ildvverke aus der
ünchener Frauenkircne
EarbtafeIn
enovatio antiken
edankengutes
f.
Essay
D18 Jugend" und der
Jugendstil
..Vereinigung von
Kunst und Leben"
Die Ausstellung enthält
typische Gegenstände aus
verschiedenen Lebens-
bereichen der Indianer
und der weißen Siedler.
Sie gibt einen lebendigen
Eindruck von der Härte des
Fionierdaseins im
Rund 600 Exponate
vermitteln nach einem Uberblick
über die präkolumbianischen
Kulturen des Südvvestens
der Vereinigten Staaten
ein wirklichkeitsnahes Bild
des amerikanischen Westens.
von der Frühzeit der
Wilden Westen". Besiedlung nach dem
Erwerb Louisianas 1803
bis zum Ende des vorigen
Jahrhunderts.
Indianer und Siedler
im amerikanischen Westen
n. Playboy a.
es. "ru-w-"r
1m
am 005i
ewwzz-wwumlßwh
Österreichisches an
728. Jänner -11. Aprilq-IEIÜW,
es
As ßf
01 und Öffnungszeiten Führungen
en Weiskirchnerstraße Dienstag bis Sonntag
Jänner js 11. April 1977- Samstag und San
79-19 v10.3O Uhr
Programme an derKa
Relincquiare
Fahnen, Kultgevvänder
Ausstellung
des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung,
durchgeführt vom Österreichischen Kulturzentrum und
dem Österreichischen Museum für angewandte Kunst
Die Ausstellung. aus Leihgaben
von 42 bulgarischen Museen
zusammengestellt, zeigt 204
Werke sakraler Kunst aus einem
Zeitraum von 1000 Jahren.
IKONEN AUS
BULGARIEN
9. 19. JHDT.
Die Objekte entstammen Kirchen
und Klöstern der bulgarischen
Ostkirche und sind Zeugen
tausendjähriger Kultur und
alter Tradition.
Österreichisches Museum
für angewandte Kunst
17. Februar 30. Mai 1977
Ort und Öffnungszeit
Nien 1. Stubenring
I7. Februar bis 30. Mai 1977
Dienstag bis Sonntag 10 bis Uhr
Führungen
Dienstag bis Freitag 17 Uhr.
Samstag und Sonntag 11 Uhr
Programme an der Kassa
Katalog
104 Seiten. 22 Farbbilder,
95 Abbildungen schwarzweiß, Einführungs-
und Sachtexte, Brosch., 24x21 cm
ANTIQUITÄTEN
erßert Amzbaum
Drei HoMlsm-Terrwncvw
Mitte 18. Jahrhundert
Ku nstgewerbe
Gemälde, Skulpturen
Möbel
C. BEDNARCZYK
KUNST qnd
ANTIOUITATEN
Johann Rudolf BYSS Somthum 16604 738 Würzburg
ere rm Garten Eden"
einwand, 69 88 cm
speziell
erlesenes Kunstgewerbe
des 18. Jahrhunderts
WIEN DOROTHEERGASSE12
-Telefon 52 4445
150 kUTISf
olfe und moderne kunsi 22. Jahrgang 19771 Heff 150
Peter Steiner
Bildwerke aus der Münchener Frauenkirche..
Gerhuri Egger
Renovufio antiken Gedankengutes
Herbert Beck
Bemerkungen zur Solzburger Skulptur der Spöfgotik
Friederike Zuisberger
Die Sfrobl-Werksfah in der Steingusse
Ein Beitrag zur Geschichfe der Saizburger Hafnerkunsf
Udo Kulfermann
DieGüldenkummer im Bremer Rulhcus ...
15
19
23
Gerd-Dieter Stein
DieJugend" und der Jugendstil
Vereinigung von Kunst und Leben" .. 26
Künstlerprotile
Gisela Beinrücker von Manfred Chobot .. 34
Peter Braunsteiner von Leopold Netopil .. 35
Aktuelles Kunstgeschehen 36
Für den Kunstsammler P4 .. 42
Köstlich altes Wachsgebild" von Johannes Neuhardt .. 48
Österreichisches Museum für angewandte Kunst .. 50
Bildnachweis .. 47
Titelbild Oskar Bottoli, Pferd, 1971, Bronze, 'l3,5x 15 cm, vor Kalk-
sandsteinplastik Ausstellung im Österreichischen Museum für ange-
wandte Kunst Edgar Degas, Stehende Tänzerin, Rückenansicht, um
1874. Öl auf rosa lasiertem Papier. Paris, Louvre, Cabinet des Dessins
Ausstellung in der Albertina, Wien.
Herausgeber Kurt Rossadier Eigentümer und Verleger AMK-Verlag,
A-5024 Salzburg, Imbergstraße Postfach 12, Telefon 06222 73731.
Redaktion Wilhelm Mrazek Chefredakteur, verantwortlidi für den Inhalt;
Franz Winclisch-Graetz Kunstgeschichte, Alois Vogel Wiener Kunstkritik,
Bundesländerberichte, Leopold Netopil Beridite, Umbruch, Imprimatur;
alle Österreichisches Museum für angewandte Kunst, A-1010 Wien, Stuben-
ring Telefon O2 22 72 56 96 und O2 22 72 56 97. Zweigredaktion Salzburg
Kurt Rossacher Gesamtgestaltung, Franz Wagner Salzburger Kunstkritik,
alle A-5024 Salzburg, Imbergstraße Postfach 12. Herstellung Wagnefsche
Unim-Buchdruckerei Budiroithner 8. Co., Innsbruck. Für unverlangte Einsen-
dung von Manuskripten oder Fotos wird nicht gehaftet.
Gefördert durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung
und das Bundesministerium für Unterricht und Kunst.
Preis ab 1976 inkl. Porto Jahresabonnement, Nummern davon ein Doppel-
heft, öS 545.- inkl. Mehrwertsteuer, DM 78.-, sfr 82.-, Lit. 21 .O00.-. Einzelheft
öS 95.- inkl. Mehrwertsteuer, DM14.-, sfr15.- Lit.3500.-.
Rates 1976, second dass mail included svbscription issues numbers per
anno, 14.-, US 30.- by air US 50.-; single issue 2.50, US 6.-
by air US 8.-.
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anstatt, Filiale Innsbruck, Konto Alte und moderne Kunst", Nr. 89-5329.
Anzeigen AMK-Verlag. Erscheinungsort Innsbruck.
Münchener Frauenkirche
Kriegszerstörungen von 1944145 aus der Kirche
entfernt und in verschiedenen Lagern geborgen
worden. Das Hauptlager von 424 Kunstgegen-
ständen wurde 1972 von Sigmund Benker inven-
tarisiert. Sein lnventar und mündliche Auskünfte
sind Grundlage dieses Berichts'.
Der Neubau der Frauenkirche von 1468-1488 war
bei seiner Einweihung 1494 mit den 24 Altären
und Glasfenstern des Vorgängerbaues eingerich-
tet. ln einem kontinuierlichen Prozeß, den weder
die Reformation noch der Dreißigiährige Krieg
unterbrochen, haben die zwei folgenden Jahr-
hunderte diese gotische Ausstattung ersetzt. Ka-
pelle um Kapelle, Joch um Joch verwandelte sich
die Frauenkirche in einen bilderreichen Barack-
raum. Private Stiftungen für Grabmäler und Sei-
tenaltäre waren die Beweggründe dieser Ent-
wicklung. Vorherrschend war dabei im 16. Jahr-
hundert ein Grabmaltypus, der in Süddeutsch-
land selten und in München in keinem einzigen
Exemplar erhalten ist, das Gemäldeepitaph. Es
waren dies architektonisch-plastische Aufbauten,
wohl meist mit Holzgerüst, die ein oder mehrere
Gemälde trugen. Diese Grabmäler erreichten bis
zu acht Meter Höhef. Sie wurden alle als fremd-
ländische Zutaten" vom Leiter der Domrestau-
rierung 1858, Matthias Berger, entfernta. Von
einem solchen Grabmal haben zwei Tafeln, die
Hans Mielich zugeschrieben werden, überlebti
Die linke Tafel zeigt den hl. Martin im Gewand
eines Edelmannes der Zeit um 1550 zu Pferd, wie
er seinen Mantel mit dem Schwert teilt, um ihn
dem nackten Bettler zu schenken. Die moralische
Bedeutung der Tat wird durch den Psalmvers
links unten angegeben; Psalm CXI Er thailet
und gob den Armen, sein Gerechtigkait bleibet
in Ewigkait der Ewigkeit." Die rechte Tafel zeigt
die Bekehrung des Saulus Apostelgeschichte
1-9. Blitzschleudernd erscheint oben Christus und
ruft; Saul, Saul, was verfolgstu mich?". Saulus,
auf dem Boden liegend, antwortet Her was
willstu das ich thuen sal". Unter den Beinen des
sich aufbäumenden Schimmels sieht man den Rei-
terzug, der durch den Blitz auseinandergesprengt
wurde. In der Ferne die Türme und Mauern von
Damaskus.
Nach einem barocken, bis ietzt nur in handschrift-
lichen Auszügen von 1887 bekannten Verzeich-
niss bildeten die beiden Tafeln die Seitenteile
eines Grabmales, dessen Mitte die Grabschrift
einnahm. Wahrscheinlich ummantelte das Grab-
mal ursprünglich einen Freipfeiler der Frauen-
kirche auf drei Seiten. Die Komposition der Ta-
feln ist durch ihre schmale hohe Form bedingt.
Sie werden beherrscht von der Frontalansicht
eines braunen Pferdes und der Kruppe eines
Schimmelst.
Die Pferdedarstellung ist monumental. Die Cha-
rakterisierung der Rösser entspricht dem Aus-
drucksgehalt der dargestellten Szenen bei der
Mantelspende ein braver Brauner, bei Pauli Be-
kehrung ein feuriger Schimmel, dessen weiße
Leibmasse zum violetten Nachthimmel wirkungs-
voll kontrastiert. Die Gesichter der handelnden
Personen sind ins Profil gedreht und überschnit-
ten, so daß der Ausdruck ihren Pferden anver-
traut bleibt. Merkwürdig ist die helle Lichtgloriole
mit weißen, hellblauen und hellrosa Putten, wel-
che die Leidenswerkzeuge um Christus halten.
Der Mantelwurf Christi erinnert an den Mantel
Gottvaters bei der Schöpfung Evas in der sixtini-
schen Decke Michelangelos. Dieser Vergleich ist
biographisch gestützt durch Mielichs Reise nach
Werk vereint Lichteffekte und Gestaltunge
Malerei Altdorfers mit Figurenerfindungel
italienischen Manierismus. Ihm und seinerl
statt sind aus der Frauenkirche noch ZUZUVx
die Bilder Kreuztragung aus dem Dobei
Epitaph Dompfarramt, auferstandener Ch
Brotvermehrung und Heilung der Aussät
Diözesanmuseum.
1601 wurde das Innere der Frauenkirche
ausgemalt; damit begann die Barockisierun
Raumbildes, die von Herzog Maximilian
kräftig gefördert wurde. 1604 wurde der
bogen errichtet, 1620 der Hochaltar, 162i
Kaisergrab; alle drei im Mittelschiff, ir
Hauptachse der Kirche. Der Bennobogen,
architektonische und skulpturale Bedeutung
gesonderten Würdigung bedarfs, war
Triumphbogen der Gegenreformation, err
über den Reliquien des hl. Benno; diese
1576 aus Meißen geholt und 1580 in die Fr
kirche gebracht worden. Die Reliquien
an einem Altar unter dem Bogen ausge
Kultbild war eine Silberbüste des Heilige
heute nach in der Frauenkirche verwahrt
Dieses Reliquiar konnte mit einer großen
türe verschlossen werden, die aus eisenver
tern Kupferblech besteht. Auf diese Türe
der Hofmaler Hans Werl das Bild des He
in der Glorie. Sie trägt auf der Rückseite di
rocke Bezeichnung H. Werl pinxit1604".
Der Heilige thront auf einer Wolkenbanlc
die Rechte segnend erhoben und nimmt
Linken den Domschlüssel aus dem Maul
Wallers, den ihm ein Putto hinhält. Ein zv
Putto hält den Bischotsstab, zwei weitere
fliegend einen Lorbeerkranz über der Mitr
Heiligen. Eine Vielzahl von rosigen Cherub
fen erscheint zwischen Wolkenkissen. Da
ist an der Oberfläche etwas abgerieben, da
ist vor allem in den Gesichtern die Binnen
nung etwas verschwommen. Der Damas
roten Dalmatika, Brustkreuz und goldener
des blau-grünenPluviales sind aber ganz pi
gezeichnet. Das Bennobild der Frauenkircl
neben dem Altarbild in der Hofkapelle
Münchener Residenz das einzige bezeic
Werk von Hans Werl, der als Hofmaler Mc
lians Laus Quellen gut belegt ist.
Über der Bennobüste bzw. ihrem Vorblatt
ren zwei weitere Bilder im Bennoaltar
hängt, die ebenfalls signiert und 1604
sind. Das zweite trägt die Bezeichnung
I. Rottenhammer F. Venetia". Dargestellt is
Martyrium des hl. Mauritius und seiner
ten'".Der Maler Hanns Rottenhammer 1564-
arbeitete 1596-1606 in Venedig. Offenbar
damals das Bild bei ihm bestellt. Nach den
len lieferte er nach ein zweites Altarbild fi
Frauenkirche mit der Darstellung der Krc
Mariens".
Das Mauritiusbild wird durch einen Streifen
melblau in eine irdische und eine himm
Sphäre getrennt. Der Blaustreifen senkt si
der Mitte auf das Haupt des Heiligen. Von
führen eine Figurengasse, Mantel und Arrn
Mauritius auf das Haupt zu. Zahlreiche
drucksgesten verweisen von der irdischen
himmlische Sphäre und von dort nach
Farblich trennt das Himmelblau die go
Lichtgloriole der Engelwelt von der rot-b
bunten Legion des Mauritius. Zwei weiß und
blau gekleidete Soldaten in ihr, annähernd
metrisch verteilt und in die Tiefe gestaffelt,
trastieren zur warmfarbigen Dichte des Sold
Grundriß der Münchener Frauenkirche, errichtet
14684488. Aufgenommen um 1900
Grundriß der Münchener Frauenkirche, um 1700,
aufgenommen von M. Paur, Geometer. Mit den
Einbauten des 17. Jahrhunderts, Bennabogen von
1604105, Kaisergrab 1622, Hochaltar 1620 und
den barocken Seitenaltüren
Die Frauenkirche vor 1858. Unveröffentlichtes
Foto aus dem Besitz des Bayerischen National-
museums, München. Die Fotografie bildete die
Grundlage für zahlreiche zeichnerische und male-
rische Darstellungen des Inneren der Frauen-
kirche. Zu erkennen sind der Bennabogen, dar-
unter der Kreuzaltar in der Form von 1844. Er
verbirgt das dahinteriiegende Kaisergrab. Rechts
die Kanzel van Roman Anton Boas. Gegenüber
ein Gemöldeepitaph von Hans Mietich mit der
Darstellung von Otberg und Grablegung.
Hans tWerl, HI. Benno, Vorblatt" des Benna-
retlquiars im Bennoaltar, bezeichnet und datiert
1604. Ol auf Kupfer, 171 120 cm
Johann Rottenhammer, Das Martyrium des hl.
Mauritius, signiert und datiert 1604. O1 auf Lein-
wand, 188 144 cm, Bennoaltar
ierkungen 1-13
Baugeschichte. Norbert Knapp, Die Frauenkirche zu
inchen und St. Peter, Stuttgart 1970, mit Bibliographie.
die Ausstattung grundlegend Antan Mayer, Die Dom-
che zu Unser Lieben Frau in München, München 1365.
größte war das Grabmal des Leonhard van Eck in
Franziskarterkirche, seit 1803 in der Frauenkirche s. u.
er Meter hoch war das Grabmal des Stittsdckons
bereiner, 1577, dessen Einzelteile erhalten sind. sechs
Jlpturen, ein Gemälde van Hans Mielich und Roll-
rkrahmen.
zgen des pietatlasen Umgangs rnit iiinen wurde der
urneister 1861, aber erst nach Abschluß der Purifizie-
tQ, entlassen. Vgl. Norbert Knapp, Die Restaurierung
Münchner Frauenkirche im 19. Jahrhundert, in Fest-
rift Luitpald Dussler, München 1972.
befanden sich vor 1858 in der Attottinger Kapelle
iorhauptt, dann auf dem Dachboden, 1886-1902, im
bischöflichen Ordinariat, 19024974 im Klerikalseminar
it1960 Bildungszentrum Freising. Sie wurden veröffent-
lt von Richard Hoffmann. Die Kunstaltertümcr im erz-
chaflichen Klerikalseminar zu Freising, München 1907,
von B. flottger, Der Maler Hans Mielich, München
dart Dotierung Vtum 1544".
arst erwahnt bei N. Knapp, 1972, a.
fihr ein Brandzeichen in Form eines n.
zse Kopie auf Leinwand, 20x450 cm, vom Grabmal
Leonhard von Eck s. o., wird z. Z. fur das Diazesan-
seum restauriert.
Dissertation darüber durch Frl. Berg ist bei Frau Prat
Behting an der Universltat Munctien in Vorbereitung,
b. bei Norbert Knapp, 1970 a. a. O.
Thema ist durch die übereinstimmende Tradition aller
rzeieliniese und Guiden gesichert. lkonographisch sind
Hellhautigkeit des Heiligen und das Fehlen einer
lrichtungsszenerie merkwürdig.
einzige aus der Frauenkirche uberkommene gleich-
tige Bild dieses Themas bedarf noch der Restaurierung
Untersuchung. Es ist vermutlich nirtil mit dem Bild
Wenhammers identisch.
undlicher Hinweis van Di, Geissler, Stuttgart Abb, bei
ria Mrazinska, Plusieurs dessins des artistes de la caur
iducs de Baviere in Bulletin du Musee National de
rsovie, Val. lll 1962, Nr. S. 74, Das Bild Kiumppers
3t 134 90 cm,
war dies der Nachfolger des gotischen Hochattars,
Gabriel Angler 143471437 für den Vorgangerbau ge-
affen hatte, und der in den Neubau ubernarnrnen
rde. Um 1600 wurde er durch einen einraetiereri Balan-
naltar ersetzt, in dern die Erorileflgur Hubert Ger-
ds stand, die 1637 auf die Murielisdule gesteltt wurde,
i. A. Mayer, a. s. 106-109, und Schatten-
'er, Die Marieiisdule in München, München 1970.
haufens. Mauritius ist durch den Eisenglanz sei-
ner Rüstung und seinen goldenen Umhang her-
vorgehoben. In der Anlage der Repoussoirfigu-
ren und des Puttenreigens wird die Auseinander-
setzung mit den Figurenerfindungen der Tinto-
retto-Werkstatt deutlich. Das Mauritiusbild der
Frauenkirche entstand im selben Zeitabschnitt wie
Kupfertöfelchen, welche die Alte Pinakothek von
Rottenhammer verwahrt. lhnen gleichrangig in
der Komposition und farblichen Kraft übertrifft
sie das Altarbild durch seine Größe 1145x187.
Uber dem Mauritiusbild im Bennoaltar war als
Auszugsbild eine Beweinung Christi angebracht.
Sie ist rechts unten signiert Hanns Krumm. 1604"
Es ist das einzige signierte Bild des Bildhauers
und Architekten Hanns Krumpper, der als Er-
bauer des Bennobogens und des Kaisergrabes
zwei Hauptakzente in der Frauenkirche gesetzt
hat. Zu dem Bild existiert eine Zeichnung im
Museum von Warschau", die den Vermerk trägt
für S. Benno gemacht".
lkanographisch ist das Bild bemerkenswert, weit
seine Marienfigur 50 Jahre später als Skulptur
von Tobias Fader ausgeführt und zum wichtig-
sten Gnadenbild Münchens wurde. Die Abfolge
der drei signierten 1604 datierten Bilder vom
Bennoaltar van Werl, Rottenhammer und Krump-
per bildete ein einzigartiges Denkmal der Münch-
ner Kunst vom Beginn des 17. Jahrhunderts.
Ebenfalls im Bennabogen befanden sich zwei
Holztafeln Enthauptung der hl. Barbara und
Stigmatisation des hl. Franziskus, die einem Ma-
ler des Candid-Kreises zuzusprechen sind. lm
Bennobogen verwendet wurde auch ein Bild der
Verspottung des Job, das nach barocker Tradi-
tion von Christoph Schwarz stammt. Es hing über
dem Ecce-Homo-Bild" aus dem 16. Jahrhundert,
das sich noch in der Frauenkirche befindeLAn den
großen Seitenaltören des Bogens zum Mittelschiff
hin hingen zwei Altarbilder des Tintoretto-Schü-
lers Cosmas Piozza Ungharetto mit den Themen
Bekehrung Pauli und Martyrium Petri. Auch sie
sind ebenso wie ihre Auszugsbilder mit Christus
und Gottvater erhalten. Das Petrusbild im Diö-
zesanmuseum, das Paulusbild in St. Paul in Alten-
erding.
1620 ließ Herzog Maximilian l. den Choraltar er-
richten". lm architektonischen Typus stand die-
ser Hochaltar der Frauenkirche in der Nachfolge
des Hachaltars von St. Michael in München,
158671590; aber die Vielzahl der Rahmenge-
schosse dort war zusammengezogen zu einer
monumentalen Ädikula. lhr Sockelgeschoß, das
die Baldachine des Chorgestühls überrogte, nahm
ein Predellabild auf. lm Hauptgeschoß rahmte
ein Säulenpaar korinthischer Ordnung ein Rie-
senbild. Das Obergeschoß nahm als Giebel ein
avales Auszugsbild auf. Dieser Typus wurde zum
Vorbild aller Seitenaltöre der Frauenkirche, die
im 17. Jahrhundert errichtet wurden. Auch für
den Hochaltar des Freisinger Doms, 1625l26, von
Philipp Dirr wurde er vorbildlich. Dieser ist durch
zwei Flankentiguren bereichert. Vom Freisinger
Hochaltar leitete sich dann der Haupttyp bayri-
scher Altarbaukunst bis zu den letzten Schöpfun-
gen J. B. Straubs um 1770 ab".
Der vergoldete Altar war als frei tragende Holz-
architektur doppelwandig gebaut und hatte im
Innern eine Stiege, auf der man bis zum Aufsatz
hinaufsteigen konnte. Er war 90V Schuh hoch
und 30 Schuh breit". Er wurde 1858 abgebro-
chen. Seine Gemälde sind erhalten; Das Verkün-
digungsbild aus der Predella seit 1896 als Leih-
gabe im Bayerischen Natianalmuseum, das
Hauptbild war 1953-1958 als provisorisches Hoch-
altarretabel aufgestellt und hängt seither an der
Nordwand der Frauenkirche. Es stellt die Him-
melfahrt Mariens dar. Das Oberbild seit 1976 im
Diözesanmuseum". Es stellt Gottvater in der
Erwartung Mariens dar. Die Gemälde stammen
von Peter de Witte, genannt Candid um1548 bis
1628, der seit 1586 als Hofmaler in München
tätig war".
Farblich ist es ganz aus dem Gelb einer Lichtglo-
riole entwickelt. Gelb überstrahlt sind die Wal-
kenbänke oben und unten und die zahlreichen
Engel. Nur die zentrale Gestalt Gottvaters hebt
sich mit einem hellrasa Umhang und einem grau-
blauen Kleid hervor. Das Bild, das für einen
Standort in 20 Meter Höhe am Schluß eines
100 Meter langen Kirchenraumes gemalt ist,
hängt ietzt im Museum am Schluß eines 40 Meter
langen Saales, den es durch seine farbliche Kraft
und lapidare Komposition völlig beherrscht. Es
aus der Nähe zu sehen, ist ein ähnlich über-
raschendes Erlebnis, wie von einem Baugerüst
aus ein barockes Deckenbild in der Perspektive
des Malers zu betrachten.
Die fürstliche Stiftung für den Hochaltar der
Frauenkirche zog weitere Stiftungen aus den
Kreisen des Adels und der Geistlichkeit für Sei-
tenaltäre nach sich. Sie folgten alle im Typus dem
Hochaltar, ihre architektonischen Aufbauten wur-
den 1858 zerstört, aber ihre Gemälde sind zum
größten Teil erhalten. ln der Frauenkirche selbst
befinden sich das Ecce-Homo-Bild von J.U.Loth,
das Dreikönigsbild van J. U. Loth, das Apollonia-
bild von Degler. In Restaurierung befinden sich;
die Kreuzauffindung von Matthias Kager, Kreu-
zigung von Anthanis van Dyck. In andere Kirchen
kamen; das Bild Mariae Vermählungl" von J. A.
Walff, das Bild Pauli Bekehrung" von Cosmas
Piazza und das Bild EnglischerGruß vonJoachim
Sandrart". lm Diözesanmuseum ausgestellt sind
jetzt die Altarbilder Martyrium des hl. Bartholo-
möus von Wilhelm Schöpfer, 1627, Kreuzigung
Petri von Cosmas Piazza, um 1604, hl. Georg aus
der Preysingkapelle von J. U. Loth, 1630, hl. Georg
aus der Margarethenkapelle von J. U. Loth, 1632,
hl. Katharina von A. Wolff, 1694", hl. Rupert
von J. Wolff, 1695. Zu diesem Bild sei eine
Würdigung aus einem Stadtführer von 1782 ab-
gedruckt, die für die Hochschätzung dieses Ma-
lers im 18. Jahrhundert bezeichnend ist";
Bischof Rupert, über ihn die heilige Maria mit
dem Jesukin-de, welches die Rasalie mit Blumen
krönt; unten Elend und Kranke. Die Lieblichkeit
der ldeen, welche die abern Gruppen beleben,
läßt sich nicht genug beschreiben, nur Carregia,
Quido, Parmegiano, und Barozzio sind in solchen
Gegenständen Wolfs Nebenbuhler. Zwar herz-
erhebend ist die Andacht des heiligen Greisen
eine anatomische Schule, die Hilf verlangende
Kranke, worunter der Akt einer ohnmächtigen
Weibsperson auch des Bonarotti würdig wär
aber das innigliche Hinschmelzen der Rosalia ist
ganz himmlisches Entzücken. Auf eben diesem
Altar oben der Schutzengel; unten Pabst Clemens
Hans Mielich, Hl. Martin und Hl. Paulus, 1500.
U1 auf Halz, 191 72 cm. Von einem Epitaph,
das sich zuletzt in der Altöttinger Kapelle befand
Anmerkungen 14-24
"Sigmund Benker, Philipp Dirr und die Entstehung des
Barock in Bayern, München 1958, S. 54-76; Peter Steiner,
Johann Baptist Straub, München 1972; Die von Henker
s. 75, Anm. geäußerte Ansicht, Aufsatz und Haupt-
geschoß des Münchner Altars seien fast gleich gewesen,
ist aufgrund der bekanntgewordenen Ansichten und der
MODS der Altartafeln Hauptbild 7,90 ni, Auszugsbild
3,20 hoch zu revidieren.
Er füllte den Zwischenraum der östlichsten Freipfeiler bis
Zum Scheidbogen. Dadurch konnte die sdgs vom Teufels-
tritt entstehen, vgl. N. Knapp, Die Frauenkirche, s.
"Im Depot der Bayerischen Stactsgemüldesclmmlungen
befindet sich noch die rückseitlge Wldmungsinschrift.
Frdl. Hinweis Dr. Peter Volk.
"Über sein Werk Brigitte Knüttel, Peter Candid urn
1543-1628, Hofrnaler Maximilians l. von Bayern, il.
Diss. Frankfurt 1964 Ms; Brigitte Valk-Knüttel, Wandtep-
piche für den Münchener Hdr nach Entwürfen von Peter
Candid, Forschungshefte, herausgegeben vom Bayerischen
Ndlibndlrnuseum München 1976.
"Reuererkirche, Würzburg, GlS Leihgabe der Bayerischen
Staatsgemäldßsummlung. Das Bild wurde als das wert-
vallste der Kirche zusammen mit einer Caruvaggia zuge-
schriebenen Geburt Christi 1800 der kurfürstlichen Zentral-
emöldegalerie geschenkt.
gt. Paul in Altenerding, Oberbayern, s. a.
Kapuzinerkirche St. Anton, München.
11 oder Degler, die Überlieferungen widersprechen sich iri
diesem Fall. Waagen hält das Bild in seiner Monographie
w. ein eigenhändiges Werk Walffs, Ludwig Waagen,
Aridrede Wolff, GÜrtZbUfg im.
11 Van Rittershauseri, Die vornehmsten Merkwürdigkeiten der
Residenzstadt Miirieiieri tiir Liebhaber der bildenden Kün-
ste, München 172a, a3 r.
Stiftung des Hachaltares GlS Siegesvotiv ridrii der Schlacht
am Weißen Berg im.
Beide waren durch große Halztatelbilder in der FFOUEH-
kirche vertreten. Die Verklärung zweimal in Bildern des
späten 16. Jahrhunderts, die deutlich auf Raffaels Trans-
figuralian Bezug nehmen Depot des DlÖZESGHITIUSSUITIS.
Die Himmelfahrt Mariens im Hochaltar.
im Kirchengewand, unid der Apostel Jakob mit
dem Pilgermantel, vor ihm das Evangelium des
Matthäus; diese scheinen voll Tiefsinn, in großen
Gedanken verloren. Hier zeigte Wolf, daß nicht
allein die Grazien ihm löchelten, sondern, wenn
er geboth, auch vom dunkeln Olymp donnerte.
Über die täuscherude Einfalt der Natur, mit wel-
cher diese Männer wirklich da sind, gebiethet
eine Seelenstärke von ihren Angesichtermwelche
vor iedem Tyrannen unerschüttert bleibt."
Das Bild hebt als Hauptereignis aus dem Leben
des hl. Rupert die Begründung der Wallfahrt von
Altötting heraus. Der Heilige stellt die Gnaden-
tigur auf einen Altartisch, der mit dem Medaillen
einer Kapellenansicht geschmückt ist und unter
welchem die Trümmer heidnischer Götzenbilder
liegen. Im Buch, das der Engel hält, stehen die
Worte Tibi te ipsam" Dir Dich selbst, mit wel-
chen der Vorgang der Weihe an Maria zusam-
mengetaßt wird. Maria ist, begleitet von zahl-
reichen Engeln, herabgekomrnen, um die Weihe
anzunehmen.
Ober- und Unterbild des Rupertialtars sind
ebenfalls im Diözesanmvseum ausgestellt, wie
überhaupt zu den meisten der aufgezählten Sei-
tenaltarhauptblöttern Predella- und Auszugsbild
erholten sind.
Drei der Predellenbilder verdienen besondere Be-
achtung, ein bethlehemitischer Kindermord von
Jacopo Amigoni, die Predella des Englischer-
Gruß-Altares von Joachim Sandrart. Sie zeigt
zwischen den Heiligen Johann Baptist und Cä-
cilia einen Blick auf München um 1640, im Vor-
dergrund der Marktplatz mit der 1637 errichteten
Mariensäule. Das Predellabild des Gnadenaltars
Marias Rosen von Kaspar Amortgalt im 18. Jahr-
hundert als eine der Kostbarkeiten der Kirche.
Es ist ein typisches Bild der süddeutschen Cara-
vaggio-Nachfolge um die Mitte des 17. Jahrhun-
derts. Dargestellt ist die Erscheinung des aufer-
standenen Christus inmitten der Apostel.
Die Folge dieser Bilder gestattet eine genauere
Kenntnis der Entwicklung der süddeutschen Altar-
bildmalerei, als sie bisher möglich war.Als erstes
fällt auf, daß der Dreißigjährige Krieg die Aus-
stattung der Frauenkirche nicht unterbrochen,
sondern eher beflügelt hat". Die Entwicklung der
Malerei blieb ungebrochen. Bilidformen der alt-
deutschen Malerei, wie sie Hans Mielich tra-
dierte, lebten noch bei Wilhelm Schöpfer 1627
weiter. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts vermit-
teln die Hofkünstler niederländische Einflüsse;
Peter Candid, der aus der Vasari-Werkstatt
kommt, bringt die Kenntnis des Florentiner Ma-
nierismus. Urn 1604 machen sich venezianische
Einflüsse geltend bei Kager, Rottenhammer, Cas-
mas Piazza, und ab 1624 vermittelt J. U. Loth die
Kenntnis der Lichteffekte Caravaggios und der
frühen römischen Barockmalerei. Diese Richtung
bestimmt die Zeit bis zur Mitte des 17. Jahrhun-
derts. Dann wird der spötbarocke Stil A. Wolffs
tonangebend. Vom Thematischen her kann man
die Entwicklung so kennzeichnen Das Altarbild
im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts bei Loth,
Schöpfer, Kager u. a. ist Historienbild. ln einem
Hauptereignis wird das Leben des Heiligen bei-
spielhaft dargestellt; von oben herabkommende
Engel weisen auf die Vollendung des Heiligen-
lebens hin. Am Ende des 17. Jahrhunderts bei
Andreas Wolff ist das Altarbild Glorienbild Ein
Ereignis aus dem Leben des Heiligen wird in ein
Zwischenreich zwischen Erde und Himmel ge-
hoben. Der Bildtyp der Verklärung Christi und
der Himmelfahrt Mariens" wird auf das Heili-
genbild übertragen. Eine Entwicklung, die das
barocke Deckenbild erst im fortgeschrittenen
18. Jahrhundert bei Cosmas Damian Asam er-
reicht, wird von Wolff 1695 im Altarbild vorweg-
genommen.
Beinahe ebenso reich wie die Ausstattung mit Ta-
felbildern war der Bestand an barocker Plastik
in der Frauenkirche. Zwar waren die Altäre nicht
von Figuralplastik gerahmt und wiesen nur ver-
einzelt plastische Gnodenbilder auf, aber der
Bennobogen, die Grabmäler, Portale und Kanzel
boten reichlich Raum für die Entfaltung auch der
barocken Plastik, Der Bennobogen, der selbst ein
architektonisch-plastisches Monument war, ent-
hielt eine Kreuzigungsgruppe, zehn überlebens-
große Heiligenfiguren, und trompetende Engel
standen an allen Ecken umher"". Der Figuren-
schmuck war aber zum größten Teil als Stuck-
plastik angelegt und wurde 1858 zerstört. Aus
der Frühzeit des 17. Jahrhunderts ist eine Reihe
von Bronzegrabmölern erhalten. Deren größtes,
das Koisergrab von 1622, Teile des Burckhardt-
und des Priesterbruderschaftsepitophs, die alle
Hanns Krumpper zugeschrieben werden können,
sind noch in der Frauenkirche verblieben. In
Freising ausgestellt sind Teile des Burckhardt-
und des Frey-Epitaphs, ebenfalls von Krumpper.
Aus derselben Zeit stammt eine geschnitzte Tür-
füllung mit der Darstellung des Marientodes".
Ganz skulptural ausgestattet war in der barocken
Frauenkirche nur die Sebostianskapelle an der
Nordseite. Aus ihr hat nur die Figur des Titelhei-
ligen van Andreas Faistenberger überlebt",
heute in der Kirche über dem Bennopartal. Große
plastische Akzente in der Frauenkirche setzte die
Renovierung von 1770-1779. Sie entfernte die
gotischen Glasgemölde und brachte die große
vergoldete Kanzel von Roman Anton Boos in das
Mittelschiff. Reliefs von ihrem Korpus und die
überlebensgroße lmmakulatafigur der Bekrönung
sind noch erholten".
Den größten Anteil an der plastischen Ausgestal-
tung der Frauenkirche im Übergangsstil vom
Rokoka zum Klassizismus hatte der Bildhauer
lgnaz Günther. Er überarbeitete 1774175 das
Chorgestühl Erasmus Grassers, das weißgolden
gefoßt und durch Reliefs bereichert wurde. Zwölf
seiner Reliefs, die 1858 wieder abgenommen wur-
den, sind in der Frauenkirche noch erhalten".
Im Zuge dieser Restaurierung wurden auch fünf
neue Portale angeschafft, die lgnaz Günther in
Zusammenarbeit mit fünf Schlossern, Schreinern
und einem Maler 1772 lieferte. Ihre Entstehungs-
geschichte, die durch Archivalien im Diözesan-
archiv gut belegt ist, hat H. P. Pabst dargestellt".
Sie wurden durch Sprengbomben 1944l45 zerris-
sen und 195341958 unter Verwendung der erhal-
tenen Reliefteile vereinfacht rekonstruiert. Die
Engelshermen des westlichen Marienportols gal-
ten als zerstört. 1975 konnten aber noch 20 Frag-
mente von ihnen gefunden werden; Hände, Arme,
11
Johann Ulrich Lath, HI. Margarethe, 1632. Aus-
schnitt aus dem Altarbild der Georgs- und Mar-
arethenkapelle
Tohann Ulrich Loth, HI, Georg, 1630. Ausschnitt
aus dem Altarbild der Kapelle der Hofbruder-
schaft St. Georg
11 Jocapo Amigoni, Bethlehemitischer Kindermord,
Öl auf Leinwand, 60x150 cm, von der Predello
des Blasiusaltars
12 Joachim Sondrart, HI. Cäcilie, Ausschnitt aus der
Predella des Mandlschen Altars
13 Joachim Sandrart, Ausschnitt aus HI. Johann
Baptist und hl. Cücilia, mit Schrannenplotz und
Frauenkirche. O1 auf Leinwand, arig.101 x242 cm.
Predello des Mandlschen Altars
14 Peter Candid, Gattvater, 1620. O1 auf Holz,
316 x320 cm. Oberbild des Hochaltars
15 Kaspar Amort, Christus erscheint den Aposteln.
Öl auf Leinwand, 109 173. Predello des Altars
Mariae Rosen
16 lgnaz Günther, Engelskopt vom Westportal,
1772 Eichenholz. 1944 abgesprengt. Höhe des
Fragments 30 cm
10
Anmerkungen 25-32
"Mayer, a. a. S. 131.
An ihrer Steile befindet sich heute in der Frauenkirche
eine lackierte Blechlüre.
Mayer, a. 0., s. 255.
Die Figur scit 1896 als Leihgabe im Bayerischen Natio-
nolmuseum, ein Relief ebendort ais Erwerbung aus dem
Kunsthandel,
Chorhauptkapelle, drei in Privatbesitz, eines im Bayeri-
schen Nationalmuseum, vgl. Arno Schoenberger, lgnaz
Günther, München 1954, S. B5 f.
Hans Peter Pabst, Die Portale der Münchner Frauenkirche
von lgnal Günther, tn Beitrage zur altbayerischen Kir-
chengesztiizhte, 8d. Z9, München 1975.
"Juristisch bleiben alle Werke Eigentum der Metropolitan-
kirchonstiftung u. L. Frau zu Munriieri. Sie sind dein Mu-
seum, das iur iiire Restaurierung und Identifizierung Sorge
trug, ais Leihgaben überlassen. sie stehen deShClll im
eine Wiederverwendung in der Frauenkirche zur verin-
Sang. Diese Rückkehr der Werke an ihren UFSpFÜXtQllClIED
estimrnungsort setzt aber eine denkmalpflegerisch sehr
erstrebenswerte Neukanzeption des ganzen Kirchen-
raums voraus.
Das Münster, Heft 1977; S. Benker, P. Steiner, Bild-
werke der Münzhener Frauenkirche, Diözesonmuseum
Freising, Bildhett München 1976.
geI, Gewandstücke und Köpfe. Abgebildet ist
Kopf des linken ursprünglich zum Marien-
zlaillon oufschauenden Engels.
Jen den Portalen von Schloß Schleißheim,
sind die Portale der Frauenkirche die einzi-
Hauptwerke lgnaz Günthers, die nicht für
farbige Fassung angelegt waren. Deshalb
sie für die Kenntnis der künstlerischen Hand-
'ift dieses Bildhauers, seine schnitztechnische
enart besonders wertvoll. Verblüffend an die-
Fragmenten ist, wie Günther selbst ursprüng-
verborgene Stellen, wie die Rückseiten der
;el, und ornamentale Details mit virtuoser
sterschatt so gestaltet, daß die Oberfläche
ralI eine plastische Spannung spüren Iößt.
Zusammenstellung der Portaltragmente bil-
im Freisinger Museum den Auftakt zum
ldId-SOGI, der mit dem Gottvaterbild aus dem
haltor abgeschlossen wird. Museumstechnisch
tie der Ausstattung der Münchner Frauenkir-
gewidmete Abteilung das einzige Kirchen-
eum" nördlich der Alpen. In seiner Beschrän-
auf Werke aus einer einzigen Kirche ent-
cht es dem in Italien verbreiteten Museums-
der opera deI duomam. Innerhalb der Ab-
ing sind die Exponate chronologisch geordnet
Bodenfund des "I3. Jahrhunderts bis zum
nölde van 1876. Den Obiektbeschriftungen
wo immer möglich, Grundriß- und Stand-
uarkierung in der Frouenkirche beigegeben.
nälde, Plastik und Kunstgewerbe sind nicht
ennt. Nur Goldschmiedearbeiten und Paro-
te mußten aus konservotarischen Gründen in
mderten Kabinetten ausgestellt werden. Erst-
in einem Museum ist auch Holzskulptur der
tromanik ausgestellt. Über diesen Bereich,
wso wie über cIie Werke der Spätgotik soII
mderer Stelle berichtet werden".
irer Zusammenordnung erwecken die Werke
Plastik, Malerei, Textil- und Goldschmiede-
.t einen Eindruck davon, was die Münchener
ienkirche einmal war, ein Zentrum der Mün-
ier und der bairischen Kunst durch fünf Jahr-
lerte.
wschritt des Autors
r. Peter Steiner
Jstos am Diözesanmuseum Freising
omberg 21
8050 Freising
"I4
Gerhart Egger
Renovatio
antiken Gedankengutes
LIBI
bnumxü-"llrrrrvnn M.
vrrnvvlo TRADVTTI 21'
I1 COMMENTATI DA MONSIGNOR
BARBAIKO I. l-Il ETTO PATRIARCÄ
UA QVHILEGGIA.
Cm du wahr... rnmrpolbfimrlbe
Cqi MPO," Im Per änlinaimnd nur
IN VINEGIA Pil HANG-WO MMCOLINI PINILEGGI. lVl.
Ob aus dem Studium der Geschichte eine neue
Entwicklung eingeleitet werden kann oder nicht,
ist fraglich. Allerdings wurde gerade diese Frage
sehr oft gestellt und letzten Endes nie beantwor-
tet. Schiller bezeichnete die Geschichte als Lehr-
meister, und Winkelmann meinte, daß ein Künst-
ler nur dann unnachahmlich werden könne, wenn
er die Alten" nachahme. So zweifelhaft nun
diese Meinungen erscheinen, so sprechen doch
auch sie dafür, daß alle großen Bewegungen in
der Geschichte nach einem Vorbild in der Ver-
gangenheit suchten, dem nachzueifern sie als
Heil und Rettung empfanden; denn eine ge-
sdwichtslase Entfaltung ohne Tradition gibt es
nicht. Eines von den großen Vorbildern, das in
den verschiedensten Zeiten und nach ganz ver-
schiedenen Meinungen immer wieder herange-
zogen wurde, ist die Antike. Was man unter ihr
verstand und welche kulturellen Leistungen die-
ser Periode europöischer Geschichte man ieweils
in den Vordergrund stellte, war so different wie
die Menschen, die es taten. Konstantin der Große
sah als Vorbild seiner Politik die der Kaiser des
2. Jahrhunderts, Traian, Hadrian und Marc Aurel,
und verband die Meinungen seiner Vorbilder mit
dem davon völlig verschiedenen Christentum. Ju-
stinian ließ die zum Teil bereits fünfhundert.
alten römischen Rechtsbestimmungen sarr
und baute daraus ein Gesetzbuch seines
lichen Staates, das durch eineinhalb Jahrtaus
hindurch Geltung behielt. Karl der Große
antike heidnische Autoren abschreiben un
richtete Lateinschulen in einer von der
völlig differenten Welt, die er dadurch zu
vieren trachtete. Friedrich ll. von Hohenstr
errichtete in Sizilien ein antikes" Staatss
gegen die mittelalterliche Feudalherrschoft
er entstammte.
Eine Renavatio im eigentlichen Sinne erfuhr
die Antike erst während des H. und 15. Jah
derts in Italien, entstanden aus dern Bestri
die Überfremdung durch die verhaßten B1
ren" endlich abzuschütteln.
Die Vorstellungen von der Antike als einer
len Welt", der man nur nachzustreben hatti
man zum Vorbild nehmen müsse, oder ai
man anschließen solle, um den unlösbaren
blemen der Gegenwart entfliehen zu kö
bestimmte das neue Denken.
Als Cola di Rienza 1347 sich in Rom zum
tribun machte und die neue alte röm
Republik ausrief, war ein politischer Versuc
Alle Abbildungen mit Ausnahme der Abb. 12
stummen aus Werken der Biblioihek des Usler-
reichischen Museums für angewandte Kunsiy in
Wien. Sie sind cm Ende des EWEIIIQGH Bild-
iexies mit der lnveniurnummer bezeichnet.
it worden, der keine Aussicht auf Erfolg
i. Doch aber ist er ein Zeichen für eine Ab-
die nicht nur er, sondern auch manch an-
in Italien vertraten den Anschluß an die
tzende" Zeit der römischen Republik zu ge-
en.
rend des folgenden Jahrhunderts wurde
orenz, das gänzlich unter dem Einfluß der
erlichen Familie der Medici stand, die Reno-
der Antike im Sinne einer Erneuerung der
schen Republik in all ihrer Größe und Weite
illen Kräften versucht. Die studioe humonio-
die durch das ganze Mittelalter hindurch
betrieben wurden, ohne aber großen Erfolg
iringen, gewonnen an grundlegender Be-
ing. Dante, Petrarca und Boccaccio waren
ersten Humanisten, die ihre Überlegungen
auf die Umsetzung und Neuformulierung
en Gedankengutes oufbauten und dadurch
reitere Entwicklung einleiteten. Dem kam in
vor allem zugute, daß Konstantinopel und
"ömische Reich des Ostens in die Endphase
verzweifelten Existenzkampfes eingetreten
n. Die Hoffnungslosigkeit dieses Kampfes
von vielen Mächtigen Europas, zum Teil auch
den Medici, ohne Mitleid und ohne Unter-
mgsabsicht mitangesehen worden. Ein gra-
feil der Bevölkerung Konstantinopels, dar-
bedeutende Gelehrte, verließ daraufhin
'leimat und floh nach Italien.
ohl das Ostreich in seiner letzten Phase wei-
an der Antike entfernt war als das sich dem
von der heilen Welt der Antike hinge-
ltalien, wurden iene Flüchtlinge begeistert
len italienischen Humanisten aufgenommen,
ihnen die unmittelbare Tradition zu der
wischen Welt und zur griechischen Sprache
iten.
teste der antiken Welt, an die man in Flo-
und den anderen italienischen Zentren an-
ßen wollte, waren alle spütrömisch. Die
itung der griechischen Philosophie und Dich-
konnte man im wesentlichen nur durch die
mg römischer Autoren, wie etwa der des
o. Auch der scholastische Aristotelismus des
zhrhunderts war mehr auf arabische denn
iriechische Tradition aufgebaut. Nun aber
ie griechische Welt durch ihre letzten Nach-
direkt in Erscheinung. Sa konnten Lehren
Dieci libri delharchitettura di M. Vitr. tradutti
cammentati da monsignore Barbara. Venezia
rcolini,1556.in-fol. mit Holzschnitten. lll12
irelli Saraynae Veronensis leg. Doct. De Ori-
ne et Amplitudine civitatis Veranae. Die Arena
Verona. II 12
und Werke von Manuel Chrysolares, Gemistos
Plethon und Kardinal Bessarian starke Wirkung
auf den Humanismus Italiens ausüben. Begünstigt
wurde diese fruchtbare Einflußnahme ohne Zwei-
fel durch den systematischen Forschungsdrang
der Humanisten, die davon überzeugt waren,daß
man alles unternehmen muß, um die Welt, die
man als Vorbild nehmen will, auch genau zu
kennen. In diesem Sinne wurden Manuskripte in
verschiedensten Bibliotheken gesucht, studiert und
kommentiert. Die griechischen Gelehrten aus
Konstantinopel wirkten vielfach als Lehrer,zumin-
dest als Lehrer der griechischen Sprache. In die-
sem Sinne gründete Manuel Chrysolares 1436 die
erste Humanistenschule in Florenz, und Cosimo
il Vecchio 1459, angeregt durch den griechischen
Platoniker Gemistos Plethon, die platonische Aka-
demie. Unter Lorenzo il Magnifico erreichte iene
zur Zeit des Wirkens der Gelehrten Marsilio Fi-
cino und Pico della Mirandola ihren Höhe-
punkt.
Die Bewegung aber erschöpfte sich keineswegs
in der Erforschung und Kommentierung antiker
Autoren allein. Ihr für die Nachwelt wohl ein-
drucksvollstes Ergebnis liegt vielmehr im Bereich
der Architektur und der bildenden Kunst. Schon
Boccaccio stellte fest, daß der Maler Giotto am
Beginn des 14. Jahrhunderts die Kunst wieder
ans Licht geholt hätte, die viele Jahrhunderte be-
graben gewesen war" Decam. 6. Tg. 5. Nov..
Was für Giotto wohl ein gefühlsmäßig gewonne-
ner Anschluß an die noch vorhandene spätantike
Tradition war, wurde van den großen Meistern
des frühen Quattrocento mehr in das studien-
mäßig erworbene Bewußtsein von der alten Welt
gehoben. Die Leistungen des Architekten Brun-
nelleschi, des Malers Masaccio und des Bild-
hauers Danatello regten Leon Bottista Alberti
dazu an, in der Widmung seines Traktats über
die Malerei an Brunnelleschi aus dem Jahre 1435
zu sagen, daß in ihnen ein Geist lebt, der zu je-
der rühmlichen Sache fähig ist und der durchaus
keinem der Alten, wie berühmt er auch in diesen
Künsten gewesen sein mag, nachzusetzen ist.
So wie Danatello um 1440 in einem Medaillen,
das van einem bronzenen Jünglingskopf getra-
gen wird, das platonische Seelengleichnis nach
Leonardo Brunis Übersetzung in ein Bild um-
setzte, so wirkten in den Werken der über alles
bedeutenden florentinischen Architekten die neu-
aufgefundenen Lehren Vitruvs weiter. Als am Be-
ginn des 15. Jahrhunderts Pioggio Bracciolini in
der Klosterbibliothek von St. Gallen auf seiner
Suche nach antiken Autoren ein Manuskript der
zehn Bücher über die Architektur von Marcus
Vitruvius Pollia entdeckte, gelang ihm ein Fund
von weltweiter Bedeutung. Vitruv hatte im Heer
des Augustus gedient und war wohl mit Lager-
befestigungen und Brückenbauten befoßt gewe-
sen. Einmal baute er sogar eine Basilika in Fa-
num. Als alter Mann schrieb er seine Erfahrungen
auf und widmete sein Werk dem Kaiser. Das
Werk blieb erhalten, Abschriften sind aus dem
3. und 5. Jahrhundert nachweisbar. Die älteste
erhaltene Abschrift stammt aus der Kanzlei Karls
des Großen. Durch die Entdeckung Bracciolinis
erhielt die Arbeit besondere Wirksamkeit. Schon
1486 erschien die erste Ausgabe in Druck und
1511 die erste illustrierte Redaktion. Van da an
wurden die Bücher des Vitruv, die die gesamte
römische Architektur der augusteischen Zeit um-
fassen, in alle europäischen Sprachen übersetzt
und in verschiedenen illustrierten Ausgaben her-
ausgegeben. Alle bedeutenden Architekten der
folgenden Jahrhunderte haben das Werk be-
nützt und selbst in Analogie dazu Bücher über
die Architektur" verfaßt. Sa Leon Battista Alberti,
Sebastiano Serlio, Giacomo Vignola, Andrea
Palladio, Vincenzo Scamozzi und Nikolai Gold-
mann. Die große Wirkung Vitruvs aber bestand
darin, daß keiner seiner Schüler" auf die Idee
kam, die beschriebenen Bauten nachzuahmen,
sondern nur mit Hilfe der Lehren Vitruvs die
technischen Überlegungen der Römer gelernt und
erfaßt wurden, um neue Farmen daraus zu ge-
winnen.
Es ging überhaupt allen Humanisten, angefan-
gen von den Gelehrten, Philosophen und Dich-
tern bis zu den Künstlern, niemals um Nach-
ahmung, sondern stets um Nachfolge.
Wie der richtungweisende Roman des Francesco
Colonno, die Hyperotomachia Poliphili ohne an-
tike Voraussetzung nicht möglich ist, aber doch
ein neuartiges Werk darstellt, sowohl im Konzept
als auch der Ausführung nach, so sind die Bau-
werke des 15. bis 18. Jahrhunderts ohne Vitruv
nicht denkbar, nie aber wurde eine Kopie unter-
nommen. Bromante etwa bekam von Papst Ju-
AMpuiri-aiziinrvm
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Itcm lyltylos clt,m qua duarum colünarü crafhrudo in intcrcolinio
ml- ten" lacari fprray plmrhidcs zque magnz im fpario quod fliiu
rir im duas plinrh idcgquiadmodü clt forrunz equeltris ad xhcarnxm lzl
pidzumßl rcliguagquae cilidcm rationibus um compofilz.
Ü6L7ILB7
lius ll. den Auftrag, die Kuppel des Pantheon"
an die alte Petersbasilika anzuschließen. Um die-
sen Auftrag durchzuführen, stellte Bramante Stu-
dien der römischen Bauweise an, untersuchte
Ruinen nach ihrer Konstruktion und errichtete
schließlich die Bogen der Kuppelvierung, auf die
viel später Michelangelo seine Kuppel aufbauen
konnte. Technik und Konstruktion dieses Werkes
sind nach römischem Vorbild durchgeführt, aber
seine Gestalt ist neu und keine Kopie eines vor-
handenen römischen Gebäudes, wenn auch der
Auftrag deutlich genug das alte Werk nannte.
Kunst und Kultur der neuen Zeit", der Renovatia
in Italien, waren so bedeutend, daß die Städte
dieses Landes noch stärkeren Einfluß auf ganz
Europa ausübten als zuvor. Die Idee der Wieder-
aufnahme antiker Vorstellungen erfaßte auch die
Länder ienseits der Alpen, und die Lehren des
Humanismus eroberten alle Universitäten. Was
die Gelehrten in Florenz begonnen hatten, setz-
ten in Deutschland Georgius Agricola, Regio-
montanus, Willibald Pirkheimer und Erasmus von
Rotterdam, um nur einige von vielen zu nennen,
fort. Am stärksten war wohl die Wirkung wie-
derum auf dem Gebiete der bildenden Kunst.
Wie sehr aber Renovatio Nachfolge und nicht
Nachahmung ist, ersieht man an der großen Dif-
ferenziertheit, der künstlerischen Entwidrlung im
Norden zu der des Südens. Wenn Albrecht
Dürer auch durch seinen Aufenthalt in Venedig
eine innere Wandlung durchgemacht hatte, so
wurde er doch dadurch kein Venezianer. Trotz
der Berufung Leonardo du Vincis nach Fontaine-
bleau entstand dart keine Kopie Italiens, son-
dern vielmehr die eigenartige Kunst der Renais-
10
sance in Frankreich. In den übrigen europäischen
Ländern kann Ähnliches beobachtet werden; das
Studium der antiken Autoren sowie der antiken
Denkmäler war allen weiterhin Voraussetzung.
Demnach ist die Grundlage aller Überlegungen
und Werke der Renovatios-Renascita oder Re-
naissance die Erforschung der Antike, die, als
heile Welt gesehen, literarisch erfaßt werden
sollte, um ihr nachzueifern und an sie anzuschlie-
ßen, um ihre Gedanken fortzuführen.
Innerhalb des 16, Jahrhunderts vollzag sich aber,
wieder zuerst in Italien und dort vorwiegend in
LIBKO
LiTnnltilifoanqudliclazeculceolounsfonopficclimbianguluüßlsui
l'unllimbi8linuinuprmanxypncluMandzmdlsmlgnuimpvtßfouhm
ltiächallnquzznclxon dlliinxcrpmliuifoooonmlc.
M11;
Bawen, erstmals verteutscnt und in Iruck
ordnet durch Gualth. Rivium Nürnberg Pe
1548. in-fol. Erste deutsche Ausgabe von Vt
Rytf mit Illustrationen van Georg Flötner.
Alberti, Leon Battista. Uarchitettura tradol
Iingua fiorentina da Cosimo Baroli Ve
1565 in 4;. 26
Palladio, Andrea. lquattro Iibri dell'Archite
Venezia, Carampello, 1581. in-fol. Zweitaus
nach der ersten, Venedig, Franceschi 1570.
Scarnazzi, Vincenzo. Guvres d'architecture
par Augustin Charles d'Avilier et Samuel
Leiden. Van der Aa, 1713. in-fol. mit den
der Originalausgabe von 1615. III
Rom, eine neue Wandlung, die eine andere
stellung zur Antike zur Folge hatte. Das S11.
der Erforschung war im wesentlichen abges
sen, und das Aufbauen und Anschließen
gerte sich nunmehr auf die Ergebnisse, di
Rinascita gebracht hatte.
Den Anstoß zu dieser Wandlung gab die
änderte Stellung des Papstes in der Welt
Zeit von Avignon war längst in Vergesse
geraten. Auch der Humanismus war für
Päpste nicht mehr von Bedeutung. Wichtig
wurde die Festigung ihrer Weltherrschaft
die Sichtbarmachung ihrer Macht und St
als oberster Herr der Welt. Dafür aber lit
die Antike das ideale Vorbild im römischer
ser.
Titel und Tradition des Kaisertums waren in
gensatz zur römischen Republik und griechi
Polis in allen Jahrhunderten des Mittelalter
mer existent geblieben. Im Osten bestand
mittelbare Nachfolge Konstantins bis ins 15.
hundert. Im Westen war zwar ab Karl dem
ßen auch der Anschluß zumindest an Jus
gewahrt, doch aber die Stellung des Kaise
unumschrönkten Herrn der kultivierten
lichen Welt durch die Rivalität mit dem Pap
in Frage gestellt. Aus dieser Rivalität ent
eine Kette von Konflikten, die, in Verbindur
dem seit dem 13. Jahrhundert in Europa au
menden Nationalismus, zu einer inneren
rung des Kaiserbegriffs geführt hatte.
stärker trat die Rolle des deutschen Köni
den Vordergrund; auf die Krönung zum
wurde weitgehend verzichtet. Maximili
machte schließlich durch die Einführung
rruuuw Jlllß 1mm augum in 1mm Inka-in wen? vmnwm M.
mgßmalau
ÜnÜuÜtÜßÜuÜuÜ
LIBRO OTTAVO.
mvo Arm-arme 1.1
QVARTQ.
llnßerß 541,.
1405421 xu
113"
neuen Bezeichnung erwöhlter römischer Kaiser"
das Kaisertum zum bloßen Titel.
Entsprechend dieser Entwicklung gelangte aber
der Papst immer mehr in die Rolle des höchsten
Herrn der christlichen Welt und damit zur Nach-
folge noch den römischen Kaisern. Zur Entschei-
dung kam diese Entwicklung unter Julius ll.
Signifikant für die neue Situation sind die bei-
den bekannten Ereignisse, die Errichtung einer
monumentalen Papststatue in Bologna und deren
Zerstörung durch Maximilians Truppen, wie die
durch einen Brief belegte Absicht des Kaisers,
sich zum Papst wählen zu lassen. Siehe dazu
meinen Aufsatz...
Die Heranziehung des Vorbildes römischer Impe-
ratoren war bei dem sehr kriegerischen Julius
sehr stark; so unternahm er es auch, mit Hilfe
des seit kurzem in Rom lebenden Donato Bra-
mante, römische" lmperialarchitektur einzulei-
ten. Die grundlegende Neuerung dieser Über-
12
legungen im Vergleich zu ienen des vorausgehen-
den Jahrhunderts bestand in der Hinwendung
zum imperialen Gedanken, den man aus einer
Epoche der Antike nämlich der römischen Kai-
serzeit des 1. bis 3. Jahrhunderts bezog. ln er-
ster Linie an der Architektur iener Zeit, aber auch
an den Triumphreliefs und literarischen Zeugnis-
sen der Kaisergeschichte wurden das neue Ge-
dankengut und die neue Konzeption gebildet.
Die Faszination, die von den römischen Kaisern
ausging, steigerte sich in den folgenden Genera-
tionen und Pontifikaten immer mehr. Ange-
strebt war nicht mehr eine heile" Welt, sondern
eine triumphierende.
Um das zu verwirklichen wurde der große Plan
gefaßt, mit Aufwendung ungeheurer Mittel die
Stadt Rom innerhalb der noch bestehenden Aure-
lianischen Mauer des 3. Jahrhunderts, die immer-
hin eine Gesamtlänge von 27 Kilometern hat,
neu aufzubauen. Pirro Ligorio erstellte einen et-
mit der Restaurierung der Diokletians-Therr
und stiftete in diesen eine Kirche und ein Klos
Sixtus V. und Clemens Vll. errichteten lange
ßenzüge, die einzelnen Hügel der Stadt verl
dend, und ordneten die Aufstellung von get
denen Obelisken und Säulen auf den Plätzen
Wie römische Kaiser riesenhafte Thermen
das Volk erbauen ließen, so stifteten die ne
päpstlichen Imperatoren" riesige Kirchen für
Volk, deren prunkvolle Innenräume nach
System der Thermensöle gebildet waren ll Gr
S. Andrea della Valle, S. lgnazio und viele m1
nicht zuletzt das Langhaus von St. Peter, das
Auftrag Urbans Vlll. von Carlo Maderno geh
wurde. Den Höhepunkt aber schuf Giovanni
renzo Bernini mit dem kaiserforumähnlichen
tersplatz unter Alexander Vll. und Clemens
Die Frage des Vorbildes bei all diesen Bauv
ken ist einzusehen. Schwieriger ist es, der Fr
nach Nachahmung und Kopie nachzugehenÄ
glichen mit den Überlegungen der Rinas
greift der kopistische Zug von Einzelheiten
die Gesamtkonzeption über. Borrominis Fass
von San Carlo alle quattro fontane gleicht
wörtlich den Grabfassaden von Petra, wie
die Grundrißlösung seiner Kirche San lvo
gehend der des Kuppelsaales der Villa Hadri
bei Tivoli entspricht. Berninis Petersplatz gle
dem Forum von Gerasa. Die bedeutendste
bildrolle aber kommt den römischen Kaisert
men zu, durch ihre Verwendung für die
Konzeption der Kirchenrüume, die als toni
überwölbte Säle mit Nebenröumen und anscl
ßendem Kuppelraum gebildet wurden. Tep
rium und Caldarium werden hier ohne sie
visch zu kopieren als Vorbild genommen.
geht so weit, daß man bei Michelangelos Ac
tierung des großen Saales der Diokletians-T
men kaum mehr unterscheiden kann, was
3. und was dem 16. Jahrhundert entstammt.
Weniger die Literatur, wie etwa Vitruvs
gibt hier den Ausschlag, als vielmehr die tats
lich vorhandenen Geböudereste. Die bisher
kaum bearbeiteten römischen Bildwerke wei
studiert, gezeichnet und kopiert. Obwohl in
dem das Vorbild viel stärker zur Nachahrr
herangezogen wurde als in den Jahrhunde
Bis fünlft ßucb
totmidwsgrwi Itidtlrn wie lu m1 idmidvnirxuaßn
fdvlmünunl oumnrmrrdawiiita 11mm luffßprllrlopcrt
tcauibrmfdslutflvrw im von wigmuregzfdaievnna
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ioldmunn, Nikolui. Vollständige Anweisung zu
er Zivilbcukunst ein. Herausgegeben von Leon-
ard Christoph Sturm, Braunschweig Kessler
399. III
omer Odyssee, Das seind die aller zierlich-
en vnd lustigsien vier vnd zwanzig bücher
als 3eliisien kunsireichsfen Voiters aller Poeten.
ammenforlo dell'uso e1 ordine de trionfi anh-
Fru Onofrio Punvinio dellbrdine Heremi-
no in Venefic upresso Tromezzino T571 in-ful.
zkonsßruldion aller zu einem römfschen Triumph
ahörigen Einrlchiungen und Gepflogenheiten
Jfgrund hisiorischer Unlersuchungen. lll 30
Jwemulische Vordernnsichf des Punfheon. Ru-
erung von Fruncesco Pircmesi, 178D
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Einascita, kam es doch immer weiter zu Neu-
ulieren und nie zur genauen rekonstruk-
Kopie.
stische Absicht prägte erst die Kunst der Zeit
800 und unterschied sie im stärksten Maße
der Renaissance. Auch für diese neue Bewe-
des Klassizismus" waren die Vorgänge in
und Italien zwar Voraussetzung, zur ent-
denden Formulierung aber kam es in ande-
europäischen Zentren. Der Rückgriff war
hermaßen ein literarischer wie monumen-
Die Befassung mit antiker Literatur wurde
so in Deutschland wie auch Frankreich und
und fast völlig auf das Gebiet von Dichtung
Drama konzentriert, die klassizistische Male-
ersuchte über den Weg der Illustration dich-
her mythologischer Szenen eine idealisierte
ze Welt vorzustellen, wozu die pompeiiani-
schen Fresken als Anregung dienten. Die Meister
der Bildhauerei befleißigten sich, Joh. Joachim
Winkelmanns Gebot entsprechend,cler Kopie. Ro-
bert Adam entwarf in London Geböudefassaden,
die griechisch" aussehen sollten, und Napoleon
ließ schließlich den als maison caree" bekann-
ten besterhaltenen römischen Tempel in Nimes
für Paris als Ruhmeshalle es ist die spätere Ma-
delaine kopieren. Übrigens suchte er selbst in
seinem Äußeren bis zur Art der Frisur Kaiser
Augustus zu kopieren. Pietro Nobile baute in
Wien den Theseus-Tempel und das Burgtor, und
bei Regensburg errichtete Leo v. Klenze die Wal-
halla als griechischen Tempel. Damit aber waren
die humanistischen Überlegungen der Rinascita,
die in der traditionellen Fortführung der Antike
bestanden hatten, überholt und in Vergessenheit
geraten.
xrcwmox Lü-mc cams-nmnrcix kann.
"LJ"
13
14
Les edifices uniiques de Rome dessines er
res ires exuciemem pur feu M. Des;
Archifecie du Roi. Nouveile Edition Paris Jc
1779 in-fol. Der Konsiuniinsbogen neber
Kolosseum in Rom. lli 23
Colonnc Traiana ereiia dal Senafo
rcmcno all'imperaiore Traiano uugusto
foro in Romcz. Scoipiia con YHisiorie
guerru Daciu lu prima lu secondu etc.
gnofu er iniugliaiu du Piefro Sunlo Burfc
Fespositione latino d'Alfonso Cicccone co
dich nellu vuigure lingua du Gio. PieiroE
Roma, Rossi 2. H. d. 17. Jhs. in-fol. Bedei
nvislsänschaftliche Publikation der Truion
Anschrift des Autors;
W. Hofrat Univ.-Prof. DDr. Gerhurt Egger
Direktor der Bibliothek und Kunstblälfersum
des Öslerreichischen Museums für
angewandte Kunst
Siubenring
1010 Wien
Herbert Beck
Bemerkungen zur
Salzburger Skulptur
der Spätgotik
Wasserspeier. Nürnberger Marmor, Höhe 22 cm.
Privalbesifz, Wien
Vom 18. Juni bis zum 31. Oktober 1976 zeigte
das Salzburger Museum Carolino Augusteum
Skulpturen und Kunstgewerbe der Spätgotik in
Salzburg. Die ausgewählten Werke, dazu der
handbuchartige Katalog, der auch solche Skulp-
turen aufgenommen hatte, die in der Ausstellung
selbst nicht vertreten waren, vermittelten reprä-
sentative Beispiele der Salzburger Bildschnitzerei
von der ersten Hälfte des 14. bis zum Ende des
ersten Drittels des 16. Jahrhunderts. Hauptsäch-
lich in der Vielfalt der Aspekte des erstmals in
dieser Fülle ausgebreiteten Materials, das zur Er-
arbeitung einer Geschichte der Salzburger spät-
gotischen Skulptur anregen dürfte, lag der be-
sondere Wert dieses Unternehmens. Von seinen
wissenschaftlichen Anregungen ausgehend, sol-
len hier einige ergänzende Überlegungen nach-
getragen werden.
Die Heterogenität der Salzburger Plastik bis zum
Beginn des letzten Drittels des '14. Jahrhunderts
wurde anläßlich der Ausstellung und durch die
Katalagbeiträge deutlich. Übergreifende Stil-
merkmale konnten für diesen Zeitraum kaum
oder doch nur wenig überzeugend herausgear-
beitet werden, wiewahl die zum Vergleich ver-
fügbaren Werke durchaus, wenn auch beschei-
dene, Hinweise auf eigenständige, charakteristi-
sche und wohl auch in Salzburg selbst realisierte
Formvarstellungen gaben. Anerkennt man die
stilistische Zugehörigkeit eines Wasserspeiers in
Wiener Privatbesitz KaL-Nr. 36, Abb. ein
zweiter soll an einem Wohnhaus in Salzburg
entdeckt worden sein zu der Gruppe der drei
HI. Bischöfe des Salzburger Museums Kat.-Nr.
28-30, Abb. so wäre damit ein Indiz für die
bildhouerische Produktion am Ort gegeben. Die-
ses kann freilich ebensowenig wie die von
außen nach Salzburg getragenen Formen, soweit
die überlieferten Werke einen gültigen Eindruck
vermitteln, als eine oder gar die maßgebliche
Voraussetzung für den Stilwandel im letzten Drit-
tel des 14. Jahrhunderts oder gar für die Schöne
Madonna der Kunst um 1400 Geltung beanspru-
chen. Vielmehr muß die Darstellung einer Kanti-
nuität der am Ort entstandenen oder in Salzburg
heimisch gewordenen Skulptur in der Zeit des
Übergangs von den Formen der Jahrhundert-
mitte zum Internationalen oder Schönen Stil an
radikalen Neuerungen relativiert werden.
Die Frage nach dem Ort der Entstehung der
Schönen Madonna und des den gleichen forma-
len Gesetzmäßigkeiten zugehörigen Schönen
Vesperbildes wird die Wissenschaft auch weiter-
hin beschäftigen. Die Salzburger Ausstellung hat
weitere Gründe für den Ursprung der Schönen
Madonna in Böhmen geltend gemacht, von wo
als Schöpfungswerk" die Altenmarkter KaL-Nr.
39 wohl als erste, vor 1393, in die Salzburger
Kunstlandschaft gelangte. Nach Jahrzehnten der
strengen Bindung an einen älteren Madonnen-
typus fand im letzten Viertel des 14. Jahrhun-
derts die Schöne Madonna hier Verbreitung. Es
nimmt wunder, wie ihre Gestalt von dem in der
Vergangenheit erlangten Grad von Naturwahr-
heit Abstand nahm, anatomische Verhältnisse,
Bewegungsabläufe und Körperschwere umkehrte
und sie überraschend neuen ästhetischen For-
meln einband. Diese formgenetische Radikalität
des dreidimensionalen Bildes der Schönen Ma-
donna, ihre auffallende Traditionslosigkeit, sind
für sie bedeutsame Merkmale. Farmgeschichtliche
Bezüge, die zugunsten geradliniger Stilabläufe
diesen Anfang, und sollte er auch Voraussetzun-
gen beispielsweise im gemalten Gnadenbild ge-
habt haben, gering schätzen, könnten einen ge-
wichtigen Wirkungsfaktor dieses Marienbildes,
den Formenumbruch, außer acht lassen. Denn
daß die Schöne Madonna in recht fest gefügte
und völlig andersartige Salzburger Formgewohn-
heiten einbrach, machte die Ausstellung der Salz-
burger Spätgotik deutlich. Im Anschluß an böh-
mische Bilder, wie der Madonna aus Kanopischt
vgl. Kot-Nr. 14, hatten sich, etwa um 1380, lo-
kale Formelemente herausgebildet, die in dem
Typus der Löwenmadanna Abb. zur größten
Verbreitung gekommen zu sein scheinen. Begreift
man ihre extreme Körperbewegung und die
strähnige Gewandführung als für sie charakteri-
stisch, so dürfen diese Elemente verallgemei-
nernd als zu iener Zeit spezifisch salzburgisch
angesprochen werden, da sie, nur wenig modifi-
ziert, auch für andere Werke der Salzburger
Kunstlandschaft konstitutiv wurden. Dies bezeugt
die lrrsdorfer Madonna Kai-Nr. 38, Abb. an
sie anschließend die Madonna aus der St.-Mar-
kus-Kirche Kot-Nr. ll, Abb. wobei Unter-
schiede zu den Löwenmadonnen weitgehend den
veränderten und vermutlich ungewohnten stati-
schen Anforderungen der monumentalen lrrsdor-
fer Steinskulptur zugeschrieben werden dürfen;
15
Heiliger Bischof. Marmor, Höhe 109 cm. Salz-
burg, Salzburger Museum Carolino Augusteum
Madonna auf dem Löwen. Holz, Höhe 48 crn.
Berlin, Staatliche Museen
und es lehrt dies der Vergleich mit den HI. Petrus
und Paulus aus Berchtesgaden Kot-Nr. 32, 33
trotzderetwas befangenen Statuarikdieserknapp
ein Meter hohen Heiligenfiguren. Ihre an den
Löwenmadonnen zu orientierende zeitliche Ein-
ordnung um 1370 bis 1380 könnte aufgrund stili-
stischer Parallelen auch die im späten 14. Jahr-
hundert vermutete Entstehung der Johannesschüs-
sel des Freisinger Diözesanmuseums Kot-Nr. 34
bestätigen.
Ihnen gegenüber erscheint die Schöne Madonna,
beispielsweise die genannte aus Altenmarkt, einer
anderen Formenwelt entwachsen. Jedes Detail
kann als das ieweils Gegensätzliche beschrieben
werden, und gar die Diskrepanz ihrer Aussage
Dem Magischen ist der Reiz der intimen Lieblich-
keit entgegengetreten, vorgetragen mit einer
höchst verfeinerten Sinnlichkeit, deren Ausstrah-
lung die emotionale ldentität zwischen Bild und
Betrachter herstellt. Gerne wüßte man, was an
theologischer Auseinandersetzung Bildformen
solchen Widerspruchs veranlaßte. Jedenfalls
wurde in der Folge keine Anstrengung gescheut,
solcherart aufgebrochene Gegensätze wieder
auszugleichen. Ausgehend von den ieweiligen
Ursprüngen näherten sich die diskrepierenden
Farmelemente des Typus der Löwenmadonna und
der Schönen Madonna einander an, sie wurden
verflochten und ineinander verschliffen, bis ihre
Herkunft im einzelnen kaum mehr auszumachen
ist. Diese breit belegte Entwicklung gibt die Mög-
lichkeit, das Charakteristische der Salzburger
Skulptur wohl von den ersten Jahren des 15. Jahr-
hunderts an als das Moment der Kompilation zu
bestimmen vgl. Kat.-Nr. 14, 15, 48, 50, 51, 121,
123. Dabei sei insbesondere der Vergleich einer
Madonna des Salzburger Museums Kat.-Nr. 15
mit der vielleicht gleichzeitig, kurz nach 1400 ent-
standenen Colli-Madonna des Liebieghauses
Kot-Nr. 45 zur Verdeutlichung des beschriebe-
nen Stilphänornens nahegelegt.
Die Madonnen in Karlsruhe Kot-Nr. 51, ferner
die während des Krieges in Darmstadt verbrann-
te aus Hallein Kot-Nr. 121 und die des Bayeri-
schen Nationalmuseums KaL-Nr. 123 kennzeich-
nen eher das Ende der Entfaltung dieser Salz-
burger Formeigenart, als daß in ihnen die Keime
der künftigen Entwicklung angelegt wären. Sie
können als Belege einer Stilkontinuitöt nicht glei-
chermaßen in Anspruch genommen werden wie
die Werke des Meister von Seeon", die den
Übergang vorn späten Weichen Stil zur soge-
nannten Dunklen Zeit" tatsächlich vollziehen
vgl. Dieter Großmann, Der Meister von Seeon.
In Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft
XlX,1974, S. 85 ff. Auch einzelne Züge der Schö-
nen Madanna in den Figuren der Müllner Pfarr-
kirche Kot-Nr. 136, Abb. und des Düsseldor-
fer Museums Kot.-Nr. 224, Abb. bewunderns-
wert frei und qualitätsvoll fortentwickelt, scheinen
eher einen Neubeginn zu kennzeichnen. Sie sind
ein besonderer, vielleicht der eigentliche Salzbur-
ger Zweig innerhalb der nun aufs neue aufbre-
chenden Stilheterogenität zweier Generationen,
wenn weitere Werke dieser Stilphase und dieser
Qualität auch nicht überliefert oder bisher be-
kannt geworden sind.
Die zum Teil schematischen Variationen von Figu-
rentypen und Faltenmotiven, für deren Ursprung
nach so verschieden gearteten Künstlern wie
Jakob Kaschauer oder Hans Multscher, nach
graphischen Vorlagen oder solchen der nieder-
ländischen Malerei gefragt werden könnte, sind
Elemente des weiten Spektrums der Salzburger
Produktion von den Jahren um 1440 an bis zur
Jahrhundertwende. Dabei ist ein denkbarer Ein-
fluß Nicolaus Gerhaerts im letzten Drittel des
Jahrhunderts bemerkenswerterweise kaum, bei-
nahe gar nicht zu spüren. Es sind die Jahre der
Madonna mit Kind. Kalksandstein, Höhe 159 cm.
lrrsdorf, Filialkirche
Torso einer Madonna mit Kind. Holz, Höhe 71
cm. Restauriert und ergänzt; Madonna Kopf,
linker Unterarm, rechter Arm. Kind Kopf und
linke Hand. Salzburg, Kloster der Ursulmen
Madonna mit Kind. Lindenholz, Höhe 107 cm.
Privatbesitz
Weibliche Heilige. Lindenholz, Höhe 96 cm. Düs-
seldorf, Kunstmuseum
Madonna mit Kind. Lindenholz, Höhe 101 crn.
Stuttgart, Württembergisches Landesmuseum
Madonna mit Kind. Holz, Höhe 119 cm. Scheffaul
Tirol, Pfarrkirche
Kriegsknecht aus der Kreuzigungsgruppe der
Halleiner Salinenkapelle. Lindenholz. Höhe 117
cm. Salzburg,
Augusteum
Gliederpuppe, Obstbaumholz, Höhe 24 cm. Ham-
burg, Museum für Kunst und Gewerbe
Salzburger Museum Carolino
Entwicklung des Flügelaltares vom wenig unter-
gliederten, durch Seitenflügel verschließbaren
Kasten zum Wandelretabel mit mehrfachen Bil-
derzyklen und von höchster Logik getragener
Architekturgliederung. Nicolaus Gerhaert darf
aufgrund der hypothetischen Rekonstruktion sei-
nes zerstörten Konstanzer Retabels vgl. Wolf-
gang Deutsch, Die Konstanzer Bildschnitzer der
Spätgatik und ihr Verhältnis zu Nicolaus Ger-
haert. In Schriften des Vereins für Geschichte
des Bodensees und seiner Umgebung 81, 1963,
S. 11 ff. als Protagonist iener Altarbauer gelten,
die in der Heiligenfigur reale Personen typisie-
rend verallgemeinern, ihre Wirklichkeit durch
räumliche Prägnanz bestätigen und damit tat-
sächliches Leben, porträthaft im Altarschrein er-
höhend, vergegenwärtigen. Es muß als bezeich-
nend für die Salzburger künstlerische Entwick-
lung und ihre historischen Voraussetzungen hin-
genommen werden, daß direkte Einflüsse seiner
Kunstauffassung hier fehlen. Ob Bildformen, die
seiner Kunst entsprachen, in Salzburg wohl den
Grabmälern vorbehalten waren? Erst mit Michael
Pachers Hochaltar für die Franziskanerkirche,
entstanden zwischen 1484 und 1498, wurde ein
Äquivalent geschaffen, zu dem auch die von Gre-
gor Erhart beeinflußten Figuren der Hl. Anna
Selbdritt und der beiden Johannes in der Pfarr-
kirche zu Puch Kot-Nr. 257-259 gehören. Ebenso
wird es nicht dem Zufall zugeschrieben werden
dürfen, daß die Figurenauffassung des Veit Stoß
erst in den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts,
1498 im Nannberger Flügelaltar und anschlie-
ßend in der Halleiner Kreuzigung Kot-Nr. 251
bis 254, Abb. Anklang fand. Die mit diesen
Aufträgen betrauten Bildschnitzer hatten sich da-
mals bereits iener Stilphase zugeneigt, die für
das letzte Entwicklungsstadium des spätgotischen
Retabels typisch ist. Anstelle der repräsentativen
Einzelfigur verschleift sie die Darstellungen im
Mittelschrein zu reliefartig bildhaften Wirkun-
gen und durchsetzt sie mit ästhetisierenden Licht-
Schatten-Effekten.
Mit dem Hinweis auf das renaissancehafte Stre-
ben der Kunst iener Jahre nach Autonomie wäre
der veränderte Wirkungsbereich dieser ästheti-
schen Mittel allzu verkürzt umschrieben. Das Ein-
binden der Einzelfigur in einen bildhaften Kom-
positianszusammenhang, der sich aufgrund der
optischen Wirkung für die Schreinfiguren des
Abtenauer Altares Kot-Nr. 283-285 einstellt,
der materiell für die ursprünglich höchstwahr-
scheinlich durch einen Reliefgrund verbundenen
Kreuzigungsfiguren aus Hallein, die von einer
landschaftlichen Darstellung hinterfangen gewe-
sen sein dürften, zutrifft, reduziert zwar ihre
reale körperliche Präsenz im gleichen Maße, in
dem ihre Bildhaftigkeit sich ausweitet, zugleich
aber scheinen darin sich auswirkende ästhetisie-
rende Tendenzen selbst in einem neuen Sinn be-
deutsam geworden zu sein. Das Ästhetische wird
aus seiner angestammten Aufgabe der Erkennt-
nisvermittlung nicht entlassen, es wird nicht frei-
gesetzt, um seitdem als reiner Kunstwert für sich
zu stehen, sondern das ästhetische Argument
selbst scheint nunmehr ein Stück authentischer
Überzeugung geworden zu sein. Je geringer der
Symbolcharakter des Bildes wurde, desto mehr
galt seine Schönheitfür wahr. Diese Profanierung
sakraler Kunst verpflichtete sie zur allerhöchsten
Prachtentfaltung; die profane Darstellung, bei-
spielsweise anatomischer Realien in der Glieder-
puppe Kot-Nr. 346-350, Abb. durfte umge-
kehrt teilhaben an der traditionellen Sakralität
der Altarskulptur. Verstärkt konnten Kunstwerke
seitdemin ExempelnunterschiedlicherThematikdie
ldee der Schönheit verweltlichen und als Samm-
lerstücke in Kunstkammern höchste wissenschaft-
liche und künstlerische Anerkennung genießen.
V1 Anschrift des Autors
Dr. Herbert Beck
Leiter des Liebieghauses
Schaumainkai 71
D-6000 Frankfurt a. M.
iegend zwischen den Steintoren beherbergte
landwerkerviertel der Stadt Salzburg. Die
an der Hauptstraße nach Süden, verbunden
am für viele Betriebe unentbehrlichen Salz-
lsser, das bis zur Mitte des vorigen Jahr-
erts an die Westseite der Steingassenhäu-
eranreichte, förderte die Entstehung der
eichen Gerber-, Färber- und Hafnerwerk-
1. Von den sieben Hafnergerechtsamen der
im Jahre 1647 waren fünf in der Steingasse
aen, der damalige Hofhafner Sebastian
ar arbeitete in der Nonntaler Hauptstraße
Georg Erkhlinger in der Kaigasse 26. Das
Rohmaterial der Salzburger Hafner war die
annte Zeller Erde", die als Qualitätsware
iigene, geschützte Marke führte. Dieser im-
rte Rohstoff war mit Gulden pro Fuder
euer. Als Thomas Strobl mit zwei Kollegen
versuchte, seine Erzeugnisse aus Tonerde
Haunsperg herzustellen, weil diese nur
euzer ie Fuder kostete, verklagte sie die
rzunft vor dem Stadtrat wegen unlauteren
iewerbsk
rlauf des Prozesses kam es zu einer Quali-
üfung, in der das Geschirr aus Haunsper-
311 bestens bestand. Daraufhin wurde den
leistern erlaubt, ihre irdene Ware unter
irwendung eines eigenen Markenzeichens
Junsperger Ton herzustellen. Vielleicht liegt
die Begründung verborgen, warum Tho-
itrobl nicht nur einer der angesehensten,
rn auch wohl der vermögendste Hafner-
ir der Stadt wurde. Er hatte am 27. Juni
las Bürgerrecht erworben? und dürfte 1622
ben sein. Seine Werkstatt war seit 1579 im
Arenbergstraße 33. Dieser Mann bildet die
ilfigur für die folgenden Darlegungen.
nbauarbeiten im Haus Steingasse 67 wur-
974775 rund 100 Kacheln und Model in den
iwänden eingemauert entdeckt. Das am
!l'1 überraschende an dem Fund war aber,
953 im Haus Steingasse 28 übereinstim-
Model, ebenfalls bei Umbauarbeiten, im
werk zutage getreten waren. Es ergab sich
or allem die Frage nach dem Zusammen-
der beiden Werkstätten, handelte es sich
am Haus Nr. 28 doch um das Hofhafner-
in dem außer Thomas Obermillnerf noch
xfner Hans Stockhpaur, Johann Peer, Josef
Jt, Sebastian Perger, Martin Dreyer,
Huebner, Adam Feyerer, Johann Fruh-
und Georg Paar der Reihe nach tä-
aren. Mit dem letzten Namen verband
erfasserin im Katalog zur Ausstellung
Salzburger Hafnerkunst" die Vermutung,
die Verbindung zwischen den beiden
lfunden durch ihn hergestellt werden
z. Der aus Fürstenfeld in der Steier-
stammende Hafner kaufte am 2. Juni 1838
aus Steingasse 67. Neun Tage später heira-
in der alten SL-Andrä-Kirche Maria Hierl
er des Johann Hierl, Wegmachers zu
in Bayern, und dessen verstorbener Gat-
lnhaber des Gewerbes. Seine Gattin Sabina
scheint Maria Hierl nach Salzburg gebracht zu
haben; denn auf sie lauteten nicht nur mehrere
Schuldscheine Georg Paars, sie war auch die
Taufpatin von vier seiner Kinder. Ein halbes Jahr
nach seiner Einheirat in Steingasse 67 kaufte er
am 2B. Dezember 1838 das Hofhatnerhaus Stein-
gasse 28 auf dem Lizitationswege von Anna
Feyerer. Am 27. Juni 1839 übergab er seiner Frau
die Hälfte des neuen Hausess. Er scheint hier
seine Hauptwerkstatt eingerichtet zu haben, denn
am 14. Juni 1840 heißt der Besitzer von Stein-
gasse 67 bereits Georg Eberl aus Freising. Vor
der Übersiedlung dürfte Paar den Großteil der
in der Werkstatt vorhandenen alten Kacheln ein-
gemauert haben. Einen kleinen Teil gefunden
wurden bis ietzt etwa dreißig Stück nahm er in
die Steingasse 28 mit, um sie dort auf die gleiche
Weise zu bergen.
Die Frage nach dem Warum des Einmauerns
blieb vorerst ungelöst. Während eines Abend-
essens bei Dr. Johannes Graf von Moy in
Schloß Anif kam das Gespräch zufällig auf die
dort vorhandenen Kachelöfen. Der Hausherr er-
innerte sich, daß sein Vorbesitzer ihm des öfte-
ren erzählt hatte, der Hafnermeister, der die
Kachelöfen beim Schloßumbau 1838-1848 auf-
gesetzt habe, sei ein besonderer Liebhaber und
Kenner antiker Ofenkacheln gewesen und habe
diese auch systematisch gesammelt. Auf die Frage
nach dem Namen des Meisters brachte er das
Widmungsblatt, auf dem sich alle am Umbau
beteiligten Handwerkermeister verewigt hatten.
Zum großen Staunen der Verfasserin lautete der
Name nicht anders als Georg Paar. Damit war
mit einem Schlage das Rätsel um die einge-
mauerten Kachelmodel für beide Werkstätten
geklärt. Georg Paar hatte die vorgefundenen
Model der iahrhundertealten Strobl-Werkstatt
gesammelt, in ihrem Wert erkannt, weiterver-
wendet und dann, um seine Urheberrechte zu
wahren, eingemauert. Damit war er vor Plagia-
ten sicher, konnte aber andererseits selbst den
Ruhm für die Herstellung von Kachelöfen der
Renaissance in Anspruch nehmen.
Im Schreibzimmer von Schloß Anif ist ein wun-
derschöner Eisenofen, datiert 1690, erhalten ge-
blieben. Das schmiedeeiserne Gitter, das den
Ofen an drei Seiten umgibt, trägt an der Vorder-
seite als Bekrönung das Wappen von Erzbischof
Johann Ernst Thun, der Anif 1689 renovieren ließ
und es 1693 als Lehen den Bischöfen von Chiem-
see übergab. Hier ist iedoch der Wandschoner"
van Interesse. Die Mauerecke, in der der Eisen-
ofen steht, ist mit rund 50 cm hohen, buntgla-
sierten Kacheln verkleidet. Obwohl die Original-
model für die als Wandschutz verwendeten Ka-
cheln bis ietzt in den beiden Fundhöusern noch
nicht zu Tage getreten sind, weisen doch einzelne
Details deutlich auf die Strobl-Werkstatt hin. Un-
ter einem hohen Perlstabsims bilden sechs Wilde-
Mann-Hermen die Eckbetanung. Die Eckkacheln
setzen entgegen ihrer ursprünglichen Funk-
tion den Akzent nach Innen. Ein aus einer stark
stilisierten ionischen Säule herauswachsender
Mann mit bewegtem Vollbart trägt als Kapitell
gehenden 16. Jahrhundert entspricht, hat als
zentrales Bild einen zweihenkeligen Krug vor
einer Muschelnische. Nicht nur sie ist charakte-
ristisch für unsere Werkstatt, sondern auch die
aus dem Krug herausdrängenden Früchte, vor
allem aber der Löwenkopf, der auf diesem
Kachel in zwei verschiedenen Varianten vor-
kommt. Die Mitte des Kruges betont ein Engel-
kopf, von dem eine Stoffgirlande zu zwei Löwen-
köpfen in Seitenansicht führt, die im Katalog
Alte Salzburger Hafnerkunst" unter Nr. 47 von
R. Franz dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts
zugeschrieben worden sind. Die Umrahmung
bilden auch hier zwei Hermen, die einen Halb-
bogen tragen, der van Rollwerk an beiden Sei-
ten, aber auch im Bogen selbst, begleitet wird.
Die Mittelbetonung setzt das Firmenzeichen der
Strobl-Werkstatt, der Löwe, aus dessen Maul
zwei Draperien herauskommen, die in Rollwerk
übergehen Kot-Nr. 1. Die Eckzwickel sind mit
reichen Fruchtgestecken ausgestaltet. Das Früchte-
motiv, häufig in Verbindung mit Masken und
dem Löwenkopf, die reiche Farbigkeit zusammen
mit der Verwendung der weißen Zinnglasur, er-
lauben die Zuschreibung der in Anif vorgefun-
denen Ofenrückwandverkleidung zur Werkstatt
van Thomas Strabl.
Ein zweiter Ofen, der in der Literatur bekannt
istt, wurde auf Grund der Ausstellung neuerlich
untersucht. lm Schloß Hundsdarf bei Bad Hof-
gastein, dem sogenannten Weitmoserschlößl,
steht im zweiten Stock ein grünglasierter Kachel-
ofen, von dem Franz Martin sagt Quadratisch
mit polygonalem Oberteil, grünglasierte Kacheln
mit Frauenköpfen in Quadraten mit abgeschräg-
ten Ecken, umgeben von Masken und Putten,
1. H. d. 17. Jahrhunderts." Diese Beschreibung
paßt außerdem auch noch genau auf den Kachel-
ofen in der Goldegger Stube des Salzburger
MuseumsÄ Der Raum ist mit der Jahreszahl 1606
versehen, während der Trakt im Schloß Hunds-
darf, in dem der Kachelofen steht, nach 1604 vom
neuen Besitzer des Schlosses Georg Leykofer
angebaut wurde. Die beiden Öfen sind also
wohl gleichzeitig entstanden. Die Motive der
Kacheln im quadratischen Unterbau und im run-
den Aufsatz sind gleich, wurden iedoch ver-
schieden ausgestaltet. Während die Kacheln im
Unterbau quadratisch sind, besteht der Aufsatz
aus hochrechteckigen Formen. Die Bekrönung
beider Turmöten bilden dreieckige Lebenslaaum-
bzw. Rankenmotive. Der quadratische Model
des Unterbaues wurde im Haus Steingasse 67
gefunden, der hochformatige hingegen trat im
Haus Steingasse 28 zutage. So unterstreichen
diese beiden Ofen die zuvor gemachten Aus-
sagen anschaulich. Der erstere Model hat die
Maße 28 28 cm, der zweite kann nicht mehr ge-
messen werden, da die im Haus Nr. 28 gefunde-
nen Model verschollen sind und leider nur
Fotografien zur Auswertung zur Verfügung ste-
hen. Beide Model haben als zentrales Bild einen
Frauenkopf, der mit Früchten und Blättern ge-
schmückt ist, in einem dem Format entsprechen-
den Rahmen mit abgeschrägten Ecken. lm hoch-
formatigen Model ist unter der stilisierten Hals-
ungen 1-7
.. Smdmnsprol. 1567 fol. 58.
Bürgerbudu 15 fol. 48', "I6 fol. 19.
lulcher-Mohhein, Snlzburer Muiolikun aus der
man des Hcfnermeislers homus Obermillner, in
Kunsl und Kunslhandwerk "I0, W07, S. 89-92, und
Friedrida Breivinger in Demokratisches Volksbla" vom
a. ws1, s. 11
Aus der Truuungseimragung erfuhren wir noch, daß
Georg Paar, 24 Jahre an, der Sohn einas Schneidermeir
Ihr; von Fürstenfeld und sainar csamr. Josephs Müller,
angehender Hafnermeisler" im Slein war. Die ararn war
zum Zeilpunk! der Vermählung aaram 3a Jahrs an.
lsLA. Urbur 1495 Nr, 344 neu au, um 29. 1. 1853 wurde
Georg Pßdr nach dem um seiner Frau Ällairlbasiher,
am n. m54 vbmwm er die Liegensdw", Ohne den
Laden in ÜB! oberen Gliei esse Zwischen dti Uhrmudmrs
Nöggl und embbnvn m. mers Laden", an Anna Rendl.
um". Kunsncpßgruphie 2a, mo, n. und Abb. 227.
wsebn. Kunsllcpügldphiß 16, 1919, s. 297 und Abb. au.
19
krause nach eine Druperie angebracht; die Haare
enden in einer Frucht. Als Umrahmung des qua-
dratischen Madels halten oben zwei Putten eine
Bifore mit Blätter, Frucht- und Trapfenverzie-
rung. Sie schweben über zwei Windgöttern mit
der auch später in der Strahl-Werkstatt noch
typischen Haartolle in der Stirn vgl. KaL-Nr. 76.
Im unteren Teil wird Rallwerk mit einer Staff-
bordüre, die zu Blatt- und Tropfenverzierungen
führt, kombiniert. Im Gegensatz dazu besteht
Schloß Anif. Schreibzimmer Eisenofen, 1690,
Mit Wappen des Erzbischots Johann Ernst Thun
Schloß Anif. Wilder Mann", von einem Wand-
schoner" aus Otenkacheln
WandschoneW Abb. 2. Kachel mit Krugmotiv
Wandschoner" Abb. Detail
Bad HaigasteinlHundsdorf Kachelofen in der
Weitmoserstube, 1604
die Umrahmung des hochformatigen
ausschließlich aus den an eführten Elemi
mit Blattwerk, Rollwerk und Draperien. Nur
dem Mittelfeld setzt ein Engelkopf mit
stilisierten Krone einen weiteren Akzent.
Bei der Anfertigung der Kachel wurde
hochrechteckigen differenziert vorgegangen
das lnnenfeld wurde der in Nr. 28 gefun
Model verwendet, der Rahmen wurde aus
Kombination der Elemente von beiden
etail aus dem Kachelofen Abb.
Aodel der quadratischen Kachel aus der Stein-
lasse 67
kungen 8-12
Bürgerbuch 15 fol. 43, 16 fal. 17.
fal. 63' und fal. 23.
Geh. Archiv XXVIIHSI? fol. 32.
folgenden Tau Ehe- und Sterhedaten bis 1700
den den Matrikenbüdiem des Dampfarramtes, nach
denen des Stadtpfarramtes St. Andrü entnommen.
"A. Prot. 42 fol. 37, 42.
genommen. Oben tragen auch hier zwei Putten
eine Bifore, auf der Früchte gehäuft sind. Die
Putten halten mit der ausgestreckten anderen
Hand Frucht- und Blattgewächse von sich ab. Die
Mitte betonen zwei Köpfe, die nach Art van
Windgöttern Luft in Bewegung setzen. Das un-
tere Drittel des Rahmens nimmt die Form der
Draperie von Nr. 28 und kombiniert sie mit den
Blattranken von Nr. 67.
Die Dotierung dieser beiden Öfen mit 1604 bzw.
1606 gibt den Anlaß, Aussagen zur Strobl-Werk-
statt zu machen. Von Thomas Strobl, dem Alt-
meister in der Arenbergstraße 33, war schon die
Rede. Es bleibt die Frage, wie die Model seiner
Werkstatt in das Haus Steingasse 67 gekommen
sind. Dort war seit 1562 der Hafner Hans Schul-
tes tätig gewesen". Sein Nachfolger war Urban
Hefele, ein aus Plochingen in Württemberg
stammender Meister? 1584 versteuerte er für
Haus und Gewerbe fl.'". Er muß vor 1600 ge-
storben sein. Seine Witwe Sabina Hefelin hei-
ratete am 14. Jönner 1602 Friedrich Strobl, in
dessen Familie das Haus dann fast 200 Jahre
bleiben sollte".
Friedrich Strobl war der Sohn von Thomas Strobl
und seiner Frau Anna, die seil 1579 in der Aren-
bergstraße 33 wohnten. 1601 erschien Friedrich
Strobl mit seinem Vater vor dem Stadtrat und
bat um Aufnahme in das Hafnerhandwerk. Am
12. September 1601 legte er die Meisterstücke
zur Begutachtung vor und wurde daraufhin als
Hafnermeister und Bürger aufgenommen". Bei
seiner Hochzeit mit Sabina Hefelin waren der
Bürgermeister und ein Mitglied des Inneren Rates
Trauzeugen. Die zwei Söhne aus dieser Ehe,
Johannes geb. 1602 und Balthasar geb. 1604,
starben früh. Nach dem Tod seiner Frau kam
Friedrich Strabl in den Alleinbesitz der Liegen-
schaft. Arn 25. Jönner 1606 ging er seine zweite
Ehe mit Katharina Schwarzgrueberin ein Söhne
1607 Mathias,1608 Bernhard, 1609 Johannes.
Anlößlich der Steuerbeschreibung von 1608 ist
der Vermögensunterschied zwischen Vater und
Sohn Strobl deutlich erkennbar. Während Fried-
rich auf 150 fl. versteuerbares Vermögen ge-
schätzt wurde, stand sein Vater Thomas mit der
Großwerkstatt in der Arenbergstraße, aus der
"WM-n wrßwuuwrxrszyuu,
erwitrwvsw-
Detail der hachrechteckigen Kachel des Ofens
Abb.
Model zu Kachel Abb. aus der Steingasse 28
Salzburger Museum Carolino Augusteum. Ofen
in der Goldegger Stube, 1606
10
im. xiurxgi-ismm arm um...
LQIS ms
i. zum" iftavfuvvtil iowidßtrf.
Au whüner w". mm hdt-Ir max-r man.
m-u m. lßv-iu 1km a. bhlälltlß n-irh-r rmu.
11,51 kündvmi am 4m- "m41 am im.-
Dra Baum-w" Plgvit. Ar! du Pfau i-rdnnlix.
nvßnßvtuf irnm. Ütcßnhtl uns anrkfpvb Abum.
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Hit-x Klammern Farbtiefe
A11 tun-beruh- lturg in wir-kaum Xßlnrhgmr.
Süße-t! rnuwM an zur.
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läufst lwnb- wirdvr Div-h oh man 318W
Au Ihm im lMu-u- u. mm im. tbdm.
Die! Mini im 12.-. cum-Am
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tun um im Lirlw n. Ihm-n zum.
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Tina Mumm um. wenn 1.. umarmen
um um um; a.- mnmu war-a man
0h vlzrurnuw-ur. BMW. ihvrfw z-Mm
Summ! euuIbdhntu-Mukliougmngn.
Als 1622 der Vater Thomas Strobl starb, über-
siedelte Friedrich in die Arenbergstraße und ver-
pachtete das Haus in der Steingasse, zuerst an
Mathäus Firstenauer, der seit 12. September 1622
Bürger und Hafnermeister war", dann an den
Hofhafner Sebastian Oittner, gegen die Leistung
von 25 fl. jährliches Pachtgeld.
Friedrich Strabl starb vor dem 5. Februar 1636.
An diesem Tag wurde der Erbvergleich in das
Stadtratspratokoll eingetragen. Man einigte sich
dahingehend, daß der älteste Strobl-Sohn Ma-
thias die Großwerkstatt in der Arenbergstraße
erhalten sollte, während die Witwe mit ihren
Söhnen die Werkstatt in der Steingasse 67 wei-
terführen sollte. Da Rueprecht erst 18 Jahre alt
war, heiratete sie am 26. Jänner 1637 den Hafner-
meister Balthasar Meyerl. In dessen Tadesiahr
1649 mußte Mathias Strobl den Konkurs anmel-
den. Am 18. November 1650 wurde er unter Ku-
ratell gestellt. Die Schuldensumme hatte eine
Höhe von rund 900 fl. erreicht. Die Kuratoren
wollten das Haus, das einen Schötzwert von
510 fl. hatte, an Rueprecht Strobl verkaufen. Da
dieser aber nur 350 fl. bot, stimmte der Stadtrat
dem Verkauf nicht sofort zu, sondern ordnete die
öffentliche Ausschreibung an. Da kein höheres
Anbot einging, wurde die Liegenschaft am
20. März 1651 Rueprecht Strobl zugeschlagen,
der damit beide Häuser wieder gemeinsam be-
saß". Am 12. März 1651 suchte Rueprecht Strobl
um die Erlaubnis nach, die Meisterstücke anfer-
22
tigen zu dürfen. Am 27. März wurden diese be-
sichtigt und ohne Fehler gefunden, worauf er
zum Meister erklärt und als Bürger aufgenom-
men wurde". Für unsere Betrachtungen ist von
Bedeutung, daß er am 28. März 1662 das große
Haus in der Arenbergstraße 33 an Emmeram
Friedrich v. Ritz verkaufte und sich damit in die
Steingasse 67 zurückzog. Damals werden die
Model von Thomas und Friedrich Strabl mit
dorthin verbracht worden sein, weshalb die Be-
zeichnung Strobl-Werkstatt" für das Haus in
der Steingasse 67 bis zu einem gewissen Grade
berechtigt ist. Die großen Öfen, die in der Lite-
ratur bisher Hans Resch aus Kitzbühel zuge-
schrieben worden sind, wird Rosemarie Franz
in einer eigenen Studie vorstellen. Der weitere
Werdegang der Familie Strobl und ihrer Erben
soll einer späteren Darstellung überlassen wer-
den, wenn andere Beispiele noch bestehender
Öfen auf Grund der Publikation der Model-
funde zum Vorschein gekommen sind. Aufgabe
dieses Artikels war es, die Filiation Arenberg-
straße 33 Steingasse 67 Steingasse 28 darzu-
legen, um Zusammenhänge aufzuzeigen und die
Funde des Jahres 1974175 richtig in die Ge-
schichte der Salzburger Hafnerkunst einzuordnen.
Anschrift der Autorin
Archivrat Dr. Friederike Zaisberger
Salzburger Landesarchiv
Michael-Pacher-Straße 40
5020 Salzburg
11
11 äääaß Anif. Widmuhgsblatt der Handwerker,
12 Ausschnitt aus Abb. 11
G.eorg Paar, Hatner"
mit Signaturwappen
Anmerkungen 13-15
SMCA, Bürgerbuch 16 und 18.
SMCA. Prat. 49 tol. 125, 311', 313, 32T; 50 fol. fol. 291.
lf SMCA. Prot. 50 fol. Z9. 36'.
fit-n
I1 1'.
lwr VrnrLl.
Nillv
rilnrlil.
gi-u Alm.
jlmv.
Ruhm-n.
'li;.1n.
ci-liu Imti-n
thnh-iu.
nr".
mi-u.
gi-u nagen,
innigen. es
in wenigen erhaltenen Beispielen der Innen-
ektur des Jugendstils gehört die Gülden-
ier im Rathaus zu Bremen, die im Jahre
nach den Entwürfen von Heinrich Vogeler
zführt wurde. Doch ist dieser Raum so gut
Jnbekannt geblieben und von der inter-
nalen Forschung, die sich seit einigen Jah-
lem Jugendstil zuwendet und in ihm eine
intscheidenden Wurzeln für die Kultur der
nwart erkannt hat, bisher übergangen wor-
ln den Darstellungen von Ahlers-Hester-
Schmalenbach, Michalski, Pevsner, Len-
und Tschiudi-Madsen taucht der Name Va-
überhaupt nicht auf.
nen 1952 erschienenen Lebenserinnerungen
bt der Künstler über die ihm vom Senat der
Bremen anvertraute Aufgabe Der Senat
tansestadt hatte beschlossen, die Ausstat-
der alten Güldenkammer im Rathaus von
xusführen zu lassen. Die Güldenkammer
war ein ziemlich großer Raum, der sich innen
van der vorderen Giebelfront in den großen
Ratssaal hineinbaute. An der Außenseite des
Raumes, dem Saale zu, führte eine Wendel-
treppe in einen oberen Raum. Das Ganze trug
eine äußerst reiche Schnitzerei von Lüder von
Bentheim aus dem 17. Jahrhundert aus tief-
schwarz nachgedunkeltem Eichenholz. Der Innen-
raium war seit Menschengedenken kahl und nur
mit ein paar Stühlen und einem verbrauchten
Tisch ausgestattet. Ich stattete die Güldenkamrner
so aus, daß der reichgeschnitzte äußere Rahmen
beim Öffnen der schweren geschnitzten dunklen
Eichentür einen warmen heiteren Gegensatz fand
in der Farbigkeit glattpolierter Hölzer, deren
Vertäfelung wenig profiliert war, aufgeteilt durch
Pilaster, die Rundbagen trugen aus kaukasischem
Nußbaumholz, mit hellem Birken- und schwar-
zem Ebenholz eingelegt. Die Kapitelle der fla-
chen Pilaster ließ ich aus vergoldeter Bronze
flach plastisch ausführen. Alle Dekorationsma
entwarf ich in den Farmen phantastischer Re
mit wogendem Gefieder, so auch die aus
sing getriebenen Beleuchtungskörper. Der ol
Teil der Wände über der Paneelierung wurde
einer reichen Ledertapete nach meinem Entv
bedeckt."
Eine Reihe von Vorzeichnungen und direl
Vorlagen für die Handwerker befindet sich
Besitz der Kunsthalle Bremen und ermögl
Vergleiche zwischen Entwurf und AUSfÜltFL
Es handelt sich um "I3 Zeichnungen für Kapite
17 Vorlagen für die lntarsien der Wandtöfeli
eine Zeichnung für die Vogelarnamentfarm
Türgriffs, eine für den Kaminaufsatz, eine für
Rosenornamentik der Ventilatorumrahmung,
Zeichnungen für einen Ornamentfuß und ei
Wappenentwurf für die Stuhllehnen, also ins
samt 36 Zeichnungen. Der Farbakkard die
Blätter besteht aus Rotbraun, Gelb und Schwi
24
Rathaus der Hansestadt Bremen. Güldenkam-
mer, ausgeführt 1905 nach Entwürfen von Hein-
rich Vogeler. Sicht auf den mit reichem Gitter
dekorierten Kamin
Heinrich Vogeler, Kapitell. Entwurf für die Gül-
denkammer, unbezeichnet. Bleistift auf Calquen-
Rlapier, 239x265 mm. Kunsthalle Bremen, lnv.-
r. 061494
Heinrich Vogeler, Phantastischer Vogel. Entwurf
für die Güldenkammer, unbezeichnet. Tusch-
zeichnung, 238x185 mm. Kunsthalle Bremen,
lnv.-N r. l906I485
seltener ist ein ackerähnlicher Zwischenton. Diese
Farbgestaltung ist durchgehend beibehalten war-
den und ergibt eine reizvolle Kontrastwirkung
der Einzelteile. Neben den Detailvorzeichnun-
gen bewahrt die Kunsthalle Bremen ebenfalls
Entwürfe für die Gestaltung der vier Wände auf.
Diese waren als direkte Vorlagen für die Aus-
führung bestimmt und enthalten zum Teil An-
weisungen Vagelers für die Handwerker.
Die einzelnen Zeichnungen sind sowohl in der
Qualität als auch im Entwurfsstadium unter-
schiedlich. So war für die Kaminumrandung der
linken Seite zunächst ein einfaches Blumenmuster
vorgesehen, das später durch das hervorragende
Vogelornament ersetzt wurde. Über der Tür war
ein Segelschiff in farbiger Seidenapplikation var-
gesehen mit seitlichen Delphinen als Valuten-
figuren. Der Kamin der rechten Seite war ur-
sprünglich mit einem protzigen Marmoraufsatz
geplant, für dessen Ornamentierung auch stili-
sierte Köpfe verwendet werden sollten, die bei
der Ausführung ebenfalls weggefallen sind. Der
vorgesehene Kaminaufsatz erinnert in seiner Or-
namentform an das Knorpelwerk, das entvvick-
lungsgeschichtlich eine ähnliche Bedeutung hatte,
wie die Pflanzenornamentik des Jugendstils.
Die Ausführung wurde in vielen Teilen verein-
facht und den technischen Erfordernissen der
handwerklichen Arbeit angepoßt. Der repräsen-
tative Kaminaufsatz ist weggefallen. Dadurch
kommt die durchgehende rot-goldene Lederta-
pete besser zur Wirkung. Das Segelschiff über
der Eingangstür ist dem von zwei Löwen gehal-
tenen Bremer Wappen gewichen. Die in den
Entwurfszeichnungen leuchtende Farbskala wurde
gemildert und auf Gold, Braun und Rot abge-
stimmt. Hinzu kommt der in sensibler Rot-Grau-
Grün-Nuancierung wirkungsvolle Teppich. Dunk-
lere Holztöne sind relativ selten und geben Ak-
zente im Rahmen der Gesamtgliederung. Auch
die Stühle sind in der Ausführung organischer
gerundet als in den Entwurfszeichnungen.
Der Raum ist relativ niedrig. Eine Holzdecke
trennt ihn von dem darüberliegenden zweiten
Versammlungsraum. Den oberen Teil der Wand
bekleidet die reichgeschmückte Ledertapete. Die
niedrig gehaltene Täfelung der unteren Wand-
teile lößt den Raum höher erscheinen, als er in
Wirklichkeit ist. Ihr helles Holz wird durch die
zarten lntarsien differenziert und erhält nur an
den Türen stärkere Akzente durch dunklere Ein-
lagen. Obgleich die Wandgliederung sowenig
wie möglich plastisch hervortritt, zeigt der Ent-
wurf noch stärkere Flöchigkeit und läßt die archi-
tektonische Funktion der Wand noch mehr zv-
rücktreten. Die beiden Kamine nur einer ist
wirklich als Kamin ausgebildet, währen-d der in
der Nähe der Eingangstür gelegene zweite in
Wirklichkeit einen Zentralheizungskörper ent-
hält sind durch Marmorumkleidungen hervorge-
hoben, die reich mit Vogelornamenten verziert
Heinrich Vo eler Phaniasfischer Vogel. Enfwurf
für die Gü deniwmmer, unbezeichnet. Tusche
und Aqucnima, 238 185 mm. Kunsthalle Bremen,
lnv.-Nr. 19061481
Heinrich Vageler, Einer von den beiden reicher
dekorierten Stühlen an der Schmalseite des Rafs-
iisches in der Güldenkammer
Raihaus der Hansestadt Bremen, Güldenkam-
mer mit Sicht auf den offenen einfachen Kamin
Der Heizungskörper der kaminähnlichen
iung wird durch eine Metallplatte mit aus-
reifender Vogelornamentik verdeckt. Zu dem
en Kamin gehören von Vogeler entworfene
äte wie Feuerzange, Greifer und Vorlage-
h. Diese Gegenstände enthalten ebenfalls
ältige ornamentale Motive, in erster Linie
el- und Blumenformen.
Mitte des Raumes nimmt ein schwerer Aus-
tisch ein, dessen gerundete Formen und helle
zarten ihn zart und zierlich erscheinen lassen.
den Tisch sind Stühle und Sessel mit gerun-
Bein- und Lehnenformen, mit lederbezo-
an Sitzen und verzierten Rückenlehnen an-
"dnet. Besonders die beiden für die Schmal-
in des "Fisches bestimmten Sessel, die durch
Größe und durch ihren Schmuck hervorge-
an sind, lassen den Grundzug des Vogeler-
Werkes deutlich werden. Die Möbel sind
organische Gebilde aufgefaßt. Das drückt
in ihren Kurven und Rundungen sowie in
Ornamentformen wie den Vögeln der Arm-
en aus. Die Funktionalität der Gebrauchs-
wird bei Vogeler nur über die ornamental
edrückte organische Grundstruktur erreicht.
Lampe besteht aus einem aufgehängten
illrahmen, an den die einzelnen Leuchtkör-
lngehängt sind.
gesamte Raum ist nach einem einheitlichen
gestaltet und nur im Zusammenhang zu
ehen. Die Farbgebung ist auf das Zusam-
apiel weniger Farbtöne reduziert. Die ausge-
len Materialien sind kostbar und in ihrem
wander souverän ausgewogen. Die Arbeiten
len von Handwerkern ausgeführt, industriel-
artigung blieb vollkommen ausgeschlossen.
zrsteht sich von selbst, daß die Kosten der
imteinrichtung beträchtlich waren 44781
ilers figürliche Ornamentik hat stark roman-
erzöhlerischen Charakter. Sie verwandelt
Gegenstände in organische Lebewesen, in
zchsene Formen einer bildnerischen Phanta-
lie ihre erste Ausprägung ein Menschenalter
in England gefunden hatten. Als Vogeler
Dinge in seiner rein ornamentalen Bega-
aufgriff, war die Entwicklung schon weiter-
ngen. Er stellte sich damit z. B. in Gegen-
zu Henry van de Velde und Victor Horta,
ereits in den neunziger Jahren des 19. Jahr-
erts die vom Gegenstand unabhängige
realisiert hatten und damit für die Entwick-
bahnbrechend wurden.
schon der Gegensatz zwischen diesen bei-
großen Belgiern und Vageler in diesen für
lorbereitung der zeitgenössischen Kultur so
ntlichen Jahren erheblich, so wurde die
epanz noch stärker, als Hermann Muthesius
der 1907 neugegründete Werkbund ihre
proklamierten und verwirklichten. Es wäre
hlt, Heinrich Vogeler zu einer starken künst-
hen Persönlichkeit oder zum Vorkämpfer zu
eln. Sein gesamtes künstlerisches Vokabu-
ntstammt der zweiten Hälfte des 19. Jahr-
erts und variiert lediglich bestimmte vorge-
ne Formen, die teilweise in typisch roman-
er Ubersteigerung in neue Konstellationen
rersponnene Beziehungen gebracht werden.
ein Vergleich mit zeitgenössischen Möbel-
an, etwa mit dem Stuhl von Richard Riemer-
auf der Pariser Ausstellung von 1900,
deutlich die historische Begrenzung Voge-
der den Jugendstil nicht als Ausgangspunkt
ine neue sachliche Gestaltung zu nutzen
und, sondern als Selbstzweck vertrat. Die
re malerische und graphische Entwicklung
mit ihren eklektischen Formen, daß Voge-
cht in der Lage war, den Jugendstil frucht-
veiterzuführen. Auch in der Beschränkung
...-,-ma
rrvt
auf rein ornamentale bzw. gebrauchskünstleri-
sche Arbeiten und in der Tatsache, daß künstle-
rischer Ausdruck ihm leicht in Sentimentalität
umschlug, zeigt sich seine grundlegende Be-
grenzung.
Dennoch scheint es wert, die Güldenkammer im
Bremer Rathaus als das Hauptwerk eines vor-
wiegend handwerklich und ornamental begab-
ten Künstlers der Vergessenheit zu entreißen. In
einer Zeit, in der der Jugendstil sich bereits über-
lebt hatte, gab sie eine von hohem Geschmack
zeugende, sensible Zusammenfassung seiner
künstlerischen Bestrebungen. Wichtig ist ferner,
daß hier in Zusammenhängen geplant und ge-
staltet wurde, daß auch das einfachste Ge-
brauchsgerät in den Gesamtplan mit einbezogen
war. Die Güldenkammer ist eines der wenigen
durch Jahrzehnte nahezu unverändert erhaltenen
Zeugnisse einer Zeit, deren Bestrebungen die un-
mittelbare Gegenwart wesentliche lmpulse ver-
dankt.
Anschrift des Autors
Prof. Dr. Udo Kultermann
School of ArchitecturelWashington University
St. Louis, Missouri, USA
Öl
Hermann Bahr, dem facettenhaften und
gierenden Literaturpropheten mit den Eigen-
ften einesChomäleons, stammt derSpruch
ie Welt zeigte der Künstler, die niemals war,
emals sein wird." Dieses für die Jahrhun-
vende typische Motto ziert das Darmstädter
erhaus. Joseph Maria Olbrich hatte sich für
an Ausspruch eingesetzt, der deutlich macht,
nah benachbart der Enthusiasmus zur Resi-
ian ist. Eben wegen der grenzenlos über-
ten idealistischen Vorstellungen, die ia in
selbst absolut irreal gewesen sind, gelangte
ganz abgesehen von der historischen und
llschaftspolitischen Entwicklung schon bald
ackgassen und sehr seichte Gewässer. Die
strie bemächtigte sich der gängigen Orna-
und Farmen und korrumpierte die ur-
IQIIClISH Ideen. Das Leben hatte sich der
en Ästhetisierung entzogen.
1901 veranstaltete erste Ausstellung der
nstödter Künstlerkolonie auf der MathiIden-
hieß Ein Dokument Deutscher Kunst". Un-
lem gleichen Titel und Thema von damals
Ien 75 Jahre später vier Ausstellungen an-
iten. Darmstadt ist nicht mehr die Hauptstadt
Sroßherzogtums Hessen-Darmstadt, aber es
noch immer in bezug auf Jugendstil mit
und München, Berlin und Paris, London
Brüssel in einem Atemzug erwähnt. Und
1976177 in Darmstadt gezeigt wird, ent-
ht nicht so recht eigentlich den Maximen
ämmlicher Kunstausstellungen. Es wird viel-
eine Idee dargestellt und belegt, die vom
gen Betrachter kritisch hinterfragt und über-
werden kann und soll. Zur Zeit der Jahr-
ertwende ist die Kunst nicht mehr aus-
aßlich als luxuriöses und vornehmes Gut
privilegierten Elite verstanden worden. Sie
vielmehr notwendigerweise in den Alltag
irken. Deshalb forderte auch der Maler und
ihiker, Innenarchitekt und Kunsthandwerker,
tler und Theoretiker Henry von de Velde
Vereinigung von Kunst und Leben". Zurück-
end auf 1901 meinte Theodor Heuss Für
die wir iung waren, begann das zwanzigste
tundert, als Versprechen wie als Aufgabe,
eigentlich in Darmstadt."
Lieblingsenkel der Queen, Erbgroßherzog
Ludwig von Hessen und bei Rhein, wollte
inem Land das Neue exemplarisch verwirk-
sehen. Er folgt damit einem zu dieser Zeit
national rapid um sich greifenden Trend.
Hessenland blühe und in ihm die Kunst."
ern art, Yachting style, Art nouveau, Sezes-
stil wie auch immer, in Darmstadt hatte
sich in Anlehnung an Hirths Münchner Ju-
auf Jugendstil geeinigt. Auch in Weimar
Graf Kessler gab es ähnliche Bemühun-
allerdings war der dortige regierende Fürst
ichen Zukunftsgöubigkeit erheblich weniger
isiastisch als sein hessischer Vetter. Und in
kam es sogar zu aggressiven Reaktionen,
ireilich der Secession den Wind nicht aus
Segeln nehmen konnten. So drohte bei-
sweise Erzherzog Ferdinand, man solle doch
griäzwErler, Salome". Jugend", Nr. 47, 1900,
Ötto Eckmann, Vignette zu Illusion äaerdue" von
C. Eysell. .lugend", Nr. 1897, S.
F. Waitz, Vignette zu Mein blinder Freund"
xslogslöudwig Jacobowski. Jugend", Nr. 22, 1897,
dem Maler O. Kokoschka die Knochen im Leibe
zerschlagen. Eine opulente Äußerung, deftig und
wenig delikat, so ganz dem Duktus entsprechend
des Wiener Ringstraßen-Un-Stils Brach und des
selbstgefüIIig-brulalen Hendl-Barock.
Vor 76 Jahren schrieb Peter Behrens in seinem
Beitrag zur Einweihung der Künstlerkolonie
Alles, was zum Leben gehört, soll Schönheit
empfangen, so wird uns die Schönheit wieder
zum Inbegriff der höchsten Macht, zu ihrem
Dienst entsteht ein neuer Kult."
August Endell Atelier Elvira, München begei-
sterte sich in seiner Schrift Um die Schönheit"
Es ist wie ein Rausch, wie ein Wahnsinn, der
uns da überkommt, die Freude droht uns zu ver-
nichten, die Überfülle an Schönheit uns zu er-
sticken; wer das nicht durchgemacht hat, wird
niemals bildende Kunst begreifen." In Maurice
Maeterlincks Schatz der Armen" steht Die
Schönheit, die einzige Nahrung unserer Seele"
also ein Schatz der Schönheit", verborgen in
jedem, auch dem Ärmsten und Unglücklichsten.
Der Malerei, so proklamierte die Zeitschrift The
Studio", falle die Verpflichtung zu; To teach
beouty and nothing eIse." Die Schönheit als Leit-
motiv für das Gesamtkunstwerk um 1900; Deko-
ration des gesamten Daseins, Unschuld und Ju-
gend, das neue Geschlecht, ganz ohne Schmin-
ke und Sünden" Heine, theatralische, patheti-
sche, laute Parolen, denen es dank ihres außer-
ordentlichen Schwungs für kurze Zeit gelang,
nahezu alles mitzureißen. Der angeborene Zu-
stand von Gnade, in dem man nicht sündigen,
das heißt, nicht hößlich werden kann". Die
Schönheit als Ziel aller Künste Endell, als Ga-
rant für die Befreiung von Zwang und Zweck.
Demzufolge mußten alle Künste gleichgeordnet,
zusammengefaßt werden. Die Utopie von Ko-
operation, Kunst und Dekoration, reine und on-
gewandte Kunst, Baukunst und Handwerk...
Deutsche Kunst und Dekoration" nannte der
Darmstädter Verleger Alexander Koch seine1897
gegründete Zeitschrift. Es galt, die Kunst aus
der Gefangenschaft des Ateliers zu erlösen, sie
in den Dienst des Menschen zu stellen". Behrens
und Olbrich, Eckmann und van de Velde, Hof-
mann, Wagner und Mackintosh entsprachen
durchaus den Forderungen, die an den Univer-
salkünstIer" gestellt wurden. Sie handelten und
wurden nicht gehandelt. Aber das Spektrum
künstlerischer Aussagen in dieser Zeit war zu
breit und breiig von Makart und Lenbach bis
hin zu Wagner als Anreger einerseits und Klin-
ger, George und Wilde als markante Außen-
seiter andererseits, so daß sich nur selten und
dann sehr kurzfristig die Intentionen der Ge-
samtkunstverfechter bündeln ließen.
Der gesunde und glückliche Mensch ist das Ziel
der Bestrebungen noch Vereinigung und Erneue-
rung von Kunst und Leben gewesen. Der ge-
schmäcklerische Eklektizismus, der nicht nur die
Wohnzimmer der Bürger mit den Elaboraten ver-
schiedenster Stilrichtungen heillos vollgestopft
hatte, mußte aufgegeben werden. Der neue Stil
stellte von Anfang an programmatisch seine
27
Forderungen; er mußte nicht erst im nachhinein
benannt werden. Dem Gestern mit all seinem
Gerümpel, das man nicht mehr mitschleppen
wollte, kehrte man entschieden den Rücken. Die
Absage an den Historismus formulierte Otto
Wagner; Es findet keine Renaissance der Re-
naissance statt, sondern eine Naissance." Es
galt, heute zu leben. Man freute sich der Frei-
heit, genoß eine Carpe-diem-Einstellung, feierte
die allgemeine Aufbruchsstimniung. Und dem
Margen sah man hoffnungsvoll entgegen. Es gab
sehr viel Idealismus und zuviel Utopie. Die be-
wegte Linie war Leitmotiv und zugleich wesent-
liches Gestaltungsmittel des neuen Stils. Mit
voller Absicht stützte er sich sowohl auf die No-
tur als auch auf die Geometrie. Einziges Krite-
rium und Thema war das Leben, also nicht mehr
die Kunst. Um einen neuen lsm-us ging es nicht.
Das Gestern ist nur ein Schatten im Licht des
Heute, das vom Morgen träumt", definierte Groß-
herzog Ernst Ludwig. Er hatte 1899 sieben Künst-
ler nach Darmstadt geholt; Olbrich, den berühm-
ten Architekten, die Maler und Graphiker Hans
Christiansen und Peter Behrens, den Innenaus-
statter Patriz Huber, Paul Bürck, dessen Haupt-
gebiete Kunstgewerbe und Buchschmuck waren,
und die Bildhauer Ludwig Harlich und Rudolf
Bosselt. Der hessische Landesvater und seine
Künstler waren alle kaum älter als dreißig Jahre.
Ein relativ hohes Gehalt und keinerlei Lehrver-
pflichtung lockten. Das neue Programm sollte in
der Gemeinschaft geprobt und praktiziert wer-
den. In der von den Künstlern selbst gestalteten
Darmstädter Kolonie, in den Häusern auf der
Mathildenhöhe wurden keine Kunstwerke in
Teamwork geschaffen, die dann museal hätten
ausgestellt werden sollen. In der Totalitöt ihres
Konzepts wollte die Siedlung Architektur, Gar-
tengestaltung, Innenausstattung, Gebrauchsge-
genstände die Kriterien des neuen Stils demon-
strieren Ein Dokument deutscher Kunst." Will
man Jugendstil in der Literatur nicht von vorn-
herein verneinen, dann muß aber deutlich einge-
grenzt werden Die Literatur wird vorn Dekor
aufgesogen, sie wird selbst ornamental. Das zei-
gen ganz unmißverstöndlich beispielsweise die
für den Jugendstil typischen Zeitschriften Pan"
und Jugend", die dokurnentarisch belegen, wie
ambivalent und exquisit ienes Stilwollen sein
konnte.
Der Mann, der die Jugend" gründete
Am 3. Juli 1841 wurde im thüringischen Gräten-
tonna Georg Hirth geboren. Im Alter von acht-
zehn Jahren veröffentlichte er dort sein erstes
Buch im Selbstverlag und anonym Friedrich
Schiller als Mann des Volkes." Ein Erfolg, und
Hirth avancierte zum Mitarbeiter von Wester-
monns Monatsheften" und der Gartenlaube".
Das war wohl sein entscheidender Schritt in
Richtung Jugend", denn hier, bei Ernst Keil, dem
Gartenlauben-Hera-usgeber, wurde er Sekretär.
Hirth studierte Geographie, Statistik und Natio-
nalökanomie. In Jena promovierte er 1863. Der
junge Volkswirtschiaftler trat engagiert und voller
Idealismus für die deutschen Einigungsbestrebun-
gen ein. Die Freiheitlichen Ideen begeisterten
ihn, aber seine nationale Einstellung lenkte ihn
in den Bereich der deutschen Turnbewegung. Er
redigierte drei Jahre lang die Leipziger Deut-
sche Turnzeitung". Für Preußen kämpfte er 1866,
wurde verwundet, reiste dann nach Paris, traf
dort Courbet und sammelte iene Erfahrungen,
die später für seine Kunstbetrachtungen wesent-
lich werden sollten. In Berlin wurde er an das
Preußische Statistische Seminar" berufen und
begründete 1867 den Parlamentsalmanach" und
1868 die Annalen des Norddeutschen Bundes
und des Zollvereins". Für Preußens Handels-
28
ministerium bereiste er England. Während die-
ser Phase reifte der Plan, eine große liberale
Zeitung in Berlin herauszugeben. Zunächst war
Hirth iedach in der Zeit des Krieges von 1870171
politischer und Handelsredakteur bei der Augs-
burger Allgemeinen Zeitung".
Durch die Heirat mit Elise Knorr, der Tochter des
Herausgebers der namhaften liberalen Münch-
ner Neuesten Nachrichten", kam Hirth nach
München. Hier arbeitete er wieder als Redakteur.
Er fand sich in der konservativen und provinziel-
len bayrischen Hauptstadt schnell zurecht. Da-
mals regierte noch der legendäre Ludwig ll., der
sich leidenschaftlich für Richarid Wagners Kunst
eingesetzt und durch seine Schloßbauten in heil-
Iose Schulden gestürzt hatte.
Durch den Tod seines Schwiegervaters wurde
Hirth Leiter und Mitbesitzer der wichtigsten
Münchner Tageszeitung. Bereits zu diesem Zeit-
punkt war es dem flexiblen und liberalen, dem
wendigen und fortschrittlichen Journalisten aus
Preußen gelungen, sich eine Art Schlüsselstellung
im kulturellen und geistigen Leben Münchens zu
erwirtschaften. Sein Einfluß als bedeuten-der
Mann der Presse machte ihn auch politisch inter-
essant. Hirth war Anhänger Bismarcks. Er ver-
trat die Idee vom einheitlichen Deutschen Reich.
Der Zugereiste" wollte das bayrische Mißtrauen
Berlin gegenüber zerstreuen. Bayern sollte fähig
werden, im Reich mitzuregieren". Bedeuten-
der aber sind Hirths Anregungen für das Ver-
H. Eichradt, Vignette zu Am Straßengr
von Emil Kleen. Jugend", Nr. 13, 1897,
M. Feldbauer, Orchideen". Jugend",
1896, S. 469
Louis Lovisi Corinth, Vignette zu Einige
für Briefschreiber und Briefemofönger" va
tor Ottmann. Jugend", Nr. 28, 1896, S. 45t
Anmerkungen 1-6
IW. Zils, Geistiges und künstlerisches München in
biographien, München 191a, s. 177. Hirth war
Genie des Verlagswesens. Ein Mann voller
neuer Ideen und Enthusiasmus, der in gewissem Si
gutmütigen riria optimistischen süddeutschen Liber
mit seinem fundamentalen Glauben an den Fo
und seiner leicht sentimentalen Liebe für Kunst un
heit personifizierte". Franz Schonberner, Confess
European Intellectuol, New York 1946, S. 159; zit
Linda Koreska-Hartmonn, Jugendstil-Stil Stil
gend", München 1969 dtv 583, S. 31.
Max Halbe, Jahrhundertwende, Danzig 1935, S. 352.
Jln diesem Zusammenhang sei beispielsweise ve
auf Hermann Brach, Hofmannsthal und seine Ze
Hilf Egon Friedell, Ecce poeto; und E. Friedell,
geschichte der NEUZEIt.
L. Koresko-Hartmann, Jugendstil, a. 0., S. 34
Buch enthält eine Vielzahl sehr wertvoller und inf
ver Hinweise. Es gibt erschöpfend Auskunft ük
Jugend".
sEugen Roth, 100 Jahre Humor in der deutschen
Hannover 1957, S. H.
L. Koreska-Hartrnann, Jugendstil, a. a. 0., S. 35.
kehrs- und Schulwesemgewesen. Aus Mü
wollte er eine Großstadt machen. Dazu
die kleine Residenz großzügig modernisiei
verschönert werden. Folgerichtig setzte
engagiert für die Einführung des Telefor
Hirth bekam die Rufnummer für die
sche Beleuchtung, Kanalisation, die Pflast
und die Freilegung des Doms.
Hirths Abkehr vom Politischen und Soziale
in die Zeit um 1878. Offenbar war er entti
und hatte resigniert. Jedenfalls beschöftig
sich nun intensiv mit der Kunst, aber au
den Naturwissenschaften. München als das
Zentrum verschiedener künstlerischer Bew
gen mag zu dieser Wendung beigetragen
In Bayerns Hauptstadt ließen sich immer
Kunstliebhaber nieder, und damit auch
man so will Künstler. Diese Atmosphöri
Humus für Hirths Begeisterungsfähigkeit fi
Schöne und Große. Die künstlerische Ausg
tung meines Lebens und meiner publizisti
Tätigkeit, aber auch die künstlerische Nc
meinen naturwissenschaftlichen Arbeiten,
ich meinem vierzigjährigen Münchnerfur
gute". So charakterisierte er sich selber.
Hirth hatte es frühzeitig in den Journalismi
trieben, für den er außer seiner angeba
Rührigkeit, Helligkeit, Anpassungsföhigk
auch noch reiche Schätze erworbenen Wi
allseitiger Bildung mitbrachte", schrieb
Halbe?
luchdruckerei Knorr Hirth wurde 1875 ge-
aam von Hirth und seinem Schwager ge-
let. Nun konnte er seine großen Heraus-
und Verlagswerke aus Kunst und Kunst-
werk im eigenen Georg Hirth's Kunstver-
erscheinen lassen. Diese Tatsache ermög-
es ihm aber auch, eines seiner Hauptan-
zu verwirklichen die Buchreform. In bi-
hiler Aufmachung wurden prächtige Kunst-
publiziert. Die Illustrationen entsprachen
ür die damalige Zeit modernsten Erkennt-
der Reproduktionstechnik. Nicht nur die
Aufmachung des Buchs hatte künstleri-
Anforderungen zu genügen, es wurde auch
apier, Ausstattung, Satz und Druck geach-
irth bot diese Kunstbände relativ billig an.
tverstieß er zwar gegen die Praktiken ge-
tlicher Interessen, aber es gelang ihm der
aß zu einem großen Rezipientenkreis. Sein
wurde oft genannt. Öffentliche Anerken-
falgte. Man wird unterstellen dürfen, daß
ganz bewußt auf dem Gebiet der Kultur-
ttätig wurde.
men erstarrte, hatte sich Hirth längst von dieser
Bewegung gelöst. Er trat aus dem Vorstand des
Kunstgewerbevereins aus und wetterte dagegen,
daß sich die offizielle Kunst" beharrlich wei-
gerte, Anregungen aus Westeuropa und Japan
zur Kenntnis zu nehmen.
Als sich 1892 in München die Verfechter der
Sezession" durchsetzten, war Hirth einer der
rührigsten Mitbegründer. Er sah hier weniger
den Sammelpunkt moderner und revolutionärer
ldeen, er wollte eher jungen Leuten ermöglichen,
sich frei, individuell und fortschrittlich entwickeln
und entfalten zu können. Un-d deshalb wurden
er und sein Haus zum Zentrum künstlerischen
und gesellschaftlichen Lebens.
ln diese Phase fallen die ersten wesentlichen
Überlegungen bezüglich der Publikation einer
Zeitschrift. Tageszeitungen und Buchkunst hatte
er schon nachdrücklich beeinflußt, niun bedurfte
es noch einer Zeitung, die nach den Richtlinien
dekorativer lllustrationsgraphik gedruckt wurde.
Man macht es sich aber zu leicht, wenn man be-
hauptet, die Jugend" habe in der Luft gelegen,
ihm genügend finanziellen Rückhalt. Aber auch
die Jugend" kam nach mühsamen und langen
Jahren des Anlaufs aus den roten Zahlen heraus.
Das alles veranlaßte Hirth, den eingefleischten
Journalisten, iedoch keineswegs aufzuhören, sel-
ber aggressive Leitartikel und Reportagen zu
schreiben. Besonders engagiert trat er für die
Pressefreiheit ein und attackierte alle Versuche,
künstlerische Aussagen zu unterlaufen. Hirths
einseitige Vorliebe für Bismarck und dessen
Deutsches Reich war erkaltet. ln der Jugend"
agierte er deshalb auch wieder politisch anhand
etlicher scharfer Artikel. Nach Bismarck war viel
ins Stocken geraten; Hirths iugendlicher Idealis-
mus war verflogen. Zwar noch unitarisch im Her-
zen, war er doch recht eigentlich Bayer gewor-
den. Die Reichsregierung wurde von ihm nicht
gelobt. Die preußische Göngelung des bayri-
schen Königreichs war allzu spürbar. Ludwig ll.
hatte dem Prinzregenten Luitpold Platz machen
müssen und Hirth stand der Politik in München
durchaus kritisch gegenüber. Sein Zorn und seine
ständigen Angriffe aber galten Kaiser Wil-
l".
28
JUGEND
1896
Illlllllllflfißgäßlßä;
liederbelebung der deutschen Renaissance
jedenfalls das, was man in ienen Jahren
ter verstand war Slogan und Motto zu-
Dem verschloß sich auch Hirth nicht. Im
1teil, er wurde zum unermüdlichen Verfech-
wes Geschmacks, der sich über viele Jahre
Wohnungen kunstliebender" Deutscher
eren sollte. Unter diesem Aspekt muß auch
erste wesentliche Publikation gesehen wer-
Der Formenschatz" erschien in Monats-
ganze dreißig Jahre lang. Die Wohnkul-
würde man es heute wohl nennen, stand
ttelpunkt. In diesem Sinn folgten u. a. Das
Lhe Zimmer der Gotik und Renaissance",
schöne Mensch in der Kunst aller Zeiten"
das Kulturgeschichtliche Bilderbuch aus
ahrhunderten".
taus an Münchens Propyläen richtete Hirth
ich im Renaissancestil ein. Da gab es das
utsche Zimmer", vielgeliebt, überall nach-
1t, oft kritisiert. Hirths eingleisige Vorliebe
Jektische und bombastisch überladene In-
chitektur dürfte auch der Grund dafür sein,
reine ästhetischen und kunsttheoretischen
'en nie so recht Anklang finden konnten
eute belächelt werden. Aber immerhin hatte
Hirth zur Aufgabe gemacht, das allge-
Stilpotpaurri zu beseitigen" und damit
Weg zu ermöglichen für eine eigenständi-
nstrichtung. Als der Neoklossizismus in sei-
wochentrockenen und unkünstlerischen For-
die Zeit sei sozusagen dafür reif gewesen. Hirth
hatte sehr wohl auch persönliche Gründe, denn
anders als in der täglich erscheinenden Zei-
tung konnte er nur in einem magazinähnlichen
Blatt seine eigenen Ansichten vehement und ziel-
führend vertreten. Individuell wollte er seine
Kunstauffassungen einem breiten Leserpublikum
weitergeben. Dabei ließ er auch dem Stilmittel
der Satire genügend Raum, denn damit, so
glaubte er, könne er seinen Gegnern gewachsen
bzw. überlegen sein.
Hirths eigenständige Persönlichkeit und sein häu-
fig pluralistisches Verhalten lassen sich ohne
Mühe in seiner Jugend" wiederfinden. Linda
Koreska-Hartmann spricht in diesem Zusammen-
hang sehr treffend von Hirths unerschütterlichem
Optimismus und seinem etwas naiven Fortschritts-
glauben, von seiner Vielseitigkeit, seinem empha-
tischen Idealismus und iugendlichem Über-
schwang trotz seines damals bereits vorge-
schrittenen Alters". Und Eugen Rath schrieb
Georg Hirth war ein alter Feuerkopf, ein ge-
borener Herausgeber. ,Die Saat des Guten', rief
er begeistert, ,müssen wir überall streuen und
pflegen, das Schlechte aber niedertreten mit
ElefantenfüßenV Nur wußten seine Redakteure
manchmal nicht, ob sie säen oder niedertrampeln
sollten, denn er war sehr rasch in seinen Zu- und
Abneigungen K's.
Die entscheidende und zugleich auch größte Zei-
tung Münchens war in Hirths Besitz. Das sicherte
helm ll., dessen Taktlosigkeiten, politische Un-
fähigkeit, Großmannssucht, Geschmacklasigkeit
und PersönlichkeiW ihn abstießen. Besonders
iedoch wütete Hirth publizistisch gegen den in-
toleranten süddeutschen Klerikalismus und das
reaktionäre norddeutsche Junkertum. Die bayri-
sche ultramontane Bewegung und die einfluß-
reichen konservativen Parteien wurden zu erbit-
terten Feinden Hirths und nannten ihn einen
Atheisten, philosophischen Nihilisten oder gar
Antichristen.
Der erfolgreiche Autor und engagierte Journa-
list, der Besitzer eines wirtschaftlich stabilen Ver-
lags, der eintlußreichsten Münchner Tageszei-
tung und einer weithin Widerhall findenden
Kunstzeitschrift, die eine eigenwillige Mischung
darstellte aus Artikeln eines Magazins, Illustra-
tionen und Reportagen einer Illustrierten und
dem Niveau eines Kunstblattes, verlagerte sein
Hauptinteresse während seiner letzten Lebens-
iahre auf das naturwissenschaftliche Gebiet.
Hirth wollte die physiologischen Grundlagen
künstlerischen Sehen!" ergründen. Seine diesbe-
züglichen Bemühungen waren relativ populär,
fanden aber wissenschaftlich keinen nennens-
werten Anklang. Das Tanzen auf vielen Hoch-
zeiten, Sprunghaftigkeit und Vielseitigkeit seiner
Aktivitäten beurteilte er selber; Eine gewisse
Volubilität des Geistes hat mich verhindert,
meine literarische Tätigkeit auf ein Gebiet fest-
zulegen. Als Entschuldigung mag mir die leben-
29
dige Teilnahme an den gewaltigen Ereignissen
der sechziger und siebziger Jahre und an den
reichen Kulturaufgaben Deutschlands dienen".
Als Hirth am 28. März 1916 starb, hatte er mehr
als vierzig Jahre in München das literarische und
publizistische, das künstlerische und politische
Leben mitbestimmt. lm persönlichen Verkehr
war Georg Hirth ein ungemein liebenswürdiger
Mann, dem gegenüber man die politische Geg-
nerschaft gern vergaß. Er war die Güte selber",
rühmte das Bayrische Vaterland", ein klerikales
und reichsfeindliches Blatt, das von einem politi-
schen Feind Hirths, von Dr. Sigel, geleitet wurde.
Ludwig Thoma, selber Mitarbeiter bei der
Jugend" und Freund Hirths, schrieb; Als ich
ihn damals an seinem geliebten Tegernsee ken-
nenlernte, war er nicht mehr der kampflustige
Streiter von ehedem, wenngleich sein Gemüt
immer noch gegen Dummheit und Unterdrückung
aufflammen konnte, aber er war abgeklärt, voll
verstehender Güte und gerecht gegen Wider-
sacher und gegnerische Meinungen. Auch im
Äußeren eine fesselnde Erscheinung, mit dem
energisch geformten Gesichte unter weißen Haa-
ren, mit den ausdrucksvollen Augen, gewann er
einen sogleich mit seinem milden Urteile über
Menschen und Dinge und mit seiner lebhaften
Anteilnahme an allen die Zeit bewegenden Fra-
gen... ln dem temperamentvollen, sich immer
mit seiner ganzen Persönlichkeit einsetzenden
Georg Hirth war ein gutes Stück deutscher Ver-
gangenheit und Münchner Entwicklung verkör-
pert".
Kunstzeitschritt oder illustriertes Mossenblatt
Die Münchner illustrierte Wochenschrift für
Kunst und Leben", genannt Jugend", erschien
erstmals am 1. Jönner 1896 und zwar gleich
als Doppelnummer. Georg Hirth's Kunstverlag
in München und Leipzig gab sie heraus. Kaum
iemand räumte ihr große Überlebenschancen
ein, obgleich oder gerade weil sie viel Staub
aufwirbelte Die Erwägung, daß unter den zahl-
reichen in Deutschland erscheinenden illustrier-
ten Wochenschriften sich keine einzige befindet,
welche den Ideen und Bestrebungen unseres sich
immer reicher gestaltenden öffentlichen Lebens
in künstlerisch durchaus freier Weise gerecht
wird, hat uns zu dem Versuche ermuthigt, diese
offenbare Lücke unserer Zeitschriftenliteratur
auszufüllenm", schrieben Hirth und sein Redak-
teur Fritz v. Ostini im einleitenden Artikel. Wir
wollen die neue Wochenschrift ,Jugend' nennen
damit ist eigentlich schon alles gesagt"".
Man dachte also nicht nur an junge Menschen,
man wollte alle ansprechen. Und das machte
man recht geschickt, denn es wurde an das
Herz, auch der in der Herbstsonne alter Jahr-
gönge Gereiften", appelliert. Dem vermochten
sich viele nicht zu entziehen, war man doch so
glücklich, von sich zu sagen ,Altes Herz, was
glühest du sollz". Und schneidig heißt es weiter
Ein ,Programm' im spießbürgerlichen Sinne des
Wortes haben wir nicht. Wir wollen Alles be-
sprechen und illustrieren, was interessant ist,
was die Geister bewegt; wir wollen Alles brin-
gen, was schön, gut, charakteristisch, flott und
echt künstlerisch ist"".
Um das Phänomen Jugend" besser erfassen zu
können, ist es wichtig, Hirths Vorrede ungekürzt
in Erinnerung zu rufen, denn um seine Zeitschrift
lebensfähig zu machen, zog er bereits vor acht-
zig Jahren bemerkenswerte Register der Rheto-
rik und Demagogie, des Journalismus und ziel-
führender Reklame.
Kein Gebiet des öffentlichen Lebens soll ausge-
schlossen, aber auch keines in den Vordergrund
gestellt werden hohe, höhere und höchste Kunst,
Ornament, Dekoration, Mode, Sport, Politik, Mu-
sik und Literatur sollen heute ernst, morgen hu-
moristisch oder satirisch vorgetragen werden,
wie es die Situation und der Stoff gerade er-
heischen. Hiezu sollen alle graphischen Künste,
soll der ,stilvalle Strich', die ernste Skizze, die
Caricatur, die Photographie mobil gemacht wer-
den. Und ,wo gute Reden sie begleiten', d. h.
umschwörmt von einem beweglichen Texte, da
wird auch die Mitarbeit unserer frischmuthigen
Illustratoren, der alten wie der jungen, munter
fortfliessen.
Keine Form literarischer Mitarbeit soll ausge-
schlossen sein, wenn sie sich nur mit der Devise
verträgt ,Kurz und gut'. Jedes Genre das Lang-
weilige ausgenommen ist gastlich willkommen
geheißen Lyrisches, Epigrammatisches, Novelli-
stisches, Satirisches, Reim und Prosa.
Und wer nur ein warmes Herz für diesen Gedan-
ken hat, wer dazu beitragen will und die Kraft
dazu in sich fühlt, mit uns zusammen ein lusti-
ges Blatt an der Wende des Jahrhunderts zu
schaffen, das uns den Uebergang in das Neue zu
einem Vergnügen machen und die Bürde der
Jahre erleichtern soll, der ist ebenso höflich, als
herzlich eingeladen, sich frohen Muthes an dem
Leben und Werden der JUGEND zu betheiligen
und, was er etwa an Zündstoff auf Lager hat,
unserm Laboratorium baldigst anzuvertrauen.
Dank unserer Programmlasigkeit einem ,Pro-
gramm', das wir strikte aufrecht erhalten wollen
ist das Feld unserer Thätigkeit ein so unbe-
grenzt weites, dass eigentlich ieder denkende
und herzensfrohe Mensch irgend etwas für die
,JUGEND' in petto haben müßte.
Er braucht durchaus kein zünftiger Literat zu
sein! Und ieder Künstler, der wirklich einer ist,
hat bestimmt auch etwas für unser Blatt, oder
kann was für uns machen. Je frischer und freier
eine Arbeit ist, ie getreuer und unmittelbarer das
Wesen des Künstlers in ihr sich spiegelt,
willkommener wird sie uns sein! Also!
mit frischem Muth. ,JUGEND' sei's Paniei
Ungefähr wird die vorliegende l. Doppeln
unserer Zeitschrift ia zeigen, was wir
freilich eben nur ungefähr! Denn wir
uns noch im Laufe der Zeit mit gar Vieli
schöftigen, was hier gar nicht angedeutet
Vielem, was der Tag erst bringen wird,
Leben erst noch reift"?
Bei ihrem Start lagen der Jugend" bereit
reiche literarische Beiträge vor, so z.
Conrad Alberti, Hermann Allmers, Ferd.
M. G. Conrad, Georg Ebers, Franz Ever
Franzos, Ludwig Fulda, Max Halbe, Otti
Hartleben, Paul Heyse, Wilh. Raobe, P.
egger und Arthur Schnitzler. Künstleriscl
träge für den Bilderschmuck der ersten Nu
gab es in erstaunlichem Umfang, u. a. vor
Albrecht, A. Böcklin, L. Corinth, Julius
O. Eckmann, Fritz Erler, Hans Fechner, H.
bermann, Fidus, Jossot, F. A. v. Kaulbac
Klinger, F. v. Lenbach, Max Lieberma
Marcks, H. Schlitt, Arpad Schmidhamme
Slevogt, Franz Stuck, Hans Thoma, W.
F. v. Uhde und Valloton. Auch an musikc
Beiträgen fehlte es von Anfang an nich
R. Strauss.
Die Jugend" erschien allwöchentlich einn
stellungen wurden von allen Buch- und
handlungen sowie von allen Postämterr
zeitungs-Katalog Nr. 391a und Zeitung
ditionen" entgegengenommen. Der Prs
Quartals 13 Nummern betrug Mark,
einzelnen Nummer 30 Pfennig. Der Pr
Inserate war Mark für die vierges
Colonelzeile".
Die Jugend" hatte die Absicht, ihren kii
Lesern und Abonnenten künstlerische
Bernhard Pankok, Vignette zu Der Baum des
Lebens" von Johannes Jörgensen. Jugend",
Nr. 43, 1896, S. 687
J. R. Witzel, Hero und Leander". Jugend",
Nr. 25, 1897, Dappelseite 4121413
Anmerkun en 7-14
'gN.wZi1s, erstiges und künstlerisches München,
7.
'Franz Carl Endres, Georg Hirth, ein deutscher
München 1971, S. 88
Ludwig Thoma, Erinnerungen, München m1, s. n.
bis Jugend Nr. und s. 2.
25 JUGEND
in neuer Form" zu bieten. Außerdem wollte
die verschiedenartigsten Bemühungen der
fernen Kunst" unterstützen. Deshalb wurde
llS mit der ersten Doppelnummer S. 36
ganze Kampagne künstlerischer Wettbe-
begonnen, die sich nach und nach auf
erdenklichen Kunsfgebiete" ausdehnen soll-
Man rechnete in der Jugend"-Redaktion
besonders die jüngeren Graphiker und
ren ansprechen und für eine aktive Mitar-
gewinnen zu können. Selbständiges und er-
irisches" Schaffen wurden gefordert. Bei den
heidungen des Preisgerichts sollte immer
rein künstlerischen Gesichtspunkten her ge-
ilt" werden. Die ersten Preisausschreiben
folgende Themen On I. Entwürfe für Titel-
er der Zeitschrift Jugend"; ll. Entwürfe für
Jkarten; lll. Politische Caricaturen; lV. Car-
l-Plakate.
onnte sich jeder deutsche Künstler" an
Wettbewerben beteiligen, sogar mit meh-
Entwürfen. Nur rnußte darauf geachtet
en, daß die einzelnen Beiträge so weit fer-
varen, daß direkt nach ihnen gearbeitet
en konnte. Name und Anschrift des jeweili-
Einsenders wurden in einem verschlossenen
Jmschlag deponiert, der durch ein Motto
nnzeichnet war. Die Bestimmungen waren
präzise; so sollten beispielsweise die Ar-
nicht in Rollen, sondern zwischen Papp-
eingeschickt werden. Die prämierten bzw.
kauften Entwürfe gingen mit sämmtlichen
en in den unbeschränkten Besitz" des Ver-
der Jugend" über.
Preisausschreiben für die Titelblätter jede
mer erschien ja mit einem neuen Titelblatt;
iosken, auf den Bahnhöfen und in den Aus-
der Buchhandlungen leuchteten die plakat-
oufgemachten Jugend"-Exemplare; eine
fern und Iieandcr
für die damalige Zeit geradezu sensationelle
Novitöt forderte einfarbige Entwürfe oder solche
in mehreren Tönen", wobei darauf zu achten
war, daß diese Entwürfe auf autofypischem oder
zinkographischem Wege mit höchstens Plat-
ten reproduzirt" werden konnten. Das Format
der Titelbilder betrug in der Höhe 28 und in der
Breite 20 cm, weshalb die Entwürfe nicht mehr
als das Doppelte dieser Größe betrogen sollten.
Ausdrücklich verbot sich die Redaktion Arbeiten,
die sich irgendwie an einen bestimmten alten
Stil" anlehnten. Nach Möglichkeit sollten sich
die Zeichnungen dem Inhalt nach auf den Be-
griff Jugend" beziehen. Der Verlag bot u. a.
folgende Themen an Frühling, Liebe, Kindheit,
Brautzeit, Mutterglück, Spiel, Mummenschanz,
Sport, Schönheit, Poesie, Musik usw. Der erste
Preis betrug 200 Mark, der zweite 150 Mark. Es
gab noch zwei weitere Preise zu je 100 Mark,
und außerdem behielt man sich vor, weitere
Entwürfe 50 Mark anzukoufen und als Titel-
zeichnungen zu verwerthen, oder sie in verklei-
nerter Nachbildung gegen Honorar in dieser
Zeitschrift zum Abdruck zu bringen".
Bei den Carneval-Plakaten wünschte man sich
flotte Arbeiten, die aber decent genug für
öffentliche Verwendung" sein mußten. Die Größe
der Zeichnung bei den politischen Karikaturen
durfte 40 cm nicht überschreiten. Einfarbig, im
Verhöltniss des Formates dieser Zeitschrift aus-
geführte Zeichnungen in Strichmanier, welche
die Herstellung zinkographischer Cliche's er-
möglicht." Das Thema sollte sich entweder auf
einen politischen Vorgang der jüngsten Vergan-
genheit beziehen oder eine aktuelle sozialpoli-
tische Problematik behandeln, Form und Art und
Weise sollten nach Möglichkeit so gewählt wer-
den, daß eine Veröffentlichung der Zeichnung
in unserem Blatt möglich" war. Die drei ausge-
setzten Preise 80, 60 und 40 Mark. Die Carica-
turen müssen im Allgemeinen im Sinne einer
freien Weltanschauung und deutsch-nationalen
Gesinnung gehalten sein, sollen sich aber nicht
mit speziellen Parteiangelegenheiten befassen.
Bei der Beurtheilung kommt die Handhabung
einer originellen und charakteristischen Zeichen-
technik wesentlich mit in Betracht, und den Ein-
sendern nach dieser Richtung ausgezeichneter
Arbeiten steht fortdauernde Mitorbeiterschaft in
Aussicht." Derartige Bedingungen mögen ver-
wunderlich oder auch befremdlich anmuten. Aber
es gehörte zu Hirths Stil und zu den Prinzipien
der Jugend" in ihrer ersten Phase, die ungefähr
bis 1905O6 reicht, den eigenen Standort nicht
zu verschleiern. Wer sich jemals die Karikaturen
in der Jugend" oder dem Sirnplicissimus" an-
geschaut hat, weiß nur zu genau, daß man sich
in jenen Jahren um die Jahrhundertwende weder
zimperlich noch duckmöuserisch verhalten hat.
An aggressiver Schärfe, bissigem Humor und
sarkastischer Satire ist auf dem Gebiet der Kari-
katur sicherlich nicht gespart worden. Karika-
tur, Humoreske und Satire nahmen eine zentrale
Stelle in der Jugend" ein.
Will man versuchen, diese Zeitschrift einzuord-
nen oder zu werten, wird man nicht vergessen
dürfen, daß sie gewissermaßen mit der Tradi-
tion verstoubter Familienblötter eindeutig ge-
brochen hat Daheim", Gartenlaubej lllu-
strirte Zeitung". Ihre Qualität, Eigenständigkeit
und Originalität erweisen sich bei einer Gegen-
überstellung mit vergleichbaren Blättern aus der
Zeit Kunstwart", Pan", Simplicissimus"; oder
auch Hobby Horse" 1884, The Dial" 1889,
The Studio" 1893 The Savoy" 1896, Lo
Revue Blanche" 1891, Van Nu En Straka"
1893, Blätter für die Kunst" 1892, lnsel"
1899, Fackel" 1899. Liest man in den ersten
31
Jahrgängen der Jugend", so finden sich viele
Beispiele kitschiger graphischer Arbeiten und
Bildbeigaben. Etliche Erzählungen und Gedichte
rühren im Seelenbrei, sindschwül und schwülstig
ganz wie man will. Es gibt auch zahlreiche un-
ausgegorene weltanschauliche Kuriosa und lä-
cherliche pseudophilosoohische Ergüsse. Ferner
lößt sich nicht bestreiten, daß geradezu mit
Wohlbehagen der Sex unverhüllt angeboten
wird. Dem allem stehen aber zahllose gute lite-
rarische Beiträge und vor allem blendende
graphische Leistungen gegenüber, die keines-
wegs nur dem Jugendstil zugeordnet werden
können. Gerade hier liegt ia ein gravierender
Fehler Die Jugend" war eben nicht die Ahn-
frau" des Jugendstils, sie war viel mehr und ganz
etwas anderes. Einerseits stellt sie ein überzeu-
gendes Beispiel für interessanten und zeitgemä-
ßen Journalismus dar, für ein Massenblatt Auf-
lagenhöhe T904 54.000 mit ernst zu nehmenden
künstlerischem Niveau und herausragender Aus-
stattung und Gestaltung. Andererseits war sie
offensichtlich eine Art Sammelbecken und mel-
ting pot für ienen total verfilzten Stilaluralismus
um 1900. Unter diesem Asaekt ist wohl auch
Hirths Äußerung zu verstehen Der Jugendstil
unterscheidet sich von allem Früheren dadurch,
daß er eigentlich gar kein Stil im starren Sinn
des Wortes ist, sondern vielmehr das Prinzip der
Befreiung und die alleinige Herrschaft der
Zweckmäßigkeit und des künstlerischen Empfin-
dens bedeutet."
Hier ist nicht der Ort, den historischen, sozial-
politischen, kunst- und kulturgeschichtlichen Hin-
tergrund der Jahre von 1890 bis 1910 auszuleuch-
ten. Auch auf den Zeitgeist und das Lebensge-
fühl R. Wagner und Nietzsche, Wiederentdek-
kung von Metaphysik und Religion, Naturemp-
finden und Freikörperkultur, die Konfrontation
12
Au ....... .s...........
32
Münchner Illustrierte Wucheuchrtlr m. im... und m... o. Hintfs Verlag ...
r. m... taub-t
Nr. und
München
Nr. 45
mit dem Unterbewußten, die Dekadenz und
Aufräumen mit sexuellen Tabus kann nicht
gegangen werden. Nur auf ein Faktum sei
gewiesen. Mit den raaiden Fortschritten in
Drucktechnik war, ausgehend von Großbri
nien, eine Umwälzung der Reproduktionsr
Fchkeften eingetreten. Buchschmuck, Text
Kunstdruck, luxuriöse Ausstattung, höchste
tät kamen dem Wunsch nach dem Gesamtki
werk entgegen. Von der Schrifttype bis
Buchumschlag, alles diente der Tendenz,
literarischen Text in der Illustration einzube
ihn von Vignette und Zierleiste umranken
von der dekorativen Linie absorbieren zu la
Der spätere industrielle Jugendstil ist ein
anderes Kapitel. Er darf seinen aewinntröcht
Namen mit Sicherheit nicht von der Jug.
ableiten.
lm ersten Heft der Jugend" findet sich ein
Seiten langer Artikel von Hirth und Ostini
schrieben, der sich ausführlich mit dem
Jugend und den Absichten, Zielen und den
hall der Zeitschrift auseinandersetzt. Jui
ist Daseinsfreude, Genußfähigkeit, Hoffnung
Liebe, Glaube an die Menschen Jugend is
ben, Jugend ist Farbe, ist Form und Licl
Jugend, Jugend! Ein besseres Bannwort hi
wir für unser Wagniss nicht finden können!
um sehen wir dem Werdenderi mit froher
nung entgegen. Ganz schlecht kann es nicht
fallen, unser Zeichen ist viel zu gut!" S.
Die Jugend" vertrat also das Jugendliche
Lebensvolle in all seiner Vielfalt, Freiheit
sinnlichen Frische. Sie lehnte das Gestrige,
stockte und Verwelkte, Verlogene und Etab"
ab. Sie bekämpfte Klerikale, Aristokraten
Kommunisten, besonders aber den Militari
Sie förderte die Satire politisch-sozialer Prö
und versuchte, ihrer patriotischen Grundten
JFUENI 1'499
Leipzig.
Drei Vorreden
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.......r.... ....s .i....-.....
1....... ... 0.... ....
......i... -...... r. .......
m..- ... .. .1.
acht zu bleiben. In seiner Vorrede zum 3. Jahr-
schrieb Hirth Unsere Zeit ist nidit alt,
müdel Wir leben nicht unter den letzten
nzügen einer ersterbenden Epoche, wir ste-
am Morgen einer kerngesunden Zeit, es ist
Lust zu leben!"
niedrige Preis 30 Pfennig sicherte der
iend" zwar ein breites und zahlenmäßig
kes Publikum, man las sie beim Friseur und
Kaffeehaus, schließlich war sie sogar im
tzirkel zu haben, dennoch kam für Hirth erst
he Jahre nach der Jahrhundertwende ein
nzieller Erfolg. Noch 1898 hatte er seine
volle Porzellansammlung versteigern lassen,
den Fortbestand seiner Zeitung zu gewähr-
en. Aber die Jugend" setzte sich durch. Sie
populär, bot Unterhaltung, sie galt als
stzeitschrift; der Fachmann las sie ebenso wie
Durchschnittsleser. Sie hatte es fertigge-
zht, nachhaltiges Aufsehen zu erregen. Aller-
wurde über sie gesprochen; und sie wurde
besprochen". Neben Hirth und dem lei-
en Redakteur Fritz Freiherr von Ostini soll-
woch Siegfried Sinzheimer er übernahm 1911
Posten Ostinis, der Schriftleiter Albert
thäi, Franz Langheinrich verantwortlich für
Sildouswahl und Karl Ettlinger genannt wer-
denn sie alle prägten wesentlich Bild und
au ihrer Zeitung.
nach 1900 änderte sich die Jugendstil-
phik in der Jugend". Das ins Ornamentale
ierte und relativ gegenständliche Motiv aus
Natur Pflanzen, Tiere machte einer mehr
weniger abstrakten Richtung Platz. Aber es
gerade die floralen Formen gewesen, die
die Jugend" typisch sind. Sie hatten ihre
zeln in einer aus Realismus und Historismus,
iralismus und Impressionismus, Neuroman-
md Heimotkunst herrührenden Auffassung.
lünchen war der Jugendstil deftig und kräf-
vital und übermütig, manchmal banal auf-
glich. Die Neuerungs- und Reformbestrebun-
dominierten hier mit ihrer Vorliebe für das
le und Schöne, in die Zukunft Weisende. Im
ensatz dazu Wien und die anderen europäi-
Jugendstilmetropolen, wo man sidw mehr
Mystizismus, dem Symbalismus und der
ldenz verbunden fühlte. Jugend bedeutete in
chen Sonne und Frühling; man war lebens-
und naturverbunden. Georg Hirth erkannte
Gefahr, die in der Kurzlebigkeit jener weni-
Jugendstiliahre lag, sehr rasch. lch habe
lange Zeit dagegen gesträubt, daß man
Zeitschrift, die nach ihrer ganzen Tendenz
erationen überdauern soll, zur Lebensge-
'in eines vergänglichen Stils mache doch
ebens""'. Auch Ostini wehrte sich gegen die
hstellung von Zeitung und Stil modischer
d. Ganz besonderen Einfluß gewann die
znd' auf den neuen dekorativen Stil, der sich
hzeitig mit ihr entfaltete, aber nicht aus ihr
chs, wie der vielfach genannte Name
ndstil' vermuten lassen möchte. Dieser Stil
ald ausgeartet, nicht zuletzt durch die miß-
ändliche Anwendung der Elemente neuen
schmuckes auf alle erdenklichen Zweige der
Lunst". Besonders Schwan und Pfau wer-
als symbolträchtige Tiere des Jugendsfils
sehen. Bei den Pflanzen bevorzugte man die
ertlilie, das von Wind und Wellen bewegte
die Seerose und rankende Lianen. Der
ung, vom Wellenschlag oder verschlunge-
Haar bis zum sogenannten Peitschenhieb,
iarakteristisch für die Gestaltung fast aller
tauchsgegenstände Besteck, Gläser, Vasen,
lUCk, Tapeten, Wandteppiche. Alles war
äs, subtil, glänzend. Innenarchitektur und
die Kleidung Reformkleid wurden ebenso
Jugendstil zum Gesamtkunstwerk umfunk-
tioniert wie die Architektur, Parkgestaltung und
sogar die Stadtplanung. Die allgemeine Zu-
kunftsgläubigkeit steigerte noch die Reformfreu-
digkeit, die sich von der Jugenderziehung Wan-
dervogel über die Nackt- und Freikörperbewe-
gung Sonnenkinder; Fidus bis hin zum sozio-
len Wohnungsbau" Muthesius, Loos erstreckte.
Der englische Einfluß auf den Jugendstil Münch-
ner Prägung ist unverkennbar William Morris,
die Pröraffae-liten und besonders Aubrey Beards-
ley, der Wildes Werke illustriert hatte und den
man in der Jugend" ungeniert und meist sehr
grob kopierte. Toulouse-Lautrec und Cheret be-
einflußten vornehmlich in bezug auf die Titel-
blattgestaltung die Jugend". Zu nennen sind
auch Henry van de Velde, Max Klinger und vor
allem Otto Eckmann mit seiner das Florale be-
tonenden Graphik. Eckmonns Einfluß auf den
Jugendstil ist gar nicht laut genug zu betonen
Kunstgewerbe, Buchschmuck, Vignetten, Zierlei-
sten, künstlerische Schriften und die Eckmann-
Type, eine mit dem Pinsel gezeichnete Fraktur.
10
11
12
13
14
J. R. Witzel, Vignette zu
ciale Betrachtung von v.
Jugend", Nr. 2B, 1897, S. 476
Jan Toorop, Cofe Chantant", Vignette zu See-
Ienfäden". Psychopolychromes Fragment aus
dem Torso Ich!" von Ernst Schnurr. Jugend",
Nr. 1898, s. 119
Fritz Erler, Titelblatt für die Jugend", Nr.
und 1896
Bruno Paul, Vignette zu Drei Vorreden". Histo-
rische Dokumente, zusammengestellt von Chri-
stian Morgenstern. Jugend" Nr. 48, 1896, S. 778
J. R. Witzel, Vignette zu Das verlorene Ge-
wissen" von J. Ssaltykow-Schtschedrin. Ju-
gend", Nr. 1898, S. 78
,Gleichheit". Eine so-
Kapff-Essenther.
Anmerkungen 15,16
15 hslglblgfierlu L. Koreska-Hartmann, Jugendstil, G. G. Q0
.4
A. Vaigt-Meiner,
In Zeitschrift für Budt
riadl L.
Geor Hirth, ein doutsdier Verle er.
arunde, Jg. Leigazig 1975. äit.
Koreska-Hartmann, a. o. 0., S.
Die Jugend" bemühte sich redlich um Überein-
stimmung von künstlerischem und literarischem
Inhalt, was besonders dann mißlang, wenn die
Epigonen aus der zweiten Reihe die Zierleisten
wuchern ließen. Neben den Illustratoren Paul,
Diez, Erler, Pankok, Jank, Eckmann, Wilke, Mün-
zer und Schidhammer lieferten Karl Arnold und
Heinrich Zille sozialkritische Beiträge; Lovis
Corinth und Max Slevogt steuerten erste Arbei-
ten bei. Ornamentale und illustrative Elemente
sind in den einzelnen Heften der ersten Jahr-
gänge immer wieder vermengt worden. Auch
mußten irgendwie Gemälde und Zeichnungen
von Böcklin, Courbet, Defregger, Kaulbach, Klin-
ger, Lenbach, Liebermann, Monet, Millet, Renoir
und Stuck untergebracht werden.
Das Ornamentale in der Jugend" wurde haupt-
sächlich von Eckmann, Hans Christiansen, C. E.
Dodge, Paul Haustein, Margarethe van Brau-
chitsch, Erich und Gertrud Kleinhempel, Peter
Behrens und Hegenbarth vertreten. Julius Diez,
Walter Caspari, Carl Strathmonn, Bernhard Pan-
kok er schuf auch den Buchschmuck für den
Ausstellungskatalog des Deutschen Reichs bei der
Pariser Weltausstellung von 1900, Robert Engels,
Arpad Schmidhammer, Fidus Hugo Höppe-
ner, Bruno Paul, Rudolf Wilke, Josef Rudolf Wit-
zel, Corinth, Felix Vallottan, Henri Jossot, Wil-
liam Bradley, Jan Toroop versuchten, Illustratives
mit Ornamentalem zu verbinden. Der Illustration,
also dem malerischen Jugendstil, werden u. a.
die Scholle"-Mitglieder Eichler, Feldbauer,
Georgi, Münzer, Püttner, Putz, vor allem aber
Angela Jank und Fritz Erler und Albert Weis-
gerber zugerechnet. Sozialkritisch illustrierten
Theophile Steinlen, Käthe Kollwitz und Giovanni
Segantini. Auch Ferdinand Hoder war wieder-
holt mit Beiträgen in der Jugend" vertreten.
In der Literatur dominierten eindeutig die Klein-
formen Anekdote, Humareske, Groteske, Skizze,
Parodie, Epigramm, Essay, Feuilleton, Märchen,
Erzählung, Novellette, Gedicht und Aphorismus.
Erwähnt seien der Zweitdruck 1899 von Hof-
mannsthols Der Tor und der Tod", Hartlebens
Einakter Abschied vom Regiment", G. Haupt-
manns Die Wiedertäufer" und Wedekinds Der
Stein der Weisen". Wiederholt vertreten waren
auch Johannes Schlaf, Rilke, Peter Altenberg,
Paul von Schönthan, Roda Roda, Paul Lindau,
Edgar Steiger, Otto Ernst, Elisabeth Meyer-För-
ster, Clora Viebig, Marie von Ebner-Eschenbach,
Ludwig Ganghofer, Peter Rosegger, Ludwig
Thoma, Anton von Perfall, Guy de Maupassont,
Anatole France, Anton Tschechow, Maxim Gorki,
Knut Homsun, August Strindberg, Selma Lager-
löf, Edgar A. Poe, Charles Baudelaire, Anna
Croissant-Rust, Paul Ernst, Hermann Hesse, Ste-
phane Mallarme, Otto Ernst, Ernst Gystrow,
Arnold Böcklin, Paul Heyse, Richard Dehmel,
Paul Scheerbart, Natalie Bruck-Auffenberg und
Houston Steward Chamberlain. Seine viel-
seitigen An- und Absichten hat Georg Hirth in
den Leitartikeln" für die Jugend" immer wie-
der angeboten Der neue Stil", Das Erotische
in der Kunst", Volkskunst?", Kaiserlich Deut-
sche Republik", Nietzscheana", Äußere und
innere Freiheit", Deutsche Frauenfrage", Zen-
surgestank" usw.
Ein Leben in Schönheit" und die Schönheit des
Lebens schlechthin" Zauber, Ärgernis und Rätsel
des Jugendstils Dolf Sternberger. In seinem
Testament" schrieb Auguste Rodin Der Künst-
ler gibt ein großes Beispiel. Er betet sein Hand-
werk an."
Anschritt des Autors
Dr. Gerd-Dieter Stein
Assistent am Institut für deutsche Sprache und
Literatur der Universität Salzburg
A-SOZO Salzburg, Schleinlockenstraße 26
33
Künstlerprofile Gisela Beinrücker
Mit ihren neuen Materialbildern setzt Gisela Bein-
rücker ihren einmal eingeschlagenen Weg konse-
quent fort. Statt Gegenstände ihrer Umgebung
zu zeichnen, Kleidungsstücke zu personifizieren,
bedient sie sich ihrer ietzt direkt. Verschiedenfarbige
Nylonstrümpfe werden auf eine Leinenunterlage
collagenartig montiert, jedoch nicht geklebt, sondern
angenäht. Oftmals wird dazu noch unter bzw. auf
den Strümpfen aquarelliert, was dem eigenwilligen
Material einen zusätzlichen Reiz verleiht. Die
Gefahr, sich in der spinnwebenartigen Oberfläche
zu verfangen, fasziniert und ängstigt den Betrachter
gleichermaßen. Die Fertigkeiten, die sich eine Frau
gezwungenermaßen aneignen muß, wendet Gisela
Beinrücker nicht für wertfreie, nutzlose Arbeiten"
an, wie z. B. Knöpfe anzunähen und Löcher zu
stopfen, sondern für ihre Materialbilder.
Eine Frau zu sein ist eine anatomische Tatsache,
die nicht unerhebliche Konsequenzen gesellschaft-
licher Natur mit sich zieht Der Frau präsentiert sich
eine primär männliche Umwelt und zwingt sie,
sich darin zurechtzufinden, Stellung zu beziehen.
Wenn eine Frau einen weiblichen Akt zeichnet, so
ist das etwas anderes als ein weiblicher Akt, von
einem Mann gezeichnet denn der weibliche Akt
von der Frau gezeichnet ist ihr eigener Körper,
ihr eigener Schmerz leidenschaftig.
Gisela Beinrücker nimmt ihre Umwelt nicht so ohne
weiteres hin, sie macht sich Gedanken, sie versucht
zu lernen, sie reflektiert sie ist sich ihrer Rolle"
als Frau bewußt und trägt ihr konsequenterweise
in ihren Arbeiten Rechnung. Denn Frau zu sein und
sich dessen bewußt zu sein, heißt noch lange
nicht, männerfeindlich zu sein auch eine klassenlose
Gesellschaft ist keine geschtechtslose Gesellschaft.
Veränderungen verursachen Kreativität Kreativität
bewirkt Veränderungen. Indem sie lernt, verändert
sie sich. Denn nichts ist abgeschlossen, weil man
selbst nie abgeschlossen ist". Diese provisorische
Gegenwart" bildet für Gisela Beinrücker den Motor
zur Kreativität. Jeder Tag bringt etwas Neues."
Sie hat ihre Kreativität spät verwirklicht ihre
Kreativität hat eines Reifungsprozesses als
Voraussetzung bedurft.
Sind die Arbeiten Gisela Beinrückers auch weib-
lich", so sind sie doch weit von dem entfernt, was
man als Frauenkunst" bezeichnet. Emanzipation
wird bei ihr nicht so verstanden, daß die Frau
trachtet, es dem Mann gleichzutun, sondern iede
Erfahrung ist ein Schritt näher der angestrebten
Selbstverwirklichung Die Frau emanzipiert sich
zur Frau.
Um sich bildnerisch auszudrücken, ist es gleich-
gültig, ob es sich um eine Bluse, um Strümpfe oder
um einen Baum handelt. Sie wählt die Bluse und die
Strümpfe, weil sie ihr näher, mit ihr in Kontakt sind.
Außerdem Die Bluse läßt sich gestalten, was bei
einem Baum nicht der Fall ist.
Die Bluse, die Strümpfe können eine Person an-
nehmen. Die Person besteht aus Zeichenpapier und
Graphit aus Nylonstrümpfen und Leinen... Der
Fetisch Strumpf" hat sich zum Lebewesen ver-
selbständigt. Der verunfallte Giehversuch" ist
Persiflage und zugleich Sublimation der eigenen
Situation. Der Busen als Kopf wird zur aggressiven
Waffe weiblichen Waffe; die tanzende Figur"
ist zugleich Beschwörung und Beschwichtigung
Selbsterhaltungstrieb und Selbstironie lroniel
lrr-Onanie". Im Zerreißen sowie im Zusammen-
nähen der Strümpfe manifestiert sich diese
Ambivalenz der Arbeiten Gisela Beinrückers, was
deren Faszination und Reiz ausmacht.
Manfred Chobot
Ein Gedanke", 1'776. 60 45 cm.
Textiles Materiolbild
Vielleidit Morgen", 1975. Blei-
stift, 85 62
ückerrFleck
"Besudn 1976. IOOx 70 cm. Tex-
tiles Materialbild
9uchendes", 1976. 100x7O cm.
Textiles Materialbild
Exotischer Tanz", W76. 85 62,5
cm. Textiles Materialhild
o-uisum
Peter Braunsteiner
Peter Braunsteiners Werk bedarf in geringstem
Maße unterstützender Interpretation. Flora, Fauna,
der Mensch Grundakkord seiner künstlerischen
Äußerung, basierend auf einer starken, unlösbar
scheinenden Hinwendung und Bindung an die Natur.
Diese ist alleiniger Ausgangspunkt, ist permanentes
Vorbild". 1946 im niederösterreichischen Gmünd
zur Welt gekommen, erlebt Peter Braunsteiner
Kindheit und Jugend in natürlicher Freiheit. Sammelt
auf steinigen Feldern, Blockheiden, in mythisch-
dunklen Wäldern erste Eindrücke und Wahrneh-
mungen eigenwilliger heimatlicher Landschaft.
Geht nach Wien, um sechs Jahre an der Akademie
für angewandte Kunst bei den Professoren Obsieger,
Hutter und Herberth zu studieren. Auch nun,
schulisch, intensivstes Studium vor und nach der
Natur. Er praktiziert in naturwissenschaftlichen
Werken, im musealen und anatomischen Bereich.
Erste frühe eigenhändige Arbeiten entstehen zeich-
nerisch, im Linalschnitt. Der Stein, Synonym für das
Schwere, Unverrückbare, das Lastende, beginnt eine
entscheidende Rolle zu spielen. Braunsteiner erkennt
schon früh Grundgesetzlichkeiten, weiß früh auch
um die eigentliche", schwarzweiße grafisch-
strukturale Ästhetik des entblätterten Baumes, des
Strauches. Feinste Verästelungen, die er subtil
ordnet, lassen ihh die Grundgestalt heraus-
streichen.
1974 setzt sich Braunsteiner in ersten Personalen
als Obiektkünstler ein. Und wieder ist der Stein,
die in Kampf und Bedrohung verstrickte, umklam-
merte Kreatur, Anlaß und kreative Motivation.
Vorerst der reine, runde, nackte Stein allein,
skulpturale Urform, den er als eigentliches Schweres
frei schwebend symbolhaft im Gestänge verstrickt.
Vögel aus Body-Patterns"
Brigl, läitographie, 55 50 cm Später setzt er Tierkörper, vom Stein schicksalhaft
n. .. ..
Plägrsärqhnsminer bedruckt, als starkste Aussage ein. Steckt willkurlich
Stein-Obiekt in Seile vers annt Federbündel, verspannt mit fremden todverkrallten
Oblekl Vögel" "m1 Vogelklauen. In seinem künstlerischen Prazeß
Seile verspannt
wirken Spontaneität, bewußte Manipulation zusam-
men mit formalen Aspekten und Bildungen.
Braunsteiner verläßt Atelier und Räume, um die
vollkommene Bindung von allem natürlich Existenten
und Gemachten kreativ zu demonstrieren. Er setzt
seine verstrickten und verknoteten Steine in der
Natur selber aus und schließt somit den Kreislauf.
Unbehauene Felsblöcke bettet und hängt er in
Äste und Gabelungen, im durch Witterung, dörrende
Hitze beeinflußten Prozeß. Niedere Lebewesen,
Algen und Sporen reichern und wuchern an den
Reibungsstellen, bilden" mit am kreativen Prozeß.
Ein neues" Stück Natur ist neu" in die Natur
integriert. Spinnen erweitern das Strickenetz.
Allerneuesten Ausgangspunkt bilden 1976 die in der
iungen Wiener Galerie Alles, was Flügel hat,
fliegt" KUNST, KONTAKTE präsentierte Body-
Patterns". Peter Braunsteiner vereint hier 16 Origi-
nal-Lithographien, die seine künstlerische Aussage
in den seriellen Bereich führen. Körper als Kan-
stante der Natur, gleichsam als immerwöhrendes
Phänomen, werden in graphischen Sequenzen dar-
gestellt. ln säuberlich harmonischen Formationen
exerziert der Künstler quasi in Synapsen blätter-
weise den elementaren Kanon allen Seins aus Flora
und Fauna bis zu Menschen und Gesichtern. Auf
Grundgestalt und Wesenheit durch Konturen, ge-
tuschte volle Flächen und Aussparungen reduzierte
Körper. Silhouettenhaft fixiert, in geordneter
Spannung auf der weißflächigen Ruhe des Papier-
grundes. Vom Naturvorbild bleibt durch Reduktion
auf das äußerste gestrafft das Essentielle, Struk-
turelle, Charakteristische in glasklarer Transparenz.
Peter Braunsteiners Verhältnis zur Natur ist ein
zutiefst gesundes, besteht in sich und resultiert und
ist gezügelt von hart erarbeiteter Konsequenz.
Er beteiligt sich auf der Suche nach dem Ursprüng-
lichen, dem Kern, nach dem Wesen der Dinge. Frei
Aktuelles Kunstgeschehen Österreich
Wien
Historisches Museum der Stadt Wien
Georg Ehrlich
Von dem 1897 geborenen Wiener, der 1937 nach
London ging und der politischen Ereignisse wegen
in der Emigration blieb und 1966 starb, wurden
Zeichnungen, Druckgraphiken und vor allem Pla-
stiken gezeigt. 222 Exponate gaben einen reichen
Überblick, wobei festgestellt werden konnte, daß,
was besonders in der Plastik zum Ausdruck kommt,
der Höhepunkt des Schaffens dieses Künstlers in
den späten dreißiger Jahren lag. Sehr stark von
Barlach und Minne herkommend, können wir eine
klassische Periode in Ehrlichs Werk ruhig neben
die besten Arbeiten Georg Kolbes stellen. Sehr
schön waren die Köpfe von antiker Strenge, die
Mutter mit totem Kind" und iene Tierplastiken,
bei denen der Bildhauer nicht ins Hübsche oder
Liebliche auswich, sondern bei der spannungsvollen
Herbheit der Natur blieb.
30. 9.-5. 12. 1976 Abb.
Albertina
Von lngres bis Cezanne
Die gezeigten Aquarelle und Zeichnungen aus dem
Louvre wurden van dem Leiter der Albertina"
HR Kaschatzky ausgewählt und sollten eine sehr
umfassende und wesentliche Übersicht von der für
die Moderne sehr entscheidenden Zeit in der
französischen Kunst geben. An den meist einmalig
schönen 67 Beispielen kann man den Wandel der
Stile beobachten. Namen zu nennen ab es nun
Cezanne, Carot, Courbet, Daumier bis Toulous-
Lautrec ist, alle nennenswerten sind vertreten! fällt
bei der Vielzahl der in die Kunstgeschichte Ein-
gegangenen schwer. Um so lieber nennt man auch
weniger bekannte, wie etwa Constantin Guys, der
mit einem ganz prachtvollen, wie hingehauchten
Blatt Zwei elegante Damen in der Kalesche"
vertreten ist, oder Eugene Boudin mit seinen
Strandbildern 1866! von einer über ein ganzes
Jahrhundert reichenden Modernität. Und noch eines
wurde bei dieser Schau den kritischen Betrachtern
wieder sehr bewußt Wie sehr über die Güte und
Besonderheit auch einer graphischen Gestaltung,
besonders in iener imaressionistischen Epoche ein
wesentliches Beispiel ist Degas Stehende Tänzerin,
Rückenansidrt erst an Hand des Originals geurteilt
werden kann. Eine sehr wichtige Ausstellung!
18. 11. 1976-25. 1. 1977 Abb.
Akademie der bildenden Künste
C. Permeke
Der 1886 geborene und 1952 gestorbene Belgier
leitete in seiner Heimat schon 1905 mit dem Bild
Heiliger Abend" den Expressionismus ein. Seine
klobigen Figuren und die Sparsamkeit in den
Farben mancher Bilder erinnern an unseren Egger-
Lienz, auch Van Gagh wird berufen. Andere Bei-
spiele der 64 ausgestellten Arbeiten zeigen uns
die starke Eigenständigkeit des Belgiers. Gut ist,
daß auch frühere Bilder zu sehen sind, so daß
man die Entwicklung verfolgen kann. Freilich ist
ein solches Unterfangen bei der Höngung in der
Akademie etwas schwierig eine Spezialität der
Ausstellungsgestaltung dieses Hauses, siehe
Boeckl-Ausstellungl, da sie auf chronologische
Folgen keine Rücksichten nimmt.
19. 11.-21. 12. 1976 Abb.
Galerie am Graben
w. a. viehböck, schmuck e. choung-
fux, graphik h. larsen-d. lewis, schmuck
Alle drei Aussteller zeigten außerordentlich sauber
gearbeitete Exponate. Die Graphiken der
Choung-Fux, 22 Farbholzstiche, sind sehr zurück-
haltend, still, das Material wirkt entscheidend mit.
Der Ausschnitt bzw. die ungewohnte Perspektive
besticht. Der Schmuck der Viehböcks aus Silber und
auch kombiniert mit Glas. macht einen sehr
geometrischen Eindruck. Manche Arbeiten sind
auch als Kleinplastiken zu betrachten. ln diese
Richtung weisen zwei durch strenge Patterun-
gen gekennzeichnete Reliefs. Larsens und Lewers
36
Schmuckstücke zeichnen sich durchgehend durch
ihre Beweglichkeit aus. Sie legen sich etwa
geschmeidig an die Körperformen an, technische
Einheiten werden bevorzugt.
27. 9.-17. 10. 1976 Abb.
Galerie auf der Stubenbastei
Christine Heuer
Die Künstlerin hat, gegenüber ihrer letzten Schau,
einen großen Schritt vorwärts gemacht. Sowohl
im Aquarell, bei dem sie lockerer geworden ist,
als auch bei der Graphik, wo der Strich, bei
aller spielerischen Handhabung und Verselbstön-
digung einen sehr persönlichen Charakter
bekommen hat. Mehr denn ie versteht die Heuer
mit dem Zwischenraum, der leeren Fläche zu
arbeiten. Ein Familienbild la 19. Jahrhundert
will uns da besonders geglückt erscheinen.
7. 9.-2. 10. 1976 Abb.
Galerie Würthle
Alfred Karger
Die Landschaft ist das Thema dieser Ausstellung.
Die Aquarelle sind gegenüber den früheren Arbei-
ten des Künstlers sd1werer, aber weniger geo-
metrisch" geworden. Die Graphiken, die das Haupt-
kontingent der Schau bilden, wollen uns strenger,
vor allem aber dichter scheinen. Am besten sind
wohl die Federzeichnungen, etwa Bewachsener
Hügel" und AIte Hütte". Die Strichtolgen ver-
einigen sich zu Bändern, die den Zeichenblättern
eine eigenartige Spannung geben. Die Graphik
wird iählings mehr als nur Abbild einer Land-
schaft, sie gewinnt eine geheimnisvolle Dömonie.
7. 10.-30. 10. 1976 Abb.
Kleine Galerie
Bayod Serafini
Der 1943 geborene Maler aus Barcelona zeigt
sehr beachtenswerte Ölbilder. Meist sind die Bild-
flächen ziemlich monachrom gehalten, man denkt
an eine Mauer, man denkt an Tapies, in dieser
Flüche tut sich dann scheinbar eine Öffnung auf
und aus ihr spritzt in Richtung Betrachter ein
Wasserstrahl. Loch und Wasserstrahl sind Trompe-
L'aeil-haft gemalt. Bei anderen Obiekten sehen wir
gleichsam in dieser Art gemalte Lichteffekte auf
eine Metallplatte eingeschlagen. Immer wieder wird
nur mit wenigen Farbnuancen operiert und die
Spannung durch wenige Lichtwirkunaen erzielt.
3.-24. 11. 1976 Abb.
Theseustempel
PAN Pasiecznyk
Eine Verbrauchswelt, eine Welt ohne Menschen,
eine Welt der vom Menschen ge- und mißbrauchten
Geräte, das sind die Motive, die uns dieser Maler
auf sehr fein gepinselten Bildern wir setzen die
feinen Spuren der Spitze dieses Werkzeuges
gegenüberstellt. Zeigen seine früheren Bilder meist
lnnenräume mit bedeutsamen Begegnungen", wie
iene einer Nähmaschine mit einem Regenschirm,
so wendet sich Pasiecznyk nun Themen wie Auto-
friedhof und Landschaftsverödung zu. Deutlich
war bei diesem Künstler von Anbeginn stärker
eine surreale als eine phantastische Note zu ver-
zeichnen. Gerade die letzteren Arbeiten lassen
eher eine Verdünnung der für ihn typischen
Charakteristik spüren. 30. 9.-5. 11. 1976 Abb.
Galerie Modern Art
Maud Morgan
Sie ist Amerikanerin und begann 1930, nicht mehr
ganz iung, zu malen. Angeblich war ihr die Malerei
nach der Natur zu leicht und befriedigte sie nicht,
so wandte sie sich der abstrakten Kunst zu. Wie
dem auch sei, sie schuf auf diesem Gebiet Bilder,
die einfallsreich sind und, was bei der Großflächig-
keit und außerordentlichen Sparsamkeit der Glie-
derung besonders wichtig ist, immer wieder starke
Spannungsmomente haben. Besonders die Graphiken,
bei denen Frau Morgan mit verschiedenen Grau-
tönen arbeitet, zeigen in der genannten Tonigkeit,
aber auch in der Linienführung ein starkes Gefühl
für die Beherrschung der Kraftfelder.
29. 9.-16. 10. 1976 Abb.
Secession
Weihnachtsverkaufsausstellung
Die meisten Mitglieder der Vereinigung, auch iene,
die vor Jahren mit viel Lärm in die Opposition
gingen, stellten einige Arbeiten aus. Es waren
durchschnittlich sehr qualitiitvolle Bilder, Graphi-
ken und Plastiken zu recht niederen Preisen zu
bekommen. 30. 11.-23.12. 1976
Jorg Hartig
1932 in Wien geboren, Güterslah-Schüler, war
Hurtig viel im Ausland und scheint van den Ameri-
kanern stark beeindruckt zu sein, konnte aber
das Aufgenommene zu Eigenem umsetzen. Die
großen Acrylbilder zeigen fast durchwegs zwei
Motive Den Verschleiß und die Bewegung. Dem
Verschleiß ist der größere Teil gewidmet. Da gibt
es monumentalen Eisbecherrnüll, zerknautschte
Autos, Asphaltblüten". Alles sehr kühl und di-
stanziert. Feststellungen, als gingen sie uns nichts
an. Die Bewegungsstudien sind raffinierte Silhouet-
tenüberschneidungen, gute Beobachtungen und
gekonnt, aber auch hier eher spannungslos unter-
kühlte Distanzierung. 1.-23. 12. 1976 Abb. 10
Galerie Spectrum
Fred Nowak
Diese Gedächtnisausstellung vereinigte 45 Exponate,
die, mit Ausnahme dreier älterer Graphiken, alle
aus den letzten Lebensiahren des leider viel zu
früh von uns gegangenen Künstlers stammen. Die
sorgfältig ausgewählten und originell placierten
Bilder sprachen mit ihrer kraftvollen Farbigkeit,
mit den warmen Tönen und den bevorzugten
Blau-Rat-Kontrasten von dem Temperament und
der Vitalität des Malers. Die von Nowak erfundene
Farb-Manotypie verbindet oft Mythisches mit Zeit-
kritischem, gerade das graphische Element, das
wir in allen diesen Blättern besonders betont
finden, bezeugt einen starken Aussagewillen.
27. 10.-Z. 12. 1976 Abb. 11
Siegfried Strasser
lm großen Parterresaal rund 50 Exponate des
Oberösterreichers. Er ist außerordentlich fleißig
und wie es scheint auch viel heiterer, spielerischer
geworden. Nach wie vor beherrscht die Mechanik
das Bild, nach wie vor gibt es Materialbilder mit
phantasievollen Drahtverspannungen, die an die
verschiedensten Apparate erinnern. Zukunfts-
bilder zeigen monsterartige Maschinen Welten-
schlachten durchführen, und das Ende wird wieder
ein Heidendenkmal sein. Ironie und bittere
Späße in Zeitcalor. 2. 12. 1976-9. 1. 1977 Abb. 12
Galerie am Rabensteig
Franz Luby
Sehr sauber gemalte Ülbilder voll symbolgeladener
Objekte. Nichts ist zufällig da. Man merkt, daß
der Maler sich bei allem etwa gedacht hat und
die Dinge in Beziehung zu setzen versteht. Immer
wieder werden wir bei Luby an die Manieristen
der Renaissance erinnert. Es scheint ein ähnliches
Weltbild zu sein, aus dem der Maler schöpft.
7.-30. 10. 1976
Salzburg
Kulturvereinigung im
Romanischen Keller"
lrma Toledo
Es war ein guter Gedanke, die Eröffnung der
Salzburger Kulturtage" ieweils mit einer Ausstel-
lung zeitgenössischer Kunst zu markieren. Der aus
zehn Gemälden bestehende Zyklus Bilder aus
der Genesis" der Salzburger Malerin lrma Rafaela
Toledo war hier auslösendes Moment für eine
selten so geglückte Synthese von ausgestelltem
Werk und Ausstellungsort.
Frau Toledo denkt beim Malen nicht daran, Dinge
der Natur naturalistisch abzubilden. Für sie, für
die Malen kein rationaler Vorgang ist, für sie
stellen die Worte des Schöpfungsberichtes in der
Übersetzung von Martin Buber die Bild-Titel dar.
olge 1-12
arg Ehrlich, Kopf eines ilulienischen Knaben, 1933 lEg7g4urPDggus, Stehende Tänzerin, Rückenunsichl, um C. Permeke, Der Slrund von Devonshire
eine
llraudArlhur Vlehböck, Brosche, Silber, 1975
Choung-Fux, Neue Wege über allem Land, 1976.
ahollslich
gc LcrsenlDarnni Lewers, Brosche, SlerlingvSilberl Chrisline Heuer, Gruphlk Alfred Karger, Lcndschufl, 1976. Federzeichnung
LiS, 1m
ad Serafinl, Denkmal für den Raum
PAN Paslecznyk, Aschenlcndschalv Muud MorganlUSA in der Modern Ar! Galerie
Hurtig, Graphik
Fred Nowuk, Monolypie Nr. was
12 Siegfried Slrasser, Schweres Zsppobil. Reliefbild
'Aktuelles Kunstgeschehen Österreich
Die emailhaft leuchtenden, an die Ausstrahlung
mittelalterlicher Glasgemölde erinnernden Farben,
die ihnen innewohnende Kraft, die Verarbeitung"
der kosmischen Handlung, alles das ist Ausdruck
einer großen Persönlichkeit 16. 10.-7. 11. 1976.
Galerie Welz
Kurt Moldovan
Moldovan ist ein Mann van Stil hat Alfred
Schmeller einmal aus iahrelanger Vertrautheit mit
Künstler und Werk gesat; hat damit aber nicht nur
die Dudensche Defination von Stil als Einheit der
Ausdrucksformen eines Kunstwerkes gemeint.
Schmeller hat damit vor allem ein Voilä un
hammel" fixiert.
Man kennt Moldovans Deutungen der psychischen
Parallelogramme von Mensch und Landschaft,
man weiß von seinen Sichtbarmachungen des
Wesentlichen. Und man ist stets von neuem und
war nun auch wieder in dieser Ausstellung seiner
neuen Aquarelle überrascht von Moldovans
Bravour, mit der ohne iede Vorzeichnung Pinsel-
striche knapp und exakt" den Bildgegenstand
genau erkennen lassen, mit der immer eine heute
nur selten anzutreffende Dichtheit und Geschlossen-
heit der Darstellung erreicht wird, mit der die
Seele eines Gebäudes, einer Stadt, einer Gegend
zum Bild wird. Für Moldovan gilt die Wahr-
Nehmung in der Kunst, das Sinnlidi-Erregende,
das Geistig-Aufregende, die Faszination Ein
Nebeltag in Venedig regt mich so auf, daß ich es
kaum erwarten kann, ihn zu einem Aquarell zu
machen." 4. 11.-28. 11. 1976 Abb. 13
Markus Vallazza
Anläßlich der Usterreichischen Buchwoche zeigte
die Galerie Welz am 12. November 1976 in ihren
Räumen die beiden Farbfilme Herbert Breiter
Der Maler und seine Landschaft" und Zwei Tage
aus dem Leben des Markus Vallazza"; der Regis-
seur Georg Wildhagen vom ZDF war anwesend.
Gleichzeitig präsentierte der Verlag der Galerie
die neue Kassette mit 15 Radierungen von Markus
Vallazza mit dem Titel Zu Horaz". Diese Radie-
rungen soIIen Horaz nicht interpretieren oder
illustrieren, diese Darstellungen sind Horaz, sind
Teile, Ausschnitte, Einblicke in seine Welt, sein
Denken und Fühlen, Leiden und Gestalten"; so
heißt es im Text eines zugehörigen Werbeprospek-
tes, dem man nur zustimmen kann. Es sind Blätter,
in denen der Mensch in seiner vielfältigen Proble-
matik, in seinen menschlichen, mitunter ollzumensch-
lichen Aspekten manifestiert wird, denn der
Mensch hat sich bis auf den heutigen Tag nicht
grundlegend verändert." Abb. I4 Franz Wagner
Tirol
Innsbruck Landesmuseum Ferdinandeum
Christian Hess 1895-1944
60 Gemälde und Grafiken, die vom Goethe-Institut
Palermo zu einer Wanderausstellung vereinigt
wurden. Der gebürtige Bozner lebte und schuf
lange Zeit in Sizilien. Seine künstlerische Entwick-
lung begann in München, in der Nachfolge des
Blauen Reiters und der Brücke-Maler. Seine
Freundschaft mit Max Beckmann und Carl Hofer
ist auch in seinen Werken ersichtlich. Sein künst-
Ierisches Spektrum reicht aber von den deutschen
Expressionisten bis zu Picasso, Matisse, Dufy und
Braque. Immer aber reduzierte Hess diese in den
damaligen Jahren zum Allgemeingut gewordenen
Vorbilder auf einen eher intimen Bildcharakter
hin. In seinen frühen, in Sizilien gemalten Land-
schaffen findet er zu einer neuen Farbigkeit, die
später in ein nuancenreiches Farbenspiel gewandelt
wird. 15. 9-31. 10. 1976 Abb. 15
Galerie im Taxispalais
Achtzehn britische Fotografen, deren Werke auch
von der Sprache, des Video, des Films, des Envi-
ronments und der Concept-Art bestimmt werden,
weisen außerordentlich unterschiedliche Arbeiten
vor. Zeigt einer der Künstler ein Stück Haut in
Nahaufnahme, so der andere Fabriksschornsteine
38
über Blumenblüten kopiert, zerschneidet einer das
Bild zu einem Puzzlespiel, so stellt uns der andere
Pseudoschnappschüsse" gegenüber, die unsere
Alltagsbegegnungen in ihrer ganzen Banalität
sehen lassen. Immer wird ein starkes Mitdenken
vorn Betrachter gefordert, immer stellen die Fotos
eine Anforderung. 12. 11.-S. 12. 1976 Abb. 16
Steiermark
Graz Neue Galerie am Landesmuseum
Joanneum
Werke der XI. internationalen Maler-
wochen in der Steiermark
Zum elften Male trafen sich Künstler der benach-
barten Länder in einem steirischen Ort zur
gemeinsamen Arbeit. Es waren zehn Personen aus
Italien, Jugoslawien, Ungarn, Deutschland und
Usterreich. Die Fachschule in Gleisdorf gab ihnen
Unterkunft und die anmutige Landschaft den
Rahmen. Die Ausstellung zeigte wieder die ver-
sdiiedensten künstlerischen Methoden und Aus-
drucksarten. Die 47 Obiekte beweisen im Verhältnis
zu anderen Jahren, daß wieder mehr Bilder im
überkommenen Sinne, d. h. Ül-, Acrylbilder,
Graphiken und Mischtechniken geschaffen werden.
Sehr streng und sparsam sind die Italiener, am
konventionellsten die Ungarn. Auf der zeit-
genössischsten Welle" bewegt sich ein in München
lebender Vorarlberger. 10.-20. 10. 1976
Karl Stranzinger
Der 1953 in Graz geborene Künstler erhielt 1973,
erst zwanzigiährig, den Kunstpreis des Landes
Steiermark. Das Preisbild weide am 21. iuli 1973
19 20 km vor verdun" zeigt einen sehr harten
Realismus mit sonderbar hintergründiger Spannung.
Der Realismus ist auch in allen anderen Arbeiten
Stranzingers zu finden, nur wird der Ausschnitt
kleiner, oft, wie bei 220 60 extrem technisch
betont. In den später entstandenen Bildern wendet
sich der Maler, er bevorzugt Öl, Tempera auf Lein-
wand oder Holz, gerne Gegenüberstellungen mit
Bezüglichkeiten zu, etwa bei dem Bild holzleiten-
sattel" mit den das Bild beherrschenden, sehr
genau wiedergegebenen Straßenplanken und der
unsicheren Landschaft dahinter oder bei akt"
mit dem sonderbar verzeichneten Rückenakt im
Vordergrund und dem schönen" Aktausschnitt auf
dem Bild im Bilde. 11.-GI. 10. 1976 Abb. 17
Kapfenber lVolksheim
Walter Buc ebner Gedöchtnisausstellung
Der 1964 freiwillig aus dem Leben aesdtiedene
Lyriker schuf in seinen letzten Lebensiahren eine
ganze Anzahl tochistischer Blätter, die von einer
starken motorischen Kraft Zeugnis geben. Seine
Todesbedrückung und seine Leidenschaft sprechen
aus den Tuschmalereien. Oft öffnen sich große
schwarze Tore, die alles zu verschlingen scheinen.
Wo lichtere Farben verwendet wurden, finden wir
das Aufglühen und Abgleiten einer leuchtenden
Bahn, gleichsam ein Versinken eines Kometen.
Die Bilder waren zum Teil schon vor Jahren in
der Galerie Autodidakt, in der Secession in Wien
und vor kurzem in Maria Schutz zu sehen.
26. 11.-5. 12. 1976 Abb. 18
Oberösterreich
Neue Galerie Wolfgang-Gurlitt-Museum
Emil Schumacher
Der 1912 in Hagen in Westfalen geborene Emil
Schumacher zählt seit mehr als zwei Jahrzehnten
zu den bedeutendsten Vertretern einer struktur-
betonten informellen Malerei. Er vertrat die Bundes-
republik bei einer Vielzahl von Ausstellungen und
Biennalen. Hier wurden 80 große Ulbilder und
Gouachen gezeigt. 7. 10.-6. 11. 1976
Graphik aus Schweden
Die Exposition, an der sechzehn schwedische
Künstler beteiligt waren, vermittelte einen auf
Radierungen zu Lithographien konzentrierten
Querschnitt zumeist realistischer Tendenzen.
11.-SO. 11. 1976
Niederösterreich
KremslMinoritenkirche Stein
3. Österreichischer Graphikwettbewerb
Krems
Von den zahlreichen Künstlern, die eingereicht
hatten, wurden von der Jvry sieben Preisträger
ermittelt. Die Preise sind für die bisherigen
Leistungen Anerkennung. aber auch Ansporn
für weitere Entwicklung" H. Kühnel. Den
1. Preis erhielt Linde Waber. Sie war mit drei
Siebdrucken aus dem Wien-Zyklus in der Schau
vertreten. Weiters wurden Manfred Mavr, Dietmar
Kiffmann, Hermann Härtl, Adi Holzer, Florentino
Pakosta und Monika Hubmann mit Preisen bedacht.
Von elf weiteren Graphikern waren Blätter für
die sehr beachtenswerte und gute Schau ausgesucht
worden. Insgesamt waren 34 Exponate zu sehen.
7.-23. 10. 1976 Abb. 19
KremslKünstlerhaus
Wolfgang Berger
Der Kiwanis Club Wachau präsentierte die
Graphikmappe Die Wachau" des iungen Künstlers
Sieben Originalradierungen von verschiedenen
bekannten Örtlichkeiten der Wachau in einer
einmaligen Auflage von 100 Stück wurden
angeboten. Bergners Schichten- oder Bewegungs-
manier kommt in den Blättern durchgehend zum
Ausdruck.
November Dezember 1976 Abb. 20
BadenlKIeine Galerie am Hauptplatz
Gisela Beinrücker-Fleck und
Karl Anton Fleck
Gisela Beinrücker-Fleck zeigte Materialbilder aus
Nylonstrümpfen bzw. Strumpfhosen. Die ver-
fremdete Grundsubstanz kommt noch wie vor durch
und trägt mit ihrer Hautverwandtschaft viel zu
der eigenartigen Nahbeziehung bei, die den
Betrachter mit Ironie und vielleicht auch Phantastik
sofort anzieht siehe Künstlerprofil, S. 34.
Karl Anton Flecks Zeichnungen durchwegs Akte
und Landschaften kleinere Formate, als man
sonst von ihm gewohnt zu sehen ist, zeigten
trotzdem Großzügigkeit und einen freien Strich,
nicht gefällige oder gewohnte Perspektiven und
Ausschnitte. 1.-27. 10. 1976 Abb. 21
BadenlKassensaaI Creditanstalt
Egon Haug
Hier zeigte der 1923 in Käsmark in der Slowakei
geborene Haug, der in Prag uncl Wien auf der
Akademie studierte, einzig und allein seine
Zeichnungen. Bei ihnen, durchwegs Landschaften,
mit sehr bewegten, meist kurzen Strichen gezeichne
werden wir sehr oft an van Gogh erinnert. Es ist
aber durchaus keine Nachvallziehung, sondern ein
starker eigener Charakter, der sich hier ausprägt.
75. 10.-S. 11. 1976 Abb. 22
HornlGaIerie Thurnhof
Leo Zogmayer
Auch hier handelt es sich um Landschaften, die
graphisch festgehalten werden. Wie verschieden
aber sind die drei eben besprochenen Zeichnerl
Arbeitet Fleck mit großen, aushalenden Strichen,
Haug mit kürzeren, weichen Linien, so Zogmayer
mit vielen kurzen, aber sehr harten Strichen, die
sich immer wieder zu Bündeln und dunklen Feldern
vereinen. Der Künstler zeigt uns mit fein
verblassenden Radierungen, die immer wieder von
Schwerpunkten geprägt werden, recht klare und
harmonische Farmen der noch erhaltenen
Kulturlandschaften. 26. 11.-GI. 12. 1976 Abb.
LangenloislRaiffeisenkasse, Kassensaal
Josef M. Svoboda
Der 1918 in Wien geborene Maler, Schüler von
Hausner und R. C. Andersen, hat sich I1OUDfSÜCI1Ilt
als Restaurator im Bundesdenkmalamt einen Name
gemacht. Auch mit seinen Unterwasserbildern,
mit denen er eine neue Farbenwelt malerisch
erschloß, ist er sehr beachtet worden. Hier zeigte
er hauptsächlich Ülbilder und Gouachen in einer
grobfleckigen, expressiven Art.
26. 11.-19. 12. 1976 Abb. 24 Alois Vog
Ydfolge 13-24
Kurt Mcldovan, Venedig, S. della Sahne, 1976 14 Markus VulVana, Wenn du, Melpomene, ...", Radie- 15 Chrislian Hess, Wahrsager, 1933 Messina. UllLeinwand
rung aus der Folge Zu Horaz", 1976
Simon Nicholson, Folografie "I8 Walter Buchebner, Graphik
Linde Wuber, Plcnelurium, 1976. Wien-Zyklus 20 Wolfgang Bergner, Gövtweig, Radierung aus der Mappe 21 Karl Anton Fleck, Lindabrunn, 1975. Zeichnung
I. Preis 3. Usterreichischer Graphlkwenbewerh Krems Die Wuchau"
Egnn Haug, Landschaft. BlaisliHzeichnung Q3 Leo Zogmoyer, Lcndsdwufi. Federzeichnung 24 Josef M. Svobnda, In der Au. Öl
39
Notizen
Aachen Neue Galerie
Ein Aussfellungsdoppel bildeten zwei Künstlerinnen
der Gegenwart Ulrike RosenbachlFoto-Video-
Aktion und Annette PfaulTextsdlränke-Zeichnungen.
Beide umgehen bewußt mit ihren gleichzeitig
entstandenen Werkgruppen Zwänge konventioneller
Kunstpraktiken, die Starre ästhetischer Konven-
tionen. Beider Werk legt die Fesseln, die der
Emanzipation entgegenwirken, bloß, läßt die
Anstrengung, diese zu überwinden, erkennen. Rosen-
bachs modernes Medium Video macht ihr Werk
zu Protokollen der Gegenwart, Annette Pfaus in der
Sprache der Kinder erstelltes Werk ist Botschaft.
Mehr denn ie scheint die Neue" ihr Publikum zu
aktivieren, zwingt es geradezu, freudig im Kunst-
betrieb mitzumachen. Burgi Kühnemann stellte
mit Kindern Linolschnitte her H. U. Aschenborn
karikierte Besudler B. Stirnberg ließ die Besucher
schnell Plastiken formen I. Krause-Rau aqua-
rellierte inmitten und mit dem Publikum, dem
L. Skodowsky und F. Buchholz den Siebdruck
anschließend demonstrierten. Und zu guter Ietzt
gaben Künstler einen aus! Wenn das nicht Schule
machen sollte?!
Bonn Rheinisches Landesmuseum
Hier präsentierte man Ende l976lNovember-
Dezember als Ergebnis archäologischer Unter-
suchungen durch 15 Jahre Vindonissa" ein
römisches Legianslager in der Schweiz und über-
nahm von Berlin die Ausstellung Holzschnitt im
Neuen China". Am 24. November 1976 feierte man mit
einem Vortrag von Chlodwig Plehn Das goldreiche
Mvkene" seitens des Deutsch-Griechischen Vereins
das Jubiläum 100 Jahre deutsche Ausgrabungen
in Mykene".
Cape Town South African National
Gallery
Jansie Wissema, eine südafrikanische Fotografin,
fand mit ihrem künstlerischen Werk Aufnahme in
die hiesige National Gallery. Angesehen, eine
Lokalgröße in Kapstadt, verstarb sie vor kurzem
relativ früh 1920 in Holland geboren und
hinterließ ein reifes, reiches Werk. Von seltener
Einfühlungskraft, mit hohen menschlichen Quali-
täten ausgestattet, sah Wissema in der großen
Family of Man" ein überreiches Feld, um ihre
fotografische Kunst in deren Dienst zu stellen.
Als Mitglied einer Gruppe iunger Intellektueller und
Künstler formte sie nach dem zweiten Weltkrieg
entscheidend mit an Cape Towns Avant-garde"
Abb. l.
Düsseldorf Hetiens-Museum,
Galerie Vömel,
Galerie an der Düssel
Das im Herzen der Altstadt gelegene Palais
Nesselrode beherbergt seit dem Jahre 1909 die
Stiftung von Lclurenz Heinrich Hetiens. Als
Hetiens-Museum"lDeutsches Keramikmuseum-
Institut für Geschichte und Technologie der Kunst
der Keramik. Mit der Präsentation des Gesamt-
kunstwerkes der Keramik aller Kulturen aus 8000
Jahren in erlesensten Obiekten, ist das Hetiens"
sowohl ein Hort hochherziger Stiftung wie auch
intensivster Forschungstätigkeit, dem ein weltweiter
internationaler Ruf vorangeht. Schlechthin als
Prototyp der gesunden, stets lebendigen und sich
stets erneuernden Museumsinstitution geltend,
bleibt es mit seinen Aktivitäten seinem Rufe nichts
schuldig. Vor allem seine Bemühungen um die
keramische Kunst der Gegenwart sind vorbildlich.
Mit der Zeitschrift Keramik-Freund", vom Hetiens-
Museum ediert, hat man sich ein entsprechendes
Organ auf publizistischer Ebene geschaffen, in
dem alle bedeutenden Anliegen und Komplexe
zur Sprache kommen. Die ersten beiden Präsen-
tationen moderner Künstler 1977 sind Otto Lindig
Jänner-Februor und Siegmund Schütz März-April
vorbehalten. Die Ausstellung Keramik aus dem
Mittelmeerraum" wurde wegen des starken
Publikumsinteresses bis Anfang 1977 verlängert.
In der Vömel" präsentierte man aus dem Werk
der Patriarchin der deutschen Malerei, lda
40
Kerkovius. Die große Baltin, 1879 in Riga geboren,
arbeitete bis zuletzt mit ungeheurem Schaffens-
drang. Ihre Landschaften mit idyllischen, märchen-
haft-mythischen Zügen, sagen stärkstens über ihr
Wesen aus, sind voll beriihrendem Zauber. Bis ins
hohe Alter auch agiert die Kerkovius in völliger
Frische ihrer malerischen Empfindung, sich der ihr
eigenen bildnerischen Sprache bedienend, einem
starken inneren Gesetz folgend.
Robert Ederer, Einzelgänger, als Maler eines
visionären" Realismus bekannt, war in der Galerie
an der Düssel Dezember 1976 bis Jänner 1977
mit 90 Originalen präsent. Der 1920 geborene
Österreicher, auch Lyriker und Essayist, letztens
Verfasser einer Romantrilogie Zeiger", Bände,
3000 Seiten, sieht sich selber als Nonkonformist
im Einzelgang". Ederer distanziert sich damit bewußt
als Separatist von den friihen" Zehn der Wiener
Schule Abb. 2a, b.
Frankfurt Deutsch-lbero-Amerikanische
Gesellschaft
Sonnenhengste und Pampadrachen" von Jutta
Waloschek waren im Vorwinter 1976 Gegenstand
einer Exhibition von Wandteppichen und Zeich-
nungen der Künstlerin. An den Akademien in
Buenos Aires und Wien ausgebildet, arbeitet
Waloschek in Zyklen, welche den doppelten
Ursprung, das doppelte Schicksal, das Europäische
und das Amerikanische zum Thema haben. Der
Mensd-l wird bewußt zum Mitdenken aufgefordert
mit diesem gleicherweise unheimlichen wie magi-
schen" Werk, aus dem Phantasie und Wirklichkeit
gleichwertig stark visuell einwirken.
Karlsruhe Badisches Landesmuseum
Die römische Sammlung des Karlsruher Kabinetts
kann eine echte Bereicherung verzeichnen die
Neuerwerbung einer goldenen Revolutiansmünze
der Römer, in Gold geprägt, 68 n. Chr. Neros
grausame Herrschaft wollten aufrechte Männer
in Gallien und Spanien, unter dem späteren Kaiser
Galba sich erhebend, beenden. Adelige Revolutio-
näre, die Vermögen und Hab und Gut opferten,
um Münzen prägen zu lassen, mit denen sie ihre
Truppen bezahlten. Mit der abgekürzten Inschrift
Roma Renascens" dokumentierten die Aufstän-
dischen, daß sie an den guten Ausgang ihres
Unternehmens, eine Wiedergeburt Roms, glaubten.
Die Goldmünze ist eine echte Rarissima von großer
historischer Bedeutung, als seltene Prägung, die
nur in zwei! Exemplaren erhalten geblieben ist.
Vorderseitig ist personifiziert der Bonus Eventus,
der für den Aufstand gegen Nero erhofft wird,
rückseitig Roms Stadtgöttin mit Victoria, den Sieges-
kranz entgegenstreckend, in der Rechten Abb. 3.
Köln Kunstgewerbemuseum Overstolzen-
haus
Mit Emil Lettre und Andreas Moritz konnten hier
zwei Silberschmiede, deutsche, des 20. Jahrhunderts
einmal mehr demonstrieren, daß auch die Gegen-
wart dem Eigenschöpterischen, Hand"-werklichen,
individuellen, Platz einräumt. Beiden Künstlern
ist die strikte Konzentration auf das Handwerkliche
eigen. Neben dem Massenfabrikat wieder das
durchgeformte vollendete Unikat als gleich-
bedeutende Alternative. Das bewies diese bis
13. Februar 1977 laufende Doppelpräsentation.
London The Alpine Club
Unter dem Titel Pavel Tchelitchew" 1898-1957
lief im Dezember des Voriahres die Exhibition einer
Collection von 54 Theater-Designs, arrangiert von
Richard Nalhanson. Tchelitchew, der große Inno-
vator des Bühnenbildes, dessen Werk voller
Originalität, Vitalität und Humor ist, ist ein Magier
des wahren Theaters, des aroßen russischen,
romantischen Theaters Abb. 4.
MünchenfLinz a. d. Donau
Staatliches Museum für angewandte Kunst-
Nordico
lm Voriahr etablierte sich in der Neuen Sammlung
des Staatlichen Museums für angewandte Kunst
in München eine interessante Schau Kalender-
bauten". In Teil lllndien und Teil lllPräkolumbische
Anlagen in Mittel- und Südamerika gegliedert,
verfolgt sie das Vorhaben, astronomische Geräte
von enormer Größe, ortsfest, vorzustellen. Bauten,
die als Raum-Zeit-Kontinuum, als gebaute, geformte
Zeit, als Zeitgestalt, als Kalenderbauten" ein
Stück Himmelsmechanik reflektieren, in kosmische
Zusammenhänge einbezogen. Nach München war
die Schau auch im Stadtmuseum Linz-Nordico zu
sehen Abb. 5.
München Bayerisches Nationalmuseum
Aus Anlaß des Erscheinens von Veröffentlichungen
zu den Sammlungsbereichen des Museums baten
gegen Ende des Variahres das Bayerische National-
museum, München, der Verlag C. H. Beck, München,
und der Deutsche Kunstverlag, MünchenlBerlin,
zu einer Präsentation. Vorgestellt wurden die
Publikationen lngolf Bauer, Hafnergesdlirr aus
Altbayern Klaus Maurice, Die deutsche Räderuhrl
Zur Kunst der Technik des mechanischen Zeitmessers
im deutschen Sprachraum und Brigitte Volk-Knüttel,
Wandteppiche für den Münchner Hof von Peter
Candid.
New York Austrian Institute
Im Neuberger Museum der State University of
New York in Purchase, N. Y. lief vom 10. Dezember
1976 bis 14. Jänner 1977 die große Retrospektive
Joseph Binder retrospective of Poster Art,
Painting, Pastels". Parallel zur Ausstellung des
Künstlers Amerikanische Impressionen 1933-1935"
s. S. 50 im Österreichischen Museum für
angewandte Kunst in Wien.
Zur Ausstellung in New York erschien ein von der
Witwe Carlo Binder ediertes Buch. Joseph Binders
Rolle als führende grafische Personalität, Schüler
Rollers und Hoffmanns, tätig in den zwanziger
und dreißiger Jahren in Österreich wie später in
Amerika, ist allgemein anerkannt. Wie tief er
aber, besonders durch sein exzellentes Können
als Plakatkünstler, am äußeren" Bild Amerikas
mitprägte, dieses mitprofilierte, vermag man kaum
zu ermessen. Binders Plakate besonders offen-
baren selbst Jahrzehnte nach ihrer Entstehung
das unübertreffliche Know-how eines Künstlers,
der spontan eine Idee in den entsprechenden
Bildkern umsetzte, perfekt im Technischen, in der
Reduktion. Aus der Hektik des gebrauchsgrafischerl
Produzierens fand Joseph Binder in seinem Alters-
werk zur Nonobiective Art". Allein die Farbe,
gesetzt in reinsten Proportionen, in feinst aus-
gewogener Gesamtkomposition ließ Werke reinel
Kunst entstehen, die tief in den kontemplativen,
den meditativen Bereich führte Abb. 6.
Nürnberg Albrecht-Dürer-Gesellschaftl
Kunsthalle
Gegen Ende des Voriahres eröffnete man im
Studio der Kunsthalle die Ausstellung Graphische
Miniaturen" Europäische Druckgraphik im
Kleinformat. Zwei weitere Ausstellungen in der
Kunsthalle Walter Gropius" und Johannes
Molzahn". Frau llse Gropius stellte erstere Schau,
die Bauten und Proiekle Walter Gropius' von 190!
bis 1969 präsentierte, zusammen, das Bauhaus-
Archiv in Berlin zeichnete für Organisation und
Verleih verantwortlich. Von Johannes Molzahn
zeigte man in Bildern die Melodie einer Land-
schaff".
OttawalWien Canadian Embassy Vienna
Mittels eines Kataloges machte das kanadische
Außenministerium auf eine Wanderausstellung
Hard-Edge Collection" aufmerksam. Diese soll
auf ihrem Weg großen Anklang finden und auch
in Europa Station machen. Es handelt sich um eine
Kollektion von Drucken, 1970-1973 entstanden,
unter dem Titel Hard-Edge" auch Minimal-Art"
zusammengefaßt, vorwiegend von kanadischen
Künstlern. Hard-Edge", schlecht mit harte Kante'
tradiert, ist, wenn man versucht zu klassifizieren,
dem ästhetischen Formalismus zuzuordnen. Man
kann gespannt sein, wo die Schau in Europa zuers
Bildfolge 1-s
.ih
izt. Sie verspricht, wichtig für die kantem-
Kunstszene, neue interessante Aspekte
i.
Galerie Michaela Frey
Dietz, eine der bekannteren Schülerinnen
vergessenen österreichischen Bildhauers
iramikers Heinz Leintellner, verdienter
der Meisterklasse für Keramik an der Wiener
hule für angewandte Kunst, präsentiert sich
em Werk erstmals in Paris. Die iunge
kkünstlerin, Mitglied des O.C.C., des Austrian
Council, eröffnete 1973 in Wien ihr Atelier
allte u. a. bereits in Faenza, New York,
Stockholm, Zürich aus. Ihre neuen Figu-
keramische Puppen von eigenwilliger
verraten erstaunliches technisches Können,
mit dem Mut, dem spröden Material neue
und formale Ausdruckswerte zu geben.
..
o.
ß.
Jansie wlSSEmü, Fotografie lda xeilinviiis, Rittersporn,1963
Wsburg Ostdeutsche Galerie Robert Ederer, Am Ende wurde das Wart", 1960
er Ausstellung 13. November bis Jönner
hrte man die Träger des Lovis-Corinth-
1976" Oskar Kokoschka, Christian Mischke
ainrich Klumbies. Christian Mischke, der
der drei Künstler, Schlesier, 1944 geboren,
te vorwiegend im Münchner und süddeut-
lereich, 197171972 auch an der Wiener
rnie bei Rudolf Hausner. Er wird als Realist"
ziert, knüpft mit seinem Werk an die
an an, formuliert überzeitlich in sehr per-
en Mitteilungen. Er erfindet quasi mensch-
andschaften, verbindet Menschliches und
ies, dieses wieder mit Tierischem und Baum
'auch zu neuen symbalbezogenen Wirk-
en. Oskar Kokoschka, dem wir in der vorigen
er 1481149 einen größeren Beitrag widmeten,
einer Auswahl seines druckgraphischen
von 1906-1976 vertreten. Die meisten dieser
stammen aus der neubegründeten
iischen Sammlung Rupsrtinvm" des Professors Goldene Revülutiünsmünle, 6B n. clii. Pavel Tfllelilthew, Bühnenbild, Berlin, im
ch Welz, Salzburg. Heinrich Klumbies, der
1974 in der Ostdeutschen ausgestellt war,
zum ehrenden Anlaß eine kleine Auswahl
Arbeiten aus den Jahren 1948-1976.
,"iii an"
atalFlorida Ringlings Museum
ien letzten Erwerbungen des Museums
en sich u. a. eine extrem seltene Lithographie,
nburgh 8. Ca.s Great Golden Chariat,
lden um 1860. Diese ist ein Geschenk von
Mrs. Don Smilh, ClintonlMich., an die
Callection des Museums Abb. 8.
illen Erkergalerie
orazio war mit Bildern 1974-1976 vom
vember 1976 bis 2B. Februar 1977 hier zu
Äußerdem war das bibliophile Buch von
iuchel Unbewohnbar die Trauer" mit acht
al-Lithographien von Dorazio und dessen
Erker-Presse gedrucktes Mappenwerk
kos" Gegenshnd derA"s5'e"""g' "lSt Jose li B'nd Ult lo 1967 Ul
den iii CIU rrtWClre an nii ni er,
leopold ne'opll ßW Gmßflfl Plls
ndesministerium für Wissenschaft
Forschung
sucherstalistik der staatlichen
iseen und Kunstsammlungen
76
Bundesministerium für Wissenschaft
Forschung gibt bekannt, daß in den ihm
erstehenden staatlichen Museen und
"um?! umumirrdr
JüLüiIIil
istsammlungen ln den Monaten h-"ew
laber 176.468
vember 112.292
ucher gezählt wurden.
Üüvld Smllü, Dle Elster, was. Seflgfdphle vdn Ainliiiigli d. Ca.s Gfedt Golden clidiioi, Um 1860.
Lithographie
41
Für den Kunstsammler
Wiener Kunst- und Antiquitötenmesse 1977
Unter den internationalen Kunst- und Antiquitäten-
messen hat sich die Wiener Veranstaltung im
Messepalast einen festumrissenen Platz
erobert. Die von Beginn an festgelegten Qualitäts-
kriterien brachten es mit sich, daß die
alliöhrliche Veranstaltung des Wiener Gremiums
zu einer weltweit anerkannten Leistungsschau des
österreichischen und speziell des Wiener Kunst-
handels wurde.
Die Leitung des Messeausschusses lag bis zum
Voriahr beim nunmehrigen Bundesgremialvorsteher
Kzr. Dr. Wolfgang Hofstötter. Seine neuen Aufgaben
machten es notwendig, die Leitung des Messe-
ousschusses in andere Hände zu legen.
Diese verantwortungsvolle Aufgabe wurde nun
mir Überantwortet.
Ich sehe den neuen Konstellationen Rechnung
tragend einige Möglichkeiten, die Messe für die
Zukunft noch attraktiver zu gestalten. Hat sich dach
auch innerhalb des Messeausschusses die Meinung
konstituiert, daß eine Erweiterung in Zukunft
wünschenswert ist. Die ersten fünf Jahre waren
Jahre der Prafilierung. Sie dienten dazu, der
Institution Wiener Kunst- und Antiquitötenmesse"
dieienige Basis zu schaffen, die unumgänglich
notwendig ist für ein gutes und alle Teile
zufriedenstellendes Gelingen. Nun, nachdem diese
Basis langsam wachsend und gesund geschaffen
wurde, scheint es allen Beteiligten an der Zeit,
die nächsten Schritte zu unternehmen.
Wir wollen die Messe bunter, vielschichtiger und
zugänglicher gestalten. Oberstes Kriterium bleibt
iedach nach wie vor die höchstmögliche Qualität.
Wir alle sind uns einig und wissen uns damit mit
der österreichischen Höndlerschaft einer
Meinung daß nur eine nach strengen Maßstäben
eingerichtete Messe als Visitenkarte des
österreichischen Kunsthandels fungieren darf.
Trotzdem und dies möchte ich besonders betonen,
darf diese Wiener Kunst- und Antiquitätenmesse
kein Exklusivplatz" der großen Händler sein.
Das Potential des heimischen Kunsthandels ist über
die Maßen groß und soll nun im Rahmen der
iöhrlichen Wiener Kunst- und Antiquitätenmesse
einen adäquaten Platz nach außen hin finden.
Folgendes wurde bis ietzt vom Messeausschuß
unternommen. Nach der Neukonstituierung des
Ausschusses, dem nun auch Vertreter der iüngeren
Händler angehören, wurde beschlossen, die Messe
auf eine möglichst breite Basis zu stellen. Im
Anschluß an eine vorläufig befriedigende Lösung
des Raumproblemes wurden alle Wiener und die
messeinteressierten Kollegen in den Bundesländern
angeschrieben und aufgefordert, sich an der
heurigen Messe zu beteiligen. Die neue, strenge
Messeordnung nimmt volle Rücksicht auf das breite
Spektrum des heutigen Kunsthandels und läßl auch
dem kleineren" Händler die Chance, sich unter
Beachtung der Messekriterien erfolgreich an der
Wiener Kunst- und Antiquitätenmesse zu
beteiligen. Die zahlreich eingegangenen
Anmeldungen sind vielversprechende Indizien für
ein abwechslungsreiches, breit getöchertes und
hohen Ansprüchen gerecht werdendes Programm.
Die neue Ausstellungsordnung, die Ausweitung des
Ausstellungsgutes auf heute bereits institutionalisierte
Sammlergebiete Jugendstil, Art Deca etc. und
eine effizientere Jury, die neu und nur aus
fachlichen Gründen gewählt wurde, sollen eine
über die Grenzen Usterreichs hinaus leistungsfähige
Messe garantieren, eine Messe, die federn Sammler
die überraschenden Möglichkeiten des
Fortsetzung Seite 45
42
Gesehen im Kunsthandel
Johann Christian Brand Wien 1722-1795
Parklandschaft mit Staffage", voll bezeichnet
,Brand fecitÄ UllKupfer, 77 96 crn
L. T. Neumann, ehem. K. u. K. Hof-Kunsthandlung
A-1014 Wien Kohlmarkt 11
Engel, oberösterreichisch, um 1700, Höhe 60 cm
Reste der originalen Polychromierung
Ehem. Sammlung Schütz
Wolfgang A. Siedler Antiquitäten
A-1010 Wien Spiegelgasse
Eckfauteuil, Frankreich, 1. Hälfte 18. Jahrhundert
Friedrich Kratschmann Antiquitäten
A-1010 Wien Spiegelgasse 15
Alpenländische Hodizeitstruhe, 1B. Jahrhundert
Zirbenholz, geschnitzt und bemalt
Hotgalerie Dr. Wolfgang Hofstätter
A-1010 Wien Spiegelgasse 14
Barock-Relief, flämisch, 18. Jahrhundert
Allegorie auf Kunst und Wissenschaft
Nußholz, 90 160 cm
Reinhold Hofstätter, KunsH-Kunstgewerbe
A-1010 Wien Doratheergasse 15 und
Bräunerstraße 12
Tafel-Aufsatz, Halitsch, um 1770, Höhe 19,5 cm
Czeslaw Bednarczyk, Kunst Anitiquitöten
A-1010 Wien Doratheergasse 12
Sigmund l'Allemand 1340-1910, Attackierende
Österreicher lsonzo?". Sign. und 1895 datiert
AquarelllKohle auf Papier, 32 43 cm
Galerie Krugerstraße 12
A-1010 Wien Krugerstraße
Hans Frank, Vitrine, Entw. 1947. Massiv und
furniert verarbeitet. Glastüren. 170, 90,
30 cm
galerie am graben, inge asenbaum
kunst des 20. iahrhunderts"
A-1010 Wien Graben
Auktionen
Dorotheum Wien
614. Kunstauktion, 30. November 3. Dezember 1976
Lucas Cranach d. A. 1472-1553
Mariahilfbild", rechts oben sign. gefiederte
Schlange, nach 1537.
OllHolz, 20 15,3 cm Kot-Nr. 19
Taxe 250.000.-
Erlös 900.000.-
10 Spätgotische Lindenholzreliefs, Anna Selbdritt
Mitte, Kot-Nr. 293, hl. Rochus
links, Kat.-Nr. 294, hl. Antonius Eremita
rechts, Kat.-Nr. 295 mit Polychram- und
Goldfassung, alle von Jörg Syrlin d. J., Ulm,
um 1520
Taxen 140.000.-, 90.000.-, 90.000.-
Erlöse 200.000.-, 280.000.-, 300.000.-
11 Albin Egger-Lienz 1869-1926, Der Unteregger
und die Rattin", 1910. Zu Schönherrs
Glaube und Heimat". Sign. TemperalLeinwandl
Karton, 60x 64,8 cm Kot-Nr. 1196
Taxe 45.000.- Erlös; 100.000.-
Kunsthaus am Museum, Köln
Auktion 69, 10.-13. November
12 Tonvase, um 1900. Sign. Langer, 56 cm
Erlös DM 1600.-
13 Kranenkännchen, Meißen, um 1740-1750
16,5 crn
Erlös DM 3500.-
Kunsthaus Lempertz, Köln
554. Auktion, Ostasiatische Kunst, 12. November 1976
14 Japanischer Forbholzschnitt von Kitagawa
Utamaro
Erlös DM 12.500.-
556. Auktion, Moderne Kunst, 3. Dezember 1976
15 Emil Nalde 1867-1956, Doppelbildnis hinter
Blumen, sign., 39 27 cm
Taxe DM 40.000.-
Galerie Koller, Zürich
Auktion 3612, 12. und 13. November 1976
16 Georges Rouault 1871-1958,
Grotesque. Cirque", um 1938, UllPapierlLein-
wand, u. rechts sign., 53 73 cm Kat.-Nr. 5166
Taxe sFr. 140.000.-
Bildfolge 1-16
13
Moderne Mäzene
Alter bäuerlicher Schmuck
Anhänger
Krapfkette
Taschenbesteck
Ferenc Barsady, Akt
Ferenc Borsadi, Landschaft
Erich Sauer, Betriedeter
Vietnamese
Erich Sauer, Kleinplastiken
mm-
Salzburger Landeshypothekenanstalt.
Die Ausstellungen im Romanischen Keller
Alte Salzburger Hafnerkunst
ln Zusammenarbeit mit der Salzburger Aktien-
gesellschaft für Elektrizitätswirtschaft SAFE wurden
historische Kacheln und Modeln einer ehemaligen
Salzburger Hafnerwerkstätte in der Steingasse
ausgestellt, die, zu einem späteren Zeitpunkt
vermauert, dort bei dem Umbau des Hauses entdeckt
wurden. Wie der Beitrag van Friederike Zaisberger
in diesem Heft, in dem auch nüher auf diesen Fund
eingegangen wird, beweist, war diese schöne
Ausstellung nicht zuletzt auch für die Erforschung der
Kunstgeschichte der Stadt Salzburg von besonderer
Bedeutung. 20. 2.-10. 3. 1976
Ferenc Borsodi
Der 1937 in Ungarn geborene Maler hatte sich 1961
bei Eduard Bäumer an der Akademie am Wiener
Stubenring sein Diplom geholt und ist nun im Wald-
viertel, in Hardegg an der Thaya, ansässig.
Ebenso überlegt wieder der eigene, bedöchtige
künstlerische Weg scheint der zeichnerische und
malerische Aufbau seiner Bilder zu sein. Im Braun-
Grau-Rot der Felder in Geras" etwa werden die
frisch geockerten Furchen der Waldviertler
hügeligen Wellen nicht nur zu künstlerischer Form,
sie sind auch Ausdruck hoher koloristischer
Begabung. Und Borsodis Phänomenologie des
Frauenkörpers macht iene feine erotische
Komponente deutlich, die künstlerisch hochstehenden
Akten immer eigen ist; die aber auch die
Aufdringlichkeiten und Abgeschmacktheiten mancher
Pseudo-Realisten" in das ihnen zustehende out"
verweist. 18. 3-6. 4. 1976
Meisterwerke zeitgenössischer Kunst"
wurden in Zusammenarbeit mit der Galerie Denise
Rene und Hans Mayer, Düsseldorf, dargeboten.
9. 14.-24. 4. 1976.
Erich Sauer
Der 46iöhrige, in seiner Heimat in Fronkenthal in der
Pfalz lebende Bildhauer hat einige neue seiner
selbst gegossenen Bronzeskulpturen gezeigt.
Seit 1970, seit der Meisterschüler von Marcello
Mascherini und Max Rieder an der Sommerakademie
auf der Festung den Preis der Stadt Salzburg"
erhielt, ist er in Salzburg kein Unbekannter mehr.
Die meisten seiner Arbeiten kreisen um das Thema
des Menschen; hinter Sauers Werk stehen tiefe
Reflexionen aus religiösem Ernst wie auch das
Wissen um die große Verantwortung, die dem
bildenden Künstler in unserer Zeit auferlegt ist.
4. 8-25. B. 1976
lrma Toledo
Über die hier gemeinsam mit der Salzburger
Kulturvereinigung gezeigte Ausstellung des
zehnteiligen Gemüldezyklus Bilder aus der
Genesis", vgl. Seite 36 ff. dieses Heftes.
15. 15.-17. 11. 1976
Alter bäuerlicher Schmuck
Diese Ausstellung zeigte erlesene, mit sicherem
Geschmack gefertigte Stücke, deren Wert weniger im
verwendeten Material besteht Gold fand dazu
kaum Verwendung sondern in der Art, in der die
anonymen Künstler ihr Können mit ihrem Gemüt
verbunden hatten, ihre Kunden mit Dingen zu
beglücken, die über den früher so harten Arbeitstag
hinaus von bleibendem, die Generationen
überdauernden Wert sein sollten. Besonderer Dank
galt dabei dem leider viel zu wenig bekannten
Heimathaus von Ried im lnnkreis, das durch
zahlreiche Leihgaben aus dem Sammelgut von
Pfarrer Veichtlbauer wesentlich dazu beitrugen,
diese Schau zu einem besonderen Ereignis im
weihnachtlichen Salzburg zu machen.
1. 12.731. 12. 1976 pr
SALZBURGER LANDESHYPOTHEKENANSTALT
44
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KUNSTABTEILUNG, WIEN, l., DOROTHEERGASSE 11,
Telefon 52 3129
615. Kunstauktion
15.. 16., 17. und 18. lVlärz1977.
14 Uhr
Gemälde, Graphik,
Skulpturen, antikes Mobiliar, Antiquitäten,
Waffen. Asiatika,
Jugendstil.
Besichtigung
10.,11., 12. und 14. lVlärz 1977, von 10 bis18 Uhr,
Sonntag, 13. lVlärz 1977, von bis13 Uhr
besonders hinweisen. Die Wiener Kunst- und
Antiquitätenmesse soll eine Messe für alle sein, für
den kleinen, wie den leidenschaftlichen Sammler, für
den rechnenden, wie für den über dem
Durchschnitt zahlungskrfiftigen. Die neue, ver-
größerte, abwechslungsreichem, letztlich iedoch
auch gelöuterte Basis soll dazu beitragen, eine
Verbindung herzustellen zwischen der gesamten
niveaukräftigen" Händlerschatt und den zahl-
reichen Vertrauen suchenden Sammlern und
Käufern. Die Wiener Kunst- und
Antiquitötenmesse 1977 ist eine Visitenkarte unseres
Berufsstandes; helfen wir alle zusammen, sie so
zu gestalten, daß das gesteckte Ziel erreicht
werden kann.
Reinhold Hafstötter
Internationale Auktiansvorschau
Auszug 111977
6.-10. März Los Angeles Sotheby Parke Bernet
Gemälde, Möbel, Antiquitäten u. a.
Wien, Darotheum
615. Kunstauktion
Gemälde, Graphik, Antiquitäten,
Skulpturen, antikes Mobiliar,
Waffen, Asiatica, Jugendstil
Brüssel Galerie Moderne
Gemälde, Möbel u. a.
Köln Kunsthaus am Museum
71. Auktion Alte Kunst
Wien Wendt KG
Numismatica, Münzen
München Neumeister KG
Antiquitäten, Skulpturen, Möbel,
Gerhälde, Graphik, Teppiche
Wien Darotheum
Münzen
Brüssel Galerie Moderne
Gemälde, Möbel u. a.
Wien Darotheum
Auktion
3.-5. Mai Zürich Auktianshaus Leu
Antike Münzen
4.15. Mai München Neumeister KG
Antiquitäten, Möbel u. a.
Wien Dorotheum
Auktion
Köln Kunsthaus Lempertz
557. Auktion, Alte Kunst
Gemälde, Skulpturen,
Kunstgewerbe
15.-18. März
15.116. März
16.-19. März
21 .-26. März
23124. März
5.-7. April
19.120. April
19.-22. April
10.-13. Mai
11.-13. Mai
Neue Sachlichkeit und Realismus
Die Kunst zwischen den Kriegen
ln Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für
Wissenschaft und Forschung veranstaltet das
Kulturamt der Stadt Wien im Museum des
20. Jahrhunderts vom 20. April bis 24. Juli 1977
eine Ausstellung, die der Malerei der zwanziger
und dreißiger Jahre gewidmet sein soll. Die unter
dem Begriff Neue Sachlichkeit" zusammengefaßten
Werke werden aus ganz Europa und den USA
stammen. Bedeutende Museen haben Leihabiekte
versprachen. So werden etwa ein Dutzend bekannte
Werke von Otto Dix, Georg Grass mit einigen
Hauptwerken, Carl Großberg, Franz Radziwill,
Rudolf Wacker, Erich Wegener, darüber hinaus
de Chirica, Picasso, Magritte und von den
Amerikanern Charles Sheeler, Stuart Davis,
Edward Hopper u. a. vertreten sein.
Das zeitkritische Thema, die Sazialkritik werden
ebenso zu Wort kommen wie das Stadtbild, das
lndustriemotiv, aber auch Stilleben, Porträt und
Landschaft. Ebenso sollen die Fotagrafiqdie Graphik
und das Plakat berücksichtigt werden.
Die Ausstellung wird ca. 150 Obiekte umfassen. A. V.
45
3.
g.
?..
C.
GE WALDMÜL
25 19,5 cm. S1gn.,.Wa
FE LER
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NölTRANS
1e der offenen Tür in NÖ
llertage in NU
eigene, sehr hoffnungsvolle Aktion startete die
ie Basilisk Klaus Lingens mit Unterstützung
'sten österr. Spar-Casse in Niederösterreich.
Niederösterreich wohnenden oder
enden bildenden Künstler wurden van der
ie eingeladen, an zwei Wochenenden ihre
rs allen Besuchern offenzuhalten.
ler, Bildhauer und Kunsthandwerker beteilig-
daran. Die Galerie schuf eine Werbeschrift
nem genauen Adressenverzeichnis aller
ge kommenden Künstler von Gmünd und
igg im Norden bis Maria Schutz im Süden.
Ankündigung wurde in hoher Auflage
ckt und den Beteiligten zur Verfügung gestellt.
lgedanke war, eine Kommunikation von
aroduzenten und -konsumenten zu schaffen,
espröch anzubahnen, in dem auch die
hen, die dem Kulturbetrieb eher abseits
einen Einblick in das Wollen und Schaffen
nzelnen Künstler bekommen. Der Erfolg war
ich sehr verschieden. 34 Künstler beurteilten
tion positiv, zehn negativ. lm ganzen waren
esucher gekommen, davon 75 Prozent
nte, 25 Prozent dem Künstler unbekannte
ien. 40 Künstler sind für, vier gegen eine
he Wiederholung der Aktion. Es wurde
zächlich darüber Klage geführt, daß die
nmedien dem Unternehmen zuwenig
tung und damit Unterstützung angedeihen
Doch das ist ia eine allgemeine und leider
itigte Klage der Kulturschattenden, da,
ders im Fernsehen, die Kultursendungen
mehr beschnitten oderlund zu ungünstigen
ausgestrahlt werden. Zu hoffen ist nun nur,
laus Lingens, der Veranstalter und Organi-
dieses Unternehmens, der, soweit wir das
iilen können, damit nur Arbeit und keinen
iellen Gewinn hat, nicht den Mut verliert,
rn im nächsten Jahr wieder eine Woche der
Tür" organisiert. 18.-26.9.1976 Alois Vogel
a... Heime. TahedllMühle in Leodagger
MünchenfHaus der Kunst
Wassily Kandinsky
Vom 13. November 1976 bis zum 30. Jänner 1977
wurde hier Kandinskys schöpferisches Werk über
den Zeitraum von mehr als vier Jahrzehnten
eindrucksvoll und monumental dokumentiert.
Jede Schaffensperiode des Künstlers war mit
Spitzenwerken aller angewandten Techniken
vergegenwörtigt. So wurde die expressive Phase
bis zu den abstrakten Werken vor dem 1. Weltkrieg
ebenso deutlich wie die Bauhauszeit in Weimar
und Dessau mit ihren geametrisierenden, klaren
Formen und Farben oder die Jahre des Pariser
Aufenthaltes mit den heiter gelösten Arbeiten
der Spätzeit.
Wassily Kandinsky, Holzschnitt für den Almanach Der
blaue Reiter", 1911
Wassily Kandinsky, Geordnete Anhäufung, 1938
Werke von Johann Adam Klein gesucht
Im Anschluß an den 1975 erschienenen Nürnberger
Bestandskatalog von Zeichnungen Johann Adam
Kleins soll ein Verzeichnis seiner Gemälde
herausgegeben werden. Alle Besitzer von Gemälden
Kleins werden gebeten, sich in Verbindung zu
setzen mit Frau Dr. Renate Freitag-Stadler,
clo Stadtgeschichtliche Museen Nürnberg, Burg
Kaiserstallung, D-BSOO Nürnberg.
Im Atelier Josef SchagerllKapelle in Rating
Varia,
BuchbesprechungenlBildnachweis
Waltraud Neuwirth, Wiener Gold- und
Silberschmiede und ihre Punzen 1867-1922.
Lexikon A-K, Eigenverlag, 368 Seiten,
43 Farbabb., 72 Schwarzweißabb, 1291 Punzen,
196 Strichzeichnungen, Subskriptionspreis
bis 1. 6. 1977 öS 650.-, nachher öS 750.-
Das Buch ist streng gegliedert. Die Annalen
englisch und deutsch der Wiener Goldschmiede,
beginnend mit der ersten amtlichen Erwähnung
eines verstorbenen Goldschmiedes 1170 leiten ein,
es folgt eine Aufzählung der Wiener Punzen
vorn 16. bis zum 20. Jahrhundert sowie die
dazugehörenden Punztafeln und der Hauptteil, das
Verzeichnis der Wiener Gold- und Silberschmiede
von bis K. Ein Verzeichnis der entwerfenden
Künstler beschließt den Band.
In dem Register der Wiener Gold- und Silber-
schmiede wird uns über alle Firmen Auskunft
gegeben. Das ist manchmal mit der Namensnennung,
Berufsbezeichnung und Adresse abgetan, wobei
man überrascht ist, wieviele Firmen es gegeben hat,
doch bei bekannten Gewerbebetrieben finden
wir neben dem Punzzeichen eine ausführliche
Aufstellung über die verschiedenen Arbeitsgebiete,
über Auftraggeber, über besonders hervorzuhebende
Werke, die Namen der künstlerischen
Entwerfer u. v. a. Die Abbildungen und die vielen
Strichzeichnungen zeigen erlesene Stücke sowohl
aus Museumsbesitz als auch aus privaten
Sammlungen, wobei viele Spitzenleistungen auf
diesem Gebiet hier einwandfrei dokumentiert
werden. Daß alle diese Angaben, Aufzeichnungen,
Auszüge aus den verschiedensten
Fachzeitschriften etc., etc. von einer einzigen
Person zusammengetragen werden kannten, zeugt
von dem bienenartigen Fleiß und der Liebe zur
Materie der Verfasserin.
Alois Vogel
Großkampfschifte des ersten Weltkrieges.
Eine illustrierte Enzyklopädie der Schlachtschiffe
aller Nationen 1914-1918
Herausgegeben von Anthony Prestan. Graz 1976
260 Seiten Text und Illustrationen 270 Photos,
300 Zeichnungen
Anthony Preston vom Staatlichen Englischen Marine-
museum in Greenwich, England, bringt in dem von
ihm herausgegebenen Schitfsbuch Daten, Abbil-
dungen und Lebensläufe aller Schlachtschiffe des
ersten Weltkrieges. Es ist ein mit höchster Akribie
gearbeitetes Nachschlagewerk, das für die
genaue historische Erkenntnis des ersten Weltkrieges
von großer Bedeutung ist. Es wird in dem Buch
durch Text, Photos und Zeichnungen ein eindrucks-
volles Bild von ienen Schiffen gezeichnet, die für
viele Leute die faszinierendsten, die ehrfurcht-
erweckendsten sind, die ie gebaut wurden. Dem
Historiker aber wird ein bisher nicht zusammen-
gestelltes Material in die Hand gegeben, mit Hilfe
dessen er eine der wesentlichsten Seiten des
ersten Weltkrieges besser erkennen wird können.
Ein würdiges Werk eines Fachmannes aus einem
Marinemuseum. Hanna EQQSY
Bildnachweis Seitenangabe in Ziffern
Galerie Alles, was Flügel hat, fliegt" Kunst-Kon-
taktelArt-Contacts, Wien, 35 Archiv AMK Wienl
Salzburg 36-39, 41-43, 45, 47-49 Bayerisches Natio-
nalmuseum, München, Archiv G. Beinrücker-Fleck,
Wien, 34 Landesbildstelle Bremen, 23, 25 Salz-
burger Museum Carolino Augusteum, Salzburg, 15-18
Düsseldorfer Kunstmuseum, Düsseldorf, 17 -Diö-
zesanmuseum Freising, 1-5, K. Gramer, Blssin-
genlEnz, St. Krebs, München, Archiv Dr.
U. Kultermann, St. LouislUSA, 25 Kunsthalle Bre-
men, 24 Landeshypothekenanstalt Salzburg, 44
Österreichisches Museum für angewandte Kunst!
Bibliothek, Wien, 8-14 Archiv, 51 H. Sager, Salz-
burg, 21 Archiv Dr. G.-D. Stein, Salzburg, 26-33
M. Windischbauer, Salzburg, 22 Archiv Dr. F. Zais-
berger, Salzburg. 20-22.
KUNöURANö
ANTQUUÄTHWNOEJEL
SPEDÜKDNS "ESMBH
Für den Kunstsammler
Johannes Neuhardt
KÖstlich altes WachsgebiId"
Das Dammuseum zu Salzburg veranstaltet vom 15, Mai bis
15. Oktober 1977 eine Sanderschuu zum Thema Köstlich
altes Wachsgebild". Damit wird ein selten gezeigter Zweig
des Kunstgewerbes dargestellt, der zu Unrecht heute wenig
Beachtung findet. Die Absicht der Ausstellungsleitungl ist es,
aus dem breiten Spektrum historisch bezeugter erweri-
dungsmagliclikeiten des Wachses iene herauszugreiferi, die
im süddeutsch-österreichischen Raum in der Neuzeit besan-
ders verbreitet waren'.
Kaum ein Rohstoff, der Künstlern zur Verwirklichung
ihrer Ideen dient, ist so vergänglich wie das
Wachs. Hat der rohe Steinblock oder der behauene
Holzstamm eine endgültige Form gefunden und
blieb damit einer neuerlichen Verwendung
entzogen, so kann man aus einem Klumpen Wachs
unendlich viele Entwürfe modellieren. Dazu kommt,
daß das Wachs früher einen viel höheren Preis
hatte als heute. Kostete um 1600 ein Pfund Fleisch
kr, so mußte man für dasselbe Gewicht in Wachs
das Zehnfache bezahlen.
Was die Technik der Wachsverarbeitung betrifft,
so sind zunächst die kommerziellen Zunftbetriebe
der Wachszieher zu nennen. In den meisten
Städten waren sie mit den Lebzeltern in einem
Gewerbe beisammen. Sowohl im Alltagsleben wie
im kultischen Bereich war der Bedarf an Wachs
enorm. Unter den Beleuchtungsmöglichkeiten Fackel,
Öllümpchen, Kienspan und Kerze war letztere die
vornehmste und begehrteste.
Das Christentum hatte sich zwar anfangs gegen die
Verwendung der Kerze in seiner Liturgie gesperrt;
war das Wachs doch eindeutig durch die
Verwendung in heidnischen Kulten und die
angebliche Herkunft aus den Tränen des Sonnen-
gottes Re vorbelastet? Erst im Verlauf des
3. Jahrhunderts begegnet uns in der christlichen
Liturgie die Verwendung der Kerze, die aber nun
durch die tiefsinnigen Deutungen der Kirchenvöter
eine ganz neue Motivation erfährt Die Kerze, die,
sich selbst verzehrend, anderen Licht spendet,
wird zum Sinnbild christlichen Lebens, Inbegriff
dieser christlichen Deutung ist der herrliche Preis-
gesang der Kerze llaus cerei, den ein unbekannter
Verfasser im 5. Jahrhundert für die Osternacht-
liturgie geschaffen hat. Das Licht wird
gleichbedeutend mit Christus selbst. Als sichtbarer
Ausdruck dessen begegnet uns schon im Rom des
9. Jahrhunderts der Brauch, die vom Papst
gesegnete Osterkerze zu zerstückeln und zu
Agnus Dei" umzuschmelzen, die als hochbegehrte
Weihegegenstände in alle Welt versandt wurden".
Darüber hinaus aber wurde die Kerze zur Votivgabe
schlechthin, auf Wallfahrten von Einzelpersonen,
vor allem aber von Gemeinden und Standes-
organisationen mitgetragen, soll sie stellverr
tretend für die Votanten ständig deren Dankbarkeit
vor dem Gnadenbild zum Ausdruck bringen.
Leider sind die einst immensen Bestände an
Votivkerzen auch hierzulande vor allem durch das
Unverstehen der Aufklärungszeit arg dezimiert
worden, Die größte derartige Sammlung besitzt
noch das Kloster Andechsi Die älteste dieser
224 Stück historischer Votivkerzen stammt aus dem
Jahre 1556. lm Bereich des alten Hoch- und
Erzstiftes Salzburg existieren in dem früher sehr
besuchten Wallfahrtsort FeichtenlAlz noch 18 Stück
z. T. mannshoher, in Öl oder Eiweißtempera
bemalter Votivkerzen. Diese werden ebenso wie die
1610 von der gröflichen Familie Kuenburg nach
St. Leanhard bei Tamsweg gestifteten Kerzen
auf der Ausstellung zu sehen sein. Was darüber
hinaus noch die Wachszieher für kultische
Zwecke liefern mußten lwachsstöcke, im Hohlguß
hergestellte Abdrücke von Modeln menschlicher
oder tierischer Gestalten ist in Exemplaren von
seltener Größe zu sehen.
Weitaus bedeutsamer als die handwerksmößige
Produktion des Gebrauchswachses war seine
künstlerische Verarbeitung Die Keroplastik und die
Enkaustik. Zahlreiche Bildhauer haben sich in dem
Wachsvotivfigureri Mann, um 1700, 161 cm Frau,
um 1620, 160 cm Kind, um 162i, 91 cm. Pfarrkirche
Pürthen bei MühldarflObb,
Vativkerze, Salzburg, um 1700. Salzburger Dornschatz,
143 cm.
Madonna mit Kind, um 1700. Wachsbossierarbeit, 7l
cm. Stift NannberglSb.
Anmerkungen l-ll
lVgl. zum ganzen Reinhard Büll. Vom Wachs, Frank-
furt 1955 rr. Letzer Re ister-lBand steht vor der Aus-
lieferung. Ferner c. J. k... biagraphical dictionary
of wax rnadellers, Oxford m.
W. Erüdrner Cera Virgo Cera Virglnea, in Zeitschrift
für Volkskunde LlX, 1963, S. 233 N.
'Eugen Wohlhaupter oh. Kerze im Redit, Weimar 194D.
'Georg Lill Die Kerzen im Wachsgewölb des Klosters
gmgälzflis, in Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde, 1950,
äEllgett von Fhilippavich
Braunschweig im, S. 141.
Kuriositiiten Antiquitäten,
Johann Baptist Cetta, Erzbischof Johann Ernst Grat
Thun geleitet seine Schwester Anne-Ernestine zum Kla-
ster Nannberg, um 1720. Wachsbild, 17 13 cm.
Ecce homo, um 171D. Wachsbossierte Arbeit. Salzburg,
1750.
Privatbesitz.
Wachsfigur, bekleidet,
52 cm. Stift NonnberglSb
Prager Jesukind, um
sdrirididrridue Lemirtger, Unim-Prof Dr. P. DOmlhikUS
Back osß, Salzburg, um wo Wachsbüste, 70 CtTt.
tM. oeridriud VUh Eckardt I. s. v. Mllnciterl, die Gtlßlt
die Süllbllrger Ausstellung kanservatorisch betreut, ist
die Wiederherstellung der zerlrümmerten Gruppe zu
ddrikeri.
7FTGHZ Mdflift Die Wallfahrtskirche St. Leeriiidrd bei
Tamsweg, TUMSWEQ 194a, s. so.
'Benedikt Pillwein Biographische Schilderung oder Lexi-
kon Salzburgischer riieiis verstorbener theils lebender
Künstler, GUClI solcher, welche Kunstwerke für SdlZbUrQ
lieferten, Salzburg 1821, s. m.
'Tdgebllcll des Abtes Dßmirtikus
St. Peter, unpubl. Hs 75, s. 135
M. Danatilla Eckardt 1. B. M. V. Die Familie Cetto,
in Das Salzfaß 1977, Heft 1.
Pillwein a. G. s. m.
Haaenauer OSB von
Material des Possierwachses versucht. Nicht bloß
zu dem in der Technik der verlorenen Form
hergestellten Bronzeguß benötigten sie Unmengen
von Wachs; auch für den Medailleur und Graveur
war Wachs der unerlößliche Grundstoff seiner
Kunst. Entweder aus freier Hand oder mit Hilfe der
zugehörigen Formen entstanden die unglaublichsten
Gebilde.
lm kirchlichen Raum benötigte man vor allem voll-
runde Wochsbüsten zum Schmuck der Festtagsaltöre
oder zur Ausstattung der Katakombenheiligen,
die vom 1B. Jahrhundert an in kostbaren Glas-
schreinen auf den Altören zur Schau gestellt wurden.
Die bedeutendsten Keroplastiken aber haben
sich in Wallfahrtsorten befunden, wo der Votant
sein Eigengewicht als Wachsfigur gespendet hat.
Das älteste erhaltene Beispiel hiefür ist die um 1470
entstandene Figur, die sich im Museum
Ferdinandeum in Innsbruck befindet. Sie ist 135 crn
hoch und über einen Holzkern frei modelliert;
dargestellt ist vermutlich der knieende Graf
Leonard von Görzs.
Gleichfalls Unika in ihrer Art stellen die drei
unterlebensgroßen vollrund modellierten Wachs-
figuren dar, die sich in dem einst salzburgischen
Wallfahrtsort Pürthen am lnn aus der Zeit um 1630
bzw. 1700 erhalten haben's. Daß unzählige solche
wöchserne Votivfiguren einst vorhanden waren, ist
in den Ablieterungsinventaren, vor altem der
Aufklärungs- und Sökularisationszeit, belegt;
stellvertretend für diese möge die des Grafen
Rudolf von Tyrnstein Kärnten genannt sein, der um
1630 seine 119,5 Pfund schwere Figur nach
St. Leonhard in Tamsweg gespendet hat. 1793 wurde
diese an den ortsansässigen Lebzelter als den
Meistbietenden versteigerV.
Trotz dieser enormen Verluste an historischen
Werken der Keroplastik im späten 18. Jahrhundert
entstand eben in dieser Epoche ein anderer Zweig
wieder zu neuem Leben Die Wachsfigurenkabinette.
Hatte schon die Spätantike die Verformbarkeit
des Wachses in der Funeralplastik genutzt und so
dem Ahnenkult eine unerhörte Ausdrucksmöglichkeit
verschafft, so begann man im 18. Jahrhundert, sich
den Realismus der Keroplastik wieder zunutze
zu machen Es entstanden die Panoptiken des
Kuriosen und Kriminellen, den Chambres of Horror,
den Folterkammern, Hinrichtungsszenen und
Mörderbildnisse der Wachsfigurenkabinette.
Auch Salzburg verfügte über ein solches, das der
Schuhmacher Bartholomüus Leminger 1752-1810
begründet hat". Seit 1797 reiste er mit seinen
Wachsfiguren durch die Lande. Einige hievon,
darunter die Büste des Salzburger Professors der
Mathematik P. Dominikus Beck OSB, wird die
Ausstellung noch zeigeny.
Ein weiterer besonderer Glücksfall hat eine
spezielle Art der in Salzburg gepflegten Wachs-
bossierungen erhalten. Im Kunstkabinett der
Erzabtei St. Peter befinden sich noch über hundert
Exemplare der Arbeiten, die Joh. Bapt. Cetto
gest. 1738 und sein Sohn Nikolaus Engelbert
gest. 1746 in Tittmoning gefertigt haben. Es handelt
sich hiebei um feinste Bassierungen, die, gerahmt
und hinter Glas, die Jahrhunderte überdauert
haben. Vieltigurige Szenen profaner oder sakraler
Thematik wurden in millimeterdünnem Wachs
bossiert. Die Bilder waren als Elfenbeinimitationen
sehr gesucht. Im Katalog der Salzburger Ausstellung
wird erstmals ein Gesamtaeuvre der Arbeiten
der Familie Cetto vorgelegt.
Als letzter Zweig der in Salzburg einst geübten
künstlerischen Bearbeitung des Wachses sei die
Enkaustik genannt. Im Ernpire besonders begehrt,
ließ Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo durch
seinen Kabinettmaler und Galerieinspektor Andreas
Nesselthaler 1742-1821 eine große Sammlung
enkaustischer Malereien anlegen. Nesselthaler hatte
zuvor schon im Dienste des Königs von Neapel für
Caserta ein Kabinett mit enkaustischen
Malereien angelegt. Leider hat von den 56 Stück
dieser seltenen Technik, die Nesselthaler17B9-1792
für Salzburg anfertigte, keines die Plünderung
General Moreaus im Jahre 1800 überdauert.
49
Österreichisches Museum für angewandte Kunst
Blickpunkte
Far-west-Ausstellung
geöffnet noch bis 11. April 1977, 15.000 Besucher
in der Anfangsphase. Vorwiegend kleines" und
junges Publikum. Reger Zustrom zu den Sonder-
veranstaltungen Filme, Songs, Theater.
Aufschlußreiche, lebendige Führungen.
Ikonen aus Bulgarien
vom 9.-19. Jahrhundert
Knapp vor Eröffnung 16. Februar 1977. 202 Werke
sakraler Kunst durch 1000 Jahre aus 42 bulgarischen
Museen versprechen eine interessante Schau aus
Kirchen und Klästern der bulgarischen Ostkirche.
Das Bild der Antike in Renaissance
und Barock
geöffnet noch bis 31. März 1977. Besonderer
Zuspruch all derer, die eine weitere Möglichkeit,
die bedeutenden Bestände der Bibliothek an
humanistischer Literatur, zur besseren Kenntnis der
Antike ausgestellt, nützen wollten.
Zahlreiche instruktive Führungen.
Wiener Porzellan echt oder gefälscht
geöffnet nach bis 31. März 1977. In Verbindung mit
Seminaren eine der zugkräftigsten Veranstaltungen
bisher. Zahlreiche Interessenten, Private,
Studenten u. a. erleben intensivstes Praktikum
anhand hochinteressanter Beispiele.
Mittelalterliche Keramik
Nachtrag zur Präsentation von Unbekannten
Schätzen aus den Depots", dem Publikum bislang
nicht zugänglich. Erstmals wurden ergänzend
Obiekte zur bestehenden Keramiksammlung gezeigt
und bestens demonstriert.
Altorientalische Knüpfteppiche
Derzeit im Vorstadium die alljährliche Ausstellung
in Schloß Halbturn, Burgenland. Alle Teppiche
sind aus dem Besitz des Österreichischen Museums.
Voraussichtliche Eröffnung Anfang Juni. Dauer
dieser bedeutenden Ausstellung bis Ende November.
Für Kunsttouristen.
Sonstiges
Der Bauzustand des Museums, nach wie vor äußerst
kritisch, macht einen geordneten Museumsbesuch
unmdglich. Die Direktion des Hauses bittet
um Verständnis von seilen der Besucher und hofft,
mit den oben erwähnten Ausstellungen einigermaßen
Ausgleich zu schaffen.
Vestibül der neuen österreidiischen Botsdiaft in Tokio
Vorhang mit Schildkrötenmotiv und zwei Stühle von
Ch. Rennie Mackintosh.
Arbeitswelt des Oskar Bottoli. Aufstellen eines Tannen
schweren Steines.
Oskar Bottolis Atelier Der Künstler am Ambos Oskar
Bottoli, Don Quiiote, Büste, 1972, 45 cm.
50
Blick in die Lounge der Botschaft s. Abb. 1. Möbel
Josef Hoffmann und Gabelisse Kola Moser u. a.
äoseth Binders Studio iri New York, am Central Park
Out
Joseph Binder, New York, Pastell, was
gäseph Binder, Los Lunas, lndianerdorf, N. M. Pastell,
Oskar Botlcrli, Penthesilea, im. Krastaler Marmor,
42 42 cm.
Ostorio Toishikon
Die neue österreichische Botschaft in Tokio
Das ästhetische Konzept zur
Raumgestaltung
Neues Haus, Parterresaal,
Wien Stubenring
23. 9.-27. 10. 1976
Gemeinsame Veranstalter dieser Spontanausstellung
waren die Österreichisch-Japanische Gesellschaft
und das Österreichische Museum für angewandte
Kunst. Einerseits war diese eine Präsentation eines
Beispiels für die Verwendung der auf dem
Gebiet der angewandten Ästhetik" an der
Technischen Universität Wien gewonnenen
Erkenntnisse. Andererseits konnte mit dieser Schau
die Aufgabe des Museums, kunsterzieherisdi zu
wirken und Einfluß auszuüben im Sinne einer
vorbildhoften Erneuerung der Gestaltung von lnnen-
räumen, dem lnterieur, weiter verfolgt werden.
Weiterliegender Ausgangspunkt das Jahr 1873,
Japans Auftreten auf der Wiener Weltausstellung,
das einen ganz wesentlichen Einfluß auf die
österreichischen Künstler ausübte und nachhaltig
den Jugendstil mitprägte. Hier sublimierten sich in
einem Stil das künstlerische Empfinden zweier
Völker wie selten zuvor.
Als die Baufälligkeit der österreichischen Botschaft
in Tokio die Errichtung eines Neubaues bedingte,
war man sich darüber einig, nicht nur ein Stück
Österreich im fernen Orient, sondern eine
Institution zu errichten, die eine Synthese
zwischen Moderne und Tradition darstellt. Über-
drüssig des gewiß repräsentativen Barock und
Biedermeier, ergab sich wie von selbst eine
Verwendung angewandten Jugendstils" für das
lnnenräumliche. Dem Neubau als Ganzem stand
der berühmte iapanische Architekt Fumihiko Maki
als Verantwortlicher vor. Architekt Dr. Emmerich
Simoncsics von der Technischen Universität Wien
fungierte als initiativer Koordinator in allen
entscheidenden Planungsstadien. Er wollte vorerst
als doch wesensfremdes, wenngleich sicher
vorzügliches Äquivalent innenräumlich skandinavisch
ausstatten. Wie immer, der Gegenvorschlag, fast
sich als einziges anbietend, sich der Vorbilder und
Elemente des Jugendstils zu bedienen, fand
besonders von iapanischer Seite Zustimmung.
Die Exhibition in einem Parterresaal des
Neuen Hauses auf bemessenem Raum vereint,
konnte nur einen von einzelnen Obiekten her
bestimmten Abklatsch der wirklichen Situation, nur
fragmentarisch die Grundsätzlichkeiten des
zugrunde liegenden ästhetischen Konzeptes" der
neuen österreichischen Botschaft in Tokio sichtbar
machen. Deutlich unter Beweis gestellt schien aber
die seltene Gelegenheit, wie zwei Völker,
in der Symbiose eines künstlerischen Stiles
gleicherweise angesprochen, auch dem
Grundgedanken einer Botschaft als einer mittlernden
Institution gerecht wurden und in einer harmonischen
Lösung alles vereinen konnten. Ein Glücksfall, der
sich anderswo kaum so schnell anbieten wird.
Renommierte Firmen wie Thonet, Wittmonn, Cassina,
Maderria, Vesna-Design, Iris, die Firma GPX,
stellten so gut wie originale Ersatzobiekte" als
die Ausstatter, das Museum ergänzte durch typische
Möbel aus seinem reichen Bestand. Aus seinen
mit Künstlern und Wissenschaftlern gemeinsam
durchgeführten interdisziplinären Experimenten
heraus will Dr. Simancsics eine neue Form finden,
die gebaute" Umwelt menschenfreundlicher
zu gestalten. Erste Ansätze sollte diese Ausstellung
liefern.
Joseph Binder
Amerikanische Impressionen 1933-1935
Altes Haus, Eitelbergersaal,
Wien Stubenring
8.10.-7.11. 1976
Sich mit der Ausnohmeerscheinung, der wirklich
großen Persönlichkeit Joseph Binders zu
beschäftigen, bereitet immerzu neue Bereicherung,
ia echte Faszination. Aus seinen Maximen und
Aphorismen ereicht uns heute so viel universelle
Abgeklärtheit und Offenheit, die doppelt berührt
und gibt. Wir kennen Binder als den großer
künstler, als einen geborenen Österreicher,
obwohl in seiner Heimat anerkannt und eini
bedeutendsten Künstler Österreichs, in den
später noch bedeutender wurde. Und Binder
diese seine neue Heimat, die Neue Welt",
ersten Augenblick an zu lieben. Als er nach
ging, reckte sich in seiner Heimatstadt Wien,
in der er erste Lorbeeren als Plakatkünstler
gesammelt hatte, einsam neben dem Stephar
das Hochhaus in der Herrengasse als erster
Wolken"-kratzer in den damals nocn reiner
Wiener Himmel. Und da mußte man exponie
stehen oder am Wiener Hausberg, um diese
bauliche Explosivität" so richtig mitzubekor
Was muß einen Joseph Binder alles bewegt
als er South-Manhattan, der unermeßlichen
und Glaswände in schwindelnde Höhen hina
langer Seereise zum erstenmal ansichtig wur
Als er diese in seinem nahezu romantischen
Studio am Centralpark in die Teiche hinabsp
sah? Aber Binder, der große Erfasser eine
Bildes, einer Wesenheit, einer Atmosphäre,
nicht lange betrachten. Diese neue Welt voll
verwegener, atemberaubender Eindrücke,
die urban-alpinen Gigontissima, mußten von
exzellenten Zeichner wie ihm festgehalten
werden. In lockerer, flüchtiger Weise in Pastt
impressionen. So zeichnete er sich 1933 bis
als Gastdozent in die USA berufen auf seii
Reisen auer durch das nordamerikanische
Territorium von New York bis Chikago und
Milwaukee bis Los Angeles. Gleichzeitig und
nebenher entdeckte" er diese völlig neue Vt
ihn wirklich und wahrhaftig neue. Skylines di
wachsenden Metropolen, Steamer auf Strömi
Binnenseen, Ölfelder und Bohrtürme, Cottag
und Villages, Canyons, Wüsten und
Eldorados, den differenten Kontrast aller ihn
erreichbarer Menschentypen. Hafenarbeiter,
Mestizen, Cowboys, Indianer, Farmer, Neger
Schlafwandlerisch sicher legte er anatomiscl
Grundstrukturen, Leitmotive, Posen bloß. Zuv
sehr plakativ, in farbigem Forte, aber stets ir
in sich akkordierend. Vielleicht ist hier Binde
früheste Erfahrung und Lerntätigkeit als l.itl
ins Auge zu fassen, die ihm das Rüstzeug für
seine späteren künstlerischen Aufgaben aufb
half. Das Sezieren eines vorerst fremden
vorliegenden graphischen Entwurfes, das zur
Reproduktion notwendige Offen- und Freileg
Strukturen, den formalen wie farblichen Wer
eines solchen. Dieses An- und Durchschauen
eines graphischen Originals durch mehrereS
und sein Auflösen in Konturen, das Erspüren
der Farbwerte zum Zusammendruck scheint
geborenen Künstler Binder eine solide, ia gei
glückhafte Basis gegeben zu haben.
Die Ausstellung im Eitelbergersaal, intimen
Charakters, zentral beherrscht von einer Bild
dokumentation, gestattete rundum, selbst nac
vierzig Jahren des Entstehens der Pastelle, ei
Blick in das Herz und Wesen einer Welt, die
noch einer gewissen Magie, einer Unentdeckt
nicht entbehrt. Von einer Hand aufgezeichnet
eminente künstlerische Größe wir nidit oft
genug würdigen können die des Plakatkünst
Binder, der an vorderster Stelle bahnbrechen
Antlitz des 20. Jahrhunderts in zeitgemäßer,
völlig eigenständiger Weise mitformte.
Vielleicht rundet folgendes zu Binders Positii
ab, wenn wir hier festhalten, daß er der am
ausgezeichnete Künstler in Plakatkonkurrenzr
war, bei denen namhafte Künstler als Jurorei
agierten. Und das sagt eigentlich wirklich Ulll
Zum Schluß noch einmal angesichts seiner
Amerikanischen lmpressionen" Joseph Bindt
selber Den bewußten Moment unbeachtet
vorübergehen lassen? Der Entschluß des Will
kurz. Wenn der Moment verloren ist, ist der
Wille verloren."
Wenn es nicht menschlich vermessen wäre, rn
wir sagen, Joseph Binder hat nicht oder kaun
einen Moment verloren.
ar Boftoli
ilog Neue Folge Nr. 42
Haus, Söulenhof, Wien Stubenring
?.-3l. lO. 1976 verlängert bis 14. ll. 1976
ll' Bottoli ist Bildhauer. Urwüchsig, kauzig,
er am Menschen, an der Kreatur, am Gegen-
;l. immer auf der Suche, lebt er in keinem
beinernen Turm. Im Gegenteil. lhn umweht
rauhe Wiener Luft von ienseits der Donau,
iell iene der Schwarzlackenau, die frisch hält.
1det auf Anhieb Kontakt, inmitten von
ebend, registriert er uns alle, ordnet uns ein,
zi er gelegentlich über den Umweg ins
zrische das eine und das andere von und
is in einer Gestalt leibhaftig" vereint.
"rinnen wir uns dann bisweilen alle miteinander
eser oder iener Figur des Künstlers auch
1nen. Manches erkennen, eine Geste, eine Pose,
ragen der Augen, steinernen Ernst, Resignation.
ir Bottoli bildhauert das sogenannte
vmein Menschliche, gefiltert durch seinen
tierischen Instinkt. Manchmal, ia sehr oft,
er seinen Abbildern des Lebens den Schalk ins
ck, verbrämt er mit Humor. Gesundem versteht
denn davon hat er iede Menge.
profitiert sein Werk und letztens wir.
ier Präsentation des bildhauerischen Werkes
Oskar Bottoli im Söulenhaf des Museums griff
at Prof. Dr. Wilhelm Mrazek bewußt eine alfe
ition auf. In größerem Rahmen war dies mit der
n-Hanak-Ausstellung der Fall.
ihnliche Vorhaben sollten wir festhalten,
eine weniger bewußte Anlehnung an die
ahende Architektur, an Säule und Sockel und
den möglicherweise dem Werk Bottolis stärkere
ung verschafft hätte. Gerade sein Werk in
entrierter, dichterer zentraler Auf- und
tellung hätte dessen komplexes Eigenleben
örkt zur Geltung bringen können.
Bottoli von Wotruba herkommt, ist kaum
inbar. Wie auch, ist er doch ein eigener von
ng an. Spontan brach in Kriegszeiten, als er
undet, sein künstlerischer Weg auf. Saldatischer
ertan" des Führers, der er war, lehrte ihn
er das Gruseln und ließ ihn alle Abgründe des
ies schauen. Ein Krieg, der einen Bottoli erst
human sein ließ, van Natur aus war er es
er schon. Vieles Geschaute" aus diesem
no reift nun in seinem Werk, lüßt ihn den
schen, die Kreatur anders sehen. Kein Zufall ist,
er der Riesenplastik eines steinernen Menschen
vinzige Bronzeplastik eines Pferdes
ißen stellt, kaum so groß wie deren fünf
imutzehen. Damit drückt Battali eine ganze
aus. Die unsere, angeknackste, ver- und
illende, in der der immer fortschreitende
sch, Herr und Maß aller Dinge, der Kreatur das
terben verordnet. Diese wird klein, ist gering
arden, fast unnötig, und der Roßmist für
zbergartler, einst begehrt, scheint
wdar auf pneuverwalzten Straßen. Er sieht uns
ach nur als Visuelle, als reine Augenmenschen.
ausgefahrenen Periskopen von U-Baaten
in gleicher Funktion werfen seine Wesen
zveit vorstehenden Augen ihre Blicke. Blicke
ordern, die glotzend, bohrend alles an sich
an, die als ein wahrlich hervortretendes
akteristikum seiner Schöpfungen gelten.
xr Bottolis Vitalität stellt den Mittfünfziger fast
in die Dreißiger. Pölzt er sich doch tonnen-
ere Steine, kocht sich und seinen Gästen,
prominenten, selber beste Gerichte und ist
idrein ein Unterhalter" ersten Ranges. Mit
Humor begnadet, der ihn liebenswert macht.
dieses alles schlägt nieder in seinem
macht ihn aus diesem so lebendig und
isnah. Ihn, den Gegenstöndlichen",
man nicht den gängigen, kontemporären
nungen moderner Plastik zuordnen.
0er, dem sichtbaren Menschen- und Kreaturen-
verpflichtet, knüpft an das, was nie zu bestehen
ören darf das Bemühen, das leibliche Bild
Vlenschen selber künstlerisch darzustellen.
leopold netopil
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KUNSTHAUS AM MUSEUM
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wohnen menschlicher zu machen
ClRCULO13 wurde 1975 in
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colurnbien. Venezuela und
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columbianer. 29.juni 1954
cartagena. columbia
EVA VON FUZESSERY
UHQBYOVVEHGZOISHEIIH.
24. juni 1939
galerie am graben
inge asenbaum ges. b. h.
kunst des
zwanzigsten jahrhunderts
wien Lgraben 7,telef0n 523999
Wiener Zeitung" v. 16.1.1977
Die Galerie am Graben zeigt
erstaunlich positive Ergebnisse
Plastiken, die das Archetypische
der Venus von Willenderf in zeitgee
mäße Formen umsetzen, sowie
Schmuck- und ikonenhafte Ob-
jekte in denen sich Natur mitTech-
nik verbindet, um das Ideal einer
neuen ..Ok0l0gie" sichtbarzu ma-
chen. Technische Fundstücke und
biologische Fragmente, in Gießharz
eingegossen. wie die uralten Re-
likte in Bernstein, werden in dieser
Barock-Skulptur, Kriegstrophäen, Österreich, um 1700
Sandstem, Höhe 2,30m
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