144
alte und moderne
Die Landesausstellung
Niederösterreiehs1976
Stift Lilienfeld
15.Mai-31.0ktober
im man
ii
T4
1000 JAHRE
BABENBERGER IN ÖSTERREICH
Am 21 Jiili tlrr. Jnnres 976 wurde der Bahenberger
liJIlIJitlrl nrstnm als Markgraf Jener Mark genannt, lur
llP 70 Jälwiv spi-iter der Name OSlülflClll" iblieh wurde.
Ans rliesern Anlsß veranstaltet das Land Nterlnrristerreich
irn Stift Liliniwfriltl eine historische Juhilatinismissltzllting
iitier rlns Thema
ÄWW JÄVQV Pf-PFIKÄPEPGER lN OSIVRRUCH".
lWin niis rlNn l-littnlultcr starnrnendnit Flaiiinß, rles Stlf-
ins Krziiiziianq, Knnitelsaal, Cellariiim unil LEIIENÖTUV
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144 kunsi"
alte und moderne kunst 21.J0hrgc1ng 1976lHeff144
Christa Svobodu
Die romanischen Wandmalereien in der Stiftskirche
des Benediktinerinnenklosters Nonnberg in Salzburg
Gregor Martin Lechner OSB
Das barocke Spiizenbild
Sfunislcv Urban
Der letzte Edelsfeinschneider aus der Familie Miseroni
Zu Leben und Werk von Ferdinand Eusebio Miseroni
Dietrich Worbs
Unbekannte? Bauten und Proiekte von Adolf Loos in der CSSR
16
Werner Thuswaldner
Architekten als Glücksbringer
26
Franz Wagner
Neue Frühmilrelalferforschungen im Salzburglschen
Eine Kaiserpfalz in der Sladt Salzburg
ll Der oftonische Bau der Sfadipfarrkirche Zell am See .. 34
Künsflerprofile
Max Rieder von Franz Taucher .. 36
Emy Hudecek von Ingrid Gaber-Schusler 37
Aktuelles Kunslgeschehen 38
Für den Kunstsammler P4 .. 44
Analolische Teppiche
Die Versteigerung der Sammlung lten-Mariiz von Franz Wagner 52
Österreichisches Museum für angewandte Kunst 54
Bildnachweis 51
Titelbild Hundertwosser, Terrossenhous für viele Bäume und Men-
schen Oskar Kokoschkc, Porträt Walter Hcisenclever, 1918. Kreide-
lithogrophie. Aus dem Besitz von Friedrich Welz der neuen Gruphb
schen Sammlung des 20. Jahrhunderts" der Stadt Salzburg im Ruper-
tinum" einverleibt.
Der Index T975 wird im Heff145 beigelegt
Herausgeber Kurt Rossacher Eigentümer und Verleger AMK-Verlag,
A-5024 Salzburg, lmbergstraße Postfach 12, Telefon 06222 73731.
Redaktion Wilhelm Mrazek Chefredakteur, verantwortlich für den Inhalt;
Franz Windisch-Graetz Kunstgeschichte, Peter Baum Wiener Kunstkritik,
Alois Vogel Bundesländerberichte, Leopold Netopil graphische Gestal-
tung, lmprimatur; alle Österreichisches Museum für angewandte Kunst,
A-1010 Wien, Stubenring Telefon O2 22 7256 96 und 0222 72 56 97.
Zweigredaktion Salzburg Kurt Rossacher Gesamtgestaltung, Franz Wagner
Salzburger Kunstkritik, alle A-5024 Salzburg, lmbergstraße Postfach 12.
Herstellung Wagnefsche Unim-Buchdruckerei Buchroithner Co., Innsbruck.
Für unverlangte Einsendung von Manuskripten oder Fotos wird nicht gehaftet.
Preis ab 1976 inkl. Porto Jahresabonnement, Nummern davon ein Doppel-
heft, öS 545.- inkl. Mehrwertsteuer, DM 78.-, sfr 82.-, Lit. 21 .OOO.-. Einzelheft
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Rates 1976, secand class mail included subscription issues numbers per
anno, 14.-, US 30.- by air US äli 50.-; single issue 2.50, US 6.-
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Vertrieb WUB, A-6010 Innsbruck, Erlerstraße 5-7, Postfach 211. Bank Credit-
anstalt, Filiale Innsbruck, Konto Alte und moderne Kunst", Nr. 89-53291.
Anzeigen AMK-Verlag. Erscheinungsort Innsbruck.
Christa Svoboda
Die romanischen
Wandmalereien in der
Stiftskirche des Benedikti-
nerinnenkiosters Nonnberg
in Salzburg
HI. Gregor, romanische Freskomalerei Aus-
schniH, Stiftskirche, Benedikiinerinnenkloster
Nonnberg, Salzburg
Van den großen malerischen Ausstattungen, die
die rege Bautätigkeit in Salzburg unter dem Erz-
bischof Konrad l. 1106-1147 zur Folge hatte, ist
bis auf die Kunde von ihrem Bestehen vor
allem von den herrlichen Wandmalereien im
Dorn nichts auf uns gekommen. Die einzigen
noch erhaltenen Zeugen dieser Monumental-
malerei sind die Freskenreste aus der Kloster-
kirche van Nonnberg, die aber wohl schon in
der Regierungszeit des auf Konrad I. folgenden
Erzbischofs Eberhard l. 1147-1164 entstanden
sein mußten, wie stilkritische Beobachtungen er-
geben'. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts war
der Westchor der Nonnberger Klosterkirche mit
einem Freskenzyklus ausgestattet worden, von
dessen Gesamtprogramm nur mehr die spär-
lichen Reste an der Sockelzone übriggebtieben
sind. Durch den Neubau der Kirche in den Jah-
ren 1463-1507, bedingt durch den Brand von
1423, waren sowohl die Zerstörung als auch die
Erhaltung einzelner Teile der Wandmalereien das
Ergebnis. Stützmauern, die für den über dem
Hallenraum eingezogenen Nannenchor notwen-
dig waren, vernichteten oder verborgen die Fres-
ken, so daß die Südwand heute keinerlei Kunde
mehr geben kann von dem seinerzeitigen Pro-
gramm, ebensawenig die große Wandfläche an
der Westseite über dem eingezogenen gotischen
Gewölbe und uns nur mehr die Ausschmückung
der Sockelzone an der West- und Nordwand zu-
gänglich ist. In 1,05 Meter Höhe über dem Boden
befinden sich zwölf Nischen sieben an der
Westwand, fünf an der Nordwand mit Heiligen-
darstellungen; über ienen der Westwand kann
man noch knapp unter dem Gewölbe Reste eines
Thrones sowie die Füße von links und rechts auf
diesen zuschreitenden Figuren erkennen.
Eine Untersuchung des Raumes die Fresken sind
seit Mitte des vorigen Jahrhunderts bekannt im
J'ahre 1895 durch P. Pirmin Campani hatte die
teilweise Freilegung von halbvermauerten Ni-
schen, der Nische des hl. Benedikt wie auch der
Figuren- und Gewandsaumreste, darüber erge-
ben. Eine Restaurierung hatte 1955 weitere Reste
der Wandmalereien wiedergewinnen können.
Jede der 25 Zentimeter tiefen 1,40 1,00
halbrund geschlossenen Nischen trägt an der
Rückwand die überlebensgroße Halbfigur eines
Heiligent. Die senkrecht in die Mauer geschnit-
tene Laibung der Nische ist mit einem durch-
gehenden Mäanderband verziert, die Verbin-
dung zwischen den Nischen bilden gemalte Ar-
chitekturteile, Dappeltürme, über den Nischen
läuft ein breiter gemalter Zahnschnitt. Die Ni-
schengröße unterwirft sich einer gewissen auf
die Architektur, d. h. auf die Längsachse der Kir-
che, ausgerichteten Rangordnung die Mittel-
nische der Westwand ist deshalb breiter als alle
übrigen. In diese vorrangstellige Nische ist der
hl. Benedikt eingepaßt, der als einziger Heiliger
der Reihe eindeutig zu bezeichnen ist. Seine do-
minierende Stellung erklärt sich aus dem inneren
Zusammenhang, der sich aus der Anbringung
dieser Wandmalereien in einem Nonnenkloster
der Benediktinerinnen ergibt. Der hl. Benedikt
steht in strenger Vorderansicht wie alle übrigen
Heiligen auch mit einem aufgeschlagenen Buch
in Händen, auf dessen dem Beschauer zugekehr-
ten Seiten die fragmentarisch erhaltenen An-
fangswerte der Benediktinerregel noch lesbar
sind. Bei der Bezeichnung der übrigen Heiligen
liegen bloße Vermutungen zugrunde, denn es
läßt sich aus der nur sporadisch erhaltenen Hei-
ligenfolge auch kein Auswahlprinzip mehr er-
kennen. Bei den in der Literatur z. T. unterschied-
lich bezeichneten Heiligen' besteht Übereinstim-
mung bei den Figuren des oben bereits erwähn-
ten hl. Benedikt Nische dem hl. Augustinus
Nische dem hl. Rupert Nische dem hl. Gre-
Ansicht des Benediktinerinnenklosters Nannberg
über der Altstadt von Salzburg
Zitierte Literatur
Paul Buberl Die romanischen Wandmalereien im Kloster
Nonnberg in Salzburg, 101 Kunstgesdri. 1b. d. k. k. Zen-
tralkomm. t. Kunst und hist. Denkmale, 1909, auch als
Sanderdrud der k. k. Zentralkomm. erschienen, Wien 1910.
Otta Demus und Max Hirmer Romanische Wandmalerei,
München 1968. Christiane Mictina; Maria als Thron Sala-
manis, Diss. Wien 1950. Karl Maria Swaboda Geome-
trische Varzeictinungen romanischer Wandgemälde, In Alte
und neue Kunst Wr. kunstwiss. Blätter, ll. Jg., 1953,
Hett 3.
Anmerkungen 1-9
lßuberl datiert sie u. a. auf Grund einer nichtbewiesenen
Behauptung Esterls Chronik von Nonnberg", S. 24, daß
nämlich 140 Altarweihen stattgefunden haben, denen
eine Erneuerung des malerischen Sdtmuckes der Kirche
vorausgegangen sein mußte, wobei die westliche Vor-
halle zuletzt ausgestattet worden sei, und neben stilkri-
tischen Vergleichen mit der var- und gleichzeitigen audi-
malerei Salzburgs, auch mit Hilfe des zeitlich einschränk-
baren Aufkommens von Mitren- und Palliumsfarmen der
Nonnberger Heiligenfiguren und kommt damit zu einem
Zeitpunkt von ca. 1145, um die Mitte des 12. Jahrhunderts.
Demus stützt sidi bei der Dotierung neben der Stilkritik
auf eine Altarweihe van 1151 und setzt damit die Wand-
malereien ebenfalls an die Mitte des 12. Jahrhunderts,
um 115011160.
isaweit die Nischen nicht durch Stützmauarn halb ver-
deckt sind bzw. durch Beschädigung nun gänzlich leer
sind..Die Nischen und 10 sind halb von den Stütz-
mauerri der Empore ausgefüllt; die Nische ist leer. ich
übernehme die Numerierung von K. M. Swoboda, der
van Süden nach Norden, von links noch redits durch-
numeriert. P. Buberl folgt der Zählung nach den var-
handenen Darstellungen.
'Buberl, Demus und Swoboda. Gustav Heider bezeichnet
den hl. Rupert Nische als hl. Wolfgang.
tObwahl die Vermutung, in Nische 10 eine weibliche
Heilige zu sehen, nicht ahne einen gewissen verführe-
rischen Reiz ist denn damit wären auch die Mittel-
nischen der Seitenwände vor den übrigen ausgezeichnet
durch die Darstellung einer weiblichen Figur, die in
einem besonderen Zusammenhang mit dem Nannenklo-
ster Nonnberg stehen könnte so muB doch festgestellt
werden, daß dieser Höhenflug der Phantasie eine Über-
interpretation zur Folge hätte, die allein durch das im
speziellen kärglidie bzw. gar nicht vorhandene Beweis-
material gestoppt wird.
Buberl, a. a. O. 17 ff.
fswaboda, a. a. O.. S. 84 ff. Swaboda widerlegt die
These Buberls von den geometrisch konstant durchgehal-
tenen Verhältnissen bei Entfernun en zwischen Augen-
sternen, von Nasenlängen, Gesi tslängen und Kopf-
breiten auili durdi Nachmessungen.
Demus a. a. 0. S. 39.
Swoboda a. a. O. S. 94. Fresken in der dem hl. Mari-
nus geweihten Mittelkapelle im Chßrumgnng Vßft si.
Savin, um 1100.
'Auch ikonographisdi und technisch besteht
Berze-la-Ville und Namiberg eine Parallele, denn Thema
und Anisririgungsen sind hier wie dort eine Reihe von
Heiliqenbrustbildern bzw. He genhalbfiguren in stren-
ger Frontolität, in hochrechtedrigen Rahmenfeldern bzw.
rundbagigen Nischen, ieweils in der Sockelzane einer
Apsis angebracht, als Basis eines größeren dominieren-
den Freskas. Swoboda a. a. 0. S. 98l99.
zwischen
gor Nische dem hl. wairgang NISChe
dem hl. Florian Nische 11. Bei den NlS
und 12 handle es sich um Stephanus und Li
tius, bei Nische um den hl. Oswald
Demus sich hier für den hl. Pantaleon en
det, und in die fast völlig zerstörte Nisi
hat die frühere Literatur Heider, Buben
ÖKT, die sich noch Buberl richtet eine we
Heilige bzw. die hl. Agnes hineinvermute
spricht Demus sich deutlich für einen wi
männlichen Heiligen aust.
Es sind zwei wesentliche Punkte, die die
berger Wandmalereien so überaus intei
für die Forschung erscheinen lassen; ihr
tungszustand und die Tatsache, daß es Sl
um den Restbestand eines großen Aussta
progrdmms handelt. Alle weiteren Frager
mutungen und Theorien ergeben sich darai
Ersteres bezieht sich darauf, daß die Wani
reien durch die Zeitläufte, natürliche Witte
erscheinungen und technische Eingriffe ve
dentliche Erhaltungszustände der Oberf
zur Folge hatten. S0 sehen wir heute
obersten Lasur erhaltene Stellen, unterschii
Stadien der Abreibung abgesehen vo
mutwillig herausgeschlagenen Fehlstellen
hinunter zum Beginn der Malereien, bis
Varzeichnungen. So bedauerlich der Verlu
schiedener Malschichten bei den einzelne
ligendarstellungen sein muß, so sehr kam
rode dieser Umstand der Beurteilung der
berger Wandmalereien zugute wie auch
romanischer Fresken, auf die daraus gev
nes Wissen übertragen und angewendet
kann. Den Vorzeichnungen sind närnlict
geometrische Konstruktionen vorangegang
ren Linien und Ritzungen bzw. Zirkeleii
punkte und Kreisbögen noch sichtbar sinr
Buberl hat in seinem grundlegenden
über die romanischen Wandmalereien
bergs diese Konstruktionslinien zum Auf
einer Theorie der Proportionsverhöltnis
nutzt, die K. M. Swoboda aber als Fehls;
tian" sieht, da diese Konstruktionslinie
keine nach Maßzahlen gleiche Form ai
ten". Diese geometrischen Hilfskonstruli
richten sich mit ihren Linien und Kreiser
den objektiven Proportionen, die nach Pai
der Künstler der Natur entnimmt wie si
in der romanischen und byzantinischen
berücksichtigt worden sind und nicht na
fakturalen, vom Künstler im Werk beabs
ten Proportionen, wie sie noch Buberl 15
beabsichtigten gesetzmäßigen Schematism
stand, in den die Nonnberger Figuren
letzten Konsequenz hineingezwängt
seien. Nach Demus sind diese Linien nc
Gerüst, das die Zeichnung durch Anhalts
für die Houptlinien stützen sollte", ein Gi
aber ein nicht streng zu befolgendes Sch
Die darüber aufgetragene Vorzeichnun
nutzte in lockerer Form dieses Gerippi
mehr zur Orientierung, nicht aber als unl
verbindliche Konturangabe für farbig au
lende Flächen.
Bei den Nonnberger Wandmalereien si
uns sichtbar geblieben am besten an de
des hl. Florian die durchgezogene Lotli
Symmetrieachse für Bogennische und Fig
dacht, von der Mitte der Nischenbasis
höchsten Punkt des oben abschließenden
kreisbagens führend, und die Harizonto
dem gezogenen Durchmesser des Nischenl
entspricht. Weiters sind Zirkelpunkte erke
von welchen aus die Kreise für Schädell-
Nimbus oder auch der Halbkreis am
Nischenbogen gezogen wurden. Ergänze
dacht werden muß eine Linie, die vom ol
Punkt der Latlinie zu den Eckpunkten
asis mit einem wahrscheinlich nicht haf-
Material gezogen war. Damit ergibt
gleichschenkeliges Dreieck, in das der
der Heiligenfigur eingepaßt wurde. Nur
Hälfte der Figur wurde in der Konstruk-
irchgezeichnet, die rechte Hälfte war dann
Jsführenden Künstler freihändig nach die-
mmetrisch übertragen worden, was das
ie rechte gedachte Schenkellinie des Drei-
inausgreifen und Überquellen der Körper-
beweist. Die in den Bogennischen thro-
Heiligen von St. Savin in Frankreich" zei-
eselben Grundkonstruktionslinien wie iene
onnberg eine symmetrische Lotlinie sowie
orizontale, die das Koordinatenkreuz für
iur abgeben. Swoboda erschließt für St.
gleichfalls ein gleichschenkliges Dreieck,
Schenkel allerdings innerhalb der Figur
und nicht tangential am Umriß der Figur
wie bei den Nonnberger Heiligen. Swo-
zommt auch für St Savin zu einer Einseitig-
er Vorkonstruktion, die eine symmetrische
agung gleich der am Nonnberg ergibt.
il in den Apsisfresken von Berze-la-Ville
dank, oder in diesem Falle bedauerlicherweise,
des guten Erhaltungszustandes keine Vorzeich-
nungen sichtbar sind allein an der Figur des
hl. Sergius ist schwach eine symmetrische Latlinie
auszunehmen findet Swoboda hier über das
Mittelbyzantinische an ihrem Stil eine vergleich-
bare Komponente, die neben den Fresken von
St. Savin auch auf die cluniazensische Kunst aus-
greift und damit auch für einen westeuropäischen
Einfluß für die Nonnberger Heiligen spricht". Die
Forderung Swabodas, den geometrischen Figu-
renkonstruktionen nicht nur in der byzantini-
schen, italienischen und mitteleuropäischen, son-
dern auch in der westeuropäischen Malerei nach-
zugehen und dies vor allem in Frankreichl, er-
scheint im Zusammenhang mit den Nannberg-
fresken einer intensiven Studie wert zu sein. Wei-
tere Zusammenhänge Salzburgs mit der west-
lichen Manumentalmalerei könnten sich auf
Grund des Vorhandenseins dieser so nichtbyzan-
tinischen Konstruktionsvorzeichnungen ergeben?!
Neben den hier nur andeutungsweise erwähnten
fraglichen Einflüssen aus der westeuropäischen
Manumentalmalerei sind für Salzburg als fast
Benediktinerinnenkloster Nonnberg, Salzburg.
Inneres der Stiftskirche gegen Westen. lm Erd-
geschoß unter der Nonnenempare die romani-
schen Fresken
Hl. Augustin, romanische Freskomalerei, Stifts-
kirche Nonnberg, Salzburg
selbstverständlich ob seiner kirchlichen Beziehun-
gen zu Aquileia und damit zum geographischen
und kunstgeschichtlichen Raum um Venedig by-
zantinische Einflüsse geltend zu machen. Für die
starre, würdevalle Vorderansichtigkeit der Heili-
gen in Nonnberg läßt sich eine endlose byzan-
tinische Ahnenreihe weit zurückverfolgen. Das für
Salzburg in diesem kurzen Exkurs nur streif-
bare nächstliegende Beispiel aber sind wohl
die ältesten Werke der Mosaikausstattung von
San Marco die Heiligenfiguren in den Haupt-
portalnischen. Byzanz lieferte für Nannberg aber
nur das allgemeine Schema, denn Technik, Farbe
und letztlich auch die Typik sowie die formale
Durchbildung der Nonnberger Heiligen sind bee
reits abendländisch romanisch. Auch ist in der
byzantinischen Malerei kein Beispiel bekannt,
das auf geometrischen Konstruktio vorzeichnun-
gen fußte, noch in der italo-byzantinischen Kunst,
die ebenfalls von ihren Lehrmeistern die
Selbstverständlichkeit einer altüberkommenen
Tradition übernommen hatte und solcher Hilfs-
mittel nicht bedurfte.
Auf die Zusammenhänge der Nonnberger Wand-
malereien mit der Salzburger Buchmalerei des 12.
und 13. Jahrhunderts dem Antiphonar von St.
Peter und dem Münchner Augustinus vor allem
kann in diesem Rahmen nicht genauer eingegan-
gen werden. Dazu hat Paul Buberl in seinem Auf-
satz grundlegend und ausführlichst Stellung ge-
nommenl". Übereinstimmungen, die zwisch
dem Salzburger Antiphonar bald nach der Mitte
des 12. Jahrhunderts und der Monumentalmale-
rei von Nonnberg vorhanden sind, sprechen für
eine Schulgemeinschaft. Buberl zieht zu einem
Vergleich vor allem die Manatsheiligen des Ka-
lendariums heran, die in Rundbogennischen eb
falls iedoch nicht alle in strenger Frontal
dargestellt sind. Der Ausdruck von Größe und
Macht" aber ist im Kleinfarmatigen allein schon
durch die Dimension und Kleinteiligkeit nicht in
dem Ausmaß vorhanden wie in Nonnberg. Bei
Buberls Aufstellung der Schulgemeinschaftsthea-
rie ergibt sich demnach die Frage nach einer
Ableitung der Buchmalerei von der Monumentale
malerei und damit die Frage nach einem zeit-
lichen Neben- oder Nacheinander.
Eine ungefähre Gleichzeitigkeit ergibt sich aus
dem Dedikationsbild des Münch AL
nus"", das Erzbischof Eberhard l. von Salz
dem hl. Rupert das Buch überreichend,
Stilistische Gründe und eine Stützung durcl
tere fest datierte Salzburger Handschriften
ren letztlich wieder zu der Entstehungsze
Nannberger Fresken um die Mitte des 12.
hunderts.
Um auf die zweite wesentliche Frage, das
der Gesamtkompositian, eingehen zu kt
müssen die Reste der Wandmalerei an der
wand herangezogen werden. Die Themati
romanischen Monumentalmalerei muß ein
gleich größere gewesen sein als die uns an
noch erhaltenen Fresken heute bekannte
malerische Ausstattung der Wandflöchen
solchen romanischen Mauerbaues gehörte
tegrierender Bestandteil zu den Kirchen
Romanik wie die figürliche Plastik zur
Durch die zahlreichen Neubauten, Uml
romanischer Kirchen, durch das Einbreche
Fensterlöchern, Einziehen von Emporen et
ren viele der Malereien völlig vernichtet, st
es heute aus dem geringen erhaltenen
Hl. Florian, romanische Freskomalerei,
kirche Nonnberg, Salzburg
Hl Wolfgang, romanische Freskomalerei,
Nonnberg, Salzburg
Stephan, romanische Freskomalerei,
kirche Nonnberg, Salzburg
Hl. Benedikt, romanische Freskomalerei,
kirche Nonnberg, Salzburg
zrig erscheint, auf einstige Zyklenthemen
zzuschließen.
verhält es sich auch in der Stiftskirche
Nonnberg, bei deren Paradies"-Aus-
ckung die Wissenschaft auf reine Vermu-
angewiesen ist, solange nicht vielleicht
geklärt werden kann, ob sich nicht noch
Reste an der Wand hinter der Empore
len. Die vorhandenen Reste der Malereien
esehen von der Sockelzone der Heiligen
xber sehr dürftig. Sichtbar sind einzig an
chmalen Wandstreifen unter der gotischen
und über den Heiligennischen ein paar
gesehene beschuhte Füße einer sicher-
ironenden Figur, da links und rechts davon
idigungen eines solchen Möbels zu erken-
nd. Symmetrisch nach links und rechts rei-
ich, durch Säulen, deren Basen noch er-
ar sind, voneinander getrennt, ie drei auf
'hron zuschreitende Figuren, deren Füße
Bewandsäume sichtbar sind. Die einzige
ntung, die sich in der bisherigen Literatur
setzt hat, ist iene, daß es sich bei dem
vandfresko um eine Darstellung eines
kungen 10-12
-l1 a. a. 0.
nalerei.
band des 12. Jahrhunderts, aus der Salzburger
illlaibliathak S. Augustini super genesiurn ad litteram
tiane Midina in ihrer Dissertation, S. S. 13,
ff, Die Darstellung der personifizierten mariani-
Tugenden, die Maria zur Zeit der Verkündigung
Gabriel hatte, ist auf die aufkommende starke
inverehrung zurüdrzuführen, ist aber, wie auch die
ellun Maria als Thron Salomanis selbst, eine vom
text weid1ende Darstellungsform.
S. 22 Beziehungen Nonnbergs zur
aere Autorin
id. phil. Christa Svoboda
belsbergerstraße 25
Salzburg
Thrones Salomanis handle. Auch ist die Kirche
selbst der hl. Maria geweiht, was die Anbringung
einer Maria als Thron Salomanis erklären könnte.
Wenn dem aber tatsächlich so ist, dann müßte
es sich um eine Frühform dieser Darstellung han-
deln. K. M. Swoboda und Otto Demus sprechen
ihre Theorien dahingehend aus. Sollte es sich bei
der Wandmalerei an dem großen als rechteckig
anzunehmenden Feld der Westwand um eine
Maria als Thron Salomanis handeln, so wäre
dies die erste bekannte bildliche Darstellung
eines Thrones Salomonis und auch die erstmalige
Einbeziehung Mariae in dieses Thema. Das erste
erhaltene Denkmal, eine Maria als Thron Salo-
monis darstellend, findet sich in der Burgkapelle
am Petersberg in Friesach. Dieses Freska ist von
einem Salzburger Maler um ca. 1200 gefertigt
worden und ikonographisch äußerst interessant,
da in das Thema die sechs marianischen Tugen-
den miteinbezogen sind. Dies würde sich auch
mit den sechs Figuren seitlich des Marienthrones
am Nonnberg decken, so man die enge künst-
lerisahe und kulturelle Bindung von Friesach an
Salzburg in Betracht zieht und daraus die An-
nahme ableitet, daß die Nonnberger Wandmale-
reien von 1150-1160 eine Vorbereitung für die
folgenden sich auf Österreich beschränkenden
Darstellungen einer Maria als Thron Salomanis
seien". Weitere Beispiele einer Maria als Thron
Salomanis finden sich aus dem 13. Jahrhundert
in Gurk, das mit Friesach in enger künstlerischer
und mit Salzburg in kirchlicher Verbindung stand,
in der Tautkapelle in Brixen und in der Schloß-
kapelle von Mauterndorf, die alle mit der Erz-
diözese Salzburg in engstem Zusammenhang
standen. Daß hier Salzburg als im 12. Jahrhun-
dert weithin ausstrahlendes Kulturzentrum eben-
falls und zeitlidw früher bereits über ein Fresko
dieses Marienthemas verfügt haben müßte, wenn
sich in den geistlichen Zentren, die mit Salzburg
in so enger Verbindung standen, die so unge-
wöhnliche Darstellung einer Maria als Thron
Salomanis erhalten hat, kann die Hypothese nur
stützen, nicht aber beweisen. Sollte sich diese
Hypothese aber bewahrheiten, so wäre Salz-
burg für das gesamte deutsche Sprachgebiet in
führender Stellung bei der Entwicklung der Dar-
stellung der Maria als Thron Salomanis".
Gregor Martin Lechner OSB
Das barocke Spitzenbild
Schon im Antiquitätenhandel sind sie heute sel-
ten und kostbar geworden, jene zarten Filigrane
aus bemaltem Pergament, aber seltener Papier,
die Spitzenbilderk Sie versuchen, in Fremdma-
terial eine textile Spitze varzutöuschen, was
ihnen meistens gelingt, und gelegentlich gilt es
schon genau hinzuschauen, um Pergament von
Stoff zu unterscheiden. Im Gegensatz zu den
Bildern aus wirklicher Textilspitze und verschie-
densten Stoffenz käme dem Pergamentbild
eigentlich die passendere Bezeichnung Schnitt-
bild" zu, doch hat sich seit Spamers Andachts-
bild" dieser Terminus Spitzenbild" überall"
durchgesetzt. Die zeitgenössische, barocke Lite-
ratur gibt solchen Werken den lateinischen Aus-
druck lmago incisa", so häufig in den hand-
Auskünften und Hinweisen älterer Kloster-
frauenä, die sich an die Herstellung in ihren
Klöstern noch erinnern können oder, was selten
ist, selber noch Spitzenbilder schnitten. Die Frage
nach der Herstellungsdauer eines klösterlichen
Spitzenbildes blieb bisher iedoch unbeantwortet.
Die immer noch als schmales Rinnsol fortdau-
ernde Tradition der Spitzenbildherstellung in
Handarbeit zeigt sich auch darin, daß die ieizige
Anordnung und Gestaltung des Spitzenfiligrans
moderner" Bilder sich kaum merklich von alten
Spitzen unterscheidet. Einen stilistischen Hinweis
geben eindeutig nur die ausgeführten Miniatur-
telder, sofern diese nicht aus alten Andachts-
bildern übernommen und eingeklebt sind. Heute
sind Schneider und llluminatar bei einer erlö-
schenden Produktion fast immer identisch.
Der Herstellungsvorgang von handgearbeiteten
Spitzenbildern verlief in Hauptzügen wie folgt
Ein Pergamentblatt aus feinster Ziegenhaut wird
mittels vier Zwecken an den ieweiligen Bild-
ecken auf Leder ausgespannt. Mit Blei- oder
Profanes Papierspitzenbild 3211x3405 mm von
1700. Als gewöhnliches, unbemalles Faltschnill-
bild diente als Graluluiionsbillel.
Frühes Pergamentspilzenbild mil hl. Georg von
1714. Betonle Ruhmung und Farbigkeit unler
Verwendung floraler Motive im Asparagusgrund.
Format 256 203 mm.
Fergamenlspitzenbild mit S. Antonius von Padua
um 1715. Beispiel eines frühen Bildtypus mit
Häufung floraler Motive und vordringlicher Far-
bigkeit, beinhaltet das sellene Föchermotiv. For-
mat 280x 212 mm.
Pergamentspitzenbild mit St. Georg als Drachen!
stedier, Ausschnitt. Zurückhultend ausgewogene
Spilzenmoiive, vorherrschend das Schriflmotiv
zentral unter dem lnschriftband, Rand im Ne-
gativschnill. Äußerst zurückhallende Farbigkeit,
1721. Format 284 196 mm.
mt-ßx-f; 711x231? .1" -'2.13'-i..v;-I11F.-'3.. 2.,"?
v-vyts-M. qj,Q -'vv wvv ,.,'..,
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17
n'y Nr
Jii
schriftlichen Diarienbänden des Göttweiger
Priors Gregor Schenggl l684-l750' zu finden,
wenn er ein solches Bild als Geschenk des Kon-
vents an seinen Abt Gottfried Bessel verzeichnet.
Spitzenbild ist damit die Bezeichnung für ein
Andachtsbild, welches mittels Federmesser,
Arztskalpell, Schere, Punze, Nagel und Nadel
überwiegend aus Pergament auf harter Leder-
unterlage geschnitten und gestochen wird. Dabei
ist der Schnitt dieser Spitzenfalgen und Spitzen-
fimirnn rin Primiirn rinr nFt ririe nncnmln Rlntt.
Silberstift wurden Medaillonfeld und Spitzen-
verteilung skizzenhaft in ihrer Figuration vin
Hauptzügen festgelegt, ebenso Rahmen- und
Blumenverteilung. Fehlen einer Vorzeichnung
oder nur eingedrückte Linien lassen den Schluß
zu, daß in diesen selteneren Fällen mit Scha-
blonen gearbeitet wurde, mit auf durchschei-
nendem Papier aufgetragenen, kanonischen
Spitzenbildfeldern. Eine häufige Variante, be-
sonders bei anspruchsloseren Gratulationsbillets
nhnn eniitnm Rnmnliinn linrit im hnrinxritnlon
Anmerkungen 1-7
'Bezeichnung von Adolf Spamer, im kleine Andachtsbild
Emilia bis 20. Jahrhundert, München 1930, MÄICH,
25oldie Bilder wurden häufig geklebt oder in Applika-
tionstechnik autgenähi. Widitig ist besonders der Uni-
stand, daß zu solchen Klosterarbeiten Materialien Ver-
Wendung fanden, die geweihten Paramanten als
Restaurierungsabtall antielen und aus Pietätsgriinden so-
mit verarbeitet wurden und damit wieder in einen ge-
heiligten Dienst als Devotionsbild traten.
'Weitere Literatur Ausstellungskatalog Graphisches Ka-
binett Stift Göttweig, Barocke Spitzeribilder, Jahresaus-
stellung 1974, 11. Ausstellung von "I0. Mai bis 24. Sep-
..L 171 lA I..-L... is.....i,. c..i.-..i.i.i-. A...
scnulen. Nur IST aarur nocn zuwenig Ma-
an Spitzenbildern verglichen.
Bleichheit und die oft bis ins Detail über-
mmende Felderung eines Spitzenbildes, das
10m anderen schließlich nur durch die an-
rtige Bemalung unterscheidet, läßt weiters
Schluß zu auf die Rationalisierung der
ellung auch bei handwerklicher Ausführung
er Bilder. Das dünne Pergamentmaterial
ttete dem Schneider, mehrere Blätter auf-
derzuzwecken und diese oft bis zu fünf
dann mit einem einzigen Skalpellschnitt
zwöltigen. Freilich waren dazu bereits ne-
zusätzlichen Behelfsmitteln geschultere
notwendig. Die Gegen- oder Negativ-
te wurden dann gesondert den einzelnen
im nach Bedarf zugefügt. Erstaunlich aber
Tatsache, daß diese präzisen Schneide-
ten doch selten mittels Lupe durchgeführt
ln obig skizzierter Rationalisierungstendenz
bereits der Ansatz zur späteren Verkom-
alisierung des Spitzenbildes, dadurch daß
Spitzenbilder als beliebte Massenware im
format eines Andachtsbildes als Gebetbuch-
ge zur Erinnerung an kirchliche Sakrament-
lungen, wie Erster Kommunion, Firmung,
erweihe und Primiz oder Sterbegedöchtnis,
tinell hergestellt werden. Zentren dieser
enware sind ab Mitte 19. Jahrhundert die
Eger, Paris mit der Werkstatt v. St. Sul-
z. B. L. Turgis Fils Editeurs und domi-
nd die NiederlandeÄ Diese uns aus Kinder-
alle nach so bekannten Gebetbucheinla-
unterscheiden sich vom handwerklich ge-
tenen Bild außer ihrem stereotypen Aus-
durch zusätzliche Oberflöchenstruktur mit-
pitzenpunzierungen.
zusätzlich erschwerender Umstand ist, um
stattzusammenhönge herauszugliedern, doß
anmaterial als noch unbemalte Ware be-
"tißefisäfä
sanders aus Klosterwerkstätten von Bildhönd-
lern und Kraxentrögern über Land verkauft und
dann erst in der Werkstatt des heimischen Klo-
sters oder beim sogenannten Briefmaler" nach-
träglich ausgemalt wurde. Als geläufiges Er-
kennungszeichen dieses Handels kann gelten,
daß figürliche Motive im Spitzenbild von attri-
buthatter Bedeutung für die Medaillonminiatur
nicht mit den obligaten Attributen der oder des
Medaillonheiligen oder -szene harmonieren?
Mit fortschreitendem 1B. Jahrhundert nimmt ie-
doch eine derartige ikonographische Festlegung
oder Kohärenz mit dem Besitzer und der Ge-
schenkabsicht im Spitzenbild zunehmend ab und
gibt breiteste Bemalungsmöglichkeiten trei.
Zunehmende Konzentration der Farbigkeit auf
nur eine Miniaturfläche innerhalb eines Spitzen-
bildes bietet sich ebenso als Datierungsstütze
an, da frühe Spitzenbilder im süddeutsch-öster-
reichischen Raum durchwegs neben graphischen
Elementen starke Farbigkeit, über das Gesamt-
bild verstreut, kennzeichnet, bevorzugt werden
Medaillon und Rahmung. Diese Bildgattung steht
noch in Nähe zum süddeutschen Spiegelrahmen-
bild in der volkstümlichen Hinterglasmalerei An-
fang des 18. Jahrhunderts. Besonders schöne
Stücke dieser frühen Zeugen verwahrt die Spit-
Ab
Roth, München'.
Nadelstich-
zenbildsammlung Eugen
1760 gewinnt das sogenannte
bildl" als ersatzhafte Variante des Spitzenbildes
zusehends an Bedeutung, zum Unterschied vom
länger schon gepflegten Nadelstichbild, dessen
Spitzenfiligran aus quadratischer oder rauten-
förmiger Musterung besteht".
Namentlich Berühmtheit erlangten die frühen
Schnittbilder der Niederländer, die in ihren Bil-
dern durchgehend auf Farbigkeit verzichteten
und selten nur religiöse Motive brachten. Ihre
Qualität übermittelte uns auch die Namen be-
rühmt gewordener Schneider und Schneiderin-
nen, wie eine Anna Maria van Schurmann
1607-1678 zu Utrecht", eine Johanna Koerten-
Block 1650-1715 zu Amsterdam", die ein An-
gebot van 1000 Gulden in Gold durch Kurfürst
Johann Wilhelm von der Pfalz für drei ihrer
Schnittbilder als zu niedrig ausschlug. Bekannte
Größen sind ferner zu Rotterdam die Elsbeth
Rhijberg und Gilles van Vliet 1674-1701, der
Chirurg Van den Bogard, Johannis Capper, in
Amsterdam ein Carnelis Pronck 1691-1759"
und ein Hendrik van Winter 1717-1782, Willem
Roels und Willem Eigenmann arbeiteten zu Ley-
den. In Amsterdam erschien denn auch 1686 die
einzige Anleitung zum Papierschnitt Kanstig en
vermaakeliik tiid-verdriif der Hollandsche Jut-
ferne of onderricht der papierenen sniiden".
Namentlich bekannte Spitzenbildschneider aus
dem süddeutschösterreichischen Raum gibt es
wenige die beiden Augsburgerinnen Susanne
Mayer 1600-1674", die sogar Joachim von
Sandrart 1679 in seiner Teutschen Akademie"
im 3. Buch 2. Teil, Kap. 22, Nr. 262 erwähnt,
und Rasina Barbara Pretting, die Mutter des
berühmten Kupferstechers Johann Esaias Nilson
1721-1788. Sandrart erwähnt ferner ein ab-
sonderlicher Künstler in Pergament ausschnei-
den mit der Scheer..., desgleichen in Europa
nicht mehr zu finden seyn", gemeint damit ist
der für die Steiermark van 1645-1677 nachge-
wiesene Scherenschneider Rudolph Wilhelm Herr
von Stubenberg auf Kapfenberg, bekannt unter
seinem fehlgedeuteten Manogramm R. W. Hus".
Von den vielen Klosterfrauen, die anderen zeit-
lichen Gesetzen unterliegen, sind die Namen ver-
laren.
Die geläufigen Spitzenbildtormate reichen von
155x105 bis 402x320 mm. Damit beweisen
diese Größenformate, daß die Bilder zunächst
und erstmals nicht als Gebetbucheinlagen Ver-
wendung fanden, vielmehr in gesonderter Ver-
wendung standen. Dies zeigt deutlich die Spit-
zenbildersamrvilung des Oöttweiger Kupferstich-
kobinetts, die erstmals durch die Auslagerung
nach Krems im Zuge der Aufhebung des Klo-
sters im Dritten Reich und deren Eingliederung
als Ausstellungsobiekte in die Kremser Museums-
röume 1943 an die Öffentlichkeit gelangte. lhren
Leben haben die Bilder sämtlich als Gra-
msgeschenk der Konventualen zum Na-
oder Geburtstag eines Abtes oder Priars
zu sonstigen hausinternen Jubelfeiern. Pas-
Gratulationsverse sind auf den Spitzen-
rkseiten, durchsetzt mit reichen und ge-
iigen Chronogrammen. Damit setzten die
reiger Widmungsblätter, wie auch die der
tlungen in Muri und Einsiedeln in der
eiz, auf religiöser Basis fort, was in nieder-
cher Knippkunst" zu weltlichen Familien-
und familiären Gedenken Gepflogenheit
Solche Widmungen erlauben aber dann
nur Rückschlüsse auf hausinterne Gebräu-
1d Traditionen, nicht nur auf religiöse Ge-
anheiten als Eingebinde in einen solchen
lichen Blumenstrauß", wenn Gratulanten
ltentionen, Gebete in Form von Litaneien
Rosenkrönzen, Abtötungen und Bußopfern
Jubilar darbringen, sondern bringen an
solcher Chronogramme ein Zahlengerüst
ie Sammlung und in die verschiedensten
von Spitzenbildern. Wir erhalten einen
iihren Anhaltspunkt für Datierungspra-
der Spitzenbilder, was bisher selten oder
kkommodierend möglich war. Neben vor-
Pergamentspitzenbild mit Unterricht Mariens
durch Anna, Doppeladlermedaillon, 1729. For-
mat 282 B188 mm.
Großformatiges Pergamentspitzenbild von 1730
mit Johannes dem Evangelisten. Ein häufig sich
wiederholendes Spitzenmotiv in durchkopieren-
dem Schnitt. Format 330x 225 mm.
Pergamentspitzenbild mit Johannes Nepamuk
von Prag aus dem Jahre 1734. Format 330x
224 mm.
Doppeladlers itzenbild mit Maria als lmmacu-
lata, 1735. vereint Gitter-, Volulen-, Vierpaß-
und Asparagusmotive. Format 302 201 mm.
Pergamentspitzenbild-Rückseite mit Gratulations-
text an Abt Gottfried Bessel 1714-1749 und
Chronogramm von 1738. Umseitig das Göttwei-
ger Gnadenbild, die Pieta in der Krypta. Format
239 204 mm.
gehend beantworten, daß sie hinter Glas als
beliebter Wandschmuck dienten, wenn sie nicht
gerade in Stammbücher" eingeklebt wurden.
Zur Rahmung wurden sie farbig hinterlegt, nur
ist dieser Hintergrund heute meist vollständig
verloren. Nur wenige Obiekte im ursprünglichen
Bilderrahmen verhelfen zu einer Rekonstruktion.
Bei kostbaren Arbeiten ist als Hintergrund gern
ein in unaufdringlichen Farben gehaltener glanz-
loser Seidenstoff bezeugt. Bei heutigen Rekon-
struktionen müßte man diese Gepflogenheit durch
Verwendung alter Stoffe wieder berücksichtigen,
dabei könnte der Seidenstoff durchaus auch
eine brokatähnliche Musterung enthalten. Diese
Musterung ist häufig auch in Imitation als bunt-
bemalte oder bedruckte Papiertapete in einer
Art Kleisterpapier bekannt. In solch dekorati-
ver Verwendung als Wandschmuck waren diese
großformatigen Spitzenbilder oft jahrelang
schödigendem Tageslicht ausgesetzt, so daß
häufig Spitzenbildware nur im ausgebleichten
Zustand, bar sämtlicher kräftiger Farben, ange-
boten werden kann, In Göttweig dürften diese
Grotulationsbillets schon sehr bald hohe Wert-
schätzung erfahren haben, denn schon Anfang
des 19. Jahrhunderts, iedenfalls vor 1846 späte-
wwäuäßvvww, ßfwrw
tv, irihlu vwÄzi wwlvt? 33114518111
.1
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"ifiiqäi-sfi '73.
wies
ngeführter, zunehmender Farbkanzentrie-
ind sparsamer werdender Farbanwendung
ich auch im Spitzenfiligran eine konti-
che Veränderung über Jahrzehnte hinweg
llen. Herrschen anfänglich im endenden
irhundert im süddeutschen Spitzenbild noch
Motive, wie Rosen, Nelken oder Tulpen
Jnd des sogenannten Asparagusmotiv, das
aspinst die Gesamtflüche gleich dem Hor-
cui überwuchert, so ist auffallend, daß bis
tte des 18. Jahrhunderts die figuralen Mo-
Jnehmend in den Vordergrund drängen,
zrz- oder Schrift-, Spiral- oder Voluten- und
iusmative, oder Bänder- und Gittermotive.
ryrrrrrpv
Anmerkungen 8-17
I0, M. kecliner, Baracke Spitzenbilder, Österreichische
Ärztezeitung 29 im, H. 12, s. 76a, Spitzenbild von 1745
mit Paulus-Medaillen.
'Eugen Rath, Zum steten Angedenken, Große Liebe zu
kleinen Bildern, München 1964, Abb. 17, 20, 33, 49.
"Vgl. das Nadelstichbild in der Sammlung des Franzis-
kanerinnenklosters am Kirchsee bei Bad Tölz, in Chari-
vari, a. a. 0., Abb. 5.
"Dabei handelt es sich um Nachahmung von Rokako-
Tullspitzen, wozu vielleicht auch Stanzmodeln verwendet
wurden, worauf bereits Johann Geor Krünitz hinweist
in seiner Oeconomiszhen Encyklapö ie", 1787, Teil
S. 294-5.
lt Thieme-Becker,
Ebenda, 21, S. 18677.
Ebenda, 27, S. 471727,
ls Ebenda, Q4, S. 495.
"Pergamentschnitt einer ltüftlüSllätlleri Szene und antiken
Gottheiten. um 16501166 von ihm abaebildet Ihr Thomas
Allgemeines Künstlerlexikon 30, 343.
lwiitliÄfiiitAtÄix-rl Luui Äldllxvxvlltil tNwc
UXDLI ,.lt.'lllIJI ,ll1-li.1il.r iiliortii
all!'II'II'II"IIII'II'F
lr VW 11
x-x-x-x-z-z-x-z-x-x-z-z1111111111111
I52KII'II'I'I'II'IIII'II'II 11'111.
ä.
fa-x-x-x-x-x-xi-x-x-xiix-xex-x-x-
llVi Äirm" 11mm" Jtiaxllnlx alvrczl
Ailillllnlgiiaix-lv, Pur 11 Jlllhh" litt liilim-
livn-Qxt
au
stens, sind sie in den Bestand des Graphischen
Kabinetts geschlossen eingegliedert worden und
haben damit unter Verschluß ihre ursprüngliche
Frische und Farbigkeit fast unverändert bewah-
ren können.
lm Vergleich zu den meisten anderen Sammlun-
gen umfaßt die von Göttweig mit den übrigen
Klostersammlungen wie Einsiedeln, Muri oder
Engelberg einen homogen gewachsenen Bestand
an Objekten bezüglich Zeit und Topographie.
Wichtige und bekannte Spitzenbildsammlungen
mit Spitzenbildern in doppeltem Sinne sind an
öffentlichen Sammlungen im Bayerischen Natio-
nalmuseum und dem Stadtmuseum in München,
noch wertvallere Bestände die von Alfred Kremer
in Weilheim, das Museuinlydia Bayer in Würz-
burg", in München bei Eugen Roth, DT. Rath-
Wölfle und Karl Praebst, in Bamberg bei Mei-
senbach und in Basel bei Engelmann. Dieser zu-
sammengetragene Reichtum aller Sammlungen
wäre tragendes Fundament für die längst anste-
hende manographische Behandlung der Gat-
tung Spitzenbild mit Aufstellung eines Typen-
katalogs, Chronologie von Formen und Varian-
ten und regionalen Sanderheiten. ln die bis
heute nur schwer zu beantwortende Frage nach
lokalen Herstellungszentren wäre dadurch eben-
falls Licht zu bringen, denn die paar bekannten
Werkstätten bei den Schwestern van Reutberg
bei Bad Tölz, von Altenhahenau und Salzburg,
Maria Loreto und die Ursulinen von Landshut-
Seligenthal gehören nicht zu den bedeutendsten.
In diesem Zusammenhang müßte auch das Phä-
nomen Spitzenbild nach seiner genealogischen
Herkunft abgefragt werden, denn die frühesten
Erzeugnisse sind im Orient nachweisbar". Die
Schnittkunst fand früh Pflege besonders in Per-
sien und der Türkei. Dort fanden die geometri-
schen Ornamente, die floralen Motive und kalli-
graphischen Schriften als Zierde von Buchein-
bänden Verwendung. Als schließlich seit dem
i...
s.
1c
Artemis.
16. Jahrhundert in Konstantinopel eine eigene
Zunft der Papierschnitzer bezeugt ist, sind auch
frühe Schnittbilder in Alben gesammelt bekannt.
Über den Balkon und über Venedig dürfte der
Weg des östlichen Schnittbildes nach Europa
verlaufen, und vielleicht spielen dabei die Tür-
keneinfälle gar keine so unbedeutende Rolle.
Abschließend noch ein Blick auf das Miniatur-
medaillon und seine ikonographische Breite, die
von Genre- und Schäferszenen, Freundschafts-
bildchen, über Embleme bis hin zu Heiligen-
darstellungen reicht, doch bildet das Heiligen-
thema dabei den Hauptanteil. Des Heiligen
Brustbild wird dabei bevorzugt, seltener wer-
den ganze Szenen dargestellt, wie z. B. der
Drachenstich des heiligen Georg, Vision des
heiligen Dominikus, die Heilige Familie als
Trinitas terrestris, Maria als die lmmaculata
oder als Pastrix Bona im Ganzbild. Neben
Aposteln sind Heilige der Barackzeit bevorzugt
Johann Nepomuk, Franz Xaver, lgnatius von
10
10 Pergamentspitzenbild mit dem seltenen Bene-
diktiner-Heiligen Livinus Fest 12. Nov.. Vor-
herrschende Asparagus- und Volutenmotive.
1754. Format 290 202 mm.
11 Nadelstichspitzenbild mit St. Franzesca Romano
in Rokokokartusche von 1777. Muster will Tüll-
spitzen der Rokokozeit vortäuschen. Format;
156x B105 mm.
12 Hl. Brigitta im Sgitzenbild von 1778 für Abt
Magnus Klein 176 1783 von Göttweig. Voluten-
und Asparagusmotive, in den Zwickeln Negativ-
schnitt und volkstümliche Bemalung. Format
323 221 mm.
Sämtliche aufgeführten Abbildun en entstammen
dem Graphisc en Kabinett des tiftes Göttweig.
Aufnahmen sämtlich vom Autor.
"rrdii Dr. did Bdyer, Direktorin des Spitlltugmuäeumä
der stddt Nürnberg, werden ebenfalls wertvolle Hinweise
verdankt.
Herr Dr, Edmund iddnert, British Mdsedtn lNDlUFdl
Histary, London, berücksichtigt besonders den entwick-
lungsgeschichtlichen Aspekt.
"Werner-Konrad Jaggi, Die Pergamentspitzenbilder mit
Darstellungen des hl. iddntiiis vdn Muri unsere Heimat,
Jsahwreäschritt der Hist. Gesellschaft Freiamt 40 1966,
7.
11 Werner-Konrad Jaggi, Die Per amentspitzenbilder der
Zisterzienserabtei Wettingen ad ener Neuiahrsbiötter so
1955i, s. 37-41.
der Kiinterstieti des David Herrliberger rnit der Dar-
stellun eines Pfarreirisatzes in der Kirche Maur; Werner-
KOnrCl Jagii, Ein Pergamentschnittbild vom Ptarreinsutz
in Hombrec tikon im. Züricher Tdsetienbiisti dttt dds
Jahr 1967, Zürich 1966, s. 77-114.
"Aiissteiidngsirdtdidg ardntiiseties Kabinett Stift Göltweig,
Barocke Spitzenbilder, d. d. 0., Nr, VON 1725.
"Eiitdsän ROth, ZUM steten Angedenken, d. a. 0., Abb.
ßAiissteiiiin skatalog Graphisches Kabinett stitt Göttweig,
d. d. o., 46-7, Nr. a7 von im.
Anmerkungen 18-25
Unser Autor
P. Dr. Gregor Martin Lechner OSB
Bibliothekar, Archivar und Kustos
der Kunstsammlungen Göttweig
A-35H Stift Göttweig, N0, Post Furth
Layola, Rosalia, Theresia von Avila unc
als Nährvater. Hinzu kommen beliebte
patrane wie Antonius, Augustinus, Micha
rothea, Katharina, Cäcilia, Brigitta und
retha. Lokale Gnadenbilder wie die Trii
Sonntagsberg oder Lokalheilige und selte
densheilige helfen gelegentlich Male
Schneider lokalisieren, die Sonntagsberg
nitöt für Stift Seitenstetten, der hl. Leontii
Muri", das Gnadenbild van Maria Einsi
zusammen mit Nikolaus von Flüe für Ein
ldda von Toggenburg für Fischingen, dei
derbischof Altmann von Passau für G1
und das Lareto-Kindl mit St. Erentrud fE
burg. Gelegentlich ist sogar die dafi
wendete Stichvorlage" nach einem
eines bekannten Meisters noch durchzi
oder ein festgelegter Gnadenbildtypus
Mariazellerin in einer dortigen Werksta
die Pieta des Willem Key" im Nochsti
Carl Gustav Amling in der Krumpperschei
gestaltung mit dem Taubenpaar.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts, dem
lichen Jahrhundert des Spitzenbildes, ka
nochmals zu vereinfachenden Herstelli
rianten, zum bequemen und nicht so
benden Ersatz des echten Spitzenbildes,
druckten. Die Spitze wird in Leimfarb
Farbpapier gedruckt, was vergleichbar
kungen erzielt". Eine weitere Variante
Spitzenschablane, bestehend aus versc
sten Spitzenabföllen in variablen Kam
nen, die, auf Papier gelegt, nur die
unberührt gelassenen Teile einer Ein'
preisgibt. Das Ergebnis ist ein unplastisc
pierbild an Stelle eines Spitzenbilde
Flachheit, die mittels aufgeklebter Faliei
habener Prägung wettgemacht werder
Diese erstmals neu aufkommenden Behi
niken sind zwar nur wenig belegbar,
kurzer Dauer, doch unbehalfener Ersatz
zunehmend wegfallende Spitzenbildprc
in den vielen Klctsterwerkstätten nach di
phinischen Klosterreform in Österreich
Sökularisation von 1803. Van ietzt an dt
das maschinell gestanzte Papierspitzenk
Technik des Schneidens lebt abgeänder
im profanen Scherenschnitt des Empire.
Stanislav Urban
Der letzte Edelstein-
schneider aus der Familie
Miseroni
Zum Leben und Werk von
Ferdinand Eusebio Miseroni
Anmerkungen 1-5
Die Arbeit über das Leben und Werk von Ferdinand
Eusebio Miseroni stützt sicJl auf das entdeckte und bls letzt
unbekannte Ardlivmaterial, das im Staatlichen Zentralarchlv
in Prag weitar nur SZA aufbewahrt ist, allem aus dem
Fand der Alten Manipulation weiterhin AM, der Neuen
Manipulation weiterhinl NM und der Böhmischen Hof-
kammer BHK
Die Übertragung des Edelsteinschneidegehalts in der Höhe
von 15 Gulden monatlich auf Ferdinand Eusebio wurde
vom Kaiser am 29. Juni 1653 bewilligt, aber erst ab dem
ersten Quartal des Jahres 1657 realisiert SZA, NM
14-4.
'Dlls Datum des Todes van Dianysio Miseroni schwankte
bisher in der Fachliteratur. Nach übereinstimmender Aus-
sage der Quellen z. B. der Berichte des Hauptmanns der
Prager Burg über die Versiegelung der Hinterlassenschaft
ist er am 29. Juni 1661 gestorben.
"Die Edelsteine stammten aus des Kaisers Eigentum und
aus der Hinterlassenschaft des Erzherzogs Leopold Wil-
helm. Frantisek Mares, Beiträ zur Kenntnis der Kunst-
bestrebun en des Erzherzog ieapold Wilhelm, Jahrbudl
gerasäunst istorischen Sammlungen. .., Wien 1887, V.,
SZA, NM 19-2.
'Ver1eichnus derierligen Trinkgesdtür, so Euer kais. und
kgl. Mr alleruntertäni ahorsambist überliefert habe."
SZA, BHK 1670; SM 51-7.
Ottavio war der erste aus der Mailänder Fa-
milie Miseroni, der sich ähnlich wie seine Ver-
wandten in Spanien im Jahre 1586 dauernd in
Prag niederließ. Es folgten ihm seine Brüder
Alessandro, Aurelio und Giovanni Ambrogio.
Am Hofe Rudolfs, in den kaiserlichen Hofwerk-
stätten auf der Burg, beim Aufbau des kunst-
handwerklichen Areals in der Kaisermühle in
Prag-Bubenec, bei der Organisierung der mine-
ralogischen Erkundung überall dort finden wir
Ottavio Miseroni zusammen mit dem Goldschmied
Mates Krätsch aus dem preußischen Königsberg.
Zusammen mit ihm dann eine ganze Gruppe
namhafter, oftmals eng spezialisierter Edelstein-
schneider David und Jobst de Brusse, Cosimo
und Giovanni Castrucci, Wilhelm Celschleger,
Johann Christoph Dorsch, Valentin Drausch, Chri-
stoph Engelhart, Peter Hübl, Caspar Lehmann,
Mates Krötsch, Johann und Christoph Schweiger
und zehn andere in den drei Städten Prags. Sie
alle waren bevorzugte Künstler während der
letzten zwei Jahrzehnte des Lebens Rudolfs ll.
Sie bezogen dafür Gehälter, bekamen Geschen-
ke, erhielten Adelstitel, oftmals arbeiteten sie auf
Barg. Sie überlebten den Tod ihres Mäzens, die
Herrschaft seines Nachfolgers und überstanden
die verwüstenden Jahre des Dreißigjährigen
Krieges. Wahrscheinlich hat sich kein anderes
Kunstfach so wie die Edelsteinschneidekunst wöh-
rend der Regierungszeit des Kaisers Rudolf I1. in
Böhmen auf die Dauer und für immer einge-
wöhnt, in einem Lande, welches dank sei-
ner Naturreichtümer zwar alles bot, aber mit
seinem Schicksal vor einem langen Verbleiben
warnte. Die Familie Miseroni ist dessen ein Bei-
spiel. Nach dem Westfälischen Frieden, zu Be-
ginn der fünfziger Jahre des 17. Jahrhunderts,
erlebte in Ottavios Sohn, Dionysia, die Stein-
schneidearbeit eine nie dagewesene Interessen-
explosion, sie erfüllte ihre Mission.
Deshalb ist in der Mitte des prunkvollen Grup-
penbildnisses von Karel Skreta aus dem Jahre
1753 dieser der hochgeborene, geehrte Mensch,
der sich seiner Stellung, Amtsmacht, seines Ge-
nius bewußt ist Dionysia Miseroni ist Schatz-
meister, Bauinspektor der Prager Burg, des Tier-
gartens, der Kaisermühle und des Lustschlosses
Stern, er ist Kämmerer und des Kaisers Edel-
steinschneider. Er verkörperte in sich vieles vom
Renaissance-Universalismus, mit seinem Fleiß
überragte er alle, die iemals in den Diensten
des Kaisers gestanden haben. Schon volle
30 Jahre arbeitet er für die österreichischen Herr-
scher. Gerade hat er aus einem riesigen schwei-
zerischen Kristallblock seine Pyramide" been-
det, sein größtes Werk, das ihn kurz darauf in-
ternational berühmt gemacht hat. Ein krank-
haft bleicher Junge, im roten Mantel, mit aus-
drucksvollen eingefallenen Lippen und traurigen,
fieberhaft großen Augen, berührt mit beiden
Händen eben dieses Meisterwerk Es ist Ferdi-
nand Eusebio Miseroni, der zweitgeborene Sohn
Dionysios aus der ersten Ehe, der einzige und
letzte Nachfolger dieses Geschlechts der Edel-
steinschneidekünstler. lm Jahre 1653 wird diese
Szene von Karel Skreta absichtlich gewählt Das
Werk von Dionysia, seine kulturell-gesellschaft-
liche Stellung erreichen im Prag des 17. Jahrhun-
derts ihren Gipfelpunkt. Er wird nicht übertrof-
fen werden. Der iunge Ferdinand Eusebio über-
nimmt symbolisch das Familienschicksal, mit einer
Handbewegung deutet er an, daß er mitbeteiligt
war, daß ihm die Schneidemeisterkunst, die von
seinem Vater an die eigene Grenze der hand-
werksmößigen Möglichkeiten gebracht wurde,
nicht fremd ist. In den Augen der Zeitgenossen
wird er iedoch im Schatten seines Vaters leben,
nach Jahrhunderten wird er vergessen sein.
Treu der Familientradition, führt Dionysio indes-
sen seinen Sohn in die breitere Öffentlichkeit
ein. Ähnlich wie einstmals sein Vater, wendet er
sich an den Kaiser mit der Bitte, daß sein
Schneidegehalt ad dies vitae" auf den Sohn
überführt werdek Dianysio baut zielbewußt sei-
nem Nachfolger eine Position, nichts überläßt er
dem Zufall, er kennt die Mißgunst der Beamten
der böhmischen Hofkammer. Außerdem ist er
nicht gesund, die Kur in Karlsbad hilft nicht. Am
29. Juni 1661 stirbt er vorzeitig unter schweren
Schmerzenf.
Sein Sohn Ferdinand Eusebio hat in den ersten
schweren Wochen nach dem Tode des Vaters
viel Geschicklichkeit bei der Verteidigung des
Familieneigentums und der -stellung kundgetan.
Noch während der Trauerzeremonie ersuchte er
eiligst um des Kaisers Zustimmung zur Ernennung
zum Schatzmeister. Mit dem Entschluß des Herr-
schers vom 12. August 1661 wurde dem Ferdi-
nand Eusebio entsprochen, aber die übrigen
Funktionen des Vaters erreichte er schon nicht
mehr. Inmitten des harten Existenzkampfes wird
bislang überdie Edelsleinschneidearbeitgeschwie-
gen. Vor allem war es notwendig, die vom Vater
hinterlassenen und in Arbeit genommenen Kri-
stall-, Achat- und Jaspisobiekte fertigzustellenf.
Erst im Jahre 1664 tauchen die ersten Anzeichen
darüber auf, daß er in Regensburg dem Kaiser
wertvolle Steine und die an ihnen vollendete
Arbeit übergeben hat". Es waren vielleicht die
ersten Obiekte aus orientalischen Steinen, an
welchen sein Prager Atelier bis zum Jahre 1668
arbeitete. ln der ältest bekannten Spezifikation
von Kunstwerken, die er einerseits an die Wiener
Schatzkammer geliefert und den Rest ander-
seits direkt zu Handen des Herrschers überreicht
hat, wird über elf Posten im Betrage von 1945
Reichstalern gesprochen.
Erstlichen ein Trinckgeschür von
Maria Mondt in Form einer
Gieskann
Item ein Geschür von lsada
Item ein Geschür von orienta-
lischen Jaspis in Form eines
Becherls mit dem Dekl
Item ein Geschür von orienta-
lischen Jaspis ohne Dekl
Item ein dergleichen von orienta-
lischen Jaspis mit dem Dekl
Item ein Schüssel mit dem Dekl
von orientalischen Jaspis
Item ein Geschür von gelben
Zrintzenstein mit dem Dekl
Item ein Geschür von rotem böh-
mischen Jaspis sambt den Dekl
Item ein Geschür von böhmi-
schen Diamant
Item ein langliches Glasel von
Christall
Item ein Geschür von orienta-
lischen Agat sambt den Dekl in
Gold gefast 100 Reichstalers
Zusammen mit anderen bis ietzt bekannten Stük-
ken sollte also der Kaiser seinem Edelstein-
schneider im erwähnten Jahre 1668 an Schneide-
lahn und anderen Auslagen 2250 Gulden be-
zahlen. Wien und Prag wehren sich gegen diese
Auszahlung, es ist viel Geld. Für Ferdinand
Eusebio ist es die erste schlechte Erfahrung mit
dem Herrscher und seinen Ämtern. Die Sorgen,
damit ich meine Creditoren befriedigen, auch
mir und denen Meinigen in etwas helfen
möge...", werden ihn schon das ganze Leben
hindurch begleiten.
Sofort danach bearbeitet oder vermittelt er eine
reiche Bestellung von böhmischen Granaten für
die kaiserlichen Goldschmiede in Augsburg. An
die 10.000 bis 11.000 Stück Granaten schickt er
mittels der böhmischen Kammer ins Ausland,
400 Reichstaler
250 Reichstaler
140 Reichstaler
175 Reichstaler
150 Reichstaler
200 Reichstaler
180 Reichstaler
200 Reichstaler
80 Reichstaler
70 Reichstaler
Skizze eines Pakals aus Bergkristall mit in Gold
ziselierter Montage. Prager Werkstatt des Fer-
dinand Eusebio Miseroni aus den Jahren 1673
bis 1674, 27 cm ohne Deckel, 14 cm
2,3Skizze einer Kanne aus Bergkristall mit zise-
lierter Goldmontage. Die Kanne hat im Ma-
terial eine geschnittene Vertiefung für den Kri-
stallhenkel
Werkstatt des F. E. Miseroni aus den Jahren
1673 bis 1674. 30,5 cm. Entspricht der ent-
deckten Kanne Abb. aus der Sammlung des
TÄAQFäSthßTOYlSChWI Museums in Wien, lnv.-Nr.
Skizze eines Pokals, komponiert aus drei Stük-
ken Bergkristall, zusammengesetzt in ziselierter
Galdmontage
Werkstatt des F. E. Miseroni aus den Jahren
1673-1674. 22,6 cm, des Ovals 22,4 cm
3b
davon 1000 Stuckh van den grösten so zube-
khommen sein habent".
Die siebziger Jahre des 17. Jahrhunderts bedeu-
ten dann den Höhepunkt der Edelsteinschneide-
Schöpfung des Miseroni-Ateliers. lm August 1672
übergaben nämlich die kaiserlichen Kommissio-
näre Ferdinand Eusebio eine größere Menge
von Kristallmaterial, wahrscheinlich schweizeri-
scher Herkunft. Die zukünftigen zehn Jahre ste-
hen dann im Zeichen dieses großen Auftrages.
Sofort erhöht er die Anzahl der Beschäftigten, er
stellt drei Gesellen an und fünf Arbeiter zu den
großen Triebrödern für die Schleifsteine. Gleich-
zeitig durchdenkt er die Art und Weise der Aus-
zahlung, er kennt schon seinen Kaiser, der bei
weitem nicht das ist, was Ferdinand lll. für sei-
nen Vater war. lm September 1672 detailliert er
die Formen der Kristollbecher nach der Charak-
teristik und mineralagischen Struktur des seltenen
Werkstoffes. Abrissen"fdeseigno"l, übrigens
die ältesten in der Geschichte der Steinmetz-
und Glaswerke in Böhmen, legt er dem Brief an
den Kaiser bei, damit Seine Majestät beurteile,
was auss denen iüngst verwichenen Monath
Augusto allergnadigst mir anvertrauten und zu
verarbeiten mitgegebenen Christallen, ich albe-
reith unterhanden hab und ehist möglichst, mit
der Gnad Gottes zu verfertigen gesonnen"
12
in aber, wie Euer Mt., allergnödigst wis-
ier gleichen kostbahre arbeit ziembliche
iel leüthe und grosse Spesen erforderLmein
es Vermögen hingegen sich weit nicht
erstrecket dergleichen zu verlegen".
lert deshalb, daß ihm selbst, ähnlich wie
seinem Vater, während des Zeitraums
rbeiten am Werk ein Vorschuß in der
von 100 Gulden monatlich auss dero prä-
15H Wein-, Biertatz und Saltzgeföllen",
conto dieser arbeit und künftige Ab-
des Macherlohns7".
holtenen Aufzeichnungen der Formen von
efößen erlauben vielleicht, zum erstenmal
die Schöpfung des Prager Meisters hin-
licken. Bis jetzt war nur ein einziges Werk
iiner Hand bekannt; Ein Kristallglas mit
Schraubenverschluß, signiert F.E.M., aus
itte der sechziger Jahre des 17. Jahrhun-
von dem angenommen wurde, daß es in
ikunft zur stilistischen Lösung und Erken-
anderer Werke von Ferdinand Eusebio
wird, die heute im Kunsthistorischen Mu-
Wien aufbewahrt sind". Das Glas, ähn-
die neu gefundenen Skizzen, knüpft an
'zten Jahre der Schöpfung von Dionysio
ine Kunstwerke an. Ferdinand Eusebio ar-
überwiegend mit Bergkristallen, weiters
ßf. F.
7,n;lfy,v ztvvurmfl
Mxmfwä ßlA-lu-Äimeeu, ßw JL
reit?"- Ü. ßuJvaäilzf"kßif"
11.114311 Inmlof d. 11114
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VI Ülfzjifß-ßf-Wkl "MQLWK
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21m zomenßzovz
zäwwrr
1;. nuzfo. qtrdm rvvc
ßaweärw äwcfzw "MM
"el Skreta. Die Familie des kaiserlichen Edel-
nschneiders Dionysio Miseroni, 1653. Natio-
galerie in Prag
schollenes marmarnes itaph des Ottavio
eroni aus dem Jahre 16 in der St.-Maria-
gdalena-Kirche auf der Kleinseite in Prag
Sammlung Wunschwitzl
ungen 6-9
pondenz des Präsidenten der böhmischen Hof-
Ales Graf Vratislav. SZA, BHK 1670 Schach-
iuv m10 40,1... 1m
dann mit böhmischem Jaspis und Achat, weniger
mit orientalischen Steinen. Die einzelnen Teile
der Becher und Gläser verbindet er mit einer
goldenen Montur oder mittels Verstärkung des
Mantels, schneidet dann meisterhaft einen mono-
lithen Becher, einschließlich des Handgriffs, aus
einem Mineralstück. Zum Unterschied van den
virtuosen manieristischen Formvorstellungen,
geht er von der Form und dem Charakter des
Rohmaterials, als eines im Vorhinein gegebenen
und bestimmenden Faktors, aus. Darin liegt das
Neue und ist das Seine, damit hat er die Grenze
überschritten, die in den letzten Werken von
Dionysio angedeutet wurde. Das künstlerische
Glaubensbekenntnis des letzten Miseroni kann
man lapidarisch folgendermaßen zusammenfas-
sen Die Möglichkeiten des Kristall- oder Jaspis-
blocks sind die Möglichkeiten des Künstlers. Die
Formen der Gefäße, Becher, Schüsseln, Pokale
und Flaschen wurden im Einklang mit dem ethi-
schen Gefühlssinn in Gestalt und Dekor graber,
bekamen größere, robustere Ausmaße. Der Be-
cher auf der Aufzeichnung Nr. ist z. B. 27,5 cm
hoch, Becher Nr. sagar 30,5 cm. Die Arbeit
im Prager Atelier schritt in den Herbstmonaten
derartig vorwärts, daß schon am 15. Jänner
1673 Ferdinand Eusebio das erste gefertigte Kri-
stallstück übergab
ein hohes geschier von Christall auf ein Fuess
sambt dem deckhel" für 100 Taler und am 8. Sep-
tember des gleichen Jahres wiederum ein ge-
schier alss ein Muschl auf ein fues" für 95 Taler.
Die anspruchsvolle Schöpfung schreitet langsam
aber kontinuierlich vorwärts, und die Lieferungen
erreichen jährlich die kaiserliche Schatzkammer
in Wien. Ende Jönner 1677 übergab dann der
Edelsteinschneider eine Teilspezifikation dieser
luxuriösen Ware. An die 14 kleine, mittlere und
größere Kristall-Geschier", davon ein großer
Topas-Solitär, sind das Ergebnis der vierjährigen
Arbeit von Eusebias Werkstatt im Gesamtwerte
von 4445 Talern. Außer den zwei genannten Wer-
ken waren es
ltem den 29. Augusti 1674 ein
nncrhir mit ein filmt mit Mnii.
ttem ein langlichts geschier in
form einer Muschel, darauf ein
glaren Kopf auf ein fuess 220 Reichstaler
ltem ein Kandl von Christall mit
einer handthaben und deckhel
mit granaten carmisiert 350 Reichstaler
ltem ein Klein geschier! als wie
ein Herz 50 Reichstaler
ltem ein anders geschierl auf ein
fuess von Schwarzen Christall 40 Reichstaler
ltem Ein Schalen auf ein fuess,
darauf ein Laubwerckh geschnitten 70 Reichstaler
ltem ein geschier alss wie ein
Becher sambt den Deckhel 100 Reichstaler
ltem ein Geschier alss wie ein
Schalen auf ein fuess 70 Reichstaler
ltem ein geschier alls wie ein
Tielfe Schalen 110 Reichstaler
ltem ein Trachen von Christall
auf einem Wagele
ltem ein hochen Becher sambt
dem fuess und deckhl von
böhmischen Topasi 1200 Reichstaler
Die zwei bedeutungsvollsten Werke ein Trachen
von Christall auf einem Wagele" für 1700 Taler
und ein hochen Becher sambt dem fuess und
deckhl von böhmischen Topasi" für 1200 Taler,
rufen wegen ihres hohen Preises eine kommis-
sionelle Untersuchung hervor, und obzwar der
lezt gelieferte drach von cristal und der Becher
von Topasi seye gross van etlich Böhmischen
Seidel" und der Drachen ist außerdem nach An-
sicht der Kommission sauber und fleissig ge-
macht", ist der Edelsteinschneider am Ende ge-
zwungen, seine finanziellen Forderungen herab-
zusetzen. Er selbst schlug vor, den Betrag um
312 bis 512 Taler zu ermäßigen mit der Bedin-
gung, daß ihm 800 Taler sofort in Bargeld aus-
bezahlt werden und daß ihm der monatliche
Vorschuß von 100 Gulden erhalten bleibe, denn
er rechnete mit der Beendigung des Werkes in
einer zweijährigen Frist".
Am Ende der siebziger Jahre entschloß er sich,
die Arbeit in der alten Edelsteinschleiferei im
Ärnnl der knicarmfilxln in PrnnJZiil-mnn? Äin unn
1700 Reich staler
gen, WCIS GCIFZU VOHHQTÜE" SO SCHUB" WIE ITIOQ-
lich erneut werde. Im Spätsommer des Jahres
1679 gelang es, die Renovatian der Schleifmühle
zu beenden abgebrönte geweste Schleuf- oder
Polirmühl in bubenetsch", und zwar vor allem
dadurch, daß Ferdinand Eusebius persönlich, aus
eigener lnitiative große, passende Schleitsteine
ausfindig machte und sie in die Kaisermühle
transportieren ließ, nur damit im Herbst die Ar-
beiten begonnen werden konnten".
Die kleinere und anspruchsvollere Schöpfung,
vor allem das Schneiden auf dem Mantel wert-
voller Becher, war das Privilegium der Werkstatt
im Hause des Schatzmeisters auf der Prager
Burg. Während der Koniunkturzeit in den sieb-
ziger Jahren arbeiteten dort außer dem Meister
Ferdinand Eusebio mindestens drei Gesellen,
denen er monatlich bis 10 Gulden zur Kost und
Wohnung zahlte ein Beweis für gut bezahlte
Meisterarbeit, denn selbst Miseroni, als des Kai-
sers Edelsteinschneider, bezog 15 Gulden, wei-
ter fünf Hilfsarbeiter so die Räd trähen", denen
täglich bis 10 Groschen, außer der Kost und
Wohnung, ausbezahlt wurden. Die eigentliche
Edelsteinschneideschöpfung war physisch sehr
anstrengend und ständig bedroht durch die
leichte Gebrechlichkeit oder außerordentliche
Härte einiger Minerale, aber vor allem zeitmäßig
sehr anspruchsvoll. Denn selbst die Zeugenaus-
sage von Miseroni besagt, ein Gesell thue an
einem Mittern Geschirr fast Jahr und tag arbei-
ten".
Das große Werk der Edelsteinschneiderei, das
er an den Kristallen des Kaisers in ienem Herbst
1672 begonnen hatte, wird langsam vollendet.
lm September des Jahres 1678 übergab er eine
gewisse Arbeit in Jaspis und Kristall geschnitten",
und es wurde ihm eine Lohnnachzahlung in der
Höhe von 1800 Talern angewiesen. An der Neige
des gefährlichen Jahres 1679, als er wegen der
Pest die Anzahl der Beschäftigten auf ein Mini-
mum reduzierte, erreichte der monatliche Lohn-
vorschuß 3300 Gulden, und die weitere Auszah-
lung wurde eingestellt".
Die böhmische Kammer läßt durch Vermittlung
14
ßlgßmm 114; 5014.
o."
ß-JHJL
1.61743 nun- 11,5,
'54
.1.l',..,f A. 104, x19
51!"- .2..,
uuuu n. UVRUIIIIVCII lveßwll w. vw- N..-
weitere 16 wertvolle, vorwiegend reichlich
rierte geschnittene Gläser, Muscheln und
und sechs Krüge mit Blumen aus böhrr
Jaspis. Es scheint, daß er zu seinem künstle
Profil nichts Neues hinzugefügt hat. Im
teil. Bei einigen Motiven kehrt er zurück
sechs schöne Blumen grug sambt den blurr
böhmischen Jaspis" sind fast eine progr
tische Rückkehr im Entwurf Thema und
Wahl des einheimischen Edelsteinmoter
den erprobten und beliebten manieris
Werken von Dionysio. ln zwei Jahren 1671
erhielt die Wiener Schatzkammer aus Mi
Werkstatt unter anderem
lttem sechs Blumen grug samt den Blum
böhmischen Jaspis,
lttem ein Muschel gar schön wie eine Mee
auf einem Fuss,
lttem ein grossen vieregeten Becher au
seitten eine schöne grosse Beumen dan
schnitten,
lttem ein geschier in form drey Muscheln,
lttem ein Geschier mit bossen darauf
sche laubwerkh,
ittem ein schönes geschier mit handthat
einem Stuckh
Persönlich hat er dann dem Kaiser überge
Erstlichen eine schöne Christallene flasch
lttem ein schönes grosses stuckh schön
ein fuss darauff ein halben blaren K01
laubwerkh,
lttem ein schönes groses Tobotzeness
auf ein fuss,
lttem zwey schöne hohe glessel darauff
ten Weintrauben sambt der DeckelÄ"
Die Zeit der großen Einkäufe und langf
Arbeitsverpflichtungen ist vorbei. Der Ka
stötigt dies selbst von neuem um zwei J'al'
ter, als er anordnete, T493 Taler für die
nicht gänzlich aufgeklärten neun Stück
obiekte zu bezahlen". Auch betonte er
tig, wenn inskhünftig dergleichen chri
Geschüer geliefert werden, daß solche
iedesmahl durch gewisse disfalls vers
Verbessertes adeliges Wappen des Dionysio
Miserani aus dem Jahre 1653 nach Wunschwitzt
A. Puchner 1776-1852, kaiserliche Schleifmühle
in Prag-Bubenec, Aquatinta
Schleifmaschine zum Polieren der Edelsteine
Handarbeit, Nach Anselm Boetia de Baadt,
Gemmarum et lapidum histaria, Hanaviae,1609
10 Skizze einer Tasse mit Henkel und Goldmon-
tage, aus einem Stück Bergkristall geschnitten
Bearbeitet im Atelier der Miseroni im Herbst
1672. 13,1 cm, einschließlich Henkel 22,3 crn
11 Grundriß der Kristalltasse mit verstärktem Hen-
kel. Viz. Abb. Nr.
12 Wappen der Familie Miseroni auf der Trauer-
parte von Dionysios Bruder Jaann Ambrosio,
Buchhalter der Hofkammer in Prag.
13 Kristallglas mit Schroubenverschluß, signiert
F. E. M., um 1765. 312 mm. Sammlung des
Kunsthistorischen Museums in Wien, luv--
Nr. 2341.
fgäiäj
Namenszug des Ferdinand Eusebia Miseroni
aus dem Jahre 1679.
Anmerkungen 10-17
Über die Existenz dieser kaiserlichen Schleifrriühle exi-
stierte bis ielzt kein verläßlicher Bericht. Die entdeckten
Archivrriaterialien erlauben uns ietzt ihre Entstehung
nach dem Jahre 1556 über den Zeitraum des Autbluhans
der Arbeit an der Wende des 16. und 17. Jahrhunderts
bis zum Ende ihrer Taligkeil in den siebziger Jahren des
17. Jahrhunderts, unter des letzten Verwalters Ferdinand
Eusebia Miseroni, zu verfolgen. Sianislav Urban, Die
ksäerliche Edelsleinmiihle in Prag, Glasrevue, Prag-M
SZA, BHK 1677, Schachtel 633.
Die Vorauszahlung von 100 Gulden wurde ihm für die
Schneidearbeil regelmäßig ab März 1677 bis November
1679 ausbezahlt. SZA, 5M S,21-7,1680.
"Verzeychnus derianigen auss lhra
gncidigsten befelch von christallenen vertertigten kast-
bahren trinckhgesthier von 1673 eirigehöndiget habe."
Die 14 ausgelassenen Werke stimmen mit der Speziti-
kation vorn Janner 1677 überein, SZA, SM 21-7, 1680
Erst die Konfrontation mit den erhaltenen Kristallabiek-
ten der sdnirniung des Kunstgewerblichen Museums 1T!
Wien wird in diesem und in den vorhergehenden Fällen
helfen, die Werke von Ferdinand Eusebio Miseroni end-
gültig zu bestimmen. Durch die Liebenswürdigkeit von
Dr. Erwin Neumann, Direktor der Sammlung für Plastik
und Kunstgewerbe des Kurisihistarissheri Museums iri
Wien, ist es 1. ß. gelun en, einen der gezeichneten
Abrisse von Ferdinand E. iserani als Kanne mit einem
dichten, tiefgeschnittenen vegetabilischen Ornament zu
lbestimmen. lnv.-Nr. 1428, der von ihm verwalteten Samm-
urig.
ßReskript des Kaisers Leopold vain März 1682. SZA,
SM S. 21-7, 1682.
Undatierter Brief an den Kaiser, dem ein Verzeichnis
van Arbeiten beigelegt war. SZA, SM 21-7, 1680.
"Ausführlicher Bittbrief van Elisabeth Miseroni an die
lrEBhlTllSChE Kammer vom 21. August 1684, SZA, SM S. 21-7,
4.
Kaysl. Ml aller-
Unser Autor
Dr. Stanislav Urban
Direktor des Muzcum Skla Bizuterie
Jiraskovd ul.
Jabloriec riad Nisav
kleine, unversorgte Kinder, mit welchen er in ge-
mieteten Räumen auf der Prager Burg lebt".
Von einem Schlaganfall getroffen, starb er, uner-
wartet und für die Familie schmerzlich, am
17. Juli 1684,
Maria Elisabeth Miseroni, arme, verlasene, mit
sechs unerzogenen kleinen Kindern in dem be-
trübten Waisenstand gestelte Wittib", bemüht
sich mit Hilfe des ältesten Bruders ihres Gatten,
Johann Octavio, zumindest das Dach über dem
Kopf zu retten und dadurch auch die Werkstatt
und die Möglichkeit zur weiteren Arbeit, denn im
Hause verblieben noch etwelche Stuck Christallen,
so lhrer kais. Mt. gehörig seind". Nach Überein-
stimmung mit des Gatten Bruder unterbreitet sie
13
gelernet, undt unlängst von ihm wieder in die
Dienste aufgenomben worden
Die böhmische Kammer stimmt damit überein,
daß es der Witwe vergönnt sei, im Schatzmei-
sterhaus auf der Prager Burg zu verbleiben und
mit dem ausgesuchten Gesellen die übriggeblie-
benen Kristalle zu verarbeiten, die ihr dann Stück
um Stück ausbezahlt würden.
Damit wurde dann definitiv die Edelstein-
schneidearbeit auf der Prager Burg beendet,
die während 100 Jahren, durch drei Generationen
der italienischen Miseroni, den Ruhm der Edel-
steinschneidekunst verbreiteten, damit sie im
böhmischen Glas des 17. und 18. Jahrhunderts
ihren kongenialen Fortsetzer fand.
zrich Worbs
nbekannte" Bauten
Projekte von A. Loos
der CSSR
emerkung
er Aufsatz beruht auf der Auswertung van
missen einer Reise durch die CSSR
lailJuni 1973 zusammen mit den Wiener
gen G. Heller und G. Friedler; bekannte
an wie das Haus Müller sollten besichtigt
an. verschollene" Bauten und Projekte! van
sollten ermittelt werden.
ler Veröffentlichung eines Artikelsl über das
Haus" von Laos in dieser Zeitschrift
sich die Möglichkeit, in Anknüplung an
Aufsatz. Ergebnisse van Untersuchungen
ekannter" Loos-Bauten und -Projekte zumeist
1930 darzustellen. und zwar die Villa des
lrdirelrtars in Hrusovany Brno 1918119, das
ktierte Haus H. Jurdan, Bmo 1931, die
Dr. Winternitz, Praha 1931l32, sowie ein
es Einfamilienhaus-Projekt 1933, das mit
von Dr. F. Müller beschriebenen "letzten
"identisch ist. Pläne und Manuskript kannten
'11 Haus Müller3 einsehen.
äsieiieiehiseh-rsaheuiusiawakisehe Gesellschaft, Wien,
ItE über die tschechoslawakische Gesellsdiaft im inter-
iale Beziehun en Ceskoslovenskä spolecnost pTO me-
idrii styky, raha, eine Einladung des technischen
ektenbundes Svaz ardiitektü CSR. Der Ardiitekten-
vermittelte uns durch Führungetu in EWIG und Praha
lugnn zu den von uns gewünschten Bauten. Wir dan-
en beiden Kollegen Frau Doc. oi. M. aenesava, Praha,
lerrn Doc. r. Haas, Brno, im ihre Freundlichkeit, Südt-
und Bemühungen, uns sonst unzugängliche Bauten
schließen.
erkun en 1-8
Sie ung" Babi u. Nachod für den Textilfabrikanten
Moller für den Loos 1927 die Villa in Wien baute
aus Platz ründen hier nicht dar estellt werden S.
t. 10, S. 30.gie Siedlung eine Zei von acht Reihen-
sern ist gut erhalten, von uns fotografiert und besich-
wordon. Die Villa des Dr. Kapsa 1929, Praha-Dejvice,
Piesypu ist von Frau Dr. Benesovä als nicht existent
ittelt werden. Eine Villa von einem anderen Archi-
Sn fjir einen anderen Bauherrn ist dort 1931 errichtet
an.
Klingenberg-Helfert, Das letzte Haus" von Adolf
sd-aizn Alte und moderne Kunst, 20 1975, H. 138,
Einschätzung der Villa Müller von Frau J. Klingen-
g-Halfert als einem heute so verkommenen Haus",
heute nur nodi ein kahles Skelett ist, das zweck-
lremdet benutzt wird", ist entschieden zu wider-
edien. Bei Besuchen 1967 und 1973 habe ich keine
ren von Verfall, Verkommenheit oder Zerstörung be-
ken können. Das Haus besitzt noch alle eingebauten
ael, viele bewegliche Möbel mit originalen Bezugs-
fen, Beschlägen etc. Das Haus wird seit Jahren van
tn staatlichen Schulbuchverlag benutzt, dessen Mit-
eiter durchaus das Vergnügen zu schätzen wissen, in
am der schönsten Bauten von Loos zu arbeiten.
Kulka, Adolf Laos Das Werk des Architekten, Wien
F. Glück, Adolf Loos, Paris 1931; L. Münz, Adolf
Milana 1956; L. Münz, G. Künstler, Dar Architekt
tlf Loos. Wien 1964; M. Kubinszky, Adolf Loos, Buda-
1967, Berlin DDR 1970.
tukschcia, Stu ien zu aus eführten Entwürfen, Projekten
Bauten von A. Loos 187 1933, phil. Diss., Wien 1973.
we H. Kulka, Abb. 94; B. Rukschcio. S. 119, Abb. 256
H. 108.18.
ieM. Kubinszky, Abb. 20; H. Czech, Fabrik und
in Hrusovany, in Bau 25 1970 H. S. 12-15.
zh frdl. Mittisilun von Herrn Doc. F. Haas, Brno, der
auch die Grun risse überließ. Die Abb. sind umge-
hnet bzw. rekonstruiert.
Einleitung Ziel der Darstellung und
Analyse einiger Bauten und Projekte
von A. Loos
Was können Darstellung und Analyse einiger
Bauten und Projekte von Loos vom Anfang der
dreißiger Jahre für das Verständnis seines Wer-
kes erbringen? Nach meiner Meinung kann da-
durch das Verständnis vertieft werden für die
Entwicklung eines architektonischen Entwurfskon-
zepts, auch für dessen Ziele, die ja auch bei
näherer Untersuchung immer deutlicher werden,
sowie für die architektonischen Mittel, die zur
Erreichung dieser Ziele eingesetzt werden.
Die bisher über Loos erschienenen größeren
Monographiem können aus verschiedenen Grün-
den dieses Verständnis nur vorbereiten, nicht
jedoch durch eingehende Analysen empirisch
vertiefen, der wichtigste Grund ist sicher die
erst Ende 1972lAnfong 1973 abgeschlossene Auf-
bereitungs des Loasschen Nachlasses in der
Graphischen Sammlung Albertina, Wien. Als
Beitrag zur Katalogisierung und systematischen
Erschließung des Werkes von Loos versteht sich
denn auch dieser Aufsatz, in dem bislang un-
veröffentlichte Materialien zugänglich gemacht
und einer Typologie des Loosschen Entwerfens
eingeordnet werden sollen.
Darstellung und Analyse der
ausgewählten Bauten und Projekte
Direktorenvilla in Hrusovany Brno 1918i19
Erhaltungszustand, gegenwärtige Nutzung, Quel-
len und Dokumente
Der Bau ist in leidlich gut erhaltenem Zustand
mit einigen älteren und neueren Zubauten
Außentreppenhaus, Uberbauung" der Terras-
sen. Die ehemalige Villa des Direktors der da-
maligen Rohrbacher Zuckerfabrik Eigentümer
zur Bauzeit V. v. Bauer, Brünn, die etwa
300 Meter südlich von der Fabrik etwa in de-
ren Längsachse liegt, wird heute im Erdge-
schoß als Betriebsambulatorium der heutigen
Schuhfabrik genutzt, das Obergeschoß ist in
Wohnungen aufgeteilt. Der Eingongsbereich der
Villa mit den für Loos typischen Glastüren mit
quadratischen Sprossenfeldern wie auch das Ve-
stibül mit der gewandelten Holztreppe ins Ober-
geschoß und seiner Täfelung alles in dunkel
gebeiztem Eichenholz sind sehr gut erhalten,
wenn man die Entstehungszeit in Rechnung setzt.
Die Villa wird seit der Loos-Monographie von
H. Kulka zum Werks von Loos gerechnet, bisher
sind nur Fotogrofien' publiziert worden; es feh-
len die Grundrisse, Schnitte, Ansichten, die den
Entwurf erst objektiv beurteilbar machen. Ne-
ben eigenen Skizzen von der Begehung Ende
Mai 1973 und den erwähnten Fotos standen mir
für den Versuch einer Rekonstruktion der Pläne
drei Grundrisse einer Bauaufnahme aus Hruäo-
vany vom Anfang der fünfziger Jahre" zur Ver-
fügung.
Bau- und Raumanalyse der Villa in Hruäovany
Der Baukörper der Villa in Hrusovany ist ein
Quader von ca. 29x15 Meter Grundfläche und
ca. 11 Meter Höhe. Die Blockhaftigkeit des Bau-
körpers wird durch das Flachdach betont. Am
Nord- und Südende sind im Obergeschoß ca.
Meter tiefe Terrassen angeordnet, die Süd-
terrasse ist zum Teil noch erhalten, die Nord-
terrasse vollständig in einem Erweiterungsbau
des Obergeschosses aufgegangen. Das Oberge-
schoß ist reduziert auf 19x15 Meter Fläche
durch die beiden Terrassen, die nicht bloß von
einer massiven Brüstung begrenzt, sondern auch
je sechs Pergolapfeiler aufweisen oder aufge-
wiesen haben, die einst Holzbalken getragen
haben. In der Querachse liegt nach Westen eine
hochgelegene Gartenterrasse, ca. 2,5 Meter vor
einer tief eingeschnittenen Loggia vorsprin
beiderseits der Loggiaterrasse führt je ein
penarm in den Garten hinab, flankiert vor
fach abgetreppter massiver Brüstung. Der
eingang befindet sich auf der der Fabrik
wandten Nordseite; ln das tief eingeschr
Portal führt flankiert von zwei als Brüst
fungierenden Postamenten eine Treppe
Die Wandflächen der Fassaden sind glat
putzt, sie springen ca. 10 Zentimeter al
ein über einem 1,8 Meter hohen Sockel, di
gefähr die Fußbodenhöhe des Erdgeschoss
gibt. Ein leichtes Geländegefälle zum
Westen hin wird auf der Gartenseite
eine Art erhöhte Estrode von ca. 30 bis
timetern ausgeglichen, in der Fluchtlinie de
rasse vor der Loggia und der beiden Tre
arme, von der Estrade führen an den
Ecken der Villa kurze Abgänge von dre
fen in den Garten hinab, flankiert von
hohen Postamenten für Pflonzentöpfe.
Da das Gefälle schon vor dem Haupteii
deutlich merkbar ist, sind dort zwei Stui
den Boden eingefügt, die so zwischen
tem Gelände und dem ebenen Geländer
gartenseitiger Estrade vermitteln.
Die vier Fassaden sind durch stehende, lie
und quadratische Fenster sowie durch
Haupteingang auf der Nordseite, Loggic
tenterrasse mit Treppen auf der Westseite
lereingang auf der Südseite sowie die Ol
schoßterrassen mit den Pergolapfeilern unc
ken durchweg in spiegelsymmetrischer
nung gegliedert.
Die Grundrißbildung und das ist einig
Ben überraschend für Loos zeigt im
Erdgeschaß und Obergeschoß einen Mit
mit zweibündiger Anlage. Das noch einig
Ben sicher rekonstruierbare" Raumprog
umfaßt im Erdgeschoß Eingangsbereic
stibül mit Aufgang ins Obergeschoß,
und andere Wirtschaftsräume, eine Falg
Wohnräumen, die Loggienhalle, davorl
und Terrasse, zwei weitere Räume vi
lich Herrenzimmer und Bibliothek. Die Be
und flankieren den Eingang, die
räumeflucht einerseits und die Halle
die kleinen Arbeitsräume andererseits
kieren den Mittelflur. Sie sind von ihm
schlossen und untereinander mit Durch!
türen verbunden, die Wohn- und Arbeits
durch ein Kabinett am Ende des Mitt
kurzgeschlossen. Die Grundrißbildung
Obergeschoß ähnlich schematisch Die i.
gewendete einarmige breite Treppe ins
geschoß geschickt unter der einspring
Obergeschoßterrasse nach oben geführt-
det in den Mittelflur, der Elternschlafräui
auf der Ostseite und Kinderzimmer mit Si
räumen auf der Westseite erschließ
Nordterrasse ist neben der Treppe vom
flur aus direkt betretbar, die Südterrass
von den je angrenzenden Räumen.
Der Villenbau mit seiner zweiseitigen Teri
rung dokumentiert die weitere Arbeit vor
an der Terrassierung von Villenbauten ur
Versuche, das Terrassenkonzept, das um
1912 erstmals auftaucht Haus Scheu, mit
ren klassizistischen Konzepten, hier der
terrasse mit zweiarmigem Treppenabga
den Garten vgl. Haus Steiner, 1910, zi
schmelzen. Die lnnenraumkonzepte Rau
etwa des Goldman Salatsch-Geschäl
Michaeler-Haus, 1910l11 oder der Rau
im Haus Mandl, 1915 werden von Loos
eingebracht, nicht einmal differenzierte
Raumfolgen, wie sie im Haus Scheu enh
worden sind, werden hier von Loos rea
Das Mittelflursystem mit den beiden Tragn
MBB UREKTWENVILLA IN HRLSOVANY 1918179 GRUNCRISSE AB. SCHNITT
rektorenvillo in Hrusovany Brno 1918119
Grundriß Erdgeschoß
Eingangsbereich Vestibül Garderobe mit
appe zum Obergeschoß Vorraum WC
lüche 6Speisekommer 7Personulrcium
Vlilteltlur Halle lÜ Loggia und Terrasse
Treppe zum Garten ll Speiseraum
SalonslWohnröume "I3 Kabinett 14, 15
wrenzimmer Bibliothek 16 Estrcde
Garten
B. Grundriß Obergeschoß
Mittelflur Nordterrusse Südterrasse
Vorraum mit WC Verbindungsflur
Kinderzimmer Kindermädchen
Gast Elternschlafröume Gast
10 Bad .3
C. Schnitt
Minelflur Kellerräume Personal-
röume Speiseraum Halle
Lo gia und Terrasse Elternschlafzim-
mer Verbindungsflur Kinderzim-
mer 10 Zweischciliges Flachdach
dito
A. Westansicht
B. Nordcinsicht Anm. wahrscheinl. Anordnung
TürlFenster im OG
C. Oslunsicht
D. Südonsicht Anm wohrscheinl. Anordnung
TürenlFenster im OGI
dito Westfassade mit Terrasse und Loggia
dito Ostiassade
dito Südfossade mit teilweise überbouter Ter-
Laslse im Obergeschoß, im Hintergrund die Fav
mgayrr
Ziitllßil JIIIASIE
15A .f
..
.114
.3. 1..J; .k..-
PLAN
71
97"
yuw
ist fast nirgends aufgebrochen, mit verwinkelten
Raumfolgen überspielt, durch einen geschidd
inszenierten Bewegungsablauf differenziert. Le-
diglich die Loggienhalle unterbricht das starre
zweibündige Grundrißschema Sie belichtet den
Mittelflur, öffnet ihn räumlich in eine Art Quer-
achse zum Garten hin, gibt einen Empfangs-
platz für Gäste, von dem aus man in den Wohn-
bereich mit Eßzimmer und Salons treten kann.
Die Halle nimmt nicht die volle Breite der Loggia
ein, da das benachbarte Zimmer noch an die
Loggia angehöngt" ist und mit einem eigenen
Ausgang sich zur Loggia öffnet.
istcvssßne
raisssira
rlllGUS H. Jordan, Brno, Proiekt 1931 Plan II,
dito Süd- und Nordfassade
dito Schnitt
dito Isametrie
eaww
Anmerliun eri 9-12
"Siehe B. ukschcio, WV H. 706.31. P.
Pläne und Fotos überließ-mir Herr Ing. Arch. J. Zldmalr
arhd, der mir auch freundlicherweise die Veröffent-
lichung gestattete.
"Lediglich Dr. M. Kubinszky hat es ih seiner Monographie
bisher abgebildet Und gewürdigt. Er kannte allerdings,
wie er rhir mitteilte, deh sidhderi der Villa nicht, den
freundlicherweise Frdu Dr. M. Beneäava du unsere Bitte
hih ausfindig mdchie. Vgl. a. Ruksdicio, s. m. wv
H. 204.31.
"K. Lhota, Ardiitekt A. Loos, in Architekt SIA, xxxii
goss H. s. 137-143. Diese Veröffentlichung machte mir
rdu Benaäovü zugänglich.
F539?
fßi
Haus H. Jordan, Brno, Sedlakovd 27
Projekt 1931
Proiektgeschichte, Quellen und Dokumente
Das 1931 von Laos in Prag proiektierte di
schossige Terrassenhaus sollte auf einem vi
schossigen Einspönner-Mietwohnhaus viel
mit diesem zugleich errichtet werden.
Miethaus ist in einer Zeile von Geschoßh
bauten eingebaut errichtet worden ab
Plänen von Loos folgend, kann aus
zur Verfügung stehenden Fotos nicht errv
werden. Das Haus, von dessen Existenz un
dem nichts bekannt gewesen ist, konnte aus
Suw
18
en nicht mehr besichtigt werden. Einer
an Anekdote zufolge untersagte die Bau-
de von Brno dem Bauherrn die Errichtung
Iach-Terrassenvilla, die ia in der Tat sehr
über der viergeschossigen Wohnzeile auf-
twäre.
as Haus" sind wir erst in Brno von einem
tSWOlIHET hingewiesen worden. Ein Satz
Grundrisse des Miethauses, der Villa;
Ansichten; lsometrie sowie einige Fa-
Iam gegenwärtigen Zustand des Mietwohn-
standen für die Beschreibung und Ana-
es Proiektes zur Verfügung.
md Raumanalyse des Hauses H. Jordan
errassenhaus ist über dem 3. Obergeschoß
iner Grundfläche von ca. 14x11 Meter
nt worden. Die große Geböudetiefe von
etern, eine tragende Mittelmauer sowie
Stützenreihe die die Gebäudetiefe in
nspannweiten zu 6,1 3,3 4,4 Meter
tfft erlauben eine Terrassierung der drei-
assigen Dachvilla.
Sockelgeschoß" dieser Dachvilla nimmt die
tte Flüche ein und wird durch Wirtschafts-
'ersonalröume genutzt Küche, Spüle, Ab-
ium, Speisekammer, Waschküche, Trocken-
Mädchenzimmer mit Loggia, die eigent-
ur eine Verbindung zwischen Waschküche
rockenboden abgibt. Das Socke1geschoß"
über die Haustreppe und den Aufzug er-
sen. Ein breiter Flur im Sockelgeschoß mit
zrobe führt zu einer dreiarmigen geraden
mit zwei Viertelpodesten 14 Stufen, die
esucher ins Wohngeschoß aus dem Dun-
ts Helle hinaufsteigen lößt.
tlohngeschoß ist gartenseitig um ca. 6,0 Me-
Jf die Mittelmauer zurückgenommen und
lamit einer Terrasse Raum. Das Wohnge-
stellt sich dar als differenzierter Großraum
innähernd 90 Quadratmetern; die Wohn-
weist etwa in der Mittelachse quer zum
fsteigenden, etwa 1,5 Meter vom Austritt
eppe entfernt, eine 0,75 Meter hohe Raum-
auf, die von pfeilerartigen Verkleidungen
mt wird. Fünf weitere Stufen führen auf
höherliegenden Wohnbereich mit dem
tz.
teren Bereich der Wohnhalle ist eine Ka-
tCltE im seitlich vorn Treppenaustritt zu-
zgenden Raum abgegrenzt Zwischen dem
Pfeiler aus der Stützenstellung und einer
rartigen Verkleidung an der straßenseiti-
Vand. Die Kaminnische ist durch ein Fen-
ur Straße hin belichtet; sonst öffnet sich
ohnhalle auf beiden Niveaus nur auf die
Terrasse 75 qm hinaus, und zwar im
E11 Bereich durch zwei Fenstertüren mit
darüber querliegenden Oberlicht, im obe-
ereich durch eine sehr breite Fenstertür
en gleichfalls erhöhten Teil der Terrasse
dem Niveausprung des Wohnbereiches
icht ein gleicher auf der Terrasse. Unterer
xberer Terrassenbereich sind durch eine
gerade Treppe mit fünf Stufen verbunden
urch einen Pflanzentrog getrennt. Elf Per-
feiler dazwischen Stabgelönder be-
an die Terrasse nach außen.
Niveausprung, diese Raumstufe im Wohn-
aß wird durch unterschiedliche Geschoß-
2,5 bzw. 3,3 rn des Sockelgeschosses
achvilla ermöglicht Der dem Treppenhaus
Bereich Küche und Mädchenzimmer
3,3 Meter, der fernere Bereich mit Ab-
imd Trockenroum nur 2,5 Meter Geschoß-
aus; dadurch wird im Eingangsbereich
durch die niedrigere Decke Spannung
gt, die durch die Treppenführung dem An-
enden entgegen und durch das von oben
einfallende Tageslicht erhöht wird. Ein
saugsbl. HEIJZN
stammten zrauw
iggmztgtg DISDMZHGMWEN!
praktisches Ziel wird dabei mit erreicht Der
Treppenlauf wird durch die verringerte Geschoß-
höhe verkürzt, um eben die fünf Stufen zur
oberen Wohnebene.
Das Schlafgeschoß wird durch eine dreiarmige
gerade Treppe mit zwei Viertelpodesten und
19 Stufen von der oberen Ebene an der Brand-
mauer empor erschlossen, vom Austritt der
Treppe erreicht man einen Flur, an dem ein-
bündig zur Gartenterrasse hin drei Schlafzimmer
angeordnet sind, am Ende des Flures erreicht
man das BadlWC. Vor den Schlafzimmern kragt
ein 1,2 Meter breiter Balkon mit Stabgelönder
über die ganze Breite durchgehend aus. Ein
Flachdach deckt die Dachvilla.
Villa Dr. Winternitz, Praha-Smichov,
Na Cihlafce 10 1932
Proiekfgeschichte, Erhaltungszustand, Nutzung,
Quellen und Dokumente
Nach Auskunft der Bauherrin, Frau Winternitz,
hat Laos selbst noch bei seinen Aufenthalten in
Prag 1931 die Villa entworfen und hat die Ent-
wurfskizzen mit dem Ehepaar Winternitz durch-
gesprochen. Die Pläne haben sich bis vor eini-
ger Zeit im Besitz von Frau W. befunden. Das
Haus ist dann unter Leitung von Prof. K. Lhota,
Amwabou 1.005
ymis, rexsiz 141
Prag, errichtet worden, der auch schon am Bau
der Villa Dr. Müller beteiligt war.
Das bisher unbekannte" Haus" ist gut erhol-
ten, vor allem im Innern. Es wird seit Jahren als
Kindergarten benutzt, die große Wohnhalle
dient als Gruppenraum, die vorgelagerte Ter-
rasse wird als Zugang zum Garten und die
Schlafräume im Obergeschoß werden als Ruhe-
räume verwendet. Die Küche wird für die Zu-
bereitung kleiner Mahlzeiten für die Kinder ge-
nutzt, die Bibliothek dient der Verwaltung durch
die Direktorin.
Neben Skizzen von einer eingehenden Besich-
tigung und eigenen Fotos Anfang Juni 1973 steht
eine Veröffentlichung" über das Haus zur Ver-
fügung, die neben Fotos drei Grundrisse zeigt.
Ansichten, Schnitte und Grundriß des 2. Ober-
geschosses sind von mir rekonstruiert.
Bau- und Raumanalyse der Villa Winternitz;
Der Baukörper der Villa Winternitz erscheint
als kompliziertes Gebilde von sich durchdringen-
den Körpern und eingeschnittenen Luftrüumen
Charakteristika, die sich als gewisse Zuspitzung
von volumetrischen Tendenzen im Werk Loos'
erklären lassen Die oberste der drei Terrassen
wird von Rahmenformen überspannt, die sich
sowohl von Laos' Neigung für Pergolen auf
19
kt"? 4.122533
FIT-i 131i-
Dachterrassen vgl. Villa in Hrusavany,
H. Jordan als auch von seinem und
Zeitgenossen Gedanken, Pfeiler und St
steine als Auflage für freie Balken" zu
zen, um einen Freiraum, etwa DGChlETFOSSI
rahmen", auch um Vorhänge, Markisen,
nendächer anbringen zu können. Den
per der Villa Winternitz kann man geami
beschreiben als Durchdringung zweier un
breiter Dreiviertelquader von annähernd
förmiger Gestalt mit ausgeschnittenem Vi
eines stehenden und eines liegenden Dft
telquaders. Dem liegenden Quader ist nai
schmaler niedriger Quader als Gartente
vorgelagert; darüber hinaus ist aus dem
Viertel noch ein Sechzehntel herausgesch
so daß sich eine dritte Terrasse bildet. Die
turen des Quaders werden durch die vier
men über der Terrasse markiert.
Ein Blick in die Grundrißdispasition lehrt
es sich um eine von dieser abgeleitete"
metrische Durchdringung und Verschneidun
Körpern handelt Der Quader der
Wahnhalle wird überlagert vom Quade
geschlossenen Räume. Die Grundrißkonzi
ist dreizonig, wie häufig bei Laos seit
der zwanziger Jahre vgl. Projekt Dr.
Maison Tzara, Haus Müller neben den qi
tischen zweizonigen Grundrissen, deren
wörtige" nach Norden gelegene Zone T-t
seitlich erweitert worden ist. Die seitliche
terung wird nutzungsmößig mehr oder Wl
stichhaltig begründet", im 2. Obergeschal
diese seitliche Ausdehnung dann auf die
zone erweitert, um im 3. Obergeschoß
ganz zurückgenommen zu werden, so da
Eindruck von sich durchdringenden" QL
entsteht. Wenn man sich einen flüchtigen
blick über Loos' formale Mittel insbes
im Hinblick auf die Ausbildung der Baul
verschafft, dann kann man sagen, daß
nichts ferner liegt als ein konstruktivis
oder elementaristisches Spiel von sich durc
genden Volumina" wohl gibt es additiv
figurationen ousspringende Erker, Bc
Terrassen, einspringende Loggien, Türni
Portale etc. in seinen Bauten.
Daß der in den Außenformen differenziert
körper Aufschluß über die inneren Raum
sitionen gibt, wird weniger durch die Vol
als vielmehr durch die Art, Größe und
nung der Öffnungen, also Fenster und
vermittelt. Man erkennt in der Überecki
den Niveausprung im Hochparterre des
geschosses, das sich mit der hohen Drei-Fi
und-Tür-Gruppe auf die schmale Gartente
1'200 VF
4A!!!
IZnKÄV-i
PHm-w-
.01 1.. r''4irn
20
I0 Villa Winternitz, Praha 1932
ll dito Außenansicht
I2 dito lnnenansicht Wohnhalle
Außenansicht
I3 dito
A. ErdgeschoßlKellergeschoß
B. Hauptgeschaß
l. Obergeschaß
D. 2. Obergeschoß
öffnet, ohne weiteres an den hähergelegenen
niedrigeren Seitenfenstern und an der Eingangs-
tür mit seitlicher Befensterung darunter zu ebe-
ner Erde.
Der horizontale um das Haus umlaufende Sok-
kel gibt in etwa die Fußbodenhöhe des höher-
gelegenen Wohngeschosses an man erkennt
das unschwer an der Höhe der Fensterbrüstung
und läuft bündig in die Brüstungsoberkante der
Drei-Fenster-und-Tür-Gruppe zur Terrasse hin.
Also gerade durch das horizontale Umlauten,
das keinen Versprung zeigt wie innen der Fuß-
boden, läßt sich der Versprung ablesen, eben
durch den Bezug zu den Fenstern.
Die Dreizonigkeit derGrundrißdisposition wird ia
nicht nur durch die Fensteröffnungen wie auch
durch die geschlossene Wandflöche angegeben,
sondern natürlich auch durch die drei Terrassen,
wobei immer das Dach der davorliegenden Zone
der dahinter als Terrasse dient. Die unterste
Terrasse zum Garten muß der vordersten Zone
vorgelegt werden. Bei der Betrachtung der Fas-
saden des Baukörpers wird auch deutlich, daß
der im Niveau vorspringende Fußboden sich in
die Grundrißzonen einfügt und nicht wie z. B.
beim Haus Jordan quer zu den Grundrißzonen
und damit auch zum konstruktiven System ver-
läuft.
T2
Das recht umfangreiche Raumprogramm Ein-
gangsbereich, Hausmeisterwohnung, Keller;
Wohnbereich mit Küche, Eßplatz, Bibliothek;
Schlafbereich mit Kinderzimmern; Gästezimmer
hat Loos in dieses dreizonige Grundrißsystem
und in ein dreistufiges Aufriß- und Schnittschema
ähnlich wie beim Haus Müller und anderen
Projekten zuvor eingeordnet.
Ein Gartenweg führt vom Eingangstor an der
Straße seitlich ans Haus heran, kurz vor dem
seitlichen Vorsprung der Rückseite des Hauses
findet man einen schmalen Eingang, begleitet
von seitlichen Fenstern, in der Seitenfassade.
Der Eingangsbereich im Innern ist flächenmäßig
sehr klein ausgelegt, Garderobe und WC links
etwas abgegrenzt, geradeaus direkter Zugang
zur Hausmeisterwohnung, rechts der Aufgang
zum Wohngeschoß.
Vom erdgeschossigen Eingangsbereich gelangt
man über die kurze Stichtreppe mit sechs Stufen
hinauf auf das Niveau der großen Wohnhalle,
auf die man von außen durch die hohen Garten-
fenster zur Terrasse hin und die hohen geschlos-
senen Seitenwände aufmerksam geworden ist.
Zwischen zwei Pfeilern hindurch kann man rech-
terhand die hohe Wohnhalle betreten oder von
diesem Zwischenpodest aus über einen kurzen
gewendelten Treppenarm mit acht Stufen die
innere Terrasse", den oberen Wohnbereich
mit Eßbereich links und einem Sitzbereich rechts
vom Treppenaustritt erreichen. Diesem Austritt
gegenüber befindet sich der Zugang vom Haupt-
treppenhaus, das als vertikales Verkehrselement
in der Mitte der Rückfront, der Nordfassade,
vom Garten her zugänglich, das gesamte Haus
vorn Keller bis zur Dachterrasse erschließt.
Dieser erweiterte obere Wohnbereich ca. 1,2
Meter über dem Niveau der fast 60 Quadrat-
meter großen Wohnhalle ist mit Holzpaneel-
brüstungen zwischen den hohen Pfeilern zur
Wohnhalle hin abgegrenzt. Man sieht selbst
heute noch durch inzwischen eingebaute Ver-
glasung wie von Theaterlogen aus in einen
Theaterraum hinab Loos. Der obere Wohnbe-
reich wird an den Schmalseiten durch breite
fünfflügelige Fenster belichtet und zusätzlich
wenn auch schwach durch die drei hohen
Fenster der Wohnhalle zum Garten hin. Die
dritte Zone im Wohnbereich auf dem glei-
chen Niveau wie der obere Wohnbereich
wird von der Küche, dem Treppenhaus und der
Bibliothek eingenommen. Türen zu diesen Ne-
benräumen, Schranktüren und dazwischen an-
geordnete große Wandspiegel gliedern die bei-
den Wände zwischen der oberen Wahnbereichs-
ebene und der Küchen-lBibliothekszone. Durch
die großen Wandspiegel wird der Raum des
oberen Wohnbereichs nicht illusionistisch erwei-
tert, sondern durch die Lichtreflexion erhellt und
auch durch den Blick der dort oben Sitzenden
durch die Spiegel in die untere Wohnhalle hinab
die räumliche Einheit des oberen und des un-
teren Wohnbereichs verstärkt.
Eine weitere Betonung des Logencharakters er-
fährt der obere Wohnbereich durch die Anord-
nung zweier Deckenlichtbänder in der Quer-
achse zu den beiden Pfeilern, die in der Längs-
achse einen Unterzug tragen, mit dem die Dek-
kenlasten auf die Pfeiler übertragen werden.
Die Deckenlichtbänder Glühbirnen hinter Milch-
glasscheiben in Metallrahmen, eingelassen in
21
ABB VILLA WINTERNITZ PRAHA 1932 ANSICHTEN ABC D. SCHNITTE EF
dito
A. Seitenansicht Wesi
B. Nordcnsicht
C. Seiienunsichi Ost
D. Südunsicht von der Siruße
F. Längs, Querschnitt
Keller Abstellraum Gurten Kell
Eingangsbereich Garderobe
ein ong Nebeneingang Treppenl
ersonalwohnun Gurienlerrass
Wohnhalle 'I'l berer Wohnbereich
Sitzen 12 MiNlere Terrasse 13 Kin
mer "I4 Elfernschlafzimmer "I5 Obere
16 Gästezimmer
Q1030
.195
64.80
1.15
.oso
1A;
-z.so
14
verputzte Robitzkästen, die in den Dimensionen
dem Unterzug entsprechen signalisieren die
Grenze" zwischen den beiden oberen Logen
und dem offenen Aufgang vom Erdgeschoß mit
dern Zwischenpadest in Höhe der Wohnhalle.
Außerdem haben sie die Funktion, den Auf-
gang, der in der Mitte des Grurldrisses, damit
in der Dunkelzone, liegt, zu beleuchten.
Das nächste Geschoß ist nur über das mittig
angeordnete Haupttreppenhaus an der Nord-
seite des Hauses zu erreichen. Vom Hauptpodest
der Treppe lassen sich seitlich WC, Gast- und
Kinderzimmer sowie Elternschlatzimmer mit An-
kleide und Bad erreichen. Loos hatte außerdem
die Möglichkeit eines zweiten direkten mittigen
Zugangs vom Podest aus ins Kinderzimmer und
damit dessen Querteilung in zwei Räume vorge-
sehen. Vor Kinder- und Elternzimmer liegt die
breite Dachterrasse über der Wohnhalle. Die
Terrasse wird erschlossen durch drei gleiche
dreiteilige quadratische Fenster mit mittlerem
Türdurchgang, die gleichmäßig in der Terrassen-
fassade ausgeteilt erscheinen. Zusätzlich sind
die Terrossenröume, die seitlich über die Flucht
der darunterliegenden oberen Wohnzone vor-
22
springen, seitlich mit fünfflügeligen breiten Fen-
stern belichtet. Die Räume, in der dritten Zone
mit schmaleren dreiflügeligen Fenstern seitlich
ausgestattet, sind nicht wie die Sanitärräume
mit zusätzlichen Fenstern in der Nordseite des
Hauses belichtet.
Das zweite Obergeschoß, über das Haupttrep-
penhaus erreichbar, nimmt rechts und links von
der Haupttreppe vermutlich nur ie einen Raum,
wohl Gästezimmer, auf; ob sich zu diesen Räu-
men Sanitärräume zugeordnet finden wie im
ersten Obergeschoß, kann nur vermutet werden,
da dieser Grundriß nicht publiziert und dieses
Geschoß von uns in der Eile nicht besichtigt
werden konnte. Die beiden Räume und das
Hcluptpodest der Treppe werden von niedrigen
breiten Fenstern belichtet, zwischen den drei Fen-
stern sind zu beiden Seit'en des Podests je eine
Tür zur Terrasse hin angeordnet. Vor den bei-
den Räumen erstreckt sich in der zweiten Grund-
rißzone die dritte Terrasse, überspannt von den
vier Rahmen. Die beiden äußeren Rahmen neh-
men die seitliche Flucht der ersten Grundriß-
zone, der Wohnhalle, auf; in den sehr breiten
Pfeilern sind Schornsteine für den Kamin in der
Anmerkungen 13-15
Das Proiekt fehlt bei B. Ruksdlcio im Werkw
da es erst im Juni 1973 aufgefunden worden ist.
Diese Unterlagen stellte Frau Dr. Benesova fre
weise in Kopien zur Verfügung. Ihre Veröffl
ist wie die aller anderen Dokumente durch
Architektü CSR, Praha, gestattet. Für Vermittlun
der CSSR-Militärrnission in Berlin West zu
fllchtet.
egl. dazu meinen Aufsatz Das Würfelhaus'
stellung und Analyse eines Proiekts van A.
liaufarum T975 H. 49, S. 9-11.
Wohnhalle bzw. für das Hausmeisterzin
Souterrain aufgeführt, die Rahmenbalkel
ßen bündig mit der Pfeileraberkante
gehen ins Umfassungsmauerwerk des
ßenden Flachdachs ein. Die beiden
Rahmenbalken liegen auf einem Unterz
von Außenpfeiler zu Außenpfeiler verlä
auf zwei Stützen in der Achse der beider
ren Rahmenbalken ruht. Die gortenseiti
rassenbrüstung springt bis zur Vorderkc
Außenpfeiler vor, die Stützen des Unter
doch stehen in der Flucht der hinterel
der Außenpfeiler, so daß ein Durchgal
von ca. 0,7 Meter zwischen Brüstung ul
zen des Rahmenunterzuges bleibt. An de
springt die Brüstung der Terrasse im Bert
vorkragenden Baukörpers der zweiten
rißzone vor die Flucht der Außenpfei
da der Baukörper des obersten Geschoss
in der Flucht der Pfeiler und des Wohnh
schosses seitlich begrenzt ist, ergibt si
räumliche Differenz mit dem vorspringen
schoß darunter, die so gelöst worden ist,
Flucht des unteren Geschosses bis in Br
höhe aufgenommen wird und dann das
zurückgenommen wird. Der Versprung, der am
Gebäude wie eine Art Schultern erscheint, ist
mit Blech abgedeckt.
Der räumliche Charakter dieser Terrasse im Ge-
gensatz zur freien Fläche der mittleren Terrasse
läßt sich als halbotfener, geöffnet-umschlossener
Raum bezeichnen.
Das letzte Haus" Posledni düm, Projekt 1933
Projektgeschichte, Quellen und Dokumente
Bei diesem Projekt" handelt es sich mit Sicher-
heit um einen Auftrag von Dr. F. Müller an
A. Loos, der schwerkrank zuletzt in Begleitung
einer Pflegeperson in den letzten Jahren seines
Lebens zwischen 1931 und 1933 mehrmals nach
Prag reiste, hauptsächlich wegen der Planung
und Ausführung der Villa Winternitz 1931l32
mit K. Lhota, aber auch wegen des Entwurfs
für das Haus Jordan 1931 und des Baus der
Siedlungshäuser in Babi Nachod 1931. Daß
das Haus für Dr. Müllers Tochter in Auftrag ge-
geben worden ist, erscheint möglich.
Neben dem Manuskript Dr. F. Müllers Posledni
düm", dotiert vorn 6. 2. 1934 haben wir in der
Bibliothek des Hauses Müller mehrere Blätter"
mit Entwürfen für ein Kleinwohnhaus je ein
Blatt mit vier Grundrissen und zwei Seiten in
Korrektur- und Reinfossung; ein Blatt mit vier
Ansichten dazu; ein großes Blatt als Variante
mit verlegtem Eingang mit drei Grundrissen,
zwei Schnitten, drei Ansichten eingesehen. Das
Korrektur- und das Ansichtenblatt sind signiert
Dr. M." und datiert 1. VI. 33". In das Kor-
rekturblatt sind zahlreiche Änderungen, Möblie-
rungsvorschläge und Streichungen einskizziert
möglicherweise von Loos. Der Obergeschoß-
grundriß der Variante ist an den vier Außen-
wänden mit den Himmelsrichtungen bezeichnet
Süd, West, Nord, Ost. Bemerkens-
wert ist, daß die Baubeschreibung des Klein-
hauses in Dr. Müllers Typoskript in allen Details
exakt auf diesen Entwurf zutrifft, nicht jedoch
auf den Entwurf, den Frau J. Klingenberg-Helfert
in dieser Zeitschrift veröffentlicht hat.
Bau- und Raumanalyse der beiden Prajektvarian-
ten zum Ietzten Haus"
Der Baukörper dieses Hauses, auf den Plänen
als kleines Einfamilienhaus" Domek pro jednu
radinu bezeichnet, ist als annähernd würfel-
förmiger stehender Quader von ca. 8x9 Meter
Grundfläche und ca. Meter Höhe zu bezeich-
nen; die Variante ist in den äußeren Abmes-
sungen gleich. Diesem stehenden Quader ist im
Erdgeschoß an einer Schmalseite eine flache
Gartenterrasse von ca. 1,0 Meter Höhe vorge-
legt, ohne Angabe einer Treppe, auch in der
Variante. Das Gelände ist, wie man den An-
sichten entnehmen kann, als zum Garten hin stei-
gend angegeben dieser Sachverhalt wird von
Loos für seine Eingangs- und innere Erschlie-
ßungslösung wirkungsvoll genutzt, wie wir sehen
werden.
Im Obergeschoß springt fast in der gesamten
Fassadenbreite ein Balkon vor, auch in der
Variante. Der Entwurf und die Variante zeigen
Dachaufbauten, die den Austritt auf das begeh-
bare Flachdach ermöglichen. Der Entwurf weist
einen Dachaustritt parallel zur Gartenseite, die
Variante senkrecht dazu auf. Der Entwurf zeigt
einen außenliegenden Kamin, der in der Va-
riante fehlt. Die außenliegende Anordnung ist
mit Rücksicht auf die Konstruktion des Hauses
gewählt worden; Holzfachwerk mit beidseitiger
Verbretterung auf einem Mauerwerkssockel.
Die Außenhaut des Baukörpers waagrechte
Schalung ist nur durch stehende, liegende und
quadratische Fensterfarmate sowie Türen durch-
brochen. Der erste Entwurf zeigt quadratische
senkrechte Schiebeflügelfenster einfach und
gekoppelt in den Seitenfassaden, zur Straße
hin vierflügelige Drehflügelfenster, vielleicht als
Faltflügel zu öffnen, zum Garten hin im Erd-
geschoß zur Terrasse eine dreiflügelige Fenster-
tür, im Obergeschoß auf dem auskragenden
Balkon einflügelige Fenstertüren.
Die Variante zeigt ähnliche, nur geringfügig ab-
weichende Fenster- und Türformen Die Schiebe-
fenster sind hier hochrechteckig, die gartensei-
tige Öffnung ist hier ein breites dreiflügeliges
Fenster mit mittlerem Durchgang. Während beim
ersten Entwurf keine eigentliche Treppenhaus-
befensterung vorgesehen ist, so zeigt sie sich
in der Variante über der Eingangstür als senk-
rechte Reihe schmaler einflügeliger Fenster.
Die Gliederung durch Öffnungen im Entwurf und
in der Variante zeigt die für Loos typische Mi-
schung von Gliederungsprinzipien Teil-Axiali-
tät, Teil-Symmetrie, freie Anordnung harmoni-
sche Flächenkomposition ohne Symmetrie und
Achsen, aber unter Aufnahme von Fluchten.
Der annähernd quadratische Grundriß mit seiner
sehr entwickelten Raumdisposition stellt sich als
Zweizonenkonzeption dar, deren tragende Mit-
telwand es Loos erlaubt, Deckenversprünge so
zu handhaben, daß eine ZS-Geschosse-Lösung
realisiert wird, d. h. die gartenseitige Zone
nimmt zwei hohe Geschosse auf, die straßen-
seitige Grundrißzone dagegen drei niedrige Ge-
schosse. Diese Grundriß und Aufriß integrie-
rende Raumdisposition gibt Loos die Möglich-
keit, räumliche Differenzierung und Ökonomie
unter einen Hut zu bringen. Straßenseitig liegen
drei Geschosse mit Eingangsbereich und Küche
im Erdgeschoß, Eßbereich und Bibliothek sind
Zwischengeschoß, Schlafzimmer und Bad im
Obergeschoß übereinander bei zwei Geschossen
zur Gartenseite; Wohnhalle und Schlafgeschoß.
Bei näherem Zusehen ist erkennbar, daß der
gesamte Grundriß noch einmal quer halbiert,
also geviertelt ist die drei straßenseitigen Ge-
schosse sind jeweils nicht auf durchgehenden
Geschaßdecken angeordnet, sondern wie der
Querschnitt zeigt unterschiedlich gegenüber
dem gartenseitigen Geschoßaufbau versetzt. So
liegt die Bibliothek auch aus Gründen der in-
neren Erschließung höher als der Eßbereich,
so daß unter der Bibliothek Küche und Entree
zu ebener Erde unter Ausnutzung des von
der Straße Eingang her zum Garten Wohn-
halle um ca. 1,5 Meter steigenden Geländes
Platz finden können. Der Eßbereich, gegenüber
der Wohnhalle um drei Stufen erhöht, war in
der Vorstudie mit einer sehr tiefen Fensternische
mit Einbaubuffet ausgestattet, um darunter den
WC-Vorraum-Bereich unterzuschieben. Die hoch-
gelegte Bibliothek zwingt wiederum dazu, dem
Bad im Obergeschoß ein erhöhtes Dach zu ge-
ben, das etwa 0,5 Meter über dem Flachdach
liegt, allerdings verborgen hinter einem brü-
stungshohen Attikaabschluß. Strenggenommen,
wird die 23-Geschosse-Lösung nur auf einem Vier-
tel der Grundfläche realisiert.
Diese Lösung wird auch bei der Variante glei-
chermaßen angewandt; Entwurf und Entwurfs-
Variante unterscheiden sich nämlich in der un-
terschiedlichen Lage des Zugangs zum Haus und
des Eingangs- und Küchenbereichs. Vermutlich
ist eine andere Zugangsseite gewählt worden,
weil im Entwurf durch den mittleren straßenseiti-
gen Eingang Küche und Eßbereich nicht nur
in der Höhe räumlich getrennt sind, so daß
weite Wege zu Speise und Geschirr anfallen.
Durch den seitlidien Eingang in der Variante
kann die Küche an die Wand des Eßbereiches
herangerückt werden; die Höhendifferenz rn
sollte wohl durch einen Speiseoufzug überwun-
den werden.
Wie erschließt, besser gesagt, wie integriert Loos
die einzelnen Raumbereichein seiner Disposition?
Vorn tiefgelegenen Eingangsbereich mit Garde-
robe und WC links vom Eingang ist die 33 Qua-
dratmeter große Wohnhalle über eine einarmige
gewendelte Treppe mit sechs Stufen in der
Variante vier Stufen zu erreichen. Der offene
Durchgang in die Wohnhalle ist genau in der
Querachse der Wohnhalle angeordnet, in der
Variante ebenfalls. Die Löngsachse der Wohn-
halle wird einmal durch die Anordnung eines
Kamins an einer Querwand ähnlich wie in den
Häusern Müller und Winternitz und durch eine
Sitzbank an der gegenüberliegenden Querwand
betont. Die Sitzbank erhält ihre symmetrische"
Rahmung durch den Aufgang und einen ent-
sprechenden" Sockel oder Schrank, einskizziert
in die Korrekturfassung des Entwurfs, die auch
Längs- und Querachsen-Skizzenstriche von
Laos? zeigt.
Der Aufgang mit neun Stufen zum Zwischenge-
schoß mit der Bibliothek als einarmige, am
Austritt viertelgewendete Treppe ist im Entwurf
frei in die Wohnhalle angeordnet, das heißt vor
der Mittelwand, in der Variante dagegen hin-
ter die Flucht der Mittelwand verlegt. Der Auf-
gang zur Bibliothek ermöglicht für die Keller-
treppe eine ausreichende Kapfhöhe. Das Podest
vor der Bibliothek liegt in der Variante, da die
Treppe 13 Stufen hat, um einige Stufen höher,
bedingt durch den seitlichen Erdgeschoßeingang
der Variante, der das Eingongsniveau höher
legt als beim Entwurf. Vom Bibliotheksniveau
erreicht man die Schlafzimmer im Obergeschoß
über eine am Austritt viertelgewendete Treppe
mit neun Stufen, in der Variante ist es eine
gerade Treppe mit acht Stufen. Eine ausreichende
Kopfhöhe für den Aufgang zur Bibliothek in
der Viertelwendung ergibt sich durch die kurze
Treppe mit sechs Stufen im Obergeschoß in der
Variante mit acht Stufen von der Ebene der
Schlafzimmer zur Ebene des Bades hinauf auch
für die Variante.
Von der Bad-Ebene aus ist über eine einschieb-
bare gerade Bodentreppe die Dachterrasse
über zwölf Stufen durch einen Dachaufbou, der
einen Austritt ermöglicht, erreichbar. Der Dach-
aufbau erhebt sich bündig zur Mittelwand. In
der Variante dagegen ist im Schnitt neben dem
verkleinerten Bad eine bündig zur Seitenwand
des Hauses geführte Treppe zu erkennen. Der
Dachaustritt in der Gebäudeecke ist allerdings
geometrisch nicht konfliktfrei, da noch der em-
porgeschobene Bad-Kubus überschritten" wer-
den müßte das Problem löste sich bei Um-
kehrung der Laufrichtung der Treppe.
Die gesamte Raumdisposition zeigt eine deut-
liche Nähe zu der eines anderen Anfang 1973
entdeckten Projekts eines Kleineinfamilienhauses,
des sogenannten Würfelhausesmf Insbeson-
dere die Lösung des Hauptgeschosses mit Wohn-
halle, Eßbereich, Bibliothek, Aufgang zum Schlaf-
geschoß ist eine fast gleiche, spiegelverkehrte
Wiederholung, nur die Eingangssituation im
Doppelgeschoß des Würfelhauses" ist räumlich
großzügiger entwickelt, da dem letzten Haus"
das durchgehende Sockelgeschoß fehlt.
Zusammenfassung Loos' Integration von
funktionellen Forderungen in einem
Raumkonzept
In diesem Aufsatz sind zwei Bauten und zwei
Projekte von Adolf Loos dokumentiert und in
ihrer baulich-räumlichen Struktur analysiert wor-
den, um einen detaillierten Einblick in die Loos-
sche Entwurfskonzeption von bisher nicht aus-
reichend bekannten Wohnbauten zu geben, die
als Abschluß eines jahrzehntelangen Entwick-
Iungsprozesses von Loos erarbeitet worden ist.
Dieser Entwicklungsprozeß ist vermutlich nicht
methodisch-systematisch angelegt und durchge-
23
15
16
17
Das letzte Haus", Projekt 1933
Entwurfsblutt mit
Grundriß Eingangsgeschoß
Grundriß Hauptgeschoß
Grundriß Obergeschoß
Quer-, Längsschnitt
Keller-Grundriß
dito Ansichten zum Entwurfsblatt
Anm in einer Seitenansicht falsche Eintragung
das Schornsteinsl
dito Variantenblatt mit
Grundriß Eingungsgeschoß
Grundriß Hauptgeschoß Anm Zeichnung nicht
abgeschlossen
Grundriß Obergeschoß
Querschnitt Anm Zeichnung nicht abgeschlos-
sen
Gartenansicht, Seitenansichten
Löngsschnitt Anm Zeichnung nicht abgeschlos-
sen, Austritt Dachterrasse räumlich mit Bad-
Decke konfligierendl
16
15
12972;; lnrolädrvu ?'-J',IIU
750
24
Anmerkungen 16-20
Darauf haben L. Münz S. 19-20 und R. Neulra Ame
riku, 1930, s. 44-451 hingevwesen.
K. Lhofu, a. u. 0., Adolf Laos spricht, Ausschnme au
Aufzeichnungen, Übera M. und Sen ler.
Z. Kudä1kc, Brnänskd QrChNcRQuIu 191-1918, Brno W67
S. 55-86.
L. Hilberseimer, Comemporclry Archiledure, Hs Roor
cnd Trends, Chxcago 1964, S. 64 "Loos develcped for hi
houses whcl he called Ruumplun spuce plan ...
an idea, wilh ils conhasling effecls which hcls pcssi
bilnies."
"Vgl. meine Diss., Funklion und Wirkung der Raumge
slollung bev A. Loos, SkuNgoH in vom.
"VgL V. Behalova, Bellrug zu einer Kulku-Forschung, in
Bauform 711974, H. 43, S. 22-31. Sie schrerb! das Würfel
huus" nach SEINER eigenen Angaben, zu.
Zäumdq sklcp
53-1
sondern wohl eher intuitiv und nicht wider-
isfrei abgelaufen.
Ziel ist die Erfüllung von Funktionen des
ens in einem differenzierten Raumkon-
mit dem er sowohl Ökonomische Anfor-
gen iedem Raum nur die unbedingt er-
'liche dreidimensionale Ausdehnung zu ge-
Ind damit umbauten Raum zu sparen
Ich psychologische Anforderungen eben
die funktional und ökonomisch bedingte
größendifferenzierung den Benutzern einen
itimmten Lebensbereich zur Verfügung zu
zu erfüllen trachtet.
Konzept der Stapelung und Verschach-
von Räumen und der offenen Übergänge
ien Räumen empfängt Loos offensichtlich
ind seines USA-Aufenthaltes 1893-1896
zr Besichtigung von Bauten H. H. Richard-
vielleicht auch anderer Architekten der
of Chicago". Er wendet dieses Konzept
nur im Wohnungsbau, sondern viel früher
bei BiJro-, Hotel- und Geschöftsbauten
ien 1907 und 190911911 an lch entwerfe
grundrisse, fassaden, schnitte, ich entwerfe
Eigentlich gibt es bei mir weder erdge-
obergeschoß noch keller, es gibt nur ver-
ine räume, vorzimmer, terrassen. Jeder
benötigt eine bestimmte höhe- der eßraum
mdere als die speisekammer darum lie-
ie decken auf verschiedenen ebenen. Da-
nuß man diese räume so miteinander ver-
daß der Übergang unmerklich und na-
aber auch am zweckmäßigsten wird. Das
ich sehe, für andere ein geheimnis, für
eine selbstverständlichkeit. Diese raumlö-
habe ich vor iahren für das kaufhaus
nan 81 Salatsch gefunden, besonders be-
aeim wettbewerbsproiekt für ein kriegs-
erium in Wien ."".
Konzept war für andere zeitgenössische
ekten durchaus kein Geheimnis. Dieses
differenzierungskonzept ist von Architekten
des Art Nauveau in Wien, Paris und Brüssel
wie auch des Neuen Bauens der zwanziger
Jahre, etwa Le Corbusier, A. Lurcat, R. Mallet-
Stevens, G. Guevrekian, realisiert worden, auch
unter Loos' Einfluß von Architekten der Brünner
Schule". Dieses Konzept von Loos wurde auch
von zeitgenössischen Architekturtheoretikern, z.
B. von L. Hilbersheimer", durchaus gewürdigt.
Loos' Entwicklung dieses Konzepts zu charakte-
risieren, kann hier in der Zusammenfassung des
Aufsatzes nicht geleistet werden". Hier sei nur
skizzenhaft angemerkt, daß Loos' Entwicklung
erst sehr spät zu einem voll ausgeprägten dif-
ferenzierten Raumkonzept im Wohnbau kommt.
Wenn man die chronologische Verteilung der
Werke Loos' betrachtet, so fallen einem die drei
quantitativen Gipfel 1910-1912, 1922-1923, 1929-
1930 auf, die ja auch die entscheidenden Wende-
punkte in qualitativer Hinsicht sind
1910 bis 1912 erweitert Loos seine klassizi-
stische" Baukörperkonzeption in Richtung auf
den Terrassenbau, führt aber seine Raum-
planansätze in der inneren Raumdisposition
kaum weiter;
1922 bis 1923 realisiert Loos die widersprüch-
lichsten Tendenzen klassizistische" Villen mit
antikem Formenapparat und Raumniveau-
differenzierung, aber auch einfache kubische
Raumplanvillen, daneben erscheint das Kon-
zept der Terrassen-Raumplan-Villa;
1929 bis 1930 hat Loos die Terrassen-Raum-
plan-Villa endgültig als Dispositionskonzept
neben der Raumhallenkonzeption vollständig
ausgearbeitet.
Diese Einschätzung der Loosschen Konzeptions-
entwicklung kann hier nur als Hypothese, ohne
weitere differenzierte Darstellung und Diskus-
sion, kurz vorgestellt werden, um deutlich zu
machen, in welchem Zusammenhang die vier
Objekte zu sehen sind
Die frühe Terrassenvilla für den Fabriksdirek-
tor in Hrusovany, Brno 1918119 steht als
Beispiel für die Weiterführung des Terrassen-
baus nach dem Haus Scheu 1911 und dem
Anbau an das Haus Duschnitzl9l5ll6 und
einige Praiekte der gleichen Zeit. lhre Mittel-
tluranlage zeigt kaum einen Anflug von sonst
bei Loos anzutreffenden Versuchen, auch in
einer ebenen Raumfolge durch eine drama-
tische, überraschungsreiche Gliederung und
Abfolge der Räume Spannung zu erzeugen
nur die plötzliche, allerdings überra-
schende Offnung des Mittelflurs zur Loggien-
halle erinnert an Loas' Intentionen.
Die beiden Terrassenvillen-das Projekt Jor-
dan 1931 und die realisierte Villa Winter-
nitz 193lf32 stehen nicht nur zeitlich
nach den Terrassenvillen der zweiten Hälfte
der zwanziger Jahre, sie zeigen auch das
entwickelte Raumdispositionsrepertaire, über
das Laos nun verfügte. Im Haus Jordan va-
riiert Laos noch einmal das für das Praiekt
Dr. Flesch 1924 und Haus Moller 1927 ent-
wickelte Prinzip der querliegenden Raum-
niveaustufe, in der Villa Winternitz dagegen
das Prinzip der parallel zur Gartenterrasse
angeordneten Raumniveaustufe vorher im
Haus Tzara 192511927 und in der Villa Mül-
ler 1929x3o.
Das kleine Eintamilienhauspraiekt enthält
eine sehr überlegte Eingangssituation eine
Abbreviatur der lntroduktion der Villa Mül-
ler und eine Raumdisposition, die alles
Wesentliche der großen Villen Wohnhalle,
Eßbereich, zweiter Aufenthaltsbereich nur in
einer konzentrierten Form der parallel zu-
geordneten Raumstufe, wie Laos oder mit
Kulka" sie ganz ähnlich im Projekt des Wür-
telhauses" 1930 ausgearbeitet hatte.
Unser Autor
DipL-lng. Dielrich Worbs,
Kanlsfr. 154a,
D-IOOO Berlin 12
25
P11
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"Jäaaßß-I
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innminnä
1er Thuswaldner
hitekten
Glücksbringer
Zunächst bedarf es der Rechtfertigung, warum
in einer Kunstzeitschrift von Architekten und
ihren Werken die Rede sein kann. Vielleicht
ist es möglich, diese Fragestellung, ob Architek-
tur mit Kunst zu tun habe, mit der Behauptung
zu umgehen, daß die Bauleistungen im weite-
sten Sinne zum Kulturschatten des Menschen ge-
hören. Und es ist ein guter Brauch, alles, was
mit der Kultur zusammenhängt, kritisch zu re-
tlektieren Plastiken, Bilder, Kompositionen und
deren Interpretation, Literarisches usw. Zwischen
ihnen und der Architektur besteht allerdings ein
markanter Unterschied, der die kritische Re-
flexion nur um so dringender erscheinen läßt.
Die aufgezählten Kulturprodukte könnte man,
von einem bestimmten Standort aus gesehen,
als unnütz und als Luxus qualifizieren. Man
kann sie sich leisten wenn man kann und wenn
man imstande ist, eine Beziehung zu ihnen auf;
zubauen; man kann sich ihnen aber auch ver-
weigern, indem man ein Bild nicht anschaut,
nicht ins Konzert geht und kein Buch liest. An-
ders die Architektur; ihr entgeht man nicht, sie
holt uns überall ein, sie determiniert unsere Le-
bensform.
Früher einmal hätte es keiner Spitztindigkeiten
bedurft, um die Architektur zu einem Thema der
Kunst zu machen, doch ist es heute so, daß
kaum ein Laie oder auch kein Experte? Iden-
titäten zwischen dem Künstler und dem Architek-
ten wird feststellen können. Aber irgendwo im
Hintergrund strahlt immer noch ein wenig Glanz
aus der Vergangenheit auf die Architektenschar
von heute. Nicht immer iedoch bewährt sich das
Denkschema, wonach wir uns immer weiter von
einem paradiesischen Zustand entfernen, so daß
die heile Welt auf alle Fälle in der Vergangen-
heil zu suchen ist. Wie stand es denn um den
Architekten zur Zeit, da das Oben und Unten
noch genau fixiert war? lm 16. Jahrhundert
funktionierte dies noch gerade. Der Architekt
war nicht Absolvent irgendeiner Hochschule, er
war vielmehr zuerst einmal Handwerker, dessen
Karriere im günstigsten Fall gewöhnlich als Mei-
ster endete. Doch gab es ein paar, denen ein
Vorstoß über diesen Status hinaus gelang. Dies
bedeutete zugleich einen Vorstoß über die
Grenzen seiner Klasse als Bürger. Ja, in der
Corbusier, Strahlende Stadt" mit Zonenauf-
llUHQ. Als Studie auf dem CIAM 1930 in Brüssel
rgelegt
chnzone
Hotels und Botschaften
City
Fabriken und Lagerhäuser
Schwerindustrie
Satellitenstädte
egienjngssitz, sozialwissenschaftliches Zentrum
a. m.
biolagische" Entwicklung der Stadt kann
ei zu beiden Seiten der Mittelachse erfolgen,
trch Ausdehnung ieder Stadtzone. Als Prinzip
das Primat des Wohnens erkennbar, ferner
rationelle Zueinunderordnung aller Ele-
ante von Arbeit und Zerstreuung
Andrea Pallodio, Villa Godi, derzeit Mnlin-
verni, Lonedo di Luge Vicenfino Vicsnza
Le Corbusier, Villa Sdwwob in Lu-Chaux-dev
Fonds, erbaut 1916
Adolf Loas, Villa Kurmu, ClurenslVevey
27
HNIOsUI
28
Andrea Palladio, Modell einer Villa
Andrea Palladio, Modell eines Palastes
Andrea Palladia, Villa
Andrea Palladio, Villa Sarego, S. Sofia di Pe-
demonte Verona
Andrea Palladio, Villa Emo, Fanzolo di Vede-
lago Treviso
Laufbahn des Architekten konnte man es zum
sozialen Aufsteiger bringen. Ihre Zahl ist ver-
schwindend gering, und sie sind nur deshalb
wichtig, weil sie eindrucksvolle Bauten kanzi-
piert haben und weil sie einen Architekten-
typus verkörpert haben, den es später nie wie-
der gegeben hat. Andrea Palladio 1508-1580
markiert neben anderen den Höhepunkt des
Berufsstondes. Als Lehrling und Geselle genoß
er eine Ausbildung in verschiedenen bautech-
nischen Disziplinen, wozu auch Fähigkeiten als
Steinmetz uncl Bauplastiker gehörten. Innerhalb
einer Bau- und Bildhauerwerkstötte brachte er
es bis zum Meister. Um dann noch weiterzu-
kommen, muBten ihm schon Verbindungen hel-
fen. Durch einen Humanisten und hohen päpstli-
chen Würdenträger fand er Zugang zur feuda-
len Klasse. Dieser Mann, G. Trissimo, hielt ihn
zum Studium der antiken Baukunst an, bevor
er ihn den venezianischen Großgrundbesitzern
empfahl, für die er zunächst Landvillen bauen
durfte. Nachdem er sich in der Provinz fabel-
haft bewährt hatte, wurden ihm auch Bauauf-
gaben in der Stadt gestellt. Pallodio löste alles
zur vollen Zufriedenheit seiner Auftraggeber,
und von seiner Universalität, die auf handwerk-
licher Sachkenntnis und theoretischen Grundla-
gen beruhte, zeugen Kirchen, Schlösser ebenso
wie Brücken- und Straßenbauten.
Nach dieser Zeit kommt es zu einem Abbau der
Kompetenzen des Architekten. Dies geschieht im
Zuge der Arbeitsteilung und Spezialisierung. Die
Funktion des Architekten als Bauingenieur und
Baukünstler spaltet sich schon im 17. Jahrhun-
dert in zwei Berufsgruppen auf. Der Ingenieur
erhält die Aufträge zum Bau von Befestigungen
und anderer militärischer Einrichtungen, wäh-
rend sich der Architekt auf Bauten im Kultur-
bereich beschränken muß. Beide waren minde-
stens gleichrangig. Vielfach kam aber dem ln-
genieur die größere Bedeutung zu, weil der
Staat schon rein finanziell dem Militär die wich-
tigste Stellung einröumte.
Mit dieser Zweiteilung verschieben sich auch
die Schwerpunkte der Ausbildung. DieArchitekten
beschäftigen sich mit ästhetischen Fragen, mit
Stiltraditionen und wohl auch mit praktischen
Problemen, weil sie immer noch aus dem Hond-
werkerstand kommen; die Ingenieure dagegen
erfahren eine wissenschaftliche, in erster Linie
mathematische Ausrichtung. Ihr Aufgabenbereich
nimmt stark zu, weil er auch die Stadtplanung
und Vermessung umfaßt, während der Architekt
seine technische Zuständigkeit immer mehr auf-
gibt. Die rasch zunehmenden Erkenntnisse in
den Naturwissenschaften eignet sich nicht der
Architekt, sondern der lngenieur an.
Die beiden Berufsgruppen stehen einander bis
heute in kühler Distanz, wenn nicht gar in Feind-
seligkeit gegenüber. Die Architekten dis-
qualifizierten die Ingenieure als unempfind-
Iiche Konstrukteure, ohne Sinn für Maßverhült-
nisse und Ästhetik. Die Ingenieure dagegen se-
hen in den Architekten hilflose Dekorateure,
die sich auf das Verzieren und Ausstatten be-
schränken sollen, weil sie nichts von der Techno-
Iogie eines Bauwerkes verstehen. Gewiß gibt es
auch den Versuch einer produktiven Versöhnung
zwischen beiden. Er besteht in dem Hinweis auf
die Tatsache, daß Ästhetik und Konstruktion
nicht zwei Prinzipien sind, die einander aus-
schließen, daß das Formale nicht eine Addition
zur Konstruktion zu sein braucht, sondern aus
ihr abgeleitet werden kann.
Eine weitere Entblößung des Architekten hat
stattgefunden, als er auch seine handwerkliche
Basis verlor. Die Wunder der Technik schienen
diese Grundlage entbehrlich zu machen. Nicht
zu ieder Zeit wurde diese Ansicht einschrän-
vs vertreten. Die Bestrebungen des Bau-
zielten in eindrucksvoller Weise darauf
thoden handwerklichen Denkens für drän-
Probleme, die unser Jahrhundert stellt,
nutzbar zu machen. Das hafte nichts mit
'ik zu tun. Es ging vielmehr darum, das
mwachsende Bauvolumen mit menschli-
laßstäben zu fassen und auch die Mas-
tuktion von Gebrauchsgegenständen so
nflussen, daß auch da Stilprinzipien ein-
werden, die sowohl die Funktion be-
ttigen als auch dem ld'eal handwerkli-
adiegenheit entsprechen.
xuhaus machte einen iener schwungvol-
öufe zur Neuorientierung, die notwendig
len ist, als die alten Stile ausgedient hat-
it ihrer Hilfe konnte man gerade noch
ifgaben bewältigen, die sich im 19. Jahr-
stellten, aber dann stieß man an eine
Ein großer Bahnhof war nicht nach
uster einer Kathedrale zu lösen, und eine
siedlung für Fabriksarbeiter entsteht nicht
Addition van kleinen Palais. Die Neu-
erung hält bis heute an. Die Suche nach
dem richtigen Rezept hat, so scheint es,
Fortbewegung in Extremen bewirkt, die
bildung von Richtungen, dje einander oft
bekämpfen. Eine Anzahl von Programmen
Manifesten legt in kurzer und bündiger Form
Absichten dar.
Da ist etwa die Schrift von Adolf Loos aus
Jahre 1908, Ornament und Verbrechen".
meinte, daß wir in der Entwicklung der Ki
fortschreiten müßten und daß die Huldlg
des Ornaments einer viel früheren Stufe
Menschheitsgeschichte entspricht als iener,
der wir uns im 20. Jahrhundert befinden.
haben das Ornament überwunden. Wir hc
uns zur Ornamentlosigkeit durchgerungen.
die Zeit ist nahe. Die Erfüllung wartet Ul
Bald werden die Straßen der Städte wie wt
Mauern glänzen, wie Zion, die heilige St
die Hauptstadt des Himmels. Dann ist die
füllung da." Die Äußerungen haben die Spr
gestalt der Predigten alttestamentarischer
pheten. Man könnte Loos eine lnkanseqi
ankreiden, weil er sich einer antiquierten, pr
vallen Sprachform bedient. Sein Elan ist
Xdolf Loos, Haus Moller, Wien 1928
Iosef Hoffmann, Entwurf für Höuser mit orna-
nentalem Dekor in Wien, Körntnerstraße
tundertwasser, Terrassenhaus für viele Bäume
JhCl Menschen
.e Corbusier,Urbanisation der Stadt Nemours,
ßlordafrika, 1934. Der Plan stimmt in allen
'unkten mit der Charta van Athen des CIAM
an!
überein. Hospital oben rechts, der großge-
gliederte Wohnbezirk mit I8 Einheiten, deren
iede 2500 Bewohner aufnehmen kann. Verwal-
tungszentrum. Strand, Touristenzentrum, defini-
tive Hafenanlage. Starke Berücksichtigung finv
det der Bewohnerkomplex, dessen Anlage opti-
mal den besonderen Bedingungen der Sonnen-
einwirkung angepaßt ist bzw. entgegenwirkt.
Ext ezsa
'11
historischen Kontext durchaus zu verstehei
seine Verdienste werden nicht geschmälert,
man 70 Jahre danach fragt, was aus
Ankündigung geworden ist. Was er übt
Ornamentlosigkeit ausgesagt hat, ist zun
Ben Teil eingetroffen, aber in dem Punk
uns dies die Erfüllung bringen würde,
nicht recht behalten. Es wäre aber ganz
ein Irrtum, Loos viel Schuld an der Unw
keit heutiger Städte zuzuschreiben, das
seine Wirkung weit zu überschätzen. Das
ment ist bestimmt nicht auf Grund seinei
siven Forderung in den Hintergrund ge
und auch seine gewiß gewichtigen Baube
haben dies nicht bewirkt. Die Gründe
den viel eher im wirtschaftlichen Bere
suchen sein, in der Rationalisierung den
weise. Nicht ein neues Denken, wie
propagiert hat, ist die Ursache für die
Fassaden. Die Bauherren sind nicht vom
ment Iosgekommen, in bestimmte Reservc
gedrängt, durfte es sein Dasein weiter
Loos hat an eine neue Lebensform gedacl
in äußerlichen Zügen hat sich die Arch
scheinbar seinem Manifest angenähert
längst zeigt es sich, daß die Glätte emi
keine Anhaltspunkte gibt, daß die Me
der Monotonie nicht gewachsen sind,
verzweifelt nach Stellen suchen, wo das
system gestört ist, Punkte, die Identifizie
möglichkeiten erlauben. Funktionalität unc
lichkeit scheinen also doch nicht das letzte
zu sein. Am deutlichsten hat der Maler HI
wasser die Antithese zu Loos formulie
seinem Ruf Los von Loos!" und mit den
schimmelungsmanifest gegen den Rationi
in der Architektur". Darin wird allen plai
Institutionen eine Absage erteilt und der
Individualismus zum obersten Prinzip er
Man soll den Baugelüsten des einzelner
Hemmungen auferlegen. Jeder soll baue
nen und bauen müssen und so die wi
Verantwortung tragen für die vier Wär
denen er wohnt." Manifeste haben die
daß sie sich gefahrlos weit von der Wirk
wegbewegen können, bieten aber doch
teil, daß man aus der Distanz des neug
nenen Standpunktes im Rückblick manche
Iicher wahrzunehmen imstande ist. Hundi
ser hat aber nicht bloß Individualismus
bieten. Der vernichtenden Kritik des Statt
die sich in dem Satz ausspricht, Die ma
Unbewohnbarkeit der Elendsviertel ist
ralischen Unbewohnbarkeit der funktic
nützlichen Architektur vorzuziehen", diese
stellung folgt ein Lösungsangebot; Da
das Prinzip der Elendsviertel, d. h. der
chernden Architektur, zu verbessern UI
Ausgangsbasis zu nehmen und nicht die
tionelle Architektur."
Praktische Orientierungshilfe steckt in de
schlag nicht viel. Die Architektur geht darc
vorbei, so wie sie an dem Manifest von
Wirklichkeit varbeigegangen ist. Die Fa
die das Baugeschehen beeinflussen, 5lt't
woanders zu suchen. Manifeste sowie die
rungen kluger Psychologen, Soziologen
derer Theoretiker können möglicherwei
das Bewußtsein breiter Kreise emanzi;
einwirken. Ja, vielleicht ist es kein leerer
zu denken, daß in der Folge demokr
Maßnahmen etwas auszurichten vermöge
das Streben nach größtmöglicher Renc
und dort zum sekundären Kriterium
könnte.
Es wäre aber im Zuge dieser Überleg
ungerecht, iene Architekten zu vergesse
wie die Vertreter des Bauhauses sich mi
ihren Kräften zu Neuansötzen in der
aufrafften. In diesem Zusammenhang muß un-
bedingt die Charte d'Athenes" von 1933 zur
Sprache kommen, weil sie noch immer eine ge-
wisse Rolle spielt, sei es, das Berufsethos der
Architekten gebührend herauszustellen, sei es,
um sich kritisch von den damals ausgesproche-
nen Kernsätzen abzusetzen.
Schon fünf Jahre vor dem Athener Kongreß
war es zur Gründung des CIAM Congres In-
ternationaux d'Architecture Moderne gekom-
men. Sein Wirken und insbesondere die Charta
von Athen sind nicht zuletzt unter dem Aspekt
zu sehen, daß die Architekten bemüht waren,
ihre Kompetenz für die großen Aufgaben der
Zeit nachzuweisen, nachdem sie vorher im Laufe
der Geschichte allmählich in die Ecke gedrängt
worden waren. Weil auf allen Gebieten in zu-
nehmendem Maße die große ZahI" zum erst-
rangigen Problem wurde, so daß es galt, Mas-
sen auf sinnvolle Weise zu organisieren, rückten
in der Architektur die Fragen des Städtebaus
in den Vordergrund. Und hier versuchten die
Architekten unter Beweis zu stellen, daß sie zu
einer ganzheitlichen Schau imstande sind. Sie
waren entschlossen, die Architektur auf die Höhe
der Zeit zu bringen, sie aus den Krusten des
Akademisrnus zu befreien. Schon in einer Er-
klärung des ersten Kongresses hieß es, daß die
Architekten sich ganz auf die Entwicklungsrich-
tung ihrer Epoche einstellen miißten. lhre Ar-
beiten müssen den Geist ihrer Zeit zum Aus-
druck bringen. Deshalb lehnen sie kategorisch
ab, sich in ihrer Arbeitsmethode der Prinzipien
zu bedienen, die die Gesellschaft der Vergan-
genheit bewegten. Sie erklären vielmehr, daß
eine neue Architekturauffassung entstehen muß,
die den geistigen, intellektuellen und materiel-
Ien Anforderungen des heutigen Lebens ent-
spricht. Sie geben sich Rechenschaft über die
grundlegenden Veränderungen, die das Maschi-
nenzeitalter in der sozialen Struktur hervorgeru-
fen hat und erkennen, daß die Veränderungen
des Lebens und der Ordnung der Gesellschaft
notwendigerweise eine entsprechende Verände-
rung der architektonischen Gestaltung zur Folge
haben muß." Die Charta von Athen konzentrierte
sich in erster Linie auf die Frage, welche Ge-
stalt die Stadt der Zunkunft haben sollte. Die
Grundsätze, deren geistiger Vater Le Corbusier
war, stellten in gutem Glauben den Menschen
in den Mittelpunkt der Überlegungen Die Ar-
chitektur muß sich dem Individuum zuwenden
und für dessen Glück die Einrichtungen schaffen,
die den Rahmen aller seiner Lebensäußerungen
bilden und diese gleichzeitig erleichtern werden.
15
I4
15
Le Carbusier, Die menschlichen Siedlungs-
formen" 1945
I. Die landwirtschaftliche Nutzungseinheit
2. Die lineare Industriestadt
3. Die radio-konzentrische Metropole des Aus-
tausches
Le Carbusier, Das Kapitol von Chandigarh, 196i.
Vorhalle des Parlamentsgeböudes
Wer könnte die notwendigen Maßnahmen tref
fen, wenn nicht der Architekt, der die vollkam
mene Kenntnis vom Menschen besitzt...?" Hie
ist es wohl zu einer maßlosen Überschätzung
der Möglichkeiten eines ganzen Berufsstande
gekommen. Die Äußerung ist nur als Ausdrucl
jener Sehnsucht nach der Zeit zu erklären, al
der Architekt wie Andrea Palladio noch im Be
sitz aller Vollmachten war.
Aber vereinzelt ist es in der Folge gerade
Corbusier tatsächlich gelungen, große visianäri
Konzepte zu verwirklichen. Sein Vorschlag wai
daß die moderne Stadt aus Wohnhochhäuser
bestehen sollte, mit großzügigen Parkfläche
dazwischen. Seine Gartenstadt kann große Be
völkerungsmassen aufnehmen, und sie ist so o1
ganisiert, daß die einzelnen Funktionen Woh
nen, Arbeiten, Erholen und Verkehr streng von
einander getrennt sind.
Warum hat das Modell eine böse Niederlag
erlitten? Warum gilt Le Carbusier, noch nicf
30 Jahre nach seinen Plänen für die Zukunft
stadt, als einer der Hauptschuldigen für da
Chaos im modernen Städtebau? Vielleicht sollt
man ihn in Schutz nehmen vor seinen zahlre
chen Nachahmern, die sein Modell vielfach au
unzulänglichste Weise kopierten. Aber da
Hauptmanko seiner Gartenstadt scheint doc
mit der Überheblichkeit zusammenzuhänger
wonach der Architekt die vollkommenste Kenn'
nis vom Menschen besitze. Die Gartenstadt
wohl funktional durchdacht, aber sie läßt kein
Urbanität entstehen. Dazu gehören oftenbc
nach menschlichen Maßstäben differenziert
Strukturen, die dem Bewohner Anhaltspunkte ge
ben zur Heimatbildung", ihm eine Chance eir
räumen, eine Beziehung zu seinem Wohnort au'
zubauen. Und zu diesem privaten Raum müsse
ihm vorgeordnet, eine Reihe öffentlicher Korr
munikationsräume kommen, die erst städtische
Leben ermöglichen.
Sind wir also entlassen in die völlige Ratlasig
keit? Die Überlegungen haben vielleicht eine
gezeigt; Das progressive Konzept eines Arch
tekten ist wertlos, wenn es von den Benützer
die möglicherweise auf einer ganz anderen
wußtseinsstufe stehen, nicht ausgefüllt werde
kann. Wir sind in der Entwicklung an eine
Funkt angelangt, da zwischen puristischem Funl
tionalismus auf der einen Seite und hemmungi
losem Individualismus ein produktiver Ausgleir
gefunden werden muß. Damit sind aber nicI
verwaschene Halblösungen gemeint, wie sie vc
architektonischen Kleingeistern tagtäglich prodi
ziert werden.
32
16 Le Corbusier, Porlumpnf von Chundigcrh, Halle, Unser Aufor;
1961. Beispiel für SEIN Prinzip Ich komponiere
mm" Dr. Werner Thuswcldner
17 Andrea Pulludio, Disegno des Tempels der
Kulwrredoktion der Sulzburger Nachrichten"
Dioskuren, Neapel. Nutionalmuseum Slockholm
Bergsfraße 14, 5024 Salzburg
Aktuelle Forschung
Franz Wagner
Neue Frühmittelalterforschungen
im Salzburgischen
Eine Kaiserpfalz in der Stadt Salzburg
lm Flur des Hauses Waagplatz beim Eingang zum
Romanischen Keller" der Salzburger Landeshypo-
thekenanstalt, ist zu lesen, daß man hier auf älte-
stem Siedlungsbaden der Stadt" stehe. ln einer um-
fangreichen wissenschaftlichen Abhandlungl hat nun
Hofrat Pagitz, der Direktor des Salzburger Landes-
archivs, die Existenz dieses in seiner heutigen Ge-
stalt gewiß mehrere Bauepochen aufweisenden
Kellers" einbezogen in einen den Bereich um die
benachbarte Michaelskirche umfassenden und in
seiner Konsequenz bestechenden Rekonstruktiansver-
such Pagitz erkannte dies sei vorweggenommen
in der Michaelskirche die Pfalzkapelle und auf dem
Grund der heutigen HypothekenanstalW den Ort
des Palas einer ehemaligen Pfalz der Kaiser des
Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation in-
mitten des Salzburger Stadtgebietes. Auf Grund
der urkundlich bezeugten Aufenthalte mehrerer Kai-
ser in der Stadt ist anzunehmen, daß etwa Karl der
Große hier ebenso seine Hofhaltung hatte wie
Friedrich Barbarossa.
Die Michaelskirche am Residenzplatz war in den
Jahren 1767 bis 1773 grundlegend erneuert worden.
Wurde noch in der Österreichischen Kunsttopagra-
phie" von einem vollständigen Neubau in dieser Zeit
gesprochen, so konnte Landeskonservatar Hoppe
anlüßlich einer 1956 durchgeführten Gesamtrestau-
rierung nachweisen, daß nach der Katastrophe von
1167 über die noch zu sprechen sein wird ein
hochromanischer Neubau oder Wiederaufbau der
schon um 800 urkundlich gesicherten Kirche erfolgt
sein rnußte.
Pagitz konnte nun durch ausführliche und überzeu-
gende Urkundeninterpretationen nicht nur nachwei-
sen, daß die Michaelskirche in hachmittelalterlicher
Zeit sicher eine Emparenkirche, sehr wahrscheinlich
eine zweigeschossige Doppelkapelle, gewesen sein
muß in der oberen Kirche stand der dem hl. Michael
geweihte Hauptaltar, der Patron des Altars im Erd-
gesdioß war der hl. Nikolaus. Pagitz machte auch
auf Grund einer erst vor wenigen Jahren durch
Bernhard Bischaff aufgefundenen St. Pauter Hand-
schrift wahrscheinlich, daß die durch Hermann von
Niederaltaich überlieferte Grabinschrift für Herzog
Theodo und dessen Gemahlin Gleisnot in einer
salzburgischen Michaelskirche auf diese hier am
heutigen Residenzplatz und nicht auf St. Michael
im Lungau zu beziehen ist. Ferner konnte Pagitz die
schon 1885 durch Franz Valentin Zillner fixierte
mündliche Überlieferung beweisen, daß sich in direk-
ter Nachbarschaft nördlich der Michaelskirche
eine kleine Autogarage umgibt heute diesen Raum
die hochmittelalterliche Gerichtslaube" des Salz-
burger Stadtgerichtes befunden hatte, die erst 1383
eine bauliche und mit der Verlegung des Stadt-
gerichtes an einen anderen Ort auch funktionelle
Umwandlung erfuhr. Schließlich muß nach auf ein
sonst kaum beachtetes Bauwerk aufmerksam ge-
macht werden, auf ienen Durchgang unter einem
Bogen unter der HypothekenanstalW neben der
Michaelskirche, der den westlichen Waagplatz mit
dem Residenzplatz verbindet es ist nichts anderes
als das bereits 930 urkundlich erwähnte Haupttor
der Stadtburg, die in den Urkunden immer wieder
erwähnte Pforten" ad portam" war noch im
12. Jahrhundert die geläufige Bezeichnung für diese
Gegend.
Zum Verständnis des wichtigsten Argumentes in der
Beweisführung von Pagitz kurz folgendes Knapp
nach 700 hatte Herzog Theodo von Bayern dem
Bischof Hrodbert" neben Gebiet in der Stadt Salz-
burg auch die in den Urkunden immer wieder ge-
nannte obere Burg" geschenkt die keinesfalls mit
der erst 1077, mitten im lnvestiturstreit, begonnenen
Festung Hohensalzburg in monte" verwechselt wer-
den darf. Unter Herzog Theobert, dem Sohne des
Theodo, erbaute dann Rupert in der oberen Burg"
eine Marienkirche, der sich mit Ruperts Nichte Erin-
trud als erster Äbtissin ein Frauenkloster anschloß.
Herbert Klein, der Amtsvorgönger von Pagitz, hatte
bereits darauf aufmerksam gemacht, daß einer
oberen" Burg doch eine untere" entsprechen
müsse; der Annahme Kleins, daß dieses costrum
inferius" im Bereich des Klosters St. Peter zu suchen
sei, kann iedoch nicht gefolgt werden. Denn die
Bayernherzöge das absolute Reichsfürstentum des
Primos Germaniae war noch ferne Zukunft und
mit ihnen Tassilo lll., mag er nun den Dambou Vir-
gils gefördert haben oder nicht, mußten auch in
Salzburg über einen iener Herrschaftssitze verfügen,
von denen aus ihr Land verwaltet wurde; und der
konnte erstens nicht innerhalb eines Klosters liegen,
und zweitens mußte er stark befestigt sein.
Man kann sich kaum vorstellen, daß nach dem
Sturz der Agilolfinger die Karolinger auf diesen
Rechtsanspruch einer Pfalz in Salzburg verzichtet
hätten. Wo sonst aber als in der unteren Burg"
wird Karl der Große, als er im Jahre B03 mit dem
Patriarchen von Jerusalem in Salzburg weilte und
die Zuweisung des eroberten Awarenlandes an die
Salzburger Kirche bestätigte, solche Rechtshandlun-
gen vollzogen haben? Und kein Geringerer als
Alkuin teilt uns in seinen Carmina" mit, daß Erz-
bischaf Arno die Michaelskirche erneuert ge-
weiht und dieses Vorhaben mit Billigung Karls
durchgeführt hat. Für das Zeitalter der Luitpoldin-
ger und Ottonen wissen wir, daß Herzog Arnulf in
Salzburg Münzen schlagen ließ; ein erhaltener
Pfennig trägt die Inschrift lVVAVO ClVlTAS. Da im
lateinischen Sprachgebrauch des Frühmittelalters das
ia den Begriff des Bürgers, des citoyen", nidit
kannte civitas" enger zu fassen ist als etwa
oppidum" oder urbs", bedeutet dieses Wort hier,
so meint Pagitz, nichts anderes als die Pfalz, das
palotium" des Herrschers.
Kaiser Friedrich I. griff von allen Herrschern des
Hochmittelalters am stärksten und unmittelbar in die
Geschicke der Stadt ein. Erzbischof Konrad ll. hatte
die Anerkennung des kaiserlichen Gegenpapstes
Paschalis verweigert und auch vom rechtmäßigen
Papst Alexander lll. das Pallium erhalten. Im Vollzug
der daraufhin vom Kaiser und im Edikt von Würz-
burg verhängten Reidisacht zerstörten in der Nacht
vom 4. zum 5. April 1167 die Grafen von Ptain die
Stadt; auch der Dom und alle Kirchen und Klöster
brannten ab. Als aber am 16. Februar 1172 Barba-
rossa in Salzburg einen glänzenden Hoftag abhielt,
war nicht nur die Michaelskirche wieder erstanden
die neuen Altarmensen waren bereits am 22. Juni
1168 geweiht worden, auch der Palas der Stadtburg,
die Salzburger Kaiserpfalz war neu aufgebaut war-
den Reste davon sind, wie Pagitz meint, im Roma-
nischen Keller" der Landeshypothekenanstalt erhal-
fen.
Durch die Stärkung der erzbischöflichen Macht aber
und durch den fortschreitenden Ausbau der Festung
Hohensalzburg in monte" wurde die Stadtburg bei
der Michaelskirche nicht nur entbehrlich. Als in der
Sedivakanz nach dem Tode Rudolfs von Hohenegg
1290 die Bürger der Stadt die untere Burg" besetzt
hielten, erkannte Rudolfs Nachfolger, Erzbischof
Konrad lV., die Gefahr und die für den Landesherrn
auf der Festung gegenteilige Wirkung der Stadtburg,
sie wurde gebrachen" und zerstört.
Grabungen zur Erhörtung der Hypothese von Pagitz
sind im Kellergeschoß des Gebäudes der Salzburger
Landeshypothekenanstalf durch die bisher erfolgten
Umbauten kaum mehr von Bedeutung; wohl aber
um so mehr vor diesem Gebäude am Residenzplatz
und am Waagplatz und in der Michaelskirche selbst.
Vielleicht könnten einmal die dazu nötigen finan-
ziellen Mittel bereitgestellt werden, um dieses wich-
tige Kapitel der Salzburger Stadtgeschichte endgül-
tig der Vergangenheit zu entreißen.
Romanisches Kapitell. Gefunden bei Umbouar-
beiten im Haus Waagplatz in Salzburg
Planausschnitt der Stadt Salzburg mit Waag-
platz und St. Michael
Anmerkung
'Fran1 Pagitz, Der Pfalzbezirk um St. Michael in Soll-
burg", in Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger
Landeskunde, 115. Jahrgang, 1975, S. 175-242,
ll Der ottonische Bau der Stadtpfarrkirche
in Zell am See
Hofrat Pagitz ist auch Zusammen mit Franz Fuhr-
mann, Ordinarius für österreichische Kunstgeschichte
an der Universität Salzburg, und mit Fritz Massleit-
ner, Kustos für Archäologie am Salzburger Museum
Carolino Augusteum, eine einwandfreie Interpreta-
tion iener Grabungsergebnisse zu danken, die an-
läßlich der im Dezember 1975 abgeschlossenen Re-
staurierung der Stadtpfarrkirche zum hl. Hippolyth
in Zell am See unter dem dortigen Fußboden ge-
macht wurdenÄ
Ist auch die Restaurierung innerhalb der Mauern
der Pfarrkirche und also hier auch die Grabung ab-
geschlossen, sa sind die Forschungen über die ehe-
malige Doppelkirchenanlage und vor allem über die
ortsnamengebende cella" des B. Jahrhunderts im
ehemaligen Bisanzio" noch keineswegs zu Ende ge-
führt. Außerhalb der Pfarrkirche neben dieser
stand dicht benachbart bis 1729 bzw. 1770 eine Ma-
rienkirche werden die Grabungen in diesem Jahr
weitergeführt werden worüber zu gegebenem Zeit-
punkt ebenfalls in dieser Zeitschrift berichtet wer-
den wird.
Durch den Grabungsbefund ist exakt nachgewiesen,
daß der Bau an der Stelle der heutigen Zeller
Pfarrkirche ein langgestreckter Apsidensaal rund
8x32 mit Krypta und löngsgerichtelen Annex-
röumen war; diese Annexröume schlossen ebenfalls
mit Ostapsiden.
Erzbischof Odalbert 923-935 wählte Zell während
der unsicheren Jahre zwischen der Niederlage des
bayerischen Heerbannes bei Preßburg 907 und der
siegreichen Schlacht auf dem Lechfeld 955 als Zu-
fluchtsstötte im Gebirge aus, die offenbar auch
Odalberts Nachfolger beibehielten. Daß an einem
solchen Ort eine dem Erzbischof von Salzburg wür-
dige Kirche vorausgesetzl werden kann, bedarf
eigentlich keiner weiteren Begründung. Wichtig
bleibt die Weiterverwendung der Krypta durch den
stauferzeitlichen Bau, eine turmlose dreischiffige
Pfeilerbasilika des an diesem Ort vor 1129 und bis
1216 existierenden Augustinerchorherrenstiftes.
Fuhrmann macht darauf aufmerksam, daß man an
diesem Bautypus, mit dem sich neben anderen Louis
Grodecki", Walter Baeckelmannt und Hans Sedl-
mayrs auseinandergesetzt haben, zwei Hauptvarian-
ten streng unterscheiden sollte; und zwar ienen mit
quergerichteten und ienen mit längsgerichteten An-
nexen, die auf ieden Fall niedriger als der Haupt-
raum sind.
Selbst wenn den ausstehenden Grabungen nach
cella" und Marienkirche kein Erfolg beschieden sein
sollte, wird allein durch die Erforschung dieses
ottonischen Kirchenbaues die Stadtpfarrkirche von
Zell am See zu einem grundsätzlich wichtigen Bau-
werk der Kunstgeschichte Österreichs.
Ausschnitt aus einer alten Ansicht von Zell am
See Salzburger Landesarchiv mit der Darstel-
lung der großen Überschwemmung von 1737.
Neben der Pfarrkirche zum hl. Hippolyth mit
der Rundapsis die alte Marienkirche
Grundriß der Stadtpfarrkirche Zell am See.
Bau vorromanisch, 9.-10 Jahrhundert
Stadtpfarrkirche Zell am See- Krypta mit auf-
gehendem ottonischem Mauerwerk
Anmerkungen 2-5
lAusführlidie Grabungs-, Freilegungs- und Restaurierungs-
berichte sind in der durch das Stadtpfarramt Zell am Sao
zu beziehenden Festschrift Preis 100.- enthalten.
Louis Grodecki, Uarchiteclure ottonienne, Paris 1958.
'Walter Baeckelmann, Grundformen im frühkarolingisdten
Kirchenbau des östlichen Frankenreidies, in Wallraf-
Richartz-Jahrbuch, 1B, 1956, S. 27-69.
SHans Sedlrnayr, Mailand und die croisillans bas", in
Festschrift für Eduardo Arslan, Mailand, 1966, S. 113-128.
Unser Autor
Franz Wagner
5163 MattseelPostfach 11
35
Künstlerprofile
Max Rieder
Hirte für St. Koloman, 1mm.
Marmor, 2,35
Anton Hanak, 1943.
Gips für Bronze. so cm
Prozession, 1975.
Gips für Bronze, 2l cm
Entwurf für eine Brunnenfigur,
1975.
Gips für Bronze, a4 cm
Max Rieder
Der Hirte" bewachte lange Zeit das kleine Haus des
Künstlers an der linken Glanzeile in Salzburg. Sein
Haupt erreichte fast die Hohe der Dachgleiche, sein
Antlitz sah so friedfertig wie unerschrocken auf den
Eingang. Der Ankommende hatte den Eindruck,
es schmiegte sich das Haus an den Überlebens-
großen Hüter, wie das Lamm sich zu seinen Füßen
drängt. Man brauchte nicht die höheren Weihen
einer Akademie der bildenden Künste empfangen
zu haben, um sofort innezuwerden, Hirt und Haus
stehen zueinander in gebrochener Proportion,
man wußte im Augenblick, baid werde sich der
Hirte auf den Weg machen, um seinen angestamm-
ten Platz einzunehmen. Dort, in St. Kolomon, scheint
er nun eingegangen in die Landschaft, gleichsam
gewachsen. Man hat es vor Augen und erfährt es
doch wie ein Wunder die Proportion zwischen
Plastik und Landschaft hat sich auf eine natürliche
Weise hergestellt.
Der Hirte" ist die letzte größere Auftragsarbeit,
die Max Rieder ausgeführt hat. Wir verweilen noch
bei ihm, schließen iedoch in unsere Betrachtung auch
die Figurengruppe Musizierende" vor dem
Salzburger Kangreßhaus, die Pieta" in Fuschl,
das Kanzelrelief in der Salzburger SL-Andrö-Kirche,
die Madanna" für das Salzburger Btindenheim
und nach andere Bildwerke von ihm ein, wenn uns
der Satz des unvergeßlichen Julius Meier-Graefe
einfällt, mit dem er seine immer erregende Einsicht
in die bildende Kunst des Abendlandes festgehalten
hat Nur das unzerlegbare Menschliche kann sie
tragen." Der Satz behält seine aufregende Gültig-
keit, auch wenn er heutzutage verschüttet scheint
vom unseligen Treiben der ldeologen aller Schat-
tierungen, die von der Kunst das verlangen, was
nur praktische Politik vollbringen kann. Jedem
schöpferischen Künstler bleibt die Erhaltung und
Weitergabe künstlerischer Substanzen eine existen-
tielle Verpflichtung, eher wird er ins Schweigen
der Öffentlichkeit eintreten und unrepräsentatiW
bleiben, als daß er Kraft und Talent für die
sogenannte Veränderung der politischen und
gesellschaftlichen Systeme" verschleudert. Das kann
und soll, ist er einer solchen Überzeugung, auch ein
Schneider oder Schuster. Max Rieder nun hat es
vorgezogen, den Prozeß der künstlerischen Läute-
rung in der Stille zu vollziehen und für keine
modische Tendenz als reprösentativ" zu gelten.
Diese Entsagung entspricht seinem Glauben an die
Fortdauer des Menschen und birgt die Rettung
in sich, insoferne er die freie natürliche Regung des
Humanen offenbart.
Seine sinnliche, sinnenhafte Wahrnehmung der Welt
schließt die pure Abstraktion aus, und weil er
dieser Sinnenklarheit rückhaltlos vertraut, antwortet
seinen Figuren das Gemüt und nicht der Intellekt.
Er kennt die Materie, aus der er schafft, mit der
er umgeht, sei es nun Bronze, Stein oder Marmor,
und diese Vertrautheit mit dem Material ruft den
Mann ins Gedächtnis, der 1903 in sein Tagebuch
die Notiz eingetragen hatte Es ist mir ein Rätsel,
daß einen das Material so ganz beherrschen kann.
Man wird förmlich neugeboren und erzogen
Es war Anton Hanak.
Dieser bedeutende Bildhauer, dessen ständige innere
Vibration im Brennenden Menschen" den ebenso
formgerechten wie unwiederholbaren Ausdruck fand,
hat den iungen Rieder, der eben seine Holzbild-
hauerlehre in Salzburg absolviert hatte, in Wien wie
ein zweiter Vater aufgenommen. Unter ihm hat
er sein akademisches Studium begonnen, er ist ihm
in der Folge durch fast zwei Jahre, bis zu Hanaks
Tod, bei den großen bildnerischen Aufgaben in
Ankara Freund und Helfer geworden. Auch hier
offenbart sich eine der Eigenschaften von Max
Rieder Danken aus frahem, unbeschwertem Herzen
kann nur, wer Größe in sich trägt und mit
Bescheidenheit zu verbinden weiß.
Franz Taucher
EFTTY FIUUECEK
Les Doubles", 1971.
UllHolz, 55,5 85,5 cm
Venus mit Paradiesvogel, 1969.
Tempera, 41,0 28,5 cm
Em Hudecek
Le glaubt nach an den Schwan,
1964. Aquarell, 30 x16 cm
Wandlung durch Eva, 1963.
Aquarell, 34 30 cm
Andre Breton verkündete in seinen Manifestes
du Surrealisme" 1924 Das Wunderbare ist immer
schön, so unwirklich es auch sei, es ist schön, denn
es ist sogar nur das Wunderbare schön."
Dieses Schöne und Wunderbare tritt uns in zart
leuchtenden Farben, in unwirklichen und wirklichen
Formen aus den Bildern von Emy Hudecek entgegen,
ganz im Sinne des Surrealismus, der wie Breton
schreibt einen Punkt sucht, wo Leben und Tod,
Wirklichkeit und Einbildung, das Mittelbare und
das Nichtmehrmittelbore aufhören, als Widersprüche
gesehen zu werden. Die Wienerin Emy Hudecek
absolvierte ihr graphisches Studium in Wien.
Sie wandte sich bereits in den fünfziger Jahren der
Malerei zu. Die Teilnahme an den Ausstellungen
der Wiener Schule des Phantastischen Realismus"
der sechziger Jahre veranlaßt, ihre frühen Werke
dieser Richtung zuzuordnen.
Emy Hudeceks bevorzugte Thematik ist die Frau
ein klassisches, ein immer aktuelles Thema, eine nie
versiegende Quelle von Faszination.
Eine Frau interpretiert die Frau. Es finden sich iedoch
in dieser Interpretation keine lauten Töne, kein
aufdringliches Sich-zur-Schau-Stellen, keine wie
immer geartete Emanzipation, Die Geschöpfe auf
den Bildern von Emy Hudecek sind zwar sehr
gegenwärtig in ihrer Weiblichkeit, doch sagen sie
nichts aus über ihr Wünschen und Wollen, ihre
Sehnsüchte und Leiden. Sie sind einfach da, voll
Anmut und Würde, aus Träumen geboren und zum
Träumen verführend, sanft und doch bezwingend
an dem Punkt, wo Leben und Tod, Wirklichkeit und
Einbildung aufhören Widersprüche zu sein.
Ihre Bilder entstehen nicht nach einem Konzept.
Sie entstehen im Zusammenwirken von Stimmung
und Material. Das Bild, der Traum, die Frau, wächst
aus unbestimmten, wolkenhaften Formen heraus
und wird mit höchster Genauigkeit gegenständlich
gemacht.
Unbewußt ist alles, was geschieht bewußt alles,
wie es geschieht", schreibt Franz Tassie 1970
anläßlich der Ausstellung der Künstlerin in Wien.
In den sanften Bildern von Emy Hudecek zeigen
sich aber auch starke formale Gegensätzlichkeiten
Kontraste, die sich in ihrer Wirkung gegenseitig
steigern. Die betonte Körperhaftigkeit wird nicht
selten von linear-tlächigem Ornament begleitet.
Wir finden es im Haar, das sich in üppigen Strich-
bündeln um die Köpfe der Figuren bauscht, wir
finden es auch in den Gewändern, die die Körper
hinter starren Hüllen verschwinden lassen.
Stärkster Kontrast bietet sich in ienen Bildern an,
in denen Plastizität und Fläche gegeneinander
gesetzt wurden.
Bewußt ist alles, wie es geschieht.
Dennoch bleibt das Schwebende und Unwirkliche
der traumhaften Darstellung ungetrübt erhalten.
Man lasse sich von diesen Träumen bezaubern!
Ingrid Gaber-Schuster
37
Aktuelles Kunstgeschehen Österreich
Wien
Museum des 20. Jahrhunderts
kunst aus sproche
Die umfangreiche Schau wurde von Friedrich
Achleitner, Heimrad Bäcker, Ernst Jandl, Gerhard
Rühm, Alfred Schmeller, Peter Weibel und Peter
Weiermair sehr übersichtlich zusammengestellt.
Gezeigt wurden Beispiele von Ad1leitner bis Weibel.
Diese alphabetisch weit auseinanderliegenden
A-W Beteiligten kennzeichnen auch das ganze
Unternehmen. Während Achleitner sich nach an die
Fläche des Papiers und an die Verwendung der uns
gebräuchlichen Buchstaben hält, schreitet Weibel
zur Fotomantoge fort, wobei das Wort nur sehr
bedingt zum Tragen der Aussage kommt.
Dazwischen gibt es aber noch eine Menge Extreme,
die sehr wenig mit Sprache, eher mit
Sprachlosigkeit zu tun haben. Sich vielleicht zu
Recht oder Unrecht auf Wittgenstein berufend.
Am besten sind, im Sinne der Ausstellung, die
Schriftbilder von Rühm, hier besonders mein
leben", mannlfrau", ichldu". Auch einige streng
optische Wortfügungen Achleitners zeigen sehr
deutlich, was diese Richtung will. Jandls etwas
witzigere Formulierungen werden dem
unvorbereiteten Besucher vielleicht noch Zugang zu
dieser Ausdrucksweise geben. Als wichtig müssen
auch Heinz Gappmayrs Exponate bezeichnet werden,
wenn auch so vieles nicht mehr ganz dem Titel der
Schau entspricht. Was sonst aber noch ringsum
gezeigt wurde, waren meist Rand- oder
Zufallsprodukte, Experimente oder Lockerungsspiele,
wie sie fast ieder Gestaltende einmal durchführt.
Prioritätsstreitigkeiten erinnern an den Bart des
Propheten. 5. 11.-31. 12. 1975 Abb.
Galerie Basilisk
Peter Dwarak
Der iunge, außerordentlich begabte Graphiker, wir
stellten ihn im vorigen Heft in der Spalte
Künstlerprofile" vor, zeigte neben dem Zyklus
mixed pickles man" eine Menge neuer Blätter, die
sehr deutlich seine harte, zupackende Art
kennzeichnen, die aber auch eine Erweiterung
seines Themenkreises anzeigen. Bei den in sehr
satten Tönen gehaltenen Graphiken herrscht immer
ein starkes kritisches Engagement vor, das auch vor
der Entlarvung gutbürgerlicher Hößlichkeit nicht
zurückschreckt. 4.-24. 11. 1975 Abb.
Modern Art Galerie
Jürgen Messensee
Der Maler vertrat Österreich erfolgreich 1973 bei der
Biennale in Säo Paula. Er zeigte in dieser Wiener
Schau, wie sehr seine Ausdruckskraft von der
Kombination von Linien und Flächen getragen wird.
Immer im Figuralen verankert, vereinfacht er aber
meist die Formen generell zu Chiffren. In einer von.
Picasso herkommenden Artikulation und mit dem
Einsatz großer und kräftiger Farbnuancierungen
erreicht er eine sehr starke Faszination. Hier ist
eine klare Aussage, keine verspielten, verzettelten
Abweichungen in kleinliche Details.
5.-23. 11. 1975 Abb.
Peter Skubic
Ausgewählte Arbeiten der Jahre 1973-1975 Ringe,
Anhänger und kleine Plastiken aus Stahl und
Edelmetall. Die meisten Arbeiten sind allerdings
aus Chrom-Nickel-Stahl, und Skubic will den
Schmuck nicht vom Material, sondern von der
Formung her kostbar machen. Er verwendet dabei
meist geometrische, in modernem technisd1em
Denken verankerte Formen, etwa den Würfel oder
die Kugel. Häufig finden wird auch phallisdte
Motive angespielt, womit wir zu einer uralten
Amulettforrn kommen und damit zu einer Wandlung
in der Beziehung Schmuck", die auch Skubic
anstrebt. 26. 11.-IQ. 12. 1975 Abb.
Galerie Wolfrum
Karl Korab
Neben zwei Gouachen und vier Original-
zeichnungen aus den Jahren 1957158 waren viele
38
Drudrgraphiken zu sehen. Die kostbaren
Zeichnungen zeigten mit sparsamen, andeutenden
Linien Akte, die Siebdrucke, 60 Stück, die sehr
sauber gearbeitet sind, Überschneidungen von
Mensch und Technik. Die Farben sind in der für
Korab typischen reinen Flächigkeit gehalten, oft
auch in kleine Sektoren und Streifen geteilt. Eine
Mappe mit zehn Radierungen zu Adalbert Stifters
Mappe meines Urgroßvaters" ergänzte die
Auswahl.
5.-15. 11. 1975 Abb.
Galerie Würthle
Alfred Wickenburg
Etwa 70 Exponate aus vielen Stadien aus
Wickenburgs Schaffen. Trotzdem ein geschlossenes
Werk von großer Aussagekraft. Viele Leihgaben
der Neuen Galerie" Graz. Von ihnen müssen
besonders die Rötelzeichnungen hervorgehoben
werden. Ein Venustempel" ist mit lockerem Stift
wie kaligraphisch meisterhaft hingeschrieben. Die
Aquarelle haben kraftvolle Farben, eher
unvermischt, trocken. Auch hier sind starke
graphische Elemente, die Farbe ist fleckig. Sehr
spukhoft und doch wieder ungemein lebendig und
bewegt sind die Illustrationen zu Gogols Tote
Seelen".
30. 10.-22. 11. 1975
Zentralsparkasse Zweigstelle Quellenplatz
Peter Stransky
Der Sohn des bekannten Wiener Malers zeigte
Malerei und Graphik. Die Arbeiten bewiesen, daß
er sich langsam vom Einfluß seines Vaters frei
macht. Natürlich ist seine Sprache auch eine
expressive, besonders bei der Darstellung der
Menschen, die hier mit einigen markanten
Beispielen vertreten war. Die landschaftlichen
Motive, meist vom Rande der Großstadt, werden
aber lockerer erfaßt. Ihre graphische Gestaltung
braucht den Vergleich mit bekannten Malern wie
Escher oder Eisler nicht zu scheuen.
2. 11.-2. 12. 1976 Abb.
Raiffeisen-Zentrale
Alte und neue Plastik
Neben einigen Leihgaben aus dem
Erzbischöflichen Dom- und Diözesanmuseum waren
13 Kleinplastiken und fünf große Metallplastiken
unserer Zeit zu sehen. Bei den gotischen Arbeiten
handelte es sich um Madonnen aus Haitzenhof,
Hauskirchen und Talarhof und um eine Groblegung
und Beweinung Christi. Der Kontrast zu den
Plastiken unserer Tage war groß, wenn auch von
den Modernen so gute Arbeiten wie iene von
Avramidis, Bottoli, Pillhofer, Watruba u. a. zu
sehen waren. Von den ungeschulten Besuchern einer
solchen Ausstellung wird zu den modernen Arbeiten
kaum ein Zugang gefunden worden sein. Man sollte
daher überlegen, ob es bei einer Wiederholung
nicht besser wäre, nicht zu mischen, und ob man
sich nicht bemühen sollte, eine gewisse Entwicklung
aufzuzeigen.
13. 11.-2B. 11. 1975 Abb.
Historisches Museum der Stadt Wien
Wien im Mittelalter
Das Thema ist umfassend und gleichsam ein
Auftakt zu der Ausstellungstütigkeit im Jubiläums-
iahr Tausendiähriges Usterreich". 466 Exponate
zeugen von Leben und Kultur des mittelalterlichen
Wiens. Die zeitliche Spanne der dargestellten Ge-
genstände reicht vom 12. bis zum 16. Jahrhundert.
Wir finden archäologische Funde, schriftliche Doku-
mente, Münzen, Plastiken, Bilder, Zeichnungen,
Kunsthandwerke, Waffen und Gebrauchsgegen-
stände. Die Exponate kommen z. T. von solch
angesehenen Leihgebern wie dem Louvre, Paris,
dem Museum der schönen Künste, Budapest, der
Staatsbibliothek, Berlin, u. a.
Einen großen Raum nehmen berechtigterweise die
Kunstwerke von St. Stephan ein. Die Plastiken
kommen bei der Aufstellung und Beleuchtung
besonders gut zur Geltung. Sehr schön auch
verschiedenen Architekturplastiken wie Schluß
steine, Wasserspeier u. ä. Daneben stehen sel
eindrucksvoll die farbenkräftigen und ausdruc
vollen Glasmalereien, mit dem Höhepunkt der
Habsburger-Fenster. Auch aus anderen Wiene
Kirchen sind sehr gute Beispiele gotischer
Plastik zu sehen. Hervorzuheben ein Kruzifixu
der Ruprechtskirche um 1170-1180. Die Tafel-
malerei ist mit einer ganzen Reihe sehr anschc
licher Beispiele vertreten, wobei wir hier besa
auf die Stadtansichten, auf die Ansichten der
Umgebung Wiens, aber auch auf die Lebens-
umstände, den Hausrat und auf die Kleider ie
Zeiten aufmerksam gemacht werden. Die Buch
kunst und die Waffen sind ebenfalls mit erlesi
Stücken vertreten. Ein schwerer Roßharnisch
Mailand und ein geriffelter Küraß für Erzher
Ferdinand I. aus Augsburg bilden dabei besoi
Glanzpunkte. Eine wichtige Ausstellung
18.12. 1975 bis 18. 4. 1976.
Salzburg
Galerie Welz
Herbert Breiter
Neue Ulbilder, Aquarelle und Zeichnungen
in Schlesien geborenen und seit 1975 in Salzbi
lebenden Malers waren in der Galerie Welz
sehen, die sich Breiters Werk seit seinen früh
Einzelausstellungen stets angenommen hat.
könnte sagen, daß auch in diesen Bildern der
seines Lehrers Max Peiffer-Watenphul noch
bleibt, man könnte auf Darstellungstendenzer
einem Naiven Realismus" hinweisen. Aber
ist immer und in iedem Bild ganz er selbst,
gegenständlichen" Darstellungen von Kultur-
landschaften mit Architekturen und bebauten
sind überschaubare, in sich abgeschlossene
Kompositionen. Souverönes handwerkliches
macht es Breiter möglich, mit verschiedenen
Techniken den gleichen gewünschten Effekt"
erzielen, Aquarell und Lithographie etwa öhn
einander in vollendeter Weise.
1.-26. 10. 1975 Abb.
Rudolf Hrodil
Wie Breiter ist auch Hrodil Angehöriger einer
konkret bestimmbaren, aber doch sehr deutli
vorhandenen Salzburger Gruppe" und ebeni
der Galerie Welz fast schon beheimatet. In
Stadtlandschaften als dem bevorzugten Them
interessiert Hrodil nicht das Topographische,
die möglichst genaue Vedute. Kräne, Autobus
bahnhöfe, ganz gewöhnliche" Dinge seiner
alltäglichen Umwelt faszinieren ihn, doch niei
als bloße Illustration. Unbehagen oder Wohl
Empfindungen also, von der Umgebung"
verursacht, sind es, die in seinen mit
unverwechselbarem Strich virtuos gezeichnete
Blättern oder in den gebrochenen Farbtöner
Aquarelle ebenso spürbar werden wie die
Atmasphäre" der Großstädte des 20. Jahrhi
29.10.43. 11. 1975 Abb.
Kunstverein
Richard Hirschbäck
Schon 1971, als der 1937 in Schwarzach-St. Ve
geborene und seit 1962 in Thumersbach bei
Zell am See lebende Maler mit einem Entw
eine flächige Drahtverspannung" einen Grap
wettbewerb der Salzburger Aktiengesellschaf
Elektrizitätswirtschaft gewinnen konnte, war
bestimmender Grundzug seines künstlerischer
Bildens sichtbar geworden die intellektuelle
Ver-Bildlichung und Ver-Sinnbildlichung seine
der Umwelt und der durch seine Eigenart gep
lnnenwelt mittels technoider wie natürlichen
Bildelemente. Hirschbäck war aber nicht bei
Gütersloh an der Akademie gewesen, um nur
eiskalte Abstraktion zu pflegen neben
Darstellungen, denen Konstruktion" Wesens
gibt es Bilder, vibrierend von Farbe, von Fan
und von der künstlerischen Kraft einer Persön
26. 10.-16. 11. 1975
lildfolge 1-12
quadnt
Hemz Gappmayr, quudrnl
Messensee, Skizze, TuschelFederlPapier, 1971172
Karl Korab, Tisch mit Helmkopf, Gouache, 1973 Peter Shnnsky, Fabriksgelände
.,v
EOskcr Bsuzlvoli. Dicke Marge!" nach Frangois Villen. Herber! Breiver, Alfa Brücke, 1975. KohlelFeder Rudolf Hrudil, Hafen am Goldenen Horn, 1974.
ronze. cm
Jochen Gerx,AufoporträMDelallj,1972 11, 12 Luziano Ccsvelli, Luciunds Smile-Alik Smile"
William Burroughs
Aktuelles Kunstgeschehen Österreich
Galerie Academia
Heinrich Heuer
Die gezeigten rund dreißig graphischen Blätter
Gouachen, Radierungen und Mischterhniken
erweisen van neuem das hohe bildnerische
Vermögen Heuers wie seine handwerkliche Brillanz.
Die organischen Strukturen und der Umgang mit
Reflexionen aus Traum und Unbewußtem zeigten
Heuer, wie schon in der Ausstellung seiner Werke
am gleichen Ort vor zwei Jahren, von seiner besten
Seite als konsequent und unermüdlich arbeitenden
Künstler.
Oktober 1975
Franz Wagner
Tirol
Innsbruck
Galerie im Taxispalais
Selbstporträt als Selbstdarstellung
Im Katalog, der, wie fast immer bei konzeptioneller
Kunst, Beitrag und Bestandteil der Ausstellung ist,
wird im Zusammenhang mit dem Selbstporträt von
privatem Exhibitionismus gesprochen, der in der
aktuellen Kunst problematisch geworden sei.
Während aber gerade in den großen Selbstporträts
der Vergangenheit Exemplarisches und damit auch
gesellschaftsbildende Konzeptionen ausgesprochen
wurden, scheinen uns viele Fotoporträts dieses
Zyklus sehr individuell und oft auch noch Ausdruck
psychopathologischer Züge zu sein. Echte Versuche
der Darstellungen ihres Seins scheinen uns iene der
Friedl Bandy, des Agnetti, Gerz, Oberhuber,
Parmiggiani und Salva zu sein.
14. 10.-5. 11. 1975 Abb. 10-12
Steiermark
Neue Galerie
Graz
Werke der X. internationalen
Malerwochen 1975
42 sehr unterschiedliche Exponate von zwölf
Künstlern aus Italien, Jugoslawien, Ungarn und
Österreich. Kanstruktivismus und Neuer Realismus
beherrschten die Schau. Allein Emilia Tadini schlug
zum Dadaismus und Loize Logar zur Pop-art aus.
Als besonders begabten Vertreter des Realismus
kann man den in Usterreiah lebenden Ungarn
Stefan J. Gyurko ansprechen. Eine andere Art von
Realismus vergegenwärtigt Franz Motschnig,
unmittelbarer, kräftiger, härter und plastischer. Ist
der eine mehr vom Gedanklichen, so der andere
mehr vom optisch Geschauten beeinflußt. Ganz
aus dem Zusammenhang des üblichen Ausstellungs-
schemas fiel Günter Lierschof mit seinen
Gesprächen mit einem Baumstrunk".
7.-19. 10. 1975 Abb. 13, 14
Markus Raetz
59 Exponate, Zeichnungen, Aquarelle, Radierungen.
Raetz wird als einer iener Schweizer Maler
bezeichnet, die international am anerkanntesten
sind. Bei den ausgestellten Obiekten handelt es sich
meistens um stenogrammartige Notierungen sehr
persönlicher Art. Freilich ist bei einigen Blättern ein
sehr starkes graphisches Gestaltungsmoment zu
erkennen, meistens liegt aber der Schwerpunkt im
spielerischen und ist etwa mit den Zeichnungen
Dostajewskis auf seinen handschriftlichen
Manuskripten vergleichbar.
24. 10.-30. 11. 1975 Abb. 15
Urs Lüthi
Arbeiten 1970-1975 zehn Fotos und sechs Offset-
Iithographien. Lüthi zeigt Lüthi. Bewußte
Selbstdarstellung des Menschen. Wie in vielen
anderen Kunstsparten, so scheinen sich auch hier die
Grenzen zwischen den Disziplinen zu verwischen
und das Schauspielerisdie und Darstellende zu
vereinigen bzw. im Schaustellerischen zu münden.
24. 10.-80. 11. 1975 Abb. 16, 17
Rudolf Spahn
13 Olbilder und 96 Zeichnungen und Aquarelle.
Siebzig Jahre ist dieser Maler geworden, dann
starb er und hinterließ allein etwa 2000 Blätter
40
seines zeichnerischen Werkes. Er war gegen
Selbstreklame, in unserer Zeit also auf verlorenem
Pasten, noch dazu, da er nicht die ieweils
obligaten Madeströmungen mitmachte. Seine
Olbilder bewiesen Malqualitöten, die vom
Expressionismus herkommen, auch surreale Züge
finden wir. Bei den Graphiken arbeitete er oft mit
einer einzigen zusammenhängenden Linie einen
halben Kärperumriß heraus.
5. 12. 1975-11. 1. 1976 Abb. 18
Wettbewerbsausstellung
152 eingereichte Arbeiten von sehr verschiedener
Qualität und Ausführung. Der Kunstpreis des Landes
Steiermark wurde Bernhard Müller für sein
Dispersionsbild itika luslal" zugesprochen. Den
Förderungspreis des Bundesministeriums für
Unterricht bekam Egon Waltl für das große
Temperabild MAN SETZT MIR GRENZEN" und
ienen der Gesellschaft der Freunde der Neuen Galerie
Unthink Faktor für eine dreiteilige Fatomontage.
Die Ulbilder die irdische und die himmlische liebe"
von Ferdinand Penker und flucht in die
anonymität" von Friedridw Ertl wurden zum Ankauf
empfohlen.
16. 12. 1975-11. 1. 1976 Abb. 19
Oberösterreich
Linz
Neue Galerie
Ernst Haas
Nachkriegsreportage des bekannten Fotografen.
Hervorragende Bilder und Zeitdokumente. Eine
Schau, die gerade zum dreißigsten Bestehen der
Republik zu zeigen sehr wichtig war. Die Fotos
gliedern sich in mehrere Gruppen Ruinen, wartende
Frauen und Heimkehrer, Flüchtlinge und
Obdachlose, Menschen auf der Straße und
Menschen, die ihren Hunger stillen." Bilder, die die
heutige Generation nur von fernen Gegenden, etwa
Vietnam, zu sehen gewohnt ist, Bilder, die ihr
vielleicht zu denken geben.
23. 10.-15. 11. 1975 -Abb, 20, 21, 22
Club der Begegnung
Herbert Pasiecznyk
Bilder verschiedener realistisch gemalter
Gegenstände in einem isolierten Raum. Ganz banale
Dinge bekommen einen fast magischen Charakter
und scheinen Träger eines ihnen fremden Sinnes zu
sein. Die verhaltene Farbgebung tut nach das lhre
dazu. Der Einfluß der Surrealisten kann nicht
verleugnet werden. Mit dem Wiener Phantastischen
Realismus haben diese Bilder allerdings nichts zu tun.
5. 11.-5. 12. 1975
Niederösterreich
Perchtoldsdorf Galerie Romanum
Rudolf Kriebaum
Es ist eine phantastisdie Welt, die uns dieser Maler,
Autodidakt, und doch schon mit vielen
Ausstellungen weit über Österreichs Grenzen
bekannt, hier zeigte. Er arbeitet in einer
Mischtechnik Fede eichnung, Spritzverfahren,
aber auch sehr präzise Radierungen kommen aus
seiner Werkstatt. Die gezeigten Graphiken
erinnern an Querschnitte seltsamer Organismen, an
Materungen floraler Gebilde, an Mikrostrukturen.
Der Phantasie wird hier auch ein weiter Spielraum
im Weltall zugewiesen, wo sich Zukunftswelten und
-wesen gruppieren.
1. 10.-28. 10. 1975 Abb. 23
Mistelbach Galerie Weinviertel
Kurt Ammann
18 große Aquarelle und etwa ebensoviele
Radierungen. Die Aquarelle entstammen drei
Zyklen. Da gab es Landschaftsstrukturen, dann die
Gruppe der Zeichen, man denkt bei ihnen an
ostasiatische Tuschearbeiten, und schließlich die
Gruppe der kosmischen Ereignisse. Letzteres Thema
schneidet Ammann auch immer wieder in seinen
sehr sauber gearbeiteten Radierungen an. Es ist
erfreulich, daß auch saldte qualitätsvalle Arbeiten,
die für das Publikum einer kleinen Stadt einem
Publikum, das nicht mitten im zeitgenössischen
Kulturbetrieb steht vielfach neue Formen zeigten,
großes Interesse und auch Käufer fanden.
24. 10.-28. 11. 1975 Abb. 24
Alois Vogel
Dissertation über Michael Wutky
Frau Brigitte Kuhn, Marktgraben 6020 Innsbruck,
arbeitet an einer Dissertation über das Werk des
Landschaftsmalers Michael Wutky 1739 Krems
1822 Wien und bittet, über Gemälde und
Zeichnungen im Privatbesitz Nachricht an sie zu
geben.
Salzburg, Residenzgalerie
Vom 1. März bis zum 30. April 1976 werden in
einer Sonderausstellung der Salzburger Residenz-
galerie über 100 ausgewählte Blätter aus dem
graphischen Werk von Oskar Kokoschka gezeigt
werden.
dfolge 13-24
mixe Logar, Simelrule Slelun Julius Gyurkö, 1975 Numnuvs-Akt I5 Markus Raelz, WASSUUIZEICHNEW Phantasie-Inspi-
ruvion
Jrs Lülhi, Luzy Days, 1975 17 Urs Lülhi, Selbstporträt, 1974 18 Rudolf Spchn, Bildnis, '57. OllLeinwand
Egon WaW, MAN SETZT MIR GRENZEN
Irnsl Haus, Fluchihngselend, Wien 1945 23 Rudolf Krwebaum, X. P.
Ems! Haus, Gmnciwerler, Sluhlhelme in Ruinen, Wien
1945
2a mm Ammann, Blaues Gasürn, ms, Aquarell
41
Notizen
Aachen Neue Galerie
Belgien Junge Künstler 22. 11.-28. 12. 1975.
In Zusammenarbeit mit den Ministerien für Kultur
beider Länder kam unter obigem Titel eine Aus-
stellung zustande, die Jacques Charlier, Alain
D'Hooghe, Filip Francis, Jacques Lizene, Bernd
Lohaus, Mass Moving, Jaques-Louis Nyst, Henri
Pousseur, Philippe van Snik und Marthe Wery als
Vertreter der iungen Künstlergarde Belgiens reprä-
sentierte. Man warf naturgemäß die Frage auf,
inwieweit diese auf verhältnismäßig engem Raum
und im Schatten der Delvaux, Ensor, Magritte und
Permeke reüssieren können. Die Neue Galerie tat
das lhrige, um die moderne belgische" Situation
darzulegen. Wolfgang Becker erklärte am Er-
öffnungstag die Ausstellung. Einer der Künstler,
Alain D'Haoghe, drehte den Film L'Art de
l'Avantgarde", der täglich und auf besonderen
Wunsch lief. Im Rahmenprogramm weitere belgi-
sche Amateurfilme, musikalische Darbietungen aus
dem Centre de Recherches musicales de la
Wallonie", Liege, und der Versuch, mit Lesungen
aus der belgischen Dichtung der Gegenwart zum
belgischen Selbstverständnis zu gelangen. Aus dem
übrigen Programm
Fünf Ausstellungen 20. 11.-IG. 12. 1975 der Inter-
essengemeinschaft bildender Künstler Aachens, ein
großer Weihnachtsbasar, im Atrium ein Abend mit
Gedichten und Geschichten des Aachener Publikums
unter dem Motto Das Machen schlechter Gedichte
ist noch viel beglückender als das Lesen der aller-
schönsten", das meinte kein Geringerer als Hermann
Hesse. Unter den Faits divers Vorträge, weitere
Ausstellungen, Filme u. a. m.
Düsseldorf Hetiens-Museum
Im Deutschen Keramikmuseum hielt Karl Gantner
den Lichtbildervortrag Malta und seine Steinzeit-
kulturen" 26. I1. 1975. In den WechselausstelIun-
gen zur zeitgenössischen Kunst der Keramik präsen-
tierte man vom 8. bis 30. 11. 1975 Poh Chap Yeap,
England, einen Malaysier, der im besonderen die
historische Keramik der Koryo-Dynastie schätzt,
wie er den zeitgenössischen Töpfern Lucie Rie und
Hans Coper seine Achtung bezeugt. Als nächsten
in dieser Reihe präsentierte man Johan van Loon,
Niederlande, einen Rotterdamer, der die Amster-
damer Rietveld-Akademie absolvierte, bei Lucie Rie
und Stig Lindberg arbeitete und 1965 in Hengelo
eine eigene Werkstatt gründete. Lcon ist Dozent
an der Akademie für bildende Kunst in Enschede.
Düsseldorf Galerie Vömel
Einen bemerkenswerten Naiven zeigte man hier im
November und Dezember 1975. Jan Balet, Bremer,
1913 geboren, Absolvent der Kunstgewerbeschulen
München und Berlin und der Akademie München,
hier unter Olaf Gulbransson. Dessen Einfluß auf
den Künstler ist kaum übersehbar, der nach der
Emigration ab 1965 in München, von 1973 an in
Frankreich lebt. In Balets streng horizontal ge-
bauten Bildern offenbart sich einer, der einer
kultivierten Nostalgie huldigt. Und da ist La
France" ein unerschöpfliches Reservat, mit seinen
lebboren im Gestern erstarrten lmaginationen. Ein
Schuß Sarkasmus und feine Züge menschlicher
Hintergründigkeit verleihen seinen Schöpfungen
einen Grad, der ihn aus den naiv-hypertraphen
Bauernmalereien deutlich herausragen läßt Abb. 1.
Duisburg Wilhelm-Lehmbruck-Museum
Mona Lisa, und immer wieder Mona Lisa. Anfang
dieses Jahres fand hier unter dem Titel Mona
Lisa im 20. Jahrhundert" eine Ausstellung an Hand
von 30 ausgewählten Kunstwerken statt. Siegfried
Salzmann folgt mit ihr dem Trend der modernen
Kunst, Meisterwerke alter Kunst zu zitieren. Er
meint Dieses Phänomen ist besonders aufsdtluß-
reich und wichtig, weil sich ein neues Verhältnis
zur überlieferten Bildwelt ablesen lößt". Die klassi-
sche Verfremdung der Mona Lisa wird einerseits
durdi Dudiamp, Leger, Dali, Magritte und ander-
seits durch iüngere Künstler wie Saskia de Boer,
Plessis und den Wiener Stenvert belegt. Vor dieser
Austellung startete man einen weiteren Versuch, in
42
einer Art Vorschule des Sehens mit Dias und Texten
dem Publikum bei der Entdeckung und Enträtse-
lung" von Kunstwerken auf die Sprünge zu helfen.
Nach Giacomettis Der Wald" und den Zehn
Köpfen" war es diesmal Bert Gerresheims Kleines
Emmaus-Ensemble", 1972. Diese mit Religiösem und
Erotischem geradezu aufgespeicherten drei Kleinst-
plastiken aus versilberter Bronze, iede kaum größer
als eine Hand, füllten mit ihren reichen Aussage-
werten und ihrer Realitütsbezüglichkeit doch den
ganzen Raum Abb. 3.
EsslingenlRegensburg Die Künstler-
gilde e. V.
Verleihung des Lovis-Corinth-Preises 1975 am 23. 11.
1975 in Regensburg. Preisträger ist der Berliner
Bildhauer Prof. Bernhard Heiliger 1915 geb. in
Stettin. Die feierliche Überreichung des vom Bun-
desministerium für lnneres mit DM 10.000.- dotierten
Preises erfolgte im Großen Saal der Ostdeutschen
Galerie Regensburg. Erstmals konnten 1975 auch
durch Dotierung aller Bundesländer zwei Ehrenga-
ben verliehen werden. Diese erhielten mit ie
DM 4000- der Maler und Grafiker Horst Skodlerrak,
Travemünde 1920 geb. in Jugnaten, Memel, und
der Maler, Grafiker und Obiektkünstler Hans-Al-
bert Walter, Düsseldorf 1925 geb. in Kolberg. Den
zum ersten Mal 1974 verliehenen Lovis-Corinth-
Preis erhielt bekanntlich Prof. Karl Schmidt-Rattluff.
Die Werke der Preiströger1975 waren vom 11. bis
30. 11. 1975 in der Galerie ausgestellt.
FrankfurtlMain Museum für
Kunsthandwerk
Art Deco aus Frankreich. Lyaner Seiden von
Francois Ducharne, Zeichnungen von Michael
Dubost und dem Zeichenatelier Ducharne. Diese
Ausstellung im Rahmen der partnerschaftlichen Be-
ziehungen zwischen Frankfurt am Main und Lyon
war hier vom 19. 11. 1975 bis 18. 1. 1976 im
Karmeliterkloster zu Gast. Eine interessante Schau,
um so mehr, als es sich Frankreich angelegen sein
lößt, seine reichen Kapitalien aus der Jugendstil-
epoche bewußt zu schätzen und zu behüten.
London Franses of Piccadilly
Contemporary Tapestries des West Dean Callege",
Sussex, zeigte die hiesige Companv in der zweiten
Oktoberhülfte 1975. Wir zeigen daraus eines der
Werke mit dem Titel Oiseaux de Mer" von David
Clarke Abb. 4.
MarylandlWien Galerie Blutgasse
Ivan Valtchev aus den USA, Marvland, war hier mit
Arbeiten in Mischtechnik und Grafiken vom 10. bis
30. I1. 1975 zu sehen. Seine Thematik reicht zurück
bis in die Antike, die er in lavierend-dessinatori-
scher Technik abwahdelt Abb. 5.
München Stadtmuseum und Villa Stuck
Plakate in München 1840-1940." Mit dieser so gar
nicht groß als IOO-Jahr-Schau angekündigten Doku-
mentation zu Geschichte und Wesen des Plakats in
München konnte das Stadtmuseum aus eigenen
Beständen auch Geschichte und Wesen der Stadt
München demonstrieren. Wer in neuerer Zeit die
Plakate der modernen Institutionen auch im Museal-
bereich registrierte, weiß um die Generallinie und
grafische Prägnanz derselben, die Zeugnis ablegen
für die richtige Einschätzung der Bedeutung des
Plakates als Kulturträger Oktober 1975, Eröffnung
15. 10. 1975.
Art Deco Schmuck und Büdier aus Frankreich."
Gleich der Schau in Frankfurt am Main ein weiterer
Kulturexport aus den so bezeichnenden Anfängen
des Jahrhunderts, gleichfalls aus Frankreich. Die
Münchner Stuck-Villa, mit dem Stuck-Jugendstil-
Verein, zeigte diese von einem umfassenden wis-
senschaftlich bearbeiteten Katalog begleitete Aus-
Stellung vom 16. 9. bis 16. 11. 1975 in ihrem Mu-
seum in der Prinzregentenstraße 60.
Mönchengladbach Kunstkammer Köster
Ein Festival moderner Keramik bot sich hier ver-
gangenen Herbst, als Paul Küster das zehniährige
Bestehen seiner permanenten Demonstrationen zeit-
genässischer Keramik mittels einer umfassen-
Ausstellung feierte. Das Verdienst Kösters isl
hoch genug einzuschätzen, wenn man bedenl
welchen Schwierigkeiten solche Vorhaben au
sind. Und es scheint wie ein Wunder, daß de
Weg, den er besdnritt, so gut war, daß man
einen echten Aufschwung registrieren kann.
versammelte er denn den illustren Kreis seii
europäischen Keramikkünstler, 30 an der
rund 160 Obiekten, die er quasi seit 1966 ai
hält. Paul Kösters angeborene Keramiknatu
lektiert und fördert nach strengen Kriterien.
den deutschen Bereich hinaus bereitet er der
stärker reüssierenden künstlerischen Keramik
international fruchtbaren Baden. In dieser ec
päischen Elitetruppe haben sich Österreichs
Gerda Spurey fest "etabliert, sie brachten au
spezifische Note mittels ihrer weißglasierte
willigen Formkärper in diese feierliche Dem
stration. An bekannteren Namen waren dabi
Asshofs, Chapallaz, Coper, Crausaz, Defrc
Dudrworth, Fournier, Heinrich, Kuhn, Lamber
Leach, Newman, Pearsan, Rie, Scheid u. a.
kann Klöster für das zweite Dezennium nich
wünschen als das, was er schon im ersten so
bar hatte und sicher auch im zweiten haben
Erfolg und die Entdeckung weiterer Keramikl
peramente.
Nürnberg Kunsthalle und Pilatushai
Im letzten Quartal 1975 konnte Direktor Curt
sein Publikum mit einer interessanten Ausste
erfreuen. Vam 25. 10. bis 30. 11. holte er aus
Niederlanden die Doppelschau Elementarl
zeitgenössischer Malerei und Zeidienkunst ir
Niederlanden" und Moderner Schmuck aus
Niederlanden". Die Albrecht-Dürer-Gesellscl
anstaltete im Pilatushaus vom 15. 11. bis 2A
Ausstellung Shunga Meisterwerke der erc
Kunst Japans" Abb. 6.
Oftawa National Gallery of Canad
Die National Gallery achtete stets darauf,
filierte Könner für ihre Grafikwerke sowie
stellung ihrer Kataloge und Kunstbücher zu
winnen. 1975 wurde hierfür, um dieses Bemül
noch stärker zu unterstreichen, erstmals ein
von drei Preisen ausgesetzt.
Ein Werk Salvadore Dalis ist als erstes surre
Gemälde in die Sammlung der Gallery aufg-
men worden. Sein Titel Gala and the Angel
Millet immediately preceding the arrival oft
conic anamorphases", entstanden 1933. Neb
Pflege und Förderung kanadischer Kunst unc
ler werden weiter die europäischen Verbindi
gepflogen Henri Matisse", eine Analyse
Malerei, Skulptur und Grafik erfolgte im Ral
einer Exhibitian, die diesem als einem der si
kantesten Künstler des 20. Jahrhunderts im
herbst 1975 gewidmet war. Eine der profilier
Persönlichkeiten als Verfasser von Kunstbüch
und im internationalen Kunstleben holte
mit Sir John Pope-Henessy, Direktor des Brit
Museum, der am 9. 10. über den Renaissance
hauer Lucca della Robbia einen Vortrag hiel
übrigen das dichte Programm der Gallery,
ohne Aktivität! Abb.
Paris Galerien Theatre oblique" ur
Regards"
Den in Frankreich so gut wie kaum bekannt
Plattner wollte die Galerie Theatre Oblique
zwei Ausstellungen seines grafischen Werke
zember1975 und Jänner 1976 entdecken helft
Plattners flächig angelegte, mit feinstem Föll
und Runzelduklus angereicherte Grafiken oft
ren Wesen, denen visionäre, magische Grun-
ein ganz eigenwilliges Leben dem Bresthal
stark kritischen Assoziationen anhaftet ver
hen Abb. B.
Zechyrs drohende, aus dem Himmel fallende
Maschinenmonster wurden vergangenen Her
der Galerie Regards" dem Pariser Publikur
zeigt. Der in seiner Art stupende Techniker'
Zechyr beeindrudrt mehr und mehr durch Sl
Bildfolge 1-8
lion und Phantastik, die total auf Bedro-
und Kausalitäten unseres Zeitalters und
er hinaus ausgerichtet sind.
isburg Ostdeutsche Galerie
men mit dem Lande NordrheineWestfalen
die Künstlergilde aus Anlaß seines 70. Ge-
iges den Plastiker und Zeichner Willy Lütcke
ir Ausstellung im vergangenen Herbst
-23. 11, 1975.
ota The Ringlings Museum
las, in einer sogenannten Coffee Hour"
chief-curatar Robert Tonkin zur Ausstellung
iue Masterworks from the Ringling Collece
die hier vorn 7.11.1975 bis 5.1.1976 ge-
vurde. Kafteestunden im Museum, vielleicht
ngbarer Weg, Kunst auf zeitgemäße Art an
ann zu bringen. Alle neuen Volontäre, die
slinss Museum um Visilor Eduwtißn Jan Balet, la aß la Chasse,1974
mitarbeiten wollen, werden im sogenann-
P-Training sechs Wachen lang eingeschult.
Jcht auch hier wie in Europa immer wieder
Möglichkeiten, Stammpublikum mit neuen
den zu halten und neue Publikumskreise an-
chen.
allen Erkergalerie
ndschriftlich lithographierte Text mit sechs
alradierungen des gemeinsamen Werkes
urs d'ouverture du Festival de Salzbourg
von Eugene lonesco und Fritz Wotruba wurde
hier herausgebracht. Auflage 200, auf
lütten, 37 SO cm. Beigabe ist eine Schall-
auf der lonesco seinen Text liest. Autar und
er signierten im Impressum ieden Band. Eines
zten Werke des österreichischen Bildhauers
rza, ehe er überraschend verstarb.
Wien Künstlerhaus und
ipunkt
lturabteilung der Amerikanischen Botschaft Bert Gerresheim, Kleines EmmausaEnsemble, 1972 DGVld Clarke, Oiseaux de Mer
und die Gesellschaft bildender Künstler
luden zu einer Ausstellung Bühnenbild aus
Das letzte Jahrzehnt". Den Ehrenschutz
ür die vom 21.11. bis 21. 12. 1975 laufende
llung der Botschafter der Vereinigten Staaten
nerika S. E. Wiley T. Buchanan Jr. über-
zn. Gleichfalls zu Ehren eines Landsmannes
'te S. E. W. T. Buchanan in eröffnender
am 11. 11. 1975 im Treffpunkt bei
yr bei der Ausstellung Jack lnk-Landschaft
und Malerei". lnk, langiöhriger Assistent
K. Littletans, des hier bereits vorgestellten
der neuen amerikanischen Glaskunst, ist
Glaskünstler wie auch Maler. Lobmeyr
eitet mit der Präsentation Jack lnks, dessen
tionen sich um das Idol L. C. Tiffany ranken,
'ür die heutigen Verhältnisse gemäßen Weg,
iem traditionsreichen Unternehmen wie Lob-
Äukunft garantiert. Neben der Pflege alter
aneller Branchenusancen kann nur immer wie-
sch herqweführfes kurisnensches EI"! Ivan Valtchev, Kampf mit dem Kentauren lsoda Kariusai tätig 1766471121, Liebespaar Ausschnitt,
an fur ein solches spezielles Haus eroffnen. Fqrbhqlzgchni"
Landschaften und die kosmische Pracht der
iwelt faszinieren, den wie magisch ihr sich
uktuierendes Strahlen und Leuchten anzieht,
die Zukunft einiges erwarten.
leapold netopil
HenrI Malisse, Nackia auf gelbem Sofa, 1976
Karl Plaffner. Grafik
43
Für den Kunstsammler P4
Blasius Fornach
Im Patriarchenalter von 82 Jahren ist Kommerzial-
rat Blasius Fornach am 17. Dezember 1975 ge-
storben. Als Inhaber der Einzelfirma Blasius
Fornach", die ihren Hauptbetrieb zuletzt in der
Weimarer Straße 76 und eine Betriebsstätte in der
Krugerstraße 1B hatte, gehörte er zu ienen Anti-
quitätenhändlern, die ihren Aufstieg bald nach dem
ersten Weltkrieg begonnen hatten. Fornach
arbeitete zunächst als Prokurist im Auktianshaus
Leo Schidlof und wurde am Mai 1925 dessen
Alleininhaber.
Im Laufe der Jahre fielen dem ungemein aktiven
und vitalen Antiquitätenhändler zahlreiche Funk-
tionen innerhalb seines Berufsverbandes zu. Dies
war vor allem nach 1945 der Fall, wo es ihm als
einem Vertreter der älteren und erfahreneren
Generation darauf ankam, den guten Ruf des
Wiener Antiquifätenhandels nicht nur zu verteidi-
gen, sondern auch zu erhalten. So war er von
1953 bis 1955 Obmann der Berufsgruppe
Antiquitäten, Bilder und Kunstgegenstände und
von 1955 bis 1961 Gremialvorsteher des Wiener
Landesgremiums. In diese Zeit fällt auch die
Erreichung der Liberalisierung für Antiquitäten und
Kunstgegenstände und die Erlangung der Zollfrei-
heit sowie einer eigenen Zolltarifklasse für
Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiqui-
täten. Für seine Verdienste innerhalb seiner
Berufsgruppe wurde er 1958 mit dem Berufstitel
Kommerzialrat" ausgezeichnet, und anläßlich
seines 75. Geburtstages erhielt er von der Kammer
der gewerblichen Wirtschaft für Wien die große
silberne Ehrenmedaille.
Wer iemals Blasius Fornach näher begegnete,
mußte von seiner Persönlichkeit beeindruckt sein.
Seine Identifizierung mit den von ihm verkauften
Kunstgegenständen hätte dem Ethos iedes Wissen-
schafters zur Ehre gereicht. Blasius Fornach hatte ein
untrügliches Gespür für Antiquitäten im Sinne
iener Sammlergeneration, die für Wien in der
Gestalt eines Albert Figdor sich verkörpert hatte.
Die dieser Sammlergeneration eigenen Vorlieben
für besondere Gebiete des Kunstgewerbes fanden
auch Fornachs Zuneigung. Immer konnte man bei
ihm ein oder das andere hervorragende Sammler-
stück finden, aber nicht immer gleich von ihm
erwerben. Er hing mit allen Fasern an seinen
Kunstgegenständen und hatte hierzu eher das
Verhältnis eines Sammlers zu seinen liebgewordenen
Sammlungsstücken, als zu Verkaufsobiekten. Nur
wenn er beim Käufer mehr als das kommerzielle
Interesse spürte, war er geneigt, den Kunstgegen-
stand auch abzugeben. Oftmals mußte der Käufer
lange auf einen bestimmten Gegenstand warten
und werben, um ihn schließlich zu erhalten.
Zu den Museen, insbesondere zu dem Oster-
reichischen Museum für angewandte Kunst, das
ihn auch zu seinem Kansulenten ernannte, hatte er
ein durchaus freundschaftlich-respektierendes
Verhältnis. Nicht nur die Museumsmänner zog er
hin und wieder zu Rate, sondern oftmals wurde
gerade der iunge Kunsthistoriker von Fornachs
Wissen so überzeugt, daß er in ihm nicht mehr den
Kunsthändler, sondern den durch Erfahrungen
ausgezeichneten und an Kenntnis reichen Sammler-
freund sehen konnte. Blasius Farnachs Abgang van
der Wiener Kunstszene hinterläßt eine Lücke, die
nicht so bald wieder ausgefüllt werden wird.
Durdi seine Kenntnisse und Fähigkeiten sowie we-
gen seines aufrechten Charakters war er für viele
ein Zeuge für die besonderen Qualitäten des
Wiener Antiquitätenhändlers.
Wilhelm Mrazek
Gesehen im Kunsthandel
Jan Porcellis Genf15B4-1632 bei Leiden
UllHolz, 42 61 cm Expertise Prof. J. Müller-
Hofstede, Friedrich Kratschmann Antiquitäten,
Wien Spiegelgasse 15
Abraham de Pope Leiden, um 1620-1666
Ein Gelehrter im Bogen eines Fensters
44
Holz, 36,5 29 cm. Voll bezeichnet.
Galerie St. LucasfPalais Pallavicini,
Wien Jasefplatz
Hugo Darnaut Dessau 1851-1937 Wien
Sornrnerlandschaft, OllKarton, 34 48 cm, sign.
Galerie Krugerstraße, Wien Krugerstr. 12
Pierre Franc Lamy Clermont-Ferrand 1855-1919
Paris, Venedig, 1907
Galerie Alter Meister, Josef Winkler,
Wien Seilergasse 14
Löwenwappen, Italien, 17. Jahrhundert
Weißer Marmor, ca. 80 cm
Hofgalerie Dr. Wolfgang Hofstätter
Wien Spiegelgasse 14
Rokokokommade, Venedig, Mitte 18. Jahrhundert
aus dem Massiven geschnitten, Blüten und
Rocaillen. Obstholz
Reinhold Hofstätter, Kunst und Kunstgewerbe,
Wien Dorotheergosse 15 und Bräunerstr. 12
Sessel, Süddeutsch, 17. Jahrhundert
Nuß, massiv
Wolfgang A. Siedler, Skulpturen und Kleinkunst
Wien Spiegelgasse
Zwei figurale Salzfäßchen in Gestalten von
Bauer und Bäuerin. Holitsch, 2. Hälfte 18. Jh.
C. Bednarczyk, Kunst und Antiquitäten
Wien Dorotheergasse 12
Truhe 1935. Entwurf und Ausführung
Federico Berzeviczy-Pallavicini
kunst des 20. iahrhunderts, galerie am graben
wien graben inge asenbaum ges.m.b.H.
Auktionen
Doratheum Wien
610. Kunstauktion, 2-4. Dezember 1975
10 Peter Paul Rubens Siegen 1577-1640 Antwerpen
und Jan Breughel Brüssel 1568-1625
Ceres in Sommerlandschaft, nach Gutachten von
H. Vass und L. Burchard etwa um 1613 bzw.
1614. OllHalz, 38 47,5 crn Kot-Nr. 121
Taxe öS 140.000.
Erlös öS 450.000.-
l1 Giacoma Manzü Bergamo 1908 lebt in Adea
Tanzschritt", 1955. Plastik, Bronze, eine von
zwei Abgüssen, ca. 250 cm. Unikat.
KaL-Nr. 1312
Taxe. o5 400.000.-
Erlös öS 900.000.-
Kunsthaus am Museum, Köln
Auktion 65; 15.-18. Oktober 1975
12 Wilhelm Leibl Köln 1844-1900 Würzburg
Studie eines am Fenster sitzenden Bauern.
Kohle, 54 38 cm bez. unten links W. Leibl"
Kot-Nr. 1856
Taxe DM 6500.-
13 Perlhuhn, stehend, über Blattpflanzen. 28,5 cm
Meißen, Marcolini 1774-1814. Blaumarke
Schwester, Stern Kot-Nr. 731
Taxe DM 1500.-
Erlös DM 2500.-
Kunsthaus Lempertz, Köln
547. Auktion, Alte Kunst; 20., 21., 22. November 1975
14 Große Deckelterrine auf Unterteller, Silber ge-
trieben, innen vergoldet. Augsburg, 1753-1755
Meistermarke Salomon Dreyer u. a.
Kot-Nr. 1212
Taxe; DM 45.000.-
549. Auktion, Moderne Kunst; 5. Dezember 1975
15 Max Ernst BrühllKöln 1891 lebt in Seillans
Le Lit d'Holapherne, 1961. OllKartanlHolz,
27 35 cm. Sin. unten rechts Max Ernst, auf
der Rückseite dat. 1961 Kot-Nr. 196
Taxe DM 180.000.-
Golerie Koller, Zürich
Auktion 34; 7.22. November 1975
16 Vogelkäfiguhr mit Automat. Luis XVL, Paris
Werk von H. L. Joquet-Droz. Orgelwerk mit
10 Pfeifen, Zugrepetition. 50 cm, 31 cm
Kot-Nr. 3511
Taxe sfr 40.000.-
Bildfolge 1-16
15 16
45
Moderne Mäzene
Salzburger Landeshypothekenan
Die Ausstellungen im Romanischen
in der Hypo am Waagplatz
Bankenplakat international
Die Planungsidee war hier, über Löndergrenzi
hinweg und unbeeinflußt von politischen und
wirtschaftlichen Sphären, die internationale Si
des Bankenplakates, seine Stilerscheinungen
Tendenzen dem Betrachter deutlich zu macher
Selbstverständlich konnte kein Anspruch erhol
werden auf eine möglichst vollständige Schau
der ganze große Bogen von der Schrittlösung
zur lllustration", zur Verbildlichung des Te
konnte eindrucksvoll gezeigt werden. Das
Bankenplakat als eine besondere Gattung de
Wirtschattsplakates bedient sich der moderns
drucktechnischen und werbepsycholagischen
Möglichkeiten und hat eben in erster Linie die
Aufgabe, für bestimmte Dienstleistungen zu
ein Mittel der visuellen Kommunikation für
Vertrauen, Sympathie und Ansehen. 13. 5.-6.
Balazs Simon
Der 1938 in Budapest geborene Maler, der sei
in Paris lebt, begann 1965 mit großflächigen!
zu arbeiten, die ihn der Farbe und ihrer
keit" wegen faszinierten. ln einer ersten Per
wallte Simon denselben Effekt erzielen, den
Ulbildern erreichte, dann malte er Ikonen; in
Ausmmmg lyßunkenplukß, maß iüngsten Arbeiten hat er durch Einwirkung vo
national" im Rornanisctien Keller Wärme und Oxydation Elemente zu Metallbil
der Hypc" pmswhe" geformt, die eine sinnvolle Weiterentwicklun
sßllbllfgef LClrtdes-Hypllthekerl-
bcink seiner Emailbilderkunst darstellen. 13. 6.-3.
onunniuu-uupus- Innenräumen-cum
1.0? HIQWII UiYIßlU-Dälim-ICibiIlD-iß
Ernest Joachim
Die Formensprache dieses 1950 geborenen un
Oostburg, Niederlande, lebenden Malers und
Bildhauers ist, verwandt derienigen Arps und
Brancusis, auf der Suche nach UrvWorten,
Ur-Farmen. In einem wahlberechneten Spiel
Licht und Schatten verschmelzen die meistens
gerundeten, in- und übereinandergreitenden
Formen zu einer harmonischen Einheit, die
Dörlßmvrkß Klßbsnällüvni Hdn- eine bestimmte Frontalansicht zeigt, sondern
delsbanklKopenha en
Gmßbmunnwn. idlcnd Bank von allen Seiten beschauen lassen kann. So
kTDll-lßndß; entstehen Dinge" im Rilkeschen Sinne des Vti
dgggnäglcdfsggdao von einem gleichermaßen konzentrierten Inne
Gicfll The Kyvwv Bank. l-TDI Außenleben, die uns faszinieren und ansprecl
YO
Usmreid," salzbuyger Landeb durch ihre leise, aber um so eindringlicher pli
Hrnothekeribankßalzburs Aussagekraft. 16. 7.-7. 8. 1975
lrene Kowaliska-Wegner
Die in Warschau geborene Malerin studierte
Akademie tür angewandte Kunst in Wien, arl
Isilirpzjälk- dann in Berlin und gründete 1931 in Positano
kleine Keramiktabrik. Jetzt lebt sie in Rom ur
arbeitet an der Herstellung von Hinterglasbil
"Jäwmw Diese sind Zeugnisse der seltenen Fähigkeit,
"I"SP'""'S""15' Außerordentliche und Poetische im Alltöglichr
sehen; im Prosaischen und Banalen liegen
wärt wesentliche Elemente der Kunst lrene Kowalis
Doch ihre Bilder atmen eine verzauberte
Atmosphäre, sie sind voll der Süße der Erinni
die die Wirklichkeit verändert und sie zur Fal
VVmWWFStÜß" werden lößt. 17. 9.-6. 10. 1975
XWQWW Max Rieder
Die in der ihnen angemessenen Umgebung
Romanischen Kellers gezeigten Arbeiten des
hmanm'soenflch 66iöhrigen Salzburger Bildhauers sind immer
mmxsfßlalßfß von kraftvollen, statuarischen Menschengesta
mäiiäifälätl-fäläii wmlmmol" Über Rieders Werk vergleiche das Künstleri
in diesem Hett. 17. 10.-5. 11. 1975
Erinnerungen an Karl Heinrich Wagge
Ehulslngsbeuuts Ziel und Absicht war es, den Menschen Wagg
vimälew wenn das Wirken und den Umkreis des Salzburger
Dichters wieder zu verlebendigen, die Jahre
äeeiaeoriäeeeiävwee
Diät Wanderung im Gedächtnis der Zeitgenossen
4x
wachzuhalten. 12. 12. 1975-10. 1. 1976
nmlh Die Fülle dieser Aktivitäten zeigt von den err
Bemühungen der Salzburger Landeshypothekr
neben der kommerziellen Tätigkeit auch kultu
Akzente zu setzen und beides zu verbinden.
SALZBURGER LANDESHYPOTHEKENANSTALT
46
Oskar Kakoschka, Empire State
Building" Beyand fflß Hudsan
River, 1967. Kreide-Lithographie
Oskar Kukoschkd, Porträt m.
Neuberger, m7. Kreide-
Lithographie
Oskar Kakosdaka, Porträt Wal-
ter Hasenclever, 1918. Kreide-
Lithographie
Oskar Kokoschka, Porträt Max
Liebermann, 1923. Kreide-Litho-
Iophie
skar Kokoschkd, Aus dem Zr-
klus "Kam? Lear" im und der
Narr, Kreide-Lithographie
Salzburg erhält graphische Sammlung
des 20. Jahrhunderts
Auf Grund eines Beschlusses einer Sitzung der
Salzburger Landesregierung im Dezember 1975 wird
das Bundesland von der Erzdiözese Salzburg das
Rupertinum" ein schönes Altstadthaus am Ende
der Sigmund-Haffner-Gasse gegenüber der
Franziskanerkirche erwerben mit der Bestimmung,
hier eine graphische Sammlung aufzubauen.
Der Galeriebesitzer und Verleger Friedrich Welz
wird in dieses neu zu errichtende Museum als den
einen Grundstock seine über 500 Blatt Zeichnungen
und Druckgraphik Oskar Kokoschkas einbringen.
Zugleich sollen mehrere 1000 Blatt aus der von Slavi
Soucek geleiteten Galerie Kunst der Gegenwart"
der Basis dieser neuen Sammlung einverleibt werden.
Die Verwaltung der künftigen Institution soll mög-
licherweise durch eine Gemeinschaft von
Landesregierung und Residenzgalerie zusammen mit
Professor Welz und Professor Soucek
wahrgenommen werden. Wertgesicherte Beträge
für alliöhrliche Graphikankäufe sollen sichergestellt
werden, auch soll ein Verein der Freunde gegründet
werden, um der Sammlung auch private Gelder
zuführen zu können.
Diese graphische Sammlung soll ausschließlich
europäischen Meisterwerken des 20. Jahrhunderts
gewidmet sein. Mit ihrem bedeutenden Grundstock
könnte sie sowohl als vorzügliches Beispiel einer
repräsentativen Dokumentation als auch einer Lehr-
und Studiensammlung zu einem zentralen
Kristallisationspunkt zeitgenössischer Kunst in der an
wichtigen Werken der Kunst des 20. Jahrhunderts
wahrhaft armen Universitötsstadt werden daß
einige gerade von Friedrich Welz der Universität
gestiftete Skulpturen Aufregung und zutiefst
provinzielle Skandale entfacht haben, ist genügend
Kommentar für die Notwendigkeit einer solchen
Sammlung.
Da ia außerdem das Europäische Jahr des
Denkmalschutzes" keinesfalls mit dem
31. Dezember 1975 enden soll, so könnte aus dieser
Revitalisierung" des in Privatwohnungen nur sehr
schwer umwandelbaren ehemaligen Instituts-
geböudes der fürsterzbischöflichen salzburgischen
Domkapell-Knaben" ein Ruhmesblatt der Denkmal-
pflege und Altstadterhaltung in Salzburg werden.
Neben einem schönen Arkadenhof und einem
großen Saal im ersten Stack mit einer halzgetäfelten
Decke des "I7. Jahrhunderts birgt das Haus so viel
architektonische Qualität, daß bei einer
mustergültigen Restaurierung auch von dieser Seite
her ein internationaler Erfolg sicher sein wird.
Hier darf einmal gebührend vermerkt werden, daß
sich die Kulturabteilung der Salzburger Landes-
regierung keine Gelegenheit entgehen läßt, um für
die Pflege der historischen wie besonders auch der
zeitgenössischen bildenden Kunst einzutreten; daß
der zuständige Ressortchef und der beamtete Leiter
dieser Abteilung nicht zu ienen Personen gehören,
deren lnitiativen" sich im üblichen man sollte, man
könnte, man müßte erschöpfen. Landesrat
Dr. Herbert Moritz und Hofrat Dr. Peter Krön
beweisen unablässig, daß sie sich mit ihrer ganzen
persönlichen, immer präzisen und gekonnten
Tatkraft um die Förderung der bildenden Kunst in
Stadt und Land Salzburg bemühen.
Im Herbst 1975 ist in buchtechnisch hervorragender
Edition das in Gemeinschaftsarbeit von Hans
M. Wingler und Friedrich Welz entstandene
vollständige Werkverzeichnis der Druckgraphik
Kokoschkas erschienen. Da die in die neue
graphische Sammlung im Rupertinum" durch
Friedrich Welz einverleibten Kokoschka-Blätter alle
525 Katalognummern dieses Werkverzeichnisses in
hervorragenden Abzügen beinhalten, wird damit
Salzburg die vollständigste Sammlung aller
druckgraphischen Blätter von Oskar Kokaschka
besitzen.
Franz Wagner
A7
KUNST und ANTIQUITÄTEN
C. BEDNARCZYK
speziell
erlesenes Kunstgewerbe
des 18. Jahrhunderts
DURUTltiliElUM
KUNSTABTEILUNG, WIEN, l., DOROTHEERGASSE 11,
Telefon 52 3129
611. Kunstauktion
16.,17.,18. und 19. lVlärz 1976,
14 Uhr
Gemälde, Graphik.
Skulpturen, antikes Mobiliar, Antiquitäten,
Asiatika. Waffen.
Jugendstil.
Besichtigung
11.12.13. und 15. lVlärz1976
von1O bis18 Uhr
Sonntag, 14. lVlärz, von bis13 Uhr
Für den Kunstsammler
Wiener Spaziergang
Sammlung Camillo Castiglioni ll Bronzen
Berühmt wurde diese Sammlung auch durch ihre
vielfältigen Bronzen, umfassend Geräte, Gefäße
und Figuren.
Der Erzguß faszinierte seit frühester Menschheits-
geschichte, und das an den entferntesten Punkten
der Welt in ähnlicher Zusammensetzung und in
vielseitiger Verwendung. Der künstlerische Ge-
staltungswille drückt sich bei den Branzearbeiten
sowohl in gegossenen als auch in getriebenen
Werken aus. Seit ieher wurde Bronze als würdig
neben den Edelmetallen erachtet.
Die Renaissancestatuette mit der engen Verbunden-
heit an die Antike bilden den anziehenden Mittel-
punkt dieser Sammlung. Durch eingehende Diskus-
sionen und Schriften über Modellabfassung in Ton,
Gips oder Wadis, Ausführung des Gusses und
Nachbearbeitung gelangte die Renaissance zu
dieser Vollendung in ihren Bronzearbeiten, die so
von den Sammlern in den folgenden Jahrhunderten
geschätzt wurde.
Erwähnenswert noch, daß die Kunst des Gießens
so hoch geschützt und gehütet wurde, daß selbst
ein Donatello seine Arbeiten einem Erzgießer über-
lassen mußte.
In der vorliegenden Sammlung geben die Antiken
den Auftakt, denn nur ihretwillen ist die
Renaissancestatuette entstanden. So können
antike und Renaissancebronzen gemeinschaftlich,
iede für sich körperhaft umschlossen und
beziehungslos" denselben Tisch zieren, auch heute.
Es gibt eine Reihe mehr oder minder freier Nach-
bildungen und Nachempfindungen antiker Bronzen
die römische Lupa, den Rehbock, den iungen
Herkules mit der Schlange, den Dornauszieher oder
den schlafenden Eros; sie sind aber der Inbegriff
der Renaissancebranze. Umfangreich sind die
Arbeiten aus Riccios Hand ein Merkur, ein
Maskeron auf Adlerkralle und der sitzende
Jüngling. Eine Sphinx als Eckpfeiler wird von Leo
Planiscig erstmals dem Künstler zugeschrieben.
Die Tiergestalten mit ihrem isolierten Eigen-
leben erwecken durch ihre Statik den Geist der
Antike.
Als Gegenstück zu dem sprengenden Pferd Riccios
kann der etwas größere Stier Giambalognes heran-
gezogen werden. In diesem Beispiel ist der antike
Niederschlag überwunden. Der Künstler verleiht
seinen naturalistischen Gestalten wie den Vogel-
stellern eine virtuose gekünstelte Stellung. Das
Maßgebende ist trotz aller Naturnadibildung die
Linie, das Hauptargument des Manierisrnus.
Zu den bedeutendsten Bronzen, die sich in dieser
Sammlung befinden, zählt vielleicht der Herkules
von Francesco de Sant'Aposta BodelBranze-
statuetten.
Die literoturbekannte und berühmte Nubierin
mit dem Spiegel", die lange als ein Werk
Giambolognes galt, wurde schließlich als eines
der schönsten Werke Vittorios berühmt.
Hervorragend die Venus Marina des gebürtigen
Toskaners Cattaneo ein seltenes, doch
charakteristisches Werk.
Tiziano Aspetti, durch den Neptun und den Merkur
aus seiner ersten Schaffensperiode vertreten,
werden auch die zwei Evangelisten zugeschrieben,
die bereits in Florenz entstanden sein könnten.
Eine große Anzahl von Amoretten von
Raccatagliata, dem Meister des Putto", sowie
eine Reihe kunstgewerblicher Arbeiten aus der
gleichen Werkstatt, wie ein Leuchterarm, ein Tür-
griff oder ein Tintentaß, runden diese Sammlung ab.
Dem Sinne der Renaissance entspricht auch noch
die Gruppe des Simson mit den Philistern ganz im
Sinne Michelangelos, ein Werk eines Neffen
Leonardos, des Piero da Vinci.
Den Übergang zur reinen dekorativen Bronze
finden die Künstler aus der Trabclntenschaft des
Riccio und Giambologne. Antonio und Francesco
Susini, Tacca, Francavilla tragen das
Charakteristische der Renaissance-Bronze zu Grabe.
mzai...
Varia
In memoriam Dr. Franz Sobek
Am 10. Dezember 1975 ist Dr. Franz Sobek,
Generaldirektor a. D. der Österreichischen
Staatsdruckerei, verstorben.
Seine bedeutende Privatsammlung historisch und
künstlerisch wertvoller Uhren sowie von Mobiliar der
Empire- und Biedermeierzeit hat er bereits im
Jahre 1965 dem Österreichischen Staat überant-
wartet, wodurch sie dem Österreichischen Museum
für angewandte Kunst zugeordnet wurde und seit-
dem als Geymüller-Schlössel-Sammlung Sobek"
seinen Namen weiterleben läßt.
Mit dieser mäzenatenhaften Schenkung wurde für
Österreich eine kulturhistorisch bedeutende Tat
gesetzt. Dr. Sobek hat nicht nur das Verständnis
für die Wiener Uhrmacherkunst durch seine
Sammlertätigkeit und die damit zusammen-
hängenden Forschungsergebnisse entscheidend ge-
fördert, sondern durch ihn ist erst die Qualität
der Wiener Uhr aus der Wende vom 18. zum
19- Jahrhundert mit ihrer lokalen Prägung und
Unterscheidung zu kontemparären Uhren anderer
Länder der internationalen Fachwelt bekannt ge-
worden. So können wir heute neben die in die
Geschichte der Zeitmessung eingegangenen großen
Perioden Süddeutschlands, Englands und Frank-
reichs auch eine spezifisch österreichische Uhrenblüte
sowohl aus technischer wie kunstgewerblicher Sicht
ebenbürtig stellen.
Dr. Franz Sobek wurde am 29. Mai 1905 in Brünn
als Sohn des k. k. Hofrates Dr. Franz Sobek, einer
altösterreichischen Familie geboren. 1928, nach
Vollendung seiner Studien an der Universität Wien,
trat er in den Staatsdienst und war ab 1935 im
Bundespressedienst tätig. Nach fünfiähriger Haft im
KZ Dachau war er nach 1945 am Wiederaufbau des
Staotsapparates im Bundeskanzleramt maßgeblich
beteiligt. Dr. Sobek sammelte Uhren seit seinem
21. Lebensiahr und erkannte im Verlaufe dieser
Sammlertätigkeit, daß die österreichische Uhr der
genannten Stilperiode gleichwertig neben den
vielgerühmten englischen und französischen dieser
Zeit bestehen könne. Seine Vorliebe für die Wiener
Empirezeit und das Biedermeier spiegelt sich auch in
seinem Mobiliar wider, das er aus mährischem
Fomilienbesitz nach Österreich retten konnte. Be-
strebt, diesem einen entsprechenden Rahmen zu
verleihen, hat er dafür das Sommerschlößchen in
der Khevenhüllerstraße in Wien-Pätzleinsdorf,
erwarben, das die bekannten Finanziers der Wiener
Kongreßzeit Geymüller erbauen ließen. Dr. Sobek
scheute weder Geld noch Mühe, dieses bereits dem
Verfall preisgegebene Schlaß mit dem dazugehörigen
Garten in seinem alten Glanz und seiner Originali-
tät wiedererstehen zu lassen. Dadurch ist der
Nachwelt ein bauliches Juwel geschenkt worden, das
in der Ausgewogenheit seiner Dimensionen die
Vielfalt seines klassizistischen und romantischen
Formenreichtums vereint und ein Zeugnis einer
großen kulturellen Blütezeit Usterreichs abgibt.
Dr. Sobek hat mit dieser seiner Sammlung sich
selbst im Rahmen österreichischer Kulturgeschichte
ein Denkmal errichtet, das ihn unvergessen macht.
Erika Hellich
50
Dr. Erwin Neumann
Am 28. November verstarb in Wien Dr. Erwin
Neumann, Direktor der Sammlung für Plastik und
Kunstgewerbe des Kunsthistorischen Museums und
der Weltlichen und Geistlichen Schatzkammer,
nach langem schwerem und mit größter Demut
ertragenem Leiden im 51. Lebensiahr. Erwin
Neumann wurde am 16. März 1925 in Suczawa,
Rumänien, geboren. Noch als Kind mußte er die
Heimat verlassen, wurde als Jüngling zur Wehr-
macht eingezogen und geriet früh in amerikanische
Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Rückkehr stu-
dierte er an der Universität Wien Kunstgeschichte
und Archäologie und promovierte am 10. Februar
1953 zum Daktor der Philosophie. Es folgte am
27. Juni 1956 die Mitgliedschaft am Institut für
Österreichische Geschichtsforschung. Zu Beginn des
Jahres 1954 trat Erwin Neumann sodann in den
wissenschaftlichen Dienst an der Sammlung für
Plastik und Kunstgewerbe des Kunsthistorischen
Museums ein, zu deren Leiter er schließlich mit
Wirkung vom 1. Jänner 1966 ernannt wurde.
Schwere Schicksalsschläge während seines ganzen
kurzen Lebens haben schon früh die Persönlichkeit
Erwin Neumanns geprägt und vielleicht wesentlich
zu einer übergroßen Sensibilität beigetragen, die
sich iedoch in besonderem Maße fruchtbar auf
zwischenmenschliche Beziehungen und wissen-
schaftliche Tätigkeit auswirkte. Dieser kritische,
wahrheitsudiende Geist war daher wie kaum
einer befähigt, Probleme des Kunsthandwerks,
der Minuterien und sonst wenig beachteter
Randgebiete der Kunstgeschichte darzustellen und
zu läsen. Seine nicht zu zahlreichen, iedoch stets
grundlegenden Publikationen, wie, um nur die
wichtigsten zu nennen, seine im Jahrbuch der
Kunsthistorischen Sammlungen in Wien
erschienenen Aufsätze über Florentiner Mosaik
aus Prag", Materialien zur Geschichte der
Scagliola", Die Tischuhr des Jeremias Metzger
und ihre nächsten Verwandten", Der kaiserliche
Kammeruhrmacher Christoph Markgraf und die
Erfindung der Kugelloufuhr gemeinsam mit Hans
von Bertele" oder etwa die gemeinsam mit
anderen Autoren herausgegebenen Werk-
monographien Die Kaisermonumentuhr" und
The Orpheus Clacks" spiegeln diese Neigungen
und Fähigkeiten am reinsten wider.
Diese wissenschaftlichen Leistungen sowie eine
vorbildliche, akribische Amtsführung haben Erwin
Neumann die besondere Wertschätzung und
Achtung seiner Vorgesetzten sowie seiner Mit-
arbeiter und Kollegen eingetragen. Seine schier
unerschöpfliche menschliche Güte und stete Hilfs-
bereitschaft werden seinen so zahlreichen Freun-
den, denen er Freund wie kaum ein anderer war,
unvergeßlich bleiben.
Sein kurzes Leben war, wenn auch schwer, so
doch reich und erfüllt!
Manfred Leithe-Jasper
Salzburg, Museum Carolino Augusteum
Erich Markel, der Präsident der Mox-Kode-
Faundation, übergab am 22. Dezember 1975 im
Usterreidtischen Kulturinstitut in New York dem
dortigen Generalkonsul, Robert Marschik, zwei
Gemälde Partie in Hallstatt", 1839, und Kirch-
gong im Frühling", 1862 als Stiftung an das
Salzburger Museum Carolino Augusteum.
Salzburg, Residenzgalerie
Das Bundesland Salzburg wird für die Salzburger
Residenzgalerie nach Ausfertigung des Kauf-
vertrages das Gemälde Bildnis eines iungen
Mädchens" von Oskar Kokoschka erwerben. Das
Werk stellt eine Mädchenfigur in blauem Gewand
dar und darf als Spitzenwerk aus der bedeutenden
Schaffensperiode der Windsbraut" bezeichnet
werden. Das 1913 entstandene Bild wird das erste
Kokoschka-Gemälde in der Sammlung der
Salzburger Residenzgalerie sein.
Buchbesprechungen
Rene d'Aniou, Vom liebentbrannten Herzen.
Akademische Druck- und Verlagsanstalt Graz,
1975. 46 Seiten mit 16 Farbtafeln
Ein schmaler, mit Akribie gestalteter Bildband bringt
endlich auch dieses Hauptwerk mittelalterlicher
Buchmalerei und Dichtung in originalgetreuen
Faksimile-Reproduktionen nach dem Codex
Vindobonensis 2597 in die Öffentlichkeit. Franz
Unterkircher erzählt vom wechselvollen Schicksal
dieses guten Königs", der unserer Zeit beinahe
schon ins Märchenhafte entrückt erscheint, vielleicht
weil er phontasievoller und meisterhafter Schreib-
feder und Pinsel zu führen wußte als das Schwert.
In wohltuend schlichtem Stil führt er ein in das
Werk dieses wahrhaft königlichen Dichters und
Malers, der es verstand, Allegorie zu verlebendigen
und damit direkten Zugang zum Wesen der
Dichtung zu finden. Die brillante Wiedergabe der
sechzehn durchaus nicht kleinformatigen Miniaturen
stellt iedenfalls eine drucktechnische Meisterleistung
dar, die den hohen Rang dieses Unternehmens nur
abermals bestätigt. Die geschmackvolle Gestaltung
von Einband und Schuber Hans Paar geben die
Fassung für eine bibliaphile Kostbarkeit, die sich
Liebhaber früher Buchmalerei nicht entgehen lassen
sollten. AMK-Prädikat FiJr Bibliaphilen besonders
wertvoll.
Adolf Dresler, Kalenderkunde.
Verlag Karl Thiemi München, 1972.
95 Seiten mit 43 Abbildungen
Diese kleine kulturhistorische Studie ist dem
Begleiter durch unsere Lebensiahre gewidmet, dem
Kalender. Sie erinnert wieder daran, daß auch
unser vertrautes Kalendarium einer langen Ent-
wicklung bedurfte, daß Tage, Wochen und Monate
in ihrem Ablauf erst allmählich iene Festlegung
erfuhren, die uns heute so selbstverständlich
erscheint. Es ist eben ein Stück Kulturgeschichte, die
sich, von den ersten Anfängen und Etappen des
Kalendermachens, dem altrömischen Kalender und
den sog. Kalenderdrucken Gutenbergs, über die
Frühzeit des Kalenderdruckes im 15. und 16. Jahr-
hundert, in längst vergessenen Bauern-, Wappen-
und Schreibkalendern, den Hinkenden Boten" und
Hundertjährigen Kalendern", den Kleinkalendern
und Damenkalendern, bis hin zur Entwicklung in
die Gegenwart widerspiegelt. Das Thema und eine
sorgfältige Ausstattung ergaben ein Händchen van
besonderem bibliophilem Reiz.
AMK-Prädikat informativ für kulturhistorisch und
volkskundlich Interessierte. C. N.
Robert Ederer,
Selbstdarstellung österreichischer Künstler,
Leykam-Verlag, Graz 1975, 192 Seiten, öS 480.-
Mit dem 28,5 30,5 cm großen, auf Kunstdruck-
popier, mit 85 Bildtafeln, davon 25 in Farben,
ausgestatteten Buch mit einer Einführung von
Professor Johann Muschik eröffnet der Verlag eine
Reihe Leykam-Manographien zeitgenössischer Kunst.
Muschik, der sich in zwei Dritteln seiner Einführung
mit der Wiener Schule des Phontastischen
Realismus" beschäftigt, geht erst zum Schluß mit
einigen Zeilen auf Ederer ein. Robert Ederer gilt als
Einzelgänger der Wiener Schule des Phantasti-
schen Realismus", siehe Untertitel des Bandes.
Viele der abgebildeten Werke bezeugen, daß
Ederer eine große Begabung hat. Das haben
offenbar schon seine Lehrer bei dem Hiährigen
Knaben erkannt. Immer wieder kommt auch diese
Begabung in den Bildern und Zeichnungen zum
Durchbruch, doch leider geht es Ederer selbst so
ähnlich wie seinem Zerdenker". Er überfrachtet
fast alle Bilder! Die sparsamsten sind daher auch
die besten. Der Maler kann es aber auch nicht
lassen, ieder Wiedergabe einen langen persön-
lichen Serman nebenanzuslellen. Hier werden die
verschiedensten Bekenntnisse mitgeteilt. Sie
reichen von seiner Einstellung zur Religion bis zur
Mitteilung, daß ihm, Ederer, am Balkan dreimal
der Mercedes-Stern von seinem Auto gestohlen
wurde S. 114. Jetzt wissen wir es endlich, wer so
eine Wohnung hat. muß natürlich einen Mercedes
fahren. Wohrhaftig, eine Selbstdarstellung!
AMK-Prädikot Künstlermonagraphie. Für Liebhaber
persönlicher Bekenntnisse. A. V.
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Mobiliar, Kunstgewerbe, Gemälde,
alte moderne Graphik, Jugendstil
Kunstauktionen 1976
Auktionen
März
611. Kunstauktion
16.,17.,18.,19.,14 Uhr
April
Besichtigung
11., 12., 13. und 15. von
10 bis 18 Uhr
Sonntag, 14., van bis
13 Uhr
9., 10.,12. von 10 bis
13.,14.,15.,16.,14 Uhr 18 Uhr
Mai
14., 15., 17. von 10 bis
18.,19., 20., 21.,14 Uhr 18 Uhr
Juni
612. Kunstauktion
22., 23., 24., 25,14 Uhr
17.,18.,19. und 21. von
10 bis 1B Uhr
Sonntag, 20., van bis
13 Uhr
Juli und August keine Auktion!
September
9., 10., 11. und 13. von
613. Kunstauktion 10 bis 18 Uhr
14.,15.,16.,17.,14 Uhr Sanntag,12., von bis
13 Uhr
Oktober 1., 2., 4. von 10 bis
5., 6., 7., 8.,14 Uhr 18 Uhr
November 28., 29., 30. Oktober
2., 3., 4., 5,14 Uhr von 10 bis 18 Uhr
NovjDez. 25., 26., 27. und 29. Nov.
614. Kunstouktion von 10 bis 18 Uhr
30. Nov., 1., 2., 3. Dez. Sonntag, 28. Nov., von
14 Uhr bis 13 Uhr
Wagnefsche Univ.-Buchdruckerei Buchroithner 81 Co.,
Innsbruck, Erlerstraße 5-7 Telefon O52 22f29761
BÜÖHOChWEiS Seilencngube in Ziffern
Archiv AMKlSuizburg, 34, 35, 36, 51, 53; lWien, 38-41,
42, 43, 44, 45 Archiv E. Hudecek, Wien, 37 Kunst-
hisrorischas Museum, Wien, 12, 15 Landesbildsfelie
Salzburg, 1-5 Dr. M. Lechner OSB, Göfrweig, 6-10
Österreichisches Museum für angewandte Kunst
I. Schindler, Wien, 26-33; lArchiv, 54, 55 Dr. S.
Urban, Jnblonec, 12-15 Arch. DipL-lng. Worbs,
Berlin, 17-22, 24, 25.
51
Für den Kunstsammler
Franz Wagner
Anatolische Teppiche
Die Versteigerung der Sammlung lten-Maritz
Als sich mit den im 11. Jahrhundert aus ihren
turkestanischen Stammsitzen aufgebrochenen und in
der Folge in ganz Vorderasien zur Herrschaft
gelangten Seldschuken in großem Stil die
Teppichmode" eingebürgert hatte, war die Nieder-
lassung ganzer Knüpferfomilien in den Städten
Persiens und Vorderasiens die Folge. Jedenfalls
so schrieb bereits 1902 Ernst Kühnel in der ersten
Auflage seines Buches Vorderasiatische Knüpf-
teppiche" hat in erster Linie die in Anatolien, das
heißt im asiatischen Teil der heutigen Türkei,
seßhaft gewordene türkische Volksschicht ent-
scheidend zur eigentlichen Entwicklung des Teppich-
Stils" beigetragen.
Bis in das 13. Jahrhundert zurück ist die Tradition
des anatalischen Teppichs verbürgt durch gut-
erhaltene Exemplare und Fragmente aus der
Seldschukenzeit im Türk-ve-lslam Eserleri Müzesi
in Istanbul sowie in der Mevlana in Konya. Auch
Marca Polo, der 1271 das Seldschukenreich bereiste,
sprach davon, daß im Sultanat von Konya die
besten und schönsten Teppiche gewirkt werden,
ebenso Seidenstaffe aus Karmesin und anderen
herrlichen Farben". Man hat früher gemeint, daß
die frühen Teppiche von Griechen und Armeniern
stammten. Heute besteht wohl kein Zweifel mehr
darüber, daß die in der Ala-ad-din-Moschee in
Konya und in der Eschrefoglu-Moschee in Beyschehir
aufgefundenen, qualitativ und musterlich hoch-
wertigen Teppiche van seldschukischen Fürsten,
wenn nicht gar vom Sultan selbst in Auftrag gegeben
wurden.
Kronzeuge aus dem 13. Jahrhundert ist der wunder-
bare Konya-Seldschuk mit der charaktervollen
Kufi-Borte, der, obwohl etwas altersgeschwächt, in
seiner vollen Größe von 512 286 Zentimetern
erhalten blieb. Die Entstehung des Teppichs um das
Jahr 1220 kann wahl mit der Fertigstellung der
Alö-ad-din-Maschee, des imposantesten Bauwerkes
der Seldschuken, in Zusammenhang gebracht
werden. Die in einem heute noch leuchtenden lndigo
gestochen schön geführten Kufi-Formen dominieren
schon von ihrer Dimension und Prägnanz her den
Teppich.
Es is möglich, wie Kurt Erdmann meinte, daß die
archaische Größe, die diese Konya-Seldschuks"
auszeichnet, eine Eigenart der anatalischen
Produktion war; eine solche Monumentalität ist nie
wieder erreicht worden". Die Konya-Teppiche sind
für uns ohne Vorstufen. Ebensawenig können wir
beurteilen, wie sie sich zu den gleichzeitigen
Teppichen Persiens verhalten haben, da wir kaum
Beispiele besitzen. Das Urteil Marco Polas, der aus
Persien nach Anatolien kam, legt nahe, daß
wesentliche Unterschiede bestanden. Einen einwand-
freien Beleg für den schon frühen Export
dieser Konya-Teppiche bildet ein Detail in Giottos
Fresken in der-Arenakapelle in Padua; wahrschein-
lich benutzte Giatta einen der urkundlich nachweis-
baren Teppiche, die Venedig anlößlich der Ein-
weihung 1305 zur Verfügung stellte, als Vorlage.
Im Laufe des 14. Jahrunderts schob sich unter den
zehn Emiraten, in die das Reich der Rumseldschuken
zerfallen war, das der Osmanen an die Spitze.
Die Niederlage von Ankara 1402 hat diese Ent-
wicklung nur kurz aufgehalten, ihren Abschluß fand
sie mit der Einnahme Konstantinopels. Der früh-
osmanische Teppich verwendete nur geometrische
Muster, die anatalischen Tierteppiche des
14. Jahrhunderts verschwanden auf Grund der
Figurenfeindlichkeit der Osmanen wieder. Im Laufe
des 15. Jahrhunderts kristallisierten sich zwei Typen
heraus die eine mit kleinteiligem Wechsel von
Oktogonen und Rauten in versetzter Reihung, die
andere mit einfacher Reihung großer Quadrate, in
die füllende Okfogone eingezeichnet sind. Zu diesen
beiden trat am Anfang des 16. Jahrhunderts eine
weitere Art, die bei anderer Zeichnung der Einzel-
formen wieder auf versetzter Reihung von Oklogon
52
xwutxtosvhil
....--V.x-w----...V.
.....r.-.i..,
u.
I.
Konyo-Garten, um 1925.
teneinteilung und Mihral
als Gebetsteppich ar
191 117 cm
Konya-Cicim Detail,
Stickerei auf drei getn
webten Stoffen. Origi
392 157 cm
Manyas, um 1900. Klei
mehrheitlich unter Bergt
ich bekannt und benun
00 cm
Can Ausschnitt, um
sanderes Merkmal des
Forbkompasition Rostr
Grün, Originalmaße 183
Cunakkale Ausschnitt,
4900. Knüpfkunst im
westunotolischen Ikone
meist geometrisch dam
Originalmaße 220 192
Melas-Medaillan Aussch
1875-1900. Rot und
stimmen die Forbintensi
Xinalmaße 169 103 cm
khisar, um 1900-1910.
forben Rot, Gold, Sil
helles Blau. 155 113 cm
..-
I.
g... "h... r4IVVÄN n"... an.
und Raute beruht. Die Zeit des Tastens war damit
vorbei; die gefundenen Formen wurden in den
nächsten 300 Jahren nicht mehr wesentlich ver-
ändert.
Nicht nur über diese Geschichte des anatalischen
Teppichs, sandern auch über die vielen Knüpfgebiete
der letzten T00 Jahre in West-, Zentral- und Ost-
anatolien gibt ein umfangreiches und vorzüglich
gedrucktes Buch' Auskunft, welches im Herbst T975
im Münchner Prestel-Verlag erschienen ist. lm Autor
des Werkes, J. lten-Maritz aus Zürich, wird der
Leser einem versierten Fachmann begegnen, der im
Laufe der Jahre seiner Einkaufstätigkeit für
europäische Firmen nicht nur alle wichtigen Museen
in der Türkei besucht hat und monatelang bis in die
entferntesten Gegenden des Landes gereist ist,
um sich an Ort und Stelle über die gegenwärtige
Teppichherstellung und ihre Geschichte zu informie-
ren. Während der iahrelangen Vorbereitung für
dieses Buch hat der Verfasser auch viele schöne
und arttypische Beispiele aller wichtigen Knüpfereien
gesammelt; T24 Stück dieser Sammlung sind am
l. Oktober 1975 bei Weinmüller in München ver-
steigert worden unsere Abbildungen zeigen einige
Beispiele davon. lten-Maritz schrieb im Vorwort Auf
meinen vielen und ausgedehnten Streifzügen durch
die Weiten Anatoliens und bei der Begegnung mit
den Knüpfern ist mir vieles um diesen Teppich be-
greiflich geworden Warum hier florale, dort
geometrische Motive vorherrschen, warum in dem
einen Dorf noch mit Wurzeln, Stauden und Blättern
gefärbt wird und warum im Dorf nebenan das
Chemische Eingang fand. Warum hier mehr, dort
weniger Gebetsmuster geknüpft werden. Oder
warum uns in der einen Region feine Kompositionen
begegnen und in der anderen eine derbe
bäuerliche Kunst."
Aus diesem Grunde handeln auch die einführenden
Kapitel über Das Material" und Vom Färben",
Vom Entwurf zum Bild des Teppichs" und Vom
Knüpfen und Weben", alles Dinge, die in manchem
betont wissenschaftlichen Werk kaum erwähnt
werden. Vor allem befaßt sich lten-Maritz nicht nur,
wie schon erwähnt, mit den Knüpfgebieten, sondern
sehr eingehend mit allen einzelnen Knüpfereien
Jeweils ein einzelner arttypischer Teppich wird
genau beschrieben und farbig abgebildet, auf
Charakteristika der Art hingewiesen.
Hier ist nicht Raum, auf alle diese Dinge ein-
zugehen. Nur eines lten-Maritz beschäftigt sich
ausführlich mit der Frage, ob bei der Bezeichnung
echter Teppich" zum Prädikat echt" auch die
echte Einfärbung gehört, das heißt die handwerk-
liche Farbzubereitung mit organischen Stoffen ohne
ieden industriellen Vorgang und ohne ieden Zusatz
von Chemikalien. lten-Maritz macht darauf aufmerk-
sam, daß eine solche Farmel" heute in der Zeit
hochwertiger synthetischer Produkte wie Chrom-
farbstoffen, Metallkomplexfarbstoffen oder gar den
auf Wallfasern besonders nuanciert reagierenden
Küpenfarbstoffen kaum mehr Gültigkeit hat, ia daß
selbst Experten kaum nach in der Lage sind, hier
einen Unterschied zu den Naturfarben zu erkennen.
Besondere Erfolge in der naturwissenschaftlichen,
letztlich durch die enorme quantitative Heraus-
forderung des europäischen Bedarfs bedingten
Herstellung von organischen Farbstoffen und zwar
auf der Basis von Mikroorganismen konnten etwa
die Institute der Arya-Mehr-Universität von Teheran
verzeichnen.
Doch die Chemikalien sind teuer. Und die Wurzeln
und Blätter, die am Weg wachsen, kosten nichts in
den eindrucksvollen Weiten Anatoliens, in denen
manchmal auf hundert Kilometer nur ein einziger
Hof steht. Es mag also ein gewisser Trost für die
vielen Freunde des anatalischen Teppichs sein,
daß heute noch viel öfters als angenommen in der
herkömmlichen Weise eingefärbt wird, daß noch
viele Märchen des Orients geknüpft und gewebt
Österreichisches Museum für angewandte Kunst
Möbel nach Maß
Frank-MaImsten-Raab-Asmussen
Katalog Neue Folge Nr. 38. Altes Haus,
Eitelbergsaol Galerie, Wien Stubenring
24. 10.-7. 12. 1975
Wir sind geneigt, große Architektur in vorbildlichen
Lösungen, urbane Planungen, wenn gelungen, als
Sonderleistungen anzuerkennen, weil sie vor allem
ins Auge springen. Wir bezeugen sicher auch den
Schöpfungen der Innenarchitektur die ihnen ge-
bührende Wichtigkeit. Nicht ganz sdieinen uns
äquivalent genug gewürdigt die unser eigentliches
Leben bestimmenden Dinge, die Möbel und deren
Schöpfer. Von der Kunst des Wohnens, der Kunst,
sich mit ienem Mobiliar auszustatten, die ein
ideales" Heim garantieren, ist bis ins Uferlose
geschrieben und geschwatzt worden. Persönlich-
keiten, die bahnbrechend in diesem Bereich gewirkt
haben, wurden fast vergessen. Josef Frank, der
nach Schweden ausgewanderte Üsterreicher, ist
eine von diesen. Er stand auch im Mittelpunkt
der Ausstellung Möbel nach Maß", deren
Initiator der Leiter der Mäbelsammlung Dr. Franz
Windisch-Graetz gewesen ist.
Das Schlagwort von der industriellen Revolution,
ienem umwälzenden Aufbruch, seinen erhofften
Segnungen, hat länst seine aufriittelnde Jahr-
hundertkraft eingebüßt. In vielem drängt der
Mensch zurück zum Einfachen, zum Ursprünglichen.
Man hat die modernen, kommunizierenden Wohn-
systeme mit ihren lörmerzeugenden und -leitenden
Materialien zum Teil satt und wohnt gerne
wieder mittelalterlich". Abgeschirmt van
meterdicken Mauerwänden. Hierzu kann man
Franks einschneidende Ansicht darlegen, der meinte
Wir brauchen es zu Hause nicht schön zu haben.
Wir brauchen nicht einmal nützlich und praktisch
zu mäblieren. Das Heim soll nicht in erster Linie
wie eine gut funktionierende Maschine sein, es
soll vielmehr Bequemlichkeit, Ruhe und Wohnlich-
keit schenken." Frank nahm damit vor Jahrzehn-
ten voraus, was die Entwicklung bedingte. Das
Wiederentdecken und Aufgreifen des Individuali-
stischen vor dem in der überhandnehmenden
Technisierung Erstarrten. Die schöpferische Hand,
das Hand-werkliche gewinnen wieder an Terrain.
Mit Recht, wie es scheint! Dies beweist die
Ausstellung. Im Eitelbergersaal, ehrlich geteilt zu
gleichen Hälften Josef Frank und Carl Malmsten.
Zwei Möbelkiinstler, die ihre Laufbahn aus gänzlich
verschiedener Position starteten. Ersterer, Oster-
reicher, studierte in Wien Architektur, letzterer,
Schwede, begann als Tischlerlehrling. Unwillkürlich
der Vergleich vor den Obiekten Franks
wienerische Herkunft stilprägend in den früheren
Schöpfungen auch den Tapeten, später dessen
Assimilierung zu skandinavischen einfachen Formen;
Malmstens solid durchkonzipierte, material-
gewachsene, handschlichte Schöpfungen, deren
Ursprung aus der Volkskunst ableitbar ist. Beiden
gemeinsam ist die Abstimmung ihrer Möbel auf das
menschliche Maß und das gute Benützen, ihre
bewußt auf Einfachheit und Funktion erarbeiteten
Erfordernisse. Daraus erwachsen Natürlichkeit und
Zeitlosigkeit. Ausläufer auf die Galerie waren Rex
Raab und Erik Asmussen. Ersterer, Engländer, der,
in London Architektur studierte, versucht in seinem
Schaffen noch mehr die Körpergerechtheit als das
Primäre herauszubringen, wird in seinen Formungen
aber dennoch freier, schwungvoller, obgleich er
Loos als bestimmend anführt. Letzterer wiederum
kämpft für die neue Auffassung eines Lebens-
gefühls, das durch gestaltete Möbel erreicht
werden kann, die wohl funktionell stimmen sollen,
darüber hinaus iedoch in ihrer Konzeption das
Ansprechen des menschlichen Gefühls mitein-
schließen. Frank, Malmsten, Raab, Asmussen haben
eines gemeinsam für sie muß in weitestem Maße
der Zuschnitt" des Mäbels auf den Menschen
dermaßen sein, daß dieser sein Möbel im Ge-
brauch gerne ongreift" bzw. benützt. Und da
scheint ihnen wohl hauptsächlich sehr stark an der
handwerklichen Bearbeitung Positives begründet.
Harmonische Rundungen und Maserungen, klare
Grundformung und zweckbedingte Detailansätze.
54
Die Gesamtschau dieser vier Möbelkünstler
konnte dem Publikum einmal mehr den guten
Beweis erbringen, daB das handgemachte Möbel als
gebraudisgültig seinen Wert und seine Einmaligkeit
unter allen oft widrigen Umständen beweisen
wird. Wenn das Österreichische Museum für
angewandte Kunst und sein Direktor, Hofrat Prof.
Dr. Wilhelm Mrazek, dem Ausstellungen dieser
Art Verpflichtung sind, sowie dem Sammlungsleiter,
Dr. Windisch-Graetz, der sie initiierte, mit diesem
Vorhaben gelungen ist, das Augenmerk auf die
Vorzüge handwerklicher und künstlerischer Möbel-
fertigung zu lenken, so ist der Zweck vollkommen
erfüllt worden. Daß überdies hiermit das heimische
Tischlerhandwerk neue Quellen der Inspiration
vorgesetzt bekam, lag voll in der Absicht wie
auch das Bestreben, dem Möbelkünstler wie auch
dem Tischler von heute das Recht zuzuerkennen, sich
in verstärktem Maße der Herausforderung der
Industrie zu stellen, ia dieser durch gute oder gar
hervorragende Leistungen Paroli zu bieten
Abb. 1-4.
lnauguration des neuen Rektors,
o. Prof. Arch. Johannes Spalt,
Akademische Feier, Säulenhof
Wien Stubenring
Ausstellung der Meisterklassen, Hochschule
für an ewandte Kunst, Neues Haus,
Ausstellungshalle, Wien Weiskirchnerstraße
27.11.1975 28.11.-14.12.1975
Wenn wir es recht bedenken, ist die Zusammen-
arbeit von Hochschule und Museum nicht mehr in
dem Maße möglich, wie dies in den Anfängen der
Fall sein konnte und der Tradition entspricht. Die
umwälzenden Jahrzehnte des ausgehenden
19. Jahrhunderts, aber auch die großen Namen des
angehenden 20. Jahrhunderts stehen als über-
mächtige Verpflichtung, ia gleichsam als Menetekel
in der Gegenwart. Angesidits der Bedeutung und
Einwirkung von Museum und Schule in damaligen
Zeiten auf die Gesellschaft und alle Lebensbereiche,
heimisch wie international, wird man heute, da die
technische Perfektion das individuelle und somit
auch das künstlerisch-kreative Schaffen dezimiert
und beeinträchtigt, die Frage stellen, wie man dem
steuern kann. Einer der Angelpunkte aber scheint
darin zu liegen, daß das Museum einfach zuwenig
Raum hat, um dessen Präsenz bis in die Gegenwart
herauf unter Beweis zu stellen. Der Fluß der
Sammlungen ist unterbrochen, denn es gibt leider
keine ständige Präsentation des modernen Kunst-
gewerbes. Ankäufe von Künstlern oder Retrospek-
tiven von Künstlern können gelegentlich in Aus-
stellungen gezeigt werden. Diese räumt man ab,
und damit erschöpft es sich. Somit verliegt die
Kunst des 20. Jahrhunderts aber in Depots. Da eine
Vielzahl von Künstlern aus der Hochschule hervor-
geht, bleibt ihre Dokumentation eine verborgene,
ein Besucher wird im normalen Museumsalltag
nichts darüber vorfinden. Also neuerlich eine hoch-
wichtige, grundsätzliche Frage, die von der Raum-
not "geklärt" ist. Wer aber kann hier Abhilfe
schaffen? Wir schicken dies gerade in dem so
feierlichen Moment wie einer Rektoratsübergabe
voraus, um es wenigstens festzuhalten. Am
27. 11. 1975 wurde vom scheidenden Rektor der
Studieniahre 1971172 bis 1974175 o. Prof. Carl Unger
im Zuge einer akademischen Feier das Amt an den
vom Gesamtkollegium der Hochschule mit großer
Mehrheit gewählten neuen Rektor, o. Prof. Arch.
Johannes Spalt, übergeben. In Anwesenheit der
zuständigen Bundesministerin für Wissenschaft uncl
Forschung, Dr. Hertha Firnberg, und Persönlichkeiten
des ministeriellen Stabes füllte ein festlicher Kreis
van Studenten, Assistenten und Professoren Säulen-
hof und Arkaden.
Hofrat Prof. Dr. Wilhelm Mrazek, dem Direktor
des Österreichischen Museums, oblag die Be-
grüßung, in der er die gute Zusammenarbeit mit
dem sdteidenden Rektor unterstrich, wobei aber
auch er auf gewisse Möglichkeiten einer besseren
Koordination aufmerksam machte, wenn widrige
Umstände, meist im materiellen Bereich oder in der
Ungunst der Verhältnisse, dies ermöglichen. Daß
ihm die Zusammenarbeit von Hochschule und
Museum ein echtes Anliegen ist, bekräftigte Hofrat
Dr. Mrazek, indem er dem neuen Rektor
ebenso seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit
bekundete. O. Prof. Carl Unger, der scheidende
Rektor, gedachte eingangs aller in seiner Amtszeit
verstorbenen Professoren und Angestellten und
wies vor allem dankbar darauf hin, daß er für alle
eingeleiteten Reformen und Maßnahmen, die in
ihrer Zielsetzung die Schule als eine Einheit sahen,
bei seinem Ressortdwef, Frau Bundesministerin Dr.
Hertha Firnberg, allergrößtes Verständnis und tat-
krättigste Unterstützung gefunden habe. Auch
dankte er Hofrat Dr. Mrazek für dessen ständige
Offenheit und Bereitschaft zur Kooperation von
Schule und Museum. Seinem umfassenden Bericht
über seine Amtszeit schloß er den Wunsch an
seinen Nachfolger an, dieser möge im Sinne der
gemeinsamen Ziele vier glückliche und erfolgreiche
Jahre der guten Zusammenarbeit haben.
O. Prof. Arch. Johannes Spalt, der neue Rektor,
setzte sich in seiner Antrittsrede vorerst mit der
Grundproblematik der Gegenwart auseinander. Er
akzentuierte mit den Wirkungen des Krieges und
den daraus resultierenden negativen Nachwirkun-
gen, der Technisierung, auch Amerikanisierung, der
Zerrissenheit der Zeit und deren seelischen Nöten,
die besonders die Jugend betreffen, sowie der Hast
des Konsums, die allesamt verstärkte Inaktivität und
Resignation hervorrufen. Die Schule betreffend ver-
merkte er es schmerzlich, daß diese bei ihrer
Gründung noch ein homogener Körper war, was
individuelle Lehrmeinungen nicht ausschloß. Später-
hin iedoch schwächte der verstärkte Hang zur
Isolation der Fachgebiete die Schule. Auch er
sprach von einem großen Umdenken, von neuen
Auffassungen und neuen Zielen, mit denen er für die
Hochschule für angewandte Kunst einen kontinuier-
lichen Erneuerungsprozeß einzuleiten hoffe, zum
Nutzen der studierenden Jugend und der Gesell-
sdiaft. Anschließend an die musikalisch umrahmte
Feier begab sich die Festgemeinde in die Aus-
stellungshalle des Neuen Hauses, um der Eröffnung
der nach zwanzig Jahren wieder erstmals größeren
Gesamtausstellung der Hochschule beizuwohnen.
Man kann das Wesen einer künstlerischen Hoch-
schule, seine Methoden, das Wie-es-gewarden-
lst", das Spontan-lnspirative, wohl in Skizzen,
Studien u. ä. dokumentieren, doch das fertige
Produkt der Kreativität ist letztlich einzige Möglich-
keit der Selbstpräsentation der Schule. Und da
konnte man auch diesmal einige interessante
Proiekte, vor allem im Bereich der Architektur,
entdecken, die wert scheinen, realisiert zu werden.
Aber auch so wichtige und nützliche Dinge wie das
Modell einer Schultasche, einfach, leicht in
Tragen und Handhabung, optimal vollstopfbar",
geben Beweis für die Verbindung von Schule und
Leben. Letzteres Proiekt hat eine erfolgreiche
Realisierung erfahren wie ähnliche Proiekte
auch was hoffen Iäßt, daß man den angehenden
Künstlern, Designern und Entwerfern den Erfolg
zutraut und sie arbeiten läßt für den Gebrauch,
für die Gesellschaft, wie es ihrer Funktion zukommt.
Man sah ferner gute Arbeiten bei Malern und
Plastikern, Gebrauchsgrafikern und Schriftkünstlern,
aber auch in den klassischen Grunddisziplinen wie
Akt, der bildnerischen Erziehung in den Meister-
klassen für Gestaltungslehre, Mode, Textil, Metall
und Keramik. Ein reiches Potential von Schöpfungen,
das in seiner Zusammenfassung Zeugnis ablegt für
das Engagement seiner Lehrer, den starken Lern-
eifer und -willen der auszubildenden und schon
ausgebildeten Schüler. Einen Beweis in dieser
Richtung lieferten angehende und in ihrer Aus-
bildung abgeschlossene Studenten unter Leitung
ihrer Lehrer Prof. Alfred Soulek und Arch.
Wolfgang J. Haipl mit dem Unternehmen München-
dorf. Mit passablen Modellen für einen zum
ortsbelebenden Kommunikationszentrum umfunk-
tionierten Heustadel, der unter anderem das nicht
unbeträchtliche Opfer von insgesamt 35.000.-
zu Lasten der Studenten miteinschloß, bewiesen
iunge Innenarchitekten Ambition und Tatkraft,
wobei sie vor allem die Praxisnähe außerordentlich
anspornte Abb. 5-9. leapald netopil
idesminisferium für Wissenschcfi
Forschung
ucherstufisfik der staatlichen
seen und Kunstsammlungen
Bundesminisierium für Wissenschaft
Forschung gibt bekannt, duß in den ihm
irsfehenden stocillichen Museen und
sfsammlungen in den Monafen
'ember 138.240
aber 166.835
icher gezähll wurden.
Frank, viirineniiiß, neinii einer viirine, 1947.
Jdumhöll
Meirnsien, Verbindung von Beinen und siegen
Eßlisches, undnningew Dle Ausnahme, 195a.
irnholz
Raub, Rückenlehne eines siiihis, 1973. Buchenholz,
Sperrholz
Äsmussen, Verbindung von Tischbein und Zurgen
Konferenxlisches Außenunsichf, ms. Eschen-
und Furnier rnii Sperrholz
Peier Meyer, Parkhaus für uoo Pkw.
ieririesse für Archiieklur Prof. Norbert Schlesin er
elm Volavn, Kuppelkonstruküon oben, 1974.
Sclvurani, Kuppelkonsfrukfion iinien. 1974,
ieririesse iiir lnnenarchifekmr und indiisirieeniwiiri
Johannes Spcll
Grünberger, Schuliasche für bis "lüiährige
lerklusse für inaiisirieiie Formgebung, interi
Prof. Ernsl Beranek
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