen diesen Vorgang
unterstützt durch ergänzende moderne For-
schung anderer Disziplinen, Anthropologie",
Fisch-Lax. Bd. "I5, Heberer, Schwidetzki u. 0.,
Morgen- und Abendland zur Einheit verbindend.
Wirth begreift das Ursemitische dabei ebenso
ein wie das Altindische des Rigveda Im drei-
fachen Jahrgang des Agni-Gottsohnes als Kind
des Himmelvaters und der Erd- und Gottes-
mutter durchmißt dieser die Stufen Mitra-Agni-
Varuna als Dreifaltigkeit, um, im Todesschlaf
verwandelt, wiedergeboren zu werden. Europa
nun besitzt kein literarisches Denkmal wie den
Rigveda. Doch wissen wir durch Tacitus vom
Himmelssohn Tuisko aus historischer Überliefe-
rung der Germanen. Von der Erdmutter ge-
boren war auch dieser, dem der Mensch Man-
nus als Ahnherr der drei Germanenvölker ent-
stammt. Der dreifache Jahrgang wird von Prof.
Wirth auf die kalendarische Kultsymbalik der
Kalenderrunenreihen, der Kerb- und Stabkalen-
der bezogen, die sich erhalten haben, wie sie
auch in Bild und Schrift aus den Geleitmünzen
der Völkerwanderungszeit, den Brakteaten, zu
erkennen ist. Ebenso wurden die drei Jahres-
zeiten im alten Island mit den die Dreifaltigkeit
dort bildenden; Har" der Hohe, Wintersonnen-
wende, Jatnhar" der Ebenhohe Tog- und
v-e ttvttttung o...
Fragment eines neolithischen Tongefäßes mit
Herzhaupt, 3. Jahrtausend v. Chr. Nowosibirsk,
Akademie der Wissenschaften der UdSSRlSibi-
rlsche Abteilung
16
ucuwvlclw nutstteg U63 B45! .............. ..........
geborenen Gottessohnes, des Wiedererweckers,
bis zu seinem Erntesegenaasein und Wiederein-
gehen in die Mutter Erde. Auch diese Kultsym-
balik, wie die der göttlichen Allmutter, ist in der
Ausstellung deutlich zu verfolgen lhre Spuren,
besonders in europäischer Volkskunde zu er-
kennen, führen auch ins christliche Mittelalter
Europas, z. B. ersichtlich an iraschottischer und
baskischer Grabkultur, mit vielen Beispielen von
Prof. Wirth hier vorgestellt. Und bei allen Hoch-
kulturen der Alten Welt sind sie nachzuweisen.
Stand doch über dem Tor der ägyptischen Erd-
und Himmelsmutter Neith zu lesen Was da ist,
was da sein wird, und was gewesen ist, bin ich.
Meinen Chiton hat keiner aufgedeckt. Die Frucht,
die ich gebar, war die Sonne." Ähnliches findet
sich von Nut, der Alten" auf anderen Denk-
mälern ägyptischer Grabbauten. Zu der Groß-
steingröberkultur gehören auch die Steinkreise,
von denen gute Modelle in Fromhausen gezeigt
werden. Daß sie kalendarische Stötten waren,
wußte man schon länger. Doch nach neueren
astronomischen Forschungen wurde eine Reihe
von ihnen als Ortungsstätten für beide Haupt-
gestirne, sowohl für die Sonne als den Mond,
ausgewiesen. Dies gilt nicht nur für Stonehengef
Salisbury in Großbritannien, sondern auch für
das sogenannte Sacellum der Externsteine"! So
hat die Astronomie diese mit unbestreitbarer
Feststellung als ein Megalithheiligtum nachge-
wiesen. Zwei Höhlen birgt dieses Heiligtum in
der Tiete seines breitesten Felsens. Und auch die
Höhle gehört zur Erdmutter! Ja, sie ist der Mutter
Erde gleichzusetzen, dem Mutterschoß wie dem
Grab, aus dem der Wiedergeborene autersteht.
Prof. Wirth hat das Haupt dieser Erdmutter in
Herzform unter den Felsbildern der Pfalz so-
gleich wiedererkannt. Denn er hat es auch mit
den Attributen, dem Ackerbeet und dem aus dem
Grabhaus auferstehenden Gotteskind" samt
schriftzeichen an den Externsteinen nachge-
wiesen, ermöglicht durch die Mittel der moder-
nen Fotografie! Trotz mancher Skepsis dieser
Nachricht gegenüber konnte ich privat mit zwei
Zeugen diese erstaunliche Feststellung be-
stätigt finden. Es ließen sich auch hier Bezüge
zur schwedischen Felsbildkunst aus der gleichen
Zeit erkennen Totengeleitschiffe wie zum Pyre-
näenkreis der Jungsteinzeit. Auch Prot. Wirth
betont, daß viele Jahrtausende lang die Himmels-
und Erdmutter allein geherrscht und relativ spät
erst der Mann als ihr Sohn Muttersohn! an
dieser Herrschaft teilgenommen habe, wobei der
einst universalen Gottesmutter allmählich nur
noch die Erde als Bereich übrigblieb. Zu dieser
Aussage passen Forschungsergebnisse des Reli-
gionswissenschaftlers" Graf Korvin-Krasinski,
nach welchen die Verehrung eines personell nie
dargestellten sogenannten hohen Himmels-
herrn" allein durch Kultstätten erwiesen wurde,
die auf den Zeitpunkt der Sommersonnenwende
geortet waren. An diesen Kultstätten befanden
sich aber in jedem Falle weibliche Figuren, die
seit Urzeiten der Erdmutter gewidmet wurden.
Der entsprechende Forschungsbereich erstreckte
sich von den Kanarischen Inseln bis nach Catal
HüyüklAnatolien zu den Tempeln einer Kulturls
aus dem 6. vorchristlichen Jahrtausend, deren
Erdmutteridole mit dem Kind im Schoß man in
Getreidekisten! legte.
Anmerkungen ll-l7
"Herman Wirth Der neue Extet
Lahn und Volkstum-Verlag Wien,
Rolf Müller Der Himmel über
zeit", Springer-Verlag. Berlin-
1970.
"Marie P. Köni Das We
Menschen", Verlag lwert, Marbui
"Cyrill v. Karvin-Krasinski OSB l.
und Erde als Manifestationen
in der ältesten Mittelmeerkultu
Symboltarschung 1972, Arnoldshaii
Mellaart, James Catal Hüyük,
Bergisch Gladbuch m7.
"Badioten Mutterredit und Uri
Stuttgart.
Ridturd Fester Die Eiszeit wa
Verlag, München 1m.
C1 Unsere Autorin
lrmgard Luchterhandt
Nüllerstraße 107
D-56OO Wuppertal
Burg Lockenhaus, Kapellenturm. Söller über
Treppenhaus mit schlanken romanischen Säulen,
auf Knospenkapitälen ruhend
Burg Lockenhaus, Kapellenturm mit Palas
Anmerkungen 1-3
'Prof. Paul Anton Keller Burg Lockenhaus, Landschaft
und Geschichte, 1973, Eigenverlag.
"Institut für Geschichte der Universität Wien Fedor
Schneider Ein Schreiben der Ungarn an die Kurie etc.".
"Alfred Ratz- Bericht an die landeskundliche Forschungs-
stelle im das Burgenland über die Untersuchung von
Lockenhaus 1955,
Das Jahr 1975 ist auch in Osterreich zum Jahr
des Denkmalschutzes" erklärt worden; Anlaß
genug, die Öffentlichkeit über neuere Unter-
suchungen auf der Burg zu unterrichten. Mehrere
längere Aufenthalte auf Lockenhaus gaben den
Anstoß zu intensiven Nachforschungen in Ge-
schichte, Kulturgeschichte und Archäologie; ver-
gleichende Studien christlicher und nichtchrist-
licher Symbole erstreckten sich über den medi-
terranen "Raum sowie über weite Teile des
Abendlandes. Alle Ergebnisse wurden mit Wis-
senschaftlern verschiedenster Disziplinen, Histo-
rikern, Architekten bis zu Naturwissenschaftlern
ausdiskutiert. Zahlreiche Textquellen wurden in
verschiedenen Stclats-Universitätsarchiven und
Bibliotheken der Landeskirchen aufgefunden.
Ziel der Bemühungen war, alle Erkenntnisse auf
eine breite, wissenschaftlich wohlfundierte Basis
zu stellen. Mit dem Fortschreiten der Arbeit er-
gaben sich immer wieder neue Fragestellungen
in der Forschung.
Die heutigen Besitzer der Burg Lockenhaus, das
Ehepaar Prof. Paul Anton Keller, Graz, übernah-
men 1968 die stark zerstörte Ruine, bewahrten
sie vor weiterem Zerfall und bauten unter er-
heblichen persönlichen Opfern aus Liebe zur
Heimat weite Teile der Burg wieder auf.
Während der Restaurierungsarbeiten wurde An-
no 1973 auch ein räselhafter Stein entdeckt. Die
Burgherrin, Frau Grete Keller, rettete durch
Sicherstellung den Stein vor weiterer Vernich-
tung. Nur durch ihr verständnisvalles Eingreifen
sind wir heute in der glücklichen Lage, über die-
ses historisch und archäologisch interessante
Monument zu berichten. Seine Symbole in tiefer
Ritzung kannten bis 1974 nach nicht befriedi-
gend gedeutet werden. Hochburg und Bildstein
gehören historisch zusammen.
Der Baubeginn der Burg liegt noch immer im
historischen Dunkel. Jahrhundertelang lag die-
ser starke Wehrbau auf ungarischem Grenz-
gebiet und ist ungarisch urkundlich als Arx
Leka, Leka und Leuka nachgewiesen. In deut-
schen Urkunden dagegen wird die Burg Locken-
haus" genannt. Die Vorburg stammt aus dem
17. Jahrhundert, die Hochburg dagegen schon
aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Die Renaissan-
ce führte zu erheblichen Erweiterungen der
Hochburg. Die bedeutend älteren Grundbauten
reichen historisch gesehen bis in den Beginn des
13. Jahrhunderts und weisen durch einige Merk-
male auf den Templerorden hin.
Durch die totale Vernichtung dieses Ordens
1307-1314 sind uns nur noch wenige Urkunden
verblieben'.
Eine Urkunde aus 1242 zugleich ein Hilferuf
der Bischöfe, Johanniter und Templer an den
Papst berichtet von erfolgreicher Abwehr des
Mongolenansturms. Die Burg muB zu diesem
Zeitpunkt schon sehr stark gewesen sein. Burgen
und Land wurden so verwüstet, daß man mit
Recht von verbrannter Erde" sprechen kann.
Die gleiche Urkunde berichtet aber auch von
der Flucht der Bevölkerung auf die Burgen, die
sie erfolgreich verteidigten. Dabei wird Leka
auch ausdrücklich benannt".
Der Historiker Alfred Ratz, Rust, berichtet be-
reits 1955; Es ergaben sich interessante Zu-
sammenhänge mit dem Geschlecht Hereny, die
die Benennung der Burg nicht zu lange vor dem
Mongolensturm nahezulegen scheinent."
Und weiter
Unter der Güssinger Herrschaft war die Burg
ständiger Sitz einer eigenen Linie des Grafenge-
schlechtes. Zur Frage von Templern im Dienste
der Güssinger fällt die Nichterwöhnung der
Burg 1270 und 1289 besonders auf und könnte
mit den Templern in Zusammenhang stehen"?
Angenieni eiguiizaiio sei uui uns wer..." war
die Templer hingewiesent, f.
Die Hochburg verrät durch ihre polygonale Farm
ein hohes Alter der Anlage. In allerältester Zeit
war Leka eine einfache Ritterburg mit Ring-
mauer, Burgtor, Zugbrücke und Berchfrit, Palas
und Kapellenturm. Unter dem Hof liegt ein un-
terirdisches Gewölbe. Mit dem Ausbau der al-
ten Burg entstand ein prächtiger Rittersaal, der
in einer Urkunde von 1671 aus dem Esterhazy-
Archiv, Eisenstadt, ausdrücklich als Kapitelsaal
der Templer" bezeichnet wird'.
Der Burghof wurde schließlich mit Ziegeln aus-
gelegt. Aus einer kleinen Ritterburg entstand mit
der Zeit ein prachtvoller Renaissancebau eines
mächtigen Paladins des 16. und 17. Jahrhun-
derts. Anno 1655 fügte man der Hochburg eine
größere Unterburg hinzu'.
Das unterirdische Gewölbe, der Kultraum",
unter dem Burghof der Hochburg ist durch sei-
nen fugenlosen, sauber verputzten Quaderbau
eine Kostbarkeit. Es besteht aus einem Zentral-
bau mit einem Oculus im Tonnengewölbe und
zwei sich anschließenden Rundapsiden, dessen
Heilige Linie" in Nard-Süd-Richtung genau auf
den Polarstern ausgerichtet ist. Im Gegensatz
zu den geasteten Kirchen ist in vielen Burgen
und Burgkapellen die Nord-Süd-Linie die häu-
figste Geheiligte Linie".
Im Schlußstein der Nordapsis entdeckt man ein
gleichschenkeliges lateinisches Kreuz, in dem
der Südapsis ein Tatzenkreuz der Templer. Beide
Kreuze sind keine Reliefs, sondern sind nach-
träglich in die Schlußsteine eingemeißelt. Diese
nachträglich eingemeißelten Kreuze beweisen
aber auch, daß das unterirdische Gewölbe nicht
von Templern erbaut sein kann, sondern bereits
schon vorher bestanden hat". Das Tatzenkreuz
in der Südapsis ist orchäalogischerseits ein siche-
rer Beweis für die zumindest zeitweilige Anwe-
senheit der Tempelritter auf der Burg.
Darüber hinaus ist das Templerkreuz der Schnitt-
punkt vieler Fensterfluchtlinien in der Hofwand
des Tempelrittersaales.
Gerard de Sede erklärt auch in einem 1970
an Waltenberg gerichteten Brief, er teile seine
Ansicht, daß es sich bei Lockenhaus um eine
astronomisch ausgerichtete Burg handeln muß.
Im Falle des Auffindens astronomischer Zeichen
an den Wänden des Gewölbes wäre das ein
weiterer Hinweis auf die Templer, deren Schiffe
viele Kreuzritter ehemals in das Heilige Land"
gebracht haben".
Zahlreiche Kruckenkreuze an den Wänden wei-
sen auf die Heiligkeit des Ortes hin. Der umlau-
fende Sims an den Bogenansätzen des Zentralge-
wölbes und beider Apsiden als Ausschmückung
sagt uns, daß hier keine Zisterne gewesen sein
kann".
Unter dem Oculus des Zentralbaus findet sich
eine genau ausgerichtete Schale mit einem mitt-
leren Durchmesser von 59 Zentimetern, 23 Zen-
timeter Tiefe, die in einen quadratischen Sand-
stein mit einer Kantenlönge von 70 mal 70 Zen-
timetern eingeschliffen ist.
In iüngster Zeit zeichnet sich unter dem Vier-
kantstein ein Bogenstück einer weiteren exzen-
trisch! gelagerten Badenschale von 180 Zenti-
metern ab. Da die Kelten nur viereckige Opfer-
schächte bis zu 36 Meter Tiefe angelegt hatten,
kann es sich nur um eine slavische Schale han-
deln".
18
uis zum aegirm aes w. Jullltlutlußll rrunnneii,
scheint mir eine Korrektur des Namens Kult-
raum" mit der Annahme eines Oratoriums"
durchaus berechtigt zu sein. Auch die Krucken-
kreuze weisen eindeutig darauf hin. Das Wort
Oratorium" bedeutet im Lateinischen nicht nur
Gebetsraum, sondern auch darüber hinaus Zu-
fluchtsroum in Stunden der Not".
In einer Order des Meisters Roncelin fordert er
die Templer auf, unterirdische Räume, Geheim-
zeichen und Symbole zu schaffen, damit sie
nächtlicherweise ungestört ihren geheimen Got-
tesdiensten nachgehen könnten; das vorgefun-
dene ältere Oratorium auf Leka kam in diesem
Fall absolut ihren Intentionen entgegen. Nach
dem Zusammenbruch der Kreuzzüge, die die
Araber bewaffnete Wallfahrten" nannten, za-
gen sich die Templer mit vielen anderen Ritter-
orden in das Abendland zurück.
Der 1973 entdeckte geheimnisvolle Symbalstein
wurde vom Autor 1974175 einer genauen Analy-
se unterzogen.
Aus den auf der Burg entnommenen Gesteins-
proben stellte ein namhafter Geologe fest, daß
es sich bei diesem Material um Meereskalkstein,
Neogen Pliozen aus der obersten Erdschicht
vom Neusiedler See handelt, der früher geolo-
gisch ein Arm der Adria gewesen sein muß. Das
Material ist leicht zu bearbeiten und für Ritzun-
gen sehr geeignet".
Der stark beschädigte Stein ist an seiner Stirn-
seite nahezu vollständig erhalten und erlaubt
noch immer die Erkennung der Symbole. Die
Seitenwände sind glatt, Teile der unteren rechten
Seitenwand sind ausgebrochen, an den verblie-
benen Flächen finden sich keine Ritzzeichen
mehr. Die offene Hinterwand des Steins gestat-
tet vollen Einblick in eine rechteckige, noch
heute zum Teil sauber ausgeputzte Tabernakel-
kammer. Nahezu sämtliche Maßwerte außen und
innen sind durch drei teilbar; will man der Ma-
gie der Zahl drei des Mittelalters folgen, so
kann mit dieser Zahl nur die Trinität Gottes ge-
meint sein. Der Stein ist äußerlich umfangen
von der schützenden Hand Gottes und in ihr ru-
hend. In den lnnenmaßen ist wieder die geheim-
nisvolle Drei und ihr Vielfaches, die die Radien
und Bogenstücke der Symbole in geometrischer
Schönheit bestimmen.
Das kann nur das Werk erfahrener Steinmetzen
sein, wie wir sie in den Bauhütten christlicher
Kirchen finden. Auch die Templer hatten ihre
eigenen Steinmetzen im Orient und Okzident,
die mit Lot, Richtschnur, Zirkel und Winkelmaß
nach von ihnen angenommenen Gesetzen bau-
ten. Dabei zeigen sich immer wieder deutliche
und unterscheidbare Grundmaßeinheiten. Das
war ihr Berufsgeheimnis, das Arcanum Magi-
sterium", das sie streng in ihren Bauhütten behü-
teten und das der Umwelt verschlossen blieb.
Trotz des gemeinsamen Bauprinzips z. B. inder
Architektur der Ramanik, können wir heute
noch an den Bauten ablesen, ob es sich um
einen Süd-, West- oder Osttyp eines romani-
schen Baus handelt.
In der Badenmitte der Tabernokelkommer des
Steins findet sich immer noch ein halbes Bogen-
stück mit einem Durchmesser von drei Zentime-
tern zur Einlassung eines Standbalzens. Boden
und Seitenwände weisen keine Schleifspuren
auf. Der Stein war also nicht drehbar.
Anmerkungen 4-21
tlahn Chavaentier Die Templer, Deutsche Ausgob
KIett-Verlag, Stuttgart 1965,
Diskussion mit den Archäologen des österre
Bundesdenkmolorvites anläßlich eines Besuches
Burg 1975.
tDv. ph. Hans Frutz Entwicklung und Untergi
Tempelherreriordens, Bertin, C.-Grute'sche-Verl
handlung 1888, 1972, Martin Sändig aHG, Neudri
und Berlin, Troisdorf.
'Prof. Paul Anton Keller, s. unter Ablichtui
Urkunde von 1671 aus dem Esterhdzy-Archiv in Er
'Vogt, Burgenkunde Über die Bedeutung der,
Linie" in Kirchen, Ansiden und Burgkapellen, litt
Bestimmungen.
'Dr. Albert Genrich, Direktor der archäologisdie
lung im Landesmuseum Hannover Die archäl
Deutung der Decken- und Kruckenkreuze im unter
Raum.
Gerord de Sede Die Templer sind unter uns"
irl einem an Waltenberg 1970 gerichteten Brief,
haus sei eine astronomisch ausgerichtete Burg A1
b. Prof. Keller.
"Vogt, Burgenkunde
Heiligkeit des Ortes.
I1 Dr. Berg, Landeskonservatar WIEN, stellt W75 bl
Besuch auf der Burg fest, daßes sich bei dei
schale im Kultraum um keine keltische Anlage han
Dr. Gross, Hannover, bezeichnet erstmalig den
als Oratorium.
DipL-Geologe Hollmonn, Hannover, Bundesani
Gens-Wissenschaften, Fachmann für Meereskunde
siert den Stein.
c. o. Jung, Der Mensch und seine Symbole.
Verlag AG. Olten, 1968.
Gerd Heinz Mohr, Lexikon der Symbole, Euge
richs-Verlclg, 1972.
"J. Schworz-Winkelhofer, H. Biedermann, Das
Zeichen und Symbole, Knaur 1975.
"Hans Eckstein, Die romanische Architektur, der
seine Farmen, DuMont-Dokumente 1975, Verlag
1975, Verlag DuMont-Schouberg.
C. G. Jung, 100 Briefe, Pg. 112. Die Naassene
die Schlange ins Zentrum ihrer Mysterien.
Hans Pars, Göttlich aber war Kreta, Watte
Olten und Freiburg im Breisgau, 1965.
"Sibylle von Rehden, Zypern, Vergan enheit und
wart, DuMont-Schauberg, Schlangenku te.
1910. Kruckenkreuze bewei
halb des Tabernakelraums entdeckte man
gatisch geformte, sauber ousgehauene Kom-
in der noch bis 1974 drei senkrechtstehende,
gebackene, abgebrochene Ziegel im Mörtel
en, wie das beigefügte Foto noch heute
ist. Vergleichende Messungen mit anderen
mittelbarer Nähe des Steins liegenden Zie-
zinen beweisen, daß es sich um Klosterzie-
nit den bekannten Maßen handelt. Auch
reit eröffnete Nordapsis hinter dem Qua-
xu zeigt Klasterziegel.
gen ist die Südapsis bis heute völlig ge-
ssen. Das lößt den berechtigten Schluß zu,
Jer Stein zuerst auf einem Altar unter dem
nkreuz gestanden hat und später in die
der Nordapsis eingesetzt wurde, urn die
1ie feindlichem Zugriff zu entziehen, wie
es auch auf vielen anderen Burgen findet.
tußenmaße des Steins betragen nach unse-
eutigen Messungen in der Standfläche 39
neter, in der Höhe 63 Zentimeter. Die Ta-
ikelkammer ist durch nachstehende Maße.
27 Zentimeter, Breite 21 Zentimeter und in
efe mit 24 Zentimetern, bestimmt. Nach An-
der Historiker ist die reine V-förmige Ritz-
RG LOCKENHAUS
-uuu iaauacsotoan im
lüni
zeichnung in die Zeit um 1250 anzusetzen. Damit
befinden wir uns noch im Zeitalter der Heraldik,
und es gab noch keine halbplastischen Kerb-
schnitte wie im 15. und 17. Jahrhundert.
Die Stirnseite des Steins trägt zwei geometrisch
angelegte Ritzsymbole, umrahmt von einem
hochkant stehenden Rechteck, noch oben ver-
iüngt und Träger eines Halbbagens.
Unter diesem Bogenstück findet sich ein ver-
schlungener Knoten, dessen auslaufende Spin-
deln sich in einem Winkel von 30 Grad erheben
und das obere Bogenstück mit ihren Spitzen er-
reichen.
Im unteren Drittel erkennt man ein weiteres
Symbol, das dem oberen sinngemäß gegenüber-
gestellt ist.
Nach C. G. Jung differenziert der Mensch Zei-
chen und Symbole. Zeichen stehen für etwas
Konkretes, Symbole dagegen weisen auf etwas
Abstraktes Gott hin",
Das eingelassene Tobernakel bezeichnet immer
einen Raum, Kirche oder Kapelle, in der die
christlich-katholische Lehre gepredigt wird. Wüh-
rend der Liturgie in den Kirchen ist der Taber-
nakelschrein stets noch Osten geöffnet Heilige
Linie.
ln Burgkapellen und Apsiden dagegen kann das
Tabernakel auch auf, hinter oder neben dem
Altar stehen Lithurgische Bestimmungen".
Die Deutung der Symbole. Ohne Zweifel han-
delt es sich bei dem oberen Symbol um eine
doppelköpfige Schlange, die durch den Heili-
gen Knoten" verbunden ist. Überall in den
warmen Ländern finden sich Schlangenkulte,
sie reichen von der indischen doppelköpfigen
Nagaschlange über die hebräische Nassasch
bis in den Vorderen Orient. Der Schlangenkult
in Kanaa war bis unmittelbar vor den Toren
Jerusalems bekannt. Die Naassener stellen die
Schlange ins Zentrum ihrer Mysterien". Seit
H19 stand in unmittelbarer Tempelnähe der
Palas der Tempelritter, nach dem sie sich auch
nannten. Da die Templer mit den Sarazenen
zeitweilig lebhaften Handel trieben, müssen ih-
nen Schlangenkulte auch hinreichend bekannt
gewesen sein. Schon im Altertum hatten sich die
Schlangenkulte über Griechenland, Kreta und
Zypern verbreitet", Die doppelköpfige Schlan-
ge ist Logos-Christus der griechisch-gnastischen
Sekten im Mittelmeerraum. Bereits seit 203 p.
Chr. n. versuchte der griechische Gnostizismus
das Christentum in eine hellenistische Geheim-
philosophie umzuwandeln. Dieser Einfluß wurde
immer stärker, und zur Zeit der Templer waren
diese Strömungen nach immer vorhanden. Be-
sonders die griechische Gnostik hat viele Spu-
ren bei den Templern hinterlassen. Der Templer-
orden war zwar ein christlich-ritterlicher Orden,
folgte aber vielfach nicht der strengen kirchli-
chen Lehre Roms, da er anfangs nur dem Pa-
triarchen von Jerusalem unterstand und erst
später sich der päpstlichen Macht unterstellte.
Die Tempelritter verehrten Johannes den Täu-
fer und gerieten unter den Einfluß christlicher,
iüdischer, islamischer Gnostik. Die Geheimleh-
ren vom Wesen und Wirken der Gottheit ge-
hörten oft zum Lehrstoff Templerbibel einiger
Templer. Als echte Kinder des Mittelalters be-
saßen sie einen Hang zur Geheimbündelei und
zur Ausübung von Geheimlehren. Auf diesem
Wege ist sehr viel Heidnisches in die christliche
Lehre eingeflossen und auch so in das Abend-
land gekommen.
Die Verknotung der Schlangen, Der Heilige
Knoten", ist nichts anderes als das Symbol für
das Wort Religio", von einigen Wissenschaft-
lern mit Verbundenheit übersetzt. Verbunden-
heil? Verbundenheit der Menschen durch die
Anwesenheit Christi Logos-Christus mit Gott
beim heiligen Abendmahl"
19
Die senkrechte Höhe des Heiligen Knotens"
auf dem Symbolstein von Lockenhaus ist das
Grundmaß für das Vielfache aller Maße.
ln frühchristlicher Zeit wird gelehrt Niemand
kann gerettet werden und wieder aufsteigen
ohne den Sohn, welcher ist die Schlange. Denn
wie er von oben herabbrochte die väterlichen
Urbilder, so trägt er auch wiederum hinauf die
aus dem Schlaf Erweckten und die, die wieder-
um die Züge des Vaters angenommen haben"?
lm oberen Teil der Stirnseite des Steins finden
wir die große, alles umfassende Schlange mit
dem Heiligen Knoten" als Christuszeichen, de-
ren zwei Köpfe himmelwärts gerichtet sind. Das
bedeutet nach vollzogenem Abendmahl die Ver-
gebung und Auferstehung.
Das nach oben offene Rechteck ist das Symbol
für Haus, hier im besonderen der Tempel, dessen
offene Türen himmelwärts gerichtet sind, um die
Gnade durch die Lehre zu empfangen.
Der darüber schwebende Halbbogen bezeichnet
den Himmel.
Das zweite untere Symbol auf dem Stein be-
deutet das Brot. Das Wort vom Brechen des
Brotes" ist die allerälteste Bezeichnung. lch bin
das Brot des Lebens", und weiter Dies ist das
Brot des Lebens, das vom Himmel kommt, auf
daß, wer davon isset, nicht sterbe" Texte des
Neuen Testaments".
Das dritte Symbol für das Abendmahl ist der
Kelch oder die Hastie im Tabernaculum.
Von eminenter Bedeutung aber ist die Feststel-
lung, daß der Stein von Lockenhaus überhaupt
keine Kreuzeszeichen trägt, die auf allen Taber-
nakelsteinen der römisch-katholischen Kirche
stets zu finden sind. Dieses Faktum kann ein
weiterer Hinweis auf die Templer sein, von de-
nen bestimmte Kreise geheime Anhänger frem-
der Lehren gewesen sind. Zwar trugen sie auf
ihrem Habit das Tatzenkreuz, bedienten sich
20
Burg Lockenhaus, Unterirdischer Raum unter
dem Burghof der Hochburg mit Oculus, Tatzen-
kreuz in der Südapsis, lat gleichschenkeliges
Kreuz in der Nordapsis, zahlreiche Krucken-
kreuze im Gewölbe und an den Wänden. Ba-
denschale
Schlußstein der Nardapsis mit gleichschenkeli-
gern lateinischem Kreuz im Oratorium der Burg
Lockenhaus
Schlußstein der Südapsis mit Tatzenkreuz im
Oratorium
10
11
12
13
Zentrale Schale im Boden unter dem Di
oculus in viereckigen Sandstein eingesch
die Heilige Linie" verläuft in Nord-Süc
tung
Die geöffnete Nardapsis des Oratariurr
Ziegelbegrenzung
Tabernakelkammer im Symbolstein mit
ausgeputzt. Oberhalb der Kammer gatiscl
geschlagener Raum zu drei senkrecht steh
handgebackenen, abgebrochenen Ziegeln
Einer der ZiegeLdie 1975 beim Transport
gefallen sind
untereinander häufig vieler Symbole und
iimzeichen. Als Ritter eines der mächtigsten
hischen Orden im Mittelalter kannten sie
egensatz zu den Kathari nicht als Ketzer
sehen werden.
Tragödie des Templerardens begann 1307
ler Verfolgung und Aufhebung des Ordens
Papst Clemens V. Der Graßmeister Jac-
de Molay wurde auf Befehl des französi-
Königs Philipp IV. der Schöne 1314 in
öffentlich verbrannt, die Besitzungen des
ns eingezogen und viele Urkunden besei-
Die Verfolgungswelle hielt lange Jahre an
breitete sich bis in das Burgenland aus.
hier wurden die Templer durch Robert
von Aniou, König von Ungarn, restlos
chtet. Nur so erklört sich die große Ge-
itslücke der Burg Lockenhaus. Die Schrift
schweigen, aber die Steine reden noch.
dem kann mit gutem Grund der Symbol-
von Lockenhaus den Templern zugespro-
werden. Den sichersten Hinweis für die
zsenheit der Templer ergibt das noch immer
Jare Tatzenkreuz im Schlußstein der Süd-
Symbolstein auf der Burg ist ein unschätz-
Burgmonument; nirgendwo in aller Welt
is ietzt ein gleichwertiger Tabernakelstein
iden worden.
heute spricht das burgenlöndische Volk
den Geheimnissen auf Burg Lackenhaus. In
Tat stehen noch viele Fragen zur Beant-
mg durch Archäologen und Historiker af-
Sinn für Geschichte muß im Volk unbedingt
ten bleiben, die Wissenscha erwartet mit
Recht Verständnis und Mitarbeit der
lkerung bei der Sicherstellung zukünftiger
e.
tirnseite des Symbolsteins auf Burg Lackenhaus
it den Symbolen dappelköpfige griechisch-
nostische Schlange, das Abendmahlsbrat, aus
"empell und Aura
natomische Zeichnung eines Schlangenkopfes
iit exakten Messungen zum Beweis der Schlan-
enkapferitzung auf dem Stein
upterstich aus der Ketzergeschichte, Helmstedt,
'46. Beispiel eines Schlangenkultes des Ordens
er Schlangenbrüder zwei Kelche, zwei Schalen
iit Brot, eine Schlange wälzt sich im Abend-
iahlsbrot, eine andere verlößt die cista mystica
irkungen 22-23
Hans Leisegang, Das Mysterium der Schlange, ein
zur Ertorschung des griechischen Mysterienkultes
seines Fartlebeas in der christlichen Welt, Eranos-
bUCh, 7. 19., 1939x411, Rhein-Verlag 19-10.
von Hülsen, Tragödie der Ritterorden, Münchener
ag, bisher F. Bruckmann, 1948. Untertitel Der große
plerptazeß.
iser Autor
med. Gerhard Gross
iannover
Steinfelde
21
Elisabeth Scheicher
Die Neuaufstellung der
Sammlungen in Schloß
Ambras
22
lm Mai 1974 wurden in der Expositur des Kunst-
histarischen Museums auf Schloß Ambras die
Kunstkammer Abb. 11, das Antiquarium Abb.
und die Kleine Rüstkammer in einer neuen Auf-
stellung dem Publikum zugänglich gemacht. Das
Ziel der Bemühungen war es, die seit 1882 be-
stehende und danach nur in Einzelheiten ver-
änderte museale Anordnung der Objekte im
Hochschlaß von Ambras im Sinne einer Wieder-
belebung der Intentionen des Begründers der
Sammlung, Erzherzog Ferdinand ll. 1529-1595,
zu verändern. Diese Umstellungen waren der
Anlaß, an den erhaltenen lnventaren und Be-
schreibungen orientierte Überlegungen, betref-
fend die ursprüngliche Aufstellung und deren
historischen Ort in der Geschichte des Sammel-
wesens, überhaupt anzustellen. lm folgenden
soll darüber auszugsweise referiert werden
Die Bedeutung von Ambras, das in kulturge-
schichtlicher Hinsicht trotz eines im Hochschloß
enthaltenen mittelalterlichen Rudimentärbestan-
des mit Erzherzog Ferdinand ll. und seinen
Sammlungen gleichgesetzt wird, ist eine zwei-
fache. Sie liegt, allgemein erkennbar, vorerst
darin, daß hier in den Jahren zwischen 1580
und 1595 der wohl hervorragendste Bestand an
Habsburgischem Kunstbesitz zusammenge
wurde, der heute zu den Zimelien der
reichischen Bundesmuseen gehört. Die Sc
Benvenuto Cellinis, die Federkrone des Kt
Montezuma, die Abschrift des Gudrunliedes
vieles andere mehr kommen aus Schloß An
und bezeugen mit ihrem historischen Rang
ihrer künstlerischen Qualität den hohen
der Ambraser Sammlung.
Neben dem auf das Einzelobiekt gerichtete
teresse besteht aber noch der dem durchscl
lichen Museumsbesucher wenig bewußte A1
der Ordnung der vielfältigen Gegenstände
im Fall der Kunstkammer nicht ohne Rüc
kung auf die formale Erscheinung bestirr
Stücke ist. Der Begriff des Kunstkammersti
umreißt eine Funktion, die der Ausdruck
ganz persönlichen Verhältnisses des Samt
zum Obiekt als Träger fürstlicher Reprös
tion ist. Über den Kunstgeschmack hinaus
gelt die Kunstkammer die subiektiven V0
lungen ihres Besitzers und gibt ein vielfäl
Bild seiner politischen und geistesgeschichtl
Verflechtung. Schloß Ambras enthält auch
noch eine größere Anzahl von Objekten,
Auftrag Erzherzog Ferdinand entstanden
Wanddekoratior aus Holz und Elfenbeinspänen,
Tirol, 2. Hälfte 16. Jh. Kunsthistorisches Museum,
Sammlungen Schloß Ambras, lnv.-Nr. 3730
Heiliges Grob aus Holzspönen, Tirol, Q. Hälfte
16. Jh. Kunsthistorisches Museum, Sammlungen
Schloß Ambras, lnv.-Nr. PA 708
Schale aus Rhinozeroshorn, Fuß und Deckel Sil-
ber vergoldet, I6. Jh. Kunsthistorisches Museum,
Sammlungen Schloß Ambros, lnv,-Nr. 3732
lwr-I-vtt-"itinf 135-.
oder von diesem erwarben wurden, um in der
Kunstkammer ihren Platz einzunehmen.
Mehr als der vielfältigen Imponderabilien unter-
liegende Komplex der Geschenke fürstlicher
Freunde oder Verwandter, gibt dieser Bestand
noch heute einen Eindruck des individuellen
Geschmacks und der Neigung Ferdinands lI.
wieder.
Bei der im Voriahr durchgeführten NeuaufsteI-
lung wurde nun versucht, bestimmte ästhetische
Qualitäten dieser Kunstkammerstücke durch eine
weitgehende Wiederherstellung der ursprüng-
lichen Umgebung ans Licht zu rücken, um so
dem Einzelobiekt den Rang zukommen zu las-
sen, der ihm noch dem Wunsch des Sammlers
gebührte. Schloß Ambros bietet dafür in jeder
Hinsicht die geeignetsten Möglichkeiten. Das Un-
terschlaß gegenüber dem Hochschloß, das al-
lein Wohnzwecken diente, dem Museum vorbe-
halten ist gut erhalten, so daß die ursprüng-
liche Abfolge der Säle und deren Einrichtung
ohne allzu große Schwierigkeiten wiederholt
werden kann.
Dazu kommt, daß dieser Museumskomplex durch
seine kulturhistorische Sonderstellung. zum Aus-
stellungsobiekt an sich prädestiniert ist In Am-
bras entstand zum ersten Mal in der Geschichte
des neuzeitlichen Sammelwesens eine monumen-
tale, mehrere Säle umfassende Anlage, errichtet
einzig und allein zum Zweck der Aufnahme
einer Sammlung und deren methodischer Auf-
stellung. Durch die Ausrichtung auf ein Publi-
kum qualifiziert sich Ambras als das älteste
Museum in der Bedeutung, die wir auch heute
noch mit diesem Begriff verbinden. Die Gegen-
stände waren nach theoretischen Gesichtspunk-
ten oufgestellt und zum Zweck der Belehrung
des Besuchers zum Teil auch noch mit Beschrif-
tungen versehen. Im Fall der Waffensammlung
sollte ein bebilderter Katalog, das Armomenta-
rium Heroicum, die didaktischen Aufgaben im
Sinn einer Verbreitung der Intentionen des Erz-
herzogs, wie das Vorwort ausdrücklich hervor-
hebt, unterstützen.
Für die Kunstkammer, der das Interesse Ferdi-
nands sicher nicht in dem Maße wie der Waffen-
sommlung galt, existiert ein solches gedrucktes
Hilfsmittel nicht. Die Hauptquelle für die Identi-
fizierung der einzelnen Gegenstände und die
Rekonstruktion ihrer Einrichtung stellen zwei In-
ventare dar, von denen das eine anläßlich der
Erhebung des Nachlasses Erzherzog Ferdinands
23
Bild aus Schmelzglas, Kreuzigung und die Taufe
Chrisli, Tirol 2. Hölfie 16. Jh. Kunslhislo-
risches Museum, Sammlungen Schloß Ambras,
lnv.-Nr. FA 1166
Wanddekoration aus Holz und Elfenbeinspänen,
Tirol, 2. Hälfte "I6. Jh. Kunsihislorisches Museum,
Sammlungen Schloß Ambras, lnv.-Nr. PA 788
Schreibgarnilur aus Holz, Tirol, 2. Hälfle 16. Jh.
Kunsihlslorisches Museum, Sammlungen Schloß
Ambras, lnv.-Nr. FA 779
Hans Leinberger, Tödlein. Kunslhislorisches
Museum, Sammlungen Schloß Ambras, lnv.-
Nr. PA 694
mu-
24
Schlaß Ambras, Kunslkammer, Kasten mil Holz-
arbeiten.
lO Schreibzeug, Silber, am Deckel ein Korallenasl
zur Figur eines Mannes, der auf einem Drachen
reilel, geschnilten, süddeulsch, 2. Hälfte 16. Jh.
Kunslhislarisches Museum, Sammlungen Schloß
Ambrus, lnv.-Nr. 1048
Anmerkungen 14!
'lnvenlur des Nachlasses Erzherzog Ferdinands von Tirol
in Ruhelusl, Innsbruck und Ambras, vom so. Mai 159a, in
Jahrbuch der Kunslhistorischen Sammlungen des A. H.
Kcliserhauses, Bd. VlllZ, S. CCXXVI bis CCCXll und
Ed. S. lwX.
Inventar-N der Sammlung für Plastik und Kunslgewerbe
des Kuns islorischen Museums 6654.
jRoberl Louis Mode Thc Monle rduno Famous Man
Cytle o6 Cardlnal Giordano Orsini und the Uamini
Famasi Tradihon in 15m Cenlury. lfallan An. DISS.,
Mlchigun 1790.
die Objekte ein Maximum an Licht erhielten.
Die verbleibenden Wandflächen waren mit Ge-
mälden behängt, über die das bis ietzt unpubli-
zierte Inventar von 162i Auskunft gibt.
Demnach befand sich hier eine größere Anzahl
von heute noch erhaltenen und wieder entspre-
chend placierten Kuriositöten, wie die Porträts
des Haarmenschen und seiner Familie, der Rie-
sen Bona und Kraus, des Zwerges Thomerle,
ain Tafl darauf 24 Stuckh abschreckhliche Ge-
sichter", ain Weiboda aus der Walachei", si-
cher das Bildnis des Vlad Tzepesch, zahlreiche
Tierbilder, darunter das eines großen haimisch
Schwein, so acht Zentner Gwicht soll gwogen
haben", und vieles mehr.
Das ganz besondere Interesse des Erzherzogs,
bezeugt durch nahezu 1000 in einem genormten
Kleinformat aus ganz Europa zugesandten Bild-
nissen, galt dem Parträt historischer Persönlich-
keiten. Dieser Wunsch, den ganzen Menschen in
seiner äußeren Erscheinung, aber auch in seinen
Taten zu kennen und für die Nachwelt zu be-
wahren, war nicht zuletzt die Triebfeder für das
Sammeln von Waffen berühmter Herrscher und
Kriegshelden. Erzherzog Ferdinand II. stellte sich
damit an das Ende einer in der italienischen
Frührenaissance beginnenden, auf die Antike
zurückgehenden Tradition, die aber durch die
ihm eigene trockene, ieder Legendenbildung ab-
geneigte Sachlichkeit in die Bahnen der moder-
nen Geschichtsforschung gelenkt wurde. Bereits
Kardinal Giordano Orsinia besaß in seinem rö-
mischen Palast noch vor der Mitte des I5. Jahr-
hunderts über 300 Porträts berühmter Personen,
während andere Fürstlichkeiten des Quattro-
cento auch dieser zeitbedingten, von den Theo-
retikern unterstützten Sammlungsmode folgten,
sich aber mit einer kleineren Anzahl von Bil-
dern zufrieden gaben.
Der Wunsch nach möglichst wirklichkeitsgetreuen
Porträts ist bereits für Kaiser Karl IV. bezeugt,
der deswegen mit Petrarca wegen der Überlas-
sung von dessen Münzsammlung in Verhand-
lungen getreten sein soll. Möglicherweise gin-
gen van seinem, heute nur mehr in Kopien er-
haltenen Luxemburger Stammbaum in der Pra-
ger Burg auch wesentliche Impulse auf Erzher-
zog Ferdinand II. aus, wie überhaupt angenom-
men werden muß, daß sein Aufenthalt als Statt-
halter in Prag den nachhaltigsten Einfluß auf
den iungen, in künstlerischen Belangen nicht
eben verwöhnten Erzherzog gehabt haben muß.
In der Kunstkammer scheint sich eine eher zu-
fällige, vielleicht nur durch das Format bedingte
Auswahl von Porträts befunden zu haben. Im
Inventar von 1621 erwähnt sind Bildnisse des
engsten Familienkreises, der Schwestern und
Schwager Ferdinands, aber auch der Söhne und
der ersten Frau, Philippine Welser, weiters auf-
fallend eine größere Anzahl von Porträts Kaiser
Max' I. und seiner beiden Frauen, von Feld-
herren, deren Harnische in den Rüstkammern
vertreten waren, sowie von Mitgliedern fast aller
großen europäischen Fürstenhäuser.
wähnt Ain Stuckh Danae mit dem guldenen
Regen", Zway Stuckh von Mahlzeiten, das ain
weltlicher Personen, das ander heidnischer Göt-
ter, die Diana mit Aktöon, zway Sprangerische
Stuck", sicher Geschenke Kaiser Rudolfs ll., und
vieles mehr
Dazu kommen zahlreiche frei stehende Objekte,
die zusammen mit den Fischen und Reptilien, die
van der Decke herunterhingen, den Eindruck
lhdlldnllyll .w.-......,..a w... .....V.
...... ......-.., ..-... .. ...
ursprunglich Rücken an Rücken in der Haupt-
achse des Raumes und den Fenstern zugewandt
ist, wurden nach dem Vorbild der alten Har-
nischvitrinen erneuert. An den Schmalseiten ist
der längsrechteckige Raum der Kunstkammer in
zwei großen Bogenöffnungen zum Antiquarium
Abb. einerseits und zur sogenannten Kleinen
Rüstkammer andererseits, einer Art Studiolo der
Waffenkunde des 16. Jahrhunderts, hin geöffnet.
großer Fülle erzeugt haben müssen. Neben den z.
T. heute nach erhaltenen Repositorien, zur Abla-
ge der Gegenstände aus den Kästen, waren hier
Miinzschränke, mehrere Tische, darunter ein ost-
asiatischer, Geschenk des Kardinals Andreas an
seinen Vater heute Österreichisches Museum für
angewandte Kunst, das gewaltige Hirschge-
stemm, so durch ain Aichenpaum gewachsen",
ain zweifadier Kalbskopf mit vier Zungen und
zwei Mäuln", ain Fuss van ainem Hirschen, in
ainem vergulten Lewenkopf gefasst" und dazu
immer wieder Pain von einem Riesen", das sind
verschiedenartige Tierknochen, die für Skelett-
funde von vorzeitlichen Menschen gehalten wur-
den.
Die Neuaufstellung der Kunst- und Wunderkam-
mer versucht nun unter Bezugnahme auf die
genannten lnventare den Charakter des Neben-
26
Die 22 Schaukästen wurden, sowohl was ihre
Färbelung als auch was die thematische Ab-
folge angeht, auf die lnventare abgestimmt.
Dabei hat sich herausgestellt, daß bei der Wahl
der Farbe deren Verhältnis zum ausgestellten
Objekt im Sinn der Hervorhebung bestimmter
ästhetischer Qualitäten des Kunstkammerstückes
eine Rolle gespielt hat. Es wurde somit deutlich,
daß z. B. das satte Braun der Musikinstrumente
vor dem weißen Hintergrund oder das fast
schwarze lnkarnat der Handsteine vor Rot am
besten zur Geltung kommt und mit dieser Art
der Präsentation auch Werken schwächerer Qua-
lität zu einem höheren Ansehen verholfen wer-
den kann. Der erste Kasten enthielt vor blauem
Hintergrund die Gegenstände aus Gold und Sil-
ber, wobei neben zahlreichen anderen Gefä-
ßen die sicher bedeutendsten Stücke die Geschen-
Anmerkungen 4-8
Ernst Kris Goldsümiedearbeiten des Mitteln
Renaissance und des Barock, Wien W31, Nr. 63.
Mitteilung von Mr. Harry Garner vom 13. Februa
'Hans Wieser Der Brautbecher der Margaret
tasch", in Schlern-Schriften, Heft 234, Innsbruck
Hermann Fillitz Die Silberschale der Murgare
tüsch in Schloß Ambras", in Pantheon IXIÄ 1971
Kurt Rossacher Der Schatz des Erzstiftes
Salzburg 1966, Nr. 22.
lönrg Karls IX. von Frankreich mit dem Mi-
elsbecher, der Saliera und der Onyxkanne
en, Die Objekte wurden auf sogenannten
en, das heißt auf durchlaufenden Fächern
Art einer Kredenz, nebeneinander aufge-
Jetzt sticht in diesem Kasten durch seine fast
itektonische Monumentalität sowie durch die
arragende künstlerische Ausführung dersoge-
ite Stöndepokal hervor, ein Geschenk der
er Landstönde anlizißlich der zweiten Hoch-
Erzherzog Ferdinands mit seiner Nichte Anna
iarina Gonzaga im Jahre 1582. Krist be-
inet die Arbeit als süddeutsch, ihre Aus-
JHQ in Tirol selbst liegt aber durchaus im
ich der Möglichkeiten. Von ganz besonde-
Interesse für das Verhältnis der frühen
päischen Sammlungen zu Außereuropa ist
Schale aus Rhinozerashorn Abb. deren
oldeter Deckel van einem liegenden Hund
önt ist. Dieses Gefäß, mit dem sich in der
atsache die englische Forschungä auseinan-
etzt, wird in jüngster Zeit nach Goa lokali-
wo es als ein besonders frühes Produkt
der portugiesischen Eroberung entstanden
muß. ln dem Fach darüber stehen drei
en, von denen das eine, mit Abgüssen an-
Münzen versehen, wahrscheinlich aus Nürn-
kommt und zur Aufbewahrung von Ka-
und Medaillen gedient hat. Das Schreib-
Abb. 10 daneben ist wohl dem gleichen
eutschen Herkunftsbereich zuzuschreiben.
ein für den Geschmack Erzherzog Ferdi-
ls ll. typisches Kunstkammerstück weist es
durch die Bekrönung mit einer geschnitzten
lllE aus. Diesem damals so raren Material
die ganz besondere Neigung des Erzher-
gegolten, was dazu führte, daß das über-
fragile Meeresgewöchs sogar für den Griff
Degens herhalten mußte, der damit völlig
aktikabel wurde. Das wohl bekannteste
im Fach darüber, kein eigentliches Ambra-
rm, ist erst seit dem Anfang des 19. Jahr-
lerts in der hiesigen Sammlung nachweisbar.
Herkunft aus Schlaß Tirol und vor allem der
zrung in die Mitte des 14, Jahrhunderts
an wird es in den lnventaren als Braut-
er der Margarethe Maultasth" bezeichnetb
er trug dazu auch die Inschrift am Lippen-
Liebes langer Mangel ist mines Herzens
zl" bei. Eine Untersuchung' anhand stili-
verwandter Beispiele aus dem Salzburger
schatzs, ietzt Museo degli Argenti im Pa-
Pitti in Florenz, hat ergeben, daß die
le ursprünglich das Einsatzstück eines Ko-
ußpokales war und, nachdem dieser zer-
hen, irn 17. Jahrhundert nach Erneue-
des Lippenrandes mit der Inschrift unter
xhrung der Tradition der mittelalterlichen
tzkamrner zu einem Kunstkarnmerstück der
reit wurde.
er aus der Zeit seiner Statthalterschaft in
nen resultiert das besondere Interesse des
erzogs für den Handstein. Das größte im
an Kasten verwahrte Stück muß wie ein Mo-
des Gartens Eden ausgeschaut haben und
eute verloren. Auf ainem viereggeten, mit
beschlagenem Brett" stand ein grosser,
silberner Handstain, wie ain Perg, darum-
alles grien wie ein Garten" und 55 Arten
Tieren, meist in zwei Exemplaren, vorn
ephanten" über den Hürsch und das Rech"
um Heischreck, der auf ain silberne Stauden
Daneben war noch Platz für zahlreiche
tre Stücke, van denen einige z. T. aus Böh-
stammende auch heute noch in Ambras
eten sind.
absolute Stärke der heutigen Ambraser
nlung ist ihr Bestand an Korallen, wobei
ein Gutteil, nämlich der Inhalt eines gan-
27
zen Kastens, Trapaneser Arbeiten' des II. Jahr-
hunderts sind, die erst anläßlich der Aufstellung
1882 aus der Sammlung für Plastik und Kunstge-
werbe des Kunsthistorischen Museums entlehnt
wurden. Der Komplex der frühen Stücke Abb.
12, 13, Rarissima in ihrer Art, läßt annehmen,
doß ihre Attraktion für den Sammler eher in
den naturwissenschaftlichen Bereich fällt. Dies
wird durch eine ganze Anzahl noch erhaltener
Corallener Zinggen", die zusammen mit
Schwämmen und Mörstainen" zu stillebenarti-
gen Gruppen komponiert sind, in der das sel-
tene Naturprodukt als solches dargeboten wer-
den sollte, deutlich gezeigt. Die nächste Phase
in Richtung auf eine Bearbeitung der Koralle
repräsentieren die Darstellungen von drei Päs-
sen Abb. 12 unten. Das sind ca. 40 Zentimeter
hohe Nachbildungen bekannter Alpenübergänge,
die zwar getreue Kopien der Wirklichkeit sind,
durch die Bekrönung mit Korallen aber zu über-
aus artifiziellen Gebilden einer die verschiede-
nen Erscheinungsformen der Wirklichkeit austau-
schenden Phantasie geworden sind. Auch die
Figurenszenen, wie Kreuzigungen Abb. 13 oder
ein Kampf des Herkules mit der Hydra, lassen
den Wunsch erkennen, die Naturforrn der Ko-
ralle zu bewahren und gleichsam nur dort, wo
sie nach Art einer Alraune der menschlichen Ge-
stalt nahekommt, für die gewünschte Darstel-
lung auszunützen.
Eine Besonderheit in diesem Zusammenhang
stellen die ursprünglich im Kasten, heute, zum
Zweck einer besseren Sichtbarmachung, auf den
alten Ferdinandeischen Sockeln postierten Ka-
binette dar. Hier sind in einem hausartigen,
nach vorne verglasten kleinen Raum Muscheln,
Schneckenhäuser, Korallen und Spiegelgläser zu
wunderlichen Höhlen zusammengefaßt, die in
kleinem Format und kostbarer Ausführung die
monumentalen Grotten des italienischen Manie-
rismus zu einem Gegenstand des fürstlichen
Spieltriebes werden ließen. Über den Entste-
hungsort dieser frühen Korallenarbeiten ist so
gut wie nichts bekannt, die Erwähnung einer
Zahlung im Jahre 1581 läßt an Genua denken,
doch kann der Genuesische Handelsmann" auch
nur ein Vermittler gewesen sein".
Die wohl merkwürdigsten Gegenstände der Am-
braser Kunstkammer, Unikate ohne Parallelen in
einer anderen Sammlung, sind Aufbauten aus
Holz oder Elfenbein, die, teils frei stehend Abb.
den Lnarakrer uoeraus rragller Arcni-
tekturen haben, teils aber in Verbindung mit
einer dunkelblau bemalten Holzrücklage als
Wandbehang iagdlichen Charakters erscheinen
Abb. 6. Diese Arbeiten sind Kunstkammer-
stücke par excellence, da sie einzig und allein
dem persönlichen Geschmack des Erzherzogs,
der auch eine eigene eingerichtete Drechsler-
werkstatt besaß, ihre Entstehung verdanken. Ty-
pisch für den Zeitgeschmack ist es wohl, daß die
an die Grenzen des Möglichen reichende Zart-
heit der handwerklichen Ausführung durch einen
praktischen Verwendungszweck ad absurdum ge-
führt wird. Einer der kleinen Zentralbauten war
bei abnehmbarem Deckel eine Schreibgarnitur
Abb. der andere ein Nöhzeug, das große
rechteckige Haus mit seinem spitzgiebeligen Dach
ein Heiliges Grab Abb. 3.. Über einen ausfüh-
renden Künstler ist nichts bekannt, und es er-
scheint bis zu einer möglichen Auffindung neuer
Quellen nicht sehr zielführend, Zuschreibungen
an bekannte Namen vorzunehmen. Sicher aus
derselben Werkstatt stammen die Aufbauten
und Wandbehänge aus Elfenbeinspänen Abb.
denen aber in bezug auf ihre Bedeutung
ein etwas anderer Akzent verliehen ist. Das
größte Stück ist nach Art einer Festung mit
einer Unzahl von Kanonen und Figürchen be-
setzt Abb. ein kleines Haus dient als Heiliges
Grab, ein fast rokokoartig anmutender Kiosk ist
das Gehäuse für eine Auferstehung Christi.
Mindestens ebenso rätselhaft, was ihre Entste-
hung angeht, ist eine Serie von Bildern Abb.
teils alttestamentarischen, teils mythologischen
lnhalts, die aus Glas, Perlen, Email, Gold und
Silberplättchen zusammengefügt sind und in der
Zeit ihrer Entstehung auch sie sind durch das
Nachlaßinventar von 1596 beglaubigt ohne
irgendeine Entsprechung in anderen Sammlun-
gen sind. Eine Lokalisierung noch Nevers, für
das in der Technik ähnliche, aber doch spätere
Arbeiten sprechen könnten, ist wohl abzulehnen,
so daß außer der traditionellen Glasstadt Vene-
dig nur mehr die Tiroler Glashütten von Inns-
bruck oder Hall bleiben. Für Venedig sprechen
zahlreiche Ornamentdetails, die sich in ähnlicher
Form auch an weitgehend gesicherten Obiekten
finden", wobei aber die Tatsache der absoluten
Rarität der Stücke an sich gegen eine breitere
Produktion und eher für die Ausführung in der
engsten Umgebung des Erzherzogs, nach sei-
nerri persunncnun vvuusui ullu wväulllluux,
lich wie im Fall der Holzaufbauten, spreche
Besonders gut erhalten ist iener Bestand
schiedlichster Herkunft, der sich seiner
nach der Ordnung nach dem Gesichtspunk
Materialgleichheit entzog und deshalb in
genannten Variokasten aufbewahrt wurd
sind dies einige Möhrische Pünden", seh
tene Kleidungsstücke, z. T. außereuropäi
Provenienz, Schuhwerk und Stiefel des 15
16. Jahrhunderts, aber auch ein Kirbis,
weit und oben eng", verschiedene Bernst
guren, darunter ain altfrenckisch gelb agst
Marienbild, so das Kindl Jesu auf der
helt", wohl eines der wenigen erhaltenen
plare des 15. Jahrhunderts.
Weit über die räumlichen Grenzen des Sar
wesens seiner Zeit trat Erzherzog Ferd
durch die prononcierte Vorliebe für ostz
sche Erzeugnisse. In Ambras wird heute nor
Großteil ienes Bestandes verwahrt, der GI
Anfang von dem zu setzen ist, was späte
europäischen Chinamode wurde. Neben 111
ragend erhaltenen Malereien von Landsc
bildern und figürlichen Szenen sind es 11
Hauptsache Gefäße aus Porzellan, aber
aus Holz und geschnittenem Horn, die zi
men mit späteren Arbeiten des 17. bis 18.
hunderts zwei große Kästen füllen. Der
über den der Erzherzog diese Vorliebe
digte, läßt sich heute nicht mehr nachvollz
möglicherweise war ihm sein Vetter, König
lipp ll., dabei vermittelnd behilflich.
Durch diese über die lokalen Grenzen
reichende Universalität des Sammelns, eint
System und Akribie auf die Dokumentatio
Ganzen gerichteten Willensäußerung, erhel
Ambras über die meisten anderen Unternel
gen seiner Art. lm Unterschied zur Prager
kammer Kaiser Rudolfs ll., in der nebe
Goldschmiedekunst vor allem die Glypti
minierte, lassen sich bei Erzherzog Ferd
bestimmte Akzentsetzungen nicht feststellt
Ambras waren gleichwertig Objekte der
sten künstlerischen Qualität mit Gegensti
vereinigt, die noch vor kurzem als Kurios
abgetan wurden. Ihnen den Rang zukomn-
lassen, den sie zur Zeit ihrer Entstehung zv
los hatten, war die wichtigste Aufgabe der
aufstellung der Ambraser Kunstkammer.
14 Schloß Ambros aus Mericns Welhopogruphie
Anmerkungen 9-11
Anlonio Duneu L'Arte Trapanese del Corulln",
1964, 5. 95 ff.
"Jahrbuch des Kciserhuuses XlW1B93, Nr. 1091
MiNeilung von Mr. R. J. Chorleslon vom 15. Q1001
Unsere Auiorin
Dr. Elisabeth Scheicher
Kusfos der Sammlungen des
Kunsfhiskzrischen Museums Wien
im Schloß Ambras
6020 lnnsbruck-Ambrcs
B. A. Albrecht 1763, Bildnis des kurfürsflichen
Hofbildhauers .1. B. Siruub im Atelier. München,
Bayerische Siaalsgemäldesammlung
Prämissen für eine große Karriere, die Jo-
in Baptist Straub 1704-1784 auch als kur-
verischer Hofbildhauer machte, lagen in sei-
ungewöhnlichen Begabung, die von ihm ge-
offenen Werke mit einer unnachahmlichen
ganz auszustatten. Eine andere ihm in hohem
zu Gebot stehende Eigenschaft war die,
er in Technischer Hinsicht jedem Schwierig-
tsgrad gewachsen war. In dem nachfolgenden
trag werden erstmals zusammenhängend chro-
ogisch geordnete höfische Werke des Bild-
iers behandelt. Sie wurden bisher meist über-
en oder in qualitativer Hinsicht unterschätzt.
den hier zur Verfügung stehenden Rahmen
it zu überschreiten, mußte selbstverständlich
den für den Hof geschaffenen Arbeiten
Jubs eine Auswahl getroffen werden.
beginnen ist mit dem Hinweis auf einige
lnisse Straubs'. Durch ein ad vivum" gemal-
Portröt 1763 ist die Physiognomie des
nchener Künstlers vergleichsweise getreu über-
ert München, Bayerische Staatsgemälde-
tmlungen, lnv.-Nr. 2765l46fDet. Abb. 1. Es
gt den Bildhauer in seinem 59. Lebensiahre.
dieses Gemälde wird nach in anderem Zu-
tmenhang zurückzukommen sein. Die auf die-
Bild zu findende psychologische Charakteri-
"ung entfernt sich nicht allzusehr von einem
viel später ausgeführten Porträt 1779. Es stammt
von Franz lgnaz Oefele, gen. Bavarese 1721-
1797. Es befindet sich im Bayerischen National-
museum in München. Es wurde im gleichen Jahre
1779 van F. X. Jungwirth gestochen München,
Staatliche Graphische Sammlung. Das anfangs
genannte Bild 1763 wurde ebenso wie sein
Gegenstück 1761 auf Bestellung des Hofes aus-
geführt. Auf ihm hat der kurfürstliche Hofmaler
Balthasar Augustin Albrecht 1687-1765 sich
selbst dargestellt. Beide Gemälde als Bildnisse
des Hofmalers 1761 und des Hofbildhauers
1763 verkörpern allegorisch auch die Malerei
und die Bildhauerei ursprünglich in der Schloß-
galerie in Schleißheim, wo sie als Pendants einst
nebeneinander hingeni. Über das im Jahre 1763
fertiggestellte Bild des Hofbildhauers J. B. Straub
gibt es eine bisher unveröffentliche Urkunde.
Sie lautet Balthasar Augustin Albrecht Hof-
mahlern var ein zu seinem Portrait als einen
Compagnion Verferttigtes gemähl bestehend in
den Portrait des Hof Bildhauers Straub inhalt
signirten Scheins. 150 fl."3.
Wie wir schon wiederholt in anderem Zusam-
menhang berichteten, ist ein freilich nicht ganz
komplett vorliegendes Werkverzeichnis, das von
dem nochmaligen kurbayerischen Geheimrat Jo-
hann Kaspar von Lippert über das Schaffen J". B.
Straubs zusammengestellt wurde, die wichtigste
Quellet. Dieser Bericht, auf den noch mehrmals
zurückzukommen sein wird, erschien im Augs-
burgischen monatlichen Kunstblatt am 31. Juli
1772. In diesem Artikel erscheint der Name des
kurfürstlichen Hofmalers B. A. Albrecht ein letz-
tes Mal im Zusammenhang mit dem des Bild-
hauers. Nach J. K. von Lippert schuf Straub auf
den äußern Gattsacker der Stadt München d. h.
für den Friedhof südlich des Sendlinger Tores
das nicht erhaltene Grabmal des berühmten
Hofmalers und churfürstl. Malerey lnspectors
Balthasar Augustin Albrechts mit dessen Por-
trät und einem Genio, alles von Marmor".
In dem gleichen Aufsatz berichtete der bereits
genannte Autor auch über einige ganz frühe
Arbeiten des jungen Straub. Sie sind zugleich
ein Hinweis dafür, daß er bereits damals an-
fing, sich von der Werkstatt zu emanzipieren,
in der er gelernt hatte. J. K. von Lippert sagte,
daß Straub einige hötische Aufträge anver-
trauet zu erg. wurden, vor allen anderen, die
sich darum bewarben". Es handelte sich um die
Ausstattung der damals neu eingerichteten Zim-
mer im Südtrakt des Grottenhofes in der Mün-
chener Residenz. Sie gingen iedoch schon bei
dem Residenzbrand am 14. Dezember 1729 zu-
Anmerkungen 1-4 s. S. 30
Z9
3...."...
taillierte Beschreibungen existieren von diesen
Werken nicht. Unser Gewährsmann J. K. von
Lippert teilte dazu mit, daß Straub wegen die-
ses Auftrages seinen Meister verlassen habe. Er
fügte hinzu er unternahm aus eigenen Kräf-
ten die ihm angewiesene Arbeit, die er in Zeit
von zwey Jahren zu Stande brachte". Eine bis-
her unveröffentlichte Aktennotiz 1725 ergänzt
unsere Kenntnis über diese frühen häfischen Ar-
beiten Straubs in ganz entscheidender Weises.
Sie belegt urkundlich, daß der damals erst ein-
undzwanzigiährige Bildhauer namentlich unter
den Kistlergesellen aufgeführt wird, die unter
den Meistern Johann Georg Baumgärtl und Jo-
hann Adam Pichler nach Plänen des Oberhof-
baumeisters Joseph Effner die künstlerische
5chneidarbeit" d. h. Wandvertäfelungen, Lam-
brien, Gemälderahmen, Konsoltische und andere
Schnitzereien für den Speisesaal und für das
Paradeschlafzimmer des Kurfürsten in Schloß
Schleißheim ausführten. Während die in dem
gleichen Zusammenhang genannte Erstdekora-
tion des Speisesaales an der Nordseite des Ve-
stibüls noch unter Kurfürst Max lll. Joseph völlig
verändert wurde, hat man aufgrund der er-
wähnten Aktennotiz und angesichts der voll-
ständig erhaltenen Ausstellung des kurfürstlichen
Paradeschlafzimmers ietzt eine reelle Chance,
einigen der anonym gebliebenen Erstlingswer-
ken Straubs zu begegnen. Zu ihnen gehören
außer einem geschnitzten Konsoltisch, von dem
nach zu sprechen sein wird, gleichsam als Ho-
heitszeichen erscheinende Bayerische Löwen
Abb. 2. Als Relief sind sie an der Bettbalustrade
geschnitzt. In ihren Pronken halten sie Kartusch-
schilde mit dem ME-Monogramm. Es bezieht sich
auf den Erbauer des Schlosses, den Kurfürsten
Max Emanuel. Diese Löwendarstellungen wur-
den von der höfischen Bildhauerwerkstatt aus-
geführt, deren Meister Johann Adam Pichler
war. Nach der oben genannten Archivalie be-
steht inoffi ell kein Grund, sie nicht als bisher
unidentifizierte Frühwerke Straubs zu betrach-
ten. Daß sie nicht auf seine eigenen Entwürfe,
sondern auf solche von Joseph Effner zurück-
gehen, beeinträchtigt keinesfalls ihre nicht zu
bestreitende Qualität. Soweit es heute zu über-
sehen ist, gehören die für Schleißheim geschnitz-
ten Dekorationen zu den letzten Werken Straubs,
die er unmittelbar vor seiner Abreise nach
Wien schuf, wo er, wie wir an anderer Stelle
sagten, vermutlich um 1726 eintraf".
Als der Bildhauer nach achtjähriger Abwesen-
heit 1735 nach München zurückkehrte, akzep-
tierte man ihn hier erstaunlicherweise sofort.
Laut J. K. von Lippert bestand einer der ersten
nachweisbaren Aufträge für ihn darin, im Jahre
1736 eine sieben Schuh hohe vermutlich aus
Holz geschnitzte und vergoldete Venus anzu-
fertigen samt dreyen Genien". Sie war für
einen Springbrunnen in dem späteren Grafkö-
nigsfeldischen" Haus bestimmt. Seinem Typus
nach muß es sich um einen Wandbrunnen ge-
handelt haben. Darauf deutet iedenfalls eine
Nische hin, die noch heute in dem offenen Hof
erhalten ist. Das Haus heute Erzbischöfliches
Palais ist mit dem von Francois de Cuvillies im
Jahre 1737 fertiggestellten Holnstein-Palais iden-
tisch. Bei der Ausführung der Brunnenskulptur
kam der iunge Straub erstmals mit dem kur-
fürstlichen Oberhofboumeister Francois de Cu-
villies in Berührung. Von Straub aus gesehen,
kann man hier von einer schicksalhaften Be-
gegnung sprechen. Die erstaunliche Diszip'
heit der Formensprache, die alle seine höfischen
Werke auszeichnet, ist ohne den stilbestimmen-
den Einfluß von Cuvillies nicht zu erklären. Er
bestimmte den Stil der Münchener Hofkunst bis
30
...,..gc.............a ...............g.... .......
wie es Max Hauttmann so treffend formulierte,
die letzte Instanz". Um das ausgezeichnete Ver-
hältnis Straubs zu seinem Auftraggeber, dem
kurfürstlichen Hof, richtig zu interpretieren, ist
dazu vorauszusetzen, daß alle seine höfischen
Werke, insbesondere die von uns nicht behan-
delte figürliche Ausstattung des Cuvillies-Thea-
ters, nicht ohne den Konsens des unter der Lei-
tung von Cuvillies stehenden Oberhofbauamtes
ausgeführt werden konnten. Auf diesen Umstand,
der auch urkundlich nachweisbar ist, wird zu
gegebener Zeit zurückzukommen sein. Das in
Rede stehende Palais, für das der bereits ge-
nannte nicht erhaltene Venus-Brunnen von J. B.
Straub ausgeführt wurde, war die Stadtwoh-
nung des nachträglich legitimierten Sohnes Karls
Vll. Albrecht, des Grafen Franz Ludwig von
Holnstein aus Bayern 1723-1780. Wir folgen
wieder J. K. von Lippert, der sich dazu notierte
Mit dieser Arbeit erwarb zu erg.; Straub...
sich so großen Beyfall, daß lhro damals re-
gierende Churfürstliche Durchlaucht in Baiern,
Karl Albert, churmildesten Andenkens, bewogen
wurden, den Herrn Straub als Hofbildhauer
huldreichst zu ernennen". Zum kurbayerischen
Hofbildhauer wurde er am 7. Juni 1737 ernannt'.
In diesen Zeitabschnitt der bildhauerischen Tä-
tigkeit Straubs für den Münchener Hof gehören
zwei Bilderschlitten" Marstallmuseum in Schloß
Nymphenburg" Abb. und 4. Es ist keineswegs
zu hoch gegriffen, wenn man von ihnen behaup-
tet hat, sie seien wahre Gipfelleistungen"" des
deutschen Schlittenbaues im 18. Jahrhundertm.
Bevor wir uns mit ihnen beschäftigen, ist erneut
auf J. K. von Lippert hinzuweisen. Nach seinen
Aufzeichnungen, die, woran nicht zu zweifeln ist,
auf persönliche Mitteilungen des mit ihm be-
freundeten J. B. Straub zurückgehen, waren
außer allen damals bei Hof in Gebrauch be-
findlichen Paradeschlitten" auch die Parade-
wagen" mit Schnitzereien des Bildhauers ver-
sehen. Von den zuletzt genannten Stücken ist
bedauerlicherweise kein Exemplar erhalten ge-
blieben". Als willkommene Bestätigung bietet
sich eine noch unveräffentliche Aktennotiz an".
Zu ihr ist vorweg zu bemerken, daß es sich bei
lhro Excellenz" um den kurbayerischen Käm-
merer, Hofrat und späteren Hofratspräsidenten
Johann Maximilian V. Franz Xaver Graf von
Preysing-Hohenaschau 1736-1827 und bei dem
Hof Paumaister" um niemand anderen als um
Francois de Cuvillies d. Ä. handelt. Wörtlich
lautet das Zitat Vor lhro Churfürstl. Durchl.
durch Anbefelchung lhro Excellenz Herrn Grafen
Von Preysing, wie auch Von dem Hof Paumai-
ster. .. gemacht worden, wie Valgt. Verfaßt den
20." april 1766... Model zu einer Gutschen,
oder Wagen mühesamb, und zweymahl ge-
macht, verdient 30. flJJohann Babist Straub!
Churfrstl. Hofbildhauer". Ergänzt und bestätigt
wird dieser Aktenfund durch einen zweiten. Er
stammt vom 10. Januar 1762. Damals wurde die
Hofkammer angewiesen, für ein ebenfalls nicht
erhaltenes Modell für Gutschen" einen Betrag
von 45 fl. an J. B. Straub auszubezahlen". In
beiden Fällen handelt es sich bei den im Nym-
phenburger Marstallmuseum erhaltenen Stücken
um Carrousels"- oder Rennschlitten. Wir ver-
danken Heino Maedebach" den Hinweis, daß
seit dem 17. Jahrhundert bei den Hoflustbarkei-
ten auch prunkvolle Schlittenfahrten und Schlit-
tenaufzüge auf einem vorbereiteten Festplatz in
Mode kamen. Der allgemeinen Wandlung des
Turniers zum Ritterspiel folgend, beteiligten sich
auch Damen des Hofes am Wettstreit, d. h. beim
sogenannten Schlitten-Carrousel". Ein derarti-
ges Carrousel" wurde ausschließlich mit dem
Schlitten durchgeführt. Dazu benützte man künst-
Anrnerxungen l-lu Anmerkungen l-lf s. iexr
'P. Steiner, Johann Baptist Straub Münchner
historische Abhandlungen VI, München und Züric
Abb. und 4. Trotz eines Hinweises in ThB.
S. 163, blieb hier ein kleineres Straub-Porträt
403.45 Cm unerwähnt. Es stammt ebenfalls von
Albrecht. Vgl. Kat. der Gemälde des Bayerischen
nolrnuseums, Vlll, München 1908, Nr. 202. Ein vc
Straub-Neffen F. X. Messerschrnidt ausgeführtes
orträt als Bleiguß um 1768? ist verschollen. Erwi
ei Lippert, a. a. O., S. 64. Vgl. auch H. W.
All emeiner Bildniskatalog, Xll, Leipzig 1934, Nr
un 88072 Stiche F. X. Jungwirth F. J. Oefele
Beide Bilder ÖllLw.; 162-122 bzw. 162117 cm entsl
sich im Format fast vblli Vgl. Bayern-Kunst- und
Ausst. München 1972, Ka Nr. 9951996 mit Abb. S.
München, Staatsarchiv für Oberbayern. HZR1765,
Diesen wichtigen Hinweis verdanke ich Dr. P. Vo
Im vollständigen Wortlaut abgedruckt bei P.
J. B. Straub, a. a. O., S. 7-12.
fMünchen, Staatsarchiv von Oberbayern. Fasc.
Zit. nach M. Hauttmann, Stilgeschichte. Münchens
leben im 18. Jahrhundert. Preisaufgabe der Uni
München für das Jahr 1909110. Philos. Fakultät, I.
Ms. p. 76 mit Anmerkung 261 in IV, p. 293.
In Unkenntnis dieser Stelle läßt P. Steiner, Op. zit
den Bildhauer nach bis ca. 1726" in der Lef
G. Luidl sein und datiert deshalb die oben ger
Arbeiten in der Münchener Residenz viel zu spät,
die Jahre 1726l1727". Das gleiche gilt für die ang
Ankunft Straubs in Wien im Jahre 1727. Diese Al
ist schon deshalb zu revidieren, weil die erste no
bare Wiener Arbeit Straubs die 1727 datierte
maschine ist, die s. Zt. von uns veröffentlicht wurde
VThB. XXXll 1938, S. 163 N. Lieb.
C. Giedion-Welcker, Johann Baptist Straub, Münchi
Anmerkung S. 68 "eine Schlittenplastik der
burg, einen Drachenkompf sicl darstellend". P.
op. zit., Abb., Rückseite des Umschlages Diana- cl
Die ahne Be ründung vorgeschlagene Dotierung ..
ist unzutref end. Vgl. auch N. Lieb, München
Geschichte seiner Kunst", München 1'771, Abb. S. 20
H. Kreisel, Prunkwagen und Schlitten, Leipzig 1927
und 158 mit Taf. 46 und 50 B. W. Holzhausen, I1
werke auf Kufen und Rädern, Kutschen und Schlil
fröhlichen Tagen aus dem Marstallmuseum in
Privatdr. Herbig-Haarhaus A. G. Köln-Bickendarf
burg, Dez. 1954 Herbol-Nachrichten Nr. 43. L.
Marstallmuseum in Schloß Nymphenburg, Hotwag
und Sattelkammer, München 1959, Nr. und 15
und 29 mit Abb. 13714. P. E. Battelmüller, Der
zu München, München 1967, Abb. S. Strichzeii
Herkules-Schlitten.
Wenn man von der lange zurückliegenden Veröffenl
H. Kreisels vgl. unsere Anmerkung absieht, fehl
iede zusammenfassende Publikation über Schlil
deutschem, österreichischem bzw. skandiriavisctiem
besitz. Allein in den Kunstsammlungen der Veste
befinden sich 13 Carrousel"- bzw. Rennschlitfen
17. und 1B. Jahrhundert. Hinzuweisen wie bei H.
wäre z. B. auf Prunkschlitten, die einst in Sdiloß Mi
in Berlin aufbewahrt wurden Photo ehem. Staat
stelle Berlin C. 541554. Ein Schlitten befand sich
d. h. ab noch? in Schloß Schwarzburg in Thü
Vgl. Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, Fürst
Schwarzburg-Rudolfstadt, Bd. Jena 1894, S. 224 rr
auf Tat. gegen. S. 225. Ikanographisch interessante
tenplastiken Drachen bzw. Hirsch sind im Bes
Staatlichen Kunstsammlungen in Kassel bzw. im
nischen Natlonalmuseum in Nürnberg. Ein um
datierender Schlitten befand sich einst im Bes
Fürsten Auersperg. Vgl. Galerie Fisdier, Luzern.
Kat. 157, Nr. 107 mit Abb. Tat. 7. Ehemals in
Sandor, Eisenstadt, war ein süddeutscher Schlitl
Mahrenkopf um 1720. Vgl. UKT, 24, S. 132 mit Ab
und Galerie Fischer, Luzern. Verst.-Kat. 126 v. 17
1958, Nr. 149 mit Abb. Tat. 8. Von dem Prager Bi
Johann Anton Quittainer 1707-1765 haben sich
dem Jahre 1741 stammende Entwürfe für Prunks
Venus und Adonis, Centaurus und Deianira bzw
bin"?1 erhalten. Sie befinden sich im Fürstl. Löwi
Wertheim-Rasenbergsdien Ardiiv Klebeband C.
43 auf Folie 37 aufgeklebt in Wertheim. Photo
Anmerkungen 10ff.-2B s. S. 33
Münchener Hofwerkstatt um 1725 J. A.
unter Mitarbeit von J. B. Straub. Bayei
Löwe mit M.-E.-Monagramm Detail vc
Bettbalustrade. Schleißheim, Schloß, Pi
schlafzimmer des Kurfürsten
lerisch verzierte, offene, einsitzige Schlitten. Man
nannte sie zumeist Rennschlitten. Bei diesen Wett-
spielen galt es, u. a. einen Ring bzw. einen
Kranz mit eingelegter Lanze zu treffen. Der im
Schlittenkasten sitzende Herr bzw. die Dame der
Hofgesellschaft führte die Lanze, während der
auf der Sitzpritsche hinten sitzende Kavalier das
Pferd mit Hilfe langer Zügel lenkte. H. Maede-
bach, der sich sehr intensiv mit höfischen Schlit-
tenfesten beschäftigte, machte darauf aufmerk-
sam, daß derartige Schlittenaufzüge stets unter
einer bestimmten Devise standen. Sowohl der
Schlitten, das Kostüm, Kummet und SchIittenge-
Iäute" mußten harmonisch in Farbe und Form
aufeinander abgestimmt sein. Erst wenn man
die vorgenannten Prämissen als Ganzes berück-
sichtigt, erkennt man die mehrschichtigen Var-
aussetzungen, die zu der Entstehung dieses Ty-
pus des Rennschlittens geführt haben, von dem
im folgenden zu sprechen sein wird. Es steht
außer Frage, daß zu der Ausführung der ver-
gleichsweise leichten und dabei sehr elegant
wirkenden Carrousel"- bzw. Rennschlitten stets
Hofkünstler herangezogen wurden. Diese Renn-
schlitten wurden mit demselben künstlerischen
Aufwand wie die Hofmöbel iener Zeit gestaltet.
Bemerkenswert ist, wie aus dem mit bildhaueri-
schem Schmuck versehenen einsitzigen Schlitten-
kosten ein plastisches Gebilde wurde. Zu der
alten Bezeichnung Bilderschlitten" sollte in Zu-
kunft auch BildhauerschIitten" hinzugefügt wer-
den, was, von der Gattung her gesehen, ihre
spezifische Sonderstellung berücksichtigt.
Bei dem als Werk Straubs bezeugten ersten Ge-
fährt handelt es sich um einen Herkules-Schlit-
ten Abb. 5. Er ist wie sein Gegenstück, van
dem noch zu sprechen sein wird, farbig gefaßt.
Ähnlich einer Schiffsgalionsfigur wächst aus dem
geschnitzten, einsitzigen Schlittenkasten ein my-
thologisches Tierungetüm hervor. Es ist dies die
schlangenartige, angeblich hundertköpfige ler-
näische Hydra, die sich in den Sümpfen der
Landschaft Argolis aufhielt, bis sie endlich Her-
kules mit seinem Begleiter Joalos erlegte. Herku-
les ist als ein reich bewegter Akt 105x60 cm
gegeben. Mit Hilfe einer Keule, die der Heroe
in seiner Rechten trägt, holt er zu einem ver-
nichtenden Schlag gegen das Ungeheuer aus,
das er im nächsten Augenblick besiegt haben
wird. Der Bildhauer verstand es meisterlich, ge-
rade den wirkungsvollsten Augenblick des Kamp-
fes zwischen Mensch und Tier festzuhalten. Bei
dieser Darstellung handelt es sich um die zweite
Tat des Dodekathlos", die Herkules für Eurys-
theus unternahm. Ein Charakteristikum des
Straub-Stils ist, daß die von ihm geschaffenen
Skulpturen bemerkenswert flächig gestaltet sind.
Anders ist dies bei Frühwerken. Nur bedingt ist
es aus den Abbildungen zu ersehen, daß diese
Schlittenplastik fünfansichtig ist.
Bei näherem Zusehen erweist sich die Gruppe
als eine trefflich gelungene Umbildung eines um
1725 erschienenen Varlagestiches HerkuIes
und die Hydra". Er gehört zu der weitverbrei-
teten Schlittenreise", ein Stichwerk, das von
Christoph Weigel 1654-1725 in Augsburg her-
ausgebracht wurde. Hinter der dort wiederge-
gebenen Komposition nicht identisch mit der
durch Thomassin überlieferten Bronzegruppe
gleichen Themas im Schloßpark von Versailles"
steht iedach ein wesentlich älterer Typus, der
zunächst auf das frühe 17. Jahrhundert hinweist.
Gemeint ist damit der Herkules-Brunnen in Augs-
burg, der van Adrian de Vries in den Jahren
von 1596 bis 1602 geschaffen wurde". Durch
einen von Jan Muller 1602 ausgeführten Kup-
ferstich, zu dem es Vorzeichnungen Düsseldorf,
Akademie, bzw. Wien, Albertina von dem Augs-
burger Wolfgang Kilian gibt, war gerade diese
Komposition weithin bekannt geworden" Abb.
6. Um 1630 schuf Georg Petel eine freie Nach-
bildung in Form einer Statuette Augsburg, Städ-
tische Kunstsammlungen". Die A.-de-Vries-Kom-
position lößt sich ihrerseits wieder auf eine the-
mengleiche Gruppe von Giovanni Bologna zu-
rückverfolgen. Diese ist jedoch nur durch einen
Bozzetto und durch Nachgüsse überliefert.
Was die besondere ikonographische Bedeutung
einer Herkules-Darstellung, wie sie hier auf der
Schlittenplastik erscheint, anbetrifft, so ist sie
zunächst der lnbegriff der Virtus". Wie man es
einmal zutreffend formulierte, ist Herkules Sinn-
bild der rein innerweltlichen, von den christ-
Iichen Tugenden unterschiedene Bewährung". Be-
reits in der Renaissance und noch ausgeprägter
im Barock sah man in der zu den antiken He-
roen zählenden Gestalt des Herkules das Muster
des HerrschertumslÄ". Es ist daher nahelie-
gend, in der Schlittenplastik auch eine im my-
thalogisch-allegorischen Sinn erfolgte Anspie-
Iung auf den Fürsten" zu sehen, für dessen Hof-
haltung das Stück angefertigt wurde. Es war
dies der Bayerische Kurfürst Karl VII. Albrecht.
Offenbar nur kurze Zeit später erhielt Straub
den Auftrag, einen zweiten Schlitten für den Hof
auszuführen. In ikonographischer Hinsicht er-
scheint er als Gegenstück zu dem Herkules-
Schlitten. Wiederum wurde als Thema eine Dar-
stellung aus der antiken Mythologie gewählt.
Auf diesem Damenschlitten 253x290x198cm
ist Diana 112x78 cm als Göttin der Jagd dar-
gestellt" Abb. und 8. Analog zu dem Gegen-
stück ist auch diese Schlittenplastik betont mehr-
ansichtig. Die Jagdgöttin, deren Gestalt so tut,
als ob sie selbst den Schlitten lenkte, ist in ein
ganz schlichtes, zeitlos wirkendes Gewand von
hellgrüner Farbe gekleidet Abb. 9. Zu ihm
trägt sie ein enganliegendes rosa-gold lustrier-
tes Mieder und mit Riemen verschnürte Stiefel-
sandalen Abb. 10 und 11. Für die Darstellung
der sitzenden Jagdgöttin Diana gibt es im Werk
Straubs überraschenderweise ein im Typus und
Ausdruck erstaunlich verwandtes Gegenstück. Es
ist eine dem bürgerlichen Leben iener Zeit ab-
geschaute junge Frau, die ein sehr ähnliches Ge-
wand trägt. Sie erscheint als Repoussoirfigur auf
dem als Hochrelief gestalteten St.-Annen-Altar
Straubs 1755 in der Karmeliterklosterkirche in
Reisach am lnn" Abb. 12. Die Rolle einer
Schiffsgalionsfigur übernimmt an dem Diana-
Schlitten ein auffallend draller, pausbäckiger,
geflügelter Putto Abb. 13. Er trägt einen Jagd-
hut. Der auf der Deichsel balancierende Putto
markiert einen Postillon, bereit, das Jagdhorn
zu blasen, um dadurch die Ankunft der Jagdgöt-
tin, die auf dem Schlitten dargestellt ist, bekannt-
zugeben. In einer zweiten Bedeutungsschicht soll-
te der Jagdputto offenbar auch den Beginn
eines solchen Schlitten-Carrousels" ankündigen,
unter der Voraussetzung, daß der Diana-Schlit-
ten als erster auf dem dafür vorgesehenen Fest-
platz erschien. Mit dieser Kindergestalt, die wie
ein Vorläufer der berühmten Güntherschen En-
gelkinder anmutet, hat Straub wohl seinen schön-
sten Putto geschaffen. Er ist in Haltung und
Bewegung sehr ähnlich im Vergleich mit einer
anderen, etwas später entstandenen Kinderfigur.
Sie erscheint auf einem von P. Volk erkannten
Entwurf Straubs für ein höfisches Gartenarran-
gement München, Staatliche Graphische Samm-
lung, lnv.-Nr. 30.502; HaIm-Maffei 87 Abb.
14. Zwei in der Mitte des Schlittenkastens an-
gebrachte geschnitzte Löwenkäpfe sind heral-
dische Abbreviaturen des kurbayerischen Wap-
pentieres. Attributiv zu Diana gehärt das Bei-
werk, das ieweils seitlich am Schlittenkasten an-
gebracht ist. Es handelt sich anachronistisch um
die Darstellung von Jagdgewehren sowie um
das allgemein übliche Diana-Attribut eines Kö-
chers mit Pfeilen. Außer einem mit Blumen be-
kränzten Blattwerkornament sind am Schlittenka-
sten auch Gehänge von erlegten Jagdtieren Vä-
geln zu finden. Zur Vervollständigung des bild-
hauerischen Zierats gehört ein mit Laub be-
kränztes männliches Maskaran Abb.15. Es ist
wie eine Applique am unteren Ende der Deichsel
angebracht. In ihm ist offensichtlich Pan darge-
stellt, in dem man die Natur der Dinge" K. Ph.
Moritz sah. In ikonographischem Sinne ist hier
eine Erweiterung jener antiken Vorstellung ge-
geben, die durch die Jagdgöttin thematisch ver-
körpert ist. Der charakteristische Ausdruck auf
dem Pan-Maskaron erinnert lebhaft an den eini-
ger Faunsköpfe Abb. 16. Sie sind paarweise an
einem geschnitzten und ganz vergoldeten Kon-
saltisch um 1725 im Schlafzimmer des Kurfür-
sten in Schlaß Schleißheim angebracht". Die
frappierende Ähnlichkeit dieser Köpfe ist so
groß, daß man annehmen muß, daß der figür-
liche Zierat an dem genannten Schleißheimer
Kansoltisch ebenfalls zu den bisher übersehe-
nen Jugendwerken Straubs um 1725 gehärt,
von denen bereits eingangs die Rede war. Unter
Berücksichtigung aller in diesem Falle sich an-
bietenden Überlegungen kann man unseres
Erachtens zu keinem anderen Schluß kommen,
als daß der Diana-Schlitten einst der Leibschlit-
ten der Kurfürstin Maria Amalia Jasepha 1701-
1756 war, der Gemahlin des Kurfürsten Karls Vll.
Albrecht. Wie mehrfach überliefert, war sie eine
über den üblichen Brauch weit hinausgehende
passionierte Jägerin". Daß man ihr gerade
durch diese Schlittenplastik mit der ldealvar-
stellung der Jagdgöttin Diana eine persönliche
Huldigung darbringen wollte, liegt auf der Hand.
Die Ornamentsprache und stilistische Gründe
lassen vermuten, daß die beiden Bilderschlitten
zwischen 1737 und 1740 entstanden sind".
Hier ist der Ort, von einem verschollenen häfi-
schen Werk Straubs zu reden, von dem anzu-
nehmen ist, daß es ebenfalls wie andere Garten-
skulpturen das 18. Jahrhundert nicht überdauert
hat. Von diesem Werk ist iedoch weder die ur-
sprüngliche Aufstellung Nymphenburg? be-
kannt noch in welchem Jahre es ausgeführt
wurde. Der uns bereits bekannte Landesregie-
rungsrath und geheime Archivarius" J. K. von
Lippert gibt darüber eine anschauliche Schilde-
rung Nr. Zwey Bassins, in denen zwei Tri-
tonen eine große Muschel von Marmor tragen.
In der Muschel selbst sitzet in beeden Stücken
ein mit Rohren und Genien umgebener Schwan,
der Wasser auswirft. Die Figuren sind van Bley,
und vergoldet, die übrige Zubehör aber von
Marmor."
Zu den weitgehend unbekannten Werken Straubs
im häfischen Bereich gehärt ein kleines Ma-
nument" 87, 5x 35x21 cm" Abb. 17. Es befin-
det sich wahrscheinlich schon seit dem 18. Jahr-
hundert in oberbayerischem HofadelsbesitLMög-
Iicherweise wurde das Stück, das man maßstab-
mäßig auch in Porzellan hätte ausformen kön-
nen, gelegentlich als Tafelaufsatz verwendet.
Dem Thema nach handelt es sich um eine per-
sönliche Fürstenhuldigung mit ausgesprochen po-
litischem Aspekt.
Der unmittelbare Anlaß zu der Entstehung des
ikonographisch ungewöhnlichen Werkes liegt
vermutlich in der Verwendung einer originalen
Doppelgemme. Sie hat zentrale Bedeutung. Der
Vorbesitzer war, so ist zu vermuten, mit dem
Auftraggeber identisch. Der Dedikationsinschrift
ist zu entnehmen, doß das kleine Monument"
von dem Münchener wirklichen Rat und Geheim-
sekretär Thaddäus Faistenberger", einem Sohn
des Bildhauers Andreas II. Faistenberger 1647-
1736, in Auftrag gegeben wurde. Daß J. B.
31
sein. Für das kleine Monument" wurde roter,
rosa und weißer Marmor verwendet. Er steht in
wirkungsvollem Gegensatz zu der vergoldeten
Schnitzerei.
Laut Chronostichon schenkte Thaddöus Faisten-
berger dieses Werk im Jahre 1744 seinem fürst-
lichen Herrn, dem damals regierenden Kurfür-
sten Karl Vll. Albrecht 1697-1745. Seit dem
24. Januar 1742 war er bekanntlich deutscher
Kaiser als Karl Vll. Sowohl durch eine auf dem
kleinen Monument" vorhandene Inschrift, durch
das Lemma auf einem Spruchband, sowie durch
die originale Doppelgemme Kaiser Ferdinand I.
und seine Gemahlin Anna, Erbin von Böhmen
und Ungarn wird hier mit allem Nachdruck
auf die dynastischen Ansprüche hingewiesen,
die nach Aussterben der Habsburger in männ-
licher Linie 1740 der Bayerische Kurfürst als
Regredienterbe" auf die gesamten österreichi-
schen Erblande anmeldete". Ikonagraphisch be-
sonders beachtenswert sind in diesem Zusam-
menhang die beiden allegorischen Frauenge-
stalten, winzige Statuetten, die zu Seiten des
Obelisken erscheinen. In der geflügelten und
gekrönten Figur links, die auf einem Kissen die
deutsche Kaiserkrone hält, sind die österreichi-
liche Herrschaft, d. h. auf das Imperium Ro-
manum, zu erkennen. Das vorliegende kleine
Denkmal" erweist sich demnach als eine bei-
nahe utopisch erscheinende Allegorie auf den
nur vorübergehend realisierten Wittelsbachischen
Kaisertraum unter Karl Vll.
Achsenstück der Gesamtkomposition ist ein aus
weißem Marmor angefertigter Obelisk. Emble-
matisch kommt ihm eine besondere Bedeutung
zu. Dafür sind hier einige Beispiele zu nennen.
Nach der Interpretation des Ammianus Marce-
linus bedeutet Obelisk Digitus solis" Finger
der Sonne. Gleich zweimal findet sich der Obe-
Iisk in der Symbolographia" des Jacabus Bos-
sdiius SJ Dillingen und Augsburg 1701. Zuerst
als Lemma Claret ab abscuris" Er leuchtet
aus dem Dunkeln, dann bei einer Devise Et in
perspiciendis ac retegendis, aliorum" Auch
bei anderen zu prüfenden, mehr noch bei auf-
zudeckenden Begriffen". Beide Erklärungen las-
sen sich sinngemäß auf den Obelisken des
kleinen Manuments" beziehen.
Der Wittelsbachische Kaisertraum war mit dem
Tod Karls Vll. zu Ende. Er starb, erst 47iöhrig,
am 20. Januar 1745. Den höfischen Trauerfeier-
lichkeiten gemäfi wurde unter der Kuppel der
Wie es der hötische Brauch ertorderte,
alsbald der führende Hofarchitekt damit
tragt, Entwürfe zu einem prunkvollen Tra
rüst auszuarbeiten. Es kann niemand GftCll
der Oberhofbaumeister Francois de Cuvilli
wesen sein, auf den ieweils der Gesamte
zurückgeht. Daß bei beiden Stichen so
gemeinsame Züge festzustellen sind, erklä
daraus, daß, wie anzunehmen ist, beide
positionen von ein und derselben Hand
fen wurden. Die Stiche wurden von Franz
Jungwirth 1720-1790 ausgeführt. Die am
den Blättern vorhandenen Stecheradressc
kumentieren, welche Hofkünstler unter Ci
damit beauftragt wurden, ein solches Tra
rüst für die Veröffentlichung varzubereite
dem Castrum doloris für Karl VII. war de
theatermaler Nikolaus Gottfried Stuber
Gesamtarrangement verantwortlich, währe
Zeichnung auf einen nicht erhaltenen
von Egid Quirin Asam zurückgingi".
unter Cuvillies wurden aus dem gleichen
im Januar 1757 nach dem Tod der Kaiserin
die Münchener Künstler lgnaz l. Schillin
Joseph Damian Stuber damit beauftrag
Veröffentlichung dieses Castrum doloris
32
J. Struub, HerkulesvSchlilIen. München
phenburg, Marslullmuseum
J. B. Stroub, DIcnu-Schlinen. München,
phenburg, Mcrstullmuseum
J. B. SVrclub, HerkuIes-Schliüen, Defcil.
Nymphenburg, Mczrslclllmuseum
Kilian, Entwurf für den Kupfersfich
Brunnen in Augsburg, Röielzeichnung.
Graphische Sammlung Alberiina, lnv.-N
Anmerkungen 10 ff.-29 ff. Anm. 10-78 s.Tex1 5.311,31
sches Bildarchiv Nr. 103.908. Vgl. Barackmaler in Böhmen,
AlissL-Kav. 1961, Nr. 110 ahne Abb. Auf Schlitten des
Wiener Hofes wies E. Auer hin Wagen, Schlitten und
2639622117 des Wiener Hofes in Speculum Artis, 16, 1964,
"Sehr ciufschlußreich ist beispielsweise die Nachricht, nach
welcher der kuriürstliche HafrStuccateur und rMaler"
Johann Baptist Zimmermann 116804755 im Jahre 1735
einen zu Spazierfanrten in den Parkanlagen von Nym-
phenburg zu benutzenden kleinen Gartenwagen entwarf.
Fiir die Anfertigung des Madeiis wurde z. im Jahre
1735 bezahlt. München, Staatsarchiv für Oberbayern.
H. R. 11725. vgi. L. Hager, a. a. 0., 15 rnit Arie
merkung 18, S. 37.
München, Staatsarchiv für Oberbayern. H. 229335.
Diesen wichiigen Hinweis verdanke ich ebenfalls der
Freundlichkeit van Dr. P. Volk, München.
11 P. Steirier, op. zif., s. 1a.
"H. Maeaebach, Die schöne lndianerin, Carrousel- oder
Rennschlitfen. G. Kaufmann, Coburg 1677-1744, Linden-
halz, farbig gefaßt, um 1723, Gescrntlange 287 cm.
Coburg, Kunstsammiungen der Veste Cabur in Kalender
1975. Hrsg. v. d. Bayerischen Versicherungsiclmmer, Farb-
taf. SeatlOkL
Fürstellung "Der ienigen Statuen, Graupen, Bäder, Brun-
nen, Vasen.. welche dermahlen in dem unvergieich-
lichen Königl. Schlaf und in dem fül-trefflirhen Garten zu
Versailles seyn, vom Simon Thomassin, Königlichem
Kuptterstecher..., herausgegeben vom Joseph Friderich
Leaaaid in Augsburg, Anna 1710, s. mit Taf. 79.
1A L. o. Larsson, Adrian de Vrics, Wien und München
1967, s. 26 mit Abb. 32, 35 und 38. van unbekannter
Hand isi die themengleiche Skulptur nach Glovanni Bo-
lagna, Prag, Nalianaigalerie, ebenda, Abb. 39.
"Diisseidari, Akademie ihm-Nr. 501ml bzw. in Rötel aus-
geführt 3a2s4as mml in wien, Albertina llnw-Nr. 2254i.
Vgl, Wien, Alberiina iv iKai. Nr. 414 mit Tai. 140 111!
Nr. 414.
A. Schädler, Georg Peiel, Berlin 1973, Kar..Nr, s. 921
mii den Abb. 31-311.
"w. Mrazek, Zwischen Herkules und Aaalla Zur Symbo-
iilr des iiirslliehen Paiaslbaiies in der Barockzeit in Alle
und moderne Kunst, 1957, s. 19-22,
1.. Hager, Die verschollene Herkules-Folge aus dem eher
maiigen HerKulesrSaal der Residenz München in Arles
textiies, 1959760, s. 44e4a.
in diesen Zusammenhang gehören Fürstenallegorien in
Verbindung rnil einer HerKules-Darstetlung, die späteslens
seil dem 1a, Jahrhundert nachzuweisen sind, Aus einer
großen Fülle von Beispielen sei hier aiir die zeitgenössir
sche Erlaulerung zu einem Ehranbagen hingewiesen, Er
wurde am 2a. August 17560 iiir Ludwig xiv. iri Paris
errichtet. Die Zentralfigur wurde als ie ray saus la
figure de rrlereuie Gaulais" bezeichnet. vgl. K. Herding,
Pierre Puget, Berlin 1970, s. 55756. Eine portröihafte
Herrscherallegorie, die Ludwia xiv. als Herkules zeigt,
wiirde 1675 von Marlin Desiardins ausgeführt, Ein voll
signierles und datiertes Exemplar in Marmar iwashin tan
Naliariai Gallery of Art, sarniiei H. Kress calleriiani; ist
aiienbar das Madeii für eine nicht mehr ncichzuweisende
Großplastik. vgl. Pciintings and Sculptures fram the
Kress Callection aeaiiired by lhe samuei H. Kress Foun-
dalian, washinglan 195a, s. 224, Nr. a9 mit Abb. Ferner
Ethlyne and Germain saiigman, 1he iauis xlv slatue of
1675 by Marlin Desrardins in The Arl Quarrerly, 31, was,
2s4e295. Hierher gehören auch Darsieliungen, bei denen
Kaiser Karl vi. sich ofl als Hcrkulcs darstellen ließ. in
d1chter1scher Farm, d. h. durch den Haldiehler Augusts
des Starken ulrirh van Kania wurde Prinz Eugen als
Herkuies des Kaisers" bezeichnet vgl. die von Balthasar
Permoser geschaffene ApothsosiW Prinz Eugens im
unleren Belvedere in Wien. DOZU- Zeithammer, zwei
branzegriipaen des Prinzen Eugen in; Mitteilun en der
Uslerreiehisehen Galerie, 1964, Nr. 52, s. 34 f., bes.
s. 39 bzw. s. a7.
L. Hager, Marslallmuseum in Schloß Nyrn heriburg,
a. a. 0., Nr. 15, s. 29 niil Abb. 14. Bayern unsfr und
Kultur-Ausst. München 1972, Kuh-Nr. 990 mit Abb. s. 41a.
Beide Schlittenplastiken wurden in der l-idiile des
19. iahrhunderls überfaßt. Eine Entrestaurierung" isi
deshalb ein Desiderat.
c. Giedian-Welcker, a. a. 0., s. 5a.
14 H. Kreisel, Die Kunst des deutschen Möbels, ll, München
1970, s. 13a mit Abb. 35a. Maße des Kansoltisches
94.176,82 cm. H. Kreisel wies hier daraiir hin, daß derr
artige HermenrDarstelllm en sehr stark von Vorlage-
stichen von iean Bernclrd ara abhdngig seien.
Es gibt von dieser Fürstin Pariraldarsieiiun en, die sie
im zeitgenössischen Jagdkoslüm darstellen. Vggl. c. Hern-
marck, oearge Desmarees, Uppsala 1922, Nr. 77 und 7a.
Die Innenausstattung des für sie von Francois de Cuviilies
zwischen 1734 und 1739 erbauten Jagdschlößchens im
Nymphenburger Schloßpark steht völlig unter dem Malla
Jagd". Der fürstlichen Jägerin zuliebe wurde es Ama-
lienburg" genannt. van der Allane des Schlößcherls, das
damals noch in einem fürstlichen iieraarren lag, konnte
man wie auf einer Jagdkanzel Fasanen schießen.
Nach J. K. von Llppert Nr. 91 besaß die verwittibte
Frau Fürstin Porlia" 11714-1752, geb. Freiin Topor Mora-
witzky, spätere Hafdame der bayerischen Kurfürstin und
langiährige Mailresse de titre" des Kurfürsten, eine von
der Hand Strciubs ausgeführte Diana und neben der-
selben einen Genium mit Waldhorn". Demnach muß es
sich hier um eine sehr ähnliche Kambasiiian wie bei der
lhemengleichen Plastik des Diana-Schllttens gehandelt
haben. weiehe Fassung dabei die frühere wclr, läßt sich
heute nicht mehr entscheiden. Das Porträt dieser Dame,
angeblich einsl im PorticiePalais in München, wurde van
George Desmarees gemaii. Vgl. Kat, Der Staats aierie
Stuttgart, Alle Meister, sluiigarl19a2, 5.61762 milA b. 41.
11 Bayern Kunst- und Kultur-Ausst. München 1972, Kot.-
Nr. 959. Die Identifizierung wird Dr. A. Schädlerverdankt.
Thaddäus Faistenberger gelangte um 174a in den Besitz
des Hauses Theatinerstraße Nr. 311 Kalasterplan Nr. 1541i.
Seit dem 17. Mdrz 1aa4 gehörte es seinem vaier, dem
Bildhauer Faistenberger lgest. 9. 12. 1735i. Ein bruder
war um 174a als Pater Chrisoyanius in der benedilrriner.
abtei Tegernsee. Thuddäus Faislenbarger muß vor dem
20. Juni 1761 gestorben sein, weil an diesem Tcig Maria
Katharina, seine Witwe, das Haus zusammen mit ihren
Kindern geerbt halle. Vgl. Höuserbulzh der sladl München,
München 1953, 5.423.
van oben nadi unten sind auf dem Manumenw folgende
lnschrifterl angebracht
1. Inschrift mir Chronagrarnm. Q'Van Do velili ..
pcrtes ran vna stirps ANNAE vnc vA Ceptra
feret 17441.
Anmerkungen 29 ff.-31 s. S. 35 bzw. S. 37
bereiten". Bei einem Vergleich der beiden Dar-
stellungen der Trauergerüste fällt auf, daß die
zu Füßen des Kenotaphs erscheinenden allego-
rischen Figuren sich formal und ikonographisch
entsprechen. Außer der Justitia und Prudentia
den typischen Herrschertugenden sind es ie-
weils zwei weibliche Allegorien, die mit Trauer-
gewändern bekleidet sind. Mit einem zeitgenös-
sischen Ausdruck, von dem noch zu sprechen
sein wird, hat man sie wohl ebenfalls als Dar-
stellung der Traurigkeit" zu interpretieren. Für
ein in Traur gekleidetes Weibsbild" hat Der
Kunst-Göttin Minerva Liebreiche Entdeckung...
aus des berühmten ltialianers Ripa Anleitung"
Augsburg 1704, p. 273; 32, Klasse, Nr. 12 eine
andere ikonographische Erklärung parat. Nach
dieser Quelle handelt es sich bei einer derartie
gen Allegorie stets um eine Betrachtung des
Todes". Bisher unbekannt ist, daß niemand an-
10
derer als Johann Baptist Straub es war, der die
kurzlebigen Figuren für beide Trauergerüste
schuf Abb. 20. Der Beleg dafür ist wiederum
J. K. von Lippert. Er notierte Straub machte für
den churbaierischen Hof ...die Statuen zu den
Trauergerüsten des eben erwähnten Kaisers und
seiner durchlauchtigsten Gemahlin Maria Ama-
lia". Beschäftigt man sich aufgrund dieses zeit-
genössischen Hinweises einmal etwas genauer
mit den Trauergerüststichen, so glaubt man trotz
der stilistisch etwas verwischenden Wiedergabe
durch die Reproduktion noch immer Spuren der
einstigen figuralen Erfindung Straubs feststellen
zu können. Sie beziehen sich auf die unver-
wechselbare Art der Haltung und Bewegung und
ebenso auch auf den charakteristischen Aus-
druck.
Auf ausdrücklichen Wunsch des Fürsten wurde
das Herz Karls VII. am 31. März 1745 nach Alt-
ötting in die dortige Wallfahrtskirche überl
Hier wurde das Herz zunächst provisarisc
gesetzt, während der Körper am 25. Janua
in der Hafgruft der Theatinerhofkirche St.
tan in München bestattet wurde". Nicht ei
wurde bisher, daß in diesem Zusammenha
archivalischer Eintrag vom 10. Januar 174
hört. Damals wurde die kurfürstliche Hc
mer angewiesen, wegen Anfertigung vor
verschollenen Modellen für einen kaisei
Sarkophag" an J. B. Straub ie einen Betrc
25 und 20 fl. zu bezahlen". Zur Vereinigui
Herzen seiner Eltern hatte Kurfürst Max
seph eine mit der Kaiserkrone versehene
urne aus Silber anfertigen lassen, in die
den Kammerherrn Ferdinand Graf von
am 26. Oktober 1757 die Herzen in dem
längst vollendeten Kardiotaph beigesetzt
den. Es war dies die Voraussetzung für di
B. Straub, Diana-Schlitten. München, Nym-
ienburg, Marstallmuseum
B. Straub, Diana-Schlitten, Detail von links
ckwörts. München, Nymphenburg, Marstall-
useum
B. Straub, Diana-Schlitten, Detail. München,
ymphenburg, Marstallmuseum
J. B. Straub, Diana-Schlitten, zwei Details.
ünchen, Nymahenburg, Marstallmuseum
B. Straub, Junge Dienerin mit Wiege, Detail
im SL-Annen-Altar T757. Reisach am lnn, Kar-
eliterklosterkirche
B. Straub, Putto mit Hitthorn, Detail vom
ana-Schlitten. München, Nymphenburg, Mar-
allmuseum
B. Straub, Putta, Entwurf für eine Gartenvase,
etail. München, Staatliche Graphische Samm-
ng, lnv.-Nr. 3050i
B. Straub, Pan-Maskaron, Detail vom Diana-
hlitten. München, Nymphenburg, Marstall-
useum
Effner, Entwurf, Ausführung Münchener Hof-
erkstatt, um 1725 unter Mitarbeit von J. B.
raubt. Satyrbüsten von einer Prunkkonsole.
hleißheim, Schloß, Paradeschlafzimmer des
irfürsten
"kungen 29 tf. s. Text S. 32
irkungen 30-35 s. S. 37, 3B
wischrift der Gernrrte ROl Ferd. l.
JNGÄl.
ittlere Qbeliskeninschrift AUGUSTISSIMO CAROLO
ROM IMPERATORI. FERD. ANNAE. FE
IQ HAEREDI hunc lconisrnum affert".
if dem Snructibartd der linken Figur EX THALAMOI
iALAMO" Durch Ehebett und Schreibfeder d. h.
a9.
tn dem Spruchband der rechten Figur ist entziffer-
Ietil qui nasceri abillis IMPERIUM
ANNA
Slri
lockelinschritt Devotissimus Servus Thadaeus
eriberger Corisil. act et Secretarius intimus".
Ansprüche das Wittelsbachischen Hauses auf die
Ttteri österreichischen Erblartde leiteten sich aus der
andtschaft mit dem Habsburgischen Haus ab. Erz-
igiri Anna, älteste Tochter Kaiser Ferdinands I. und
Gemahlin Anna van Jagelloriien, Erbin von Boh-
und Ungarn, war mit Herzog Albrecht V. von Bayern
4579 verheiratet. Das von Kaiser Ferdinand l. am
irii 1543 errichtete Testament, Ehevertrag und der
erzicht T546 seiner Tochter spielten dabei eine be-
inde Rolle. Als der bayerische Kurprinz Karl Albrecht
arrt 5. Oktober 1722 mit der zweiten Tochter Kaiser
llS l., Maria Amalia Josepha, in Wien vermählte,
lt er die Hand der Kaisertochter nur unter der
igurig des Erbverzichtes und der Anerkennung der
Tiatischen Sanktion, Durch die später erhobenen An-
tie Kurbayeriis auf Üsterreich entstand der Bayeri-
Erbfalgekrieg ln aalitisdier und militärischer Hin-
endete er mit einem Fiasko.
stehung eines der unbestritten schönsten Grab-
möler des süddeutschen Rokoko. Gemeint ist
damit das von J. B. Straub errichtete Kardiotaph
für Karl Vll. Es entspricht damit zugleich auch
dem Typus eines Parträtepitaphsß Abb. 21. In
dieser beide Aspekte umfassenden Kombination
ist das Altöttinger Epitaph iedoch zweifellos ein
Unikum. Außer der dort angebrachten Künstler-
signatur ist es als sichere Arbeit Straubs wieder-
um durch J. K. von Lippert bezeugt. Er schrieb
darüber Straub machte für den churbaierischen
Hof das Grabmal Kaiser Karls des Vll. nach
Altenöttingen die Traurigkeit hält das Par-
tröt des höchstseligen Kaisers, und die dabey
angebrachte Urne ist mit dem Reichsadler und
Trophäen gezieret. Dieses Werk ist von gegos-
sener Arbeit und vergoldet." Tatsächlich handelt
es sich hier um eine Blei-Zinn-Legierung, die,
um das Material der Bronze anzugleichen, auf
kaltem Wege vergoldet wurde. Dieses technische
Verfahren ist mehrfach bei J. B. Straub und auch
sonst für den Münchener Kunstkreis W. de
Grott, E. Verhelst, lgnaz Günther, R. A. Boos
u. a. zu belegen. Die Oberflächenwirkung eines
was-r... es. n. 11......
w. 1..., a..." um um nannte. bvxematn
1B
solchen Materials kontrastiert mit dem warmen
raten Farbton des Marmors, aus dem der ta-
bernakelartige Aufbau besteht. Gegenüber dem
Gnadenbild in der Heiligen Kapelle" in Alt-
ötting ist eine tiefe, halbrunde Nische ausge-
spart. ln ihr wurde das Kardiotaph Kaiser Karls
Vll. aufgestellt. Zweifellos berücksichtigt dieser
Ehrenplatz gegenüber dem Gnadenaltar die Tat-
sache, daß der Kaiser der ranghöchste aller
Wittelsbacher Fürsten war. Zugleich zeigt die
genau vorgeschriebene Aufstellung aber auch,
daß dadurch das Motiv der Ewigen Anbetung
symbolisiert werden sollte. Dies ergibt sich aus
dem Wortlaut einer heute nicht mehr vorhan-
denen Inschrift; Virginiae gratiaque plenae in
sua statua propitiae Carolus septimus. Quod
vivus vavi moriens quoque cortibi sacro" Karl
Vll. Der in ihrem Altättinger Bild geneigten
gnadenvollen Jungfrau und Gottesgebärerin.
Wie als Lebender ich gelobt habe, weihe im
Sterben ich auch Dir mein Herz". Nach dem
Bericht des Altöttinger Dechanten war ein provi-
sorisches Epitophium chronolagicum" mit die-
ser Inschrift über der Stirnseite des damals erst
in Vorbereitung befindlichen Kardiotaphs ange-
bracht. lm Zeichen der persönlichen Frömmig-
keit des Verstorbenen steht eine Inschrift, die in
eine Rocaillekartusche unterhalb der Portrötbüste
eingraviert ist; IN MEMORIA AETERNA
ERlT JUSTUS PSALM lll, Vll" Psalm 111,7;
nach Allioli lautet die Stelle vollständig ln ewi-
gem Gedächtnisse wird der Gerechte sein, sich
nicht fürchten vor bösem Gerüchte. Sein Herz ist
gefaßt und hattet auf den Herrn. Eine dritte
Inschrift, die individuelle Züge einer persönli-
36
m4 Hnloilfäl
Örldrll cmou Vllm
man. a. s.-
man "kann ..
19
chen Widmung der Kaiserinwitwe? erkennen
läßt, ist auf einem Schild eingraviert. Diesen
trägt der trauernde Löwe als Wappentier des
Wittelsbachischen Hauses AMOR POST
FATA SUPERSTES" Die Liebe bleibet auch
nach schwerem Geschick; Liebe überdauert den
Tod. Um den Tabernakel" mit seinem nicht zu
übersehenden sakralen" Bezug ist die Bleipla-
stik so gruppiert, daß sie als einfassende Rah-
mung erscheint. Die auf der linken Seite des
Kardiotaphs angebrachten kurbayerisch-kaiser-
lichen Fahnen haben einen ausgesprochen bild-
mäßigen Charakter. So entspricht die obere Fah-
nendarstellung einer unter Karl Vll. verwende-
ten lnfanteriekompaniefahne mit weiß-blau ge-
rautetem Blatt vgl. ein Originalfragment im
Bayerischen Armeemuseum in Ingolstadt. Das
gleiche gilt für die Reiterstandarte unten. Auf
ihrem Fahnenbild, soweit zu erkennen, ist der
kaiserliche Doppeladler mit aufgelegtem Wit-
telsbacher Wappen dargestellt".
Schon beim ersten Blick ist das dem Herzurnen-
denkmal zugrunde liegende ikonographische
Programm zu erkennen. Rings um den Taber-
nakel" entfaltet sich eine mehrstufige Allegorie
auf die Trauer". Sie wird durch den matten
Flügelschlag des Reichsadlers halbrechts oben
und durch die in sich gekehrte, nach unten blik-
kende Figur der Traurigkeit" J. K. von Lippert
rechts sowie durch den klagenden" Blick des
nach oben schauenden Löwen links unten sym-
bolisiert. ln ähnlicher Formulierung erscheint
eine solche Figur der Traurigkeit" bereits bei
den Straub-Gestalten aufden von uns schon vorge-
stellten Castrum-doloris-Darstellungen sowie auf
-ißTm Hmma BLAmxLw. IHIP.C1LS.CAIIOLI Vli Ninun. Mamxcn
Rutcmmu Tempo CLEMCORUH REGULAMIIM ANMDCCIAULH
IANUAIID Pno SOLEMNI EXEQLIARUH APPARNPU ERECTUM
zwei Epitaphien, die der Bildhauer für Ang
rige des Münchener Hatadels errichtete. Sie
den für Maria Josepha Gräfin von Törring
tenbach 1754, die erste Frau des Hofkan
präsidenten, in der SL-Georgs-Kirche in
chen-Bogenhausen und für Maria Theresia
fin von Törring-Jettenbach 1756, die Gern
des kurbayerischen Generalfeldmarschalls,
Gräfin von Arca, in der ehemaligen Augus
chorherren-Stiftskirche in Au am lnn
stellt".
Beherrschender Mittelpunkt des Altöttinger
diotaphs ist die Kaiserbüste. Der Kaiser erst
hier in der antikisierenden Rüstung eines
schen lmperators. Er trägt eine bis zu den
tern herunterreichende Perücke. Seiner
entsprechend ist er als Laureatus" darge
Nur an Ort und Stelle ist genau erkennbar
Kopf- und Blickrichtung nicht axial sind, so
daß sie sich gleichsam aus der Nische he
zuwenden scheinen. Damit beziehen sie sicl
deutig auf den Gnadenaltar.
Die geradezu sprechende Ähnlichkeit in der
siognomie des Fürsten im Vergleich zu zt
nössischen Paradebildern Karls Vll., von
insbesondere die von George Desmaree
malten wie zahlreiche Darstellungen en faci
en profil auf gleichzeitigen Medaillen und
zen F.-A. Schega zu erwähnen sind, lö
an sich naheliegende Frage aus, ob die
zeichnete Qualität des vorliegenden Bild
nicht die potentiellen Möglichkeiten StrauE
weitem übersteigt. Es gibt jedenfalls nicht
nähernd Vergleichbares in seinem Werk
Frage ist sofort beantwortet, wenn man
B. Straub, Kleines Monument" für Kaiser
irl Vll. 87,5x35x21 cm, 1744.0berbayerischer
ielsbesitz
G. Stuber, E. G. Asam, F. X. Jungwirth nach
Cuvillies, Castrum doloris für Kaiser Karl Vll.,
45. München, Stadtarchiv, lnv.-Nr. lV,12
Schilling, D. Stuber, F. X. Jungwirth nach
ivillies, Costrum doloris für die Kaiserin-
twe Maria Amalio, 1757. München, Stadtar-
iv, lnv.-Nr. lV, 13
Schilling, D. Stuber, F. X. Jungwirth noch
lfWUff F. Cuvillies und J. B. traub, Vier
guren vom Castrum doloris für die Kaiserin-
twe Maria Amalia, Detail von Abb. 19. Mün-
en, Stadtarchiv, lnv.-Nr. IV, 13
kungen 30-62 s. Text S. 32, 34
enannte Sinnbild findet sich unter der Gruppe der
entia". Vgl. Classis lll completens Symbola Ethica,
mit Abb. Tab. XLIX, Nr. CMl.Xll. Beide Male
ht sich das Lemma auf jenen aus Agypten stammen-
Dbelisken, der einst das Ehrenmal Darnitians auf der
Kp ia war. Anlößlich der mit großem Prunk began-
Feierlichkeiten für das Heilige Jahr 165D wurde der
iliscus Pamphylius" 1649 auf der Piazza Navona
len des von Bernini erriditeten Vierstrümebrunnens
aufgestellt.
tjenjVHisEorischer Verein für Oberbayern, Stadtarchiv,
r.
ritt des Stiches 337113 mm Hoches Traur-Gerüst
ven Seiner Weylond Kayserl Maiestät Caroli Vll.
etc. Aufgerichtet bey denen wohl-Ehrw. H. H. PP.
inern zu München. in der höche von 120 in breite
45. schuch. den Z4. 26. 27. Mertz. anno 1745".
eradresse N. Stuber. lnv. E. Asam del. F. X.
vierth sc. Manachy". Der gleiche Stich befindet
auch im Stadtmuseum in München Z. 1645. B. 18.
N. Lieb und H. J. Sauermast, Münchens Kirchen,
hen 1'773, Abb. 137, S. 125. M. Schattenhafer, Von
an, Kurfürsten St Kaffeesiedern etcetera. Aus Mün-
Vergangenheit Neue Schriftenreihe des Stadt-
rs München, Bd. 7B, München 1974, Abb. S. 163.
ljen, Historisdier Verein für Oberbayern, Stadtarchiv,
r. lV. 13.
ritt des Stiches 355 25l mm CASTRUM DOLORlS
USTIS MANIBUS M. AMALlAE lMP. CAES. CAROL!
VIDUAE MONACHII lN ELECTORALI TEMPLO
ICORUM REGULARIUM AN. MDCCLVll. MEN
xTNUARIO PRO SOLEMNI EXEQUlARlUM APPARÄTU
UM".
rkungen 36-41 s. S. 3B
d. h. in diesem Falle eine Tatenmaske, zugrunde
liegt. Eine andere Beobachtung besteht darin,
hier Bildnis" mit Bildnis" zu konfrontieren.
Damit ist gemeint, daß überraschenderweise das
nicht erhaltene Modell, das einst für den Guß
der Kaiserbüste diente, fast in Lebensgröße auf
einem zeitgenössischen Gemälde abgebildet ist
Abb. 22. Von diesem Bild, das den Bildhauer
J. B. Straub in seiner Werkstatt wiedergibt, war
bereits eingangs die Rede. Auffallend ist, daß
die Kaiserbüste auf diesem Gemälde wie in
Form eines Bildhauerattributes erscheint. Auf
einem drehbaren Bildhauerschemel erhöht auf-
gestellt, spielt die Kaiserbüste hier eine Haupt-
rolle. Sie erscheint zur Linken des sitzend wie-
dergegebenen Bildhauers, der auf dem Bild den
Betrachter anzublicken scheint. Wie schon ein-
gangs gesagt wurde, stammt das im Jahre 1763
entstandene Bild von B. A. Albrecht München,
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, lnv.-Nr.
2765l46fDet.". Daß es sich bei der hier wie-
dergegebenen Büste zweifellos um das ursprüng-
liche Gips?-Modell gehandelt haben muß, sieht
man aus der Wiedergabe eines länglichen Mo-
dellierholzes, das der Künstler als Zeichen seiner
Modelliertätigkeit in seiner Rechten hält. Auf
dem gleichen Gemälde erscheinen noch zwei
andere ebenfalls nicht erhaltene Modelle
Straubs. Wie die Kaiserbüste, so wurde auch das
gleich zu nennende Modell vom Hof in Auf-
trag gegeben. Auf dem Bild erscheint im Hinter-
grund rechts eine Weiß in Weiß gemalte Sta-
tuette Abb. 23. Diese weibliche Figur, gekrönt
mit einer Corona turrita, ist in ein antikisieren-
des Gewand gekleidet. Sie hält ein Kind an
der entblößten Brust. lkonographisch handelt es
sich hier eindeutig um eine Darstellung der an-
tiken Erdgöttin Cybele. Eine solche Figur sollte
von Straub für das Grand parterre in Schloß
Nymphenburg in Marmorausgeführtwerdemwo-
für es zwei urkundliche Belege gibt. Am 10. Ja-
nuar 1762, d. h. genau ein Jahr vor der Vollen-
dung des Straub-Porträts, erfolgte eine Resolu-
tion an die Hofkammer, an Straub wegen An-
fertigung eines Modells für die Göttin Cibela"
den Betrag von 40 fl. auszubezahlen. Bei dem
abgebildeten Modell handelt es sich offenbar
um eine eigenhändige Replik, die jedenfalls 1763
noch im Besitz des Bildhauers gewesen sein muß.
Mit der Ausführung des vor 1762 zu datierenden
Dies geht aus dem Wortlaut einer zweiten Ur-
kunde hervor. Sie stammt vom 20. April 1766.
Damals wurde von Straub an das Hofzahlamt
eine Forderung erhaben. Sie bezog sich auf die
Herstellung eines erneuerten Modells für die
Cybele welches Modell nicht allein müesamb,
sondern auch bis mahl dergleichen gemacht
auf allerhand stehlungen bis es guet ausge-
fallen"3'. lm großen Format scheint diese Figur
jedoch niemals ausgeführt worden zu sein. Bei
einem dritten Modell, das rechts unten auf dem
Straub-Porträt wiedergegeben ist, handelt es
sich um den verschollenen plastischen Entwurf
für die St.-Johann-von-Nepomuk-Gruppe 1751,
eine aus Eichenholz geschnitzte Brunnenplastik
Abb. 24. Sie war einst vor der Fassade des
Jesuitenkollegs in München aufgestellt". Über
die besondere lkonographie des van B. A. Al-
brecht im Jahre 1763 ausgeführten Straub-Por-
träts ist hier zusammenfassend festzustellen, daß
es für eine bestimmte Zeitphase des Werkes des
hier Dargestellten einen auffallenden Dokumen-
tationscharakter besitzt. Daß auf dem Gemälde
keine vollendeten Werke, sondern ausschließlich
Modelle abgebildet wurden, beweist, welchen
Wert Straub gerade auf ihre Darstellung legte.
Er wollte mit ihnen zusammen verewigt sein. Es
ist dies zugleich ein Beweis für die Sichtbarma-
chung von künstlerischen lnventionen. Dies ist
typisch für die Kunstvorstellung des Barock.
Aufgrund der Jahreszahl 1745", die neben der
Künstlersignatur Straubs auf dem Altöttinger
Kardiotaph erscheint, glaubte man bisher irr-
tümlich, daß dieses Werk bereits in dem eben
erwähnten Jahre fertiggestellt gewesen sei. Tat-
sächlich wurde jedoch das Herzurnendenkmal für
Karl Vll. frühestens am Ende des Jahres 1748
vollendet. Diese wesentlich später anzusetzende
Dotierung ergibt sich aus einem Brief vom
19. November 1748. Damals teilte der kurbaye-
rische Konferenzminister seit 1747, Direktor des
Geheimen Rates und Obristhofmeister Johann
Maximilian IV. Emanuel Graf von Preysing-Ho-
henaschau reg. von 1739-1764, der Kapellver-
waltung in Altötting mit, daß das Herzurnen-
denkmal bei J. B. Straub eben" in Arbeit sei".
Als der Bildhauer am 26. Januar 1758, also
rund zehn Jahre später, eine Eingabe bei dem
kurfürstlichen Hofzahlamt wegen Gehaltserhö-
hung machte, erwähnte er seine Verdienste. Un-
21 B. Straub, Kardiataph Herzreliquienscl
ur Kaiser Karl Vll., um 1748. Altötting, H1
Kapelle
22 Nicht erhaltenes Modell für die Büste Karls
Detail von Abb. 1. München, Bayerische St
gemöldesammlungen
23 Nicht erhaltenes Modell für öttin Cibela
1752, Detail von Abb. 1. München, Bayei
Staatsgemäldesammlungen
24 Nicht erhaltenes Modell für die SL-Jahann
NepamukcGruppe, um 1751, Detail van A1
München, Bayerische Staatsgemaldesainmli
.1. B. Straub, Geschnitzler Konsoltisclt, um
84,5 104,5 x56,5 cm. Karlsruhe, Badisches
desmuseum, lnv.-Nr. 61169
Anmerkungen 32 ff 35 s. Text S. 34, 35
Anmerkungen 36-41 s. Text S. 36, 37
Anmerkung 42443
Inschrift auf dem Kenotaph AUGUSTI CINE
MARIAE AMALIAE IMP. CAES. CA Vll. VID
Stecheradresse lgnat. Schilling Pinxi Damian
del. Fra. Xav. lungwierth. 5c Man."
Für die sich farmatmößig entsprechenden beiden
lungen wurde jeweils der gleiche Standort gewahl
Gedenken an die Trauerfcicrlichkeiten erschienen
werke. Sie sind ieweils mit 22 Tafeln versehen.
Entwürfen van lgnaz 1. Schilling wurden sie von
Xayer Jungwirth angefertigt. Ihre Titel lauten
phus virtutum in funere Caroli V11. Ramanorurn lr
tor..." 1745 und Funebris Memaria Maria
Rom. lmp." 1757. Vgl. lhB. XlX, S. 332.
Zu dem Leichenbegängnis, den Exequien und de
quiem vg1. F. J. Lipawsky, Lebens- und Regie
geschichte des Churfürsten von Bayern Karl Albert
maligen Kaisers Karl Vll., München 1530, S. 471 ft.,
bzw. ebenda Erbschaftsansprüche, S. 245 Anmerkur
Zu dem Vorgang vgLi M. A. König, Weihgab
u. L. Frau in Altötting, München 1919, s. 26a
11 und 12 mit Tat. 3a, sowie ebenda, 11, Müncher
S. 421, 4291430.
P. Steiner, ap. zit. s. 16 und 17 mit Abb. iai
vom 3. Februar 1762.
Auf dem Schild in der Pranke des Bayerischen
steht als Künstlersignatur J. Straub sc a. D.
Früheste zeitgenössische Abb. Stich be J. A. Z1
mann, Churbayrischer Geistlicher Kalender, 11,
1755, S. 181. KDB Oberbayern 111, München 1903
240a mit Abb. c. Giedion-Welcker, a. a. 0.. s.
Anmerkung 92, S. 73. A. ulner, Münchner
Skulptur, München 1922, mit Abb. 36. J. C.
Alta gs Kunstgeschichte und Wallfahrt
rische Heimatstudien, Watzling 1931, S. 42 mit Tr
R. Bauer, Die bayerische Wallfahrt Alt ting,
1970, S. 29 mit Abb. 64. P. Steiner, ap. S.
mit Abb. 35.
A. König, a. a. O. S. 269 und 277.
se wichtigen Hin eise verdanke ich Dr. F.
München. Vgl. dazu H. Fahrmbacher, Zur Entwicl
geschichte der bayer. Fahnen und Standorten Farl
Das Bayerland, 22, 1911, Abb. 10-12, S. 966l96
Abb. 14, S. 788.
P. Steiner, ap zit., S. 47 ff. u. 56 ff. mit den Abb. 35
"Unabhängig vom vr. erkannte inzwischen nucn-
ner, ap. s. 55 rnit Anmerkung 12 s. e.
Zusammenhang. Völlig unverständlich erscheint
dem V1. die van P. Steiner aufgestellte unbevi
Behciupt ng, daß die auf dem Gemälde ab el
Kaiserbüste angeblich aus Marmar" ausge
wesen sei mit der Begründung das Bildhauen
Marmor galt als der yarnehmste Zweig der Skulpti
ist leichter darzustellen als die Gußherstellung".
derer Stelle S. 19 mit Anerkennung 17, S. 32 stel
doch P. Steiner widersprüchlich dazu fest, daf
Ausführung von Sleinskulptur bei Straub nicht zu
sei, sondern daß er dafür stets Hilfskräfte verv
mußfe. Mit dieser Ansicht sind wir konform.
Auch dieser Zusammenhang wurde s. Zt. von ur
deckt. vgi. a. Woeckel, Die Brunnenanlagen
Münchener Jesuitenklaster im Wandel der Jahrhui
in Alte und maderne Kunst, 76, 1964, S. ff., bes.
und S. 12
M. A. König, a. a. O., Anmerkung 151, S. 269.
P. Steiner, op. 111., 5.16.
"lnin-Nl. 61169. Badisches Landesmuseum,
bungsbericht 1952 bis 1964 in. Jahrbuch der Staa
Kunstsammlungen in Baden-Württemberg, 1964,
Badisches Landesmuseum. Neuerwerbungen 195i
Karlsruhe 1966, S. 167 mit Abb.
"Völlig unverständlich erscheint mir eine yan P.S
ap. zit., S. 114 mit Abb. 85186 hier 1742 Wtll
angenommene Datierung auf um 1745".
H. Kreisel, Die Kunst des deutschen Möbels, a. a.
S. 176. Diese? weiß gefclßte Kansaltisch im 51
befi det sich heute in Schlaf! Berchtesgaden, lttßlS
Ausgleichstands. Nach H. Kr tAbb. 459 vicllci
Werk von Simon Pruckher. vgl. dazu auch Eg-
Kunst- und KulturcAusst. München 1972, KaL-Nr. 984
H. Kreisel, a. a. 0., I1, S. 172.
H. Kreisel, a. a. 0., 11, Abb. 456. Insgesamt sin
Stück erhalten 56,5 0450 cm.
H. Kreisel, a. a. 0., 11, S. 176.
nweis auf die Ausführung der Münchener
irunnen nannte er seine technische Bega-
in Ton, Marmor und gegossener Arbeith".
iichen Gesuch wies J. B. Straub auch auf
hiedene Arbeith für das neue Operahauß"
Iuvillies-Theater hin, und gleichzeitig be-
sich auf die Ausführung des Epitaphium
Heyl. Capellen nachher alten Oettingm".
ide der für den kurfürstlichen Hof in Mün-
yeschaffenen Werke Straubs steht ein von
aschnitztes Ziermöbel Karlsruhe, Badisches
smuseum" Abb. 25. Es handelt sich um
aus Lindenhalz geschnitzten, ursprünglich
vergoldeten Konsoltisch mit zugehöriger
Vlarmorplatte 84,5xl04,5x56,5 cm. Zwei
Mittelachse angebrachte vollrund ge-
Lte Puttenköpfchen sind kennzeichnend für
an der Hand eines Bildhauers stammen-
ierat. Mit einer geradezu nachtwandleri-
Sicherheit ist der obere Puttokopf in die
irochene Mittelkartusche hineinplaciert,
war so, daß es den Anschein hat, der
"kopf würde sich im nächsten Augenblick
ie Racaillekartusche verwandeln wollen.
uttokopf, dessen Blick nach unten gerich-
trägt einen Hut mit breiter Krempe. An
linken Seite erscheinen Blumen. Dieser
opf verkörpert den Frühling", und sein
am Steg unten angebrachtes Gegenstück
len Sommer" Ährengarbe dar Abb. 26.
eichnenderweise ist der Blick dieses Kin-
.ichts nach oben gerichtet. Vermutlich hat-
Konsole einst ein Gegenstück. Es ist zu
ten, daß auf ihm Herbst" und Winter"
lllS in Gestalt von Puttenköpfchen darge-
waren. Mit den korrespondierenden Ge-
cken hatte man ursprünglich ein kleines
logisches Programm vor Augen, wie es
elen Inneneinrichtungen iener Zeit in ähn-
Weise gestaltet war. Die hier anzutref-
Puttenköpfchen mit ihrem fülligen Ge-
hren tief eingeschnittenen Augen und der
ase sind für J. B. Straub ungemein cha-
stisch. Aus einer Fülle von hier nicht zu
iden Vergleichsbeispielen sei lediglich an
sgelassenes Engelkinderpaar in vergolde-
ssung erinnert. Es wurde von J. B. Straub
in Tabernakel des Rasenkranzaltars um
Dießen am Ammersee geschnitzt" Abb.
it dem Karlsruher Konsoltisch ist ein the-
eiches Stück zu vergleichen, das sich einst
26 J. B. Straub, Sommer", Detail van Abb. 25.
Karlsruhe, Badisches Landesmuseum
27 J. B. Straub, Puttengruppe mit Blumenkranz,
Detail vom Rosenkranztabernakel, um 1739. Die-
ßen am Ammersee, ehemalige Klosterkirche
in der Münchener Residenz befand". H. Kreisel
schlägt dafür eine Datierung in die Zeit um
1750" vor. Sinngemäß ist diese auch auf die
Karlsruhr Konsole zu beziehen. Nicht zu über-
sehen ist iedoch, daß die Qualität des von J. B.
Straub geschnitzten Kansoltisches um vieles hö-
her ist. Wie H. Kreisel überzeugend nachwies,
war gerade das gefaßte und geschnitzte Möbel
eine Eigenart der Münchener Hofkunst, die bis
in die sechziger Jahre weiterlebte, das heißt,
so lange wie Cuvillies die Raumausstattung be-
stimmte"". ln welchem Maß ein solches Urteil
wörtlich zu nehmen ist, zeigt ein vergleichender
Blick auf iene weiß und gold gefaßten Konsol-
tische, die im Auftrag des Grafen Seinsheim
nach Entwürfen des Oberhofbaumeisters Cuvil-
lies für den Festsaal in Schlaß Sünching ausge-
führt wurden". Sie wurden von dem einstigen
Straub-Schüler, dem Bildhauer lgnaz Günther,
um 1762 geschnitzt. Mit dem von J. B. Straub
ausgeführten Konsoltisch sind sie qualitativ
gleichrangig, wenngleich dieser durch seinen
dort nicht vorhandenen figürlichen Zierat ent-
schieden noch aufwendiger ausgestattet ist. Ihre
ins Auge springende Ähnlichkeit verdanken sie
der Tatsache, daß, wie bereits erwähnt, sie auf
nicht erhaltene Entwürfe von Cuvillies zurück-
geben. In beiden Fällen handelt es sich um
ausgesprochene Bildhauermöbel"". Die er-
wähnten Ziermöbel gehören zu den schönsten
Stücken des Münchener Hofmöbels, die in den
ersten Regierungsiahren des Kurfürsten Max lll.
Joseph 1745-1777 entstanden. Statt Straub"-
bzw. GüntheW-Möbel könnte man sie mit dem
gleichen Recht auch als Cuvillies"-Möbel be-
zeichnen.
Zusammenfassend ist zu den hier keineswegs
vollständig erfaßten höfischen Werken J. B.
Straubs festzustellen, daß er ieweils sein ganzes
Können einsetzen mußte, um derartig hohen An-
forderungen gerecht zu werden, wie sie von sei-
ten des Hofes an ihn gestellt wurden. Man muß
dem Bildhauer bescheinigen, daB es ihm jedes-
mal gelang, dafür die optimale Lösung zu finden.
Unser Autor
Dr. Gerhard P. Woeckel
Zentralinstitut für Kunstgeschichte
Forschungsunternehmen
Meisenstraße 10
Q-München
39
Alle mit dem Denkmalschutz in Zusammenhang
stehenden Fragen und Probleme sind von
gleicher brennender Aktualität. Nun. da das vom
Europarat feierlich proklamierte Denkmalschutz-
jahr 1975 zu Ende geht, scheint doppelte
Wachsamkeit geboten, wenn den starken
Bemühungen um die Erhaltung wertvollen
ulturbestandes in Europa nicht wieder eine Zeit
des Dahingehenlassens, der Inaktivität auf
diesem Sektor folgen soll. Eine der Kernfragen
des Denkmalschutzes ist die Erhaltung von
Skulpturen auf dem freien Land. Mit dem
nachstehenden Beitrag sind wir in der Lage,
auf die geradezu tödlichen Gefahren
hinzuweisen, die drohen, wenn eine bis zum
unweigerlichen Verfall fortgeschrittene
Schädigung nicht durch entsprechende und
rechtzeitige Maßnahmen hintangehalten wird
wodurch ein Kunstdenkmal künftigen
Generationen und der Kunstgeschichte erhalten
werden kann. In unserem Falle, Falkenstein,
konnte ein Ansässiger der Autor vom Können
und Willen her rettend selber Hand anlegen.
Alle Anstrengungen und Bemühungen
öffentlich zuständiger Denkmalschützer sind
weithin personell und finanziell zu schwach,
um allein Abhilfe zu schaffen. Neben nationaler,
regionaler und örtlicher bedarf es vor allem
privater Initiativen, um entscheidend den
zahlreichen im argen liegenden Kunstdenkmälern
Osterreichs auch in wirtschaftlich
schwierigen Zeiten gebührende Aufmerk-
samkeit zu zollen und alles dazu beizutragen, was
ihrer Erhaltung dient,
ßubädptigc Schritt,"
betylfamcßztradytungcnlunb
ltpbgtlidpc Jtlap unb Stauen-
um dt ttn 2mm um.
CHRISTI JES-
9111m. aon- am .9.
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er Soßen itl 0M an
faul-voll Pattiouu-Qtdmwll lt
wurm mmutr an Mutterland
und II 011d und!!!
Inventar des Fürsten Karl Eusebius van Liechten-
stein um 1678 folgendermaßen erwöhntl Diana
in Helffenbein, mit einem Wündtspiehl, stehet
auf einem schwartz gebatzten hieltzenen Posta-
mentel, von Ferdinand Pfauntler." lm Wiener
Kunsthistorischen Museum befindet sich eine El-
fenbeingruppe, die Julius Schlosser? mit der
eben zitierten Arbeit von Pfaundler in Zusam-
menhang bringt. Schlosser bezeichnet diese
Gruppe als eine der vorzüglichsten Arbeiten
deutscher Bildschnitzerei des 18. Jahrhunderts
und ordnet ihr stilistisch eine Elfenbeinplastik
Ringkampf zweier nackter Nymphen" zu, die
sich ebenfalls im Kunsthistorischen Museum be-
findet.
Über den Künstler erfahren wir aus den Archi-
ven der Landeshauptstadt Brünn", daß er am
6. September 1677 als Bürger dieser Stadt auf-
genommen wurde. Pfaundler besaß seit Georgi
1680" in der Krapfengasse Nr. 14 ein Haus,
war verheiratet und hatte Kinder. Über seine
künstlerische Tätigkeit in Brünn geben auch iene
Akten Auskunft, die sich auf den Bau der Marien-
söule auf dem Großen Platz in Brünn bezieheni
Der am 16. Oktober 1679 im Beisein des Stadt-
pfarrers und des Bürgermeisters der Stadt Brünn
mit Ferdinand Pfaundler geschlossene Spann-
zettel" lautetf
Demnach diese königl; Stadt Brünn Gott dem
Allmächtigen, seiner gebenedeiten Mutter und
Jungfrauen Marie wie auch denen Heiligen Se-
bastiane, Rache, Carola Baromae, Francisco Xa-
veria und Rosalio zu Lob und Ehren Eine Stei-
nerne Säulen, mit denen ietzt benannten Bild-
nussen am Undteren Platz, aufzurichten verlobt
und entschlossen hat.
Als ist Ihme Ferdinand Pfaundler die Bildnussen
nähmlich Unserer lieben Frau in einem Meer
Stern samt den an der Brust haltenden Jesu-
kindlein auch mit der Cron und Drachen, Schuch
hoch, ltem des Heil Sebastiani, Rochi, Caroli
Baromae, Francisci Xaveri und Rosaliae, alle
in Volliger Statur und zwar iede deren fünf
Letzteren Bildnussen Schuh Lang, sambt denen
Zierathen in Fussstellen, nicht weniger auch das
Chorintische Capitel Lauth Abrisses sauber und
Wol Probortionirter, aus guten Thauerhaften
Stein Weldwen Er ausser Fuhrlohn zu verschaffen
schuldig sein wird mit Ehister möglichkeit zu
verfertigen, anverthraut und übergeben worden.
Zum Fall nun Er Pfaundler Wie man diessorts
nicht Zweifeln will seiner Kunst nach solche
Bildnussen recht sauber und Wol Prabortionirter
Ausarbeiten und verfertigen wird, sollen Ihme
für alle solche Arbeit bezahlt werden 310 fl.
Rhz..."
Wenige Monate später, am T2. August 1680,
ersucht Ferdinand Pfaundler um einen anderen
Kontrakt, da die Bearbeitung des Persteiner
Marmels... um ein Dreifaches mühsamer sei".
Dieser Brief ist das einzige uns überlieferte
Schreiben Pfaundlers und soll daher nachste-
hend wiedergegeben werdenf
...welcher Gestalt die Bedingnuss der Bildt-
hauer Arbeit zu der Verlobten Säulen, mit mir
beschehen ist, Nemblidn das die Bilder sambt
dem Capitel von Egenburger Stein, die Zirath
aber auf die Postament, Als Frucht Buschen
und Schildt unter der Säulen, dann Engel-
köpf über die Grotto der hl. Rosalio von Rup-
schiczer oder auch Egenburger Stein sollen ge-
macht werden, wie den auch die Capitel, mit
so wenigen Beding, ohne meinen grossen
den einmal nicht bestehen kann. Indem ich
Anfangs bei Bedingung der Steinmetzen
stirt und gemeldet hab, dass wegen der
und mühsameren Arbeit des Persteiner Mc
fast eine dreifache Arbeit gegen der Andc
und darauf angewendet werden muß."
Dieses Ersuchen wurde in der Ratssessioi
23. August abgelehnt; dieselbe nochmal
gebrachte Bitte wurde auch am 5. Nov
1680 abschlägig beschieden.
Pfaundler konnte vor seinem Tode 168
1681 nur einen Teil seines Auftrages ausl
Van seiner Hand stammt aller Wahrsche
keit nach sowohl die Hauptfigur Unsere
Frau in einem Meer Stern samt den an de
haltenden Jesukindlein auch mit der Crc
Drachen"! als auch die Nischenfigur
Rosalie.
Nach dem Tode Ferdinand Pfaundlers
die Skulpturen von den Bildhauern Bal
Frobl und Kaspar Pröbstl fertiggestellt.
Für seine Arbeit erhielt Pfaundler 260
seine Witwe weitere 10 Gulden. Die Arbi
Frobl und Pröbstl wurde mit 200 Gulden
schlagt, doch erhielten sie nur 140 Gulde
bezahlt.
Aus dem vorhin Gesagten geht hervor,
noch sehr wenig über das Guvre des Kü
wissen. Gesichert ist nur die Arbeit an
riensäule in Brünn, fraglich bleibt die Zu
bung der Elfenbeinplastiken im Kunsthistai
Museum. Eine um so wertvollere Bereicl
stellt daher die Entdeckung der signierten
steinplastiken des Falkensteiner Kreuzweg
das künstlerische Werk Pfaundlers dar.
darf hier keiner Zuschreibungen und Ver
gen, da insgesamt fünf Plastiken signier
Säule der Geißelungsgruppe Abb.
NAND PFAVNDLER SCVLPSIP; Christi.
Dornenkrönung; F. P. S.; Simon der Krt
gung F. P. SCVLPS.; Veronika F. P. 5.;
von Arimathäa; FERD PFAVD SCVLP.
Bereits im 17. Jahrhundert strömten die
gen der näheren und ferneren Umgebung
Falkenstein, um in der Karwoche vor den
turen Pfaundlers ihre Kreuzwegandacht
ten. Einem glücklichen Umstand ist es
danken, daß sich eine frühe Andacht in
Kreuzwegbüchlein von 1743 erhalten hat,
Kurtzböck in Wien für den sogenannter
ckensteinerischen Creutz-Berg" gedruckt
war Abb. 1. Das 56 Seiten umfassende
lein enthält sechs ganzseitige Illustration
Kreuzwegthema sowie neun Klag- oder
Liedlein" und zahlreiche andächtige Gel
Der Text dieser Lieder und Gebete ist sc
niederösterreichischen Raum nirgends nai
bar. Dieses Falkensteiner Kreuzwegbüchlei
te bis 1854 in Verwendung gewesen sein
um diese Zeit wurde die Kreuzweganla
weitert und ein völlig neuer Text mit
Liedern eingeführt, der sich in den Falk
ner Kreuzwegandachten bis heute erhalte
lm nördlichen Weinviertel sind außer in
stein Skulpturen aus dem Themenkreis des
weges 17. und 18. Jahrhundert auch in
bach, Poysdorf, Wilfersdorf, Retz und Egg
erhalten, weiter südlich die Anlage von
berg, die jedoch anders als die oben gen
Kreuzwege gestaltet ist; darüber hinaus
nach zahlreiche Kreuzigungsgruppen, u.
rkungen 1-8
zr Fleisaher, Fürst Karl Eusebius von Liechtenstein
Bauherr und Kunstsammler 1611-1684, Wien-Leipzig
S. 226.
ls Schlosser, Werke der Kleinplastik in den Samm-
en des allerhöchsten Kaiserhauses, Wien 19W, Bd. ll,
l.
Gödel, Zur Baugeschichte der Mariensäule am
Ben Platz in Brünn, in Mittheilungen des Maehrischen
erbe-Museums XVlllf1900, Juni, Na. 11, S. 81-83.
Gödel, Zur Baugesctiichte der Mariensöule am
ien Platz in Brünn, in Mittheilungen des Maehrischen
erbe-Museums XVl1897, Juni, Na. 11, S. 81-85;
897, Juni, No. 17, S. 89-95; XVI1897, Juni, Na. 13,
3-102; XVlllll900, Juni, Na. 11, S. 81-83; XVIIIIWOD,
Na. 12, S. 139-91.
sßödel, s. Anm. XVlllll900,Na.11,S.61-82.
Gödel, s. Anm. XVlllll900, Na.11, S. 82.
Angaben über Pfaundlers Tadesdatum widerspre-
einander; während Gödel s. Anm. XVI1S97,
13, S. 102 November oder Dezember man angibt,
tdas Künstlerlexikon Thieme-Becker Hd. XXVI, s. 525
19. Dezember 1681.
Gödel, s. Anm. XVIHIWOO, Juni, Na.11,5.B2.
Gaweinstal, Staatz, Hagenberg, Pulkau und
Schrattental. Plastische Darstellungen zum sel-
ben Thema sind auch im angrenzenden, ehema-
lig südmährischen Raum zu finden.
Die Darstellung der Passion Christi auf dem
Kalvarienberg wird seit dem 15. Jahrhundert in
Form von Kreuzwegen wiedergegeben. Diese
sind meist dem hügeligen Gelände angepaßt
und in die landschaftliche Umgebung eingebet-
tet. Beim Falkensteiner Kreuzweg handelt es sich
um eine steil aufragende Jurakalkklippe, die der
Landschaft ein besonderes Gepräge gibt. Den
Felsfarmationen entsprechend, verteilen sich nun
die einzelnen Stationen vom Fuß des Berges
dem Abschied Christi von seiner Mutter bis
zum Gipfel der Kreuzigung. Auf dem nörd-
lichen Abhang hingegen sind zwar nach einige
Skulpturen placiert, die iedoch nicht zum ur-
sprünglichen Kreuzweg gehört haben dürften.
Einer späteren Entstehungszeit wird auch die
Abendmahlskapelle, unterhalb des Pfarrhofs lie-
gend, zuzuordnen sein, die ietzt den Ausgangs-
punkt des Kreuzwegs bildet. Dieser führt, dem
unregelmäßigen, felsigen Gelände entsprechend,
durch Buschwerk von einer Station zur anderen.
Als Standorte für seine Skulpturen w'a'hlte der
Künstler geeignete felsige Erhebungen, die als
Basis für gemauerte Fundamente aus Natur-
oder Ziegelsteinen dienen. Auf der ebenen Flä-
che dieses Fundaments stehen die ieweils aus
einem großen Sandsteinblock gearbeiteten Fi-
guren mit flacher Standplatte, die in keinem
Fall aus einem gesonderten Block gemeißelt ist.
Ferdinand Pfaundler verwendete für die Skulp-
turen in Falkenstein den berühmten Eggenburger
Sandstein, der in der Nähe von Zogelsdarf ge-
brachen wurde und heute nach diesem Ort be-
nannt wird.
Der Falkensteiner Kreuzweg, dessen Skulpturen
in der Landschaft Akzente setzen, besteht aus
folgenden Stationen
Christus nimmt Abschied von seiner Mutter
Abb. 15
Christus am Ölberg Abb.
Geißelung Abb.
Dornenkrönung Abb.
Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern
Abb. 10
Simon von Kyrene hilft Jesus das Kreuz
tragen Abb. 10
7. Veronika reicht Jesus das Schweißtuch
Abb. 10
8. Kreuzigung Abb. 14
9. Grablegung Abb. 13
10. Pietd Abb. 1a
11. Auferstehung Abb. 16
S-"Pf-ßro
Diese elf Stationen bilden insgesamt neun Grup-
pen, da die Stationen und zu einer
Gruppe zusarnmengefaßt wurden. Dem gesam-
ten Komplex ist nach die Einzelfigur des Schutz-
engels, der keine eigene Station repräsentiert,
anzuschließen Abb. 17.
41
Ferdinand Pfaundler, Geißelungsgruppe wie
alle Skulpluren etwa überlebensgroß, s. Abb.
Chris7us der ClberggruppeWiliersdorfer Kreuz-
weg
Ferdinand Pfaundler, Christus der Ulberggruppe
Falkensieiner Kreuzweg
Ferdinand Pfaundler, Engel der Ölberggruppe
Faikensieiner Kreuzwegj
Ferdinand PfuundlenDornenkrönung, sign.F.P.S.
iCHIED CHRISTI VON SEINER MUTIER
Station
der sogenannten Beurlaubung" reichen ein-
ler Christus und Maria die Hände zum Ab-
ed Abb. T5. Die wie alle anderen Skulptu-
etwa lebensgroßen Figuren stehen nebenein-
ler auf einem gemeinsamen, gemauerten Sok-
Diese Gruppe ist von Pfaundler nicht signiert.
schematische Haarbehandlung am Christus-
und die wenig durchmodellierten Gesichts-
lassen eine andere Hand vermuten. Einer-
besteht die Möglichkeit, daß ein anderer
stler diese Figuren schuf, andererseits könn-
sie durch eine der zahlreichen späteren Re-
irierungen tiefgreifende Veränderungen er-
ren haben. Sicher ist hingegen, daß der auf-
andene Christus Abb. I6 und der Schutz-
el Abb. I7 nicht von der Hand Pfaundlers
nmen.
ISTUS AM ÖLBERG 2. Station
Ölberggruppe mit Christus und den Jüngern
Jzierte Pfaundler auf die Figuren von Chri-
und dem Engel Abb. was auf die
enbeschaffenheit zurückzuführen ist. Der
ende Christus blickt, die Hände vor der Brust
reuzt, zu dem etwas erhöht knienden Engel
Kelch auf. Die Anlage von Falkenstein kehrt
verwandt in derselben Gruppe des Wilfers-
fer Kreuzweges wieder. Im Verhältnis Kör-
'Gewand lassen sich bei beiden Christus-
ren Abb. und ähnliche Konfigurationen
Draperie feststellen. wenn sich das Gewand
Ferdinand Pfaundler, Dornenkrönung, Detail
linker Scherge
fest an die Rundung der Oberschenkel legt und
zwischen den Beinen tiefe Falten bildet. Durch
die var der Brust übereinandergelegten Hände
ergeben sich reiche Faltenbildungen des Ge-
wandes im Bereich der Arme. Ein für Pfaundler
charakteristisches Draperiedetail ist die Gewand-
falte vor der Brust, die beim Falkensteiner Chri-
stus besser sichtbar wird als in Wilfersdorf, ob-
wahl sie auch dort vorhanden ist. Beide Chri-
stusköpfe kennzeichnet langes, in der Mitte ge-
scheiteltes Haupthaar und kurzes Barthaar. Auch
Gestik und Mimik sind vergleichbar der Aus-
druck der Gesichter mit dem geöffneten Mund
und den weit offenen, aufwärts blickenden
Augen ist sehr verwandt. Die Modellierung von
Händen und Füßen läßt ebenfalls Vergleiche zu.
Besonders hervorzuheben ist die bei vielen Skulp-
turen wiederkehrende Pfaundlersche Hand", die
sich bei Falkensteiner Figuren ebenso findet wie
in Wilfersdorf eine Hand mit einem fast recht-
winkelig aufgestellten Daumen, der nach oben
sehr verbreitert ist, wobei sich manche Finger
krümmen Christus der Kreuztragung, Pieta-Ma-
ria in Falkenstein. Beim Wilfersdorfer Christus
ist die rechte verdeckte Hand auf diese Weise
modelliert.
Der Schluß liegt nahe, daß Pfaundler außer dem
Falkensteiner Kreuzweg auch noch andere ähn-
liche Anlagen im Weinviertel schuf oder zumin-
dest beeinflußte, was besonders für den Wilfers-
dorfer Kreuzweg zutreffen dürfte. Untermauert
wird diese Hypothese durch die nachweisbare
43
Tätigkeit Pfaundlers für Liechtenstein wie be-
reits erwähnt, wird im lnventar des Karl Euse-
bius von Liechtenstein eine Diana in Helffen-
bein von Ferdinand Pfauntler" angeführt. Die
Wilfersdorfer Anlage wurde von Sidonie und
Hartmann von Liechtenstein gestiftet, so daß
auch hier eine Querverbindung vorliegt.
GEISSELUNG 3. Station
Diese Falkensteiner Kreuzweggruppe Abb.
weist den üblichen Typus aus drei Figuren auf
in der Mitte der nur mit einem Lendentuch be-
kleidete stehende Christus, dessen Hände an der
hinter ihm befindlichen Geißelsöule festgebun-
den sind, und zu beiden Seiten die Schergen.
Der rechte Scherge mit Hut, Stiefeln und gegür-
tetem Gewand holt mit der Rechten zum Geißel-
hieb aus, der linke Scherge stößt mit seiner
linken Faust gegen den Nacken Christi und
zeigt mit der rechten geballten Faust den Spott-
gestus, indem er den Daumen zwischen Zeige-
tinger und Mittelfinger durchsteckt. So sehr seine
Schrittstellung und Gebärden auch bewegt sind,
bezieht sich doch die ganze Figur auf den Be-
schauen sein Gesicht ist nicht auf Christus ge-
richtet, sondern wendet sich höhnisch lächelnd
nach vorne Abb. 3. Die Schergen wurden häu-
fig als besonders reich kostümierte Figuren dar-
gestellt. Auch in Falkenstein wird großer
Wert auf Kostümdetails gelegt. Mit besonderer
Liebe und Sorgfalt scheint sich der Künstler
auch der Modellierung von Brottasche, Dudel-
sack und Pommer gewidmet zu haben. Erwäh-
nenswert vor allem ist, daß diese Gruppe als
einzige die volle Signatur des Künstlers trägt
FERDINAND PFAVNDLER SCVLPSlT Abb. 2.
DORNENKRONUNG 4. Station
Die in sich geschlossene Dreifigurengruppe der
44
Dornenkrönung in Falkenstein Abb. entspricht
wie die der Geißelung dem klassischen Kanon
die Zentralfigur des sitzenden, dornengekrönten
Christus, dessen gefesselte Hände auf seinem
rechten Bein ruhen, ist flankiert von den Folter-
knechten. Diese drücken mit einer gebogenen
Stange die Dornenkrone fest auf das Haupt
Christi. Diese beiden Figuren sind auch in ihrer
Körperbewegung mehr auf Christus bezogen als
die Schergen der vorhin besprochenen Gruppe,
die trotz ihrer spottenden Haltung additiv neben
Christus stehen.
Die Reduzierung des Figurenbestandes in den
Dornenkrönungsgruppen von Wilfersdorf, Bisam-
berg und Retz auf zwei Figuren geht auf Kosten
der einheitlichen, in sich ausgewogenen Kom-
position.
Wie bereits erwähnt, nimmt Pfaundler hinsicht-
lich der kornpositionellen Gestaltungsprinzipien
große Rücksicht auf den landschaftlichen Um-
raum. Er verschmilzt die Landschaft und seine
Skulpturen zu einem einheitlichen Ganzen und
komponiert Gruppen, die zwar dem üblichen
ikonographischen Typus im allgemeinen folgen,
aber dennoch den Stempel seiner starken Per-
sönlichkeit tragen.
Der Einzelaufbau der Figuren läßt erkennen, daß
der Künstler aus Gründen der Statik die Skulptur
nach unten verblodrt; meist erfüllt die nach un-
ten zu reicher werdende Draperie diese Funk-
tion, oder Stützen wie Geißelsöule, Stein mit
Ring Abb. 8. Bei den knienden Figuren Abb.
ergibt sich die Verbreiterung nach unten ganz
organisch. Figurengruppen sind meist aus in
sich geschlossenen Einzelfiguren aufgebaut. Die
Bezogenheit auf den Betrachter und ihre Wen-
dung nach vorne gibt manchen Bewegungen
eine gewisse Gezwungenheit, die die Komposi-
tion beeinträchtigt. Die durch den Stab der
nenkrönung Abb. oder das Kreuz Abk
gegebene gegenständliche Verbindung geh
der formalen Verbindung nicht immer konl
ein gewisses additives Aneinanderreihen bs
häufig. Es sind weniger Erzählungen, Han
gen, die dargestellt werden sollen, sonderr
dachtsbilder, vor denen ia auch verweilt
und die angebetet werden.
Die Proportionen der Figuren werden vor
durch die nach unten hin reiche Gewandbil
manchmal etwas verunklört. Das Gewand
hüllt und verdeckt meist den Körper und
Anatomie, so daß die Gliedmaßen kaum
wahrnehmbar sind. Bei wenigen Figuren
das Gewand partienweise eng am Körpe
z. B. Christus der Ulberggruppe, Abb. Scl
der Dornenkrönungsgruppe, Abb. 8. Die
dellierung der nackten Oberkörper von
gen und vom Christus, die der Arme, Hai
lenke, Hände und Füße zeigt, daß der Kii
um die menschliche Anatomie genau Bes
wußte.
KREUZTRAGUNG MIT SIMON VON KY
UND VERONIKA 5., 6. und 7. Station
Pfaundler stellt ienen Augenblick der Krei
gung dar, in dem Christus und Simon der
ronika begegnen Abb. 10. Die drei Figurer
zu einer Gruppe zusammengefaßt, wobei
Figur auf ihrem eigenen, isolierten Sockel
Simon und Christus sind durch den Balkei
Kreuzes verbunden, während die kniend
ronika, ihnen zugewandt, das Schweißtuch
das bereits das Antlitz Christi trägt. Alle Fi
sind auf dem ansteigenden Terrain angeo
Besonders bei dieser Gruppe wird die trag
Rolle des landschaftlichen UmrQ-ims den
irdinand Pfaundler, Kreuztragung, sign. F. P.
VLPS., F.P.S.
irdinand Pfaundler, Kreuztragung, Detail Kopf
es Simon von Kyrene
scniea LhTlSll von Maria, angenommen wird
in einer Kapelle untergebracht Abb. 13.
Auf einem hohen, mensaöhnlichen Sockel liegt
auf flacher Platte der Körper Christi. Zu beiden
Seiten dem üblichen Grablegungstypus ent-
sprechend stehen Nikodemus und Joseph von
Arimathüa, zwei bewegte, keinesfalls statische
Figuren wie so häufig. Hinter der Hauptgruppe
befinden sich die drei nur als Halbfiguren sicht-
baren Skulpturen van Maria, die ihre Tränen
trockner, Maria Magdalena, die in der Linken
das Trönentuch hält, und Johannes mit dem
Salbgefäß. Die Komposition beschränkt sich im
Prinzip auf zwei Bildebenen; Christus mit den
flankierenden Figuren einerseits, die drei Hinter-
grundfiguren andererseits. Durch seine Körper-
haltung gibt vor allem Nikodemus iedoch eine
gewisse räumliche Verbindung zum Hintergrund.
ln den Gesichtern dieser Figuren spiegelt sich
der Schmerz um den toten Christus. Pfaundler
charakterisiert alle seine Figuren ausdrucksmäßig
sehr stark durch die Darstellung von Ruhe,
Schmerz oder Spott. Klare, ruhige Gesichtszüge
kennzeichnen die hl. Veranika mit dem Schweiß-
tuch, Simon von Kyrene und den Christus der
Kreuztragung Abb. 10, 11. lm Schmerz ver-
zerrt ist das Antlitz Christi bei der Ölberg- und
Dornenkrönungsstation Abb. 8. Schmerz ent-
stellt die Gesichter der Trauernden bei der Grab-
legung Abb.13.
Ferdinand Pfaundler, Grablegung, Detail Kopf
des Josef von Arimathäa, sign. FERD PFAVD
SCVLP.
"I3 Ferdinand Pfaundler, Grablegung
Die Physiognomie der Schergen und Folter-
knechte wird durch Spott und Hohn manchmal
fratzenhaft verzerrt. Der Ausdruck des Spottes
wird erzielt durch höhnisch zum Lächeln verzo-
gene Lippen, spöttisch gezeigte Zähne und her-
ausgestreckte Zungen. Außerdem haben die Fol-
terknechte meist etwas unregelmäßige Gesichts-
züge zu eng beisammenstehende, tiefliegende
Augen, gekrümmte Nasen. Die regelmäßigen
Gesichtszüge Christi werden im Leiden durch
groß geöffnete Augen, den halbgeöffneten
Mund, die schmerzlich zusammengezagenen
Augenbrauen verzerrt. Eine gewisse Unterschei-
dung der Charaktere scheint auch durch Haar-
und Barttracht gegeben zu sein die Falterknechte
tragen fast ausnahmslos kurzes Haupthaar,
Schnauzbärte, Schnurrbärte, kurze Kinn- und
Backenbärte. Die Männer der Gefolgschaft Chri-
sti sind durch langes Haar gekennzeichnet Chri-
stus selbst durch Bart und langes Haupthaar,
Simon von Kyrene durch langes Haupt- und
Barthaar Abb. 11, Nikademus und Josef von
Arimathäa Abb. 12 durch lang wallenden Bart;
Johannes wird zwar bartlos, doch langhaarig
dargestellt.
PIETA 10. Station
Nicht mehr zum eigentlichen Kreuzwegprogramm
gehörend, ist die Pieta auch keine signierte Ar-
beit Pfaundlers. Der Typus weicht vom sonst
üblichen Schema durch den rechts statt sonst
links befindlichen Kopf Christi ab. Die sehr mo-
numental aufgefaßte Zweifigurengruppe ent-
spricht durch die Proportionen der Figuren, die
Gewandbehandlung, die Beziehung KörperfGe-
wand sowie die Detailbehandlung den bisher
gezeigten gesicherten Werken Pfaundlers Abb.
18 die Durchmodellierung des Körpers, ins-
besondere der Hände mit dem typischen, oben
verbreiterten Daumen; auch die Haar- und Bart-
tracht von Christus begegnet auf manchen ande-
ren Figuren des Kreuzwegs wieder.
Charakteristisch für Pfaundler ist auch die Ein-
beziehung des Sockels in die Komposition von
Figuren etwa durch die über den Sockelrand
fallenden Gewänder wie bei der Veronika der
Kreuztragung, beim Engel des Ölbergs und auch
bei der Pietä. Die Anatomie der Füße paßt
Pfaundler häufig der Sockelplatte an, wie etwa
den linken Fuß Christi der Pietä, aber auch beim
15
14
15
16
17
Kreuzigung Holzskulptur, E. 19. Jh.
Beurlaubun
Auferstandener Christus spätere Ergänzung zu
Pfaundlers Kreuzweg
Schutzengel spätere Ergänzung zu Pfaundlers
Kreuzweg
16 17
Christus vom Ölberg in Falkenstein und
dorf.
Der bisher behandelte Figurenbestand ist
die Beurlaubung Abb. 15 mit Sicherheit Pf
ler zuzuschreiben.
Zum Falkensteiner Kreuzweg gehörte nat
auch eine Kreuzigung Christi als 8. Statio
Höhepunkt der Passion. Diese ursprüngliche
zigungsdarstellung Pfaundler ist für uns
mehr rekonstruierbar. Es ist anzunehmen
der Künstler, der sich ikonographisch im
meinen an überlieferte Typen hielt, auch
Kreuzigung zumindest eine Dreifigureng
darstellte. Die in der Nähe des ietzigen
fixes in der Erde noch sichtbaren Sandstei
könnten Teile der ersten Kreuzigungsgruppi
Zur Kreuzigung Pfaundlers finden wir an
den Quellenschriften keine Nachricht, hini
erwähnt das Gedenkbuch der Pfarre Ff
stein, daß ein im Jahre 1865 geschaffenes
kruzifix bereits 1879 repariert werden mußt
1898 so schadhaft war, daß man es duri
neues ersetzte. Heute erhebt sich auf der
sten Stelle des Kreuzberges ienes Holzkr
das mit dem von einem Künstler aus
Grödner Tal geschaffenen Kruzifix von
wohl identisch ist.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß V4
len Kreuzweganlogen des Weinviertels er
Wilfersdorf den Pfaundlerschen Skulpture
nächsten kommt. Dies wird vor allem in di
tailbehandlung offenkundig.
Die auf den Beschauer ausgerichtete Vordi
Pfaundlerscher Figuren ist fast immer reiche
gestattet als die Rückseite. Ein eklatantes B4
dafür ist etwa das gerüschte Gewand eines
gen, das vorne reich gefältelt ist und auf
Rücken nur mehr einfach gewellt erscheint
die Faltenbildung aufderHinterseite ist imn
was weniger reich.
lm Kostüm unterscheidet Pfaundler die Cl
tere ebenso wie in den bereits beschrie
Ausdrucksvarianten. Während Christus m4
lange, bis auf den Boden reichende, las
lende Gewänder gekleidet ist, zeigt der Ki
besonders bei den Schergen und Folterkne
aber auch bei den Frauenfiguren, seine
zu kostümlichem Detailreichtum Schuhe,
Sandalen variieren ebenso häufig wie die
bedeckungen spitze, hohe, flache Kc
18 Ferdinand Pfclundler, Piefd
Hüte mit Federn, Stirnbänder, Turban. Aufge-
rissene Beinkleider, löchrige Gewänder charak-
terisieren das Valk"; Rüschen, Gürtel, Gewand-
lappen bereichern das modische Bild. Besonders
interessant sind auch die Gegenstände, die die
Figuren tragen die Musikinstrumente Pommer
und Sackpfeife, Werkzeug Zange und Hacke,
achteckige Flasche, Brotbeutel mit Kipfel, Ham-
melkeule, umgehängte Föustlinge, geflochtene
Tragtasche mit Werkzeug. Ähnlich interessante
Details, die manchmal direkte Parallelen zu Fal-
kenstein darstellen, finden wir im Kreuzweg von
Wilfersdorf die Unifarmmütze mit Federbusch
und runder, kokardenähnlicher Scheibe, den Le-
dergürtel mit Schnalle und überstehendem Ende,
zerlumpte und zerrissene Gewänder. Bei den
Fußbekleidungen fällt auf, daß sowohl die Scher-
gen in Falkenstein als auch jene in Wilfersdort
an jedem Fuß anderes Schuhwerk tragen Stul-
penstiefel, Röhrenstiefel und Sandalen. Musik-
instrumente wie Pommer und Sackpfeife finden
wir in Falkenstein; Querflöte, Geige mit Bogen
in Wilfersdarf. Viele andere Details bereichern
das Bild in Falkenstein, Wilfersdarf, aber auch
in Bisamberg und an Kreuzwegen anderer Orte.
Aus den bisher genannten Beispielen geht her-
vor, daß Kreuzweganlagen im Weinviertel, aber
auch im gesamten österreichischen Raum sehr
zahlreich sind. Die von mir bisher untersuchten
Anlagen etwa 20 in ganz Österreich vermit-
telten mir einen guten Einblick in die Bedeutung
dieser Skulpturen, die sich oft in einem alar-
mierenden Zustand befinden. Es war für mich
daher ein besonderes Anliegen, die Kreuzweg-
anlage meines Heimatortes Falkenstein restaura-
torisch wie kanservatorisch zu sichern im Rah-
men meiner Diplomarbeit an der Hochschule
Akademie der bildenden Künste, Wien sowie
kunstwissenschaftlich und in bezug auf das
Liedgut volkskundlich zu behandeln. Im Zuge
meiner Beschäftigung mit dem Kreuzweg Pfaund-
lers gelang es mir, umfangreiches Material zu
den anderen Kreuzweganlagen des Weinviertels
zusammenzutragen, das ich in einem eigenen
Beitrag zu veröffentlichen plane.
Es ist zu haften, daß die Denkmalpflege unseres
Landes sich der zahlreichen Kreuzweganlagen
annimmt, da sie sonst dem langsamen Verfall
preisgegeben werden.
Unser Autor
Ludwig Neustifter
Akad. Oberrestauralor
Cvßvsjerreichisches Museum für angewandte Kunst
len
Lehrbekauftragter an der Hochschule Akademie
der bildenden Künste und an der Universiöt
Wien.
Stubenring 1010 Wien
47
i-"q" w.
M1 nv .1 an
inn-uuä-Jnxwwll
.1
"QM'FK-'!jh'!lÄk'A'lK-K-lIl-n-n'a-III um
Klaus Eggert
Der Begriff des
Gesamtkunstwerks in
Gottfried Sempers
Kunsttheorie
Den Himmel erschuf ich aus der Erd'
Und Engel aus Weiberenffaliung,
Der Stoff gewinnt erst seinen Werfh
Durch künstlerische Gestaltung!
Gohfried Semper'
Der Terminus Gesamtkunstwerk" stammt von
dem Semper teilweise intensiv verbundenen Ri-
chard Wagner. Er spricht vom großen Gesamt-
kunstwerk, das alle Gattungen der Kunst zu
umfassen hat, um iede einzelne dieser Gattun-
gen als Mittel gewissermaßen zu verbrauchen,
zu vernichten zugunsten der Erreichung des Ge-
samtzwecks aller, nämlich der unbedingten, un-
mittelbaren Darstellung der vollendeten mensch-
lichen Natur". Wagner meint vor allem das
Drama. Die zitierte Äußerung wurde 1850 ge-
drucktf.
Semper schuf eine Konzeption vom Gesamt-
kunstwerk, ohne dieses Wort zu verwenden.
Diese Konzeption wird nun verfolgt und dabei
zunächst das hierzu Gehörende von Sempers
Kunstbegriff im allgemeinen angeführt.
Für Semper hat die Darlegung eines Einzelpro-
blems ihren eigentlichen Wert nur im Zusam-
menhang mit einer universalen Gesamtkonzep-
tion. Nach Karl Hammer hätte Franz Christian
Gau Semper auf das ihn lebenslang beschäf-
tigende Thema des Zusammenhanges zwischen
Kultur- und Kunstentwicklung hingewiesen".
Eine wesentliche Seite von Sempers Kunsttheorie,
verschiedentlich seit seinem Tode als die wich-
tigste bezeichnet, zeigt das Vorhaben eines ver-
gleichenden Systems" der Stillehre, das eine
Analogie zu Werken von Georges Baron v.
Cuvier und zu Alexander v. Humboldts Kosmos"
bilden salltef. Cuvier erhob die vergleichende
Anatomie zu einer Wissenschaft, Semper trieb
eine Art van vergleichender Kunstformen-Ana-
tomie. Alexander v. Humboldt war wie Semper
iedes Einzelfaktum nur ein Mittel zu dem Zweck,
universale Konnexe zu erkennen. Er wollte die
Natur als ein durch innere Kräfte bestimmtes
Ganzes auffassen. Humboldt stand also im Ge-
gensatz zum Polyhistor, der sich an Tatsachen
halt, welche vereinzelt bleiben. Semper äußerte
Was die Kunstgeschichte betrifft, so wird sie
erst dann der Kunst eine wahre Führerin werden,
wenn sie aus ihrem gegenwärtigen sondernd kri-
tischen und archäologischen Standpunkte zu dem
der Vergleichung und der Synthesis übertrittä."
Die Forderung nach Synthese ist bezeichnend;
Analyse ist also nicht Selbstzweck, sondern nur
Mittel zum Zweck der Synthese. Auch beim
künstlerischen Schaffensprozeß des sogenannten
Historismus" ganz allgemein hat Synthese eine
entscheidende Bedeutung. Eine Synthese aus dem
willkürlich, ia dem heterogen scheinenden" so-
gar, aus dem ein Ganzes geschaffen wird, nennt
Ernst Theodor Amadeus Hoffmann schon in den
1816 erschienenen Elixieren des Teufels"
schlechthin ramantischf, allerdings hält er sie für
speziell wichtig bei gotisch angeregter Kunst.
Semper formuliert die Aufgabe seines Hauptwer-
kes vergleichender Systematik, des Stil", fol-
gendermaßen; die bei dem Prozeß des Wer-
dens und Entstehens von Kunsterscheinungen
hervortretende Gesetzlichkeit und Ordnung im
einzelnen aufzusuchen, aus dem Gefundenen
allgemeine Prinzipien, die Grundzüge einer em-
pirischen Kunstlehre, abzuleitenÄ" Es sei hier
als Abschweifung bemerkt, daß ein solches Vor-
haben voraussetzt, daß die Vergangenheit als
eine Kontinuität, und zwar auch in kontinuier-
lichem Zusammenhang mit Gegenwart und Zu-
kunft, aufgefaßt wird und Kunstwerke der Ver-
gangenheit eine Komponente haben, welche
dauernde, ruhende Gegenwart, kontinuierlich
gültiges Sein, besitzt. Diese Komponente der
Kunstwerke muß also von der bloß zeitbeding-
ten geschieden werden.
Semper beschreibt seine Aufgabestellung bei
seiner vergleichenden Kunstsystematik weiter; In
den Kunstwerken sollen die nothwendig ver-
schiedenen Werthe einer Funktion, die aus vie-
Ien variablen Coefficienten besteht", nachgewie-
sen werden, vor allem, um das innere Gesetz"
zu zeigen, das gleichermaßen in Kunst und Na-
tur walte. So wie nämlich die Natur bei ihrer
unendlichen Fülle doch in ihren Motiven höchst
sparsam ist, wie sich eine stetige Wiederholung
in ihren Grundformen zeigt, wie aber diese
nach den Bildungsstufen der Geschöpfe und
nach ihren verschiedenen Daseinsbedingungen
tausendfach modificirt. .. erscheinen, ...so lie-
gen auch der Kunst nur wenige Normalformen
und Typen unter. .3."
So will Semper also die Kontinuität des Stilisti-
schen beim Kunstwerk erkennen. Schon hier ge-
nügt ihm eine empirisch-antologische Methode
nicht völlig; Intuition im romantischen Sinne muß
hinzutreten. Im übrigen ist, vom stilkritischen
Standpunkt aus betrachtet, das Kunstwerk für
Semper also nichts Absolutes, sondern Resultat.
Ein Resultat ist für ihn aber nur diese eine Kom-
ponente des Kunstwerks.
Gegen einen totalen empirischen Determinismus
bei der Lehre von der Entstehung des Kunst-
werks wendet sich Semper folgendermaßen Uns
will diese Anwendung des berühmten Axiorns
die Natur macht keine Sprünge, und der Dar-
winschen Artentstehungslehre auf die besondere
Welt des kleinen Nachschöpfers, des Menschen,
doch einigermaßen bedenklich erscheinen, an-
gesichts dessen, was die Monumentenkunde
zeigt... Man bezeichnet sehr richtig die alten
Monumente als die fossilen Gehäuse ausgestor-
bener Gesellschaftsorganismen, aber diese sind
letzteren, wie sie lebten, nicht wie Schneckenhäu-
ser auf den Rücken gewachsen, noch sind sie
nach einem blinden Naturprozesse wie Korallen-
riffe aufgeschossen, sondern freie Gebilde des
Menschen, der dazu Verstand, Naturbeobach-
tung, Genie, Willen, Wissen und Macht in Be-
wegung setzte. Daher kommt der freie Wille
des schöpferischen Menschengeistes als wichtig-
ster Faktor bei der Frage des Entstehens der
Baustile in erster Linie in Betracht, der freilich
bei seinem Schaffen sich innerhalb gewisser
höherer Gesetze des Ueberlieferten, des Erfor-
derlichen und der Notwendigkeit bewegen muß,
aber sich diese durch freie obiektive Auffassung
und Verwertung aneignet und gleichsam dienst-
bar machP." Der Mensch als Schöpfer ist also
eine obiektivierte Individualität, ohne daß er an
Freiheit und ohne daß die Gesetzlichkeit an ob-
iektiver Gültigkeit einbüßt. Er zieht das Objek-
tive gleichsam in sich hinein, sein empirisches
Ich zum absoluten Selbst transzendierend. Im
übrigen führt Semper in der letztzitierten Pas-
sage als unabhängige Variable in der Kunst den
freien Willen an und im Begriffe des Schöpfe-
rischen sowie des Genies eine metaphysische
Komponente. Demnach und insofern besitzt das
Kunstwerk also ein absolutes Sein.
Eine analoge metaphysische Komponente postu-
Iiert Semper auch für die Wissenschaft; denn
die Archäologie kann noch so scharf sichten und
scharfsinnig spüren, es bleibt immer doch zuletzt
dem divinatorischen Künstlersinn alleinig vorbe-
halten, aus den verstümmelten Ueberresten der
Antike ein Ganzes zu rekonstruierenm." Also
bei der von Semper angenommenen Hauptauf-
gabe einer der Kunst ossistierenden Wissen-
schaft, nämlich der Synthese, wie sie bereits
angeführt wurde, bekennt sich Semper zur Intui-
tion, etwas der Empirie im Sinne etwa Immanuel
Kants Transzendentem. Damit gelingt Semper
die Synthese zwischen Empirie und Transzendenz.
Derartig umfassende Synthesen der Semper-Zeit
gelangen ausschließlich auf Grund romantischer
Voraussetzungen; solche Synthesen machen das
Wesentliche von Sempers Theorie aus. Hierzu
Anmerkungen 1-10 s. S. 50
49
Ein Äquivalent für divinatorischen Künstersinn"
fordert noch gegen Ende des sogenannten Hi-
storismus", 1897, Hermann Grimm für die Wis-
senschaft, indem er sagt Ein großer Geschicht-
schreiber ist nicht denkbar, in dessen Adern
nicht dichterisches Blut flösse"." Diese Äußerung
bezog sich auf Heinrich Gotthard v. Treitschke.
Semper wird nun nach dem Prinzip befragt, auf
das sein romantischer Idealismus alles, was jen-
seits bloß empirischer Realität ist, zurückführt,
nach dem Prinzip, das er als transzendentes
Absolutum annimmt. Im unedierten Zürcher Ma-
nuskript Vergleichende Baulehre", dessen Vor-
wort 1850 datiert ist, nennt er als das Einende,
allerdings in der Wissenschaft, die Weltidee",
als Schöpfer einer davon ausgehenden Wissen-
schaft den schon erwähnten Alexander v. Hum-
boldt". Der Begriff Weltidee" steht in Konnex
mit Friedrich v. Schellings Weltseele"". Dieser
metaphysische Begriff meint den Naturgeist, der
zunächst unbewußt, iedach zweckmäßig tätig
gewesen sei und erst im Menschen sich zum
Bewußtsein erhebe und nun zum Obiekt seines
Anschauens mache. Die Vermutung einer Pa-
rallele zwischen Semper und Schelling in diesem
Falle wird dadurch gestützt, daß in der letztzi-
tierten Quelle Semper erklärt, wahre Kunst sei
ohne Religiosität, und zwar pantheistische, un-
denkbar". Der Pantheismus, bekanntlich von
großer Bedeutung in der romantischen Philoso-
phie, hat entscheidende Voraussetzungen im Neo-
platonismus, über den beispielsweise Johann
Gattlieb Fichte 1818 publizierte". Des näheren
schreibt Semper im Zürcher Manuskript Natur
prägt ihren Gebilden Form und Charakter auf
nach den Ideen, welche in ihnen verkörpert
sindlßjl
Dementsprechend fordert er für eine richtige
Kunstform" dasjenige Gepräge nämlich, wo-
durch das freie Menschenwerk als Naturnoth-
wendigkeit erscheint, der allgemein verstandene
und empfundene formale Ausdruck einer Idee
wird"? Bereits Friedrich v. Schiller zeigt, wie
der Mensch im Unterschied zum Tier das Werk,
das aus der Not des natürlichen Lebens", also
bloßer empirischer, materieller Realität, entstand,
in ein Werk seiner freien Wahl umschafft".
Semper verlangt speziell für die Baukunst Die
Grundidee in der Mannichfaltigkeit der Gebilde
durchblicken zu lassen, ein individualisirtes aber
zugleich ein in sich selbst und mit der Außen-
welt in Einklang stehendes Ganzes darzustellen,
darin besteht das große Geheimniß der Bau-
kunst"." In der gleichen Quelle nennt Semper
ein dieser Forderung entsprechendes Gebilde
organischwo. Besonders in der antiken griechi-
schen Kunst und selbst bei altgriechischen Schleu-
dergeschossen sieht Semper überzeitlich gültige
Ausprägungen des Organischen. Hierbei hätten
die Griechen nicht etwa die Gebilde der Natur
nachgeahmt, sondern in schöpferischer Weise
das allgemeine Naturgesetz abgewandelt, das
einheitlich sei im kontinuierlichen Zusammen-
hang, also nicht etwa einförmig. So seien die
Tempel und Monumente nicht auf Statik und
Konstruktion allein begründet, sondern vor al-
lem gewachsen". Statt daß ein Ornament da-
bei äußerlich appliziert sei, seien die tektoni-
schen Teile selbst organisch gestaltet. Deshalb
könne auch nicht rationalistisch ein Schema"
für altgriechische Bauten erstellt werden. Semper
lehnt es ab, die Kunst aufs Meßbare zu redu-
zieren" oder überhaupt auf äußerliche Verfüg-
barkeit.
50
folgt; Als freie und schöne Kunst kann Architek-
tur nur erscheinen, insofern sie Ausdruck von
Ideen, Bild des Universums und des Absoluten
wird. Aber reales Bild des Absoluten und dem-
nach unmittelbarer Ausdruck der Ideen ist über-
all nur die organische Gestalt in ihrer Voll-
kommenheit?"
Wie für Semper ist auch für Richard Wagner
Ausdruck der Naturnotwendigkeit wesentliches
Kunstkriterium. Im Kunstwerk der Zukunft", er-
schienen 1850, ist eine Naturnotwendigkeit als
universaler Zusammenhang der Ausgangsbegriff.
Als Gegenprinzip nennt Wagner demnach Iso-
lierung, die Willkür beinhaltet. Trotz der Willkür
kommt nach Richard Wagner die Mode, welche
sich von der Natur isoliert, nicht von ihr los. Die
Mode, sei sie nun gerade nostalgisch" oder
futuristisch, kann Wagner zufolge nichts erfin-
den, sondern nur ableiten, und muß so notwen-
dig zu nichts anderem als Entstellung der Natur
gelangen. Denn Erfinden sei nur Auffinden, Er-
kennen der Natur. Es sei nochmals darauf hin-
gewiesen, daß hier keiner Naturnachahmung,
etwa im Sinne des NaturaIismus", das Wort
geredet wird, sondern Schöpfung in Analogie
zur Natur, und zwar zu deren innerer Gesetz-
lichkeit, gemeint ist.
Es stehen sich ietzt in diesem Aufsatz die be-
dingte, realistische Komponente des Kunstwerks
einerseits und die unbedingte, idealistische Kom-
ponente andererseits gegenüber, wie Semper
sie zeigte. Nun ist auf die Art der Verbindung
beider Komponenten einzugehen. Semper sieht
eine solche Verbindung ermöglicht, wo die Form
Symbolcharakter besitzt. Hierzu muß der Ein-
druck realer Bedingtheit eliminiert werden. Ver-
nichtung der Realität, des Stofflichen, ist not-
wendig, wo die Form als bedeutungsvolles Sym-
bol als selbständige sic Schöpfung des Men-
schen hervortreten soll. Vergessen machen sollen
wir die Mittel, die zu dem erstrebten Kunstein-
druck gebraucht werden müssen, und nicht mit
ihnen herausplatzen und elendiglich aus der
Rolle fallenu." Nicht durch Willkür solle der
Eindruck realer Bedingtheit beseitigt werden,
sondern diese Notwendigkeit in der materiellen
Realität, zu der beispielsweise Bedürfnis, Rück-
sicht auf historische Entwicklung und auf Stoff
gehören, zur Potenz erhoben werden, symboli-
sche Notwendigkeit werden. Semper vermeidet
damit Rationalismus ebenso wie subiektive Will-
kür, stattdessen verbindet er Realität und Ideali-
tät, und zwar gesetzmäßig und dennoch frei,
in einer umfassenden Synthese. Die bloße Wirk-
lichkeit wird bei ihm zum Symbol potenziert
und damit Wahrheit. Wo das Symbol ist, da ist
nach Semper die Kunst, die selbständige Schöp-
fung des Menschen, da wird Notwendigkeit zur
Freiheit.
Bereits Friedrich v. Schiller postuliert die Trans-
zendierung des Wirklichen zur Wahrheit Wer
sich über die Wirklichkeit nicht hinauswagt, der
wird nie die Wahrheit erobernu." Ähnlich äußert
sich Edward George Earle Lytton-Bulwer, einer
der bedeutendsten Dichter, Philosophen, Esoteri-
ker und Dandys der Viktorianischen Epoche
Seht ihr nicht, daß die Größere Kunst, ob die
des Dichters oder Malers, immerdar das Wahre
suchend, das Wirkliche verabscheut; daß ihr
euch der Natur als ihr Meister bemächtigen
müßt, nicht Lakaiendienste tun als ihr Sklave?""
Friedrich v. Schelling sagt Auf den höheren
Stufen der iNatur sowie der Kunst, wo sie wahr-
haft symbolisch wird, wirft sie jene Schranken
Abkürzungen von zitierten Werken Sernpers
Der Stil in den technischen und tektonischen
2. Auflage, München 1878
K5 Kleine Schriften. Berlin und Stuttgart 1884
Anmerkungen 1-27
1. Bd., S. XXI.
Richard Wagner, Das Kunstwerk der Zukunft.
sammelte Schriften und Dichtungen. 3. Bd., 3.
Leipzig a. .I., S. 60 Erstausgabe Leipzig 1850.
Jakob lgnaz Hittorff, Stuttgart 1968, S. 112, Anm.
KS, S. 262.
5,1. Bd., S. XVIII.
Gesammelte Schriften. 6. Bd., Berlin 1872, S. 123.
75,1. Bd., S. Vlll.
lbidem.
K5, s. 400-402.
5,1. Bd., S. XVIII.
Beiträge zur deutschen Kulturgeschichte, Berlin 18
"Vorwort, datiert Paris den 14. Mai 1850", unp
Van der Weltseele, Hamburg 1798, passim.
1. Capitel des 1. Abschnitts, unpaginiert.
De philosaphiae navae Platanicae origine, 13er
Vorwort, unpaginierl.
17 1. Bd., S. XIII.
Etwas über die erste Menschengesellschaft, passim
Vergleichende Bauiehre, Manuskript, Zürich, Ei
sche Technische Hochschule, Vorwort, unpaginiert.
Ibidem.
Über die bleiernen Schleuclergeschosse der
Frankfurt am Main 1859 nach S. schon 1854 enl
S. KS, S. 278, 279 nach S. 259 aufgru
Vortrages von 1853.
Über die christliche Kunst, Frankfurt am Main 1E
Werke. Stuttgart und Augsburg 1856-1861, 1. Ab
III, S. 206.
Philosophie der Kunst. In Werke, zit. Anm. 22
theilun S. 577.
1. s. 21a.
Über die ästhetische Erziehung des Menschen
lers Werke, Auswahl in 10 Teilen. Hg. von Ar
scher. B. Teil. Berlin-Leipzig-Wien-Stuttgarf a.
1910, s. 42.
Zanani, Leipzig 1842, s. 129 The Complete
E. L. Bulwer, Vol. XIX; ähnlich ibidem, S. 136.
knuwuw...
f.
54
I.
E.
E.
Goiifried Semper, Neues Hofburgthecier,
Wien Karl-Lueger-Ring 2. MiNelVeil der
Huuptfront
Gottfried Semper, Neues Hofburgfheuier, Südli-
ches Fesfsfiegenhuus gegen Norden
Gottfried Semper, Neues Hofburgtheofer, Nörd-
liches Fesisfiegenhuus
Goiffried Semper, Naiurhistorisches Museum,
Wien Burgring 7. Kuppelruum, Huuptgeschoß
Gottfried Sernper, Naturhistorisches Museum,
Wien Burgring 7. Kuppelraum, Hauptgeschoß
Anmerkungen 28-46
Zit. Anm. 24, S. 576; ähnlich S. 578-579.
Schellings Philosophie der bildenden Kunst. In Probleme
der Kvnstwissenschaft. 1. Bd., Berlin 1963, S. 51.
Zit. Anm. 27, S. 129-130.
Vorwort.
Le Jupiter Olympien ... Paris 1815.
Die vier Elemente der Baukunst, Braunschweig 1851, S. 1.
De l'Architecture palychrome chez les Grecs
Annali dell'lstituto di correspondenza
Bd. Rom 1830. S. 763-284.
15 Zit. Anm. S. 101-127.
Vorläufige Bemerkungen über bemalte Architektur und
Plastik bei den Atien. Altona 1834. HtEf zitiert nach KS.
KS, S. 779.
lbidem, s. 235.
Ibidem, s. 234.
Ihidcm, s. 246-247.
lbidem, s. 263.
lhldem, S. 266.
lbidem, S. 194.
Kunstwerk der Zukunft, zit. Anm. passim.
1. Bd.. h. 215.
1. Bd., S. 6-7.
52
arqheologlco,
einer bloß endlichen Gesetzmäßigkeit ab, es
tritt die höhere ein, die für den Verstand irra-
tional ist, und nur von der Vernunft gefaßt und
begriffen wird"? Bei einer solchen Auffassung
ist Kunst, speziell in den früheren Anschauun-
gen Schellings transzendentaler Idealismus, die
höchste Stufe des menschlichen Vermögens, hö-
her als die Philosophie. ln diesem zutiefst ro-
mantischen Stadium zeigt sich diese Kunstauf-
fassung zum ersten und bisher einzigen Male in
der Geschichte der Philosophie, worauf bei-
spielsweise Lorenz Dittmann hinwies". Sehr ähne
lich proklamiert der zitierte Edward Lytton-Bul-
wer die Göttlichkeit der Kunst".
Kunst wäre demnach dort am vollkommensten
und entwicklungsfä igsten, wo die Realität am
meisten eindrucksmäßig durch Potenzierung ver-
nichtet ist nicht etwa willkürlich übersehen.
Nach Semper kommt in der Vergangenheit die
Renaissance diesem Ideal am nächsten, weshalb
er dieser mehr als anderen Epochen eine konti-
nuierlich gültige Komponente zuschreibt und
auch im Kunstschaffen steigernde Kontinuität zu
ihr herstellt. Das heißt aber nicht, daß er
isoliert aus der gesamten Kontinuität herou
oder eine äußerliche Anlehnung, Stilrepetiti
propagiert respektive praktisch durchführt.
Damit sei die Betrachtung von Sempers
meinem Kunstbegriff abgeschlossen. Es we
anschließend Sempers Äußerungen zu zwei
kreten Phänomenen untersucht, insofern
Phänomene und Sempers Auffassung von il
sehr bedeutsam für seine Konzeption vom
sammenhung der Künste waren. Diese Ph
mene sind die antike Polychromie und die
ziehung zwischen Architektur und dem,
Semper technische Künste" nennt. Für
nische Künste" kann mutotis mutandis Kun
werbe gesagt werden.
lm Zürcher Manuskript äußert Semper, die
senschaft schließe allgemein ihr erstes Sto
damit ab, an nichts zu zweifeln, zersplittere
dann durch Kritik und suche endlich danr
allgemeine ldee" zu fassen, die der Ei
forschung erst Werth und Richtung gibt, ir
sich die Gegensätze versöhnen, welche durcl
Critik an das Licht kommen, die nicht mehr
scheidet, sondern zusammenfügW". Semper hat
sich selbst zu der letzten dieser drei Phasen
Johann Gottlieb Fichtes Thesis Antithesis
Synthesis hin entwickelt, und zwar bildete bei
ihm die zweite Stufe, konkret gesehen, die kri-
tische Analyse von Einzelphänamenen, eben der
antiken Polychromie und der Ursprünge mensch-
licher Kunstübung in den technischen Künsten.
Beide Phänomene stellte er dann in größere
Zusammenhänge, schließlich in universale, und
fand so das Prinzip, auf das für ihn das Ganze
zurückführbar war, und dieses Prinzip war der
Zusammenhang der Künste.
Es ist bekannt, daß eine Bedeutung der antiken
Polychromie schon Quatremere de Quincy in
einer 1815 erschienenen Abhandlung zeigte".
Spuren antiker Polychromie hatten andere schon
entdeckt. In der Abhandlung de Quincys war
für Semper erstmals der Beweis zu finden, daß
an den Monumenten der Griechen, und zwar an
den Meisterwerken ihrer besten Zeit, die drei
bildenden Künste, unterstützt von den mehr tech-
nischen Künsten, in so inniger Verbindung zu-
sammen wirkten, daß ihre Grenzen vollständig
verschmolzen waren und sie ineinander auf-
gingen"". Für die allgemeinere Verbreitung
der neuen polychromen Anschauungsweise"
schien Semper Jakob Ignaz Hittorffs polychrome
Wiederherstellung eines Selinuntischen He-
roum", wie er schreibt, am wichtigsten. Gemeint
war wohl Hittorffs 1830 erschienene Abhandlung
über den Empedoklestempel zu Selinuntaf. In
Karl Hammers Monographie über Hittorff von
1968 findet sich eine eingehende Darstellung der
damaligen Polychromie-Kantroverse". Sempers
eigener erster Beitrag zur Polychromiefrage er-
schien 1834". Dort heißt es Das Ebenmaß der
Grundformen, die man an diesen Trümmern
noch bewundern muß, obgleich sie alles bedun-
gen notwendigen Schmuckes beraubt sind, ver-
leitete uns, im Schmucklosen und Kohlen die
griechische Reinheit zu suchen... Weit entfernt,
das Wesentliche der Antike aufzusuchen, brach-
ten wir in geistloser Nachäfferei iene Mammuts-
knochen erstorbener Vorzeit. .. für unsere ärm-
lichen Bedürfnisse in Anwendung. Das Magere,
Trockene, Scharfe, Charakterlose der neueren
Erzeugnisse der Architektur läßt sich ganz ein-
fach aus dieser unverständigen Nachäfferei an-
tiker Bruchstücke erklären"? Als Exkurs sei hier
erwähnt, daß Semper hier natürlich nicht für das
voraussetzungslos Neue ohne Kontinuität zur
Vergangenheit eintritt. Er wendet sich nur ge-
gen Nachahmung, und zwar eben zugunsten
schöpferischer, steigernder Kontinuität mit dem
überzeitlich Gültigen in der Vergangenheit, und
er wendet sich speziell gegen die anorganische,
stereometrisch bestimmte Kunst des Rationalis-
mus im Gefolge der Aufklärung, die Kunst des
Vormärz.
Semper erklärt weiter, ...daß die gemalten
Verzierungen an griechischen Monumenten mit
den plastisch auf ihnen dargestellten und über-
haupt mit dem Ganzen im höchsten, vollkom-
mensten Einklang des Charakters und der Aus-
führung stehenu". Semper nimmt an, daß durch
Systematisierung der Verzierungen die Antike
mit ihren Umgebungen im Raum und in der Zeit
wieder in Einklang" gebracht werde". Unter an-
tiker Polychromie wird hier sowohl die der Archi-
tektur als auch die der Plastik verstanden. Eine
Resonanz seiner Anschauung sah Semper vor-
nehmlich bei Carl Friedrich SchinkeP".
Die wichtigsten Jahre der Beschäftigung mit der
Kunsttheorie folgen bei Semper dann etwa ab
1850; vermutlich entstanden der Stil" und die
meisten anderen ähnlichen Publikationen in den
fünfziger Jahren.
In den fünfziger Jahren galt Sempers Interesse
besonders dem zweiten genannten Phänomen,
dem Verhältnis von Architektur und technischen
Künsten. Das war ein umfassenderer Ansatz als
der von der Polychromie ausgehende. Dieser
neue Ansatz führte anscheinend zur eigentlichen
Entwicklung van Sempers Kunstlehre, deren Po-
stulat vom Zusammenwirken der Künste in den
veröffentlichten Schriften allerdings nicht mehr
bis zum von Semper intendierten Abschluß ge-
langte.
Bei seinen Untersuchungen kam Semper zu dem
Ergebnis, daß die Geschichte der Architektur
mit der Geschichte der Kunstindustrie sc. Kunst-
gewerbe beginnt, und daß die Schönheits- und
Stilgesetze der Architektur ihr Urbild in denje-
nigen der Kunstindustrie haben. Die Gesetze
der Proportion, der Symmetrie und Harmonie,
die Prinzipien und traditionellen Formen der
Ornamentik, selbst iene Elemente der architek-
tonischen Formensprache, welche wir mit dem
Namen Gliederungen bezeichnen, wurden zum
Teil lange vor der Begründung der Architektur
als einer selbständigen Kunst erfunden und aus-
geübt"? Die Rolle der Architektur definiert
Semper wie folgt; Die Architektur ist also die
letztgeborene der Künste, zugleich aber die Ver-
einigung aller Zweige der Industrie sc. Kunst-
gewerbe und Kunst zu einer großen Gesamt-
wirkung und nach einer leitenden ldee." Die zur
Zeit dieser Ausführungen, 1853, nach Sempers
Ansicht noch bestehende Trennung zwischen
Kunstgewerbe einerseits und Architektur sowie
hoher Kunst" andererseits gilt ihm demnach als
eine der Hauptursachen eines Verfalles der Archi-
tektur" und der übrigen Künste, die kein Band
mehr fesselt und vereinigt"". Auch Richard Wag-
ner spricht im 1850 erschienenen Kunstwerk der
Zukunft" über eine Trennung der Künste von
einer einheitstiftenden Macht, eine Trennung,
die statt zu Freiheit zu Willkür geführt habe.
Allerdings ist für Wagner diese Ordnungsmacht
das Drama, im Drama ist sich der Mensch
nach seiner vollsten Würde künstlerischer Stoff
und Gegenstand zugleich", führt er aus". Unter
dem Drama subsumiert Richard Wagner also
auch die Architektur. Auch für Semper hat das
Drama Bedeutung, aber primär durch den not-
wendigen Festapparatus, das improvisirte Ge-
rüst", insofern dieses Anlaß zu monumentalen
Unternehmungen" wurde, worauf noch einge-
gangen wird, wenn vom Monumentbegriff die
Rede ist".
Semper nimmt an, daß das geschilderte Zusam-
menwirken der Künste von Anfang an bestan-
den habe, und auf einem Vergessen iener uralt-
hergebrachten Typen", die durch dieses Zusam-
menwirken entstanden, beruht für ihn beispiels-
weisedie, wie er sagt, grob-materialistische
Anschauung, wonach das eigene Wesen der
Baukunst nichts sein soll als durchgebildete Kon-
struktion, gleichsam illustrirte und illuminirte Sta-
tik und Mechanik, reine Stoffgebungwß
Auf dieser Basis wirkte Semper didaktisch, unter
anderem durch Anregung der Gründung von
Kunstgewerbemuseen.
Hier wird derjenige Teil des Referates abge-
schlossen, der verfolgte, wie Semper an zwei
Einzelphänomenen die Gesetzlichkeit des Zu-
sammenhanges der Künste zeigte und dabei zu
einem Architekturbegriff gelangte, der über die
Baukunst als solche hinausgehend die Architek-
tur als Ordnungsmacht im Universum der Künste
auffaßte. Es werden Äußerungen Sempers über
den Zusammenhang der Künste angeschlossen,
die auf einer umfassenderen Sicht beruhen und
den Zusammenhang universell erweitern.
Wie erwähnt, sieht Semper beim zunächst für
das Drama bestimmten provisorischen Gerüst
53
nen Anlaß zu monumentalen Unternehmun-
en", insofern die Feier solcher Anlässe kom-
emorativ verewigt" werden sollte. Ein solcher
nlaß zu Darstellung von Kontinuität ist ihm
uch eine ähnliche provisorische Anlage für die
zier einer Relligio" sic oder eines welthi-
orischen Ereignisses" oder dergleichen. Durch
as Prinzip des Bekleidens und Maskirens" sei
ie äußere, einmalige Notwendigkeit sich selbst
iegenstand, dauerndes Symbol geworden. Das
also ein konkretes Beispiel für den bereits
rwähnten Symbolbegriff. Beispielsweise sei der
zo charakteristische Theaterbaustil" aus dem
retternen, aber reich geschmückten und be-
leideten Schaugerüst" entstanden. ln den Zei-
an hoher Kunstentwicklung" sei auch von der
laske das Stotfliche maskirt" worden".
urch dieses kommemorative Verewigen" wird
er Mensch der Kontinuität inne und hat da-
urch wahres Sein, dauernde Gegenwart. Der
eitgenössische Bildhauer Ernst Julius Hähnel
chrieb Nur solange unser Gedächtnis aus-
aicht, uns selbst historisch zu sein, leben wir"."
i4
i".
a1.
'15
".11-
33!
1.
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind zur
Synthese gebracht. Dies war das Hauptanliegen
des gesamten, gänzlich irrig so bezeichneten
Historismus", so wollte er die kosmische Ord-
nung erschaffen, so wollte sich der Mensch die-
ser Epoche selbst erlösen und tronszendieren.
Über das Monument als Gattung sagt Semper
Unter seiner gemeint; des ,ordnenden Geistes'
Leitung bildete sich das Monument zu einem
Inbegriff der Künste aus, das, als einiges zusam-
menhöngendes Kunstwerk, sich in seinen Einzel-
heiten erklärte, entfaltete, bestätigte. Und es
entwickelte sich von selbst das Verhältnis der
Architektur, als besondere Kunst betrachtet, zu
den übrigen Schwestern. Auf Monumenten wo-
ren die Künste berufen, bald im schönen Wett-
streit sich einzeln zu zeigen, bald in mannigfal-
tigen Verbindungen gemeinsam im Chor zu wir-
ken. Der Architekt war Chorage 1'." Das Mo-
nument wöre demnach das Gesamtkunstwerk in
Vollendung. Wagners Drama als Kunstwerk der
Zukunft, dessen Definition am Anfang zitiert
wurde, ist wesentlich ähnlich. Mit Sempers Ma-
Anmerkungen 47752
fi S,1.Ed., S. 215-, Fußnote S. 716-218.
Litterarlsche Reliquien, llg. von JIJliUS Glosse,
1893, S. 71, ähnlich S. 133.
KS, S. 273-225.
KS, S. 163.
95,1. Bd., S. IX.
S1 Die künstlerische ÄHSSCltfYtÜCkUhg des neuen Opern-
hauses in Wien. ln Oesterr. Wochenschrift für Wissen-
schaft, Kunst und öffentliches Leben. Beilage zur k. Wie-
ger Zeitung. Jahrg, 1863, 1. Bd., Heft 1-26, Wien 18631,
59
Berlin
numentbegriff ist der im sogenannten Histo-
rismus" allgemeine Begriff der Monumental-
kunst" in Relation zu setzen.
Als seine Vorläufer in der zuletzt belegten Auf-
fassung nennt Semper Vitruv und Karl v. Rumohr.
Vitruv berührt zuerst das Verhältnis der übri-
gen Künste zu der Baukunst, welches sich darin
bethätigt, daß sie jene in einem Werke harmo-
nisch zusammenwirken läßt, und um dies zu
können, eine gewisse Hegemonie über sie aus-
zuüben hatufo." Bezüglich Rumohrs ist dessen
Formulierung vom Haushalt der Künste" ge-
meint, indem er sich darunter freilich zunächst
nur den ordnenden und zugleich dienend sich
unterordnenden Antheil der Baukunst an dem
Sichgestalten der Werke hoher Kunst, der Skulp-
tur und der Malerei, dachtesm. Rumohr bezog
also das Kunstgewerbe nicht ein.
Möglicherweise war der Wiener Kunsttheoreti-
ker Rudolf Eitelberger v. Edelberg van Sempers
Idee vom Zusammenhang der Künste inspiriert,
als er 1863 schrieb; Nichts befördert die Ein-
seiti keit und manierirte Farmen in den einzel-
I.
m... .. vvxr-Ln -1. 'L. u.
Das Zusammenwirken der Künste verkörpert sich
für Semper besonders in der Glanzperiode der
griechischen Kunst, wovon schon bei Erwähnung
der Palychromiefrage die Rede war. Die griechi-
schen Werke seien gewachsen, nicht bloß
Gerüste oder sogenannte Strukturschemen, die
mittels äußerer Anheftung von Symbolen aus
der animalischen und vegetabilischen Welt ver-
ziert sind, wozu Professor Karl Bätticher in Ber-
lin sie machen willü". Bötticher hatte diese
Theorie, einen Dualismus von Kernform und
Kunstform, in seiner Tektonik der Hellenen""
entwickelt. ln letzter Konsequenz muß eine nur
äußerlich applizierte Kunstform" austauschbar
und dann entbehrlich werden, rationalistischer
Utilität weichen, vor der dann zeitweilig ins
andere Extrem, die Absurdität, geflohen wird.
Der hier behandelte Symbolbegriff Sempers da-
gegen bringt den Dualismus von Kernform und
Kunstform zur Einheit.
Semper macht ferner geltend, beim ineinander-
fließen aller bildenden Künste bei den Griechen"
konnte das einzelne die Geltung behalten, wo-
zu es, vermäge seiner selbständigen Schöne, Be-
rechtigung hatte" und nimmt als Kontrast die
barbarischen Monumente" an, wo die Harmo-
nie durch das Aufgehen der unselbständigen Ein-
zelheiten in die Gesamtidee" erreicht werdess.
Der sogenannte Historismus" strebte allgemein
eine Einheit aus der Vielfalt selbständiger Gebil-
de in hierarchischer Stutung in der Kunst an. Das
einzelne war souverän, die Ganzheit suzerän.
Als Beispiel eines Gesamtkunstwerkes, das über
den Einzelbau hinausgeht, gilt Semper der grie-
chische Tempel Wir sind schon nicht mehr
im Stande, den griechischen Tempel als Theil
eines größeren Ganzen zu sehen, zu dem er
den Mittelpunkt der Beziehungen bildete, wie
er selbst wieder das Heiligthum umschloß, dem
er der Bedeutung nach untergeordnet warsf."
Semper nimmt schließlich zu einem Gesamt-
kunstwerk auch die Selbstdarstellung des Men-
schen durch die eigene Person hinzu. Er führt
aus Dabei sc. bei Aufstellung eines ,Systems
der alten Tempelverzierung darf neben der
Malerei der metallene Zierat, die Vergoldung,
die Draperie von Teppichen, Baldachinen und
Vorhängen und das bewegliche Gerät nicht
außer Augen gelassen werden. Auf alles dieses
und mehr noch auf die mitwirkende Umgebung
und Staffage von Volk, Priestern und Festzügen
waren die Monumente beim Entstehen berech-
net. Sie waren das Gerüste, bestimmt, allen
diesen Kräften einen gemeinsamen Wirkungs-
punkt zu gewährenfi."
Ähnlich schreibt Richard Wagner Die Archi-
tektur kann keine höhere Absicht haben, als
einer Genossenschaft künstlerisch sich durch sich
selbst darstellender Menschen die räumliche Um-
gebung zu schaffen..."." An anderer Stelle
postuliert Semper einen engen Zusammenhang
des Kostümwesens mit den bildenden Künsten
und mit der Baukunst insbesondere"; dieser Zu-
sammenhang sei theils ein solcher, der aus der
Analogie aller Erscheinungen, die für den all-
gemeinen Kulturzustand bezeichnend sind, her-
vorgeht"". Einmal sieht er eine gewisse Fa-
schingslaune" förmlich als Triebkratt für Kunst-
schaffen und Kunstgenußt", was auch in diesem
Zusammenhang verstanden sein will, wenigstens
partiell.
Die Bezeichnung der zum Gesamtkunstwerk des
antiken Tempels laut Semper gehörenden Men-
schen als Staffage" zeigt an, daß diese Men-
schen in ihrem empirischen Ich, etwa im Sinne
von Johann Gottlieb Fichte, dabei wesenlos sind,
aber vom Gesamtkunstwerk integriert werden
können, wenn sie sich selbst zum Kunstwerk ma-
chen wodurch sich der Mensch selbst erlöst.
Das Verhältnis des Kunstwerks zum Menschen ist
hier zwangsläufig subtiler als in naiven Epo-
chen Obwohl das Kunstwerk von Menschen ge-
schaffen wurde die auch durch diese Schöp-
fung sich selbst erlösen, wie überhaupt in jedem
ästhetischen Status dennoch tritt dies Men-
schenwerk dem Menschen als von ihm unab-
hängige Wesenheit gegenüber. Transzendiert sich
der Mensch aber selbst zum Kunstwerk, so kann
er vom Gesamtkunstwerk integriert werden. Der
Mensch, welcher sich selbst transzendiert, ist in
einem dem absoluten lch" oder der lchheit"
Fichtes wesensmäßig verwandten Status. Der
zeitgenössische, vor allem in Wien wirkende
Kunsttheoretiker Jacob v. Falke verwendet eben-
falls den Ausdruck Staffage" für die Bewohner
einer Wohnung, die ein Ensemble bilden soll,
das durch Zusammenwirken aller Künste zu schaf-
fen ist und dem Gesamtkunstwerk zumindest
nahe kommt. Dieses Zusammenwirken der Kün-
ste und das Ergebnis davon nennt Falke Deka-
ration", cum grano salis ein Äquivalent für den
Begriff Gesamtkunstwerk". Falke betont beson-
ders die optische Erfaßbarkeit des Ensembles,
seine bildmäßige Einheit".
Hinter dem Gesamtkunstwerk-Begriff bei Sem-
per steht, wie hinter seiner gesamten übrigen
Theorie und Praxis, die fundamentale Überzeu-
gung von einer kosmisch universalen Kontinuität,
und zwar in Zeit und Raum. Dieses Faktum sei-
ner Kontinuitätsüberzeugung als Grundlage sei-
ner Kunstauffassung war angesichts Sempers
ungeheurer Bedeutung für seine Epoche, die er
auf höchstem Niveau repräsentierte, ia über-
haupt mit erschuf, einer der Beweggründe für
den Verfasser, statt der total irreführenden Be-
zeichnung Historismus" die Bezeichnung Kon-
tinuismus" vorzuschlagen.
Darunter versteht der Verfasser eine Kunstrich-
tung des 18. bis 20. Jahrhunderts, welche ein in
Zeit und Raum stetiges kontinuierliches, von
Zeit und Raum unveränderbares, absolutes, ide-
ales Sein bewußt imaginiert nicht nur denkt
zu welchem die schöpferisch freie Veränderung
in Zeit und Raum Kontinuität zu wahren habe,
was vermittelst bewußt imaginierter, universeller
Synthese geschieht. Die Synthese erfolgt sowohl
inhaltlich als auch formal.
Die Synthese vollzieht sich in Theorie und Praxis
analog. In bezug auf die Vergangenheit setzt
sie Synapsen desienigen voraus, was in der ge-
samten Kunst für Erscheinungsform des überzeit-
lich nicht zeitlos Seienden gehalten wird.
Jedes der gefundenen Elemente hat nur Sinn in
bezug auf die angestrebte Kontinuität als Gan-
zes. Bereits das war ein Grund für die konti-
nuistische Blüte des Gesamtkunstwerks. Die Syn-
these muß universell sein, also intentionell muß
alles gegenwärtig sein und in sie eingehen, was
für unveränderlich Seiend gehalten wird; bei-
spielsweise in der Zeit nahm der kontinuistische
Schöpfer des Kosmos in der Kunst die Möglich-
keit einer kontinuierlichen Einheit von Vergan-
genheit, Gegenwart und Zukunft quasi in syn-
chroner dauernder Gegenwart in seinem eigenen
Werk an. Dieses Werk wurde für etwas gehal-
ten, was die universalste Gültigkeit erreicht hatte,
die imaginierbar war. Eine der Voraussetzungen
hierfür war der romantische Pantheismus, ferner
Neoplatonismus und Gnosis.
Derartige Synthesen schufen auf Grund univer-
seller Zusammenschauen nebst vielen anderen
besonders Gottfried Semper und Eugene Ema-
nuel Viollet-le-Duc.
Der Kontinuismus leugnete Veränderung also
nicht und beeinflußte sie auch nicht willkürlich
wie ein Historismus oder Futurismus. Vielmehr
schuf er eine Sytnhese aus Sein und Werden
auf transzendenter Ebene".
Anmerkungen 53-62
Über die bleiernen Schleudergeschosse der Alten, zit.
Anm. 21, S. 4-5.
Potsdam 1844-1852.
55 Zit. Anm. C13, S. 7-3.
5A lbidem, S. 75-19.
KS, s. 24a.
Mzii. Anm. s. 150.
ßr 1. saß. 196-197.
1. Bd., Fußnote S. 216-218.
Die Kunst im Hause, 5. Auflage, Wien 1883, S. 179, 227,
278, 329, 330, 332.
Eingehende Darstellung der Zusammenhänge um den
Kontinuitätsbegritf der Epodie bei Klaus Eggert, Der so-
genannte Historismus" und die romantischen Schlösser
lllä7geSlttrfeltll. ln Historismus und Sdiloßbau, München
Für die Zugänglichmachung des unedierten Semper-Manu-
skriptes Vergleichende Baulehre", Eidgenössische Techni-
sche Hochschule Zürich, ist Herrn Professor Adolf Max Vogt,
Herrn Dr. Martin Fröhlich und Herrn Dr. Kaufmann zu
dGftKEfl.
Unser Autor
Dr. Klaus Eggert
Kunsthisroriker
Diirergasse
1060 Wien
ein Grenzproblem der
zeitgenössischen Kunst in
Osterreich
THAT'S THE WAY-IT SHOULD
HAVE BEGUIW auf x72
HOPELESS
Roy Lichtenslein, Hopeless". Seriegruphie, 1964
In seinem 1964 erschienenen Text das suchen
nach dem gestrigen tag oder schnee auf dem
heißen brotwecken" schrieb H. C. Artmonn
dem Comic writing" Literaturqualität zu und
meinte, daß in einigen zwanzig Jahren man
über diese Comics-Epoche tiefgründige Abhand-
lungen" schreiben werde. Diese Feststellung
nimmt Karl Riha im Katalog der Comic-strips-
Ausstellung des Museums des XX. Jahrhunderts
in Wien 3. 7. bis 1. 8. 1970 zum Anlaß, dem lite-
rarischen Massenphönomen ienes Maß an Inter-
esse" zuzubilligen, das bisher nur der Kunstli-
terotur entgegengebracht" worden sei. Im glei-
chen Katalog verweist Wolfgang Faust auf die
Denk- und Sprechblasen, deren Funktion es ist,
einerseits eine bestimmte Denk- und Sprechsi-
tuation" nachzubilden, andererseits formale Auf-
gabestellungen zu erfüllen. Nach Faust neh-
men die Blasen eine Zwischenposition zwischen
Bild- und Wortelementen ein". Den aufgezeig-
ten Gegensatz zwischen semantischen und for-
malen Aufgaben wird man zunächst festhalten
müssen, wenn man die Verwendung von Schrift
und Zeichen in der zeitgenössischen österreichi-
schen Kunst näher unter die Lupe nimmt.
Man wird aber gleichzeitig bedenken müssen,
58
Anton Fink Tätowierung", 1973. Zeichnung aus
der Mappe Mensch gesehen"
Drago J. Prelog, immer wieder finden sidi
zeichen", 1975. Süßwasseraquarell und Graphit
Georg Chaimawicz, Widmungsblatt des Kata-
logs Ersichtliches". Druck und Füllfeder, 1974
Anmerkungen P3
'Harls Carl Artmann, das suchen nadl dem gestrigen
log oder schnee Gltf einem heißen brotwedren, eintragun-
gen eines bizarren liebhabers", Walter-Verlag Olten
und Freiburg 1964.
Katalog Neue Medien Neue Methoden", Bregenz 1973.
"Mensch gesehen", Graphik Anton Fink, Text Elisabeth
Wäger-Häusle, Vorarlberger Verlagsanstalt 1974,
tw..e.o.,.,..g .. .......................... ..
sammenhang wird man aus den vielfältiger
men der künstlerischen Realitötserfahrung
als elementares Problem bestehen bleibt
allem Fred Sandback lnstallationen" in
Überlegungen einbeziehen müssen, in zv
Linie aber auch Franz Erhard Walthers
zeichnungen von Vorgängen und Erfahn
mit Objekten". Beide der Amerikaner un
in New York lebende Deutsche haben
der Präsentation durch Weiermair einen
sen Einfluß auf die österreichische Kunst
gewonnen. Sandback bezieht sich auf eine
krete räumliche Situation, in der er Alte
ven" entwickelt, die mit Schnüren realisiert
den können. Das eigentlich bleibende Prodi
die Skizze", auf welcher allerdings die
mensionale Möglichkeit in die zweidimensi
Wirklichkeit reduziert wird. Diese Skizzei
ben in Verbindung mit der Beschriftung
schen und ästhetischen Valeurcharakter.
und Zeichen haben also bei Sandback wi
den Denk- und Sprechblasen der Comics
semantische wie formale Aufgaben.
Etwas anders verhält es sich mit den Auf
nungen von Franz Erhard Walther. Sie
Versuche, mit einer Zeichensprache Erfc
gen zu obiektivieren". Walther sagt selbst
Materialisation ist die Aufzeichnung ods
neue Wirksamkeit der Prozesse unter an
Voroussetzungeni."
Während bei Sandback die Erfahrungen
Grund der Skizzen gewonnen werden
werden sie bei Walther durch Diagramms
kumentiert. In der gleichen Bregenzer Ai
lung vertrat die visuelle Poesie von Heinz
mayr ein weiteres Element möglicher Ze
hoftigkeit. Goppmayr demonstriert die
gigkeit der Erfahrung des Begriffes von
zeichenhoften Darstellung". Die Art der
tation des Zeichens wirkt auf die Erfohrur
Bedeutung, die formale Funktion strahlt
semantische Aufgabenstellung aus, währen
eigentlich das Umgekehrte erwartet hat.
talog der österreichischen Ausstellung in
burgh 1973 führt Weiermair Gappmayr auf
genstein zurück Die besondere visuellr
sentatian des ,Concepts' ändert und mod
die Bedeutung des ,Concepts'."
Auf seinem Blatt Tdtowierung" der
Mensch gesehen" hat der Vorarlberger
Fink Schriftelemente unterschiedlicher Fu
verwendet. Sie haben teils Mitteilungscha
wie die Aufforderung Schneide mir den
hier ab", teils formale Funktion wie das
Angst" über der linken Brustwarze. Wahr
lich erfüllen alle lettristischen Elemente o1
sem Blatt gleichzeitig semantische und
sche Aufgaben, sind also den Sprech
Denkblasen" der Comics nahe verwand
deutig als formale Akzentuierung müsse
Kritzeleien auf der rechten Hälfte des
Wasserabfluß" von Fink siehe Katalo
Galerie Contact, Wien, 8. 10. bis 2. 11.
betrachtet werden. Sie haben ihre Wut
den Zeichen an der Wand", die Ben
schon in den dreißiger Jahren zur Unt
chung der sozialen Motivation seiner An
gegen das bestehende Gesellschaftssyste
wendete. Sie sind auch ienen zeichenhoftc
weisen verwandt, die Droga J. Prelog in
Aquarellen des Jahres 1975 immer wiede
nldinoaitndunnedvziqnrlnhrm
rnatnh ein khaln bild aal 50m1.
Vtldllldllltlidlluivretßcrßldu!
jlnzvnlglotdmdodi duntmua var-
ndikaon lwmpoulam. miteinander
knmapondtoranda hllnan mit. so
vamm im haute. alw In den etab-
ZIQII lehren. dk Inlldlt .11. blld.
den Hub. einen. ohne zu um."
Im woidaganq oln ungaaahanaa ant-
nhhan entstehenden araldnltda In
H81.
I0 llld ist! udllbl. tarh die! lllba.
'WIIII ließ.
gähonn 1929 In wtan. lebt In trank-
TÜHI und ballnitdl. 1540-41 98ml!
der ombnan künna boqotb kolum-
Mn;1948 kurze aludlen an doradwh
der sdionan knnalo bogata; 1949-55
QQ euumss der bildenden künm mm
u. neuer.
cf
iX
rit Q2
"du... c. LJVMIM .e.c..e.. uvvvvwlvll vügvtläulk
zum flöchigen Auftrag der Aquarellfarbe stellt
z. B. lmmer wieder finden sich Zeichen" im
Katalog Kontraste" des Rank-Xerox-Zeichen-
Wettbewerbs. In die Nähe dieser formalen Ef-
fekte zielen die Kritzeleien, die Georg Chaimo-
wicz auf den Flächen seiner Weißen Massen"
in sparsamer Weise anbringt. Kurt Jungwirth
spricht im Katalog der Grazer Ausstellung Er-
sichtliches" H. l. bis 3. 2. 1974 von einer Arti-
kulation leerer Bildflöchen durch einfache Zei-
chen" und nennt die Signalsetzung von Chaimo-
wicz eine neue Farm der Kalligraphie". Will-
fried Skreiner sieht in diesen rudimentären Ak-
zentuierungen Spuren, Zeichen, Marken eines
Vorgangs". Jungwirth und Skreiner sind sich also
einig darüber, daß die Zeichen von Chaimowicz
durch den Betrachter gelesen" werden müssen
und können.
Stärker an die Methodik des Comic writing"
knüpft Chaimawicz in seinem Widmungsblatt
des Katalogs der Ausstellung Ersichtliches" an
den Referenten an. Hier macht er von Denk-
und Sprechblasen Gebrauch, bezeichnet eine
charakteristische Form ausdrücklich als Denk-
blase und erweitert den Katalog von Wolfgang
Faust noch um den neuen Begriff der Gefühls-
blase". Die Funktion der Blasen auf diesem
Widmungsbild hat zweifellos semantischen Cha-
rakter. Sie wollen erläutern und verständlich
machen, was der Künstler offenbar der Intuition
des Kritikers nicht zutraut. Die Blasen haben
aber auch eine rein formale, ästhetische" Funk-
tion, und man könnte sich kaum vorstellen, daß
die Füllung der leeren Teile des Vorsatzblattes
raffinierter hätte erfolgen können, als es hier in
einem Augenblick guter Laune und zweifellos
ahne jede auf den ästhetischen" Effekt gerich-
tete Absicht geschah. Das leicht hingeworfene
Blatt ist auch als Zeugnis liebenswürdiger Selbst-
ironie eine Kostbarkeit ersten Ranges.
Zweifellos kann das Widmungsblatt von Chai-
mowicz als für die Einstellung vieler zeitgenös-
sischer Künstler zum lettristischen Phänomen pra-
digmatisch gelten. Die unregelmäßige Umran-
dung der Blasen hat ihre Wurzel offenbar bei
Roy Lichtenstein, dessen bekanntes Blatt Hape-
less" auch noch bei einem anderen Phänomen
Pate gestanden sein dürfte Die Denkblase liegt
unmittelbar dem Ohr des dargestellten Kopfes
an. Vielleicht wollte Chaimowicz mit dieser ver-
schlüsselten Bezugnahme andeuten, daß es hoff-
nungslos" sei, die Denkblase seiner Weishei-
ten" für den Kritiker zu öffnen, vielleicht war
nur die Erinnerung an etwas einmal Gesehenes
auf den Grund des Unbewußten gesunken, von
wo sie ins Bewußtsein invadierte, als der Künst-
ler das Widmungsblatt zeichnete.
Man wird aber auch im Gedächtnis behalten
müssen, daß Wolfgang Faust meint, die Comics
könnten nicht in Wort und Bild allein aufge-
schlüsselt werden", sondern nur in der Bezie-
hung zwischen Wort und Bild". ln dem Wid-
mungsblatt von Chaimowicz wird man also eine
ironisierende Kontrastbeziehung zwischen der in-
tellektuell hochgestochenen Aussage über die
eigene Arbeit im gedruckten Text Sprechblase
und den scherzhaften Hinweisen in den hand-
schriftlich hinzugefügten Denk- und Gefühls-
blasen" vermuten müssen. Diese Aufgabe wird
noch unterstrichen durch den nach oben auf
die Sprechblase weisenden Zeigefinger der lin-
ken Hand, der im Gegensatz zur rechten Hand
steht, die auf die gefallene Jungfrau" zeigt. Der
Kontrastsetzung dient auch die Augmentation
des Brustbildes Fotografie zum gezeichneten
Akt. Gerade die Betonung der eigenen Physis
steht im Gegensatz zur Feststellung der Sprech-
blase Das Bild, das ideale, eines, ohne zu
sein..."
59
Hans Staudacher hat in allen Phasen seiner
Entwicklung seit etwa 1958 lettristische Einschübe
in seinen Bildern verwendet. Da diese Ver-
wendung im Rahmen und mit den formalen Mit-
teln des lyrischen lnformels" erfolgte, fehlt ihr
iene kompositorische Festigkeit, welche die Re-
lation zwischen Bildinhalt und Wortinhalt bei
den vom Comic writing beeinflußten Malern zu
bestimmen scheint. Peter Baum weist darauf hin,
daß bei Staudacher das impravisatorische Spiel
von Linien, Farben und Flecken seine Bereiche-
rung im Einzug von Buchstaben, Wortfetzen und
Satzaussagen" erfahref Baum legt Wert auf die
Feststellung, daß Staudacher diese lettristischen
Elemente den kompositorischen Gegenheiten
strikte unterordnef", was allerdings auch für
Fink, Chaimowicz und viele andere zutrifft. Cha-
rakteristisch für den Lettrismus von Staudacher
scheint uns der Verschmelzungsprozeß, der Ge-
schriebenes, Gestempeltes und Gemaltes inein-
ander aufgehen lößt. Für den Lettrismus von
Staudacher findet man unter den Abbildungen
des Buches von Peter Baum zahlreiche Beispiele.
Keineswegs Verschmelzung, dennoch freilich eine
reziproke Beziehung von Geschriebenem und
Gemaltem, von Text und Bild, Aussage und
Form ist die Zielsetzung von Turi Werkner, die
vor allem seine Encyclopaedia of Hermit
60
Words" 1973 bestimmt, die im Wiener Theseus-
tempel und auf der österreichischen Ausstellung
in Edinburgh 1973 zu sehen war. lm Katalog
der Ausstellung von Edinburgh macht Peter
Weiermair ein unübersetzbares Wortspiel. Er
spricht im Zusammenhang mit Turi Werkners
Encyclopaedia" von der sign nature", der
figurativen Information, und betrachtet die ge-
genseitige Durchdringung von Sprach- und Bild-
information als Charakteristikum der lettristi-
schen Elemente im Werk des Künstlers. Sein
Dictionaire dient dazu, die Beziehung von Spra-
che und Bild zu untersuchen. Die unterschied-
lichsten Dinge werden zusammengestellt, um das
Desengagement der Sprache der Eindeutigkeit
des Bildes gegenüberzustellen oder das Symbol
dem imitatorischen Wesen des Zeichens." Die
Bedeutung der Schrift in den Zeichnungen von
Othmar Zechyr ist schwer zu durchschauen. Man
wird fast alle im Zusammenhang mit Chaimo-
wicz und Staudacher herangezogenen theore-
tischen Uberlegungen van Wolfgang Faust und
Peter Baum anwenden müssen, um ihre Rolle als
informatives und formales Element ganz erfas-
sen zu können. Kristian Sotriffer nennt den
Zeichner Zechyr einen faktenaufnehmenden und
-verwendenden Proiektierer", dessen Planungen
und Entwürfe der Concept art" verwandt sind.
Sotriffer nimmt allerdings für Zechyr in
spruch, daß er präziser und mehr auf
endung in sich abzielend verfahre als iene
sich mit der Skizze der ldee und deren verl
Erklärung begnügen". Die ldeenskizze bl
für Zechyr der Verbindung von Bild und
Beide sind Realisationsformen für Vorsti
gen, die anders im Augenblick nicht real
werden können, Die Definition trägt der Tat
Rechnung, daß die Notate von Zechyr
gangsphasen festhalten. Stets hat er die
von anderen Medien, in denen er seine
iekte verwirklichen möchte. In der Zeich
findet Zechyr die Basis, die ihm zufliega
Gedanken einmal ein- und aufzufangen,
meln und ordnen zu können... Seine Enti
genügen sich selbst und werden dahei
einem Optimum an Einfügungen bereichert
che die technische Zeichnung ebenso eint
hen wie die auf eine bestimmte Realisier
möglichkeit hindeutende Modellentwicklui
Querschnitten, Grund- und Aufrissen sow
Funktion gezeigten statischen und bewegter
pern in Situationsschilderungen, welche die
litöten auf doppelbödige Weise auf den
stellen, ohne sie zu verbergen".
Der Modellcharakter der Zeichnungen vo
chyr bestimmt auch das Wesen ihres Lettri
Zechyr, Architektur zur Synekdoche", 196
der in schwarzer Tusche auf Millimeterp
Institut zur Förderung der Künste in Oste
Wolfgang Ernst, Rope line", 1970. Zeicl
Graphit und Filzstift
Oswald Oberhuber Oberhuber gibt es
Zeichnung, ca. 1970
Anmerkungen 4-6
Petcr Baum, Hans Staudacher", Edition Tusch,
Kriston Sotriffer, Zechyr, Landscapos", mit einen
kcitalog sämtlicher Zeichnungen 1967-1970 van
Chobot, Usterreichische Graphiker der Gegenwar
Edition Tuscti, im Verlag Anton Scliroll 81 Cm,
München, v3.1.
'Zeichnungeri" von Claes Oldenburg mit Textbe
Katalog einer Wanderausstellung, die vom 14.
Z9. 2. 1976 in Wien ZU sehen sein wird Muse
XX. Jahrhunderts.
WMWW; xväß pfäfmßflrßfßzr
IM- jßf Im ßlmwyßfßr
auw Zlfillzßßf jldßldfßßßß4
am Je-ry" Alogr nurwar, 1m am.
M279,
len Fällen soll die Beschriftung das Modell
ir Handhabung einfacher, verständlicher,
lesbar machen. Sie soll die verbale Er-
I9" bieten, durch welche die ldeenskizze
zt und vervollständigt wird. Sie ist ebenso
erschrift des Konzepts" wie das Formen-
tUlGT der Zeichnung selbst. Sie gehört zum
mum an Einfügungen", das Sotriffer für
eichnungen von Zechyr in Anspruch nimmt
Sinne, daß eben das Optimum" nicht
ht wird, wenn das durch die Schrift Aus-
aare fehlt. Zechyr hat seine Abbreviatu-
Aufzeichnungen, Entdeckungen stets auch
sprachliche Mitteilungen bereichert, die
inglich lesbar waren, sich aber zu nicht
entzifferbaren, lediglich noch dem Duktus
chrift folgenden hieroglyphischen Struktu-
arwandelten. Diese das gezeichnete Strich-
begleitenden Sequenzen sind das Resul-
inander überstürzender und daher nicht
artikulierbarer ldeen... ln das ursprüng-
iehr emotionell erfahrene Strukturbild fügt
lie rationale Klärung eines Sachverhalts
Sotriffer erweitert mit dieser Erklärung das
ibenschema der lettristischen Elemente bei
wesentlich. Sie sind nicht nur sprach-
Mitteilungen", sondern auch begleitende
nzen". Sie nehmen daher eine Mittelstel-
Iwischen den sprachlichen Mitteilungen des
ic writing" und des Widmungsblattes von
lOWlCZ und dem improvisatorischen Spiel"
audacher ein, das durch Buchstaben, Wort-
und Satzaussagen in strenger Unterord-
unter die kompositorischen Gegebenhei-
tereichert wird. Selbst in den Landscapes"
die nach Sotriffer anstelle der Worte
selbst entwickelnde, mutierende Linien,
iolgen, Flächen setzen", kann Zechyr des
enden und ergänzenden Wortes nicht ganz
hren. Da findet sich auf Landscape
inweis Made in Austria" und die Erläute-
Heimatliche Baum- und Landformen" in
yleichen sauberen Druckschrift, die Turi
wer für die Stichworte seiner Encyclopae-
rerwendet. In Landscape und in Land-
scape 18" stehen handschriftliche Erläuterungen,
wie man sie aus den früheren Blättern der Serie
Entwürfe zur synekdochetischen Architektur"
T968 kennt. Landscape T0" enthält im oberen
Bilddrittel die didaktische Bemerkung Simple
sketches leading up to yaur drawing are very
necessary and helpful", im unteren Drittel steht
das Bekenntnis These drawings are not as hard
to da as some and not to easy either, but are
600 honest drawing, story with under-
standing and well tald, you cannot ga wrong
with this kind of drawing", dazu ein schwer le-
serlicher Bildtitel. Man würde fehlgehen, wollte
man diesen lettristischen Elementen in den
Landscapes" ausschließlich Mitteilungscharakter
zubilligen. Die Aufschrift Trees" auf Landscape
die eine Anzahl gezeichneter Bäume über-
deckt, hat zweifellos in gewissem Sinne ironi-
schen lnformationswert. Die Art aber, wie sie in
das Bild gefügt ist, läßt ihre ästhetische" Funk-
tion für den Betrachter leicht nachvollziehbar
erscheinen. Auch in der von uns abgebildeten
Architektur zur Synekdoche" 1967 hat die Be-
schriftung, wie sich schon aus der schlechten Les-
barkeit ergibt, nur bescheidenen Mitteilungswert.
lm Zusammenhang mit den sie überdeckenden
Strichen bildet sie aber einen kräftigen forma-
len Akzent, der die untere Bildhälfte vornehmlich
bestimmt. Neben dem Wunsch nach Verrätse-
lung der Szenerie" tritt bei Zechyr stets auch
das Streben nach strukturaler Ausgewogenheit
des Bildgefüges, ein Ziel, das häufig durch die
Anwendung lettristischer Mittel erreicht wird.
Die Skizze der Idee und verbale Erklärung",
wie sie nach Sotriffer den Situation concepts"
eigen ist, die vom l5. März bis 10. April 197i
in der Galerie nächst St. Stephan vorgestellt
wurden, wird man nicht ganz als ein Begnü-
gen" begreifen können, wie das Sotriffer tut.
Die Rolleder Schrift in den Projekten der
Cancept art ist komplex und verbindet ähnlich
wie bei Zechyr mitteilende und formale Aufga-
benstellungen, wobei die letzteren manchmal be-
herrschend in den Vordergrund treten. Ziemlich
ausgeglichen dürfte das Verhältnis wischen ln-
formation und integrierendem Bestandteil der
Bildstruktur bei Wolfgang Ernst sein. Auf dem
Blatt Rope line" 1970, abgebildet im Katalog
der obgenannten Ausstellung, füllt der geschrie-
bene Text etwa das untere Bilddrittel. Er bildet
ein festes Fundament, auf dem die Bäume des
Mittelfeldes wachsen können. lnhaltlich kann
nichts an dem Text mißverstanden werden.Skizze
und Text umreißen das Proiekt so genau, daB
es jederzeit und allerorten praktisch nachvoll-
zogen werden kann. Dennoch gewinnt dieZeich-
nung erst durch die Kantrastsetzung von Bild
und Schrift, von gefülltem Unterdrittel und fast
leerem Oberdrittel den eigentümlichen schwe-
benden Reiz, der sie des bloßen Informations-
wertes entkleidet und über die Proiektinforma-
tion hinaus zu dem macht, was Sotriffer im Zu-
sammenhang mit Zechyr ein Alphabet, das man
zu lesen verstehen muß", nennt. Die präzise
übermittelte Modellstruktur wird nicht nur doku-
mentiert, sondern neu definiert. Hier dürften
starke Einflüsse der amerikanischen Pop-art vi-
rulent sein. Hinzuweisen wäre in diesem Zu-
sammenhang auf Blätter wie Erotischer Turm
für Picadilly Circus" 1966 und Note Nr. 44"
1958 von Claes Oldenburg. Für die Beischrif-
ten" auf dem letztgenannten Blatt gibt es eine
Erklärung des Künstlers; lch hatte wahrschein-
lich Schwierigkeiten, weil ich Gemälde machte,
die mehr die Art von Skulpturen als von Zeich-
nungen hatten." Ein anderes Blatt Note Nr.
49" wird von Oldenburg ausdrücklich als Pro-
iekt" bezeichnet Davon machte ich ein drei-
dimensionales Werk, das ich später zerstörte...
Es bestand aus einem Stück Holz und Figuren
darauf von metomorphischem Charakter... Si-
cher stand ich unter dem Eindruck der gehenden
Figuren Giacomettis." Die Quantifizierung der
Beischriften" bei Oldenburg ist verschieden
Einige meiner Zeichnungen bestehen ausschließ-
lich aus Text, eine Art poetischer Prosa, die
eine visuelle Wirkung beschreibtf."
Dieter Koepplin verweist in seinem Katalogbei-
trag über Notizblätter und Zeitungsausschnitte"
61
nun gj
KT
bei Oldenburg auf die Tatsache, daß der Künst-
ler auf die exakte Formulierung der Titel gro-
ßen Wert legt, daß die Titel und sonstigen Be-
schriftungen zur Kenntnis genommen werden sol-
len". Oldenburg bedarf der literarischen Bei-
schritt" zur Erklärung der eigenen Assoziations-
ketten und der rapiden Annäherungen, Ver-
wandlungen und Verzweigungen der Formen
samt ihrer möglichen Bedeutungen". Hier schei-
nen deutliche Beziehungen zu den Beschriftungs-
tendenzen bei Zechyr einerseits und Wolfgang
Ernst andererseits zu bestehen. Etwas abweichend
dürfte es sich bei Ernsts Projekt White Austria"
T969 verhalten, wo die Erklärung in der rech-
ten oberen Bildecke nicht zuletzt die ästheti-
sche" Gegenfunktion gegenüber der notwendig
leeren Oberfläche der Nordsee in der linken
Ecke hat. Nahe verwandt mit den Projekten von
Wolfgang Ernst dürfte Hubert Pfaffenbichlers
Zeichnung und Collage Aggression zu Tisch"
1973, abgebildet im Katalog der Ausstellung
Bildnerische Tatbestände, Beispiele österreichi-
scher Kunst heute" der Neuen Galerie der Stadt
Linz, Wolfgang-Gurlitt-Museum, 14. Dezember
1973 bis 3. Februar 1974, sein.
Vornehmlich formale Aufgaben dürften die
durchgestrichenen Adressen von Oswald Ober-
huber mit dem Titel Oberhuber gibt es nicht"
erfüllen. Sie waren ebenfalls in der Ausstellung
Situation concepts" zu sehen. Der Versuch,
lettristische Tendenzen bei einer kleinen Auswahl
repräsentativer lebender Künstler in Österreich
"I0
nachzuweisen und in ihrer funktionalen
tung voneinander und von verschiedenen
flußquellen abzuhebenjwill nur als Hinwe
ein charakteristisches Phänomen zeitgenöss
Kunstübung betrachtet werden. Der Versucl
auf eine historische Einleitung mit der Dc
lung lettristischer Phänomene in der Kuns
gangener Epochen bewußt verzichtet, mocf
der auf Vollständigkeit der Beispiele noc
erschöpfende Erklärung der Wurzeln des
mens die sich schon aus Platzgründen
ten Anspruch. Er will vielmehr die Diski
über die Annäherungen, Verwandlunger
Verzweigungen" der lettristischen Ausdruck
lichkeiten der erwähnten Künstler ein wen
Gang bringen.
10
62
Huber! Pfoffenbichler, Aggression zu Tisch",
1973. Zeichnung und Collage
Hans Slaudacher, Poesie obiecfive E. Looien",
1961. Goucche, Tusche mit Feder auf Papier
Heinz Guppmoyr, Iinien flöche", 1972
linien lläche
Unser Auior
Dr. Ruediger Engerth
Lumbrechlgusse 16116
1040 Wien
elnde" vorpreschende Akteure oft milde
helt schon Neuland zu bereiten versuchten,
näßigem Erfolg, soll diese Erfassungsaktian"
alten, einen echten Durchbruch und Zugang
sher koum interessierten Schichten zu erreichen.
setzt in dieser ersten richtigen Schlacht
ien Mann von der Straße" schwere Kaliber ein.
hohe Anzahl profilierter Leader-Galerien
nternationalen Kunstszene, mit Präsentationen
unstwerken der klassischen Moderne bis
trogressivsten Avantgarde bestückt, ist
lisiert. Erstmals soll ein dichtes Panorama
enössischer Kunst erstehen und in direkter
rantation mit seiner Originalität, Werk an
das Bruchstückhafte, mehr in Vorstellung
elnde nur bildhafte Wissen vergessen machen.
tarker Versuch, die verfilzt-stagnierende
tion der heimischen Kunstkreise und deren
rierendes Ab- und Zugerinnsel aufzulockern.
hier konsequenterweise vor allem zu tun sein
ist es, also ein wirklich neues Publikum
IZUlEFlZlShEH, von Grund auf für die Kunst
O. Jahrhunderts in ihrer reichen Vielfalt zu
assieren und die Scheu zu nehmen, mit Kunst
iaupt in Verbindung kommen zu wollen und
rbsbereitschaft zu wecken. Die lnterkunst legt
ab man es glauben mag oder nicht in erster
darauf an, der modernen Kunst, vom
kum her gesehen, mit dieser Veranstaltung,
Viens gesamtes Kunstleben erfassen soll,
undament, eine existenzielle Basis zu schaffen.
ommerz, der mondial alle Messespektakel
tfl, soll keine tragende Rolle spielen.
etzungen und Programmatiken kunstpolitischer
sind stets mit großen Risken belastet, und
arte Türen", Open Hauses" u. a. in Museen
Balerien bedingen nicht unbedingt volle
er, was immer auch von staatlicher Seite aus
len Mitteln gemäß erschöpfend getan wird.
ist diese globale Full-Action zu bejahen,
er endlich der Beweis auf heimischem Baden
cht werden soll, daß auch der österreichische
ler erstaunliche Potenz aufweist und
rational über die Massen stark zu reüssieren
nde ist. Das ist nämlich Hauptanliegen der
wnst Wert und Bedeutung des österreichischen
lers mittels Konfrontation ins richtige Bild
en. Wenn es dann in beabsichtigten Aktionen,
ngs, Diskussionen gelingt, vor den Kunst-
an verständnisvolle Einführer zu finden,
roße Zusammenhänge, neue Tendenzen,
tien vermitteln und die vor allem die Kunst
'odest ihrer Heiligkeit" auf das Pflaster
tlltags zu stellen vermögen, wird eine Brücke
tlagen sein. Wesentlich scheint hier auch der
erechte Einsatz und die richtig dosierte
arache" in den Massenmedien vor dem
nis zu sein, um nicht nur die, die mit Kunst
it sind, sondern und vor allem iunge Leute
sozial weniger gut gestellten Mittelschichten
'eichen, die, wenn sie Geschmack gefunden
S.
Joan Mira, Dutch Interim, 1928. OllLeinwand.
Adolf Frattner, Die drei Grazien", 1970. UIIGraphitI
Collage auf Leinen.
Cornelius Kolig, Biennale-Exponat Nr. entstanden 1969,
überarbeitet 1970. Eisen, verchromt, rvc, Plexiglas, 43 cm.
Gotthard Muhr, Biennale-Exponat Nr. 11, SubventionerW,
1973. Radierung in Aquatinta und Kaltnadel, 29,7 4a cm;
Hans Staudacher, Biennale-Exponat Nr. 32. Kreuzweg der
einzelnen", m0. Gauache, 53,5 7a cm.
Kunst, ihrer Lebensnotwendigkeit so drastisch wie
irgendmöglich vor Augen zu führen. Denn, simpel
gesagt, was wäre denn eine Welt ohne Kunst-
äußerung, wie sähe" denn diese Welt ohne sie
aus? Vielleicht beginnt man es mit einem gesunden
und so leicht verständlichen Grillparzer-Wort
Kunst verhält sich zur Natur wie der Wein zur
Traube."
Irgendwo geistert in unseren urbanen Lüften das
Wort Wien hat immer Saison". Wir möchten
abwandelnd wünschen, daß noch der lnterkunst
die Kunst hier immer Saison haben möge",
denn, beginnend von dem den darstellerischen
Urtrieb bezeugenden ersten Kunstwerk der Jäger
vor 15.000 Jahren vor Christi bis zum progressivsten
Werk der Gegenwart, ist Kunst das untrüglichste
und vollkammenste visuelle Nachschlagewerk aller
Zeiten und von kaum zu erahnendem Wert.
Das sollte ins Bewußtsein der heutigen, vornehmlich
iungen Menschen und um deren Zukunft willen
gesenkt werden. I. netopil
Xlll Bienal de Sao Paulo T975
Österreich nahm auch heuer wieder an der
diesiährigen Biennale in Brasilien, bei der sich
Künstler aus allen Erdteilen zur Konkurrenz stellen,
teil. Unter der Führung des vom Bundesminister
für Unterricht und Kunst, Dr. Fred Sinowatz,
beauftragten Biennalekommissärs, Peter Baum,
des Direktors der Neuen Galerie der Stadt Linz,
vertraten Cornelius Kolig, Gotthard Muhr und
Hans Staudacher Österreich in diesem prominenten
Concours d'Art. Kolig, der vor allem als
Obiektkünstler eine profilierte Eigenständigkeit
erlangt hat, geht es nach Baum um die Vermittlung
eines universellen Erfahrungs- und Gestaltungs-
schatzes, der in einer kaum auslotbaren Vielzahl
von Bezügen und Assoziationen ein neues
Selbstverständnis von Kreativität und Kunst
veranschaulicht. Muhr knüpft mit seinen Radierungen
an die große expressionistische Tradition
Schieles, Kokoschkas, Kubins und Gerstls an,
gilt laut Baum als unmodischer Künstler, dessen Art,
sich mit dem Menschen auseinanderzusetzen,
unter die Haut geht. Staudacher gilt als einer der
wichtigsten Künstler der nanfigurativen Malerei
Österreichs. Über ihn meint der Biennalekommissär,
seine Bilder und Blätter, seine großen Formate wie
seine rniniaturartigen Studien sind trotz ihrer
Spontaneität und ihrer oft mit bloßer Willkür
verwechselten Freizügigkeit immer Produkte eines
durch hellwochen Verstand und Gefühl bestimmten,
bewußten bildnerischen Vollzugs. Bei Redaktions-
schluß waren nur vage Angaben aus Brasilien
herüber zu uns gekommen, und zu allem Leidwesen
erkrankte Peter Baum, der auch seit langen Jahren
Redakteur und Autor dieser Zeitschrift ist, vor
dem Abflug nach Europa, so daß wir nichts
Konkretes aus erster Hand berichten können.
l. netopil
Künstlerprofile
emewm
Mixed Pidrles FVOLI an der
Riviera",
im. Gouache
Wiener Strip, im. oi
Ei sie! Peter Dworak Gabi
COmmUHE, 1971. Pastell
Wienerin, 1973. ai
Naschmarktszene, im. Pustell
Peter Dworak
Als sensibler Mensch reagiert Peter Dworak auf die
leisesten Erschütterungen Der Künstler Dwarak"
trachtet in seinen Arbeiten, Erfahrungen zu
vermitteln, die der Mensch Dworak" gemacht hat.
Es sind menschliche Beziehungen, die in den
Arbeiten von Peter Dworak eine Schlüsselpasition
einnehmen, wobei das Schwergewicht auf sexuellen
und erotischen Inhalten liegt. In irgendeiner Form
findet man sie in den Arbeiten Dworaks immer
wieder, sei es direkt und offen wie in den
Brustbildern" oder in dem Zyklus Autos und
Frauen", oder indirekt und symbolisch wie in den
frühen Ülkreideblättern von 1969170. Sexualität ist
für Dworak iedoch niemals lyrisch verspielt, sondern
ist stets der aggressive und brutale Zweikampf
zwischen Mann und Frau oder Frau und
Gesellschaft.
Die Brutalität, die Gewalt unserer Welt drückt
Dworak durch eckige Konturen, wilde Striche und
Schraffuren, aber auch durch starke Hell-Dunkel-
Konstraste aus. Trotz aller Brutalität und Gemeinheit,
Aggression und Niedertracht, die den Menschen
Dworak sowohl als auch den Künstler Dwarak
umgibt, fasziniert ihn das Abenteuer Leben", das
immer wieder Neues bietet und stets Überraschungen
parat hat. Die urwüchsige Kraft eines Hemingway
fasziniert Dworak ebenso wie unsere heutige
Coca-Cola-Wirklichkeit.
Wie ein roter Faden zieht sich die Frau durch das
Schaffen des 1949 in Wien Geborenen. Waren
während der Akademiezeit die Frauen noch in
graphische Elemente aufgelöst und weit davon
entfernt, Naturstudien zu sein, so folgte sehr bald
die Auseinandersetzung mit dem Problem
Mann Frau. Aus größtenteils subiektiver
persönlicher Perspektive entstanden l97ll72 groß-
formatige Pasteile, die sich mit der sexuellen
Wirklichkeit beschäftigten. Im Jahre 1973 löste sich
Dworak von der intimen Problematik ohne
iedoch das Thema Frau" aufzugeben, sondern im
Gegenteil, es traten Frauen in den verschiedensten
Phasen ihrer Existenz verstärkt in den Vordergrund
von Dworaks Arbeiten. Ebenso nimmt ietzt das
gesellschaftskritische Moment einen klareren Stand-
punkt ein. Dworak beschäftigt sich mit den Sexual-
und Wohlstandsfetischen der Gegenwart und
betrachtet die Frau als Konsumartikel, als
Gebrauchsgegenstand, als werbewirksame und
umsatzforderndes Hilfsmittel. Am deutlichsten tritt
dieser Sachverhalt beim Männlichkeitssymbol
Auto" zutage Autos und Frauen" in vieldeutiger
oder eindeutiger Auslegung. In der Folge entstehen
die Brustbilder". Es sind Porträts von Menschen
in den verschiedensten Situationen und Ausdruck
vielfältiger Denk- und Verhaltensweisen. Dworak
empfindet sich mit den Brustbildern" als Chronist
seiner Zeit".
Dworaks Bilder stellen keinen statischen Zustand
dar, sie deuten Geschichten an, die eventuelle
Geschichten sein konnten, ohne dabei iedoch
literarisch" zu sein, denn indem Dworak die
Bildfläche unterteilt, geben seine Bilder Handlungs-
abläufe wieder. Oftmals arbeitet Dworak auch mit
der dem Film spezifischen Zoomtechnik", d. h. er
betrachtet zuerst die Totale, um sodann ein oder
mehrere Details herauszuheben, sich großformatig
auf das wichtigste Detail zu konzentrieren, welches
das eigentliche Bild ausmacht. Durch diesen Trick
erzielt Dwarak die seinen Bildern eigene Dynamik.
Bei der Aufteilung der Bildfläche in mehrere
Abschnitte dürfte es sich um den Versuch des
Künstlers handeln, verschiedene Ebenen des Unter-
bzw. Unbewußten in das jeweilige Bild miteinzu-
beziehen. Wenn die optischen Mittel nicht aus-
reichen, wenn durch eine Erklärung eine neue
Dimension hinzugewonnen werden kann, greift
Dworak zum erläuternden Wort. Durch Über-
lagerung, Bildaufteilung und das Hervorheben von
Details gelingt es Dworak, einer vielschichtigen
Realität bildnerisch Rechnung zu tragen.
Peter Dworak studierte an der Akademie für
bildende Künste bei Prof. Max Melcher Malerei und
Grafik Radieren. Peter Dworaks bislang größter
Erfolg war die Erringung des 2. Preises beim
Schluß S. 68, 3. Sp. unten
1,2 Aktion ZwettllNÜ. Putzmühle,
August T973
3,4 Aktion Wien, Flotzersteig,
Heurigenschank, Baumstrunke,
T972
Franz Milan Winh
Wien, Stürzellacke. Boot, Juli 1972
Franz Milan Wirth
Seine Anmalaktianen
F. M. Wirth wurde T922 in Wien geboren, studierte
Malerei und stellte im ln- und Ausland aus. Bei
einigen Ausschreibungen errang er auch Preise,
seine besten Arbeiten konzentrieren sich um
Meditatiansbilder und flöchige mehrfarbige Holz-
schnitte, die er sehr sauber druckt und die ieweils
bald vergriffen sind.
Seit etlichen Jahren versucht er nun mit viel
Phantasie und Geschick, seine Mitmenschen zu
aktivieren. Er will sie aus iener der Massen-
gesellschaft typischen, durch die Medien, durch
Tonband und Fernsehen angezüchteten Passivität
herausführen und aus Zusehern, Zuhörern,
Zuschauern zu begeisterten Mit-Machern machen.
Es geht nicht darum, daß ietzt iedermonn glaubt,
ein kleiner Rembrandt oder Rubens zu sein, sondern,
daß jedermann wieder Freude am eigenen
spielerischen Gestalten das 1a ein sehr wesent-
liches Element jeder Kunst ist findet. Das
Wichtigste ist ieweils der Arbeitsvorgang, das Tun
und nicht das Produkt. Eine wichtige, wenn man
es genau betrachtet, eine der Kapitalbildung
abgewandte Schau. Das Ergebnis ist nicht ein
Kunstwerk, sondern die Bewußtwerdung der
eigenen Kreativität ist das Ausschlaggebende.
F. M. Wirth wendet sich dabei an ganz verschiedene
Bevölkerungsschichten. Einmal fordert er iene
Menschen, die sich für Kunst sanst nur als Betrachter
interessieren, dazu auf, etwas zu tun, das gilt von
den Aktionen vor Ausstellungen, auf Kunstmörkten,
im Theater, zum anderenmal wendet er sich an
Menschen, die der Kunst eher fern stehen, etwa bei
einem Heurigen, am Badestrand oder auf dem
Hauptplatz einer Kleinstadt. Die Obiekte, die
Wirth anmalt und anmalen läßt, sind sehr
verschieden, meist sind es ausgediente Maschinen,
einmal waren es Baumstrünke, ein anderesmal ein
großes Ruderboot, das der Besitzer zur Verfügung
gestellt hatte. Die aktive Teilnahme der sonst
passiven Zuschauer war recht unterschiedlich, meist
waren Kinder und iunge Menschen die ersten,
die bereit waren mitzumachen, dann folgten auch
andere, oft mit großer Begeisterung und Hingabe.
Einige lassen sich Verständigungen für die nächsten
Aktionen schicken, um nur 1a wieder dabeizusein.
Wir bringen nun eine Übersicht der wichtigsten
Aktionen F. M. Wirths, die zeigt, wie vielfältig und
wie zahlreich sie sind. ln verschiedenen deutschen
und Schweizer Publikationen wurden auch bereits
lange Abhandlungen über diese verfaßt
Prof. Peter F. Althaus, Luzern.
Gegenstand
Ort der Aktion Zeit der Bemalung
Wien, Flötzersteig,
Heurigenschank Mai T972 Baumstrünke
Wien, Stürzellacke Juli T972 B001
Graz, Kunstmarkt September T972 Kunstharz-
Wien, Kulturzentrum kugeln
Wagenradl Februar T973 Schnee
Bad Mergentheim,BRD Mai T973 Autobus
Schloß Schönau, NÜ Juli T973 Stihüiieläieb-
rnaschine
Zwettl, NÜ August T973 Pvilmühle
Wien, Theater Säule"-
Februar T974 callagierung
am Schwedenplatz
Bad Kissingen, BRD März T974 Collagen mit
Nägeln und
Dixo-Bändern
Göttingen, BRD, Donau-
Kunstmarkt Juni T974 kieselsteine
Buchen i. Oden- November T974 Klebeband-
wald, BRD collogen
Göttingen, BRD,
Kunstmarkt Juni T975 Baumwurzeln
Nürnberg, BRD Juli T975 Gehsteig
Wien, Galerie Oktober T975 Halzzwingen-
Halzer plastik
Der Besuch und die Beteiligung schwankten zwischen
20 und 500 Besuchern und zwischen T0 und 50
Beteiligten, Besonders rege war die Beteiligung
am Flötzersteig in Wien, beim Kunstmarkt in Graz,
vor dem Schloß Schönou, NU, und beim Kunstmarkt
in Göttingen, Alois Vogel
65
Aktuelles Kunstgeschehen Österreich
Wien
Museum des 20. Jahrhunderts
3. Weltausstellung der Fotografie
Wie bereits die ersten beiden Ausstellungen dieser
Art stand auch diese wieder unter einem Motto
Unterwegs zum Paradies". Die erste Bildgruppe
stand unter dem Titel Unterwegs" und die letzte
der 28 Gruppen, mit insgesamt 433 Fotos, stand
wieder unter dem Titel Unterwegs". Dieses war
auch das einzige Gemeinsame, das sich in der
ganzen Ausstellung bemerkbar machte. Schon der
andere Teil des Titels, das Paradies, wird sehr
verschieden gesehen. Da gibt es die Gegenüber-
stellungen Prozessionen von Nonnen in Polen und
Arbeiter von Havanna mit einem Wald von
Che-Guevara-Plokaten, Friedhof und Autokolannen,
Vermassungen und Vereinsamungen. Hauptunter-
teilungen waren Der Traum vom Paradies",
Fern dem Paradies", Wie reagiert der Menscht",
Fixierungen", Neue Schritte". Neben den
erschütternden Bildern aus den verschiedensten
Kriegsgebieten geben die Fotos der Begegnungen
der Touristen mit den Menschen Afrikas besonders
zu denken, aber ebenso haben die Fotos eines
UdSSR-Kindergartens oder die Parade ehemaliger
Partisaninnen in Sofia eine besondere Seite eines
vermeintlichen Paradieses gezeigt. Viele gute Fotos,
wieder von Karl Pawek zusammengestellt, zeigten,
wie weit der Weg zum Paradies ist und auf welch
sonderbar verschiedene Art er gesucht wird.
s. 91.-19. 10. 1975 Abb.
Galerie Wolkenstein
Hans Hanko
Schon lange sah man nicht so viele Arbeiten
Hankos in Wien in einer Ausstellung. Dieses Mal
sind einige ganz delikate Graphiken dabei.
Neben einer Anzahl iener vom Künstler bevor-
zugten, um Sexualität und Eros gruppierten Themen
sehen wir hier in einigen der letzten Bilder
eine neue Problematik aufkommen die
Auseinandersetzung mit der Technik. Eine
vulkanische Wärmemaschine ist hier besonders
zu erwähnen.
1. 10.-15. 11. 1975 Abb. 31
Wiener Secession
ll. Wiener Graphikbiennale
Nachdem T972 bereits in Wien eine internationale
Graphikbiennale erfolgreich abgehalten wurde,
gelang es nun, leider wegen finanzieller
Schwierigkeiten um ein Jahr verspätet, eine zweite
Veranstaltung dieser Art zu organisieren.
Aus 26 Ländern waren über 500 Arbeiten der
verschiedensten graphischen Techniken zur Auswahl
vorgelegt worden. Der Jury unter Vorsitz von
Hofrat Dr. Walter Koschatzky gehörten Dir.
P. Baum, Dr. O. Breicho, Dr. E. Mitsch, W. Lindinger
und H. Sterk an. Der T. Preis wurde Arnulf
Rainer der 2. Valerio Adami der
3. Christa der 4. Fritz Steinkellner zuge-
sprochen. Neben Blättern weltbekannter Künstler,
wie Matta, Shapiro, Tobey, wurden auch iene,
relativ wenig bekannter Österreicher, wie
L. Bruckmeier, K. Koller und M. Lechner, gezeigt.
Erfreulich ist auch eine verhältnismäßig hohe
Beteiligung von Graphikern aus der UdSSR mit
sehr wesentlichen Beiträgen. Der Katalog,
für den niemand verantwortlich zeichnet, ist leider
etwas fehlerhaft.
T2. 6.-27. 7. T975 Abb. 4-6
Galerie am Graben
Hans Knesl
Kleinplastiken, fast ausschließlich Bronzen. Jedem
dieser Werke merkt man es an, daß sich der
Schöpfer sehr intensiv mit dem Modellieren
auseinandergesetzt hat. Es sind also keine
Übersetzungen vom Stein ins Metall. Es ist ein
Formen aus der Erde und damit ein Aufbauen!
Sicher gibt es auch Unterschiede, sehr konzentriert
sind die säulenartigen Torsi. Bei allen Figuren ist
die Rundung wesentlich, das Quellende, Bauchige.
Das gilt auch von den Motiven, mit denen sich
die Graphiken beschäftigen. Interessant sind in
66
diesem Zusammenhang stelenartige Gebilde, die
eine Anzahl traubenförmige Ausbuchtungen zeigen,
Körperrhythmen in freier Gestaltung.
20. T0.-8. TT. T975 Abb.
Historisches Museum der Stadt Wien
Franz Lerch
Der T895 geborene Wiener Maler ging T938, seiner
gefährdeten Frau zuliebe, nach Amerika. Die
Bilder vor der Emigration, zuerst dem Jugendstil
und dann der Neuen Sachlichkeit nahestehend,
waren sicher die besten der Ausstellung.
Die Unruhe des Lebens in New York spiegelte
sich in fast allen späteren Werken. Verschiedene
Einflüsse machten sich geltend. Erst in den späten
Aquarellen scheint Lerch wieder eine eigene Linie
gefunden zu haben.
3. 7.-7. 9. T975
Akademie der bildenden Künste
Max Gubler
Der in Österreich leider zuwenig bekannte Schweizer
Maler 1898-1973 wurde mit einer großen
repräsentativen Schau vorgestellt. Sein Guvre
umfaßt allein ca. 2500 Ülgemälde. Er war mit
Herbert Boeckl seit T924, auch und besonders
während des Krieges, befreundet. Hauptsächlich
malte er zuletzt Landschaftsbilder. Um die dreißiger
Jahre von Picasso und Matisse beeinflußt, waren
seine Farben zurückhaltend und blaß. Später
werden sie immer leuchtender und stellenweise
kühn. Die T945 gemalte Limmatlandschaft setzt
Akzente, von denen man im Wien iener Tage
nach nichts ahnte. Expressive Ausbrüche rückten
manche Bilder nahe an eine Aktionsmalerei,
doch verließ Gubler nie die Zusammenhänge der
realen Darstellung.
28. 8.-2T. 9. T975 Abb.
Internationales Kulturzentrum
Tudor Bonus
Ein phantastischer Realist aus Bukarest, der in
Berlin lebt. Kupferstiche, Aquarelle, Lithographien
und hondkolorierte Arbeiten. Sehr exakt gearbeitet.
Mit viel humanem Engagement. Fast durdiwegs
nur in zwei Farben gehalten.
TO.-30. 9. T975
Künstlerhaus Wien
Plakatausstellung Victor Th. Slama
Eine informative und wesentliche Schau, zeigte sie
doch, welche hervorragenden und künstlerisch
reifen Plakate in den zwanziger Jahren hierzulande
entstanden sind. Ganz gleich, ob es sich um
Filmwerbung, um das Angebot einer Zeitung oder
um Wahlplakate handelte, Slama bewahrte die
große Linie, immer fiel ihm etwas Besonderes ein.
Höhepunkt etwa Der Gefangene von St. Helena",
ein Filmplakat, Lazor", eine Sportartikelwerbung,
Samum", Zigarettenpapier. Die Zeitungsplakate
Der Tag", Die Stunde". Noch viele könnte man
nennen. An wieviele erinnern wir uns noch selbst!
Ein Zeichen, doß sie uns beeindruckten.
Auch mit etlichen Wahlplakaten der Nachkriegs-
iahre erreichte Slama iene Spitzen. Im großen und
ganzen zeigten die Arbeiten der fünfziger Jahre
eine Verflachung. Gegen die Wahlplakate unserer
Tage freilich noch geistreiche Einfälle. Ein
informativer Katalog mit Abbildungen aller
T44 Exponate lag auf.
2. 9.-5.TOT975 Abb.T0 A. Vogel
Galerie Wolfrum
Michael Coudenhove-Kalergi
Nachdem der Künstler mehrere Jahre nicht in Wien
ausgestellt hatte, war er nun in der letztens sehr
rührigen Galerie Wolfrum mit neuen Graphiken
und Aquarellen zu sehen. Es ist müßig, MC-K und
seine spezifische Malweise zu charakterisieren.
Bei Wolfrum hier fiel auf, daß er, ein Novum,
sich den Tieren und Blumen zuwendet. Mit
Baustellen, einem Autotriedhaf, einem sdiweren
amerikanischen Straßenkreuzer mit Doppelodler,
steht er mitten in der Gegenwart, überreich und
skurril die Floridsdorfer Brücke" von des
Künstlers Atelier aus gesehen, unter der ein
echt-üppiger Coudenhove-Dampfer durchschlieft.
8.-3T. T0. T975
Salzburg
Galerie Welz
Max Pfeiffer-Wattenphul
Für den nun 78iährigen Maler, der aus Sachsen
stammt und in Rom lebt, war das Salzburg nach
dem zweiten Weltkrieg wichtiger Aufenthalt;
wichtig nicht zuletzt deswegen, weil viele
Salzburger Künstler unserer Tage Herbert Breiter
oder Rudolf Hradil, um nur zwei zu nennen ihm,
der seine Erfahrungen im Bauhaus sammelte und
mit Klee befreundet war, ihr Fundament verdanken.
Farbig zumeist von großer Verhaltenheit, lassen
seine Städtebilder und Landschaften die histori-
schen Architekturen als lmpression" erscheinen,
nur bei einigen Blumenbildern strahlen aus den
Aquarellen zuweilen leuchtende Farben. Auch diese
Bilder lassen wieder einmal die uralten geistigen
Verbindungen zwischen Italien und Salzburg
deutlich werden.
25. 6.-20. 7. T975 Abb. TT
George Grosz
Mit fast siebzig Arbeiten Aquarellen, Zeichnungen
und Druckgraphik aus der wichtigen satirischen
Periode und der Zeit in New York eine bedeutende
Ausstellung des heurigen Festspielsommers.
Grosz gehörte in seiner Heimatstadt ab T9T7 der
Berliner Dada-Gruppe an und erreichte in den
Jahren bis zur Hochinflation um T923 sein unver-
wechselbar klossen- und kastenkritisches Profil.
Man kennt alle seine so genau" dargestellten
Typen der Nachkriegsjahre, der Schieber und der
entwurzelten Militärs, der kleinbürgerlichen
Spießer und der moralinsoueren" Heuchler. Die
Qualität der lronie wie der Bilder scheint aber
dann nachzulassen, wenn anstatt Sachverhalten
Motive" geboten werden, wenn wie meistens
heute Sozialkritik mit Scheuklappenstandpunkt
verwechselt wird.
23. 7.-2T. 9. T975 Abb. T2
Kunstverein
Georg Jung
Nahezu vergessen waren die Werke des gebürtigen
Salzburgers, des schon zu Lebzeiten 1899-1957
viel zuwenig beachteten Malers. T929 war Jung
Mitglied des Wiener Hagen-Bundes geworden,
T935 übernahm er nach dem Tad seines Vaters
ein diesem gehöriges bedeutendes Hotel in
Salzburg und richtete es nach seinen Entwürfen
größtenteils neu ein, verkaufte es aber T938 wieder.
Daneben entstanden sehr gekonnte Werke,
Porträts, Landschaften, Städtedarstellungen.
lm März T949 stellte Jung in der Kunsthalle Wien"
völlig ungegenständliche Bilder voller farben-
kräftiger Malerei aus, die kein anderes Thema
hatten als das der Beziehung der Farben
zueinander" und von denen Johann Muschik sagt,
daß vor Jung niemand in Österreich etwas auch
nur annähernd Vergleichbares gemacht hat".
Aber selbst wenn man dadurch sagen könnte,
daß die Malerei Georg Jungs als eine österreichische
Abart des abstrakten Expressionismus aufzufassen
sei, so scheint es doch gerade dank dieser
Ausstellung in Zukunft notwendig, sich mit dem
Werk Georg Jungs eingehend zu beschäftigen.
25. 7.-30. 8. T975
Atelier-Galerie Pointner
Klaus Straubinger
Der T939 in VillingenlSchwarzwald geborene und
in Bremen lebende Künstler überrasdite das
Salzburger Publikum mit höchst gekonnten Arbeiten,
die sich in den bewußten Gegensatz zur Sterilität
des sogenannten Neuen Realismus" stellen.
Vital und souverän werden Akt und Landschaft
beherrscht; eine wichtige Ausstellung.
18-30. 8. T975 Abb. T3
Franz Wagner
to Perry Kratz Mutter über den Särgen ihrer von Fata Ken Heyman. Kinderparade vor den Besuchern Hans Hanko, Rahrverknüpfung,Ul
rmben getöteten Kinder in Vietnam eines Kindergartens in Aima AtalUdSSR
w mgr
r." er w.
soberto Ar. Matta, Feuilles auvcrtcs", Farb- Kunito Nagaoka, HorizantfMisaon 1974, Farbradie- Fritz Steinkeiiner, Stationen Nr. IX, Siebdruck
lßrurlg rurig
ns Knast, Mutter und Kind, 197D, Variante 1968 Hans Knast, Stele Max Gubler, Landschaft im Winter
am Th.Slamu,F1Irup1ckulDer ungekrume Zar
Max PfeiNer-Wablenphul, Häuser auf lschia, UllSack-
leinwand
12 George Grasz, Koslümball, 1976
67
Aktuelles Kunstgeschehen Österreich
Tirol
Innsbruck
Galerie im Taxispalais
Alfred Kubin
56 ausgesuchte Blätter, die von der Meisterschaft
des großen Alten aus Zwickledt Zeugnis ablegen
und den Betrachtern deutlich veranschaulichen,
daß gute Zeichnungen nicht nur von guten Ideen,
sondern auch von der Beherrschung des Strichs
abhängen. Beherrschung bis in scheinbar
Nebensächliches und Zufälliges. Die Schau ergänzt
iene des Variahres, die das Frühwerk zeigte,
und soll 1977 mit einer dritten ergänzt werden.
4. 6.-31. 8. 1975
Hans Krenn
Die phantasievollen, in kräftigen Farben gehaltenen
männchenhaften Figuren Krenns und ihre
Fragmentumwelt lassen mit liebenswürdiger
Bissigkeii kaum iemanden unberührt.
9.-29. 9. 1975 Abb. 14
Steiermark
Graz Neue Galerie Joanneum
Paolo Tessari
Der 30iährige Venezianer, Professor der Akademie
seiner Heimatstadt, weist sich mit nur 25 Exponaten
bilder obiekte sehr vielseitig aus.
Einmal mit minimalem Aufwand politischer Pinsel-
strich und dann mit camicartigen Obiekten voll
Phantasie, zuletzt mit Siebdrucken als exakter
Arbeiter. Überall ist sein zeit- und sozialkritische
Engagement zu spüren, wenn auch manch ernstes
Thema zu leicht ins Spielerische gleitet und die
Wirkung damit ändert.
26. 6.-20. 7. 1975 Abb. 15
Alfred Wickenburg
Nachdem im Voriahr die Graphiken des Malers
gezeigt wurden, ist die Zusammenstellung dieser
25 Bilder Ulbilder 1968-1975 zu Ehren des
90. Geburtstages gedacht. Alle 100 140 cm groß,
fallen sie durch breite Pinselstridie auf. Auch die
Farbe ist kräftiger als früher, oft wird sie allein
fast flöd1ig anderen Farbflächen gegenübergesetzt.
Die Leuchtkraft ist groß. Ein Alterswerk von
starker Aussage.
1. 7.-24. 8. 1975 Abb. 16
Gottfried Fabian
49 Kunstharzbilder Dispers. Werk der letzten
zehn Jahre meist großen Ausmaßes.
Lyrische Gebilde mit sparsamstem Farbauftrag.
Das Wichtigste ist die Linie. Ein Fledr, ein zweiter,
gelb, blau, rot, Abschattierungen davon, werden
sparsamst eingesetzt. Man spürt bei diesen
abstrakten Liniengefügen eher Überlegung und
Können als Impulsivität. Sicher ist die Verbindung
zu Hans Hartung. Das Schwebende Iäßt aber an
Ostasien, an Haiku, denken.
5.-N. 9. 1975 Abb. 17
Galerie Moser
Gottfried Fabian
55 Blätter Graphik zum Teil allein Tusche,
zum Teil Tusche und Aquarell. Was von den
Bildern gesagt wurde, gilt in erhöhtem Maße von
den Graphiken. Mii ganz wenigen einfachen
Linien werden Rhythmen angeschlagen, gleich einer
Notenschrift. Das verlaufende Gelb eines breiten
Pinselstriches gibt eine neue Dimension.
Immer wieder drängt sich einem der Vergleich mit
chinesisch-iaponisdier Kunst auf. Es ist die Kunst,
mit wenigem sehr viel zum Klingen zu bringen.
5.-26. 9. 1975
Neue Galerie
Wolfgang Buchner
22 Exponate, Entwürfe, Glasobiekte, Ül- und
Temperabilder, Aquarelle und Obiekte aus Glas,
Metall und Papier sowie dazugehörende Texte.
Die Arbeiten sind eine Mischung aus Wissenschaft,
Literatur und Kunst oder Kuriositäten aus Kaiser
Rudolf des neunundzwanzigsten Raritätenkabinett.
7. 9.-26. 10. 1975 Abb. 18
68
Niederösterreich
Krems Dominikanerkloster
Mit den neu adaptierten Ausstellungsräumen ist ein
wichtiger Orientierungspunkt der zeitgenössischen
Kunst in dieser Stadt gegeben.
Arnulf Neuwirth
Collagen, Aquarelle und Ulbilder, alles in allem
120 Exponate. Die Zeitspanne reichte von 1932
bis heute. Der Rezensent hat über das Werk des
Künstlers im Maiheft 1968 der Kunstzeitschrift
Artis" eingehend referiert.
31. 5.-1. 9. 1974
Traute Dressler
Die Künstlerin, die zu Unrecht zu sehr im Schatten
ihres Mannes lange nicht Beachtung fand, zeigte
104 Bilder und Graphiken. Die Sicherheit des
Striches, der sich oft zu dichten Bündeln findet,
dem sowohl Härte als auch Weiche eigen sein kann,
die lebhafte Melodik in der Blattaufteilung und
Verspannung ist uns schon lange bewußt. Nun
tritt die Dressler auch mit reifen Lackbildern an
die Uffentlichkeit. Die Flächeneinteilung erinnert
entfernt an Paul Klee, es entsteht ein leichtes
Flimmern, in dem die Umrisse der Gegenstände,
der Personen oder Häuser im Raume zu schweben
scheinen. Die Farben sind sehr fein abgestimmt,
gehalten und von einem gegenseitigen
Einverständnis.
23. 5.-29. 6. 1975 Abb. 19
Leopold Hauer
Ein Querschnitt durch ein Lebenswerk. Das früheste
Bild stammt aus dem Jahr 1918, das letzte
entstand 1975. Es ist klar, daß es daher nur ein
kleiner Ausschnitt aus dem Cfuvre sein konnte,
und doch zeigt er uns, daB dieser Mann, bei allen
Wandlungen, die er durchgemacht hat, sich und
seiner Art im Grunde treugeblieben ist. Deutlich
wird sichtbar, daß Hauer, der sich so sehr am
Impressionismus orientierte, zuletzt zu iener kargen
Einfachheit und Strenge fand, die ihn in die Nähe
eines Egger-Lienz führte, mit dem er in seiner
Jugend berei eifrigst über Kunst diskutiert hat.
Charakteristisch sind der Ausschnitt, die Fläche,
das Liniengefüge, eine gewisse Monochramie und
eine überraschende, den Schwerpunkt
verschiebende Akzentuierung.
19. 9-26. 10. 1975 Abb. 20
St. Pölten Galerie Hippolyt
Robert Hammerstiel
Hammerstiel ist ein echter Holzschneider. Unter
Verwendung der Materiolstruktur bevorzugt er
Themen aus der bäuerlichen Welt. Die kraftvollen
Schwarzweißwirkungen werden mit dem
Dargestellten eine Einheit.
6. 5.-6. 6. 1975
Eichgraben Galerie im Speisesaal
Horst Aschermann
Die Reliefs, Plastiken und Graphiken hatten alle
einen starken gemeinsamen Nenner. Man könnte
ihn mit Gruppendynamik bezeichnen. Das gilt auch
von ienen Obiekten, die architektonische Gebilde
zeigten. Es ist überall eine gute Flächenteilung
angestrebt und meistens auch erreicht.
16. 5.-11. 6. 1975 Abb. 21
Ernestine Retter-Peters
Wir haben erst anläßlich der Besprechung einer
der letzten Ausstellungen des Künstlerhauses in
Wien auf die Graphiken dieser Malerin
hingewiesen und sie in die Nähe Oskar Laskes
gestellt. Sie arbeitete viele Jahre zurückgezogen
und in aller Stille und zeigte in Eichgraben erstmals
Bilder aus den zwanziger und dreißiger Jahren.
Immer wieder können wir feststellen, daß da und
dort einer in seiner Art ohne viel Aufhebens
bessere Arbeit macht als iene, die sich selbst mit
viel Geschrei zu Usterreichs Stolz erklären.
19. 05.-27. B. 1975 Abb. 22
Wiener Neustadt
Galerie
Altkunst Neukunst
Altkunst, durch Julius Zimpel 1896-1925, den Leiter
der Wiener Werkstätte, vertreten, Neukunst durch
Sonia Henisdw und Walter Weer. Von J. Zimpel
gab es eigenhändig signierte Holzschnitte und
Bleistiftzeichnungen Kostümentwürfe, Porträt-
skizzen und Aktstudien, die an Klimt erinnern,
zu erstaunlich niederen Preisen. Walter Weers
Aquarelle zeigen Aquaspiele. Wasser als wesent-
liches Lebenselement. Sonia Henischs
Blätter zu einer Story um türkische Gastarbeiter-
kinder sehr farbenfroh und leicht überschaubar,
für ein Jugendbudt geeignet.
5. 6-80. 6. 1975
Mödling Galerie Arcade
Bernhard Hollemann
Großformatige Bilder in Mischtechnik 70 100
zeigen kräftige Farben und eine Betonung der Linie.
Umrandungen. Die Zeichnungen, in kleinerem
Format, sind meist unterteilt und haben einen
filmischen Ablauf. Der Inhalt der Arbeiten ist ein
kritischer. Das menschliche Verhalten in der
Gesellschaft, zum Nebenmenschen, zum politisch
Andersdenkenden, zum anderen Geschlecht wird
unter die Lupe genommen. Vergleichsmotivationen
werden gezeichnet.
5.-SO. 9. 1975 Abb. 23
Perchtoldsdorf Galerie Romanum
W. Drach
Aquarelle und Mischtechniken von dem Sohn des
bekannten Schriftstellers. Großformatige Bilder,
sehr locker gemalt, expressiv, mit viel Schwung.
Landschaften, die sich im Auge des Beschauers
zusammenstellen, ein wenig an die Nötscher-Schule
erinnernd. Es scheint sich hier für den Künstler
ein neuer Weg autzutun.
20. 8-10. 9. 1975 Abb. 24
Burgenland
Unterrabnitz Esterhazysches Kastell
Wie alliährlich, wurden die Ergebnisse der Maler-
wachen präsentiert. Franz Erntl, Rudolf Klaudus,
Harro Pirch, Franz Vass zeigten Landschaftliches.
Jeder in seiner Art und qualitätsvoll. Nur der
Berliner Klaus Basset fiel mit seiner Schreib-
maschinengraphik aus dem Rahmen. Eine
Heidenarbeit!
25. 7.-3. 8. 1975
In Lutzmannsburg 20.-24. 8. 1975 Alois Vogel
Künstlerprofil P. Dworak, S. 64, Schluß
Olivetti-Zeichenwettbewerb gemeinsam mit
Arnult Rainer.
Gegenwärtig arbeitet Dworok an einem neuen
Zyklus Mixed Pickles Man" Er ist oder kann
sein eine erfundene Figur, die viele Menschen in
sich vereinigen kann vielleicht ist er deshalb so
dick, der stellvertretend verschiedene menschliche
Handlungsweisen, Eigenschaften und Situationen
darstellen und erleben kann. Er ist Held und
Antiheld. Er ist Symbol und Synonym für ,Mensch'.
Oder er ist eine gezeichnete Trickfigur, die das
aufregende Abenteuer des Lebens widerspiegelt."
Manfred Chabot
Klaus Slruubinger, Weiblicher Aki
15 Paolc Tessari, Soldalenporfräl, Siebdruzi
17 GcMncd Fabian, KunsfhcrzlLeinwcnd, 1970
Alfred Wickenburg, Fisdufang, Ul
1B Wollgcng Buchner, Enfwurfszerchnungen zu Pascalschen
Vunuuonen
fruude Dressler, Landschaft
20 Leopold Hauer, Rauchfnng in Perau 1967
21 Asduarmann-Ausslellung in Eichgruban
Notizen
Aarau Aarauer Kunsthaus
Unter dem Ehrenschutz S. E. des österreichischen
Botschafters in der Schweiz stand eine Ausstellung
des Wiener Gabelinkünstlers und Professors der
Wiener Hochschule der Akademie der bildenden
Künste Josef Schulz. Damit erhält dieser eine
weitere Möglichkeit, diesmal in der Schweiz,
mit seinen Wandteppichen deren Bedeutung und
Funktion als wärmendes und schmückendes Element
zu kalter" moderner Architektur unter Beweis
zu stellen. Gleichzeitig vom 13. 9.-29. 10. 1975
zeigte Michael Grossert, Paris, Skulpturen aus
der Zeit von 1964-1975.
Assisi Doppelausstellung Leos Robinson
Umbrien wird mehr und mehr offen für die zeitge-
nössische Kunst. War heuer in Todi Piero Dorozios
Gesamtwerk, in Assisi eine Retrospektive Alberto
Burris zu sehen, folgte im Sommer 26. 6-26. 7.
1975 eine geteilte Exposition des Österreichers
Leos Robinson, des MaIers des Meeres", in den
Galerien ll Forziere" und La Minerva" in Assisi.
Der Künstler zeigte Arbeiten von den griechischen
Kykladeninseln los und Santorin. Das internationale
Publikum zeigte starkes Interesse, besonders die
Lateinamerikaner, wie naturgemäß alle Anrainer"
iedweder Meere mit Emphase reagierten. Namhafte
Kunstkritiker aus Rom, Bologna, Perugia, Assisi u. a.
zollten ihre Anerkennung. Robinson durfte sich
mit Genugtuung als den Lyriker der Tiefen",
als den Begründer der Meeresmalerei"
apostrophiert sehen. Letzterer Ehrentitel stammt
von dem Kunstkritiker des Paese Sera", Nereo,
der in der Realität der Meeresmalerei Leos
Robinsons einen Beweis sieht, daß es möglich ist,
die Beziehung des Menschen zur Natur wieder
herzustellen.
Cortina d'Ampezzo Galleria d'Arte Medea
Im August letzten Jahres waren hier die Personal-
ausstellungen der italienischen Künstler der
Gegenwart Ugo d'Ambrosi, Sergio Bonfantini und
Carlo Carrä zu sehen. Im Grand Hotel Savoia lief
vom 1. 8.-10. 9. 1975 die Rassegna Internazionale
d'Arte Moderna".
Duisburg Wilhelm-Lehmbruck-Museum
Mit Winfred Gaul entfernt sich einer von der
bisherigen, der herkömmlichen Malerei. Mit dem
Uberhandnehmen des Komplizierten und Diffizielen
haben wir verlernt, das Einfache" zu sehen,
dieses richtig einzuschätzen. Gaul unternimmt den
Versuch, der Malerei durch Einsatz des Materials,
das ihre Gestaltung bedingt, auf einen neuen Weg
zu verhelfen. Er befürchtet dann nicht, dabei
mißverstanden zu werden, wenn man nur die
Bereitschaft mitbringt, von der gebräuchlichen
Bildbetrachtung abzurücken und seine neuen Bilder
einfach mit offenen Augen zu betrachten.
In seiner Ausstellung vom 12. 9. bis in den Oktober
hinein zeigte der Künstler Bilder von 1959-1961
und 1974-1975 Abb. 1.
GävlelSchweden Stadtmuseum
Vom 30. 53.-21. 9. 1975 lief hier die Ausstellung
Rosa Taikon Bernd Janusch. Die beiden
Schmuckkünstler, die in einem gemeinsamen Atelier
arbeiten und mit den Produkten ihrer Silberkunst
bereits in offiziellen wie auch privaten Sammlungen
Europas, der USA und Australiens vertreten sind,
stellten auch im hiesigen Museum mit ihren
preziäsen Schöpfungen ihre Eigenwilligkeit und
Phantasie unter Beweis Abb. 2.
Esslingen Aus der Künstlergilde
Aus dem letzten Quartal des Veranstaltungs-
kalenders für 1975 entnehmen wir noch folgende
aktuelle Ausstellungstermine Oskar Matulla zum
75. Geburtstag Aquarelle, Zeichnungen, Graphik-
4. 12. 1975-12. 1. 1976 Mähren, Malerische
Ansichten aus Romantik und Biedermeier, zusammen
mit dem AdaIbert-Stifter-Verein, München,
11. 12.-Anfang Februar 1976
Freiburg Städtische Museen
Noch seiner Ausstellung innerhalb der Aktivitäten
70
der Künstlergilde Esslingen ist der Osterreicher
Rudolf Jettmar mit einer Sonderausstellung vorn
14. 9.-12. 10. 1975 in der Städtischen Galerie
Schwarzes Kloster mit Gemälden, Zeichnungen und
Druckgraphiken zu sehen gewesen. Der Künstler,
dessen Scheitelpunkt seines Lebens, besser seine
Mitte, die Jahrhundertwende markierte, stand zu
Unrecht im Schatten der Jugendstilprotos Klimt
und seines Kreises. Jettmar war die aktuelle
Stilrichtung seiner Zeit aber weniger wichtig als
die der Ansätze aus der Zeit um 1800. Hier
setzte er mit seinen mythischen Bildzyklen an und
fort, symbolträchtig, Inhalte des Unterbewußtseins
darstellend, als Leitthema den Kampf des Homo,
der um seine geistige Existenz ringt.
lsraeIlWien Hoff Dow
Im Austausch kultureller Bestrebungen und
Veranstaltungen präsentierte das Wiener Künstler-
haus vom 11. 9.-5. 10. 1975 Plastiken des Israeli
Hoff Dow. S. E. Dr. Avigdar Dagan, der
Botschafter Israels in Österreich, hatte den Ehren-
schutz über die Schau seines Landsmannes
übernommen. Der Künstler, der neben Plastiken
auch Reliefs zeigte, kreiert eine spitze, kantig-
aggressive Bildsprache, die offenkundig das
kämpferische Element des rundum bedrohten Volkes
in den Vordergrund stellt Abb. 3.
Hamburg Museum für Kunst und Gewerbe
Im September d. J. luden das Museum und die
Justus-Brinckmann-Gesellschaft zu zwei Ausstel-
Iungen Textile Objekte" und Neuerwerbungen"
ein. 11. 9.-26. 10. 1975. Ferner kündigte man über den
Jahreswechsel hinaus weitere Aktivitäten an wie
Weihnochtsmesse der Kunsthandwerker 1975"
Art-Deco-Schmuck und Bücher aus Frankreich"
Holger Matthies, Gebrouchsgraphik" Barbara
Klemm, Fotografien" und Wir öffnen die
Schatzkammern Volkskunst".
Helsinki Fantasien Realismi
Im Kunstmuseum Amos Anderson präsentierte man
hier vom 21. 5-28. 9. 1975 unter obigem Titel eine
Schau von Werken der Wiener Schule des
Phantastischen Realismus aus der Kunstsammlung
des Historischen Museums der Stadt Wien.
Kopenhagen Danske Kunstindustrimuseum
Einer der führenden Textilkünstler Dänemarks,
Jack Lenor Larsen, war hier vom 5-28. 9. 1975 mit
Stoffen und Raumtextilien zu Gast.
Vorwiegend und zum ersten Mal in Europa waren
Unikatentwiirfe seiner Wanddekorationen und
Theatervorhänge zu sehen, weiters, als eine Art
Weltpremiere, bot sich die Präsentation seiner
neuen Kollektion 1976 BelIe Epoque" dar Abb. 4.
London Thomas Gibson Fine Art Ltd.
Letztens präsentierte man hier Paul Klee mit seinem
Haus der Opera Buffa", 1925lM6, und Henry
Moores Maquette for King and Queen" aus
dem Jahre 1952 Abb. 5.
Middelheim 13. Biennale für
Bildhauerkunst
Im Antwerpener Freilichtmuseum von Middelheim
fand vom 15. 6.-5. 10. 1975 die schon Tradition
gewordene 13. Biennale der Bildhauer statt.
Zwei Ausstellungen brachten die Präsentation von
Werken indischer, iapanischer und türkischer
Bildhauer einerseits und als Nachtrag zur
12. Biennale anderseits belgische Künstler, die bei
dieser nicht zum Zuge kamen. Japans Beitrag
wies verstärkten Drang zur Moderne hin auf, doch
die Bindung an die Überlieferung auch unter
der Oberfläche ist deutlich spürbar. Indiens
Exponate erweisen eindeutig das Merkmal
kreativer Unruhe, das Fehlen der monumentalen
Skulptur bedeutet ein weiteres Manko. Die
Bildhauer der Türkei erfaßte nach 1945 von Westen
her die abstrakte Welle, Rodin und Moillol wurde
abgeschworen, die ganz iungen Künstler sind
bereits entschiedene Verfechter des Non-Figurativen.
Dieser Kernousstellung zur Biennale quasi als
Träger einer 25-Jahr-Feier der 13. Biennale in
Middelheim präsentierte man in der anderen
Exposition belgische Künstler, die zugleich
Mitglieder des hiesigen Museumskomitees sind,
Cornelissen, Dupon, Gentils, Kreitz, Macken, Mazy,
Minne, Poot und Puvrez. Diesen kommt neben
ihrer künstlerischen Bedeutung, ihre Werke
verkörpern in höchst anschaulicher Weise die
Entwicklung der künstlerischen Strömungen der
Bildhauerkunst in den vergangenen 25 Jahren, das
hauptsächliche Verdienst zu, Middelheim zu dem
gemacht zu haben, was es heute ist, ein gerne
aufgesuchter Fixpunkt der starken internationalen
Bildhauergemeinschaft. Das Areal des Freilicht-
museums wächst sich nach und nach durch die
Vergrößerungen der Sammlungen aus Schenkungen
und Ankäufen zu einer beachtlichen Institution aus,
um die man sie andernorts beneiden könnte.
Müßig zu sagen, daß man mit allen Mitteln
moderner Dokumentation ein Übriges zum besseren
Verständnis des Publikums tat. Am Rande lief
das bereits 6. Internationale Middelheim-Jazz-
Festival ab, diesmal etwas außerhalb des
Biennalebereiches, doch auch unter freiem Himmel.
Unbestreitbar das Verdienst der Initiatoren und
Organisatoren dieser MiddeIheim-Biennalen. Waren
diesmal dem Motto gemäß Entdeckung neuer
Strömungen" eher etwas wenig in Erscheinung
getretene Länder wie Indien, Japan und die Türkei
zum Zug gekommen, so scheint es doch so,
daß die breitgefächerte internationale Beteiligung
von Bildhauern mehr echten Aufschluß über
diesen markanten Bereich der Kunstszene gibt
und sicher mehr Anklang findet.
MouseholelWien Bawag Fondation-Euro
Art
Der Bundesminister für Unterricht und Kunst,
Dr. Fred Sinowatz, eröffnete am 9. 9. 1975 die
Ausstellung Bilder der Einsamkeit Albert Reuss"
in der Bank für Arbeit und Wirtschaft. Verspätete
Ehrung für einen Künstler, der, in der Mitte seines
Lebens, die Heimat verlassen mußte. Der heute
Achtzigiährige, der in MouseholelEngland sein
Refugium gefunden hat, dokumentiert mittels
seines Werkes die Problematik des alternden
zeitgenössischen Künstlers. In seinen Bildern
dominieren leuchtende Grautöne, in denen hart
und abrupt Dinge von schwerem Wesen stehen,
die Einsamkeit hervorrufen. Albert Reuss malt
Abbilder des isolierten Menschen Abb. 6.
München Neue Sammlung
Im Staatlichen Museum für angewandte Kunstl
Neue Sammlung zeigte man vom 8. 8-14. 9. 1975
die Ausstellung Almir Mavignier, Licht-Schatten-
Farbe". Die Einführung anläßlich der Eröffnung
sprach Dr. Herbert Pee von der Staatlichen
Graphischen Sammlung München.
New YorkfWien Robert Goodnough
Es ist ein Verdienst der UIysses-Galerie, Wien,
bedeutende Künstler der internationalen
Kunstwelt hereinzuhalen. Mit Goodnough hat man
einen weiteren guten Griff getan. Dem Amerikaner,
in CortIandlNew York 1917 geboren, gab man
u. a. eine prominente Stimme mit, die des
Kunstkritikers der New Vork Times, Hilton Kramer
At first glance, these pictures may seem very
quiet and demanding, but there is dmorvelous
pictorial poetry in them, and fine pictorial
intelligence loo."
Nürnberg Kunsthalle
Unter dem Titel Drei Generationen" zeigte man
vom 16. 23.-12. 10. 1975 MenschenbiIder" von
Christian Schad, Eberhard Schlotter und Peter Sorge.
Der Direktor der Kunsthalle, Curt Heigl, führte
in Anwesenheit der Künstler in die Ausstellung ein.
Ottawa National Gallery of Canada
Unter dem Titel Exploring the Collections Degos
and Renaissance Fortraiture" versucht man in
der National Gallery das Interesse dieses
französischen Malers an der italienischen Malerei
des 15. Jahrhunderts zu demonstrieren. Eine der
anaarium warm diesem Nachsommer etwas
ntröchtigt durch die Verschönerung des
'lichen Galeriebaues, der einer gründlichen
enrenavierung unterzogen wird und dessen
nröume und Sammlungen durch Neuinstalla-
en für den Besucher auf den letzten Stand
'acht werden. Für 1976 kündigen sich in Kanada
3a Ereignisse an Nicolas Poussin, Tapisserien
Polen, Tiepolo, Deutsche Expressionisten
a. m. Abb. 7.
is 99 biennale de Paris
Georges Boudaille, Generaldelegierter, lud
ten 18. September 1975 zur Vernissage de
se der 96 biennale de Paris".
tensburg Ostdeutsche Galerie
verdienstvall aller initiativen Stellen war
eine künstlerische Persönlichkeit wie Hugo
1er, Prag, der Vergessenheit zu entreißen.
der stärksten Doppelbegabungen Illustrator
Schriftsteller hatte er wesentlichen Anteil
1er Entwicklung der Graphik in Deutschland
Europa. Akademieprofessor, künstlerischer
agsbeirat, Ausstellungsinitiator und Organisator
war er doch in erster Linie Künstler, der das
amtbtld des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts
rügte. Den Künstler sallte auch die vom
1.-30.9. 1975 hier gezeigte Ausstellung an Hand
er Aquarelle und Zeichnungen herausstellen.
1er kommt aus Prag. Er ist vom Wesen seiner
natstadt so sehr bestimmt, daß man es wie
stverständlich ansieht, daß er ihren Namen an
seinen hängte. Ob er das Märchenhafte,
iche oder das Dunkle, Drahend-Geheimnisvolle,
Unaussprechliche in seine Bildsprache bringt,
er wirkt die Historie seiner Vaterstadt Prag mit.
ier steht nahe bei Teschner und stand
nglich als der vorzügliche Exlibrist, der er war,
dem Eintluß Orliks. Seine totale Erfassung
Durchdringung einer künstlerischen Aufgabe
beispielgebend. Dabei half ihm seine eminente
ersalitüt, denn ehe er illustrierte, widmete er
intensivst der Lektüre, nahm er mit allen Sinnen
eben auch schreibgewandten, des Dichters
timste Regungen mit auf. Das empfindet man
amein stark aus seinen Illustrationen, die
iatisch im wesentlichen aus der Weltliteratur
men. Das Buch war Steiner im Sinne des
Jmtkunstwerkes ein Herzensanliegen. Hier
nbarte sich seine künstlerische Sensibilität
sein praktischer Sinn, der alle Register zum
zndeten Ganzen hin zu ziehen verstand. Keine
spektakulären Erscheinungen der Kunst-
hichte, ist Steiner doch eine vielgeachtete
Jsselfigur, die vor dem dunklen Grund der
Jeschichte besser verstanden werden kann.
zrst 1937 nach Schweden emigriert, verschlug
in anfangs 1940 nach New Yark, wo er nicht
so recht Fuß fassen konnte und neben
er malerischen Tätigkeit vor den Landschaften
Englands immer wieder sein Heimweh nach
in zeichnerischen Erinnerungen niederschrieb.
er Pläne für künftige Vorhaben, zuletzt
einsam mit Franz Werfel, ereilte ihn kurz
Kriegsende, im September 1945, der iöhe Tod
Herzversagen. Mit ihm ging unweigerlich
Stück Altösterreich mit einem reichen
tierischen Erbe unauffällig dahin Abb. B.
I. netapil
Wintred Gaul, Malerei durch Selbstdarstellung ihrer
Mittel
Hotf Dow, Relief
Henry Moore, Maquette for King ond Queen, 1952,
Bronze, 22,9 cm
Edgar Degas, Porträt einer Frau, ca. 1855-1867 nach
einer Florentiner Zeichnung des 16. Jh.
Rosa Tuikon-Bernd Junusch, Detail des Anhängers Lilln
hiärruv". Silber, Schwarzer Opal
1m Lenor Lursen, Wundbehang, Thmseide, polydxrcm.
Albert Reuss, Lnndschah
"m5
Hugo Sfeiner, Prag, amorph u. auf dem Weg zum
Mädchen Golds Der Tod des Löwen, 1922
71
Für den Kunstsammler P4
Wiener Kunst- und Antiquitätenmesse 1976
Wie uns van der Kammer der gewerblichen
Wirtschaft für Wien seitens des Landesgremiums
Wien für den Handel mit Gemälden, Antiquitäten
und Kunstgegenständen sowie Briefmarken
mitgeteilt wurde, findet die Wiener Kunst- und
Antiquitätenmesse 1976 im kommenden Jahr vom
8.-13. Mai 1976 im Wiener Messepalast, Halle
Winterreitschule, statt. Hinter dieser lakonischen
Mitteilung steht neuerdings der Entschluß
ehrlichen Bemühens, das folgerichtig aufgebaute,
kollektive alliährliche Auftreten des Standes der
Kunsthändler Österreichs in der Offentlichkeit
weiterhin zu einem festen Bestandteil des
kulturellen Lebens Wiens zu machen. Nach
mehreren Jahren gesammelter Erfahrung auf
diesem Sektor wird man alles daran setzen, um
noch mehr wie bisher in sich ergänzender kollegialer
Konfrontation dem Kunstfreund und Kenner, dem
Kunstsammler die hohe Patenz oft schwer zu
erringender Obiekte vor Augen zu führen.
Anregend, könnte man in Erwägung ziehen,
gerade in unsicheren Zeiten der Wertfluktuotian,
sich gezielter und programmatischer neuen
Publikumskreisen anzunöhern, massiver zu
offerieren. Eine Kunstmesse ist vor allem
Repräsentation, die, la longue gesehen,
Verkaufserfolge späterhin zeitigen kann. Verglichen
mit dem simplen Treiben ieglicher Jahrmärkte,
auf denen geschaut" und man gesehen wird",
ist es auf höherer Ebene nicht wesentlich anders.
Kontakte knüpfen, sich durch hohe Qualität seiner
Objekte eine Klassifizierung schaffen, muß für
den Bestand jeden kunsthändlerischen Unter-
nehmens ein Selbstverständnis sein. Wir meinen,
die bisher erreichte Qualifikation der österreichi-
schen Kunsthändler, die mit iedem Jahr verstärkt
offensichtlich wurde, ist Garant dafür, daß auch
die kommende Kunst- und Antiquitätenmesse 1976
auf der Erfolgsbahn weiterzieht und ihr
erworbenes Gesamtimage mit seiner spezifisch
österreichischen Note weiterhin anzieht und auch
international Würdigung findet. Eine zielbewußte
Werbekampagne, rechtzeitig und anhaltend,
umfassend und sachlich-locker vor der Messe in
den Massenmedien, scheint hier von tragender
Bedeutung. Riesenplakate allein sprechen"
zuwenig. I. netopil
Günter Schön und Jean Cartier, Weltmünz-
katalog 19. Jahrhundert.
1088 Seiten, ca. 2300 Fotos. DM 28.-. 1975,
Battenberg-Verlag München
Dieser vollständige Katalog aller offiziellen
Münzprägungen von 1800 bis 1900 erschien nun in
zweiter, vollständig überarbeiteter Auflage; über
400 Länder erscheinen in alphabetischer Folge
mit 12.000 chronologisch geordneten Münzen.
Aktuelle Durchschnittspreise sind beigefügt.
Gesehen im Kunsthandel
Spätgotische Eichenholzgruppe, Norddeutsch
Hafgalerie Dr. Wolfgang Hofstätter
Wien Spiegelgasse 14
Hl. Katharina, Salzburg, 1520-1540
aus dem sog. Nikolaus-Altar
ägostino Caversegno Bergamo 1500-1552
85,5 57,7 cm
Wolfgang A. Siedler, Skulpturen 8. Kleinkunst
Wien Spie elgasse
Adriaen von stade Haarlem 1610-1684
Grüßender Bauer in Holbfigur
Holz, 27 22 cm
Galerie St. LucaslPalais Pallavicini
Wien Jasefsplatz
72
Pieter Mulier um 1615-1675, 27,5x 30 cm
Galerie alter Meister
Josef Winkler, Wien Seilergasse 14
Groteskfigur, von Schlange gepreßler Athlet,
als Tischbrunnen verwendet
Deutsch, 17. Jh., Kehlheimerstein, 12 cm
Reinhold HofstätterlKunst Kunstgewerbe
Wien Dorolheergasse 15 und Bräunerstraße 12
Zinn, Breitrandplatte, Wien, 1697
Meister Hans Bacher, 37,5 cm
siehe Hintze, Bd. Nr. 1520
Friedrich KratschmonnlAntiquitäten
Wien Spiegelgasse 15
Glas in Hoch- und Tiefschnitt
Kinder-Bacchuszug, 13,6 cm
Schlesien, Hirschberger Tal, um 1730
C. Bednarczyk, Kunst Antiquitäten
Wien Dorotheergasse 12
Empire-Stockuhr, Wien, um 1800
Bronze, orig. feuervergoldet, 39 cm, 25 cm
Antiquitäten Herbert Asenbaum
Wien Kärntnerstraße 28
Puppe des Edgar Bergen Charly McCarthy"
Holz geschnitzt und gefaßt, Metall, Leder
Automat der Filmgeschichte, 1930-1950
s. Text S. 77
Galerie am Grabenllnge Asenbaum,
Wien Graben
Auktionen
Dorotheum Wien
609. Kunstouktion, 16.-19. September 1975
10 Jan Miense MolenaerHaarlem1610-1668
Bäuerliche Musikprobe, ÜllHolz
sign. J. Molenaer, 42 x36,5 cm Katz-Nr. 83
Taxe 80.000.-
Erlös äS 300.000.-
11 Mildner-Becher, farblos, Medaillen,
Glas 1756
ovales Wappen, H22cm, Sign. Verfertiget zu
Gutenbrunn von Fürnbergs großen Weinsperg-
wald 1795 Mildner"
KaL-Nr. 952
Taxe öS 17.000.-
Erlös öS 110.000.-
Kunsthaus Lempertz, Köln
545. Auktion, 5. Juni 1975
12 Muttergottes mit Kind, Kalkstein,
alte freigelegte Fassung, 119 cm
OstfrankreichlLothringen, Anfang 15. Jh.
Ehem. Slg. Dr. OertellMiJnchen Kat.-Nr. 1501
Toxe DM 90.000.-
Kunsthaus am Museum, Köln
13 Andreas Achenbach Kassel 1815-1910 Düssel-
dorf,Am Strand vonScheveningemUllLeinwand,
43,5 58 cm
bez. unten rechts A. Achenbach 49
Erlös DM 14.000.-
Neumeister KG vorm. Weinmüller, München
161. Auktion vom 25. und 26. Juni 1975 Nachtrag
14 Heinrich Bürkel Pirmasens 1802-1889 München
Rindermarkt in Voralpenlandschaft
sign., UllKarton, 37 47 cm
Erlös DM 45.000.-
Galerie Koller, Zürich
34. Auktion, 7.-22. November 1975
15 Max Gubler Zürich 1895-1958
Baida", 1924. UllLeinwand, 80 X100 cm
rechts unten sign., rücks. bez. u. dot.
Kat.-Nr. 2769
Taxe; sfr 52.000.-
Christie's London
Auktion vom 2. Juli 1975
16 The Declaration of lndependence"
ln Congress, July 1776. Printed by
John Dunlop, 1776. Der erste Druck der
Deklaration eines von 21 Exemplaren
Am Rücken sign. John Steward of Goshen,
Parteiführer Kat.-Nr. 126
Erlös 40.000.-
Bildfolge 1-16
13
LARATLQN
A11" .....
OF AMERICA.
73
KUNST lind
ANTIQUITATEN
C. BEDNARCZYK
speziell
erlesenes Kunstgewerbe
des 18. Jahrhunderts
Johann Baptist Drechsler Wien 1756-1811
Blumen in einem Korb, n. u. dat. 1796
OllLeinwand, 5x60 crn
WIEN DOROTHEERGASSE 12 Telefon 52 4445
DUIRUTIHIIEUM
KUNSTABTEILUNG, WIEN, l., DOROTHEERGASSE 11,
Tel. 52 3129
611. Kunstauktion
16.,17.,18. und 19. März 1976,
14 Uhr
Gemälde, Graphik,
Jugendstil, Skulpturen, antikes Mobiliar,
Antiquitäten, Asiatika,
Waffen.
Besichtigung
11., 12., 13. und 15. lVlärz 1976
v0n1O bis18 Uhr
S0nntag.14. lVlärz, von bis13 Uhr
Die Auflösung fand am Freitag, dem 28. November
1930, in Berlin statt. Also fast auf den Tag genau
vor 45 Jahren!
Diese Bestände befanden sich in dem weiträumigen
Wiener Palais, das sich der Sammler E. Miller von
Aichholz für seine Kunstschötze errichtet hatte und
später von Camillo Castiglioni mit der Einrichtung
erworben wurde. Auf dem Platz dieses Palais in
der Prinz-EugemStraße, das durch Kriegsein-
wirkung schwer beschädigt wurde, befindet sich
heute das Gebäude der Wiener Arbeiterkammer.
Da die Sammlung Miller von Aichholz vorwiegend
auf die italienische Renaissance eingestellt war,
lag das Schwergewicht der vorliegenden Sammlung,
was das Kunstgewerbe betrifft, auf den italienischen
Nußholzmöbeln der Renaissance und auch des
I7. Jahrhunderts, soweit die Barockzeit noch in
der Konstruktion und den Grundformen der
Tische, Sitzmöbel, Truhen und Schrankmöbel an der
Tradition des I6. Jahrhunderts festgehalten hat.
Es war ein seltenes Ereignis nachdem Amerika
den greifbaren Bestand alter Möbel aus Italien
mehr und mehr aufgesogen hatte daß eine so
vielseitige Sammlung gut erhaltener Möbel dieser
Art auf den Markt gelangte. Namentlich über-
raschte die beträchtliche Zahl vielbegehrter Tische
aus massivem Nußholz, unter denen die
verschiedenen Typen der monumentalen Langtische
sowohl in reicher wie in einfacher Ausführung,
und der runden oder ochteckigen Tische mit
verschiedenartigen Lösungen des zentralen
Unterbaues vertreten waren. Sehr bemerkenswert
war unter den letzteren der wahrscheinlich
ligurische Tisch, dessen Fuß und Deckplatte aus
einem Quadrat in eine Rundplatte zu verwandeln
sind.
Von großem Interesse waren die Truhen vorwiegend
schlichter Art, beginnend mit einem gotischen
Obiekt des I5. Jahrhunderts aus Norditalien,
dessen Schauseiten mit geschnitzten Maßwerkrosen
verziert waren. Dann gab es eine lombardische
Truhe mit mittelalterlicher Holzmosaikverzierung,
deren Gegenstück sich im Kaiser-Friedrich-Museum
befindet. Hervorzuheben wären noch zwei
Truhenfüllungen aus Verona mit großartiger
heraldischer Schnitzerei.
Die monumentale Gestaltung der italienischen
Sitzmöbel wird durch die vornehme Florentiner
Cassapanca der Hochrenaissance, die Bank von
1560 mit dem eingelegten Wappen der Chigi und
durch die beiden dreiseitigen Bänke eines
mittelalterlichen Chorgestühles der Frührenaissance
veranschaulicht.
Der italienischen Kunst vom I3. bis zum 17. Jahr-
hundert gehört auch die große Mehrzahl der
Skulpturen aus Stein, Bronze, Stukko, Terrakotta an.
Die bedeutenden Kleinbronzen beurteilte der
Kunsthistoriker Dr. Leo Planiscig im folgenden.
Von den fünfzig zur Versteigerung gelangten
Bronzestatuetten fallen besonders auf die
BranzegruppeHerkules und Anthaeus", Höhe 47cm,
von Giovanni da Bologna im Bronze-Katalog
Castiglioni Nr. 80 sowie eine weitere Gruppe des
gleichen Meisters Herkules und der Kentaur
Nessus", Höhe 40 cm. Ein in der Kunstgesdtichte
mehrfach gewürdigtes Werk, das ursprünglich aus
der Sammlung Huldschinsky stammt Katalog-
Nr. 80, Tafel 60, vgl.Bade, Bronzestatuetten,
Tafel 189. Planiscig, Katalog der Bronzen imWiener
Kunsthistorischen Museum Nr. 261.
Bedeutend war auch der Bestand an Textilien,
Wandteppichen aus Florenz, Gobelins mit dem
Tode Leonardo da Vincis und mit der Geschichte
Coriolan nach Gemälden von Menageot aus den
Jahren 1781 und 1789, aus der Manufacture
Rayal in Paris.
Zahlreiche Maioliken Derutaschüssel, Nürnberger
Preuningkrug, die Goldschmiedearbeiten aus der
Toskana, mit Emailverzierung und französische
75
Horst Slaubev, Glaskruge m1! vamenem Henkel. 1975
galerie am graben
inge asenbaum ges. m. b. h.
kunst des
zwanzigsten jahrhunderts
wien Lgraben 7,telefon 52 39 99
-....-......, -.. .......... ..,.......-.. ....,.........
Wolfgang A. Siedler
lnh. Pöhlmann
Star", Charly McCarthy
Seit der Antike baut sich der Mensch mechanische
Zweitwesen, die zwar seelenlos bleiben müssen,
iedoch einen erstaunlichen Grad von Perfektion
Antiquitäten in bezug auf die Möglichkeiten der Nachahmung
menschlicher Tätigkeit, oft mit einem Hang zum
Skurrilen hin, aufweisen. Diese Automatenwesen,
Androiden, künstliche Menschen, schlichtweg
manchmal Puppen genannt, beschäftigten Philo-
sophen und Künstler ebenso wie sie Eingang in
Kunst und Wissenschaft gefunden haben. Eines
dieser Sanderwesen den geeichten Cineasten
sicher bekannt ist die zu großer Berühmtheit
gelangte Figur des Charly McCarthy" dem künst-
lich-künstlerischem Filmstar, der von den späten
dreißiger Jahren bis in die späten vierziger Jahre
im Schatten des 2. Weltkrieges seine Glanzzeit
Ll hatte. Sdiöpter dieser legendären Figur war der
Allrounder Edgar Bergen, der in der Vergnügungs-
Bethlehemstraße branche vom Schauspieler bis zum bauchredenden
Magier alles tat, um hochzukommen. Ein blendender
Einfall ließ ihn mit zwei sprechenden" Figuren,
dem respektlosen Charly McCarthy" und
Telefon Mortimer Snerd" Eingang in die Filmgeschichte
finden. Man würde ersterem, diesem mit elektri-
schen lmpulsen gesteuerten Automaten, vom
Ansehen her siehe unsere Abbildung auf der
Haupiseite Für den Kunstsammler" p. 70 nicht
gleich abnehmen, daß er im Filmlexikon Degli
Autori deile Opere Autari A-C, N. X. 1-1"
Orientteppiche
steht und regelmäßig Filmkritiken in The New
York Times" einheimste. Die teils humorigen,
sarkastischen, teils philosophischen und gesell-
schaftskritisdwen Sprüche er hatte sich in der
Seciety einen festen Platz erobert machten ihn
T1 Weltbekannt. Vor allem in den Filmen, in denen er
den Star abgab, wie den Shorty-Films bei Warner
oder The Goldwyn Follies", 1938, Charly McCarthy,
Detective, 1939, Here We G0 Again", 1942,
Captain China", 1948, und Don't Make Waves",
1967, verdankt diese quirlige Automatentigur ihr
bald 30iöhriges Dasein. Damit muß sie so etwas
wie ein Methusalem unter ihresgleichen sein.
Daß es Charly" nach Wien verschlagen hat, ist
Verdienst der golerie am graben", die sich
ausschließlich der Kunst des 20. Jahrhunderts
verschrieben hat. Ihre-Inhaberin, für ihre Aufge-
schlossenheit vor allem gegenüber iungen
lebenden Künstlern bekannt, mit schon
mazenatischen Ambitionen, findet Anerkennung,
wie auch ihr Galerie-Image, das wohltuend das
Auge über das sich langsam determinierende
Tradition 154a 1975 FOFTSChFlÜ U-ßßhn-ChußsßnliehtNunhwsie
nebenbei zu ihrer neu kreierten Linie" mit
Charly McCarty" ein echtes Kuriosum, eine
oö Rarität in Wien. Nachtragen läßt sich, daß die
8B? weltbekannte amerikanische Schauspielerin
Candice Bergen, Tochter des Schöpfers der Figur,
Edgar Bergen, kürzlich im Londoner TV in einem
Auftritt auch über Charly" sprach, ohne ihn,
weil er seit Jahren durch reinen Zufall in Wien
als hachberühmter Pensionär sitzt. I. netopil
Wagnefsche Unim-Buchdruckerei Buchroithner 81 C0.,
Innsbruck, Erlerstraße 5-7 Telefon O5222l297 61
Kunslmarkt bei Siedler
Vom 22. ll.-5. 12. 1975 stellte das Kunsthandelshous
Siedler erstmals in einer Marktaktion" ein
vielfältiges Angebot, das, an iede Käuferschicht
gerichtet, bis maximal 20.000.- Höchstpreis
angesetzt hatte. U. a. waren als Spitze eine
Brüsseler Tapisserie, eine Tiroler Einbaumtruhe
und ferner Hinterglosbilder, Ikonen, Kunstgewerbe
und Kleinkunst, Ölmalerei des l9. Jahrhunderts
und Möbel in diesem vor allem an Jungsammler
gerichteten Obiektekreis bereit.
77
SKULPTUREN 8c KLEINKUNST
um musealer
Qualität
Detail einer
höflschen Spiclliicr,
WOLFGANG AUGUST ißävpils
Wien Spicgelgassc Tel. 523895
H"... ........, v-.. vwnowe um.
Gegründet 1833 Zeichnungen im Privatbesitz Nachridit an sie zu
Gernalde Graph-lk Sizljburg, Residenzgalerie
alter und neuer Meister Vom1.März bis zum so. April 1976 werden in
einer Sonderausstellung der Salzburger Residenz-
galerie über 100 ausgewählte Blätter aus dem
Wir suchen ständig Uhr,
Osterreichische Künstler des 19. Jahrhunderts gmp lsc er von Oskar OS gezelgl
Künstler der Münchner und Düsseldorfer Schule
des 19. Jahrhunderts Stonisluv Urban 1.
Unerwartet, im Alter von 52 Jahren, verstarb im
September d. J. Dr. phil. Stanislav Urban,
Wl 41, Direktor des Gablanzer GIas- und Biiouterie-
museums. Seine Bestellung zum Leiter dieses
Kohlmarkt lllMichaelerplatz Haydnhaus Tel. 52 5382 Museums bedeutete wglsich eine völlige
Neuorientierung und Neuentwicklung dieser
Institution in unserem Nachbarland. Das Gablanzer
Museum wurde zu einem Zentrum wissenschaftlicher
und edukatorischer Tätigkeit, eine Stand-
Brieffach 31
prösentation böhmischer Glasmeister festigte den
weltbekannten Ruf ihrer Produkte. Urban,
als Wissenschaftler wie als Publizist im Kreise
der Kollegen des ln- und Auslandes geschützt,
veröffentlichte zahlreiche Forschungsergebnisse in
Zeitschriften und ist auch Autor unserer Zeitschrift.
Als Träger hoher staatlicher Ämter und
Auszeichnungen der CCSR reißt sein Tod eine echte
Lücke, die nach seinem anerkannt reichen Wirken
auch in der Öffentlichkeit um so schmerzlicher
Frantisek Matous, Mittelalterliche Glasmalerei
in der Tschechoslowakei Corpus Vitrearum
Medii Aevi Tschechoslowakei.
öS 976.-, 1975
Innerhalb der bedeutenden internationalen
Publikatiansreihe Corpus Vitrearum Medii Aevi
konnte nun in gewohnt mustergültiger Ausstattung
und Edition das 1967 abgeschlossene Werk des
1971 verstorbenen Autors erscheinen. Der auf dem
G. Gebiet der heutigen Tschechoslowakei erhalten
gebliebene Bestand mittelalterlicher Glasmalerei
stellt im Vergleich mit anderen, auch den
SIBIS reiche ÄUSWBhl unmittelbar benachbarten Ländern einen nicht
an reizvollen Antiquitäten sehr umfangreichen und auch ziemlich verstreuten
Bestand dar. Dabei sind sowohl Arbeiten
einheimischer Provenienz als auch importierte
Glselakal 15' Stücke festzustellen; im umfangreichen Katalog ist
das gesamte erreichbare Material erfaßt. Außer
einigen Arbeiten von europäischem Rang wie der
Glasgemölde in der Bartholomäuskirche in Kolin
oder der Katharinenkapelle auf Burg Karlstein
werden viele bisher praktisch unbekannte Scheiben
in Regionalmuseen, Schlössern und Dorfkirchen
vorgestellt.
AMK-Prädikat Wichtiges Handbuch für die
ERNST
MEHRINGER
Bildngchweis; Seitenangabe in Ziffern
Graphische Sammlung Albertina, Wien, 33 Archiv
AMK, WienlSalzburg, 63, 71-73 Badisches Landes-
museum, Karlsruhe 38, 39 Bayerische Staatsgemäl-
KUHSI- und desammlungen, München, 29, 39 -A. Demanega,
.. lnnsbrudr, 28 Archiv P. Dworak, Wien, 64 Archiv
Antiquitatenhandel Dr.R.Engerth, Wien, 57-62 Archiv St. Fichert,
London, 1-4, 10 J. Fiegl, Wien, 48, 51, 52, 54, 55
Staatliche Graphische Sammlung, München, Q5
Archiv Dr. G. Gross, Hannover, 17-21 Kunsthisto-
risches Museum, Wien, 22-27 Archiv l. Luchterhandt,
Wuppertal, 14-16 W. Neumeister, München, 37
L. Neustifter, Wien, 40-47 Schloß Nymphenburg,
SPlTZfDonau Marstallmuseum, München, 32-35- Schloß Nym-
phenburg, Verwaltung der Staatlichen Schlosser,
Gärten und Seen, München, 30 sÖäteräliaicrisgäies
Museum für angewandte Kunst in er,
lvlarktstraße 13 Tel" 02713 Dr. Th. Poensgen, Unterbach, 34 Royal Academy
of Arts, London, 4-7, 9-13 Stadtarchiv Munchen,
36, 37 Foto Strauss, Altötting, 3B TheVTate Gal-
lery, London, 10 Archiv A. Vogel, Wien, 67, 69
Archiv F. Winzinger, Regensburg, 80-83 Archiv F.
M. Wirth, Wien, 65 Archiv Dr. G. P. Woeckel,
München, a9.
79
werden.
ins Auge fällt.
Geschichte der Glasmalerei.
Für den Kunstsammler
Fedor Sibeth
Franz Winzinger Meisterwerke des
japanischen Farbenholzschnitts.
IX. Veröffentlichung der Albertina
Alle Holzschnitte des Bandes entstammen der in
einem halben Jahrhundert zusammengebrochen
Sammlung des Verfassers, deren Weltgeltung
bekannt ist. Sie war zuletzt i972 im Germanischen
Nationalmuseum in Nürnberg und in der Albertina
in Wien gezeigt worden. Walter Kaschatzky, der
Direktor der Albertina, würdigt in der Einleitung
die universelle Geisteshaltung des Sammlers und
Wissenschaftlers Winzinger, der auch auf dem
Gebiet der klassischen Kunstgeschichte seit langem
als Autorität für altdeutsche Kunst gilt.
Es ist wohl heute nicht mehr notwendig, den
überragenden Einfluß des Japanholzschnitts auf die
gesamte Entwicklung der modernen Kunst zu
betonen. Erscheinungen wie der Jugendstil oder die
Kunst eines Klimt oder Schiele sind ohne die
Begegnung mit dem Japanholzschnitt nicht denkbar.
Der Text bringt einen Abriß über die 250 Jahre
dauernde Blütezeit des Japanholzschnilts von den
primitiven Anfängen bis zu den großen Landsdiatten
der Spälzeit und seiner verschiedenen Schulen.
Katsushiku Hokusai 1760-1849, Aus den Ammen-
erzühlungen", um 1836
Torii Kiyomasu l696-i7i6?, Shibaraku-Sxene
Kitagawa Utamaro 1735-1806, Das Teehausmöddaen
0hisa,uml792
80
wurm
Chokasai Eisho tätig 1790-1800, Mädchen nach dem
Bude, um 1795
Tashusai Sharaku tätig um 179411795, Schauspieler-
bildnis, um 1774
Jeder der führenden Meister ist mit besonders
typischen Arbeiten vertreten, so daß der Inhalt des
Bandes geradezu den Grundriß einer idealen
Sammlung des Japanholzschnitts darstellt, wie sie
sicherlich selbst mit großen Mitteln heute nidit mehr
zusammenzubringen ist. Dazu werden knappe
Ausführungen zum japanischen Hetürenwesen im
Yashiwara und zum volkstümlichen Kabuki-Theater
geboten sowie eine Erläuterung der graphischen
Techniken.
Daß bei der knappen Fassung des Textes eine
Reihe nicht ganz so wichtiger Fragen ausgeklammert
werden mußte, ist verständlich, doch wöre ein
eingehender Hinweis auf das Herauswachsen des
iapanischen Ukiyo-e-Halzschnitts aus der vorher-
gehenden Genremalerei der Kana- und Tosa-Schulen
vielleicht wünschenswert gewesen. Der Katalogteil,
der alle sachlichen Angaben zu den einzelnen
Holzschnitten bringt, gibt auch die Provenienzen
der Blätter an; dabei fehlt keine der großen
berühmten Sammlungen der Vergangenheit.
7,s um Klynnugu 1752-1315, Teehaus an der Siliflü-
gawarßucht, um 1735
HUFUHObU 11725-1770, Liebespaar Abschied im Morgen-
gfüueh, um 176a
81
Für den Kunstsammler
Franz Winzinger
Auktion der Collection Henri Vever
bei Sotheby in London
Am 26. März l974 und genau ein Jahr später wurden
in London Teile der Sammlung iapanischer Holz-
schnitte, Zeichnungen und illustrierter Bücher aus
dem Besitz des verstorbenen Pariser Sammlers
Henri Vever versteigert. Weitere Teile der außer-
ordentlichen Sammlung sollen in Zukunft unter den
Hammer kommen.
Den Auktionen kam wegen der ungewöhnlichen
Qualität der Sammlung eine besondere Bedeutung
zu. Für die Bewertung des Japanhalzschnittes
wurden dabei ganz neue Maßstäbe gesetzt.
Henri Vever ll854el943l, ein bedeutender Gold-
schmied er gestaltete den Ehrendegen für
Marschall Foch war der Typ des besessenen
Sammlers. Seit seinem l7. Lebensiahr, als er seine
erste Rembrandt-Radierung erwarb, hatte er mit
höchstem Kunstverstand eine außerordentliche
Fülle kostbarster Werke zusammengebracht neben
Druckgraphik und persischen Miniaturen lnkunabeln
und moderne illustrierte Bücher, griechische Münzen
sowie französische lmpressionisten. Entscheidend
war, daß Vever selber ein guter Maler war und
daß ihm das Erlebnis des schöpferischen Vorgangs
tiefe Einsichten in das Wesen des Kunstwerkes
vermittelte.
Als auf der Pariser Weltausstellung von 1867 die
ersten iapanischen Holzschnitte gezeigt wurden,
war Vever ein Knabe von 13 Jahren. Aber es muß
ihn von der ersten Stunde an gepackt haben,
denn sein ganzes Leben lang hat ihn die Leiden!
schaft zu diesen farbigen Blättern beherrscht.
Er gehörte von Anfang an in die Reihe iener
kunstbegeisterter Männer, die im Umkreis der
Gebrüder Gancourt iene legendären Pariser
Sammlungen zusammenbrachten, von denen die
Vever-Sammlung die letzte überlebende war.
Vever hatte immer nur die höchsten Maßstäbe an
den künstlerischen Wert und die Druckqualität der
Blätter gelegt, und da er an der Quelle saß, kam
eine Sammlung zusammen, die ganz und gar
einzigartig war.
Für viele überraschend, verkaufte er in der Notzeit
der frühen zwanziger Jahre seine Sammlung an den
iapanischen Reeder Baron Matsukata, der sie später
dem Natianalmuseum in Tokio vermachte, wo sie
den entscheidenden Kern der heutigen Sammlung
iapanischer Holzschnitte bildet. Jedermann dachte
damals, daß das das Ende der berühmten Sammlung
gewesen wäre, aber Vever hat sich doch eine
größere Anzahl der feinsten Blätter zurückbehalten,
82
Geisha mit Dienstmädchen", signiert Toyakuni ga.
Erlös 13.500- es 580.000.-
Mädchen nach dem Bade", signiert Eiri giga. Mica-
Hintergrund. Erlös 216.000.- es 640.000.-
a,4 Hokusai, Zeichnung mit penttmenti, 2913x315 cm
Ausschnitt Abb. n. Bisher als Der Raub" bekannt,
handelt es sich tatsächlich um eine Vorstudie zu einer
Buchillustration Sako, der Führer der 108 Heraen, be-
wahrt Fuiiyo vor drohender Gefahr. Erlös 2e.0o0.-
65 1.120.000.-
und gerade in diesen Jahren, in denen einige der
ganz großen Pariser Sammlungen Haviland, Gonse,
Javal aufgelost wurden, wieder unauffällig groß-
artige Blätter erwarben. Aber nur für wenige
Eingeweihte existierte die Sammlung Vever weiter.
Niemand wußte, ob sie die Besatzungszeit in
Frankreich überlebt hatte. Es bedeutete deshalb
keine geringe Sensation, als die Londoner Auktion
angekündigt wurde.
Der Bedeutung dieser Sammlung entsprechend, war
alles, was Rang und Namen unter den Japan-
sammlern hatte, zu den Auktionen in London
versammelt, nicht zuletzt die großen Händler aus
Europa und Übersee. Die großen Museen hatten
ihre Vertreter geschickt, und so entbrannte ein
Kampf, der zu nie vorher erreichten Preisen führte.
So erreichten unter den Primitiven zwei forbfrlsche
Benizuri-e des Hishikawa Toyonobu 22.000 und
14.000 Pfund. Die New Yorker Sammlerin Ermonn,
ganz auf Harunobu spezialisiert, zahlte für eines
der Blätter dieses Meisters 17.000 Pfund. Für einen
der großen Köpfe des Shunei, obwohl etwas
beschnitten, zahlte die Pariser Händlerin Madame
Berse 9400 Pfund. Einen Höhepunkt der ersten
Auktion bildete die unvergleichliche Reihe der
Schönheiten des Utomaro, von denen zwei der
Blätter ie 16.000 Pfund erreichten. Den gleichen
Preis erzielte ein ungewöhnlich schönes Werk mit
Mica-Hintergrund von Eiri. Van Sharaku waren auf
der ersten Auktion nicht weniger als 15 Werke
angeboten worden, von denen ein berühmtes
Doppelportröt den Höchstpreis von 32.000 Pfund
lLewisl, ein anderes 16.000 Pfund Goodman
erreichte. Eine der höchst seltenen Zeichnungen
Sharakus wurde von dem iapanischen Händler
Fugendo um 24.000 Pfund erworben. Daß eines der
Meisterwerke des Choki 12.000 Pfund bringen würde,
war weniger erstaunlich als die Tatsache, daß für
ein allerdings prachtvolles Werk des Toyokuni
13.500 Pfund bezahlt wurden.
Einen Höhepunkt der Auktion bildeten einige der
großartigen Drucke und Zeichnungen Hokusais. Der
größte Teil der Zeichnungen wurde von dem
Londoner Händler Mass aufgenommen, der nicht
zögerte, für die Zeichnung Der Raub" 28.000 Pfund,
für ein winziges Blättchen mit einem Frosch
obwohl nicht unbeschädigt 2800 Pfund anzulegen.
Obwohl die Qualität der Drucke nicht sehr viel
geringer war, wurden in der zweiten Vever-Auktion
die gleichen hohen Preise nicht mehr ganz erreicht.
83
Varia
Fritz Wotruba
Mit ihm ging heuer eine der profiliertesten
Künstlerpersönlichkeiten Österreichs aus der
gegenwärtigen Kunstszene. Herzversagen Abrupt
verließ er diese Welt, unvermittelt hart, wie es
seine zyklopischen Figuren und Monumentalblöcke
im Grunde sind. So hart und direkt, wie er auch
gewohnt war, von oder über etwas in erster Linie
Kunst zu sprechen, zu urteilen. Er kam von Hanak,
studierte an der Wiener Kunstgewerbeschule,
war im übrigen aber Autodidakt. Wotrubas
abstrahierend-vierschrötige" Verkörperung des
Menschenbildes fand vorerst wenig, später dann
erst im engeren" Kreis, vor allem aber außerhalb,
im internationalen Bereich, Anerkennung,
Würdigung und richtige Einschätzung. Sein Name
stand gleich geachtet in der Reihe der Marini,
Giacometti, Laurens und Moore, hatte aber,
was das Werk betrifft, eine einsame Eigenständig-
keit, die ienen zu klotzig und ungehobelt erscheinen
muß, die in einem ästhetischen Plastizismus ihr
Ideal sehen. Der Mann von der Straße, der im
Wiener Gänsehöufel vor dem Stehenden Jüngling"
Wotrubas, dessen blockhafte Gestaltung eher als
unschön" empfindet und nicht viel damit
anzufangen weiß, ist symptomatisch im Verhalten
weiter Kreise zu Wotrubas Kunst. Seine Abstraktion
bzw. Reduktion auf von ieder natürlichen Forrn
abweichende, anatomisch-einfachste Formung
eines vom Geist und seiner Haltung her
verstandenen Menschenbildes hat im Grund zwar
Wahres", aber wenig Anziehendes" an sich.
Somit teilt Wotruba das Los vieler großer Künstler,
er fand Anerkennung in der Kunstgeschichte dieses
zerrissenen 20. Jahrhunderts, breite Schichten aus
dem Volke aber stehen ihm, wenn schon nicht
ablehnend, so doch verständnislos gegenüber.
Aber das ist eine Misere, die so alt wie die Welt
und die Menschen ist. Österreich hat dennoch
einen großen Bildhauer verloren, das wird die
Zukunft erweisen, der auch seinen Jüngern" viel
mitzugeben vermachte, denen er lehrte, ihre eigene
künstlerische Sprache zu suchen. Urteil, Avram is,
um nur einige bedeutende zu nennen. Wotruba,
der sich nur widerwillig zu Ämtern oder Institutionen
bestimmen ließ, war unter anderem auf der
Brüsseler Weltausstellung 1958 mit dem Grand Prix
ausgezeichnet worden, obwohl sein Kolossalrelief
für den Österreidipavillon widersprüchliche
Aufnahme fand. Widerspruch, der durch das Leben
eines Künstlers zog, der kaum Konzessionen zu
machen bereit war. So wie er spontan, nach
flüchtigen Skizzen, unmittelbar aus dem Block
heraus meißelte, agierte er zeitlebens auch,
und es scherte ihn nicht, daß mitunter, natürlidier-
weise, Splitter auch ins Auge flogen. I. netopil
In memoriam Becker-Donner
Am 24. September 1975 ist Frau Hofrat Prof. Dr. Etta
Becker-Donner, Direktor des Museums für
Völkerkunde in Wien, durch einen allzu frühen Tod
aus dem aktiven Dienst gerissen worden, dem sie
bis zu ihrer schweren Erkrankung zu Beginn dieses
Jahres alle ihre menschlichen und fachlichen Kräfte
gewidmet hat. In ihrer zwanzigiährigen Leistungs-
tätigkeit hat sie den Ausbau des Museums für
Völkerkunde auf allen Sektoren, insbesondere der
technischen Dienste und der Schaffung von
Außenstellen, in hervorragender Weise geführt.
In ihrer wissenschaftlichen Forschungstätigkeit ist
sie als international bedeutende Ethnologin
auf den lateinamerikanischen Raum spezialisiert
gewesen, war Mitbegründerin und Präsidentin
des Österreichischen Lateinamerikainstituts und hat
sich auch in ihren fachlichen Publikationen und
ethnalogisdien Ausstellungen vornehmlich mit
dem Raum Süd- und Mittelamerika befaßt.
Frau Direktor Dr. Etta Bedrer-Donner wurde am
5. Dezember 1911 in Wien geboren und studierte
an der Universität Wien Ethnologie und Linguistik.
Bereits als Studentin unternahm sie ihre erste
selbständige ethnologische Expedition und trat im
Jahre 1938 in den wissenschaftlichen Dienst des
Museums für Völkerkunde. In den Jahren 1947
bis 1956 unternahm sie zahlreid1e Forsdiungsreisen
84
nach Brasilien, Argentinien und Chile, in deren
Verlauf sie ethnologische, linguistische und
archäologische Studien betrieb und mehrere große
Sammlungen heimbrachte. 1956 bereiste sie China,
1959 Rußland und Turkestan. Von 1962 an wandte
sich ihr Interesse in besonderem Maße der
Erforschung der kontemporären Volkskunst
Lateinamerikas zu. Im Verlaufe von Sammelreisen
nach Mexiko und Zentralamerika, später nach
Guatemala, Peru, Ecuador, Columbien, Ponama
und Honduras legte sie für das Museum für
Völkerkunde in Wien umfangreiche Spezial-
sammlungen zu diesem Thema an, die 1973 zu
einer bedeutenden internationalen Wanderaus-
stellung Lateinamerikanische Volkskunst"
zusammengestellt wurden.
Seit 1955 hat Frau Direktor Dr. Becker-Donner eine
rege Tätigkeit auf dem Gebiet der Volksbildung
entfaltet und viele wechselnde Sonderousstellungen
geschaffen, die zu einer Vertiefung des öffentlichen
Interesses an den außereuropäischen Kulturen
beigetragen haben. Darüber hinaus hat sie in
zunehmendem Maße Interesse an den Fragen
der Entwicklungsfärderung gewonnen und im
Rahmen des Lateinamerikainstituts sich aktiv mit
Entwicklungshilfeproiekten beschäftigt. So war sie
Mitbegründerin einer österreichischen Schule und
eines landwirtschaftlichen Entwicklungsproiektes
in Guatemala und hat einer Landwirtschaftsschule
in Brasilien und einer Bergwerksschule in Bolivien
von österreichischer Seite aktive Hilfe zuteil
werden lassen.
In ähnlicher Weise war sie auch Initiatorin von
Infarmationskursen über einzelne ausgewählte
Regionen der dritten Welt", die am Museum für
Völkerkunde in Zusammenarbeit mit der
österreichischen UNESCO-Kommission und dem
Lateinamerikainstitut abgehalten wurden.
Ein überaus arbeitsreiches Leben, das der
ethnologischen Forschung und der Anwendung
der durch Forschung gewonnenen Erkenntnisse in
Vorträgen, Ausstellungstätigkeit und Beiträgen zur
Entwicklungsfärderung gewidmet war, hat durch
eine unvermutet auftretende Krankheit ein iähes
Ende gefunden. Das Museum für Völkerkunde in
Wien, dessen Direktorin sie durch zwei Jahrzehnte
gewesen ist, dankt ihrer hingebungsvollen Arbeit
nicht nur zahlreiche bedeutende ethnologische
Sammlungen und Ausstellungen, sondern auch die
wohlüberlegte Schaffung von wichtigen
Einrichtungen der Infrastruktur, die eine
unersetzliche Voraussetzung für die weitere Tätigkeit
dieser wissenschaftlichen Institution sein werden.
Hans Manndorff
Zürich Schweizerisches Institut für
Kunstwissenschoft
Das Institut bittet um Mitarbeit bei der Zusammen-
stellung von Werkkatalogen zweier Künstler.
Werkkatalog Giovanni Segantini. Dr. Annie-Paule
Quinsac, Prof. für Kunstgeschichte in Calumbial
South Carolina, bereitet in Zusammenarbeit mit
dem Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaftl
Zürich und der Landis B1 Gyr-Stiftung, Zug, eine
vollständige Ausgabe des gemalten und
gezeichneten Guvres von Segantini vor. Erstmals
werden dadurch sämtliche Bilder und Zeichnungen
des Meisters in Abbildung und wissenschaftlicher
Beschreibung zugänglich sein. Alle Besitzer, die
Werke von Segantini besitzen und bisher mit
keiner der oben genannten Personen oder
Institutionen in Verbindung stehen, sind gebeten,
sich beim Institut zu melden.
Werkkatalog Niklaus Manuel Deutsch. Hans
Christoph von Tavel vom hiesigen Institut bereitet
den vollständigen Katalog des bildnerischen Werkes
von Gemälden, Zeichnungen, Holzschnitten,
Glasfenstern u. a. von N. M. Deutsch vor. Auch hier
die Anfrage an Institutionen und Personen um
Mithilfe. Auch fragliche Werke oder Kopien können
Hinweise geben und können helfen, das noch nie
vollständig bearbeitete und publizierte Guvre
zu beschreiben. Hinweise bitte an den Autor.
Adresse in beiden Fällen Schweizerisches Institut
für Kunstwissensdtaft, Postfach 392, 8034 Zürich.
Karl Schwanzer
Fünfundzwanzig Jahre Leben mit der schönsten
Arbeit, die ich mir wünschen konnte,
vergingen im Fluge." Der Schlagzeile Tod des
Stararchitekten" und der gewohnten Zerpflückung
seines beruflichen und privaten Lebens folgte die
lapidare letzte Aussage nach dem Freitod auf dem
schlichten Fartezettel. Verhieß ihm dieses Leben
nach diesen 25 Jahren angesichts der Rezession, die
Ardtitekten und Baubranchererfaßt, nicht den
angestrebten Hähenflu, keine berufliche Erfüllung
mehr? Oder waren es wie kolportiert Mißerfolge
sprich Baumängel am letzten Bau, Depressionen?
Warum sucht man doch immer sensationslüstern
die Ursachen nach einem solchen Tod?
Wahrscheinlich ist von allem etwas mitbestimmend
an diesem. Schwanzer war ein Rastloser, einer,
der ohne Arbeit nicht leben konnte, der sich im
Dienste am Werk bis zum letztmöglichen
engagieren mußte, der bis zur persönlichen
Selbstaufgabe zu gehen bereit war. Mit seinen
Schlüsselbauten zum Erfolg dem Österreichpavillon
der Brüsseler Weltausstellung 1958 und dessen
erfolgreicher Umfunktionierung zum Wiener
Museum des 20. Jahrhunderts, dem Philips-Haus
in Wien, das dem vom Süden Kommenden breit
entgegenwächst und einsame Skyline bildet,
und als Triumphat und Krönung dem BMW-Gebäude
in München wurde Schwanzer weithin über
Österreichs Grenzen bekannt. Mit dem letztge-
nannten Bau vermeinte er sogar, mit an die Spitze
der weltbekannten Architekten vorgedrungen
zu sein. Ein neuer Neutra? Doch nur ein kurzes
Aufflammen größten Erfolges war es, dem Neues
und Größeres nicht folgte. Ob er, der nur in die
Zukunft stürmte, der das ganz Große, den
ultramodernen Turmbau zu Babel schaffen wollte,
an dieser Aussichtslosigkeit vor allem, dann aber
auch am beginnenden Klein-Klein einer mäkelnden
Bauherrenschaft nicht tatsächlich verzweifelte?
In einem Sonderheft dieser Zeitschrift zum
Denkmalschutziahr 1975 erwies er sich als Publizist
mit einem zukunftsweisenden Artikel Architektur
von heute Baudenkmäler von morgen?" Darin
bricht er in der für ihn typischen Weise eine
Lanze für den Architekten der Gegenwart
Wir müssen uns doch als Baukiinstler des ,Heute'
bewußt sein". Oder Die Furcht vor der Spitzhacke,
die Unwertes zerstört, um Neuem Platz zu machen,
muß dem Vertrauen zum Können unserer Gegen-
wartsorchitekten weichen. Diese haben ein Recht,
Zeugnisse vom Heute für das Morgen zu schaffen,
die genauso aussagekräftig sind wie die Beispiele
der Vergangenheit." Hier sprach einer
naturgemäß auch pro domo und noch dazu mit
großem Selbstbewußtsein. Schwanzer achtete und
anerkannte das Alte, forderte aber die Zukunft
durch den Heutigen und für das Heutige.
Mit Recht wie uns scheint. Aber er hinterläßt nun
vor der Zeit ein brennendes Vermächtnis. Eines,
das alle Betroffenen" zu heiligem Ernst
verpflichtet. I. netopil
IEI
Bundesministerium für Wissenschaft
und Forschung
Besucherstatistik der staatlichen
Ivguseen und Kunstsammlungen
75
Das Bundesministerium für Wissenschaft
und Forschung gibt bekannt, daß in den ihm
unterstehenden staatlichen Museen und
Kunstsammlungen in den Monaten
Juli 171.153
August 172.541
Besucher gezählt wurden.
Buchbesprechungen
Georges Charriere, Die Kunst der Skythen.
Von Sibirien bis zum Schwarzen Meer.
Mit einer Einführung von N. l. Artamonow.
258 5., 379 Abb. in Schwarzweiß und Farbe.
Verlag DuMont-Schauberg, 1974
Im Jahre 1974 brachte der Verlag die deutsche
Übersetzung der im Jahre 1971 in Paris erschienenen
Originalausgabe L'art Barbare Scythe.
De la Siberie Ia Mere Noir" heraus. Seit dieser
Zeit ist das Gold der Skythen wieder im Gespräch
und ietzt von neuem auf Reisen. Im Augenblick
findet unter dem Titel Gold der Skythen L'or des
Scythes im Pariser Grand Palais eine Ausstellung
statt, die 200 besonders kostbare Zeugnisse dieser
Nomadenzivilisation enthält, die zwischen dem
7. und 4. vorchristlichen Jahrhundert bei den
Steppenvälkern zwischen Südrußland und
Zentralasien beheimatet war. Das Buch des DuMont-
Verlages ist daher gerade ietzt für den deutschen
Sprachraum von größter Aktualität. In einer
Einführung von N. l. Artamonow Die Kunst der
Steppe" werden die Geschichte und Auffindung der
archäologischen Funde zur skythischen Kunst
geschildert. Über die Kapitel Die nomadischen
Ausdrucksformen", Die entmystifizierte Kunst",
Die tierischen Symbole" und Der Künstler in der
nomadischen Gesellschaf gelangt der Leser zum
Verständnis dieser faszinierenden Gebrauchs- und
Kultgegenstände, der Waffen und dem Schmuck
der Skythen. Die graphische und plastische Intensität
dieser Arbeiten wird durch hervorragendes
Abbildungsmaterial Strichzeichnungen,
Schwarzweiß- und Farbfotos bestens dokumentiert.
Die Kraft und Faszination der Bildzeichen dieser
nomodischen Kunst, die vor allem in den Stücken
aus der Kunstkammer" Peters des Großen, aber
auch in den Funden der alleriüngsten Vergangenheit
aus dem Eis des Altai-Gebirges zum Ausdruck
kommen, lassen eine ungemein originelle
nomadische Ausdrucksweise erkennen, die in ihrem
Abstraktionsgrad und Symbolgehalt zum ältesten
Erbgut des Menschen gehören. Ein Sachwort-
verzeichnis, eine ausführliche Bibliographie sowie
eine Übersichtskarte und chronologische Tabellen
sind willkommene Ergänzungen dieses Standard-
werkes über die Kunst der Skythen.
AMK-Prädikat Besonders wichtige Standard-
publikation für Kultur- und Kunsthistoriker sowie
für Völkerkundler und interessierte Laien.
Wilhelm Mrazek
Thomas lmmoslErwin Halpern, Japan
Tempel, Gärten und Paläste.
Verlag M. DuMont-Schauberg, 1974. 264 Seiten
mit 15 mehrfarbigen und 185 einfarbigen Abbil-
dungen, 33 Zeichnungen und Plänen im Text
In der Reihe der DuMont-Kunst-Reiseführer nimmt
dieser Japan gewidmete Band einen besonderen
Platz ein. Sind doch in diesem Land, trotz stürmi-
scher Modernisierung in vielen Bereichen, uraltes
Brauchtum und mythisches Denken noch weitgehend
erhalten geblieben. Der Zugang zum Verständnis
der Kultur Japans führt daher nicht nur über
Dokumente historischer Entwidclung, sondern auch
das älteste Traditionen bewahrende Leben der
Gegenwart. Zwei hervorragende Autoren garantie-
ren für verläßliche bild- und textliche Aufbereitung
des Themas Prof. Dr. Thomas lmmos, tätig an der
Sophia-Universität Tokyo, und Erwin Halpern
Bildbeiträge. Die übersichtliche Gliederung des
Bandes erlaubt rasche Grundinformation auf
wesentlichen Gebieten Geographie, Geologie,
Klima, Flora, Religion, Geschichte, Literatur,
Japanisches Theater, Kunst und Architektur.
Neunzehn ausgewählte Reiserouten führen zu den
bedeutendsten Stätten japanischer Kunst und
Kultur, die für den ausländischen Besucher von
Interesse sind. Ein gelber Teil" vereint viele
praktische Hinweise, deren Beachtung dem Landes-
fremden so manches Mißverständnis ersparen
dürfte. Ein Reiseführer, der schon bei erster
Lektüre Fernweh zu wecken vermag; dem Japan-
reisenden ist er wohl ein kaum entbehrlicher,
höchst wertvoller Ratgeber.
AMK-Prädikat; Umfassend informierender Reise-
führer, auch als Nachschlagewerk empfehlenswert.
C. N.
Peter Weninger, Niederösterreich in alten
Ansichten Österreich unter der Enns.
Herausgegeben vorn Kulturreferat der
Niederösterreichischen Landesregierung.
380 Seiten, 11 Tafeln, davon 60 in Farbe,
90 Abbildungen im Text, Format 35 30 cm,
Leinen, Schmudrschuber.
Residenz-Verlag Salzburg
Der von Peter Weninger bearbeitete Band
Niederösterreich in alten Ansichten" ist der fünfte
innerhalb der von Franz Fuhrmann herausgegebenen
Reihe Österreich in alten Ansichten" und zugleich
der zweite Band iener Reihe, der nicht der Erfassung
alter Ansichten einer Stadt gewidmet ist, sondern
der eines Gebietes. Bot sich bei den Ansichten von
Salzburg, Linz oder Wien die chronologische Ord-
nung an, so war bereits Egg in seinen Tiroler Ansich-
ten bemüht gewesen, dem Land mit all seinen Eigen-
heiten in der Auswahl der Darstellungen gerecht
zu werden und ordnete diese daher nach topo-
graphischen Gesichtspunkten. Demselben Prinzip
folgt auch Peter Weninger. Die von ihm geschaffene
Auswahl alter Ansichten vermag sowohl Vielfalt
und Gegensätze des Landes Niederösterreich
deutlich und zugleich reizvoll zu zeigen als auch
topographischen, historischen und künstlerischen
Anforderungen, die an ein solches Buch gestellt
werden können, gerecht zu werden. Besonders
dankenswert erscheint, daß Weninger großen Wert
auf die Wiedergabe von bisher noch nicht oder
nur selten reproduzierten Ansichten gelegt hat,
daß er damit vom Klischee der ietzt so beliebten
schönen" Ansichtenbücher abweicht und wissen-
schaftlich neues und interessantes Material in den
Vordergrund seines Buches stellt. Die originalgetreue
Wiedergabe von Aquarellen, Gouachen, Hand-
zeichnungen und Graphiken im Tafelteil des Buches
wird höchsten Ansprüchen gerecht. Nicht nur allein
in der Auswahl und Wiedergabe der Bilder aber
liegt die Bedeutung des Buches, auch die Erläuterung
der Tafeln im Katalogteil ist präzise sowohl in den
historischen als auch den topographischen Angaben,
unter Berücksichtigung einer guten und genauen
Literaturauswahl. Die Darstellung des Landes selbst
wird im Katalogteil erweitert durch eine Reihe
kleinfarmatiger Abbildungen, größtenteils sind es
iene vielfach bekannten Darstellungen, auf die
im Tafelteil verzichtet wurde, die aber in Verbindung
mit einer wissenschaftlichen Beschreibung das
Gesamtbild abrunden.
In den einleitenden Artikeln hat der Autor die
geographischen und historischen Grundlagen des
Landes sowie die Entwicklung der Landschafts-
malerei zu behandeln. Sicherlich eine undankbare
und schwierige Aufgabe. Der Geschichte Nieder-
österreichs in wenigen Seiten gerecht zu werden,
ist iedem Historiker ein kaum zu bewältigendes
Problem, und über Landschaftsmalerei wurde in
den vorausgegangenen Bänden der Reihe schon
sehr viel und einläßlich geschrieben. Dennoch,
die Einleitungen sind dem Autor etwas zu kursorisch
geraten, die Auswahl der historischen Tatsachen
ist nicht immer sehr glücklich, wenngleich
hervorgehoben werden muß, daß auch hier die
Literaturangaben auf sehr gründliche Beschäftigung
mit dem Thema schließen lassen. Die eigentliche
Bedeutung des Buches liegt aber in der Auswahl
und Erläuterung des Bildmaterials.
AMK-Prädikat Repräsentativer Bildband mit
ausgezeichnet gearbeitetem Katalogteil. Wertvolles
Nachschlagewerk für den Sammler von Land-
schaftsgraphiken. Hanna Egger
Melinda Tath, Arpäd-kori falfesteszet
Die Wandmalerei der Arpadenzeit in Ungarn,
Ungarisch mit Deutsch. Resümee, 192 Seiten und
78 Abbildungen, brosch.; Akademiai Kiadö,
Müveszettörteneti füzetek Budapest 1974.
Grundlegende Studie über die frühen Wand-
malereien in Ungarn; da ein großer Teil mit den
vielen Baudenkmälern der romanischen und früh-
gotischen Epoche zugrunde gegangen und verloren
ist, ist eine vollständige Sammlung des Materials
besonders zu begrüßen. Die Entstehung der
frühesten ungarischen Werke kann man kaum vor
1130-1140 annehmen. Die ersten uns bekannten
Werke entstammen bereits der 2. Hälfte des
12. Jahrhunderts der sichtbare itala-byzantinische
Einfluß mag lombardischen, eventuell venezianischen
Ursprungs sein und durch die Vermittlerrolle
Salzburgs und der unter seinem Einfluß stehenden
Zentren in den österreichisdten Ländern gewirkt
haben.
AMK-Prädikat Wichtige Materialsammlung.
Josef Schulz, Tapisserie, eine Monographie mit
einem Essay van Wilhelm Mrazek.
Jugend und Volk, Wien-München, 1975, 105 S.
Das großformatige Buch wird mit einem Essay des
Direktors des Österreichischen Museums für
angewandte Kunst eingeleitet. Eine besonders
berufene Stimme dafür, befindet sich doch in dem
Haus, dem Direktor Mrazek vorsteht, eine außer-
ordentlich große Anzahl hochqualitativer Wand-
teppiche, auch ist der Kontakt des Museums seit
seiner Direktion zu zeitgenössischen Künstlern
besonders rege. Einleitend geht Mrazek kurz auf
die Geschichte dieses Kunstzweiges ein, erklärt
auch, daß für die Wandteppiche in erster Linie die
Technik des Wirkens in Frage kommt; diese
Arbeiten werden Tapisserie und seit dem 17. Jahr-
hundert auch Gobelin genannt. Im europäischen
Westen entwickelt und besonders in Frankreich in
Blüte, wo es bereits im 13. Jahrhundert in Paris
eine Handwerksordnung für diesen Beruf gab,
verlagerten sich die Spitzenleistungen im 15. und
I6. Jahrhundert auf niederländische Werkstätten
Wir erfahren auch, daß die Sammlung des Hauses
Habsburg mehr als 700 dieser kostbaren Wand-
behönge aufweist.
Die eigenständige österreichische Gobelinwirkerei
ist iungen Ursprungs, und Mrazek ist einer der
wenigen, der um ihr Herkommen weiß. Er schreibt,
daß erst durch die Umwandlung des ehemaligen
kaiserlichen Restaurierateliers zu einem Privat-
unternehmen, in der Ersten Republik, der Boden
für eine eigenständige Produktion gegeben war.
Nach dem zweiten Weltkrieg taten sich einige
iunge Künstler zusammen und propagierten eine
freie Weberei", also ein Arbeiten ohne Karton als
Vorlage. Fritz Riedl trat als Bahnbrecher besonders
hervor. Hier wird die Wolle, wie die Ölfarbe beim
Malen, direkt als Gestaltungsmittel verwendet.
Josef Schulz, heute Professor an der Akademie der
bildenden Künste in Wien, dessen Arbeiten dieses
Buch dokumentiert, arbeitete mit Riedl zusammen
an dem von Herbert Boeckl entworfenen Gobelin
für die Brüsseler Weltausstellung. Eine Arbeit, die
ihn sicher für sein zukünftiges Leben bestimmt hat.
Herbert Boeckl als Künstler und Mensch beein-
druckte ihn so sehr, daß wir die Handschrift des
Meisters noch lane in seinem Werk finden.
Die 40 großen Abbildungen zeigen Aquarelle,
Zeichnungen und Ölbilder sowie etliche von Schulz
geschaffene Gobelins. Es sind das 15 meist sehr
großflächige Wandteppiche, die sich fast aus-
schließlich bereits im Besitz von Schweizer oder
amerikanischen Sammlern befinden. Einige sind im
Besitz öffentlicher Institutionen Österreichs. Ein
großer Gobelin, 425 190 cm, befindet sich in der
Agneskapelle in Klosterneuburg. Die Zeichnungen
und Bilder weisen die Zusammenhänge des
bildnerischen Schaffens, und hier, besonders bei
den Aquarellen, ist die Brücke von Boeckl her
besonders deutlich. Diese offenen Farbwischer,
mit denen sehr viel Atmosphäre gegeben ist, ohne
eine starre Kontur einzugehen, werden in die
Tapisserie übertragen. Das Material Wolle, mit der
Möglichkeit, verschiedene Farbschattierungen zu
einem Faden und damit einer neuen Farbtönung zu
vereinen, kommt einer solchen Arbeitsweise
besonders entgegen.
Eine Werkstattmonographie eigener Art, mit
Beleuchtung einer zu Unrecht zuwenig bekannten
Kunstsparte.
AMK-Prödikat Künstlermonographie, sehr
informativ. Für Sammler.
Alois Vogel
85
Österreichisches Museum für angewandte Kunst
Südamerikanische Impressionen
Wandteppiche aus Bolivien
von Erika Steinmeyer
Katalo Neue Folge Nr. 37
Altes aus, Eitelbergersaal und Galerie
Wien Stubenring
22. 52.-29. 6. 1975
Rot durchbridit Grau! Mehr als nur ein künstlerisches
Thema, eine spontan inspirative künstlerische
Motivation steckt hinter diesem eigentlichen Titel
einer Folge von neun Wandteppichen, die in
diesem Sommer in Wien erste Station machten.
Dieser Titel ist das Programrnatische der aus
Agram gebürtigen Erika Steinmeyer, die in Wien
aufwuchs und einen starken Hang vorerst zu
Architektur und Mode hatte, der ihr Sdiaffen prägt.
Rot die Farbe, die für das Lebendige, das
Aktive steht durchbricht Grau, das sterile,
bestenfalls geriffelte Fassadengrau der rundum
unter smoggrauen Sfadthimmeln sich aufschichtenden
Betonkaskaden und deren gläsernkalten
Innenräumen. Einmal mehr ist es Bedrückung,
das Überhandnehmen eigentlich unästhetischer
Komponenten wie funktionspuritanische Zweck-
architektur, die den Künstler herausfordern.
Dieser lebt in keiner Enklave, er ist Mensch und
Mitbürger und in der Lage, abzuhelfen. Er sieht den
unerbittlidien Diskrepanzen der Umwelt um so
stärker ins Auge, ie stärker er der Natur verbunden
ist. Und er sammelt eine stets wachsende Summe
von Erlebnissen, Eindrücken und Erfahrungen, die er
verwertet, umsetzt, mittels seinen künstlerischen
Mitteln anwendet. Nicht selten über das Exotische,
das Fremdartige, wie im Falle Erika Steinmeyers,
die das südamerikanische, im Konkreten für ihre
Bildteppiche das bolivianische Hochlond entdeckte.
Hier begegnen einander Vergangenheit und
Zukunft in erstaunlicher Parallele. Diese Urein-
wohner eines längst hinabgegangenen großen
Reiches, die in völlig diametralem uneuropäischem
Rhythmus, Uhr und Zeit negierend, leben, von
keinerlei zivilisatorischen Zwängen bedrängt,
hausen seit alters her in einer öden lehmgrauen
Welt. Doch der Indio webt sich buchstäblich die
Farbe in sein sonnenverdorrtes, vegetationsarmes
Dasein. Eine Skala reichen, bestechenden, so
typischen Südamerika-Spektrums in von Rot,
Brillantrosa, Orange und Gelbtönen dominierten
Textilbehängen. Solche Schöpfungen waren auch
Anstoß für Frau Steinmeyer, ihre hier präsentierten
Bildteppidie unter anderen Voraussetzungen und
Konzeptionen, aber mit Hilfe der Indios in einer
künstlerischen Symbiose zu verfertigen.
Thematisdi der Geometrie abhängig, sind es
Impressionen imaginärer lateinamerikanischer
quadrigfügiger Stodt- und Mauerorganismen,
die abstrakte Umsetzungen naturhafter Realitäten
fixieren. Ihre Farblichkeit ist zyklisch durchgehalten,
gebändigt intensiv. Das Besondere der Herstellung
charakterisiert Direktor Wirkl. Hofrat Prof.
Dr. Wilhelm Mrazek unter dem Titel Zukunfts-
aspekte kunsthandwerklichen Schaffens" u. a. so,
daß diese Wandteppiche das Resultat eines
Prozesses, eines lebendigen Miteinanders von
einem westlich-europäischen Gestaltungswillen
und der Einfühlung und völligen Hingabe einfacher
bolivianischer Weber, einer Intelligenz des Kopfes
und der Sinne mit einer Intelligenz der Hände sind.
Dieses Miteinander erscheint uns für die Zukunft
eines globalen kunsthandwerklichen Schaffens
von besonderer Bedeutung zu sein. Nodi ist der
gestaltende Künstler in der westlichen Welt ein
Faktor der Kultur, vorn Kunsthandwerker aber kann
dies nicht mehr behauptet werden. Allzu schnell hat
die lntellektualisierung und Kommerzialisierung
der westlichen Industriegesellschaft die ursprüng-
lichen und künstlerisch-schöpferischen Kräfte der
europäischen Völker dezimiert. Von da her gesehen,
kann diese Ausstellung mit ihren Erzeugnissen
einen neuen Weg aufzeigen
In einem ousfiihrlich-questionären Dialog, der die
große Mitte des Kataloges bildete, konnte Frau
Dr. Elisabeth Rücker, Direktorin der Bibliothek
des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg
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und der Albrecht-Dürer-GeselIschaft mit vorstehend,
Person und Werk Erika Steinmeyers sachlich
verlebendigen. Analog zu ihren Tapisserien hatte
die Künstlerin ein wohlassortiertes Ensemble
südamerikanischer Textilien und Geräte zu einer
gelungenen Demonstration vereinigt, die deutlich
die koloristische Abkunft, iedooh auch die völlige
Andersartigkeit dieser Arbeiten in gutem Kontrast
bezeugte. Ob Erika Steinmeyer in Verfolgung ihrer
Prinzipien, die kalte Wohnquadratur aufzulockern,
deren immer penetranterer Geometrie zu
begegnen, daran denkt, in ihren künftigen Arbeiten
einer freieren Bildsprache zu huldigen? Mit den
Mitteln ihrer künstlerischen Ausdruckskraft und
Intensität?
Zum kommenden Jahresende werden die neun
Variationen, nachdem sie vorher in Nürnberg
zweite Station machten, in Caracas, im Goethe-
Institut, gezeigt werden, und man kann gespannt
sein, wie die Südamerikaner dieser Synthese
europäischer und lateinamerikanischer Kunst-
bemühung gegenüberstehen werden Abb. 2.
Künstlerische Fotografie
aus der Volksrepublik China
Altes Haus, Säulenhof
Wien Stubenring
I0. I0.-Q. 11. 1975 verlängert
Der Begriff künstlerisch" besonders im Zusammen-
hang mit dem Medium Fotografie erfährt aus
verschiedener Sicht naturgemäß auch verschiedene
Deutung. Zum Exempel, das moderne oder
zeitgenössische okzidentale Auge sieht und wertet,
wie im gegenständlichen Falle, anders als das
orientalische, fernöstliche. Notabene das eines
Volkes, das sich in revolutionärem Aufbruch
befindet, wie das bei dem BOO-Millionen-Volk der
Chinesen der Fall ist. Dieser Aufbruch, der diese
Riesenmasse Menschen in Verfolgung sozialer
Ziele in ununterbrochener Bewegung hält,
bedingt eine Fixierung ihres Daseinsbezuges aus
der harten Realität, dem Ringen mit Natur und
Elementen, der stolzen Selbstachtung seiner
gigantischen Leistungen und der Durchdringung
mit sozialistischer Ideologie. Das erklärt den
Standpunkt des anonymen chinesischen Fotografen,
der nichts verzerrt, nichts verfremdet sieht und der
nur Realitäten festhält. Das d-iarakterisiert in
dichter Sequenz die Ausstellung unter obigem Titel.
Die Fotografie marschiert auf allen Linien unauf-
haltsam voran auf ihrem We als autonome Form
künstlerischer Kreativität. Zumindest momentan
in Wien 3. Weltausstellung der Fotografie"
Museum des 20. Jahrhunderts, Lord Snowdens
Assignements" Zentralsparkasse und hier im Haus
die Künstlerische Fotografie aus der Volksrepublik
China" und Kurt-Mimmler-Fotografik". Seit
seinen Anfängen öffnete das Museum der
Fotografie in allen ihren Spielarten in richtiger
Einschätzung ihrer Kraft und Entwicklungsmöglich-
keiten seine Tore. Darum audi nun nach den
Archäologischen Funden" aus China die
chinesische Fotoschou.
Wir wollen uns fürs erste kurz mit dem Lächeln
auseinandersetzen, denn Allmutter China"
lächelt aus vielen Bildern wirklich echt und nicht
nur vogerW-bedingt in eine ideologische Fotolinse.
Ein Lächeln, das befreiende Merkmale, das
Herzlichkeit und Freude zeigt, das Lächeln, das aus
und nach der Revolution, nach den Wirren und
Schrecken iahrzehntelangen Bruderkrieges geboren
wurde. Ein durchaus plausibles, erklärbares Lächeln
also?! Man sollte sich von Vorurteilen befreien
und den chinesischen, den einfachen unbekannten
chinesischen Menschen so sehen, wie er ist,
wie er lebt, wie er und das mit reiner Freude
arbeitet. Das ist's, was diese Bilder sprechen läßt.
Es sind einfache unkomplizierte", wahre
Fotografien heutigen chinesischen Lebens, aus
denen naturgemäß in erster Linie das Hohelied der
Arbeit, das Tätigsein in der Gemeinschaft, die
Freuden an Spiel und Artistik, des Feierabends
nach hartem Tagwerk, in volksschlichter Bilddialektik
aufklingen. Ein reicher Bilderkreis, dem es
manchmal trotz starken Realitätsbezügen nicht
auch an besonderen Stimmungen, ia verhaltenen
Bildlyrismen mangelt. Das beweist der Blick vom
Berg Omei ebenso wie der Blidt in die Felsen-
schluchten des tief darin hinabgefressenen
Jangtsekiang und der im Wasser watende
Gänsehüter vor seinem ornamental flatternden
Gänseheer, umgeben vom Hauch persönlicher
Freiheit, ia selbst das Ölfeld mit seinen spinnen-
türmigen Silhouetten im roten Morgenlicht.
Und hier findet das westliche Auge auch
Berührungspunkte zu den iahrtausendealten
künstlerischen Traditionen des Reiches der Mitte.
Da sind noch Bilder, in denen Soldaten unter
wolkendräuendem Abendhimmel, in glitzernder
Winterpracht oder in reichgefiederten Palmen-
hainen ihren Dienst versehen. Menschliche
Fixpunkte in stimmungsvollen Landschaften.
Im wesentlichen aber untersteht dieser didite
Bildkanon dem Generalthema Arbeit. Arbeit am
Land, Arbeit am Menschen, Arbeit am Volksganzen.
Und es sind gewaltige Leistungen, die da aus
toten" Bildern aufregend zu sprechen vermögen;
Kanalbauten und Wasserreservoirs über und
auf schwindelnden Höhenzügen und Bergkuppen,
durd1 und in Wüsten, Anlagen von Terrassen-
feldern, von Straßen in hoch entlegene Regionen,
dem Urbarmachen verdorrten steinigen Landes.
Und dann ist da das gesunde Leben auf dem
Lande, Erntetreiben, Weidesuchen, das Fangen
wilder Pferde, der Fischfang, das wäßrige"
Bauen des Reises. Bestimmend und kompakt
festgehalten die harte Welt der düster-schweren
Kombinate, der Hochöfen, der Iodernden Stahl-
essen, der Generatoren und Computer, der Abbau
von Erzen. Hauptakteur und immer wieder
entscheidend inmitten" stehend und gesehen der
Mensch, der selbst aus rußverschmiertem Antlitz
lächelt. Ein Propagandalächeln nur, wie manche
meinen? Sicher, eine Paradefront von Traktoren,
ein Riesenfeld mit abertausend Ackerfurchen sind
simple BiIdkompositionen", sind den Intentionen
des westlichen TV- und Fotoouges völlig konträr,
das da raffiniert cuttef, verfremdet und verzerrt.
Daher gerät dieses simple Aufzeichnen bildhafter
Tatbestände durch den unbekannten chinesischen
Fotografen um so eher in den Anruch ideologischen
Zweckauftrages. Aber bedenken wir, dieses
ungeheure Reich kennt nicht den mahnenden
Verfall rosttoter Autofriedhöfe, dort regiert das
Wachsende, die Freude an iedem Traktor mehr,
und so wird eben eine breite Front knallroter
Traktoren zur Manifestation des Aufwärtsgehens,
des besseren Weiterlebens und der Freude daran.
Über Ideologien und Systeme hinweg ist vor allem
des Menschen Tun und Bemühen zu stellen und
hilft zum besseren Verstehen und Verständnis auf
dieser höchst maroden Welt. Mit dieser Schau
lernten wir mittels ungeschminkter Bilder das China
von heute besser kennen, wobei wir gar nicht
ungern wieder mit geraden" Augen für eine
Weile zumindest schauen lernten und dabei ein
Quentchen Ursprünglichkeit des Sehens zurück-
gewannen.
Kurt Mimmler Fotografik
Unter Patrgnanz der KODAK Ges. m. b. H.
Altes Haus, Saal
Wien Stubenring
17. lO. bis 16. 11. 1975
Er mußte mit Michelangelo konkurrieren. Presse-
konferenz zu gleicher Zeit in der Albertina.
Diesem Titanen der Kunstgeschichte mußte auch
der Tiroler Tribut zollen, erschütterte ihn aber nicht,
und die haustreuen Kritiker kamen direkt, andere
folgten nach. Das weltweite Fotounternehmen
KODAK nahm diesen Fotokünstler unter seine
Fittiche, weil es ihn für förderungswürdig hält.
Weltweit setzt auch Kurt Mimmler seine
Fotosafaris an, um zu seinem Bildvokabular zu
kommen. Ein Voyageur globaler Prägung, den
Angkor-tom fasziniert, der auf Kenias Airport
Wassertropfen sohießt", der rundum den Globus
abfliegt, abfährt und abgeht, um für seine
agrafiken das Material zu ergattern. Mimmlers
atfensweise bedingt das. Er fängt sich in
manenz unzählige Bilder und Bildelemente
allen nur möglichen Situationen ein, von denen
diesen Augenblicken meist nur vage
Stellungen hat, wie eigentlich und in welchen
ammenhängen sie von ihm zu künstlerischer
sage gebracht werden können. So hat er also
einem geheimen" Laden sein Bildvokabular
griffbereit. Was trieb Mimmler denn
rhaupt in die Arme dieser seltenen Art
stlerischer Aussage? Das Fluidum des Metiers
Reproduktianstechniker in seiner Heimatstadt
ibruck? Herangebildet zwischen Dunkel-
lmern und Lichtkästen gebrauchsbedingten
ewerkes, lockte es ihn eines Tages sicher zu
erem bildnerischem Gebrauch, zu eigenem
italten. Mit erkannten Möglichkeiten, die ihm
auch eine Ausbreitung und Anwendung seiner
ntasie erlaubten. Obgleich er nicht mit dem
der Feder oder dem Pinsel schafft, erreicht
lleich starke, oft verblüffende Effekte grafischer
iizienz. Mittels technischer Prozesse des
dimensionierens und Umkopierens iener
fbereiten Bildelemente, die er, seiner Phantasie
lüß, eigenen Kompositionsprinzipien unter-
end, in ein Bildganzes ordnet. Im klassischen
Marzweiß schafft er Unikate. Er verwandelt
itansichten in spannungsgeladene Impressionen,
symboltröchtige surreale Visionen erstehen,
lngi in bizarr-gekonnten Porträts zu hoher
drucksstürke. Er treibt durch das gespenstische
schern eines Brunnens in einem verlassenen
nischen Dorf dessen totes Dasein auf die
hafte Spitze. Mimmler ist Globetrotter, das
leisen seine Studien aus Japans Kabuki-Theater,
afrikanischen, islamischen und kambadschani-
in Wellen, denen er zuweilen sarkastische und
ische Lichter auf- und einsetzt. In seinem völlig
gestalteten neunteiligen Zyklus die
vandlung" stellt er uns Symbole für die
vicklungsstufen des Menschen. Die Ver-
lndlung' vom archaischen Urwesen zur
tig-seelischen Wiedergeburt in einer neuen
ension", wie er selber es ausdrückt. Mimmler
der glücklichen Lage über Modelle,
ischliche, aus seinem Arbeitskreis zu verfügen,
ihn zu Akten oder Zyklen wie Generatianen",
ys" inspirieren und verhelfen. Das nährende
sett seines eigentlichen Berufes wird Kurt
lmler wohl ständige Herausforderung sein,
eingeschlagenen Weg weiterzuschreiten und
manchen seiner dunklen, bergumschlossenen
hte weiteren Bildtröumen und Visionen
izuhängen und diese auf seine gekonnte Weise
jjnstlerischer Aussage zu bringen.
Leopold Netapil
Südamerikanische Impressionen, Indios vor Lehmmauer
Erika Steinmeyer, Rat durchbricht Grau Aus dein
Zyklus der neun Variationen
Chinesisdler Gürlsehüter durch den Fluß wdiend
Fröhlidie iunge Chinesinnen beim Tagwerk in schwin-
delnder Höhe
Kurt Mimmler, Venezia
Kurt Mimmler, Don Quiiote
Kurt Mimmler, Surrealistisdles Bildmotiv aus dein Zyklus
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