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K. k. Österr. Museum für Kunst und Industrie.
DIE AUSSTELLUNG
OESTERREICHISCHER KUNSTGEWERBE
4. NOVEMBER 1871 4. FEBRUAR 1872.
FACHMÄNNISCHE BERICHTE.
WIEN.
DRUCK UND VERTAG VON CARL GEROLD’S SOHN
1872.
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INHALT.
Seite
Einleitung ■ .. i
I. Die hemmenden und fördernden Elemente bei der Organisirung der Ausstellung 3
II. Die Plastik.
Kundtmann, Melnitzky, Rösner. Antikisirende und naturalistische Richtung. Po-
korny, Oppelt. O. König und seine Schule. Grödener Holzschnitzkunst. Mar-
mortechnik, Francini, C. Vanni, Ohrfandl, Baron Löwenstern 6
III. Zeichner ■ • 1 3
IV. Bronze.
Französisch-Deutsche Bronzetechnik. Hollenbach, Hanusch, Grüllemayer, Hage -
mayer, Turbain, Brix & Anders., Haas; pia desideria. Die Ciseleure Mayr und
Schwarz. Die kais. Kunsterzgiesserei • >7
V. Medailleure und Graveure.
Die Graveur-Akademie des Hauptmünzamtes. C. Radnitzky. Dörflinger 23
VI. Plastik in Elfenbein.
R. Sagmeister. A. Vogel. E. Pendl 2 5
VII. Rahmen für Bilder und Spiegel.
Aus dem Atelier Schmidt & Sugg. Pichler. Machazka. Bühlmayer. Aus dem
Atelier Schönthaler. L'aubheimer. Heinz. Ulrich & Comp. Völkl. Trinkl. Storck,
Lohtpeyr, Hanusch, Kölbl & Threm. Hauser, Spannbauer 27
VIII. Das Mobiliar.
Verschiedene Style und Richtungen. Bedeutung der Renaissance. Die Stand -
möbel. Schnitzerei. Intarsien. Die Sitzmöbel. Eisenmöbel 33
IX. Zimmerdecoration.
Schmidt & Sugg. Ph. Haas und Storck. Tapeten: Sieburger. Knepper & Schmidt.
Melcher. Spörlin & Zimmermann • 4°
X. Gewebe.
Fussteppiche, Vorhang- und Möbelstoffe. Ph. Haas & Söhne, Giani, Kostner.
Die Fabriken von Cosmanos und Neunkirchen. Tischdecken. Leinendamast.
Küfferle & Wassertrilling. Hlawatsch & Isbary • 4^
XI. Stickerei und Posamentirarbeit.
Reform der Stickerei. Giani und die Schwestern vom armen Kinde Jesu in Döb -
ling. Uffenheimer in Innsbruck. Wagner in Kommotau. Applicirte Stickerei.
Fräul. Mirani und ihre Schülerinnen. Weiss- und Spitzenstickerei. Goldstickerei.
S. Kuh in Prag. Posamentirarbeiten: Drächsler. Blazincic 5i
XII. Die Spitzen.
Bollarth. Metzner. Ullmann 55
XIII. Goldschmiedarbeiten.
Verfall der Goldschmiedekunst. Moderne Kunstweisen. Richtungen der Reform.
Jauner. Klinkosch. Ratzersdorfer. Keller. Wachsmann. E. Biedermann. Bern-
dorfer Fabrik. C. Haas 57
IV
XIV. Email. Seite
Carl Haas. Chadt. Riewel. Hanusch. Pavlansky. Ratzersdorfer. Hans Macht.
F. Jäckel. Jauner. G. Lerl & Söhne 62
XV. Das Glas.
Allgemeines. J. & L. Lobmeyr & Meyr’s Neffe in Adolf. Das für Se. Majestät ge -
fertigte Service. H. Ullrich. Ludwig Moser. Clemens Rasch. Reich & Comp.
J. Schreiber & Neffen. Aug. Hegenbarth’s Erben 67
XVI. Porcellan.
Allgemeine Bemerkungen. Haas & Czizek. M. v. Fischer in Herend. Fischer
& Mieg. Wahlis. Jäckel. Zasche 75
XVII. Thonindustrie.
Brausewetter. Die Inzersdorfer Ziegeleigesellschaft. De Cente in Wr.-Neustadt.
Znaimer und Gmundener Fayencen: Slowak, Klammerth, Schleiss 80
XVIII. Das chemische Atelier von Herrn F. Kosch 84
XIX. Glasmalerei.
Tiroler Glasmalerei-Anstalt in Innsbruck. Meyr's Neffe'in Adolf. C. Geyling,
J. Heilig in Wien 8g
XX. Eingelegte und Mosaik-Arbeiten.
Schmuckkasten und Cabinet im Aufträge des a. b. Hofes. J.Schalhas. F. Schön-
thaler. J. Leimer. B. Ludwig. V. Palhuber. Wiesauer. J. Schandl. H. Trinkl.
R. Kleihonz und Grund. Ohrfandl. Baron Löwenstern. A. Klein g2
XXI. Photographie.
Entwicklung der Photographie. Portraitphotographie. Landschaftsphotographie.
Photographie von Industrieobjecten und Alterthümern. Reproductionsphotogra-
phie. Anwendung der Photographie für Unterrichtszwecke. Ursachen des Zu -
rückbleibens hinsichtlich der neueren Druckmethoden. Pigmentdruck. Staub -
farbenbilder. I'hotoxylographie. Pyrophotographie. Photogalvanographie. Photo -
lithographie. Lichtdruck g8
XXII. Druck, Bücherausstattung, Einbände, Kupferstiche 109
XXII1. Zur kirchlichen Kunst , . 114
XXIV. Hausindustrie.
Südslavische Hausindustrie. Felix Lay. Fr. Fischbach. Die Gablonzer und Grö-
dener Hausindustrie 117
XXV. Bemerkungen über das Verhältniss der Grossindustrie pur Kunst 118
XXVI. Schlusswort. *
Die Lücken auf der Ausstellung. Gewerbeinstitut (Athenaeum). Ein Wort an
das Publicum . 124
EINLEITUNG.
Die Ausstellung österreichischer Kunstgewerbe wurde am 4. No -
vember 1871, an demselben Tage, an welchem durch Se. Majestät den
Kaiser der Schlussstein in feierlicher Weise gelegt wurde, eröffnet und
am 3i. Jänner 1872 geschlossen. Der Zweck dieser Ausstellung ging
dahin, sich durch dieselbe über den gegenwärtigen Stand der Kunst -
gewerbe in Oesterreich und des Fortschrittes in der Geschmacksbildung
derselben zu orientiren.
Es durften dem Programme der Ausstellung gemäss nur Fabricate
österreichischen Ursprungs ausgestellt werden. Es sind drei Fälle vor -
gekommen, bei denen Zweifel erhoben wurden, ob die ausgestellten Ob -
jecte wirklich österreichischen Ursprungs seien. In allen diesen drei Fällen
wurden genaue Untersuchungen angestellt, und bei jeder dieser Unter -
suchungen hat es sich zur Ehre der Aussteller gezeigt, dass die erhobenen
Bedenken gänzlich unbegründet waren.
Um den höheren Anforderungen, welche bei der Aufnahme der aus -
zustellenden Gegenstände in Bezug auf Form und Ornamentation gestellt
wurden, gerecht zu werden, ist eine Jury eingesetzt worden, welche sich,
wie der Erfolg der Ausstellung gezeigt hat, ihrer Aufgabe mit Geschick
erledigt hat. Die Jury bestand aus den Mitgliedern des Curatoriums:
Graf E. Zichy (zugleich Vorsitzender der Jury), N. Dumba, A. Me-
lingo und Custos Regierungsrath Falke; den Mitgliedern des Aufsichts-
rathes: Präsident Reckenschuss, R. v. Eitelberger, Hofrath Dr. E.
Brücke, Oberbaurath Ritter v. Ferstel und Director E. Engerth,
und dem Professorencollegium der Kunstgewerbeschule.
Die Aufstellung der Gegenstände wurde durch ein Ausstellungs-
Comite geleitet, welches aus den Herren Curatoren Reckenschuss,
Dumba, Melingo, den HH. Custoden Falke, Lippmann, Bücher
und Prof. Storck, dem Hofjuwelier Herrn Klinkosch und dem Hof-
Glaslieferanten Herrn L. Lobmeyr bestand, denen ausserdem noch die
Herren Drächsler und C. Giani zur Seite standen. Es ist uns eine
angenehme Pflicht, sämmtlichen Mitgliedern der Jury und des Ausstellungs-
Comite’s den Dank für ihre Mühewaltung öffentlich auszusprechen.
I
2
Die Herstellung der Ausstellungstische hat der Hof-Zimmermeister
Herr J. Fellner, die Tapezier- und Decorationsarbeiten der Hof-Tape -
zierer Herr H. Backe übernommen und zur vollen Zufriedenheit des
Ausstellungs-Comite’s ausgeführt.
Die Ausstellung hat auch als ökonomisches Unternehmen betrachtet
durchaus befriedigende Resultate ergeben. Es wurden durch die Ein -
trittsgelder nicht blos alle Kosten der Ausstellung gänzlich gedeckt, son -
dern ausserdem noch ein nicht unbeträchtlicher Ueberschuss erzielt, welcher
nach dem vom hohen Unterrichts-Ministerium genehmigten Ausstellungs-
Programme der ^Gesellschaft zur Förderung der Kunstgewerbeschule« zu
Gutem kam.
Wien, Ende Januar 1872.
I.
(Die hemmenden und die fördernden Elemente bei der Orgaiiisirung der Ausstellung.)
Die zur Feier der Schlusssteinlegung des neuen Musealgebäudes am
4. November v. J. eröffnete österreichische kunstgewerbliche Ausstellung
hat ihren Zweck vollständig erfüllt. Die Urtheile der öffentlichen Blätter
sind einstimmig in der Anerkennung dessen, was in den Räumen geboten
wurde. Der zahlreiche Besuch zeigt deutlich, mit welchem Interesse und
mit welcher Befriedigung das Publicum diese Ausstellung aufuimmt. —
Aber nicht blos der äussere Erfolg, auch wenn man die Intentionen,
welche das Museum bei der Reorganisirung der Ausstellung gehabt hat,
mit dem vergleicht, was wirklich erreicht wurde , kann man mit voller
Befriedigung auf das Geleistete zurückblicken.
Die Ausstellung lehrt uns, dass die österreichische Kunstindustrie in
einer aufwärts gehenden Bewegung begriffen ist, den Forderungen eines
kunstgebildeten Geschmackes in einem weit höheren Grade Genüge ge -
leistet wird, als es früher der Fall war, und dass sie berufen und berech -
tigt ist, in der kunstgewerblichen Production des heutigen Europa eine
hervorragende und bedeutsame Stellung einzunehmen. Die Aufgabe, die
wir nun mit dem Berichte über diese Ausstellung zu erfüllen haben, ist
eine mehrfache. Vorerst handelt es sich darum, dasjenige, was vorgeführt
wurde , eingehend zu würdigen und den Bemühungen gerecht zu wer -
den, welche die Aussteller in nicht geringem Grade gehabt haben, um
den Anforderungen des Programmes zu genügen. Indem es also nun die
Aufgabe sein wird , mit kundiger Hand sichtend und erläuternd die her -
vorragenden oder lehrreicheren Leistungen auf der Ausstellung zu be -
sprechen, wird es zugleich unerlässlich sein, Gesichtspunkte allgemeinerer
Art zu erörtern, die Gesetze des Geschmackes auf das Gebotene zur An -
wendung zu bringen, die Lücken, welche sich in der Ausstellung finden,
aufzudecken, dem Irrenden eine Richtung, dem Vorwärtsstrebenden Winke
zu geben, die geeignet sind, den Fortschritt der österreichischen Kunst -
industrie auch in der Zukunft zu sichern.
Denn so gewiss es ist, dass in den letzten Jahren ganz Ausseror -
dentliches geleistet wurde, eben so gewiss ist es, dass man sich bei dem
nicht beruhigen darf, w r as erreicht wurde, und dass grosse Anstrengungen
gemacht werden müssen, um auch in der Zukunft allen Ansprüchen voll -
ständig zu genügen.
Die grössten Schwierigkeiten, welche der Erfüllung dieser Wünsche
entgegen treten, liegen in äusseren Verhältnissen.
Der grösste Theil der in den Kronländern lebenden Künstler und
Kunsthandwerker befindet sich in einer isolirten Stellung und bewegt
I
4
sich auf einem grossentheils schon veralteten Standpunkte. Nur wenige
von den Ausstellern der Kronländer gehen auf die Forderungen des mo -
dernen Geschmackes vollständig ein, die meisten beharren bei ihren bis -
herigen Gewohnheiten und stellen sich mit den Erfolgen zufrieden, die
sie auf beschränktem Gebiete in beengten Kreisen finden. Das war wohl
mehr ein Grund, warum sehr viele Industrielle ihre Anmeldungen zurück -
gezogen haben ; sie hatten eben das Gefühl, auf einer Ausstellung nicht
vollständig genügen zu können, bei der erhöhte Ansprüche gemacht
wurden. Dazu kommen noch politische Verhältnisse, welche hemmend
auf die kunstindustriellen Productionen in den Kronländern wirken.
In manchen Kronländern stehen sich die Nationalparteien schroff
gegenüber und die Aufmerksamkeit der Gewerbetreibenden und Indu -
striellen ist durch politische Agitationen absorbirt.
Triest gravitirt nach seiner ganzen Geschmacksrichtung nach Italien;
was dort producirt wird, steht nicht in demselben Verhältniss zu Wien,
wie dieselben Productionen von Marseille und Lyon zu Paris. Die Kron -
länder untereinander sind nichts weniger als in einem intimen Connexe;
nur die Grossindustrie und der Eisenbahn-Verkehr, die zwingende Gewalt
der industriellen Bewegung, welche alle provinziellen Schranken durch -
bricht, nur die Bedürfnisse der Grossstädte und des Weltmarktes sind es,
die zu einer gewissen gemeinsamen Action auch diejenigen drängen, welche
innerlich derselben sich widersetzen. Dazu kömmt noch, dass die meisten
Landes-Museen historische, archäologische und nationale Zwecke verfolgen,
sich um die kunstindustriellen Bedürfnisse der Kronländer gar nicht küm -
mern. Ihre Sammlungen sind im Winter meistens geschlossen, im Sommer
grossentheils nur für den Fremden-Verkehr berechnet, und nützen daher
der Kunstindustrie des Landes relativ sehr wenig. Das Oesterr. Museum
ist zwar bemüht diese Apathie der Kronlands-Institute durch Filial-Aus-
stellungen zu durchbrechen, und einigermassen Reformideen - zur Forde -
rung der Geschmacksbildung in den Kronländern zum Durchbruche zu
bringen; aber noch ist sehr Vieles zu thun, um die dem Fortschritte ent -
gegen stehenden Elemente in den Kronländern zu beseitigen. Auch die
Gewerbe-Vereine thun selten und wenig, was in dieser Beziehung wün-
schenswerth wäre. In den Sommermonaten halten dieselben gewöhnlich
keine Sitzungen und auch in den Wintermonaten beschäftigen sie sich oft
mehr mit nationalen und politischen, als mit gewerblichen Fragen. Erwägt
man alle diese Umstände, — und die Zahl der hemmenden Elemente
könnte noch bedeutend vermehrt werden, — so wird man nicht umhin
können, dasjenige mit Anerkennung und Wohlwollen zu beurtheilen, was
von einzelnen Kronländern auf der Museal-Ausstellung geleistet wurde.
Je schwieriger es für einen strebsamen Geist ist, sich unter diesen Ver -
hältnissen herauszuarbeiten, desto aufmerksamer müssen darnach die Lei -
stungen beurtheilt sein, in denen das Bessere wenigstens angestrebt wird.
Unter den Kronländern, die auf der Ausstellung erschienen sind,
5
n'ehmen Deutschböhmen und Tirol eine ganz hervorragende Stelle ein -
Deutschböhmen durch die grosse Anzahl von intelligenten Produkten auf
dem Gebiet der Glas- und Webindustrie, Tirol nicht blos durch die Glas -
malereianstalt in Innsbruck, sondern auch durch eine stattliche Reihe spe-
cifisch künstlerischer Talente, die sich, wie seit jeher, so auch in unserer
Zeit in diesem Getirgslande vorfinden.
In Wien traten der Verwirklichung einer kunstgewerblichen Aus -
stellung mancherlei Umstände hemmend in den Weg.
Seit längerer Zeit sind alle Künstler, Zeichner und Industrielle mit
Aufträgen überhäuft, und sind daher nicht recht in der Lage gewesen, für
eine Ausstellung, welche etwas exceptionelle Forderungen stellen musste,
Arbeiten in Angriff zu nehmen.
Die Arbeiterfrage bereitete Manchen, die sich an der Ausstellung
betheiligen wollten, schwere Sorge. Wennschon für Arbeiten, die bestellt
sind, nicht genug gute und willige Arbeiter zu finden sind, wie sollte
man noch Muth haben, selbstständige und bessere Arbeiten nur zu dem
Zweck einer Ausstellung zu machen? Wie konnte man die Verpflichtung
Übernehmen, eine bestimmte Arbeit zu einem festgesetzten Termin fertig
zu machen? Unter diesen sorgenvollen Ueberlegungen unterblieben einige
Arbeiten; für Manche waren diese Erwägungen ein günstiger Vorwand,
entweder’ die schon gemachte Anmeldung zurückzuziehen oder Überhaupt
gar nicht anzumelden. Händler, welche jede Gelegenheit vermeiden die
Künstler und Handwerker , die sie benützen , an das Licht der Oeffent-
lichkcit treten zu lassen, schlossen sich diesem Kreise von Producenten
Dazu kommt der in Oesterreich, speciell auch in Wien herrschende
Pessimismus. Sehr Viele sind bereit zu negiren und Opposition quand
mime zu machen, sehr Wenige etwas anzuerkennen und positiv zu schaffen.
Da diese Art der Kritik eines grossen Beifalles sicher ist, so wird bei
Vielen der Muth zu einem entschiedenen Handeln gebrochen, der Keim des
Besseren unterdrückt. Wozu sollen wir uns bemühen? - heisst es dann,
es kommt doch nichts zü Stande. Und unter dem Eindrücke solcher, die
Tagesstimmung beherrschenden pessimistischen Anschauungen halt man -
cher seine besseren Entschlüsse zurück, wird zweifelhaft und unsicher,
und so sind auch nicht Wenige an der Theilnahme an der Musealaus -
stellung zurückgeschreckt worden, die jetzt, wo die Erfolge vor aller Augen
stehen," es bedauern, sich dieser pessimistischen Strömung hingegeben zu
haben. ...
Es waren auch in Wien Hemmnisse mannigfaltiger Art, die zu uber -
winden waren, Hemmnisse, welche manche Lücke erklären, das Ausbleiben
mancher Künstler und Industrieller hegreiflich machen.
Und wenn wir trotz aller dieser Hindernisse und Schwierigkeiten,
die mit vollem Freimuthe auseinandergesetzt wurden, zu einem gewissen
Ziele gelangten, so ist dies nicht nur ein schlagender Beweis von der
6
Zunahme der Leistungsfähigkeit der österreichischen Kunstindustrie, von
der wachsenden Einsicht in die Bedingungen ihres Gedeihens und ihres
Fortschrittes; —- das Gelingen der Ausstellung selbst ist ein glänzender
Sieg über den Pessimismus und die Negation der Gegenwart.
Dieser Fall hat wieder deutlich gezeigt, wie nothwendig es ist, das
Bessere zu wollen, die gewonnene Ueberzeugung mit Entschiedenheit fest -
zuhalten, um auch der Theilnahme und des Beifalles Aller Jener versichert
zu sein, die an der siegreichen Macht der Ideen festhalten, die des Glau -
bens sind, man müsse sich auch nicht durch widrige Zeitverhältnisse an
dem irre machen lassen, was man einmal für das Richtige und das An-
strebenswerthe auf dem Gebiete der Kunst und Kunstindustrie hält.
Sobald es in den betheiligten Kreisen bekannt wurde, dass sich keiner
von den leitenden Persönlichkeiten des Oesterr. Museums in der Organi-
sirung und Durchführung der kunstgewerblichen Musterausstellung irre
machen lässt, haben sich zahlreiche Künstler und Industrielle, Handwerker
und Fabriksbesitzer bestimmt gefühlt, sich diesen Bestrebungen des Mu -
seums auf das engste auzuschliessen und nichts zu versäumen, was den
Erfolg der Ausstellung vaterländischer Kunstindustrie sichern könnte. Denn
das fühlten wohl die Besseren und die Denkenden unter den Ausstellern,
dass ihr einzelnes Durchgreifen der Sieg der österreichischen Kunstindustrie
in der öffentlichen Meinung, ihre Niederlage auch eine Niederlage der
ganzen Industrie sein würde. Und in der Wahrheit ist der glanzvolle
Erfolg dieser Ausstellung in erster Linie allen jenen hochbegabten und
muthvollen Producenten zu danken, die von dem ersten Augenblicke an
entschlossen, sich an der Ausstellung zu betheiligen, auch nichts versäumt
haben, um der Österreich. Kunstindustrie einen ehrenvollen Sieg zu sichern.
Von ganz unberechenbarem Vortheile aber war es gewesen, dass der
Kaiser gleich beim Beginne der Ausstellungsvorbereitungen, durch Zu-
weisen einer Summe von 5o.ooo fl. die Möglichkeit geboten hat, Werke
exceptioneller Art zu schaffen, Aufgaben zur Lösung zu bringen, die über
das Mass der gewöhnlichen Anforderungen hinaussteigen, und Gelegenheit
bieten, einen Höhepunkt der Leistungsfähigkeit zu erreichen. Diese Kunst -
objecte, welche auf diesem Wege geschaffen wurden, bilden, sozusagen,
den Gradmesser für die Leistungsfähigkeit unserer Kunstindustrie, und
werden gewiss für lange Zeit hinaus als epochemachende Erzeugnisse
unserer Künstler und Industriellen ihren selbstständigen Werth behalten.
E.
II.
Die Plastik.
(Kundtmann, Melmtzky, Rösner. — Antikisirende und naturalistische Richtung. - Pokorny,
Oppelt. — O. König und seine Schule. — Grödener Holzschnitzkunst. — Marmortechnik,
Francini, C. Vanni, Ohrfandl, Baron Löwenstern.)
Die Kunstindustrie hat zu allen Zeiten sowohl mit der grossen Plastik
b ühlung erhalten, als auch selbstständigen Talenten Gelegenheit geboten,
7
„uf bestimmten Gebieten sich geltend zu ^gj^'^^ltntdthe sowohl
welche di« Geschichte der Kunst ,uf jeder Säte b “ ,a 'f selbst
auf die Organisirung der Muse,l.uss,eilt,ng, als auf dte Ausstellung
ih " 0^1^ «urde dar,u^htgen«™»^
die grosse Plastik, insbesondere “ * d ;, scr Bestimmung
i:=S”=h?]5se
Vertretung Nicht überall sind wir in der Lage, den Namen der Künstler
nachzugehen, da manche Aussteller es für passend finden die und
Modelleure und Bildhauer als ein Fabriksgehe,mmss zu behandeln , und
ü dieselben der Oeffentlichkeit zu entziehen, während andere es vorziehen
Namen der Künstler gleichfalls aus Geschäftsrücksichten zu nennen. D
das Publicum mi, einem erhöhten Interesse jenen kun.tgewBblmhe^pla -
stischen Productionen entgegen kommt, an »eiche si f «„Hand-
Name eines renommirten Künstlers knüpft, das lieg, wohl au - der Hand
Lr auch in ieneu Fallen, wo die Namen „ich,
doch die Richtungen des Geschmackes oder des Styl ,
derer oder grösserer Deutlichkeit hervortretend sich der Besprechung se
darbietem Stellung „ imm , in dieser Reihe der Aussteller Pro-
fessorO. König und seine Schule ein, die sehr rahlreich und m ™ J
faltieen Richtungen vertreten ist. Bevor wir uns aber der Würdigung
dieser Schule auwenden, wird es nicht unpassend sein, die v ' r “ 1 ’“ den
Richtungen in de, kleinen Plastik au besprechen, auf d,e soeben h.nge-
<leU,et Vo™rs d ,‘mach, sich diese Erscheinung bemerkbar, das, gewisse an-
rwr t rtrrs stä? -
ife,»‘,rr dt £
der innere Geist. Die antike Kleinplastik huldigt der keuschen Muse
8
chonheit; selbst in ausschweifenden Scenerxen ist sie voll Grazie, sie trägt
ausserdem noch dem Stoffe vollständig Rechnung, und vermeidet z. B.
in der Metalltechnik gewisse schwere Formen, die mehr an den Stein und
cen Marmor, als an den Reiz von Bronze und Silber erinnern. Manche
unserer Anhänger der antiken Kunstichtung gehen, entgegen den Traditio -
nen der Antike, auf stark naturalistische Wirkung aus und huldigen we -
niger der Grazie als der Sinnlichkeit. Auch diejenigen Bildhauer, die mehr
ranzosische Vorbilder vor Augen haben, können sich dieser, ich möchte
fast_ sagen localen Richtung des Geschmackes nicht vollständig entziehen
Es ist daher auch sehr begreiflich, dass neben dieser die antiken Formen
nachahmenden Kleinplastik, auch diejenige sich vielfach vertreten findet
die im eigentlichsten Sinne des Wortes naturalistisch ist.
In selbstständigen Leistungen mag dieser Naturalismus, wenn er mit
eist un umor gehandhabt wird, seine eigenthiimliche Berechtigung
haben, aber m einer Verbindung mit einem Gefässe, Geräthe oder Ein-
nc tungsstucke ist derselbe fast immer von störendem Eindrücke. Denn
bei allen Gegenständen der Art dominirt doch die Form und der Ge -
brauchszweck. So stillos ist wohl kaum ein Object ähnlicher Art, dass
amit ein plastisches Beiwerk rein naturalistisch durchgeführt in Verbin-
ung ge rächt werden könnte; selbst dann, wenn es sich um Geschenke,
die für den Sport bestimmt sind, handelt, können wir einer solch natura-
istischen Plastik nicht sonderlichen Beifall zollen. Aber ganz entschieden
zur AnwenS T" ““ ^ ’ Weml sie bei ^unkgefässen
. U , ng ’ 0mmt > weIche für Tafelaufsätze oder Ehrengeschenke
imm sin . n beiden Pallen wird dadurch der künstlerischen Erfin-
ungsgabe em Armuthszeugniss ausgestellt; denn diese erweist sich in
solchen Fallen als ohnmächtig, dem Gegenstände, welcher dargestellt Wer -
der Nat,; Tu/ 06 ?? 6 Seite abzu g ewinnen - Die trockene Nachahmung
hande t ^ W0 die Kraft zu erfinden, nicht vor-
“ZS Tu lge J aS : kh Wil1 nkht S3gen ZUr Entschuldigung, doch
'dun j tn Tl a Erscheinungen dient, ist der geringe Grad der Bil-
r os 5 h 61 e " der Besteller - Einen Baum en miniature, ein silbernes
MnaustL VerS e K ~ W3S Über diese P lastische Handgreiflichkeit
hinausgeht, entzieht sich dem Horizonte ihres Geistes, und innerhalb dieses
Horizontes müssen eben die Aufträge durchgeführt werden.
lässt fl manchen 0b J ec | e n ähnlicher Art, welche zur Ausstellung kamen,
asst sich aber nicht verkennen, weder ein gewisses Geschick in der An-
wie anfV -i 8 k “ ^ Durchführun g- Dass sowohl auf das eine,
I m an A T C emigeS Gewkht gde ^’ dass überhaupt auf die Wahl
materie°ile Met U fr 1 " 61 ' Venreadet wird > und nicht m ^hr allein der
materielle Metallwerth den Ausschlag gibt, betrachten wir bei diesen ano -
nymen plastischen Werken als einen Fortschritt, wenn wir erwägen, wie
vor zehn oder zwanzig Jahren Gegenstände ähnlicher Art behandelt wurden.
Der specifisch wienerische Naturalismus tritt nirgends so charakteri-
9
stisch hervor, als in den Arbeiten in Meerschaum, die seit einer langen
Zeit schon eine Wiener Specialität geworden sind. Zwei der renommirte-
sten Firmen Wiens, Franz Hiess und L. Hartmann & Eidam, haben
Gegenstände solcher Art ausgestellt. Keine Gebrauchsgegenstände, sondern
Luxusartikel, die offenbar an jenen Orten einen Ehrenplatz einnehmen,
in denen die Virtuosen des Rauchens ihre Rauchapparate aufzustellen
pflegen. Diese Thiere und Menschenköpfe, die in Meerschaum dargestellt
werden, gehören in ihrer Art zu dem technisch Vollendetsten, was in der
plastischen Kleinkunst zur Ausstellung gekommen ist. Vom Standpunkte
der Aesthetik und des Geschmackes hat man allen Grund, diese Ochsen-
und Hundeköpfe, männliche und weibliche Charakt ; erkÖpfe , oben aüsge-
höhlt und vorne mit der obligaten Bernsteinspitze versehen, zu perhorres-
ciren; prüft man aber dieselben vom Gesichtspunkte technischer Virtuosität,
künstlicher Routine, so wird man nicht umhin können, anzuerkennen,
dass im Kreise dieser Künstler, die sich den Meerschaumarbeiten zuwen -
den , sich nicht gewöhnliche Talente befinden. Eine Specialität sind die
technisch vorzüglich ausgeführten Rauchvasen von Aug. Lütke.
Unter den plastischen Objecten naturalistischer Richtung, die in der
Ausstellung Vorkommen, zeigen die Arbeiten von Josef Weitmann Ge -
schick und Routine. Die Arbeiten von Minna Weitmann verdienen be -
sonders erwähnt zu werden, da die Künstlerin in der plastischen Darstel -
lung Blumen, und in der Kunst, dieselben bestimmten Gebrauchsgegen -
ständen anzupassen, ein entschiedenes Talent hat.
Aus den Kreis der rein antikisirenden oder derb - naturalistischen
Richtung treten einige ornamentale Bildhauer heraus, und Professor Otto
König mit seiner Schule und der Bildhauer Johann Benk.
Unter den vorwiegend ornamentalen Bildhauerarbeiten nehmen ausser
den von C. Bühlmayer vergoldeten, von J. Pokorny im Oberlicht -
saale IV nach den Zeichnungen Heinr. v. Ferstel’s ausgeführten orna -
mentalen Stuccoreliefs, noch die in Holz geschnitzten Ornamente des -
selben Künstlers in dem von Professor V. Teirich entworfenen Cabinet,
und zwei in Birnbaumholz ausgeführte Füllungen von Franz Oppelt
eine erste Stelle ein. Beide Arbeiten gehören zu dem in ihrer Art Voll -
endetsten, was seit langer Zeit auf diesem Gebiete aus dem Atelier eines
österreichischen Künstlers hervorgegangen ist.
Eine ganz exceptionelle Stellung nehmen in der Ausstellung die Ar -
beiten von Prof. Otto König und seiner Schule ein. Bildhauer König
ist bekanntlich aus Dresden für die Lehrkanzel für Plastik an die Kunst -
gewerbeschule berufen worden. Nachdem König seine erste Jugend in
der Meissner Porzellanfabrik zugebracht, sich später in der Dresdner Aka -
demie, speciell im Atelier Hähnel’s ausgebildet hat, ging er zur Vollen -
dung seiner Studien nach Rom, und folgte dann dem Rufe, der ihn an
die Kunstgewerbeschule nach Wien führte.
Bildhauer König ist seit seinem ersten Auftreten eine ausgespro-
chene künstlerische Individualität, ohne alle Frage das erste lalent aut
dem Gebiete der kleinen figuralen Plastik in der gesammten deutschen
Kunst. Ausgestattet mit einem reichen Fonde schaffender Phantasie, zeich -
nen sich alle seine Arbeiten durch eine eigenthümliche Poesie aus, einen
feinen Schönheitssinn in den Linien, eine keusche aber doch lebens -
volle Behandlung des Nackten und durch eine bis ins Kleinste gehende
vollendete Durchführung im Detail. In der Ausführung in Bronze lassen
sich oft die Vorzüge seiner plastischen Entwürfe nicht vollkommen beur-
theilen; denn so grosse Fortschritte auch unser Bronzeguss in den letzten
Zeiten gemacht hat, so geht er doch nicht immer auf alle Feinheiten des
Originales ein; auch stören häufig im Bronzeguss allzugrelle Metall-Lichter
den Genuss des plastischen Kunstwerkes. Professor König hat daher
schon Recht gehabt, ausser seinen von Hanusch, Grüllemeyer und
Turbain ausgeführten Bronzearbeiten, noch einige Compositionen in
Gyps zur Ausstellung zu bringen, darunter einige, die für den in Bronze
ausgeführten, vom Kaiser bestellten Tafelaufsatz gehören, ausserdem noch
eine Venus mit einem Amor, der einen Spiegel in der Hand hält und
eine trauernde Victoria, bestimmt für ein Kaiser Max-Monument. Hoffent -
lich wird es dem Künstler in nicht zu ferner Zeit möglich sein , seine
sämmtlichen Modelle und Entwürfe , von denen die wenigsten noch aus -
geführt wurden, zur Ausstellung zu bringen.
Seit den Zeiten Grassi’s*), also seit mehr als einem halben Jahrhun -
dert, hat es in Wien kein entschiedenes Talent für kleine figurale Plastik
gegeben. Professor König füllt diese Lücke in einer wahrhaft glänzenden
Weise aus. Die Arbeiten Grassi’s lehnen sich an die Antike und an
die Richtung Füger’s an, nicht ohne einen gewissen Beigeschmack von
jener weiblichen Grazie, die in der barocken Zeit an der Tagesordnung
war. Die Arbeiten von Professor König gehören mit ihrer ganzen Welt -
anschauung der modernen deutschen Schule an und stehen mit jener
eigenthümlichen neudeutschen Romantik und Stilistik in Verbindung, die
speciell in den Werken Semper’s, Hähnel’s, Rietschel’s, Schnorr’s
und Ludwig Richter’s in Dresden zum Durchbruche gekommen ist. Ein
eminenter Zeichner, wie König es ist, fehlt es ihm auch nicht an Ge -
wandtheit des Geistes, um den zartesten Gemüths- und Seelenstimmungen
in seinen plastischen Werken einen sprechendea Ausdruck zu geben.
Voll von Hingebung an seine Kunst und auch an den Gegenstand,
welchen er darstellt, führt er seine plastischen Arbeiten mit grösster Voll -
endung aus. Er weiss es auch seine Schüler in die Geheimnisse des Pla -
stischen einzuführen und sie zu einer gleich gewissenhaften Durchbildung
anzueifern. Mehrere von seinen Schülern sind auch mit ganz achtbaren
Erfolgen auf der Ausstellung aufgetreten, wie die Modelleure Kusch-
*) Mehrere Gruppen nach Modellen Grassi’s und seiner Zeit befinden sich, von
De Cente ausgeführt, auf der Ausstellung.
11
mann, Seitz, Tappeiner, Raimayer, Steger und die Ciseleure
Mayer und Schwarz.
Ein Künstler von feiner Begabung ist der Bildhauer Johann Benk,
ein Zögling der Wiener Akademie, der sich später im Atelier Hähnel’s
weiter ausgebildet und. dort seine Richtung erhalten hat. Die von ihm
ausgestellte kleine Gruppe, Maria mit Christus und Johannes, lässt in der
Bronzeausführung die Wirkung des Originales nicht zur Geltung kommen,
dagegen befindet sich in dem X. Saale eine Zeichnung von Benk, Entwurf
für eine Fruchtschale »Wein, Liebe und Gesang«, die in der Anordnung
wie in der Durchführung mit zu dem Besten gehört, was auf der Aus -
stellung sich vorfindet, und wohl verdiente zur Ausführung gebracht zu
werden.
In Verbindung mit Kunsttischlerei sind noch einige plastische Ar -
beiten von Josef Leimer und A. Heinz in Wien und Josef Unters-
b erg er in Gmunden zu erwähnen, von denen die des letzteren ein bes -
seres Streben, die beiden ersteren eine nicht gewöhnliche Gewandtheit in
der Holzplastik zeigen. Eine gleiche Anerkennung verdienen die Holz -
reliefs von Laubheimer.
Wie es bezeichnend ist, dass trotz der enorm zahlreichen Aufgaben,
die seit dem Beginne der Stadterweiterung Wiens der grossen figuralen
Plastik zugefallen sind, bei dem Mangel an Schule und an Verständniss
bei Bestellung von plastischen W'erken, es doch zu keiner recht gedeih -
lichen Entfaltung der Plastik Wiens hat kommen können, ebenso charak -
teristisch ist es, dass auch auf der Musealausstellung kein einziges plasti -
sches Kunstwerk kirchlicher Art von Bedeutung zur Ausstellung gekommen
ist, während wir doch auf dem Gebiete der Stickerei und Weberei für
kirchliche Zwecke ganz ausgezeichnete Arbeiten vorfinden. W’ieviel es bei
solchen Dingen auf die richtige Leitung und einen verständnisvollen
Willen ankömmt, das sieht man an der glänzenden ornamentalen Plastik,
welche im Innern des Neubaues des Museums zur Aufführung gekommen
ist. Beklagenswerth bleibt es jedenfalls, dass der grossen Plastik so wenig
Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dass sie unter diesen Umständen auf der
Musealausstellung nicht zur Geltung kommen konnte, ist begreiflich.
*
Eine in gewisser Beziehung exceptionelle Stellung nehmen die pla -
stischen Arbeiten ein, welche durch den verdienstvollen Herrn Purger
aus dem Grödnerthale eingeschickt wurden, insbesondere ein grosses
Crucifix und eine fast lebensgrosse heilige Maria. Es ist bekannt, dass seit
längerer Zeit schon im Grödnerthale die Holzschnitzkunst als eine Haus -
industrie betrieben wird und dass sämmtliche Bewohner dieses Thaies,
männlichen und weiblichen Geschlechtes, sich von Kindesbeinen an mit
Holzschnitzeln, Bemalen und Vergolden von Figuren beschäftigen. Diese
Figuren auf der Ausstellung bilden den Höhepunkt der Kunst im Gröd -
nerthale. Von den Statuen angefangen, die für Dorfkirchen bestimmt
12
oder ausersehen sind zu überseeischem Exporte, werden bis zu dem klein -
sten Spielzeug und Artikel für den Hausgebrauch eine Unmasse von Ge -
genständen daselbst erzeugt. Dieselben sind, auf den Massenexport berechnet,
sehr wohlfeil , und wenn auch mit einem gewissen Geschicke gemacht,
doch unvollkommen in der Form, wie es eben bei den geringen Unter -
richtshilfsmitteln der Grödner nicht anders zu erwarten ist. Innerhalb des
Kreises aber, den sie auszufüllen seit Jahrzehnten bemüht sind , sind die
Leistungen dieses braven und intelligenten Gebirgsvolkes in hohem Grade
anerkennenswerth und aufmunterungswürdig.
Hoffentlich ist der Tag nicht ferne, wo eine Holzschnitzschule, wie
sie in Berchtesgaden und seit Einem Jahre auch in Hallein besteht, auch
im Grödnerthale festen Fuss fassen wird; dann wird es vielleicht möglich
sein, fühlbar gewordene Lücken in der dortigen Hausindustrie auszufüllen,
und die Leistungs- und Exportfähigkeit der Producte dieses gewerbsfleis-
sigen Gebirgsthales zu erhöhen.
Verwandt mit der Ausstellung der künstlerischen und ornamentalen
Plastik ist die Marmortechnik, insoweit dieselbe vom vorwiegend tech -
nischen Gesichtspunkte zur Geltung kam.
In ihrer Art ganz vorzüglich ausgeführte Marmorarbeiten — meist
Kamine — haben Francini und Carlo Vanni — letzterer auch eine
gelungene Tegetthoffbüste — dem Publicum vorgeführt. Die Marmorarten,
welche dabei zur Anwendung kommen , sind fast ausschliesslich auslän -
dische, darunter in ihrer Art höchst interessante.
Für Oesterreich aber viel wichtiger, als die Verwendung ausländi -
schen Marmors, ist die Verwerthung der inländischen Marmorarten. Um
diese zur Geltung zu bringen, geschieht relativ sehr wenig. Mehr als
Einmal war das Oesterr. Museum bemüht -—• wir erinnern nur an die
im Museum abgehaltenen Vorträge von Professor Dr. F. Suess, an die
Berichte über Tiroler Marmor — bisher war es mit seinen Bemühungen
nicht sehr erfolgreich gewesen. Die vornehmen Besteller, wie die Künstler
und die Marmorhändler — die beiden ersteren ungleich ihren Berliner Col-
legen, — begünstigen den Marmor von Carrara, die Architekten die dem
Marmor nahe stehenden Istrianer und Karst-Kalksteine.
Auf der Ausstellung haben sich blos zwei Firmen eingefunden, die
sieh mit Marmortechnik beschäftigen — die Freih. v. Löwenstein’schc
Mosaik-Marmorwaaren-Fabriksniederlage (vormals J, Robert) in Ober -
alm bei Salzburg und A. Ohrfandl’s Steinmetzgeschäft in Klagenfurt.
Beide Ausstellungen verdienten der Aufmerksamkeit der Techniker beson -
ders empfohlen zu werden. In Oberalm und in Klagenfurt wird gegen -
wärtig die Marmortechnik mit erhöhter Intelligenz betrieben; beide Firmen
sind im Besitze von Marmorbrüchen , die in Salzburg in der Nähe von
Oberalm , in Kärnten in Krosthal, Altendorf und Bleiburg liegen. Die
Oberalmer Marmorfabrik hat in Wien eine selbstständige Vertretung, die
Klagenfurter hingegen nicht. Ausser dem Marmor besitzt und verarbeitet
i3
Herr Ohrfan dl noch Steinarten, die verdienten, hier näher kennen gelernt
zu werden. Auf der letzten Grazer Ausstellung kamen sehr schöne Arten
von Sandstein zur Geltung.
Tiroler Marmor fehlt ganz und die Laaser Marmorbrüche haben
hier kein Depot, haben keine Vertreter und keine Preiscourants.
Alle inländischen Marmorarbeiter werden durch die Rührigkeit und
Geschäftsgewandtheit der mit den Carrareser Marmorhändlern in Verbin -
dung stehenden Italiener übertroffen, die es vortrefflich verstehen, ihre
Gegner und Rivalen bei Seite zu schieben und die italienischen Marmor -
arbeiten zur Geltung zu bringen.
Nicht immer war es in Oesterreich so. Die Statuen im Schönbiunner
Schlossgarten sind aus Tiroler Marmor; in den barocken Kirchen Oester -
reichs finden sich Arbeiten aus einheimischem Marmor von verschiedenen
Farben und eminenten Qualitäten, deren Brüche selbst fast gänzlich ver -
schollen sind. Uns scheint es, dass es hohe Zeit wäre, sich die Intelligenz
und den Patriotismus der Theresianischen Zeit zum Vorbilde zu nehmen
und der einheimischen Marmortechnik eine erhöhte Aufmerksamkeit zu
schenken. So übel wäre es nicht, wenn die Handelskammern sich bemühen
würden, die Marmorarten ihrer Bezirke auf der Wiener Weltausstellung
zur Geltung zu bringen, und wenn die Statthaltereien neben polnisch-
administrativen Fragen auch nationalökonomische zum Gegenstände ihrei
Amtsthätigkeit machen würden.
III.
Zeichner.
Künstler wirken in verschiedener Art anregend und fördernd auf
die Kunstgewerbe ein; grosse Künstler theils durch ihre Arbeiten und die
Anregungen, die durch ihre Leistungen und die von diesen vertretenen
Kunstrichtungen ausgehen, theils dadurch, dass sie selbst einige kunst -
gewerbliche Werke schaffen.
In ersterer Richtung war der Einfluss der Künstler immer ein giossu
und der Natur der Dinge nach vollkommen berechtigter; in letzterer Be -
ziehung war ihr Wirken nur dann von Erfolg begleitet, wenn sie selbst
eine klare Einsicht in die Bedingungen eines kunstgewerblichen Productes
gehabt, sie selbst nicht von falschen Anschauungen beherrscht waren.
Dass dies selbst bei Künstlern ersten Ranges nicht immer der Fall war,
zeigen manche kunstgewerbliche Versuche Moriz v. Schwind s, eines
Künstlers, dem gewiss Niemand eine eminente Bedeutung auf dem Gebiete
der zeichnenden Künste absprechen wird. .
Dieser von Künstlern par excellence ausgehende Einfluss sei der -
selbe nun ein permanenter, oder nur ein, so zu sagen, stossweise erfol -
gender — reicht aber nicht aus, um der modernen Industrie zu genügen.
*4
Wie diese eben so sehr auf Befriedigung der Anforderungen Einzelner,
als auch auf Befriedigung von Massenbedürfnissen gerichtet ist, so muss
sie auch eine grosse Anzahl gut geschulter Zeichner und auch solcher
Zeichner zur Verfügung haben, welche im Stande sind, sowohl auf be -
stimmte Anforderungen des Stiles, als auch auf das Technische der ein -
zelnen Fabricationszweige einzugehen. Die Zeichnungen müssen nicht blos
an und für sich schön, sondern sie müssen auch ausführbar sein; für den
Fabrikanten, den Grossindustriellen ist jene Zeichnung die beste, welche
Schönheit mit Ausführbarkeit verbindet. Soll irgend ein Fabrications-
zweig in Schwung kommen, einen erhöhten Absatz durch eine stilgerech -
tere Zeichnung, eine gelungene Farbenzusammenstellung erreichen, so
muss eine genügende Zahl fachmännisch und tüchtig gebildeter Zeichner
vorhanden sein. Diese fehlten der gesammten deutschen Industrie nicht
minder als der österreichischen, und fehlen theilweise noch bis auf den
heutigen Tag.
Man half sich entweder dadurch, dass man illustrirte Zeitungen und
Kataloge ausbeutete, wie die Stuttgarter »Gewerbehalle«, die Münchener
»Kunstgewerbliche Zeitung«, die »L’Art pour tout«, die illustrirten Brock-
haus’schen Weltausstellungskataloge oder andere, mit Zeichnungen ver -
sehene Special-Publicationen — man half sich in der Regel in einer nicht
sehr glücklichen Art. Denn auch das Uebertragen oder Bearbeiten einer
schon vorhandenen Zeichnung setzt ein gewisses künstlerisches Verständ -
nis voraus. In dieser Benützung von artistischen Publicationen kam den
Bedürfnissen jener Industriellen, denen es entweder an Geld oder gutem
Willen fehlt, kunstgebildete Zeichner in Anspruch zu nehmen, die unge -
nügende Musterschutz - Gesetzgebung zu Statten; sie konnten weidlich
plündern, wo sie etwas Gutes fanden, ohne in Gefahr zu gerathen, wegen
dieses geistigen Diebstahls mit den Gerichten in unangenehme Berührung
zu kommen.
Bei dieser Art von Gebahrung wurde die gesammte Industrie in
einer steigenden Progression von Frankreich abhängig; dort gab es unter
dem. Schutze einer guten Gesetzgebung bereits geschulte Zeichner und
Ateliers für Musterzeichnungen; auch der artistisch-literarische Markt wird
von Frankreich aus viel mehr mit brauchbareren Publicationen versehen
als es von England, Italien und Deutschland aus geschieht. Viele der
intelligenteren Grossindustriellen waren förmlich genöthigt in Paris seihst
Zeichner für ihre Zwecke zu beschäftigen, wie die Shawl- und Spitzem
fabnkanten etc. Auch die sog. Musterlager wirken in dieser Beziehung
häufig eher schädlich als nützlich, insbesondere dann, wenn den Leitern die
Einsicht in die Bedingungen eines kunstgewerblichen Betriebes abgeht. Sie
leiten häufig mehr an, Fremdes geschickt oder ungeschickt zu benützen,
als selbstständig zu denken und zu schaffen. Und für ein grosses Pub -
licum ist es ja doch am Ende nur darum zu thun, dass Etwas eine fran -
zösische, oder englische oder überhaupt fremdländische Facon habe, —
iS
der Verkäufer war dann seines Erfolges sicher. Da nun leider auch ein
Theil des vornehmen Publicums zu dem p. t. Grossen zu rechnen ist, so
kam auf dem deutschen und dem österreichischen Markte der Industrielle,
der mit eigenem geistigen Capitale arbeitet, häufig in Nachtheil gegen
jenen, der" fremde Gedanken, sei es direct oder durch den Weg der
Musterlager, geschickt annexirt.
Am allerwenigsten aber ist der Kunstindustrie mit Künstlern gedient,
die, weil sie auf dem Gebiete der eigentlichen Kunst kein Fortkommen
finden, sich auf die Kunstgewerbe werfen. Abgesehen davon, dass sie das
künstlerische Unvermögen in diese Art industrielle Production übertragen,
fehlt es denselben vor Allem an der nöthigen Vorbildung und die entspre -
chende Einsicht in die technischen und commerciellen Bedingungen der
industriellen Production.
In Oesterreich speciell ist eine Wendung zum Bessereneingetreten,
einer der hervorragendsten Erfolge der kunstgewerblichen Ausstellung des
Museums ist es aber, dass auf derselben diese Wendung in unzweifelhafter
Weise constatirt wurde.
Eine Reihe von Musterzeichnern treten auf derselben auf; eine grosse
Anzahl von Industriellen nennen die Künstler und Zeichner, welche sie be -
nützt haben. Den Einfluss und die specielle Bedeutung derselben für ein -
zelne Fabricationszweige den Fachreferenten überlassend, führen wir nui
dasjenige auf, was für das Auftreten der Musterzeichner, als solcher, vom
allgemein ästhetischen oder statistischen Gesichtspunkte von Wichtig-
keit ist.
Einige unserer Industriellen, wie die Herren A. Lobmeyr, Schmidt
& Sugg, Ludwig, Jauner u. a. m. zeichnen selbst, oder sind, wie die
HH. SchÖnthaler und Kitschelt, in Kunstschulen gebildet. Mehrere
unserer hervorragendsten Architekten, H. v. Ferstel, R. v. Hansen,
Fr. Schmidt, Riewel u. s. f. stehen mit den Kunstindustriellen in
enger Verbindung, — am meisten und auf den verschiedensten Gebieten
der Kunstgewerbe der Architekt Storck, Professor an der Kunstgewerbe -
schule des Museums. Dass der gesammte Lehrkörper der Kunstgewerbe -
schule, die Herren O. König, V. Teirich, A. Hauser, F. Sturm,
F. Laufberger, M. Ri es er sich an den Kunstgewerben nicht blos als
Lehrer, sondern als ausübende Künstler betheiligen und so einen wesent -
lich fördernden Einfluss ausüben, zeigt ein Gang durch die Ausstellung.
Unter den Ausstellern haben die Herren Philipp Haas & Söhne,
Lobmeyr, Hanusch, Michel, Küfferle, Grüllemayer, August
Klein, Groner, Haas & Czizek (in Schlaggenwald), Kitschelt,
Hlawatsch & Isbary, Neuhauser (in Innsbruck), Leitenberger
(in Cosmanos), Wagner (in Prag und Komotau), Fischer & Mi eg (in
Karlsbad) die Namen der Zeichner genannt, die sie benützen, oder ihre
Zeichnungen ausgestellt. Von mehreren Ausstellern, welche die Künstler-
i6
namen nicht genannt haben, ist es bekannt, dass sie mit hervorragenden
Künstlern in lebhaftem Geschäftsverkehre stehen.
Unter den Künstlern, die genannt werden, sind einige, welche selbst -
ständige Zeichnungen und Entwürfe zur Ausstellung gebracht haben, wie
der Bildhauer Benk, der Historienmaler Mader in Innsbruck.
Als Zeichner für kunstgewerbliche Zwecke im engeren und eigent -
lichen Sinne des Wortes sind, ausser den Professoren an der Kunstge -
werbeschule, aufgetreten die Herren Hatzinger, Rödlj Drahan
Brunner, Castamagna, Lieb (Zeichenlehrer an der Gumpendorfer
Webereischule), der Architekt Groner (in Verbindung mit seinem Bruder
dem Hofbuchbinder Groner), -Isella, Sodoma sen., Sodoma jun.
(Lehrer an der Zeichenschule des Frauenerwerbvereines), Wol a n ek (Pro -
fessor an der Wiedener Ober-Realschule), Rigler, Boo & Morchen-
stern, Wachsmann (in Prag), Fischb.ach (jetzt in Hanau), F. Jobst,
Albert, A. Mögele, denen sich die Modelleure Melnitzky, Hutterer,
Kuschmann, Kühne , Josef und Minna Weitmann, Koch, Sagmei -
ster, die Maler Macht, Schmidt (Maler bei Haas & Gzizek in Schlaggen -
wald), Hubl, und die Ciseleure Mayer und Schwarz anschliessen. Von
auswärtigen Zeichnern stehen die Herren Fischbach (Lehrer an der Ha -
nauer Kunstschule) und Prof. Herdtle in Stuttgart mit unseren Indu -
striellen, so weit es auf der Ausstellung klar wird, in Verbindung.
Am meisten werden Zeichner für Weberei, Glasindustrie und Tisch -
lerei gebraucht; auf ersterem Gebiete werden die meisten Namen auch
ausdrücklich genannt, von der Firma Phil. Haas & Söhne allein sechs.
Dazu kömmt noch , dass mehrere Zeichner, Bildhauer und Architekten
nicht genannt werden, von denen es aber notorisch ist, dass sie sich
mit Aufgaben der Kunstindustrie beschäftigen.
Erwägt man nun, dass es vor einem Jahre in Wien noch keine Kunst -
gewerbeschule gegeben hat, dass man erst seit dem Bestehen dieser Schule
dem Zeichenunterricht eine besondere Aufmerksamkeit widmet, dass die
Malereischule reformirt, in den Kronländern zu Hallein, Gablonz, Haida,
Specialschulen errichtet, andere Specialschulen, wie in St. Ulrich im •
Grödnerthale, in Ellbogen in Errichtung begriffen sind, dass ausserdem
einzelne Vereine, wie im Frauenerwerbvereine in ^Wien und Prag, einzelne
Genossenschaften, wie die der Posamentierer, dem Zeichenunterrichte eine
ganz besondere Aufmerksamkeit widmen, erwägt man endlich, dass durch
Zeichen- und Modellvorlagen in allen Schulen Sorge getragen wird , so
wird man nicht verkennen, dass das, was früher ausgesprochen wurde,
eine volle Wahrheit ist: das bedeutsame Hervortreten der Zeichner sei
auf der Ausstellung des Museums eine der erfreulichsten Erscheinungen
in der kunstgewerblichen Bewegung der Gegenwart für Oesterreich.
E.
17
IV.
Bronze.
(Französisch-Deutsche Bronzetechnik. — Hollenbach, Hanusch , Grüllemayer, Hagemayer,
Turbain, Brix & Anders, Haas; pia desideria. — Die Ciseleure Mayr und Schwarz. —
Die kais. Kunsterzgiesserei.)
Die Franzosen haben für diesen ganzen Zweig der Kunstindustrie
einen Ausdruck, Bronce d’Art, der in der deutschen Kunst der Gegenwart
nicht eingebürgert, in keiner Form, etwa Kunstbronze, populär geworden
ist. Der Mangel eines solchen Ausdruckes deutet auf ein Doppeltes hin,
auf die geringe Entwicklung dieses Zweiges der Kunstindustrie auf dem
ganzen Gebiete der mitteleuropäischen .deutschen Kunsttechnik, und auf
die Abhängigkeit des consumirenden und producirenden Publicums von
der heutigen französischen Bronzeindustrie.
Nicht immer war es so. In der glänzenden Zeit deutscher Kaiser
aus dem sächsischen Geschlechte entwickelte sich am Harze und am Rhein
eine gewaltige Bronzeindustrie, deren Ueberreste wir noch in Hildesheim,
Braunschweig, Goslar, in den Schätzen vieler Kirchen am Rheine, in Grab -
platten und Kircheneinrichtungsgegenständen begegnen.
In der Zeit Kaiser Friedrich’s IV. und Max’s I. gab es wieder
eine reich entwickelte Bronzetechnik, deren Träger vor Allem Peter Vischer
der Jüngere gewesen ist, deren Werke sich in Franken, Schwaben, Tirolu. s. f.
befinden. Auch später noch rief der Bronzeguss herrliche Werke hervor,
die Brunnendecorationen in Augsburg, im k. Schlosse zu München bis in
die Zeit hinein, wo Jakobi das Schlüter’sche Monument des grossen Kur -
fürsten auf der Schlossbrücke in Berlin in Bronze goss. In Wien konnte
zu Rafael Donner’s Zeiten der Bronzeguss nicht festen Fuss fassen, erst
das Monument Joseph II. erinnerte, dass man es kann, wenn der
Wille vorhanden ist.
In unseren Tagen wurden gewaltige Anstrengungen gemacht, den
Bronzeguss zu beleben. Vor Allem war es König Ludwig von Bayern, der
den Bronzeguss förderte, ihn für monumentale Zwecke wiederbelebte. In
München entstand eine k. Erzgiesserei unter Miller’s Leitung, in Nürnberg
und in Lauchhammer wurden Erzgiessereien errichtet. In Wien war es
Kaiser Franz Joseph, der zum ersten Male in Oesterreich eine Kunst-
giesserei gründete.
Aber trotz gewaltiger Anstrengungen kam es doch nicht zu durch -
greifenden Erfolgen, insbesondere lässt der Einfluss der Erzgiessereien
vieles, um nicht zu sagen, fast Alles zu wünschen übrig, um den Kunst -
bronzeguss populär zu machen und ihn auf den vielen Gebieten der Kunst -
industrie so einzubürgern, dass die mitteleuropäische deutsche und öster -
reichische Kunstbronzetechnik der französischen Concurrenz gewachsen
sein könnte.
Die Ursachen dieser Erscheinungen sind nicht schwer zu erforschen.
2
I
i8_
Die Einführung des Bronzegusses geschah unter der Herrschaft des
Schlagwortes der «monumentalen« Kunstplastik. Ob gut oder nicht gut,
so dachte man damals, — wenn es nur monumental war. Für die Klein -
kunst, für das, was Kunstindustrie betrifft, hatte man keinen Sinn. Je
mehr man sich unnahbaren Höhen näherte, desto näher fühlte man sich
dem Ziele; den Himmel im Auge vergass man die Erde, ihre Bewohner
und deren Geschichte. Dass der Bronzeguss in Aegypten und in Griechen -
land, in Deutschland und Italien den Gegensatz der monumentalen und
nicht monumentalen Kunst und der rein künstlerischen und der bürger
liehen gar nicht kannte, davon nahm man ebenso wenig Notiz, als dass
der Bronzeguss oft in Verbindung mit Goldschmiedekunst und Metalltechnik
verschiedener Art, als bürgerliches Kunstgewerbe, und nur als dieses flo-
rirt, und dass dieser gewerbliche Kunstbetrieb die sichere breite Basis für
den eigentlichen Bronzeguss abgab. Heutigen Tages sind wir klarer im
Urtheile und sicherer im Handeln. Wir wissen, dass unser moderner
Bronzeguss dem der Renaissancezeit weit nachsteht, dass wir nichts geschaffen
haben, was sich mit den Bronzegüssen im Münchener Schlossgarten, den
Augsburger Brunnen, dem Sebaldusgrabe in Nürnberg messen kann, von
den Renaissance - Bronzegüssen in Florenz von Ghiberti bis Cellini und
Gian da Bologna nicht zu reden; heutigen Tages wissen wir, dass auch
Florenz und Nürnberg nicht Griechenland und dieses wieder nicht Aegyp -
ten im Bronzeguss erreichte. Auch der Orient, China und Japan, zeigen
Leistungen im Bronzegusse, die den europäischen in technischer und ge-
wissermassen auch in künstlerischer Beziehung übertreffen.
Dazu gesellen sich Richtungen unserer Künstler und unserer Tech -
niker, welche der Entwicklung der Bronzetechnik nicht förderlich sind.
Im Geiste der Bronzetechnik zu componiren verlernten unsere Künstler;
sie componiren für Bronzeausführung wie etwa Schwanthaler den Brunnen
auf der Freiung, dessen Figuren eher für Holz- oder Steinaustührung, als
für Bronze oder Metall passen. Wie anders behandelte noch R. Donner
seine Formen am Brunnen am Mehlmarkt, Schlüter seine Gestalten am
Monumente des grossen Kurfürsten! Die »monumentale« Phrase hat man -
chem modernen Künstler das Verständniss für Bronzetechnik getrübt.
Die Franzosen haben sich von diesen ideologischen Kunstanschauungen
nicht beirren lassen. Der deutsche Kunstmarkt vor Allem empfand lebhaft
die Lücke in der Praxis der deutschen Künstler.
Auch in technischer Beziehung machte man daher nur nach Einer Seite
hin Fortschritte; in anderer Beziehung blieb man zurück, nicht blos hinter
den Leistungen des XVI. und XVII. und XVIII. Jahrhundertes , sondern
auch hinter den Leistungen des modernen Frankreich. In dem Masse, als
man den rein künstlerischen Gesichtskreis durch Festhalten des Standpunk -
tes der modernen »monumentalen« Plastik verengte, vernachlässigte man
Vieles, was sich auf Kunsttechnik, auf Legirung und Färbung der Me -
talle, Patina, Vergoldung, Ciselirung, Emailtechnik und Anderes bezieht,
! 9
dessen verständnisvolle Pflege für die Bronze d’Art unerlässlich ist. Die
Franzosen haben sich aller dieser Kunsttechniken und Kunstzweige be -
mächtigt , mit Geschick , mit Intelligenz und eingehendem Studium der
Bronzen des Orientes wie des Occidentes. Dazu kömmt noch , dass sie
alle mechanischen reproducirenden Techniken besitzen, um wohlfeil und
massenhaft zu erzeugen. So wenig bedeutend die Franzosen als eigent -
lich erfindende Geister sind, so hoch ist ihr Talent anzuschlagen, wenn
es sich darum handelt, mit den Bedürfnissen der modernen Zeit sich in
Fühlung zu erhalten und mit eigenthümlicher Gewandtheit das zu schaffen,
was der moderne Comfort braucht. Desswegen beherrschen sie den Markt
mit den Bronzes d’Art vollständig und schlugen Deutsche und Oesterrei -
cher aus dem Felde. Die besseren Bronzen für Uhren, Tafelaufsätze etc.
werden fast alle, bis auf die jüngste Zeit, aus Frankreich bezogen. Sie
haben ihre Bronzeateliers so eingerichtet, dass an fünf bis sechs Privatan -
stalten Bronzegüsse für lebensgrosse Figuren gemacht werden können,
während man in München oder Wien auf Staatssubvention angewiesen ist,
und mit monumentalen Augen nach dem Olymp sehend, die Hände gleich -
zeitig über den Rücken legt, wenn vornehme Private, Händler und Spe-
culanten österreichisches Geld zur Erwerbung französischer Bronzen nach
Paris senden.
Wir haben daher wohl allen Grund, der Entwicklung der heimischen
Bronzeindustrie mit aufmerksamen Augen zu folgen, — um so mehr, als
die Musealausstellung auf diesem Gebiete vielleicht den grössten Fortschritt
gegen frühere Zeiten nachweist.
Das Verdienst, auf diesem Felde das Eis gebrochen zu haben, ge
bührt dem jüngst verstorbenen Bronzefabrikanten David Hollenbach)
einem Ansbacher von Geburt, der vor Jahrzehenden sich in Wien nieder -
gelassen und um die Förderung der einheimischen Bronzefabrication die
grössten Verdienste erworben hat. Unter den Bronzefabrikanten war er
der erste, der Künstler benützte, Architekten, Modelleure, und der bemüht
war, in den Formen der für den Wohnungs- und Hausbedarf bestimmten
Bronzeobjecte eigene Modelle zu besitzen und nicht blos französische
Vorbilder zu benützen. Hansen, van der Nüll, Siccardsburg, Ferstel, Storck,
Tietz, Riewel u. s. f. arbeiteten für Hollenbach. Dabei war seine Arbeit
eine sehr solide, seine Vergoldungen dauerhaft. Er hatte viel zu kämpfen
mit den Vorurtheilen der vornehmen Welt, die nur nach Paris blickte.
Heutigen Tages steht der Name Hollenbach nicht mehr allein. In
dem Ausstellungskataloge erscheinen noch als selbstständige Fabrikanten
Hanusch, Grüllemayer und F. Hagemayer, Turbain, Brix &
Anders, Carl Haas, abgesehen davon, dass in vielen Fabricationszwei-
gen, z. B. bei August Klein, Gustav Lehrl, bei den Glaswaaren von
A. Lobmeyr und Ulrich, bei den Buchbinderarbeiten von Groner,
Bronzedecoration, auch durch Ateliers, die selbstständig nicht vertreten sind,
vielfach, mitunter in ganz glänzender Weise, ihre Vertretung findet, und
20
dass auch sogenannte Gürtler aus den Kronländern und aus Wien, Fr.
Födinger aus Gmunden, Biendl aus Innsbruck, F. Adler aus Wien
Bronzeobjecte zur Ausstellung gebracht haben. Ausserdem aber gibt es in
Wien noch Bronzefabrikanten, die nicht ausgestellt haben.
Brix & Anders, Carl Haas und Turbain haben nur wenige
Bronzegegenstände ausgestellt, von denen jeder für sich besondere Ver -
dienste in Anspruch nehmen darf. Auf stylvolle Durchbildnng legen
Brix und Anders und C. Haas ein besonderes Gewicht. Turbain’s
»Venus und Amor« nach dem Modelle des Prof. König gegossen, ist mit
besonderer Sorgfalt ciselirt. Eine specielle Aufmerksamkeit verdienen die
aus freier Hand geschnittenen Bronzeornamente in den Galanteriearbeiten
von A. Klein, und die geistvoll erfundenen und virtuos durchgeführten
Ornamente auf den Kunst-Buchbinderarbeiten von Groner.
Eine Specialität auf dem Gebiete der Metallplastik ist Carl Haas.
Bekannt als eminenter Galvanoplastiker und wissenschaftlich gebildeter
Techniker, ist Carl Haas diesmal zum ersten Male als Bronzegiesser
aufgetreten mit der Reproduction des bekannten pompejanischen Silen als
Lampenträger und mit Kirchengefässen im romanischen Style. Wir kommen
in der Abtheilung über kirchliche Kunst noch auf diese Ausstellung zu -
rück, hoffend, Herrn Haas noch öfters als Metalltechniker im Museum zu
begegnen. Er gehört in die Reihe jener bescheidenen Oesterreicher, die,
ihr Licht unter den Scheffel stellend, seltener in der Oeffentlichkeit er -
scheinen, als es in ihrem eigenen Interesse • läge.
Auch wenn man die Bronzedecoration bei den Lüsters und Tafelauf -
sätzen von A. Lobmeyr, so wie die von Koch effectvoll componirten
Figuren an einem Tafelaufsätze von Ulrich in Betracht zieht, nimmt
man wahr, dass diesem Fabricationszweige eine ganz besondere Aufmerk -
samkeit von jenen Industriezweigen zugewendet wird, welche Bronze nur
gewissermassen als Beiwerk benützen.
Bei der Pianofortefabrication und der Kunsttischlerei, allerdings weniger
als es in Frankreich der Fall ist, kommt gleichfalls Bronze bei uns viel -
fach in Anwendung.
Als Bronzefabrikanten im grossen Style treten diesmal Hollen-
bach’s Erben, Hanusch, J. Grüllemayer und F. Hagemayer auf;
Hollenbach’s Erben mit einer grossen Anzahl von vorzüglich gearbei
teten, meist für den besseren Hausbedarf berechneten Gegenständen: Can-
delaber, Steh-, Wand- und Hängeleuchter, Rosetten u. s. f. So gross die
Anzahl dieser Gegenstände ist, so geben sie ebenso wenig ein vollstän -
diges Bild von dem Umfange der Fabrication von Hollenbach’s Erben,
als die Gegenstände, welche Hanusch ausgestellt hat.
Bei Hollenbach muss speciell die Aufmerksamkeit auf die mattver-
goldeten Figuren an den grossen von Th. Hansen gezeichneten Bronze -
candelabern gelenkt werden — es ist das erste Mal, dass diese, sonst
nur von Franzosen geübte Technik in so glanzender ^Veise zur Ausstel -
lung kam.
Bei den Bronzearbeiten, welche Hanusch an dem k. Tafelaufsätze,
— von Store k entworfen, im figuralen Theile von König modellirt
ausgeführt hat, ist vor Allem auf eine vollendete Durchführung bis in
die kleinsten Details Gewicht gelegt worden. Mit Recht wurden im Aus -
stellungskataloge die Namen der Arbeiter, welche dabei mitgewirkt haben,
genannt, — denn eine in gleich vollendeter Weise durchgeführte Bronze -
arbeit ist bisher nicht gemacht, ist vielleicht auch nie noch gefordert wor -
den. Schon lange hat im Geschäftsverkehre die Firma Hanusch den Ruf
grosser Präcision und Genauigkeit, ein Ruf, der dazu beigetragen hat, ihren
Bronzeartikeln eine grosse Exportfähigkeit zu sichern. Von Hollenbach’s
Erben und Hanusch sind reiche Bronzelüsters ausgestellt, theilweise in Ver -
bindung mit Email, theilweise auch unvergoldet.
Die Firmen J. Grüllemayer und F. Hagemayer sind diesmal,
wenn wir nicht irren, zum ersten Male in grösserem Massstabe aufgetreten.
Was auch immer gegen Einzelnes von stylistischem Gesichtspunkte gesagt
werden mag, Vieles darunter , insbesondere der Amor mit dem Schwan
(von O. König modellirt), die beiden von Hauser entworfenen Salontisch -
chen, von Grüllemayer ausgeführt, und der Tafelaufsatz von F. Hage -
mayer sind in ihrer Art so gute Arbeiten, so anerkennungswürdig im
Streben, dass sie besonders hervorgehoben zu werden verdienen.
Aber allerdings — der Bronzefabrikant arbeitet nicht für sich, son -
dern für das Publicum, und das Publicum, insbesondere das vornehme,
ist voller Vorurtheile für einheimische Fabrikanten. Diese Vorurtheile lassen
sich nur langsam besiegen. Dieselben wachsen in diesen Kreisen mit der
Jugend auf und werden dann im Alter schwer abgelegt. Der Patrio -
tismus von ehemals ist gewichen ; wenn ein ausländischer Fabrikant um
einige Percente wohlfeiler arbeitet, wird er begünstigt. Den Stolz, den
ehemals Kirchenfürsten und der hohe Adel gehabt haben , sich Galerien
und Bibliotheken anzulegen , der einheimischen Industrie eine Stütze zu
sein, ist gewichen , oder wenigstens nicht in dem Masse vorhanden, als
es in Frankreich der Fall ist. Ob dabei Aversionen gegen Wien mit in s
Spiel kommen, ob die Furcht, dass der Bürgerstand sich mehr noch
kräftige, als es ohnehin der Fall ist, lassen wir unentschieden. Thatsache
ist, dass der ganzen Bronzeindustrie nicht die Aufmerksamkeit zu Theil
wird, wie es vom Standpunkte eines erleuchteten Patriotismus wünschens -
wert!) ist.
Dazu kommen noch andere Verhältnisse; der Markt im Innern ist
unterbunden; die Wechselbeziehungen auf’dem Gebiete der Gewerbsinter-
essen in den Kronländern Oesterreichs gestört. Die technologischen Wis -
senschaften werden wenig gepflegt; Autoritäten auf diesem Felde, welche
der Bronzeindustrie unter die Arme greifen könnten, fehlen. Da sieht es
in Frankreich, speciell in Paris, ganz anders aus.
22
Zudem ist in der Bronzefabrication der Geist der Association noch
nicht erwacht, der in Frankreich gerade auf diesem Felde so viel dazu
beigetragen hat, den ganzen Fabricationszweig zu heben, die Arbeiter zu
schulen, den Techniker zu fördern. Was haben bei uns die Genossen -
schaften auf diesem Felde gethan, und was hätten dieselben thun können!
Die Industriellen müssen nicht Alles von der Regierung verlangen, sie
müssen sich selbst helfen können, besonders in Zeiten, wo es an Aufträgen
nicht fehlt und Mittel genug vorhanden sind, um , wie es die Posamen-
tirer gethan haben, eine Fachschule zu errichten, — sei es als Sonn -
tags- oder Abendunterricht, — geeignet, die Leistungsfähigkeit der Arbei -
ter zu erhöhen.
Auch darüber müssen sie unter sich in höherem Grade klar wer -
den, wie sie Modelle von Künstlern oder nach berühmten Kunstwerken
erwerben , und wie sie und nach welchen Methoden sie dieselben repro-
duciren müssen , um einerseits den Künstler entsprechend honoriren, an -
dererseits aber so vielerlei Abgüsse machen zu können, damit ein grösserer
Absatz, und auch ein Absatz zu geringeren Preisen möglich ist. Auch
darüber werden die Verhältnisse in Frankreich manchen Wink geben
können. Dort werden Reproductionsmaschinen und Galvanoplastik vielfach
angewendet. Auch in Berlin wird mehr als Ein Gebiet der Metallplastik
rationeller betrieben, als in Oesterreich.
Die Erörterung dieser Fragen war früher, wo die Bronzefabrication
in den ersten Stadien der Entwicklung stand, vielleicht überflüssig. Heu -
tigen Tages aber ist es anders; heute müssen dieselben umfassend erör -
tert, zu praktischer Lösung gelangen, wenn man der Bronzefabrication
eine glänzendere Zukunft sichern soll.
Ein Schritt ist wenigstens nach Einer Seite hin geschehen. Die bei -
den Ciseleurs, Schwarz und Mayer, die, nachdem sie bereits tüchtig in
den Elementen des Ciselirens erfahren, sich im Zeichnen und Modelliren
in der Kunstgewerbeschule fortgebildet haben, gelangten dazu, ein Atelier
für Ciseleurarbeit zu etabliren, der erste Versuch ähnlicher Art, der bis -
her in Wien gemacht wurde.
Wir haben diesmal die technisch-industriellen Fragen in den Vor -
dergrund gestellt, weil diese es sind, die zur Lösung drängen; die vor -
wiegend künstlerischen lassen sich mit wenigen Worten andeuten.
In dem Masse, als die Kunst der Plastik und der Unterricht in den
Kunstgewerbeschulen vorwärts schreitet, in demselben Masse werden ge -
schickte Modelleure vorhanden sein und Bildwerke geschaffen werden, die
verdienen in Bronze gegossen zu werden. Der Bronzeguss verlangt eine
gewisse Grazie und Leichtigkeit, eine eigenthiimliche Beweglichkeit und
Lieblichkeit des Talentes, um zur Geltung zu gelangen. Eine Menge grös -
serer und kleinerer Figuren aus der älteren italienischen, französischen und
deutschen Renaissance verdanken diesen Vorzügen ihre grosse Popularität.
Die Bronzethüren Ghibertis mit ihren reizenden Figuren, der Perseus des
23
Cellini, der Merkur von Giovanni da Bologna, wird immer Entzücken her-
vörrüfen, wie er auch immer, ob grösser oder kleiner, dargestellt sein mag,
und die Thürklopfer an den Palästen in Venedig und Florenz werden
immer bewundert und nachgeahmt, weil Reizenderes und Stoffgerechteres
selten erfunden wurde. Wie wenig hat die moderne Plastik für Bronze
Darstellbares erfunden und wie viel hätten Bildhauer noch zu thun? Gewisse
Formen, so stylgerecht sie in Holz und Stein sein mögen, passen für den
Bronzeguss absolut nicht, so wenig, als das derb Realistische sich dafür
eignet. Die Gattung des Bronzegusses nach ihrer stylistischen Seite ver -
dient von Künstlern speciell studirt zu werden.
ln dem monumentalen Bronzeguss hat die kais. Erzgiesserei seit
Fernkorn’s Auftreten allerdings mehrere technisch-artistische Leistungen
hervorgerufen, welche die Plätze Wiens zieren und volle Beachtung ver -
dienen, jedoch sich hier von selbst der Besprechung entziehen.
Auf die Branchen des Bronzegusses, die auf der Ausstellung des
Museums zur Geltung kamen, hat sie aber last keinen Einfluss ausgeübt.
Bios die kleine zierliche Bronzegruppe von J. Benk »Maria mit dem
Christuskinde und Johannes« ist aus derselben hervorgegangen.
ln neueren Zeiten scheint sich dieselbe, neben dem obgenannten Fache,
auch dem kunstgewerblichen zuwenden zu wollen. Hoffentlich geschieht
dies in einer Richtung, die würdig ist eines kaiserlichen Institutes.
Endlich darf nicht übergangen werden, dass so wie eine grosse Zahl
Zeichner, so auch eine grosse Zahl von Bildhauern und Modelleurs der
Bronzetechnik sich zuwenden, wie Prol. O. König, SchÖnthaler, Koch,
Kuschmann, Schindler u. a. m. Nicht alle Bronzegiesser haben die Mo -
delleure genannt, die sie bei ihren Werken benützt haben.
V.
Medailleure und Graveure.
(Die Graveur-Akademie des Hauptmünzamtes. — C. Radmtzky. — Dorflinger.)
Zu den in geringerem Grade populären Zweigen der modernen Kunst -
technik gehört die Kunst der Graveure und Medailleure. Nichts desto
weniger verdient dieselbe volle Beachtung, von welchem Gesichtspunkte
man sie betrachten, ob man den rein künstlerischen oder den rein tech
nischen in Betracht ziehen will, oder den Einfluss derselben aut Kunst
gewerbe im engsten Sinne des Wortes.
In Wien sind es zwei Institute, in welchen die Graveurkunst gepflegt
wird, in der Akademie der bildenden Künste als Kunst, in der Graveur-
Akademie des k. k. Hauptmünzamtes vorzugsweise vom Standpunkte der
Münztechnik. An der Akademie der bildenden Künste wurde auch früher
das Fach der Cameen- und Intaglioschneidekunst betrieben, als diese
Kunsttechnik im Schwünge war, was jetzt ausserhalb Italien leider nicht
24
der Fall ist. Denn von der Pflege dieser Kunstzweige an den beiden An -
stalten hängen eine Reihe von Kunstgewerben ab. Die Siegel- und Stam -
piglienstecher für alle Arten von Nachdruck, für Buchbinderei, Lederpres -
sungen u. s. f. brauchen geschickte Graveure oder Stampiglien, Matrizen
und Bunzen u. s. f., welche mit geschickter Hand geschnitten, ihre Ver -
wendung in verschiedenen Branchen von Gewerben finden. Nicht alle
Graveure sind für das eigentliche Kunstfach berufen und geeignet, nur
wenige finden davon eine dauernde Beschäftigung. Bei weitem die grösste
Anzahl würde in den Kunstgewerben Verwendung finden , wenn sie in
hinreichender Anzahl vorhanden sein würden. Es gehört nicht zu den
Lichtseiten unseres kunstgewerblichen Lebens, dass der Bedarf aus Paris
gedeckt werden muss, oder dass Ledergalanteriearbeiter, Buchbinder, ihre
Matrizen wie ihr Leder oft vom Auslande her beziehen müssen. Aus diesen
Gründen wird man es begreifen, dass wir das Auftreten der Graveur-
Akademie des k. k. Hauptmünzamtes, die, auch wegen Verfertigung vor -
trefflicher Matrizen für die coursirende Geldmünze in den letzten Jahr-
zehenden des verflossenen Jahrhundertes im deutschen Reiche einen ersten
Rang einnahm, mit aufrichtiger Befriedigung und warmer Freude be-
grüssen.
Mit Bedauern haben wir es gesehen, dass man in den jüngst ver -
flossenen Jahrzehenden dieser Anstalt nicht die gehörige Aufmerksamkeit
schenkte. Der bureaukratische Utilitarismus, der die k. k. Porcellanmanu-
factur untergehen liess, nachdem er sie auf falsche Bahnen gelenkt hat,
welcher der Staatsdruckerei, auch auf rein typographischem Boden viel zu
enge Grenzen stellt, dieser Utilitarismus hat auch die einst so blühende
Graveur-Akademie von der Höhe herabgedrückt, auf der sich dieselbe be -
fand. Man vergass ganz, dass solche Anstalten erst dann wirklich nützen,
wenn sie, über das Mass des Gewöhnlichen hinaufsteigend, sich so ent -
falten können, um verschiedene nahe liegende Gebiete befruchten zu können.
Engherzigkeit ist solchen Anstalten gegenüber eine schlechte Politik,
Sparsamkeit die grösste Verschwendung.
Die Graveur-Akademie beginnt wieder ihr Haupt zu erheben. Die
Darstellung der Münzmanipulation ist in hohem Grade lehrreich, und die
Graveure J. Tautenbayn, Ant. Scharff, A. Neudeck, Fritz Leisek
zeigen sich als vollständig gewachsen der Aufgabe, die sie in ihrer Stel -
lung zu erfüllen haben. Einige Wachsbossirungen auf dem schwierigen
Felde figuraler Composition für Medaillen sind geistreich in der Erfindung
und stylvoll in der Durchführung. Dass die Medaillen, welche Herr Carl
Radnitzky, Professor an der Akademie der bildenden Künste, ausstellte,
uns das Bild eines Künstlers geben, der, erfahren in der Kunst zu graviren,
unermüdlich in seiner künstlerischen Thätigkeit ist, bedarf nicht besonders
erwähnt zu werden. Bedauern können wir nur, dass die mancherlei glück -
lichen Versuche, ausser den geprägten Medaillen auch Gussmedaillen ein-
25
zubürgern , bei unserem Publicum auf keine sympathische Stimmung ge -
fallen sind.
Was die Technik der Prägung betrifft, so zeigt sie sich als eine un -
tadelhafte ; die Färbung der Bronzemedaillen als vorzüglich gelungen.
Graveure für Wappen etc. haben sonst nicht ausgestellt, was aus
mehr als Einem Grunde bedauerlich ist. Herrn Jauner begegnen wir
auf einem andern Gebiete in einer sehr glänzenden Ausstellung. Vielleicht
werden wir die Wappen- und Siegelgraveure öfter auf der permanenten
Ausstellung moderner Kunstindustrie des Museums, die in wenigen Wo -
chen eröffnet werden wird, begegnen.
Auf dem Gebiete der Cameenschneidekunst ist allein Dörflinger
aufgetreten, ein fleissiger und strebsamer Arbeiter, der, soweit es für den
Bedarf des gewöhnlichen Frauenschmuckes nöthig ist, vollständig ausreicht
und sich gute Vorbilder wählt. E.
VI.
Plastik in Elfenbein.
(R. Sagmeister. — A. Vogel. — E. Pendl.)
Der Freund der älteren Kunstperioden, welcher daran seine Freude
hat zu sehen, wie deren Stylformen in der Kunst der Jetztzeit wieder
aufleben, findet im Fache der Elfenbeinplastik in der Musealausstellung
schöne Proben vor ; wir dürfen es mit Freude aussprechen, durchaus treff -
liche Arbeiten, wenn auch nur in wenigen Stücken und blos durch zweit
drei Künstler vertreten. Die rein moderne Fabrication, welche blos dem
wechselnden Geschmack des Publicums fröhnt, hat die herrlichen Eigen
schäften dieses fast von jeder Kunstperiode auf mancherlei Weise ausge-
beuteten Materials beinahe völlig unbenützt gelassen und ist auf sehr
handwerksmässige, geist- und formlose Behandlung desselben auf dem ein -
fachen Wege des Drechselns beschränkt geblieben. Fabriksmässig geschnitzte
und gedrehte Knöpfe für Manchetten u. dgl., kleine Büchschen und Ne -
cessaires, Fingerhüte für die Frauenhandarbeit, ferner kleine, noch ganz
im Geiste der Barocke gehaltene Crucifixe und ein gewisses Genre durch -
brochener Arbeit, das ist so ziemlich alles, was in mechanischer, bedeu -
tungsloser Fabrication auf diesem Gebiete hervorgebracht wird. Zu den
Griffen von Spazierstöcken und ähnlichem ersieht man sich gemeiniglich
die sowohl im Gegenstand als in der Form unpassendsten Süjets, Thiere,
ganze kleine Jagden, und alles recht eckig und stachlich , wo doch die
, Hand bequem aufruhen und fassen soll. Jene durchbrochenen Arbeiten,
zuweilen mit sehr grossem Fleiss in der Technik ausgeführt, sind haupt -
sächlich bei Fächern, kleinen Dosen, Brochen u. dgl. in Anwendung,
haben jedoch nicht etwa die derartigen Leistungen der Chinesen und Japa -
nesen zum Vorbild, welche uns darin wohl Lehrer sein könnten, sondern
enthalten meist naturalistische Blumenkränze, Thiergruppen, selbst Land-
26
schäften. Wenn wir von einer kleinen Madonna mit dem Kinde, ausge -
stellt vom Bildhauer Rud. Sagmeis ter in Wien, absehen, die im Geiste
der modernen Malerei gehalten, jedoch durchaus lobwürdig, sehr zierlich
geschnitten in einem lichthäuschenartigen Gehäuse von Holz gefertigt ist, so
begegnen im übrigen lauter Werke, welche sich an den Styl vergangener
Jahrhunderte anschliessen. Die Mehrzahl davon rühit von Anton Vogel,
Drechsler und Bildhauer in : Wien, her und gehört zu dem gediegensten,
sowohl was die Arbeit, als was die Beachtung des Styles belangt. Der
Künstler, welcher auch Restaurator alter Elfenbeinschnitzwerke ist, hat
sich, das sieht man sogleich, mit vielem Eifer in den Styl des Zeitalters
hinein gearbeitet, welches die Glanzperiode unseres Kunstzweiges war,
in jenes Genre, das vom Schlüsse des 16. Jahrhunderts bis in die Acht -
zigerjahre des nächsten Säculums andauerte und, vorzüglich an den Für-
s! enhöfen Baiern’s, Sachsen’s, in Wien und in den Niederlanden gepflegt,
wundervolle Sculpturen im Geiste der späteren Renaissance an den Tag
förderte; welches vertreten ist durch Künstlernamen wie Algardi in Rom,
Giovanni Pozzo, Quesnoy-Fiammingo, Christoph Angermayer und Johann
Rauchmüller. Vogel hat sich in seinen Compositionen der ausgestellten
Gefässe, zwei hohe Kannen, ein silbermontirtes Trinkhorn und der Mantel
eines Pocals, liebevoll an die Schöpfungen dieser Meister gehalten. Wir
finden da jene bacchantischen und sonstige mythologische Scenen in der -
selben dichtgedrängten Anordnung wieder, welche kein Fleckchen flachen
Grund übrig lässt und das Geräth factisch mit einem Knäuel von Leibern
ummauert, jene üppigen und etwas gedrungenen nackten Gestalten, wel -
che das glatte, glänzende Material eben so trefflich wiedergibt. Die etwas
langgestreckt-schmächtigen Formen der beiden Kannen und die grosse
Dünne des Trinkhornes waren durch die Beschaffenheit der verwendeten
Zähne bedingt, indess wusste der Künstler seine Erfindungen auch diesem
Umstande bestmöglichst anzupassen. Das einzige, was an diesen trefflichen,
mit vollster Pietät für den Styl der Renaissance erdachten Arbeiten eini-
germassen fremdartig berührt, ist das Ornament, welches allerdings unter -
geordnet verwendet erscheint, aber wo es auftritt, mit dem Style des figu-
ralen Theiles nicht übereinstimmt, sondern sich als ein Kind des 19. Jahr -
hunderts manifestirt. Dies tritt an einzelnen Henkeln, besonders aber an
dem Cabinet zu Tage, von dem sogleich die Rede sein soll.
Dasselbe ist von schwarzem Holze gefügt, innen mit den gewöhnli -
chen Schublädchen der alten Schmuckschreine versehen und wird durch
zwei Thürchen geschlossen. Die Aussenseiten der letzteren sind mit auf -
gelegtem Elfenbeinschnitzwerk, die Lädchen aber mit flachem Relief aus
diesem Stoffe geschmückt, das schwarze Holz des Kastens hat keinerlei
Verzierung. An den Thüren nun kommen Rosenbouquets und um das
mittlere Relief ein Dornenkranz vor, deren Naturalismus zu den ebenfalls
im Styl des 17. Jahrhunderts etwa gehaltenen Darstellungen aus der Ge -
schichte Jesu nicht stimmen. Die Reliefs selbst wirken nicht so ganz als
2?
die schöne Arbeit verdienen würde, weil ihre Contouren und inneren Linien
bei dem niedern Relief selbstverständlich nur durch die in Folge der Er -
hebung entstehenden Schatten bemerkbar werden können, diese sehr leich -
ten Schatten aber durch die grossen tiefdunkeln Massen des schwarzen
Kastens ringsum ganz verdrängt und erdrückt werden. Man sieht nur
weisse Flecken im schwarzen Rahmen.
Wie die eben besprochenen Arbeiten die Renaissance in bester Art
repräsentiren, wahrhaft erfreuliche Erscheinungen im heutigen Kunstge -
werbe, so Überrascht ein anderes Werk dieser Technik durch schönes Ver -
ständnis der Gothik. Es ist ein wenige Zoll hohes Täfelchen, in seichtem
Relief gearbeitet, der thronende Christus, von E. Pendl in Wien. Das
flache Relief ist so meisterlich behandelt, dass alle seine Schönheiten, wel
che von dem Masshalten in der Mache abhängen, zur klaren Geltung kommen.
Auf dem beschränkten Raum weniger Quadratzoll ist soviel Reiz in der
Detailbehandlung, so verständige Raumeintheilung und so ruhige Führung
der Zeichnung zu schauen, dass das kleine Bildchen immer und immer
wieder anzieht. Es schwebt die keusche, anspruchslose Schönheit der alten
Kunstgebilde über ihm, deren Styl mit Liebe darin aufgenommen erscheint.
Mit Ausnahme des etwas nazarenischen Christuskopfes athmet das Ganze
den Geist einer Federzeichnung des i5. Jahrhunderts.
Wir reihen hieran einige Worte über den Versuch einer Beinätzung
mit Farbe ausgefüllt, an den Seitenflächen eines Kästchens von R.
Sagmeister, eine Arbeit, die recht gefällig aussieht, Nachahmung und
Weiterausbildung verdienen würde. Der alten Zeit war das Verfahren
nicht unbekannt, daher der Künstler mit hug seine Zeichnung im Styl
der deutschen Renaissance entworfen hat und Ornamente der Kleinmeister,
auch die Sirenen vom Sebaldusgrabe zu Motiven erwählte. — Die ganze,
hier besprochene Gruppe bietet lauter treffliche Früchte, erwachsen aus
trefflichem, alten Samenkorne. Möchten sie gleichfalls wieder in diesem
Geiste neue Keime und neue Früchte hervorrufen. I-
VII.
Rahmen für Bilder und Spiegel.
(Aus dem Atelier Schmidt & Sugg. - Pichler. - Mächazka. Bühlmayer. - Aus dem
Atelier Schönthaler. — Laubheimer. — Heinz. — Ulrich & Comp. — Völkl. — Trinkl. —
Storck, Lobmeyr, Hanusch. — Kölbl & Threm. — Hauser, Spannbauer etc.)
Es ist in diesen Blättern (Nr. 64 und 66) bereits so Treffendes über
die Grenzen, welche bei dem Entwurf und bei der Anfeitigung von
Rahmen einzuhalten sind, gesagt, dass uns kaum übrig bleibt, die vor -
liegende Abtheilung des Ausstellungsberichtes durch einige allgemeine
Worte einzuleiten. Nur möge gestattet sein, darauf hinzuweisen, dass
gleichwohl in jenen eingehenden Aufsätzen das Bild und der dasselbe um-
schliessende Rahmen durchweg als Zimmerschmuck gedacht ist und die
28
dort aufgestellten, ganz massgebenden Geschmacksregeln sich auch nur
auf das Bild und seinen Rahmen beziehen wollen, welches einen Bestand-
theil in der mannigfach wechselnden Ausstattung des Wohngemaches bildet.
Hier ist es billig, dass der Wand und ihrer Decoration in der Frage über
das Wie der allgemein angewendeten Stylform die erste Stimme zuge -
standen wird und so gut wie die Form der Möbel, der Gefässe, die Or -
namente der Drapirungen etc. auch die Verzierungen der Bilderrahmen
sich diesem durch die Wandtapete entschiedenen allgemeinen Charakter
unterordnen sollen. Wir werden es ganz vernünftig finden, in einem der -
artig decorirten, nach moderner Weise der Hauptsache nach zur italieni -
schen Renaissance gehörigen Wohngemache ein Gemälde der altdeutschen
Schule und wieder ein spätes Cabinetsbildchen niederländischen Ursprungs
in einer Umrahmung zu beherbergen, die im Geiste des 16. Jahrhunderts,
im Style der italienischen Ornamentisten dieser Zeit, componirt ist, denn
nichts wäre lächerlicher und gräulicher für den Anblick, als das erste in
roth angestrichenem Leistenrahmen, das andere im barocken, überladenen
Rahmen seiner Periode an Einer Wand schauen zu müssen, einer Wand,
die selbst weder mit der einen noch mit der andern Stylrichtung in ihrer
Decoration übereinstimmt. Die einheitliche Haltung des Ensemble ist
hier die Hauptsache und ein historischer Purismus müsste zu Unsinn und
Ungeschmack verführen.
Aber es gibt noch andere Orte, wohin Bilder kommen, Räume, in
denen nicht die Tapete und ihre Zeichnung, nicht ein reiches Ameuble -
ment die Hauptsache bildet und umgekehrt das Gemälde nicht ein blosser
Theil einer Inneneinrichtung, sondern sein Hervortreten der alleinige
Zweck ist: der eigentliche Bildersaal, die Gemäldegalerie. Hier ist die
Wand mit einem neutralen Farbenton, mit einem bescheidenen Muster
bedeckt, das überdies nur in schmalen unbedeutenden Flächen zwischen
den Gemälden sichtbar wird; von einem Einfluss ihrer Decoration auf die
der Rahmen kann hier keine Rede sein. Dennoch aber brauchen wir
eine Norm für die Herstellung derselben, es muss auch da Grenzen geben,
welche nicht überschritten werden dürfen, eine leitende Idee, durch deren
Befolgung der Willkür in der Ausschmückung gesteuert, für die Gemälde
aber eine vortheilhafte Wirkung ihrer Umgebung gewonnen würde. Im
Allgemeinen gelten auch in diesem Falle jene Regeln, welche an ge -
nannter Stelle aufgezählt sind, auf die ich hier einfach verweise: wir
werden die massenhafte, schreiende Wirkung des Goldes zu meiden haben,
welche das feingestimmte Colorit erstickt und das harte, grelle noch un -
harmonischer macht; wir werden das Vorherrschen der Flächen an den
Rahmen sehen wollen, nicht überkräftiges Relief; sie sollen die Gemälde
nur abgrenzen, nicht aber durch fussbreite Goldwüsten die Malereien von
der Wanddecoration oder unter einander wie Oasen scheiden etc.
Darüber findet sich Alles gesagt, wie es auch an den Rahmen des
Bildersaales seine Anwendung finden muss. Eine andere Frage ist die-
2 9
jenige, welche hier den Styl der Rahmen anbelangt. In dem Falle liegt
keine massgebende Wanddecoration vor, hier tritt Alles im Gemache vor
den Gemälden zurück, die keine Ausstattungsobjecte sind wie im Wohn -
zimmer, hier haben nur sie entscheidende Stimme, und nach ihrem Styl,
nach der Ornamentirungsweise ihres Zeitalters werden wir die Rahmen
um so mehr schmücken können, als sie, in einzelne Schulen zusammen -
gereiht, ohnehin ja meist in besonderen Appartements vertheilt sind.
Zu dieser Bemerkung hat uns der Umstand veranlasst, dass meh -
rere auf der Ausstellung befindliche Gemälderahmen durch ihr Arrange -
ment , die Schrifttafel mit einem Künstlernamen besonders, . sich als
Rahmen für Galeriebilder kennzeichnen zu wollen scheinen, für Werke
von i65o etwa, aber das Ornament der Florentiner Renaissance von
l5 oo—i53o beiläufig tragen. Im Bildersaal zwingt uns kein Gesammt-
habitus des Gemaches zu dem Anachronismus, einen späteren Künstler
in das Ornament Sansovino’s oder Giovanm’s da Udine zu stecken, hier
findet er sich mit anderen Genossen, für die eine gemeinsame Umrahmung
zu finden wohl denkbar wäre. Man wende nicht ein, dass die heivor-
ragendsten Sammelperioden ihre Gemälde aus allen Zeiten dennoch in
ihrer, damals eben üblichen Weise umrahmten; sie durften das eher, sie
besassen ja eine solche Weise, wir aber haben keinen eigenen Styl.
Im Übrigen kommen sehr erfreuliche Leistungen auf diesem Gebiete
in der Ausstellung vor, welche der Hauptsache nach doch schon erkennen
lassen, dass die Grundregeln des Geschmackes und Styles leise Wurzel
zu fassen beginnen. Jene kolossalen dicken Goldrahmen, in denen das
Bild wie am Grunde eines tiefen Kraters liegt, finden sich nur wenig und
da in gemildeterer Form. Es wird der Versuch gemacht, dem Durch -
schnittsprofil der Rahmenleisten eine edlere Contour zu geben, man fuhi i
ihre Erhebung allmälig, nicht jäh aus der Wandfläche heraus und zum
Bilde wieder hinab, vermeidet das scharf Herausspringende und zieht die
Entwicklung in der Fläche vor. Man bedient sich auch der Malerei, wie
die alten Meister pflegten, um die so gewonnenen Flächen zu deconren
und geht endlich auf die Ebenholzrahmen des 16. Jahrhunderts immer
häufiger zurück. In dem »Renaissancezimmer« von F. Schmidt & Sugg
sehen wir schmale Rahmen von braunem Holz mit Eckbeschlägen von
weissem Metall, was im Ganzen mehr an die Verzierung von Kasten un
Truhen oder Thüren aus jener Zeit erinnert. Es ist Überhaupt auffallend,
dass die deutschen Renaissancemotive wie in allem und jedem auch für
Bilderrahmen Übersehen werden, dieser unversiegbare Schatz geistvol ei
Erfindungen, welche unserer Natur als Nachkommen der deutschen Meister
von .520, 153o so ganz angeschaffen sein müssten, hätten wir nicht auch
in der Kunst längst jede fremde Mittelmässigkeit Über des Vaterlandes
beste Gaben zu stellen uns gewöhnt. Man sehe doch, was für einen
Rahmen sich Dürer für sein Dreifaltigkeitsbild compomrt hat, oder beob -
achte auch die mannigfaltigen, für derlei Zwecke verwendbaren Motive
3o
an Thronumrahmungen, Baldachinen, Thronstühlen u. dgl. an den Bil -
dern Holbein’s und der niederländischen Schulen aus der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts.
Fr. Pichler, Vergolder und Medailleur in Wien, hat einen vergol -
deten, flach gehaltenen Rahmen nicht geschmacklos mit bunt aufgemaltem
Thier- und Blumenwerk verziert, dagegen nimmt sich ein grösserer von
ovaler Form mit einer dicken, dunkelgrünen Verbrämung, welche an die
modernen sog. »schottischen« Muster erinnert, nicht sehr erquicklich aus.
Bildhauer Machazka hat zwar recht gewöhnlich überladene vergoldete
Rahmen von starkem Relief und jähem Profil ausgestellt, daneben aber
auch mehrere flach gehaltene, an denen die Wirkung des Goldes durch
Schwarz gebrochen und gute Ornamentik angebracht ist. Dieselbe Wir -
kung ist an einem ovalen, reichgezierten Rahmen, vom Vergolder C. Bühl -
mayer in Wien, beabsichtigt, dessen spiegelnde, glatte Theile ein matt -
gehaltener Streifen mit schwarzen Ornamenten unterbricht. In der Ab -
theilung des Ateliers Schönthaler finden wir hauptsächlich schwarze
Rahmen von schlichter Profilirung, zuweilen in einfachen Mustern ein -
gelegt, ferner grössere von Naturholz, braun und mit Schnitzwerk ver -
ziert; derartige, von Lindenholz in recht stylvollen Ornamenten geschnitzt,
fertigte auch J. Laubheimer in Wien. Alois Heinz lieferte nach Zeich -
nung von Prof. Teirich einen vergoldeten und einen schwarzen, beide
im italienischen Renaissancestyl, mit gutentwickelten , den Pilasterfüllun -
gen jener Zeit entlehnten Motiven. Aus der Fabrik Ch. Ulrich jun.
& Comp, stammen nebst anderen auch zwei aus weisslichem Naturholz
geschnittene ovale Stücke, bei denen die Umrahmung aus einem Kranze
von Distelblättern besteht. Haben wir uns einmal mit diesem auf die —
Dornenspitzen getriebenen Naturalismus versöhnt, so kann man die Schnitz -
arbeit recht lobenswerth finden.
Die Ausstellung enthält auch zwei Rahmen, welche nicht Gemälde,
sondern plastische Kunstwerke, Marmorreliefs aufzunehmen bestimmt sind.
Wir dürfen uns an dieser Stelle nicht erst mit der Erörterung befassen,
wie die verflossenen Jahrhunderte es in diesem Falle gehalten haben, ob
das Holz so ohne weiters berechtigt sei, mit seinem tiefdunklen Braun
den schneeigen Marmor zu umfassen, wir sprechen hier nur von unseren
beiden Holzrahmen an sich. Der Natur der Sache gemäss gewinnen solche
Einfassungen des mächtigen Steines selbst auch einen entsprechenden, mas -
sigeren Charakter und nehmen in Folge dessen weit eher als die zierlichen,
leichten Bildrahmen architektonische Bildung, architektonischen Aufriss und
Gliederung an. Vorbilder sind dann immer jene unvergleichlich reizenden
Umfassungen von Altarbildern, della Robbia-Terracotten und Grabdenk -
mälern, welche wir in den Kirchen von Florenz, Siena, Venedig etc. zu
bewundern Gelegenheit haben, oder wie änliches auf den Bildern der
Madonna in throno der Vivarini, des Crivelli u. a. gleichzeitiger Meister
zu finden ist. Diese Muster hat sich Bildhauer F. Völkl, ein sehr schätzens-
31
werthes junges Talent, erwählt und in der Umrahmung von RÖssner’s
Faust-Relief angewendet. Die liebevolle Beachtung der alten Werke dieser
Richtung im Vereine mit sorgsamer Ausführung macht einen sehi guten
Eindruck. Ein kleiner, quadratischer Rahmen zu einem Medaillon - Relief
von H. Trinkl ahmt eine spätere nüchternere Epoche nach und ist gleich -
falls in architektonischem Aufbau componirt.
Zum Schlüsse erfordert die Eigentümlichkeit des Genres, insbeson -
dere von den Spiegelrahmen zu sprechen, deren keine geringe Anzahl in
den Räumen der Ausstellung anzutreffen sind. Gilt allerdings auch von
dem Spiegelrahmen in Hinsicht auf sein Verhältnis zur Wanddecoration
dasselbe, was über die Bilderrahmen in dem mehrerwähnten Aufsatze be -
merkt worden ist, soll sich derselbe deshalb nicht in Contrast zu deren
Styl und Farbe stellen, so walten ganz verschiedene Verhältnisse ob, was
seinen Bezug zu der eingerahmten Fläche betrifft. Hier hegt nichts vor,
dessen Eigentümlichkeit durch den Glanz und Farbenschimmer des Rah -
mens beeinflusst, verändert, in seiner eigenen Wirkung gestört werden
könnte, wie die harmonische Stimmung des Colorites im Gemälde leidet
durch den Schimmer einer goldstrotzenden Einfassung. Jeder Reflex der
wirklichen Farbe des Rahmens sowie jeder optische Eindruck derselben
prallt ab, zerstiebt im Augenblicke vor der spiegelnden unzugänglichen
Glasfläche. Dagegen ist es hier nötiger, die eingerahmte Fläche kräftiger,
auffallend abzusondern von der umgebenden Wand , denn ihre Leere
müsste sozusagen ein Loch machen, leitete nicht eine breitere Umiahmung
allmälig zu ihr , das, Auge vorbereitend, über. Dazu kommt ferner noch
Zweck und Bedeutung des Gegenstandes, welche keine ernsten sind und
daher mit der hohen Würde eines Kunstwerkes, des Gemäldes, nichts ge -
mein haben. Wollen wir den Spiegel aber einigermassen künstlerisch be -
handeln, insoweit als der leichtere Charakter des Objectes es gestattet, so
haben wir keinen andern Platz für den decorativen Ausdruck der künst -
lerischen Idee als auf dem Rahmen. Es folgt daraus, dass derselbe für
den Künstler der allein wichtige Theil am Spiegel ist, weil eben der ihm
allein zugängliche, dass in ganz anderer Weise als beim Bildrahmen, wo
die Umfassung der dienend untergeordnete Theil ist, dieselbe hier der
herrschende, der alleinige Schauplatz der künstlerischen Thätigkeit ist und
ihm soweit die Superiorität über die Spiegelplatte gebührt, die nur als
Product einer mechanischen Arbeit erscheint.
Der Spiegel dient den am wenigsten philosophischen Aeusserungen un -
seres Culturlebens. Die Lust am Selbstbewundern, Putzen und Schmücken
hat ihn erfunden, den Stempel dieses Dienstes soll er tragen, wenn wir ihn
künstlerisch zieren wollen. So haben alle Zeiten gedacht. Das Mittelalter fasste
ihn in kostbares Elfenbein und schnitt amorose Abenteuer, Erstürmungen von
Minneburgen, Kämpfe mit Rosengeschossen, Phyllis auf dem Aristoteles rei -
tend etc. hinein; die Renaissance schloss ihn in Edelsteine, Perlen, Gold und
Emailgehäuse ein und die Barocke stellte auf dem krönenden Abschluss oben
32
alle möglichen Geschichten galanten Inhalts, Schäfer- und Götterabenteuer
in Schnitzwerk dar. Die Ausstellung enthält ein wahres Kleinod von Spie -
gel, ein Werk, das durch Composition und Arbeit dem Würdigsten an die
Seite gestellt zu werden verdient, der Spiegel in dem von Phil. Haas &
Söhnen aufgestellten Boudoir, entworfen von Prof. J. Stor.ck, ausgeführt
von Lobmeyr und Hanusch. Ohne deutlichere figurale Beigaben zu
Hilfe zu nehmen, gelang es dem Künstler, in vollendeter und ansprechend -
ster Weise die im Obigen angezeigte Bestimmung seiner Schöpfung zu
charakterisiren. Wir werden nicht von schalkhaft tändelnden Amoretten
oder dgl. aufmerksam gemacht, dass hier nicht ein Gegenstand tiefernster
Bestimmung vor uns steht, — sondern es ist diese Absicht durch die
blos ornamentale Composition — durch die Wahl der Stoffe und durch
die farbige Decoration in reizender Weise erreicht. Der Eindruck des
Ganzen, wie es sich auf leichten krystallenen Säulchen von spielenden For -
men, buntglitzernd von grossen rothen und smaragdfarben Gemmen, von
Vergoldung unterbrochen aufthürmt, hat etwas von der Ueppigkeit des
Orients und doch das Massvolle der Renaissance; es entspricht wun -
dersam wahr, fast wie ein Ergebniss psychologischer Auffassung der Auf -
gabe, seiner Bestimmung für einen Dienst, in dem das Werk kindlich hei -
terem Selbstgefallen seine spiegelnde Fläche darzubieten hat.
Es scheint, dass frühzeitig das Bestreben der Spiegelmacher erwachte,
nicht nur durch den Rahmen , sondern auch in der Hauptsache, das
Spiegelmaterial, ihre Fabricate des Namens Kunstarbeit werth zu wissen.
Die eigentliche, zum Sichbesehen bestimmte Fläche musste allerdings un -
berührt bleiben, aber ich glaube, dieser Absicht das eigenthümliche
Genre von Decoration zuschreiben zu müssen, wobei man die Rahmen
der Spiegel gleichfalls mit Spiegelstreifen belegte, in denselben aber da -
durch die Ornamente herstellte, dass man deren Zeichnung matt, den
Grund als gewöhnlichen Spiegel wirken liess, einzelne Stellen aber: Per -
lengehänge, Tropfen etc. kräftig ausschliff, wodurch dieselben hell wie
Luftblasen in einem wassergefüllten Glasgefässe erscheinen. Solche Spiegel
hat das Etablissement J. & L. Lobmeyr ausgestellt, sie zeichnen sich
durch vorzügliche Ornamentation und herrliches Material aus, in den For -
men aber ist hier, im Gegensatz zu den Zopfimitationen ausländischer
Firmen, der Styl der besten Renaissance angenommen. Ein anderer
Spiegel dieser Art in architektonischer Umrahmung sammt Consoletisch-
chen aus schwarzem Holz schmückt das sogenannte Herrenzimmer der
Haas’schen Exposition.
Ueberreich mit übrigens sehr fertig geschnitztem Relief in ungefärb -
tem Naturholz ist ein Spiegelrahmen aus dem Atelier Schönthaler, in
guter Renaissanceform, ferner architektonisch mit Pilastern und Tympanon
aufgebaut, zwei von Ulrich & Comp.
Wir gedenken hier noch einiger guter Vergolderarbeiten, der von
Kölbl & Threm in Wien nach trefflicher Zeichnung gefertigten Gar-
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dinenstange, sowie des Consoletisches von Ulrich & Co. Was das grösste
Object der in Rede stehenden Technik betrifft, so ist daran zwar unend -
lich viel Gold angebracht und es glänzt dieses Gold auch genug, ist aber
eben nicht alles Gold was glänzt.
Uhrkästen sind in verschiedenen Stylen auf der Ausstellung vertreten.
Prof. A. Hauser hat eine in antik - architektonischem Gehäuse entwor -
fen, ausgeführt von Tischler Spannbauer und Bildhauer Hutterer;
A. Braun, Tischlergehilfe, schnitzte eine ziemlich gothische; von Schle -
singer ist eine im Renaissancestyl, schwarz mit Intarsia; von Hartei
eine grössere in demselben Style zu sehen. /•
VIII.
Das Mobiliar.
(Verschiedene Style und Richtungen. — Bedeutung der Renaissance. Die Standmöbel. —
Schnitzerei. — Intarsien. — Die Sitzmöbel. — Eisenmöbel.)
Vielleicht gibt es heute keinen Zweig der Kunstindustrie, der so deut -
lich wie das Mobiliar erkennen lässt, dass wir im Suchen nach neuen, mo -
dernen, uns gemässen Kunstformen begriffen sind, nach Kunstformen, die
besser sind als jene, die uns vom abgelebten Rococo überkommen waren
und durch die Herrschaft des französischen Geschmacks gehalten wurden.
Dieses Suchen drücken die ausgestellten Möbel in sehr charakteristi -
scher Weise aus. Das Rococo oder wie man die Stylweisen des 18. Jahr -
hunderts nennen will, ob nun Louis XV. oder Louis XVI., ist fast ganz
unvertreten , und das ist wenigstens als ein Zeichen zu betrachten , dass
unsere Möbelfabrication, wenigstens überall dort, wo es auf etwas ankommt,
sich von der Herrschaft des französischen Geschmacks losgerungen hat.
Aber welche Richtung soll sie nunmehr einschlagen? Dass sie eine eigene
oder ihre eigene Kunstweise noch nicht gefunden hat, dass sie daher ziem -
lich bunten und vielartigen Charakters ist, dass sie suchend auch wohl in
der Irre geht, ist daher natürlich und begreiflich.
Indem wir ihren Wegen folgen und auch die Richtung betrachten
wollen, wohin das Mobiliar etwa zu lenken wäre, halten wir es für gut,
Standmöbel und Sitzmöbel getrennt zu besprechen, nicht weil etwa beide
verschiedenen Stylgesetzen zu folgen hätten, sondern weil sie in der That
verschiedene Gesetze zum Theil verfolgt haben und weil sich für die
Standmöbel das Richtige und Naturgemässe leichter auffinden lässt.
Unter Standmöbeln im Gegensatz zu Sitzmöbeln verstehen wir das
ganze Gebiet der Kasten, Credenzen, Büffets, Schränke, Tische u. s. w.
In ihnen liegt unleugbar ein architektonisches Element. Wir wollen damit
keineswegs sagen, dass Schrank oder Kasten ein kleines Haus sein solle,
es tritt aber doch bei ihnen in ähnlicher Weise Gliederung, Verhältniss
räumlicher Theile, Beziehungen von tragenden und getragenen, stützenden
und lastenden Theilen zur Erscheinung, und ebenso bieten sich Flächen,
3
3 4
umfassende Bänder, vortretende Glieder, krönende Gesimse zur Ornamen-
tation dar. Es fragt sich nun, wo und wann ist diesen künstlerischen An -
forderungen zugleich mit voller Wahrung des Zweckes und des Dienstes
am besten Rechnung getragen? Wo haben wir uns nach Vorbildern um -
zusehen, die uns heute zum gleichen Ziele leiten könnten?
So weit wir die Kunst des Alterthums kennen, so war damals gerade
das in Rede stehende Geräth sehr wenig gebraucht und daher auch wohl
künstlerisch und praktisch sehr wenig ausgebildet. Es würden uns daher
völlig die Vorbilder fehlen, wollten wir etwa auf Grundlage antiker Kunst
unser Hausgeräth dieser Art zu erneuern trachten. In Wirklichkeit ist das
Genre der Kasten und Schränke eine Arbeit des Mittelalters, das an ihnen
herumgemodelt, geformt und ornamentirt hat, bis etwa das geworden ist,
was noch heute, aber mit verändertem Kunststyl, in unserem Gebrauche
existirt. Folgen wir dem Gange dieser Veränderungen, so werden wir sie
bis zum 16. Jahrhundert als eine stete, wenn auch nicht ununterbrochene,
oder zuweilen vom rechten Wege abgelenkte Vervollkommnung betrachten
müssen. Die vorromanische Periode war plump und ungefüge in diesem
Geräth, die romanische Periode, die allerdings auch schon vortreffliche
Arbeiten, namentlich für die Kirche geschaffen hat, legte zu grosses Ge -
wicht auf gemalte Verzierung und hielt darum das Aeussere mit zu wenig
plastisch-architektonischer Gliederung. Die Gothik bildete das structive
Element aus und erwarb sich in dieser Beziehung unleugbare Verdienste,
so dass die uns erhaltenen gothischen Möbel in jedem Falle des Studiums
würdig sind, auch dann , wenn wir diesen Styl nicht als Vorbild für die
moderne Kunst aufstellen und es uns nicht darum zu thun ist, erneuerte
gothische Möbel zu schaffen. Es leiden aber die gothischen Möbel gemein -
schaftlich an einem Hauptfehler, und das um so mehr, je kunstgerechter
oder anspruchsvoller sie gehalten sind: verbunden mit der Wandtäfelung,
sind sie zu sehr festes Wandgeräth und verleugnen den ihnen angehörigen
Charakter des Mobilen. Auch sind die späteren gothischen Möbel, nicht
ausschliesslich, aber vielfach, zu sehr überladen mit freistehendem und
durchbrochenem Ornament, das sich vom Geräth loslöset und mit seiner
Leichtigkeit der Massivität des Kastens widerspricht.
In allen solchen künstlerischen Beziehungen, in der Feinheit des
architektonischen Baues, in der plastischen Gestaltung der Oberflächen, so
dass sich die richtige Wirkung von Schatten und Licht ergibt, in der an -
gemessenen Vertheilung und richtigen Haltung der geschnitzten Verzierung,
sei sie nun figürlicher oder ornamentaler Art, fand wohl erst die Renais -
sance das Richtige. Sie erst erhob die Möbeln in den reicheren Exemplaren
zu wirklichen Kunstwerken, sie auch fand für die einfacheren Gegenstände
die angemessene, stylgerechte Form. Und zwar gilt dies von der Früh -
renaissance wie auch von der Spätrenaissance, wenn dazwischen auch manche
Irrthümer und verfehlte Arbeiten vorgekommen sind, dazu wir vorzugs -
weise solche Kasten und Schränke rechnen, welche Hausfacaden direct
35
nachahmen. Die Renaissance hat aber nicht blos die plastische Gestaltung
des Möbels gefunden oder richtiger gesagt vollendet, sie hat auch, was
die romanische Epoche durch Gemälde erstrebte, das malerische Ornament
der Flächen in der richtigen geeigneten Weise geschaffen, nämlich in ein -
gelegter Holzarbeit. So müssen wir auch nach dieser Richtung hin die
Standmöbeln der Renaissance als die vollendetsten und kunstgerechtesten
betrachten.
Es kann daher für ein unbefangenes Urtheil keine Frage sein, wohin
wir uns um Vorbilder zu wenden haben, um unsere künstlerisch gesun -
kene Fabrication in diesem Zweige wieder zu erheben. Was der Renais -
sance gefolgt ist, das liegt uns zeitlich näher und ist die Grundlage dessen,
was wir bis heute geschaffen haben, aber eben diese Grundlage ist es, von
der wir uns loslösen müssen, weil mit ihr auch die Abweichung von den
richtigen Principien eingetreten ist.
Es ist daher als ein sehr gutes Zeichen zu betrachten, dass die auf
unserer Ausstellung befindlichen Möbel vorzugsweise den Styl der Renais -
sance zeigen, und es liegt darin, wenn in dieser Richtung mit consequentem
Streben fortgearbeitet wird, die Bürgschaft für eine gute Zukunft. Und
das ist immerhin ein befriedigendes Resultat, auch wenn wir im Einzelnen
nicht alles für vollendet oder gelungen erkennen wollen. Die Gothik ist
auffallender Weise gar nicht vertreten , und das ist gewiss ein Zeichen,
wie wenig dieser Styl in das Leben eingedrungen ist, und wie er bisher
nur eine Specialität gewisser Liebhaber und Schlosseigenthümer gewesen
ist. Und auch als solche Specialität ist er bereits wieder im Aussterben,
so dass er binnen Kurzem wohl auf die Kirche allein beschränkt sein
wird. Einige wenige Gegenstände, namentlich mit Metallintarsien, gehören,
wenn nicht genau dem Style, doch der Weise aus der Zeit Ludwigs XVI. an.
Diejenigen Standmöbel, welche in Art der Renaissance gehalten sind,
zeigen diesen Styl zum Theil blos durch den Bau und Ornament, zum
grossen Theil aber auch durch die verschiedenartige Intarsia, wie sie der
Renaissance eigenthümlich war. Allen voran stehen in dieser Beziehung
die beiden Cabinetkasten, welche im kaiserlichen Aufträge gearbeitet wur -
den, beide aufs vollständigste im Styl durchgeführt, mit Verwendung sehr
verschiedenartiger Technik. Wir finden bei dem einen, der mehr auf far -
bige Wirkung seiner Flächen angelegt ist, Intarsien von Elfenbein und
braunem Holze in schwarzem, bei dem anderen, dessen Schmuck der
Aussenseiten in Schnitzereien der feinsten und zierlichsten Art besteht,
im Innern die Flächen der Schiebläden mit Tauschirarbeit von Silber auf
Eisen bedeckt. Beide Arbeiten sind so vorragend an künstlerischem Werthe,
allerdings exceptionelle Gegenstände, so ausgezeichnet durch die mannig -
fache und höchst vollkommene Technik, welche auf lange hinaus ein
Muster bleiben wird, dass wir uns verpflichtet fühlen, die Namen aller
derjenigen zu nennen, welche an diesen Werken mitgearbeitet haben. Der
Entwurf des ersterwähnten dieser beiden Kasten, der als Schmuckschrank
3*
36
gedacht ist, rührt von Professor Storck her; die Figuren der Intarsien,
gezeichnet von Prof. Laufberger, wurden ausgeführt von F. Michel
und dessen Arbeiter J. Eder, die Schnitzarbeit ist gemacht von Schindler
und dessen Gehülfen Hernig und Melchart, die Gravirungen von
Schwerdtner und Bader, der Elfenbeinschnitt von Panigl. Den Ent -
wurf zum zweiten Kasten machte Prof. V. Teirich, die Bildhauerarbeit
ist von J. Pokorny, die Tischlerarbeit von S. Wichers; der eiserne
Kasten im Innern ist bei Wertheim & Comp, unter Leitung von Schult
ausgeführt, die tauschirten Silberornamente aber von Ratzer sdorfer.
Unter den übrigen Renaissancemöbeln, die sich strenger an gewisse
Vorbilder halten, nennen wir die Ausstattung des grünen Zimmers von
Phil. H aas und Söhnen, entworfen von Storck und ausgeführt von
Karger in schwarzem Holz. Sie schliesst sich in ihren Formen mehr an
die niederländischen Arbeiten vom Anfänge des r7. Jahrhunderts an, die
für ernster zu schmückende Räume allerdings vielfach massgebend sind.
Aehnlicher Art im Styl sind auch einige ganz vortreffliche Arbeiten von
F. Schönthaler, darunter ein schwarzer Cabinetkasten mit eingelegtem
Elfenbein. Annähernd in Styl und Zeit gehören auch hierher die Möbel,
welche Schönthaler als Ausstattung einer bürgerlichen Wohnung aus -
gestellt hat. Insoferne hat der Künstler hiermit einen glücklichen Griff
gethan, als er seine Motive in der späteren Renaissance gesucht und sie
frei umgebildet hat. In dieselbe Kategorie der Renaissancemöbel fällt
auch der von Zajda verarbeitete schwarze Kasten, in welchem E. Bieder -
mann seine Juwelierarbeiten ausgestellt hat. Obwohl auf Bestellung für
diesen Zweck gearbeitet, ist er doch selber ein treffliches Ausstellungs -
object.
Zwei Bibliothekkasten von Gr über und Ru dr ich, von denen beide
nur in bescheidener Weise durch andersfarbiges Holz malerische Wirkung
zu erzielen trachten, gehören der Weise jener renaissanceartigen, aber
freigestalteten Möbeln an, mit denen die französische Ebenisterei sich
vorzugsweise ihren Namen gemacht hat. Ihnen stellt sich ein dritter, ähn -
lich gebildeter Bibliothekkasten von Sch an dl in Brünn zur Seite, der uns
gelegentlich zu einer besonderen Bemerkung veranlasst.
Die Thüren dieses Kastens sind nämlich mit mattirtem Glas ver -
schlossen, welches mit Blumen bemalt ist, ganz in naturalistischer Art.
Es gehört nicht viel dazu, um einzusehen, dass dieses nicht die richtige
Art ist. Solche Malerei hat nur dann auf Glas die rechte Wirkung, wenn
Licht dahinter ist. Ist das nicht der Fall, so kann nur eine deckende Verzie -
rung angemessen sein. Man hat gewöhnlich das Glas deshalb mit weissem
Ornament überzogen, aber dieses ist coloristisch immer hart und unschön
in solchen Möbeln und deshalb zu verwerfen. Wir begreifen wirklich
nicht, warum nicht einfach klares Fensterglas hier an der Stelle sein soll,
da ja die Rücken der wohleingebundenen Bücher selbst den schönsten
Schmuck bilden. Warum ihn verstecken und seine Lecture verleugnen?
3 7
Daher genügt uns ebensowenig das weiss mattirte Glas in Rudrich’s,
wie die Spiegel in G ruber’s Kasten.
Den Uebergang zu den farbig oder malerisch verzierten Gegenständen
bilden solche Möbel, welche in den Füllungen mit Maserholz versehen
sind. Dahin gehören eine Eckkredenz und ein Speisetisch von Wiehert,
auch ein Wandschrank in Cabinetart von Schönthaler. Dieses Genre,
d. h. die Benützung von Flader oder Maser, stirbt, wie es scheint, mehr
und mehr aus , und wohl mit Recht. Die Wirkung ist so rein zufällig,
willkürlich, selbst unruhig, dass dieses bunte Holz eigentlich gar kein echt
künstlerisches Material ist. In guten Arbeiten erscheint es eher störend
als hebend und fördernd.
Zahlreich sind die Möbel, welche ihren Hauptschmuck in der Intarsia
oder Marqueteriearbeit suchen. Am nächsten an ein älteres Vorbild schliesst
sich ein Cabinetkasten von Zugh in Graz, schwarz mit eingelegtem Elfen -
bein. Selbstständiger und feiner, ebenfalls mit Elfenbein, ist der bereits
erwähnte etagereartige Wandschrank von Schönthaler. Tische, deren
Platten mehr oder minder reich mit Intarsien in Holz, Elfenbein, Metall
geschmückt sind, haben Schandl in Brünn, Schallhas, Trinkl und
auch Schönthaler ausgestellt. Mit besonderer Vorliebe scheint sich
der Tischler Ludwig der Intarsia zugewendet zu haben. Eine grosse
Credenz und zwei Damensecretäre von feinen Formen und vortrefflicher
Ausführung nebst einigen Sesseln legen Zeugniss dafür ab. Einer dieser
Secjetäre ist bemerkenswert]! durch seine lichte Haltung; er ist von Ahorn
mit Rosenholz eingelegt. Auch die Provinzen haben Arbeiten dieser Art
eingesendet. Ausser den erwähnten Tischen von Schandl in Brünn
machen sich ein Tisch und ein Betschemel von Wiesauer in Gmunden
bemerklich, die einen wie die andern von trefflicher Technik. Man erkennt
aber bei diesen Arbeiten, wie vorherrschend draussen noch der Mangel
an der richtigen künstlerischen Befähigung und Beurtheilung ist. Die
Verfertiger würden Alles leisten, wenn ihnen gute Zeichnungen und ge -
sundes Urtheil zur Seite ständen. So haben ihre Arbeiten nur einen rela -
tiven Werth; einstweilen aber wird man zufrieden sein, wenn Geschick -
lichkeit vorhanden und einigermassen der richtige Weg eingeschlagen ist.
Bei dieser Gruppe von Gegenständen haben wir noch den Altar von
Leimer mit theils geschnitzter, theils eingelegter Arbeit von ganz vor -
trefflicher Ausführung zu nennen, sowie den für den Grafen Edmund
Zichy gefertigten schwarzen Wandkasten von Matyaschofsky, nach
Zeichnung von H. Makart. Auch dieser Gegenstand hat es mit Vergol -
dung und eingefügten alten Gemälden auf malerische Haltung abgesehen.
Die eingelegte Arbeit mit Metall hat es nahe gelegt, sich auch in
späterem Style zu versuchen. Einige Damensecretäre von Schallhas
und Trinkl streifen vom Styl Louis XVI. schon in das Empire hinüber.
Aehnlicher Richtung gehört ein grosser Wandschrank von Zajda an mit
Einlagen von Schildkrot und mit vergoldeten Bronzebeschlägen. Auch
38
die vortrefflichen Boule - Arbeiten von Kleihonz, Muster verschiedener
Art, sowie die Ornamentation des Flügels von Grund, schliessen sich
diesem Genre an, das gewiss wenige Jahre früher auf einer solchen Aus -
stellung weit reicher vertreten gewesen wäre.
Noch mehr fehlt es an Sitzmöbeln, die diesen, einst alles beherr -
schenden Stylarten folgten. Vielleicht ist es für die Sitzmöbel noch schwie -
riger, zur Renaissance zurückzukehren, als für die Standmöbel. Für die
letzteren ist das constructive Princip ein festes, und was an ihnen zu
ändern war, ist mehr Gliederung und Ornamentation. Bei den Sitzmöbeln
aber streiten zwei Principien miteinander: das constructive und dasjenige
der äussersten Bequemlichkeit, welches an Formen festhält, die in den
Zeiten des Rococo geschaffen wurden und in structiver Beziehung einem
gesunden Gesetz zuwider sind.
Es ist wohl selbstverständlich, dass, wenn wir als Vorbilder für unsere
Standmöbel die Aufmerksamkeit auf die Renaissance hinlenken, dasselbe
auch für die Sitzmöbel gilt, obwohl wir zugeben, dass noch eine reichere,
bequemere und unserem modernen Gefühl mehr entsprechende Ausbildung
des Sitzmöbels denkbar ist, als sie uns in jenen Formen vor Augen tritt,
welche uns die Renaissance hinterlassen hat. Aber diese Formen sind die
Grundformen, von denen wir auszugehen haben. Neben ihnen wird das
orientalische Princip der Ueberpolsterung und vollständigen Stoffverklei -
dung, das im Divan seinen eigentlichen Ausdruck gefunden hat, in zweiter
Linie zu berücksichtigen sein. Was die griechischen Sitzmöbel betrifft,
so kann man von ihnen gewiss nicht sagen, wie von dem Geräthe der
Kasten und Schränke, dass sie im Alterthum nicht zur vollendeten Aus -
bildung gekommen wären. Im Gegentheil, ihre Formen sind sehr mannig -
fach und reich geschmückt, aber sie sind ein so eigenes und eigenthüm-
üches Genre, dass sie, um nicht Disharmonie zu. bringen, die Gestaltung
der ganzen Ausstattung und Decoration in gleicher Art bedingen. Und
das würde uns, worauf wir hier nicht weiter eingehen wollen, in der
modernen Wohnung zu mancherlei Unzukömmlichkeiten führen. Die mittel -
alterlichen Sitzmöbel leiden an denselben Uebelständen wie die Standmöbel,
und wir machen auch hier die gleiche Bemerkung, dass sie auf unserer
Ausstellung nicht vertreten sind.
Bedeutungsvoll den Sitzmöbeln der Renaissance gegenüber sind vor
Allem diejenigen des 18. Jahrhunderts, deren Princip nicht im Sopha,
sondern im Lehn- und Armsessel zum klarsten Ausdruck gekommen.
Das Rococo, unbekümmert um die Anforderungen des Materials und die
geschweifte Linie bedingungslos als Schönheitslinie betrachtend, unterwarf
dieser Linie auch das Sitzgeräth, einerlei, ob es die structiven oder blos
ornamentalen Theile, ob es die Arbeit des Tischlers oder des Tapeziers
traf. Damit liess sich das Möbel schweifen und biegen, rein nach Bau
und Bequemlichkeit des menschlichen Körpers, gab aber dabei alle solide
und vernünftige Structur auf.
39
In die neue, mehr und mehr auf die Grundprincipien der Renais -
sance zurückgehende Wohnungseinrichtung wollen nun diese Rococomöbel
nicht passen, andrerseits fürchtet man, gibt man allein der Structur nach,
Unbequemlichkeit und Steife. Die Aufgabe der modernen Möbelfabrication
in ihrer besseren Richtung geht also dahin, das Eine, eine solide und
vernünftige Structur, wieder zu erreichen, ohne das Andere, die grosst-
mögliche Bequemlichkeit, zu opfern. Von diesem Bestreben, beide Dinge
mit einander zu vereinigen, zeugen ziemlich alle Sitzmöbel. Weil sie aber
inmitten dieses Bestrebens sind, ohne noch das Ziel entschieden gefunden zu
haben, so machen sie im Ganzen einen ziemlich bunten, vielartigen Eindruck.
Einige der ausgestellten Sitzmöbel schliessen sich strenger an die
Renaissance an und verhalten sich mehr imitirend dazu. Das gilt wohl
am meisten von den Sesseln und der doppelten Sitzbank in dem reichen
Zimmer, welches Schmidt & Sugg in Art des 16. Jahrhunderts ein -
gerichtet haben. Ebenso gehören die Sessel im grünen Zimmer von Haas
(entworfen von Storck) entschieden der Renaissance an, aber nicht der
des 16., sondern der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Und das ist ein
glücklicher Griff, denn die Sessel dieser Zeit, wie sie uns namentlich in
der niederländischen Kunst entgegentreten, waren mobiler und bequemer
geworden. Jenen Standpunkt einer freieren und moderneren Bearbeitung
der Renaissance vertreten vor allem — und mitunter in sehr glücklicher
Weise — die Sessel von Schönthaler. Die Eigenthümlichkeit der Mo -
dernisirung beruht vor allem mit auf der Bildung der Rückenlehne, welche
nach rückwärts hinausgebogen wird. Auch hierfür finden sich bereits
Anklänge und Motive im 16. Jahrhundert. Derselben Richtung gehört
die Speisezimmergarnitur von Wich er s (nach Zeichnung von Hansen)
an. Von etwas mehr absonderlicher Art, und doch in derselben Richtung
liegend, sind die Sessel von Achleitner. Ebenso gehört einiges in der
Sesselausstellung von Schuh dieser Richtung an, obwohl auch mit sehr
freier Behandlung und zum Theil mit eigenthümlicher Hinzufügung pla -
stischer Figuren, über deren Stellung und Anwendung sich wohl allerlei
sagen Hesse. Eine dieser sonst musterhaft ausgeführten Arbeiten vertritt
die Zeit des Empire, ein anderes Stück, ein kleiner, mit weissem Atlas
überzogener Phantasiesessel,, dessen Rücklehne eine bemalte Fahne dar -
stellt, ist entschieden eine Verirrung.
Fehlt das eigentliche Rococo, so ist dagegen das orientalische Princip,
zwar nur in sehr wenigen, aber in sehr glücklichen Beispielen vertreten.
Wir meinen damit die beiden Divans in den zwei von Philipp Haas und
Söhnen arrangirten und ausgestellten Zimmern, sowie die Sessel in dem
orientalisirenden Damenzimmer. Diese Sessel zeigen dort, wo das Holz -
werk zu Tage tritt, auch Intarsia mit Perlmutter in türkischer Art. Diese
Sitzmöbel sind nach Angaben Storck’s von Schuh vortrefflich ausgeführt.
Eine Specialität unter dem Mobiliar bilden die Eisenmöbel von Kit -
schelt. Bei der Beschaffenheit des Materials tritt hier natürlich ein sehr
4 o
modificirtes Princip ein. Wo die Holzmöbel ein starkes Gerüst verlangen,
genügt hier dünnes Stabwerk, das sich nach Belieben jeder gewundenen
Form fügt. Diese Verschiedenartigkeit ist bei einer in ihrer Art vortreff-
w liehen Garnitur mit einem Himmelbett sehr wohl berücksichtigt und
darauf Structur und Ornamentation gegründet. Diese mit grünem Stoff
überzogene, mit applicirter Stickerei noch weiter geschmückte Garnitur
ist ebenfalls von Storck entworfen, dessen schöpferische, bahnbrechende
Ideen auf dieser Ausstellung in allen Zweigen zur Wirklichkeit gelangt sind.
F.
IX.
Zimmer decoration.
(Schmidt & Sugg. Phil. Haas und Storck. — Tapeten: Sieburger. Knepper & Schmidt.
Melcher. Spörlin & Zimmermann.)
Die Zimmerdecoration, wie sie sich auf der Ausstellung des Museums
darstellt, ist nicht blos durch ihren Gehalt, sondern auch durch die Art
der Aufstellung, des Arrangements interessant und lehrreich. Bisher war
man auf den grossen Ausstellungen gewohnt, alle Gegenstände, welche
die Wohnung zu verzieren hatten, jedes für sich, eines vom andern ge -
sondert, ausgestellt zu sehen: Tapeten für sich, Vorhänge für sich, Pla -
fonds, Fussboden oder Teppiche wieder an anderer Stelle. Und doch ge -
hören diese Gegenstände zusammen und wenn sie vereinigt das Zimmer
bilden, dann erst ist das rechte Kunstwerk geschaffen, das der letzten und
eigentlich künstierisshen Beurtheilung unterliegt.
Es ist zudem ja auch bereits in der höheren Luxuskunst dieser Art,
wenn auch noch lange nicht genug, Sitte geworden, die Decoration eines
Zimmers als ein geschlossenes Ganzes zu betrachten, das in eine Hand
gelegt werden, aus einem Kopfe entspringen muss, um der Einheit und
der Harmonie sicher zu sein. Es lag daher der Gedanke nahe, auch die
Gegenstände so auszustellen, wie sie einmal Zusammenkommen sollen,
also nicht blos Vorhänge, nicht blos Tapeten oder Teppiche, sondern
gradezu Zimmer, fertige, künstlerisch decorirte und ausgestattete Zimmer.
Dieser Gedanke ist eigentlich nicht neu, da ja das Gefühl dafür ein
altes ist, aber die Art, wie er auf unserer Ausstellung ins Leben gesetzt
worden, ist allerdings neu. Auf der Dubliner Ausstellung schon hatte
man versucht, ihn zu verwirklichen, aber es waren, bei der Beschränkt -
heit des Raumes, nur Miniaturcabinette, die geschaffen worden. Auch
fehlte ihnen die höhere künstlerische Absicht; es waren Modelle für
Wohnzimmer von gewöhnlicher moderner Art. Auch auf der letzten
Londoner Ausstellung des Jahres 1871 hatte man dem gleichen Gefühl
und Bedürfniss Rechnung zu tragen gesucht. Man hatte jedem Kasten,
Schrank oder Büffet ein Stück Teppich untergelegt, ein Stück Tapete
zum Hintergrund gegeben und darauf ein paar Oelgemälde gehängt: so
4 1
hatte man eine ganze Anzahl Zimmerausschnitte erhalten, die, ohne ge -
trennt zu sein, neben einander an der Wand in demselben Saale standen
und natürlich einen sehr bunten Eindruck machten. Man konnte auf diese
Weise, wenn man es vermochte, den Blick zu isohren, allenfalls die Wir -
kung des einzelnen Stücks auf seine Umgebung sehen, nicht aber die
Wirkung und Harmonie des Ganzen.
Wir haben demnach ein Recht, die Ausstellung vollständiger, künst -
lerisch concipirter Zimmer, die mit ihrer Einrichtung den Eindruck machen,
als ob sie bewohnt wären und nicht erst bewohnt werden sollten, als
etwas ganz Neues für unsere Museumsausstellung in Anspruch zu nehmen,
und wir legen auf diese formelle Seite sogar einen grossen Werth, in der
Meinung, dass der Vorgang für die Weltausstellung von 1873 sehr frucht -
bar sein werde.
Weit grösser jedoch ist die Bedeutung, welche diese Zimmer durch
ihre Tendenz, durch ihren Gehalt, durch ihren künstlerischen Werth
haben. Es sind ihrer drei, zwei derselben dem grossen Fabriks-Etablisse -
ment von Philipp Haas & Söhnen angehörig, das dritte hervorgegangen
und ausgestellt von der Decorationsanstalt der HH. Schmidt & Sugg.
Alle drei verfolgen ihre Ziele in so solider Weise, in so echt künstleri -
scher Tendenz, dass es unrecht wäre, über Einzelnes rechten zu wollen.
Wir begnügen uns daher mit der Rolle des Interpreten.
Die drei Zimmer haben das Gemeinsame, dass sie sämmtlich von der
heutigen Schablone abweichen; sie unterscheiden sich aber darin, dass die
Zimmer von Haas modern gedacht sind, modern im besten Sinne des
Worts, während das Zimmer von Schmidt sein Ideal in der Vergangen -
heit sucht.
Die Tendenz von Schmidt war, einen Raum herzustellen mit all’
der anheimelnden Gemüthlichkeit und wohlthuenden Wärme und Behag -
lichkeit, wie sie in alten Zeiten der deutschen Wohnung zu eigen war,
oder wie wir sie derselben zuschreiben, aber zugleich mit dem Charakter
eines soliden Reichthums und einer gewissen wohlanständigen Pracht.
Diese Tendenz ist gewiss eine wohlberechtigte. Das Bedürfniss darnach,
etwas von jener anheimelnden Stimmung, jener gemüthlichen Wärme in
unsern, meist kalt und unharmonisch decorirten Wohnräumen zurück -
führen zu müssen, ist oft gefühlt und ausgesprochen; soll diese Aufgabe
aber zugleich mit der soliden Pracht der alten Art gelöst werden, so ist
es zugleich ein kostspieliges Unternehmen, dessen Einführung nicht Jeder -
mann gestattet ist. Immerhin ist auch danach die Frage, und es war
wohl der Mühe werth, einmal ein Ideal dieser Art zu schaffen, welches
zum Vorbild dient und zugleich von dem Streben, dem Geschmack und
der Leistungsfähigkeit seines Schöpfers ehrenvolles Zeugniss ablegt.
Seine Aufgabe zu lösen hat sich Schmidt an den Styl der Re -
naissance gehalten, nach unserem Ermessen mit vollem Recht, denn die
Gothik, mit der wohl dasselbe Ziel zu erreichen ist, hat für die Wohnung
42
etwas Unfertiges, von anderen Uebelständen abgesehen, und ist zugleich
ein Styl, der in den letzten Jahrzehnten viel versucht, doch vom modernen
Gefühl und dem modernen Bedürfniss zurückgewiesen wird. In der Go-
thik wie in der deutschen Renaissance ruht bei der Wohnungsausstattung
der Hauptcharakter auf der Holzvertäfelung. Diese ist denn für Wand
und Plafond in dem in Rede stehenden Zimmer in solidester und reichster
Weise in Anwendung gekommen. Das Material ist Eichenholz. Die archi -
tektonische Gliederung wie die geschnitzten Ornamente, mit denen alles
bedeckt ist, sprechen von der Absicht, das Werk in möglichst vollkom -
mener Weise durchzuführen. Der Sache Farbe zu verleihen sind die
oberen Füllungen der Vertäfelungen mit grüner Seide überspannt, auf
welche Ornamente gemalt sind, während über ihnen ein rother Fries sich
rings herum zieht. Um dem Raume das poetische Zwielicht, das farbige
Lüstre der alten Zimmer zu geben, sind auch hier die Fenster mit Ma -
lereien oder Butzenscheiben verschlossen. Nothwendig war es, um den
vollen Eindruck der Wohnlichkeit und Behaglichkeit hervorzubringen, das
Zimmer mit allem, was dazu gehört, zeit- und stylgemäss auszustatten;
es war aber Bedingung, dass auch dieses alles österreichisches und neues
Fabricat sein musste. So sehen wir an vier Ketten einen Messinglüstre
nach altem Styl herabhängen, Bänke und Sessel stehen in den Fenster -
nischen, Tische in den Ecken und in der Mitte des Zimmers zu den
beiden Seiten eines grossen Doppelsopha’s; mitten in der Vertäfelung steht
ein prachtvoller Kamin, ihm gegenüber ein büffetartiger Wandkasten;
Sessel, Bänke, Vorhänge zeigen alle den entsprechenden gewebten Stoff,
der aus der Fabrik von Giani hervorgegangen ist, während es nirgends
an dem kleineren Geräth von Gläsern, Metallgeräth, Poterien u: dgl. fehlt,
wie es für solche Räume nothwendig ist, selbst nicht an Laute und Spinn -
rocken. Bei solcher Ausstattung verfehlt das Zimmer auch nicht des Ein -
drucks, den es machen soll, zumal wenn das Tageslicht abgesperrt und
die Kerzen angezündet sind.
Die beiden Zimmer des Herrn Haas, zu welchen die Angaben und
Entwürfe von Prof. Storck herrühren, gehen, ohne sich an einen be -
stimmten Styl anzuschliessen, ganz darauf aus, dem modernen Gefühl und
der Bestimmung der Räume Rechnung zu tragen; sie sollen zugleich das,
wozu sie bestimmt sind, auch in eminentem künstlerischem Sinne dar -
stellen. Beide sind reich und vornehm in ihrer Art, beide legen den
Nachdruck auf gewebte Stoffe, welche auch die Wände bekleiden, beide
sind insofern gleichen Charakters und sind doch grundverschieden, je
nach der Bestimmung, der sie zu dienen haben.
Das eine dieser Zimmer ist ein Herrenzimmer. Als solches der Ar -
beit, dem Studium oder der beschaulichen Ruhe gewidmet, verlangt es
einen gewissen Ernst der künstlerischen Haltung, Einfachheit der Formen,
Ruhe der Farben. Was es an Ausschmückung erhält, muss edel sein,
bedeutend, würdig, aber ohne blendenden Glanz und Schimmer. Dem-
gemäss bedeckt die Wände rings ein warmer grüner Wollstoff mit ein -
gewebten Mustern derselben Farbe, ihn umzieht eine gleichfarbige Bor -
düre mit schwarzer Musterung, eben nur geeignet die Bordüre abzuheben.
Auf dem Boden liegt ein mehr dunkel gehaltener Teppich von leichter
indischer Musterung; der Kamin ist von schwarzem Marmor; den Plafond
bildet eine dunkle Balkendecke, in deren viereckige Vertiefungen Tapeten
eingeklebt sind, mit Mustern, rosettenartig, schwarz auf blau, deren Motiv
von der Holzintarsia hergenommen ist. Diese Decoration, die, nebenbei
bemerkt, sich auch im zweiten Zimmer in anderer Gestaltung wiederholt,
ist eine Neuerung, die wahrscheinlich viel Nachahmung und Verwendung
finden wird. Zum Mobiliar des Zimmers ist schwarzes Holz gewählt und
die Sessel sind mit dem gleichen Stoffe und entsprechender Bordüre wie
die Wände überzogen. Dem Style nach schliesst sich das Mobiliar, Tisch,
Sessel und Spiegel nebst Consoletisch den Renaissanceformen aus dem
Anfänge des 17. Jahrhunderts an und diese einfachen, aber künstlerisch
gediegenen Formen sind vollkommen der Sache gemäss. Ein orienta -
lischer Divan, der mit seiner weichen, naturgemässen Bildung sich überall
einfügt, ergänzt die Ausstattung, sowie ein paar Copien nach Gemälden
von Rubens und Rembrandt die Wände beleben. So ist der volle Ein -
druck einer ruhig ernsten, aber künstlerischen, edlen Haltung vollkommen
gelungen.
Einen Gegensatz dazu bildet das zweite Zimmer. Es ist Schlaf -
zimmer, Boudoir, also Damenzimmer. Hier passt nicht die ernste, ruhige
Haltung in Formen und Farben. Die Bestimmung für die Dame ver -
langt grössere Heiterkeit und Lebendigkeit der Farben, mehr Weiche
der Formen, mehr den Reiz der Eleganz. Demgemäss tritt hier Seide an
Stelle der Wolle, ein lebhafteres, helleres Farbenspiel an die Stelle der
Einfarbigkeit, Stickereien und vergoldetes Geräth sind am Platz und end -
lich ist mit vollem Recht dem Ganzen ein orientalisirender Charakter ver -
liehen. Die Wände sind mit weissem Seidenstoff überspannt, aber diesen
Stoff überzieht ein feines, - farbenreiches Muster derart, dass der Effect
niemals weiss, sondern der von einem farbigen Lüstre ist, einem Lüstre,
welches wechselt, je nachdem das Auge sich zur Wand stellt. Dazu ge -
hört eine breite Bordüre in persischer Art, welche auch die Vorhänge,
Portieren, den Behang der Sessel und den Divan umzieht. Diese Gegen -
stände alle sind im Stoff von blauem Atlas. Es geht schon aus ihrer Art
hervor, dass bei ihnen Posamentier- und Tapezierarbeit, erstere von
Drächsler, letztere von Schuh ausgeführt, eine grosse Rolle spielen.
Das Bett steht auf einem prachtvollen, mosaikartig bunten Fellteppich
von siebenbürgischer Arbeit, stylistisch ein durchaus mustergiltiges Stück
seiner Art. Der Fussboden ist übrigens mit einem goldig schimmernden
Teppich indischer Art belegt, während der Plafond in ähnlicher Weise
beschaffen ist, wie der des Herrenzimmers, nur leichter, lichter, goldig
und wie mit Elfenbein mosaikartig belegt. Der Effect ist ein äusserst glück-
44
licher und fügt sich vollkommen der Harmonie des Raumes ein, dessen
Eleganz, dieses Wort in seinem edelsten Sinne genommen, durch ein
emaillirtes Lüstre und durch einen geschliffenen Glasspiegel mit reichen
Bronzeornamenten erhöht wird.
Diese beiden Zimmer von Haas & Söhnen haben, wie gesagt, das
Eigenthümliche, dass sie aus der heutigen Chablone ganz heraustreten
und dennoch vollkommen im modernen Gefühl geschaffen sind, sodass
sie die Geschmacksreform, wie wir sie heute anstreben, in eminentem
Sinne vertreten.
Was die übrigen mehr einzeln ausgestellten Gegenstände zur Zimmer-
decoration betrifft, so wollen wir dieselben, soweit sie Gewebe sind, in
einem besonderen Capitel betrachten. Hier sei nur noch der Tapeten-
fäbrication gedacht, welche durch R. und B. Sieburger, C. W.
Melcher, Knepper & Schmidt, Spörlin und Zimmermann ver -
treten ist.
Wenn man von dem ganz ordinären Fabricat absieht, so waren bis
auf die letzten Jahre, bevor die Reform begann, auf allen Tapeten, die
etwas mehr Ansprüche machten, zwei Richtungen erkennbar, beide aller -
dings nahe verwandt. Die eine überdeckte die Wandfläche mit Blumen
oder blumigen Mustern in naturalistischer Ausführung, die andere, die
noch höher strebte, umfasste die Wand mit gemalten Rococorahmem
oder gliederte die Wand in dieser Weise und gab in die Füllungen
Blumen, Vasen, Genrebilder, Landschaften u. s. w. Beide Weisen, von
Frankreich gestützt, sind nunmehr veraltet. Auf unserer Ausstellung ist
die erstere Weise durch einige Tapeten von Melcher, die andere noch
durch Sieburger vertreten. Die Farbenstimmung beider Arten ging aus
dem Grauen und Aschfarbigen, überhaupt mehr aus dem Farblosen.
Diesen Richtungen gegenüber geht nun die Reform darauf aus,
erstens der Wand wieder eine kräftigere, bestimmtere Färbung zu geben,
und zweitens die unruhige Zeichnung, welche der Naturalismus hervor -
ruft, durch ein regelmässig gezeichnetes, sogenanntes stylisirtes Muster
zu ersetzen, welches sich in gewissen Abständen so über die Fläche hin
vertheilt, dass es nur einen allgemeinen wohlthuenden Eindruck macht.
Es wird damit das Gesetz beachtet, dass die Wand wohl geschmückt
sein soll, aber doch sich nicht vordrängen darf, sondern den ruhigen
Hintergrund zu bilden hat für das Mancherlei der Gegenstände, das sich
im Zimmer befindet. Diese Weise, scheinbar sehr einfach, lässt jedoch,
indem man den künstlerischen Nachdruck auf die Bordüre legt, eine
reiche Gestaltung zu.
Die meisten der ausgestellten Tapeten gehören dieser neuen Rich -
tung an, und zwar sind sie in ihrer Mehrzahl ziemlich einfach; auch
die grössere Zahl der Tapeten von Melcher und von Sieburger
schliessen sich hier an, obwohl die Farben, allerdings dunkler und be -
stimmter gehalten, im Ton nicht immer mit künstlerischem Gefühl ge-
45
troffen sind. Reichere mit Gold verzierte und mit Bordüren umschlungene
Decorationen, ebenfalls der neuen Richtung angehörend und zum Theil
sehr gelungen, sind aus der Fabrik von Spörlin & Zimmermann
hervorgegangen. Nur findet sich bei einem dieser Muster eine Umrah -
mung, welche in Lisenen und Bordüren gothische Schnitzerei und gothi-
sches Masswerk nachahmt, wohl nicht auf dem rechten Wege. Sie gehört
einem veralteten Geschmack und der Nachahmungsperiode der unver -
standenen Gothik an, da man mit aufgemalten gothischen Formen schon
das Wesen dieses Styles getroffen zu haben meinte. Diese Stufe ist
heute überwunden. Auch Kn epp er und Schmidt haben einige rei -
chere Decorationen in stylisirter Art ausgestellt, davon die eine für das
Palais Epstein bestimmt ist. Ihre Hauptausstellung besteht aber in den
mancherlei Tapeten, mit denen die Ausstellungssäle des Museums bedeckt
sind. Es sind einfachere und reichere Muster, sämmtlich mit stylisirter
Zeichnung nach Erfindung des Architekten Ferstel zum Theil nur mit
zwei Tönen derselben Farbe, in jene Säle aber, die etwas zu repräsen-
tiren haben, wie im Curatorensaal und im Vorlesesaal, auch mit Gold
und anderen Farben und das schillernde Lüstre der Gewebe vortrefflich
imitirend. Diese Mustertapeten geben uns einen guten Begriff von dem
Streben und der Tendenz der modernen Reform auf diesem Gebiete.
F.
X.
Gewebe.
(Fussteppiche. — Vorhang- und Möbelstoffe. — Ph. Haas & Söhne, Giani, Kostner. —
Die Fabriken von Cosmanos und Neunkirchen. — Tischdecken. — Leinendamast. —
Küfferle & Wassertrilling. — Hlawatsch & Isbary.)
Die Gewebe sind zwar im Allgemeinen von gemeinsamen Stylge -
setzen beherrscht, aber Stoff, Technik, Form und Bestimmung, daneben
auch die Mode wirken so entschieden auf die Ornamentation ein, dass
wir das ganze Gebiet in eine Reihe von Gruppen zerlegen und diese
selbstständig besprechen müssen.
Gedenken wir zuerst der Fussteppiche, eines Industriezweiges,
der, obwohl nur durch eine einzige Firma vertreten, dennoch eine der
ersten und grossartigsten Erscheinungen auf der Ausstellung ist. Diese
Firma ist die von Ph. Haas & Söhne.
In der Ornamentation der Fussteppiche streiten, oder stritten viel -
mehr, drei Richtungen mit einander. Die eine davon bedeckte die Fläche
wild mit farbenreichen Blumen und Pflanzen, ja selbst mit ganzen baum -
reichen Gärten, die sich unter unseren Füssen ausbreiteten. Diese ursprüng -
lich französische Art wurde am eifrigsten und am extremsten von den
englischen Fabriken geübt. Die zweite Richtung, ebenfalls französischen
Ursprungs, hat in Frankreich in den letzten Jahren die Oberhand erhalten.
4 6
Sie theilt den Teppich wie ein Feld kunstmässig ein, verziert ihn mit
rahmenartigem Ornament und bringt nur dazwischen Blumenbouquets in
kunstgerechter Vertheilung an. Hat es die erste Richtung auf Nach -
ahmung der Natur als Kunstprincip abgesehen, so verlangt die zweite
bestimmte Zeichnung, künstlerische Anordnung und Einhaltung eines be -
stimmten Styls, der speciell den letzten drei oder vier Jahrzehnten des
18. Jahrhunderts angehört. Die dritte Richtung ist die orientalische, deren
Princip, die Zeichnung mehr oder minder aufgebend oder verhüllend,
darauf ausgeht, verschiedene Farben so zusammenzustellen, dass sich für
das Auge eine angenehme, wohlthuende Harmonie, so zu sagen in einem
einzigen gefärbten Klange ergibt. Aus verschiedenen Gründen, die wir
hier nicht auseinander setzen wollen, ist das für Fussteppiche ästhetisch
die angemessenste Weise.
Von diesen Richtungen ist die erste, die naturalistische, bereits so
weit veraltet, dass sie nicht mehr ausstellungsfähig ist und auch auf
grösseren Ausstellungen kaum noch hervorragt. So sah man kein Beispiel
auf der Londoner Ausstellung des Jahres 1871. Die zweite Richtung, die
specifisch französische, wird auch noch von Frankreich gehalten, aber
neben der orientalischen. Beide waren in der französischen Abtheilung
der genannten Ausstellung vertreten, während die englische Teppich-
fabrication nur mit orientalisirenden Arbeiten erschienen war.
Das letztere ist auch auf unserer Ausstellung der Fall. Im Gefühle
dessen, dass der orientalische Styl hier das Richtige trifft und dass ihm
auf diesem Gebiete die Zukunft gehört, hat die Firma Ph. Haas & Söhne
diesen Styl gepflegt, wie vielleicht kein anderes Etablissement, und die
Ausstellung legt davon, sowohl was die Schönheit, die Mannigfaltigkeit
wie die Kolossalität betrifft, das glänzendste Zeugniss ab. Es muss dabei
zugleich ihres Künstlers, Herrn Hatzinger’s, gedacht werden, von dem
die meisten Zeichnungen zu diesen Teppichen wie zu den verschiedenen
Decken und Möbelstoffen, die wir später zu besprechen haben werden,
herrühren. Manche dieser Gewebe sind mehr oder weniger genaue Co-
pien, andere Umarbeitungen von echten orientalischen Motiven, wofür
sich alte Original-Beispiele, mitunter der allerschönsten und reichsten Art,
im Oesterr. Museum finden; andere wieder sind freie Compositionen, die
nur das orientalische Princip festzuhalten suchen. So sehen wir Anklänge
und Motive der verschiedensten Art, alle jedoch aus demselben Princip
geschaffen; wir erkennen die indische, die persische, die türkische Weise,
und unterscheiden von ihnen gar leicht jene Art, in welcher das orien -
talische Princip dem europäischen Gefühl unterworfen ist. In Bezug auf
die letztere haben wir eine Bemerkung zu machen. Die echten orienta -
lischen Teppiche haben, wie Jedermann weiss, Zeichnung und Anordnung,
aber diese ordnen sich der Farbenwirkung unter; bei den europäischen
Geweben orientalisirenden Styls aber tritt die räumliche Anordnung häufig
zu stark heraus, geometrische Figuren machen sich als solche geltend,
so dass der Teppich, indem die einzelnen Felder in verschiedenen Farben
wechseln, wie ein Schachbrett oder in ähnlicher Gestaltung erscheint.
Das darf die Steinmosaik mit ihrem ungefügeren Material sich erlauben,
der Teppich muss das vermeiden.
Sollen wir Einzelnes unter den ausgestellten Teppichen zur Erinne -
rung herausheben, so nennen wir den persischen Teppich im Saale I mit
der nachtblauen Bordüre und dem rothen Grunde als das schönste Stück
und den Teppich in Smyrnaer Art für den Grafen Henckel von Donners-
marck im Saale IV als den grössten Teppich in seinem Genre, der wohl
je in einem Stück gewebt worden. Seine Länge beträgt 43, seine Breite
29 Schuh. Eine unglückliche Idee ist es wohl, dass der Besteller sein
Wappen hat in den vier Ecken anbringen lassen; die vier Flecke stören
die ornamentale Harmonie und ein Wappen auf dem Fussboden ange -
bracht, ist ausserdem gänzlich unheraldisch, da man ein Wappen nicht
mit Füssen tritt.
Man sollte erwarten, dass wenn die orientalische Richtung mit solcher
Entschiedenheit bei den Fussteppichen auftritt, etwas Aehnliches auch
bei jenen Geweben der Fall sein müsste, die zur Bekleidung der
Wand oder sonst wie zur Zimmerdecoration dienen, zumal bei den Vor -
hang- und Möbelstoffen. Das ist aber nicht der Fall. Allerdings gibt es auch
hier vielfach orientalische Motive verwerthet, aber der orientalische Styl
ist nicht der Styl, nicht die eigentliche, herrschende Ornamentations-
weise für dieses Gebiet oder diese Gruppe von Geweben. Es macht sich
hier vielmehr als diejenige, welche die moderne Reform vertritt, eine vierte
Richtung geltend, welche wir ganz allgemeinhin als die stylisirte be -
zeichnen können, d. h. regelmässig gezeichnete und regelmässig geordnete
Ornamente, deren Motive grösstentheils der Natur entlehnt sind, obwohl
sie ihr in ihrer gegenwärtigen Gestaltung mehr oder minder fern stehen.
In solcher Auffassung lässt diese stylisirende Richtung eine grosse
Mannigfaltigkeit zu; sie lehnt sich an Motive der Flächenornamentation
des Mittelalters und der Renaissance an und lässt neuen Erfindungen den
grössten Spielraum; sie dient der einfachsten Art der Ornamentation,
nur mit zwei Tönen derselben Farbe, ja in der damastartigen Weberei
nur mit einem und demselben Ton , und sie lässt sich 'hinaufführen zu
den reichsten Compositionen in der Zeichnung und zu den prachtvollsten
Farbeneffecten. Ihr gewöhnliches Material ist Seide oder Wolle, oder beide
verbunden.
Diese verschiedenen, mannigfaltigen Arten, wie sie heute für den bes -
seren Geschmack an der Tagesordnung stehen, sind ganz gut auf unserer
Ausstellung vertreten, obwohl auch nur wenige Firmen, diese aber bedeu -
tend, erschienen sind. Unter ihnen steht das Etablissement von Ph. Haas
& Söhne wieder oben an. Seine zahlreichen Muster steigen vom be -
scheidensten zum reichsten Effect, von der einfachsten zur complicir-
testen Zeichnung auf und entsprechen so jedem decorativen Bedürfniss,
4 8
sie haben aber das Gemeinsame, dass sie alle der stylisirenden Richtung
folgen. Modern sind sie nicht im Sinne der bisherigen Mode, sondern der
neuesten Geschmacksreform, welche durch kühnes Vorgehen die Mode
bereits an sich gefesselt hat. Vorwaltende Motive einer bestimmten Kunst -
epoche sind schwer bei ihnen zu erkennen, der Gesammtcharakter ist
aber mehr derjenige der Renaissance, wenn wir ihn dem einer anderen
Fabrik, auf welche wir gleich zu sprechen kommen werden, der von
Giani, gegenüber stellen. Es sind auch verschiedene Künstler, welche die
Zeichnungen erfunden haben. Wir nennen ausser Hatzinger noch
Brunner, Costamagna, Drahan, Lieb und Rödel.
Einen ebenso eigenen, individuellen Charakter trägt die Fabrik von
Giani, welche der gleichen Gruppe angehört. Auch sie vertritt durchaus
die moderne Reform, ja sie war die erste bei uns, welche mit der Mode
brach und das Publicum nach sich zog. . Man erkennt bei Giani noch
leicht, auch' in den Geweben weltlicher Bestimmung, dass er seinen Aus -
gang von der kirchlichen Kunst genommen hat, der er übrigens nicht
untreu geworden ist. Daher finden sich auf seinen Geweben zahlreiche
Motive mittelalterlicher Art und Herkunft, und diese sind es, die seiner
Fabrication ihren speciellen Charakter geben. Dass diese Muster für uns
heute sehr verwendbar sind, haben wir oft genug ausgesprochen. Zum
zweiten hat Giani zahlreiche orientalische Motive aufgenommen, theils
persischen, indischen, theils chinesisch-japanischen Ursprungs, soweit die
letztere Kunst regelmässige Ornamentation bietet, die sich für unsere
Zwecke verwenden lässt. Zum dritten kommen dann frei erfundene Mo -
tive hinzu, die sich aber alle mehr oder weniger der einen oder der an -
dern der erwähnten Richtungen anschliessen oder auch sich der Renais -
sance nähern. Von dieser letzteren Art erwähnen wir ein vortreffliches
Muster, gezeichnet von Ferd. Lieb. Sonst finden wir Anton Riegler
als den Schöpfer zahlreicher Muster in der Exposition von Giani.
Wir erwähnen bei dieser Gruppe einer Anzahl trefflicher Kirchen -
stoffe von Albert Kostner jun., die ebenfalls in mittelalterlicher Richtung
gehalten sind.
Eine dritte Gruppe bilden die beiden Fabriken von Cosmanos und
Neunkirchen. Wir nennen diese beiden insofern zusammen, als sie,
die eine wie die andere, keine eigene Richtung verfolgen, keinen indivi -
duellen Charakter besitzen, sondern der laufenden und wechselnden Mode
folgen und damit beide vom französischen Geschmack sich abhängig zeigen.
Sonst sind die Erzeugnisse beider Fabriken sehr verschieden, denn die
eine, die Cosmanoser, arbeitet vorzugsweise für die Kleidung und stellt
sich damit ganz eigentlich unter die vergänglichste, mit der Saison wech -
selnde Mode, während die Neunkirchner Fabrik vor allem für die Zimmer-
decoration, insbesondere für das Schlafzimmer, die Baumwollstoffe, Cre-
tone, Zitze u. s. w. fabricirt. Die erstere Fabrik, vielleicht im Gefühl,
dass ihre Arbeiten nicht als reine Producte der Kunstindustrie betrachtet
49
werden könnten, hat nicht diese selber, sondern die gezeichneten Original -
muster nebst Blumenstudien ausgestellt, wohl um davon eine Idee zu
geben, dass sie es mit der technisch-künstlerischen Seite sehr ernst nimmt.
Und von diesem Standpunkte aus bleibt ihre Ausstellung interessant und
anerkennenswerth, obwohl sonst der französisch-bunte und naturalistische
Charakter auf eigentlichen Geschmack keinen Anspruch erheben lässt.
Der gleichen Richtung, nur auf anderem Gebiete, folgen die Zitze und
Cretone der Neunkirchner Fabrik. Wir sehen unter ihnen zahlreich die
bunten Blumen auf grauem Grund, die gestreiften Stoffe mit Blumen in
den Streifen, auch watteauartige Ornamente mit Figürchen dazwischen,
kurz alles, was die heutige französische Kunst dieser Art charakterisirt.
Sehr wenig Beispiele aber gehören der neuen orientalischen Richtung in
indischem und persischem Style an, wie sie auf den Cretonen seit etwa
zwei bis drei Jahren Boden gewinnt.
Eine vierte Gruppe von Geweben, die wir zu besprechen haben,
sind die Tischdecken. Auch hier sind die Aussteller Ph. Haas & Söhne
und Giani. hür die Tischdecken gilt im Allgemeinen dasjenige, was von
den Vorhang- und Möbelstoffen im Gegensatz zu den Fussteppichen ge -
sagt worden. Ihre Ornamentation ist mehr im Allgemeinen eine styli-
sirte, als eine bestimmt orientalisirende wie bei den Teppichen. Doch
wird auch diese letzte Richtung bereits eingeschlagen und einige Tisch -
decken orientalisirender Art vorzugsweise nach indischen Mustern, deren
Arrangement unserer modernen Weise sehr entspricht, gehören zu den
schönsten Arbeiten in der Exposition von Haas. Zu ihnen haben alte
Stickereien, die in der Sammlung des Oesterr. Museums vorhanden sind,
die Motive gegeben. Dasselbe ist der Fall mit einigen ausgezeichnet ge -
lungenen Decken nach Renaissancemustern sowohl bei Haas (besonders
die Decke im Herrenzimmer) wie bei Giani. Die übrigen Decken, bei
denen der Blumennaturalismus ganz verdrängt ist, suchen auf Grundlage der
Gestalt der Decke ein künstlerisches Arrangement zu bilden und dahinein
die Ornamente zu legen und zu vertheilen. Hierbei hat sich der Künstler,
wie manche Beispiele lehren, vor dem Geometrisch-Schematischen und
vor architektonischer Steife zu hüten. Dieser Art stylisirter Deckenorna-
mentation gehören die Zeichnungen von W. Sodoma an, ohne dass wir
den erwähnten Fehler darauf beziehen wollen.
Zum Fünften haben wir die leinenen Damastgewebe zu besprechen,
welche die Fabrik von Küfferle vertritt. Das Hauptstück seiner Aus -
stellung ist das grosse Tafeltuch für die Hoftafel mit rother Bordüre.
Dieses Stück (sowie einige andere kleinere in der Exposition) ist aus dem
Gesichtspunkt geschaffen, den wir hier betonen wollen. Die gewöhnliche
Damast-Ornamentation auf Leinwand, weiss in weiss, ist zu wirkungslos;
die Tafel verlangt ebenfalls Farbe oder farbiges Ornament und insbeson -
dere einen Uebergang von der weissen Oberfläche der Tafel zu ihrer
dunklen Umgebung, die jetzt unvermittelt aneinander stossen. Das Be*
4
5o
dürfniss nach Farbe ist hier schon länger gefühlt und verschiedentlich
versucht ihm abzuhelfen; allein die Versuche sind auf Widerstand ge-
stossen theils im herrschenden Geschmack, theils aber auch in der Tech -
nik, was wir hier nicht näher erörtern können. In diesem grossen Tafel -
tuch ist mit Entschiedenheit ein neuer Weg eingeschlagen und wir hoffen,
dass dieser Versuch nicht vergebens gemacht worden. Beide Langseiten
haben eine breite rothe Bordüre in prachtvoller Zeichnung (entworfen
von Storck) erhalten, die beim Gebrauch von der Tafel herabfällt. Die
Schmalseiten sind unverziert geblieben, aus technischen Gründen, weil
sonst durch das Zusammentreffen der farbigen Fäden die Ecken einen
tieferen, abweichenden Ton erhalten.
Diese Umgehung der Schwierigkeit durch Weglassen der Ornamen-
tation auf den Schmalseiten mag man sich bei einem sehr langen Tafel -
tuch gefallen lassen, — wie aber bei kleinerer, quadratischer oder gar
runder Tafel? In diesem Fall ist das Verfahren unzulässig und es muss
statt seiner die Ornamentation mit farbigen Querstreifen eingeführt werden,
welcher der Technik entspricht und auf alten Tischtüchern des i5. und
16. Jahrhunderts geübt worden ist. Auch die Tabarzer Gewebe folgen
demselben Princip. Ein richtiger Versuch wird die Ueberzeugung geben,
dass auch die ästhetische Wirkung vollkommen gut ist. Was vom Tisch -
tuch, dem dominirenden, gilt, das hat natürlich auch von den Neben -
stücken, den Servietten, zu gelten. Wir lenken ausdrücklich die Auf -
merksamkeit der Fabrikanten auf diesen Punkt. Wir meinen aber, das
fügen wir hinzu, mit Farbe hier nicht eine Weberei grau in grau, wie
man sie zu Kunstdamasten, selbst mit historischen Bildern, verwendet
findet, sondern vor allem Roth und Blau, zugleich als Farben, die vor -
zugsweise waschbeständig sind.
An dieser Stelle gedenken wir auch der weissen Piquedecken von
Wassertrilling. Sie zeigen wenigstens den Versuch, auch im undank -
baren Material stylisirte Zeichnung zu verwenden. Sollte auch hier nicht
die Farbe zulässig sein?^
Schliesslich geschehe der Shawls von Hlawatsch & Isbary sowie
der von Thieben Erwähnung, die ein in seiner künstlerischen Weise
vollkommen abgeschlossenes und allgemein bekanntes Genre in einer
höchst ausgezeichneten Weise vertreten. Es ist eine Specialität, dessen
Kunstweise, wie viele Versuche beweisen, man nicht verlassen darf, ohne
auf Abwege zu gerathen.
F.
5i
XI.
Stickerei und Posamentirarbeit.
(Reform der Stickerei. — Giani und die Schwestern vom armen Kinde Jesu in Döbling_
— Uffenheimer in Innsbruck. — Wagner in Kommotau. — Applicirte Stickerei. — Fräulein
Mirani und ihre Schülerinnen. — Weiss- und Spitzenstickerei. — Goldstickerei. — S. Kuh
in Prag. — Posamentirarbeiten: Drächsler. Blazincic.)
Die Stickerei hatte im 19. Jahrhundert aufgehört eine Kunst zu sein,
sie, die in früheren Jahrhunderten mit der Malerei gewetteifert hatte.
Sie war gesunken für den weltlichen Gebrauch wie für die Kirche, sie
war gesunken in ihren technischen Verfahrungsweisen wie in ihrem ästhe -
tischen Werthe, sie war gesunken in der Dilettantenhand des Hauses,
wie in der gewerbsmässigen Hand der Ateliers. Dass sie heute wieder
eine ICunst geworden ist, verdanken wir in erster Linie kunstverständigen
katholischen Geistlichen, die, von der Entartung der Stickerei im Dienste
der Kirche und des Cultus durchdrungen, sie wieder auf eine höhere und
würdige Stufe erheben wollten.
Die Bewegung für diese Reform der Stickerei begann am Rhein in
Köln und Aachen, in welcher letzteren Stadt das Mutterhaus der Schwe -
stern vom armen Kinde Jesu die eigentliche Kunstanstalt für Stickerei in
dieser Richtung wurde. Sie stand in Verbindung mit der allgemeinen
Kunstbewegung für das Mittelalter, seine Architektur und ganz besonders
auch seine Kleinkunst, die noch heute in der kirchlichen Kunst die vor -
herrschende Richtung ist und auch nach der weltlichen Seite hin äusserst
anregend gewirkt hat, wenn man auch formell darüber hinausgegangen
ist. Diesen Ursprung lässt die heutige kirchliche Stickerei, wie sie uns
auf den Cultgewändern der Geistlichen, im Behang des Altares und auf
Stoffen zu verwandtem Gebrauche entgegentritt, nicht verkennen. Die
technischen Weisen, die Stylisirung der Ornamente wie der Figuren sind
den mittelalterlichen Vorbildern der Stickerei entlehnt, namentlich jenen
des i5. Jahrhunderts, welches in der burgundischen Stickerschule die
höchsten Leistungen hervorbrachte.
Bei uns in Oesterreich war Carl Giani der erste, der in seiner
Fabrik kirchlicher Stoffe und Gewänder die neue Art mit Entschiedenheit
adoptirte. Wie seine reiche Exposition zeigt, ist er ihr unverändert treu
geblieben. Alsbald gesellte sich seinen Bestrebungen stützend zur Seite
das erst in Wien, jetzt in Döbling befindliche Kloster der Schwestern
vom armen Kinde Jesu, eine Filiale des bereits erwähnten Aachener Klo -
sters, und wurde wie sein Mutterhaus eine Stätte dieses Kunstzweiges.
Die prachtvollen geistlichen Gewänder für die Votivkirche in Wien,
welche das Döblinger Kloster ausgestellt hat, zeigen, bis zu welcher hohen
Kunst, bis zu welcher Vollendung diese Künstlerinnen es bereits gebracht
haben.
Längere Zeit standen Giani und die Döblinger Schwestern in dieser
heuen Richtung allein. Die Ausstellung im Museum zeigt, dass auch die
4*
5ä
populäre Anstalt für Stickerei von Uffenheimer in Innsbruck, deren
Arbeiten sich grosser Verbreitung unter der Geistlichkeit erfreuen, der
Reform in der gleichen Richtung sich angeschlossen hat. Ebenso arbeitet
die Stickanstalt von Wagner in Kommotau wenigstens technisch in der -
selben Art, wenn auch das ausgestellte grosse Panneau eine weltliche
Bestimmung hat. Diese Anstalt, einem Mittelpunkte des Kunstlebens
fern stehend, hat natürlich mit doppelten Schwierigkeiten zu kämpfen ;
um so mehr ist ihr Streben anzuerkennen, mit dem sie sich auf die Höhe
einer wirklichen Kunstanstalt empor zu arbeiten trachtet.
Ueberhaupt ist man, wie namentlich Giani zeigt, nachdem man die
neue Weise an kirchlichen Aufgaben geübt hatte, damit auf Gegenstände
weltlicher Art übergegangen. Vereinsfahnen, Banner, Baldachine, Gehänge
und ähnliche Gegenstände bieten sich wieder zahlreich als Objecte der
Kunststickerei dar, bei welchen die mittelalterliche Technik angewendet
wird. Aber auch bei Gegenständen zur häuslichen Decoration, z. B. zur
Verzierung von Möbelüberzügen, Polstern u. dgl., wird die Stickerei,
wenn auch nur nach der ornamentalen Seite — und in dieser Beschrän -
kung liegen sogar Regel und Gesetz — bereits wieder als Kunst geübt.
Hier genügen aber die gewöhnlichen mittelalterlichen Verfahrungs-
weisen der Kunststickerei nicht, oder vielmehr sie sind für den rein de-
corativen Zweck zu mühsam, zu zeitraubend und man kann mit der
orientalischen Art der applicirten oder Mosaikstickerei leichter zum Ziele
kommen. In dieser Art hat Giani eine Anzahl höchst interessanter Bei -
spiele ausgestellt, die zum Theil noch unvollendet sind, um die Technik
zu zeigen. Es ist auf diese Arbeiten besonders aufmerksam zu machen,
weil ihre Art und Technik von der Dilettantenhand, oder ich will lieber
sagen von den Damen im Hause, welche die Stickerei zur Unterhaltung
üben, mit grossem Erfolge und mit Ersparung vieler Mühe und Zeit,
welche ihnen ihre jetzige Technik auflegt, verwendet werden kann. Es
kann mit dieser Arbeit ein wirklicher Schmuck des Hauses geschaffen
werden, nicht aber mit jenen Bildstickereien, die keine Bilder, sondern
Carricaturen sind, oder mit jenen mühsamen Blumenbouquets, die mit
unendlicher Arbeit, wenn es hoch kommt, die Nachahmung der Natur
ohne weiteren Kunsteffect erzielen. Allmälig bricht sich auch die Ansicht
Bahn, dass das Ziel auf diesem Wege nicht länger gesucht werden darf
und dass ihn auch die häusliche Stickerei verlassen muss.
Unter denjenigen Kunststickerinnen, die diesen Weg schon längere
Zeit verlassen haben und neue richtigere Bahnen aufsuchen, gehört die
Kammerstickerin Fräulein Therese Mirani, und mit ihr, kann man sagen,
ihre Schule, denn zahlreiche Arbeiten ihrer Schülerinnen auf der Aus -
stellung, die ganz in ihrer Richtung gehalten sind, bekunden, dass sie
dabei ist Schule zu machen. Unter ihren Arbeiten sehen wir Goldsticke -
reien und farbige Stickereien; die meisten gehören aber dem Genre der
Weissstickerei an, die man aber richtiger als Specialität Spitzenstickerei
53
benennen müsste, denn sie haben mit der einen Art der Spitzen den
durchbrochenen Grund, die Herstellung mit der Nadel und in Folge
dessen auch das Ornament gemein. Sie würden also richtiger vielleicht
mit unter die Spitzen zu zählen sein, doch wollen wir ihnen hier vom
Standpunkt der Stickerei aus einige Worte widmen.
Die Mittel der Weissstickerei, um Effect zu erzielen, sind sehr gering.
Da ihr die Möglichkeit nicht gegeben ist, mit Licht und Schatten zu wir -
ken, so fällt bei ihr die Naturnachahmung, die naturalistische Zeichnung
hinweg; sie ist wenigstens principiell verkehrt und muss vermieden werden.
Sie ist, wenn irgend ein Kunstzweig, auf Schönheit der Linien und der
Arrangements bezüglich der Ornamente angewiesen. Noch viel mehr gilt
das von den Stickereien auf durchbrochenem Grunde, sei dieser nun durch
Ausziehung von Faden oder durch Tüllgrund hergestellt. Der regelmässig
durchbrochene Grund schreibt schon eine gewisse Regelmässigkeit der
Linien vor; es ist nicht möglich, sie willkürlich zu runden oder abzu -
schweifen, ohne den Fluss des Laufes zu verletzen. Es handelt sich dem -
nach als Ziel der Kunstaufgabe um regelmässige Figuren, die mit ein -
ander, sowie mit dem mehr oder minder klaren, durchsichtigen Grunde
in angenehme Wirkung treten; daneben allerdings dann auch um die
Feinheit des Materials und der Arbeit, welche in der Spitzenfabrication
und der ihr verwandten Spitzenstickerei eine ausserordentlich grosse Be -
deutung hat. Dies ist das Gebiet, auf welchem wir vorzugsweise Fräulein
Mirani und ihre Schülerinnen, Madame Gotthold Hey mann und Frl.
Charlotte Strauss, mit zahlreichen gelungenen Arbeiten vertreten sehen.
Auch einige andere Damen schliessen sich ihnen an, wie Fanny v. Dill-
mont und Frl. Lorch. Dagegen befinden sich die Arbeiten von Frie -
derike Lackner in Graz sowie die reiche Ausstellung von Weissticke -
reien der Firma Weldler & Budie in Wien, was die Ornamentation
betrifft, noch mehr auf dem bisherigen Wege.
Ein anderes Genre der Kunststickerei, die eigentliche Gold -
stickerei, ist mit mehreren grösseren Arbeiten durch die Anstalt von
S. Kuh in Prag vertreten. Diese Art, die weite Anwendung findet und
industriell von grosser Bedeutung ist, bedarf wohl noch sehr einer Reform,
die auf dem kirchlichen Gebiete zum Theil bereits eingetreten ist. Diese
Reform muss mit auf einer Umwandlung von Material und Technik be -
ruhen. Unser heutiges Material ist zu steif und auch zu farblos und
effectlos. Die Folge der ersteren Eigenschaft war, dass unsere Gold -
stickereien selbst zu steif und bretterartig unbiegsam geworden sind. Da -
durch haben sie grade die Eigenthümlichkeit der Stickerei als biegsamer
Nadelmalerei eingebüsst. Und nicht blos das: man hat der Versteifung
wegen sie noch mit hartem Stoffe unterlegt, so dass ein vollkommenes
Relief gleich einer Holzschnitzerei herausgekommen ist. Aehnliches ist
freilich auch schon am Schlüsse des Mittelalters geschehen, aber es war
auch damals eine Verirrung. Man muss zu den guten Mustern der
5 4
mittelalterlichen Stickerei zurückkehren und die Goldstickerei z. B. auf
den burgundischen Gewändern in der kaiserlichen Sammlung oder auf den
älteren, sarazenischen Arbeiten studiren. Auch die heutigen Stickereien
der Indier und Chinesen liefern materiell wie technisch uns vortreffliche
Beispiele zum Studium.
Wir verbinden hier mit der Besprechung der Stickerei die Posa-
mentirarbeit, denn auch diese tritt als eine vollendende, abschlies -
sende und fertigmachende Kunst zur Weberei hinzu. Die Posamentirkunst
und Bortenwirkerei sind entstanden aus der künstlerischen Verwerthung
und Verarbeitung der Fädenenden des Gewebes. Ihre einfache künst -
lerische Grundlage ist Flechtung, Schnürung und Knotung. Indem man
Knoten und Verschlingung reicher und künstlerischer zu gestalten trachtete,
ist man zu diesem Kunstzweige gelangt, dessen heutige Ausbildung
allerdings so willkürlich geworden ist, dass sie selten auf die Grundlage
zurückweist. Nur das Ziel ist immer dasselbe, dem Gewebe durch um -
fassende Borte und Behang den letzten künstlerischen Abschluss zu geben.
Die moderne Gestaltung in ihrer reichen und mannigfaltigen Weise
lernen wir ganz vortrefflich aus der gewählten Ausstellung von Drächs-
ler kennen. Diese Ausstellung zeigt aber auch, wie die Posamentirarbeit
noch ganz unter dem Einfluss des französischen Geschmacks und der
französischen Willkür steht und die künstlerische Reform, welche heute
erstrebt wird, noch so gut wie gar nicht an sie herangetreten ist. Es ist
ganz interessant, diese Borten, Schnüre, Gehänge, Quasten und Verkno -
tungen zu analysiren und man entdeckt dabei zu seiner Ueberraschung,
wie architektonische, gereihte Gesimsornamente in Schnüren nachgebildet
sind, wieviel zuweilen ohne Wirkung gekünstelt wird und wie anderer -
seits oft das einfachste Motiv die allerreizendste Wirkung erzielt. Nach
französischem Muster, gewiss völlig ungerechtfertigt, sieht man selbst
wirkliche Cameen, anderswo wieder Stickerei mit kleinlichen Blümchen
mitten in einer reich gestalteten Quaste. Dass diese Art Arbeit eine reiche
und zugleich künstlerische Ausbildung zulässt, erkennt man an den Ge -
hängen, dem Besatz und den Schnüren des Boudoirs von Phil. Haas
& Söhnen, welche ebenfalls aus der Anstalt von Drächsler hervorge -
gangen sind.
Für eine Reform auf diesem Gebiete der Industrie sind die Muster
leider selten. Aus dem Mittelalter sind uns zwar mancherlei gewirkte
Borten für kirchliche Gewandung erhalten, aber alles, was Fransen ähn -
lich sieht, ist aus jener Zeit so gut wie gar nicht vorhanden. Auch aus
der Renaissance ist uns wenig geblieben und dies Wenige für Sammlungen
unbeachtet gelassen. Mit Fleiss und Eifer Hesse sich jedoch wohl noch
manches Brauchbare Zusammentragen. Einiges besitzt bereits das öster -
reichische Museum. Es fliesst uns aber noch eine andere Quelle, und das
sind die Volkstrachten und überhaupt die Arbeiten der nationalen Haus -
industrie. Ich erinnere hier beispielsweise an den effectvollen Behang und
55
Besatz der spanischen Menta, sowie an die Schürze der Frauen in den
südlichen Donauländern mit ihren langen Fransen und Gehängen. Hier
ist Effect, beruhend auf einfachem, richtigem Kunstprincip. Mannigfache
Motive sind diesen Arbeiten zu entnehmen.
Eine Art Schnürarbeit, die noch mit der nationalen Industrie in
Verbindung steht, sind die von Johann Blazincic ausgestellten Schlingen,
Schnüre und Gürtel für die ungarische Magnatenkleidung. Diese ketten -
artigen Geflechte aus Goldfäden sind äusserst kunstvoll mit höchster
Genauigkeit und Sorgfalt verschlungen; die Zeichnungen und Motive, die
sich so auf der Oberfläche ergeben, lehren, dass ein altes richtiges Princip
mit Geschick festgehalten ist. Aehnliche Motive Hessen sich wirklich alten
Arbeiten dieser Art entlehnen, und es kommt nur darauf an, dass ein
verständiger Blick einmal darauf hingelenkt wird.
XII.
Die Spitzen.
Die Ausstellung der Spitzen: Points Duchesse, Chantilly, Points
ä l’aiguille aus dem böhmischen Erzgebirge lässt einen sehr beachtens-
werthen Fortschritt erkennen.
Die Waaren der Herrn Franz Bollarth, Bernhard M e t z n e r,
J. F. Ullmann zeigen, dass im Erzgebirge sehr geschickte Hände ge -
funden werden, um die feinsten, zartesten Spitzenarbeiten mit der Nadel
wie mit den Klöppeln auszuführen. Das Technische, das Handwerks-
mässige lässt wenig zu wünschen übrig; es gibt Einzelnes in den aus -
gestellten Arbeiten : Volantes, Barben, Coiffuren, Ueberzüge für Sonnen -
schirme und Fächer, Besetze von Taschentüchern; welche von den besten
Arbeiten aus Frankreich, Belgien und England, diesen drei Ländein,
welche eben eine grosse Industrie in diesen weiblichen Arbeiten ausge -
bildet haben, sich nicht unterscheiden lassen; allein der künstlerische
Theil der Arbeit — die Zeichnung — genügt noch der Anforderung nicht,
welche wir an diese Artikel stellen müssen, wenn sie nicht nur den Im -
port französischer und belgischer Spitzen in Oesterreich verhindern, son -
dern auch auf dem Weltmarkt mit dem Besten der Art concurriren
sollen.
Es herrscht darüber, wie wir aus einem Berichte der Herren Richard
Ritter von Dotzauer und Doctor Edmund Schebek an das Central-
comite zur Beförderung der Gewerbsthätigkeit der böhmischen Erz- und
Riesengebirgsbewohner von März 1871, der uns vorliegt, sehen können,
ein Missverständniss, das erst aufgeklärt werden muss, ehe hier die noth-
wendige gründliche Reform zu hoffen ist.
Das genannte Centralcomite hat nämlich die Gründung von Muster -
werkstätten zur Vervollkommnung der Spitzenindustrie im Eizgebirge
56
übernommen und die Ausführung Herrn Wechselmann überlassen,
welcher zu. diesem Zwecke eine Subvention erhält. In diesem Berichte
wird nun erzählt, es sei Klage darüber geführt worden, dass die von
Herrn Wechselmann an die Spitzenhändler und Factoren zur Be -
nützung hinausgegebenen Muster nicht durchgehends geschmackvoll und
neu seien, und dieser rechtfertigt sich damit, dass er »bei der Errichtung
der Musterwerkstätte und noch fortlaufend Tausende der geschmack -
vollsten Zeichnungen den Factoren zur unentgeltlichen Benützung gestellt
habe, und sie hätten davon zu Hunderten und jedenfalls mehr davon
entnommen, als sie benutzen konnten.«
Man erkennt aus diesem Streit, dass die Spitzenfabrikanten im Erz -
gebirge noch immer glauben, man könne sich mit schon anderswo be -
nützten Zeichnungsvorlagen begnügen, und dasselbe Muster wie der
Bobinet-Fabrikant!, der Cattundrucker, der Seidenweber oder Damast -
weber vfele Mal ausführen lassen.
Das ist gerade der Irrthum, welcher die Spitzenfabrication im böh -
mischen Erzgebirge und auch im benachbarten Sachsen in einem Banne
hält, der sie nicht die Vollkommenheit erreichen lässt, zu welcher sie in
Frankreich und Belgien gelangt ist, daher auch diese den Weltmarkt
darin beherrschen.
Der Werth der edlen Spitze, sei sie mit der Nadel oder
mit den Klöppeln gearbeitet, besteht in der Originalität der
schönen Zeichnung. Die eigens für eine Spitze, sei dieselbe ein
ganzes Kleid oder ein Shawl oder eine Barbe, entworfene und ausgeführte
schöne Zeichnung macht sie zu einem Unicum, das sich zu einer gewebten
Spitze wie eine freie Handzeichnung zu einem Holzschnitt oder Kupfer -
stich verhält und die letztere so sehr an Werth übertrifft.
In Frankreich, in Belgien wird eben jede Spitzenrobe und jede grös -
sere Spitzenarbeit nach einer besondern Zeichnung ausgeführt und diese
entwerfen für dieses Fach ausgebildete Zeichner, die wahre Künstler
sind. Allerdings arbeiten diese, wie jeder Zeichner für Kunstgewerbe, nach
Mustern und Ornamentvorlagen, allein sie lassen dadurch ihre Phantasie
nur anregen und passen sie dem Stoffe an, wodurch die Zeichnung zur
Darstellung kommt.
Hierbei macht sich nun die Arbeit der Nadel und der Spitzenklöppel
ganz besonders geltend. In der freiesten Weise folgt sie mit dem Con-
tourfaden dem Zuge der freien Handzeichnung und ist im Stande alle
Formen zum deutlichen Ausdruck zu bringen; in der gefälligsten Weise
füllt der Faden an der Nadel und füllen die an den hunderten kleinen
Klöppeln befestigten Fäden die Zwischenräume der starken Contouren
mit dem verschiedenartigsten Netzwerk, wie es der Webstuhl und die
Bobinetmaschine nimmer vermag, und so kommen die Meisterwerke jener
Spitzenroben, Schleier, oder Volantes, Barben u. s. w. zu Stande, welche
auf dem Untergründe von blauem, grünem oder rothem Sammt oder auf
iz
dem unvergleichlich schönen Untergrund des Antlitzes, des Nackens,
Armes einer Frau eben von bezaubernder Wirkung sind.
Für eine solche Spitzenrobe zahlt man in Frankreich 20 bis 3o
Tausend Franken, aber nur wenn die Zeichnung originell und schön und
ihre Ausführung durch Frauenhand reizend zart ist.
Die Phantasie des Zeichners muss sich mit der Kunstfertigkeit der
Arbeiterin in meisterhafter Weise zu einem Kunstwerke verbinden. —
Man wird uns nun verstehen , wenn wir sagen: die Kunstfertigkeit der
Arbeiterinnen ist in der Ausstellung der Erzgebirg-Spitzen im Museum
nachgewiesen, die feingebildeten Zeichner fehlen noch.
Wir verzichten darauf im Einzelnen nachzuweisen, wie eben in der
Zeichnung derselben Spitze hier unharmonisch der Naturalismus der
Blume und des Blattes mit den Ornament des Barockstyles verbunden,
dort durch die vielfache Wiederholung desselben kleinen Ornamentes auf
grosser Fläche die kleinliche Zusammensetzung des Ganzen aus vielen
Theilen zeigt und anderes; wir vermissen den künstlerisch ausgebildeten
Zeichner, und damit fehlt das Beste, das Edelste.
Die Weltausstellung im Jahre 1878, welche die französische Spitzen -
robe neben den Erzgebirgsspitzen stellen und vergleichen lassen wird,
kann Gelegenheit geben, den grossen Fortschritt der Erzgebirgsspitze in
der Technik zu erkennen und wird gewiss auch die Nothwendigkeit
zeigen, dass die Erzgebirgsspitze nur dann auf dem Weltmarkt concur-
renzfähig werden wird, wenn die Fabrikanten kunstgebildete Fachzeichner
heranziehen.
Mit Recht deutet der oben citirte Bericht an das Erzgebirgscomite
die Nothwendigkeit der Zeichenschulen in den Standorten der Spitzen -
industrie an, und die Kunstgewerbeschule des österreichischen Museums
wird auch diesem Industriezweige von grossem Nutzen sein.
Dr. Stamm.
XIII.
Goldschmiedsarbeiten.
(Verfall der Goldschmiedekunst. — Moderne Kunstweisen. — Richtungen der Reform. —
Jauner. — Klinkosch. - Ratzersdorfer. — Keller. — Wachsmann. — E. Biedermann. —
Berndorfer Fabrik. — C. Haas.)
Vielleicht hat sich kein Zweig der Kunstindustrie so lange und so
heftig gegen den Verfall der modernen Kunst seit der Renaissance ge -
wehrt wie gerade die Goldschmiedekunst und in Verein mit ihr die Ar -
beiten des Juweliers. Es ist, als ob das feinere Material, seine unschätz -
baren Eigenschaften, auch den Künstler und Arbeiter zu feinerer und
gediegenerer Behandlung gezwungen und zugleich vor der Verwilderung
bewahrt hätten, in welche andere Kunstzweige so bald verfielen. Wir
sehen daher um das Jahr 1600, ja noch in der ganzen ersten Hälfte des
58
17• Jahrhunderts, namentlich in Verbindung mit Email und Halbedel -
steinen j die zu Gefässen benützt wurden, ganz vortreffliche Gold- und
Silberarbeiten entstehen, die noch heute Zierden unserer Cabinete und
Schatzkammern sind. Endlich aber musste auch diese edle Kunst in den
allgemeinen Verfall eintreten.
Mit diesem Verfall änderte die Goldschmiedekunst sehr wesentlich
ihr Aeusseres. Sie änderte vor Allem die Formen der Gefässe, Geräthe
oder Schmuckarbeiten, und setzte an die Stelle der reich und zierlich
gegliederten, elegant geformten Profile die willkürlich geschweiften, aus
der Symmetrie heraustretenden Formen des Rococo; sie verlor an Tech -
nik, indem sie weder die Figuren noch das Ornament mit der gleichen
Vollendung wie die Goldschmiede des 16. Jahrhunderts zu treiben ver -
stand; sie verlor zugleich an Ansehen und farbiger Wirkung, indem sie
das Email abwies und allmälig auch die Vergoldung, deren fast gänz -
liches Erlöschen allerdings erst dem 19. Jahrhundert angehört. Das Email
hielt sich nur noch als Miniaturmalerei in der Uhren- und Dosenfabrica-
tion, bei welcher wieder alle künstlerische Form hinwegfiel. Die Gold -
schmiedekunst verlor dadurch ausserordentlich an Reiz und Interesse.
Auch das Bischen, was ihr davon die Zeit noch übrig gelassen hatte,
nahm ihr die Episode des Empire mit ihren steifen und nüchternen
Formen hinweg, und als diese wieder aus der Mode verschwunden waren,
blieben der Goldschmiedekunst nur die abgelebten Gestalten, Bildungen
und Ornamente des Rococo übrig. Gegen diese trat nun im Verlauf dei
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, namentlich um die vierziger Jahre, eine
Reaction ein, mit ihr aber keinesw'egs eine Besserung. Die Kunstformen
dieser Reaction zeigten sich ganz verschieden bei den grösseren Silber -
gegenständen und bei den eigentlichen Schmuck- oder Juwelierarbeiten.
Bei jenen Gegenständen, den grösseren Silberarbeiten, Tafelaufsätzen,
Gefässen, Frucht- und Brotkörben, Schalen u. s. w., trat der moderne
Naturalismus, d. h., eine Kunstweise, welche Formen und Bildungen der
Natur, von Pflanzen wie von Thieren, möglichst in all der Zufälligkeit
ihrer äusseren Erscheinung getreu copirt und sie entweder als Ornament
oder an Stelle der Grundformen der Gefässe und Geräthe verwendet.
Es ist hier nicht des Ortes, die Fehler dieser Kunstweise, die schliesslich
zur Aufhebung aller eigentlichen Kunst führen muss, zu schildern; wir
begnügen uns mit der Angabe des Thatsächlichen. Was nun die Juwelier -
arbeiten betrifft, so regte sich auch hier wohl der Naturalismus und
wusste seine Blatt- und Thierbildungen an der Stelle kunstgemässer
Formen einzuschwärzen; aber es gelang nur zum Theil; in der Haupt -
masse wurde der Schmuck von Armbändern, Brochen, Ringen u. s. w.
noch viel trostloser gebildet, indem er sich an die leersten Galanterie -
artikel anlehnte. Das unverzierte und ungeformte blanke Metall in Schei -
ben, Bändern und Reifen bildete die Grundlage und erhielt plumpen Be -
satz von Steinen, der alle künstlerische Fassung aufgegeben hatte, oder
5 9
von nachgebildeten Riemen, Schnallen, Schleifen und dergleichen sinnlosem
Zeug. Kunst, Arbeit, Wirkung, alles ging auf diese Weise verloren.
Daneben fand allerdings die Reaction noch einen dritten und bessern
Ausdruck, nämlich in der kirchlichen Goldschmiedekunst. Da wir aber
von dieser hier nicht ausdrücklich reden wollen, so bemerken wir nur,
dass sie auf das Mittelalter zurückging und von diesem verlorene Kunst -
weisen und Kunstformen entlehnte, von denen namentlich die ersteren
mit der Zeit befruchtend auf die ganze Goldschmiedekunst zurückwirken
sollten.
Bei diesem Zustande der Dinge konnte es nicht bleiben, und sowie
die Reform der Kunstindustrie sich regte, musste sie auch die Gold -
schmiedekunst von verschiedenen Seiten anfassen. Die Franzosen suchten
zunächst ihren Naturalismus kunstgerecht zu machen und gelangten zu
einem Genre, dessen Hauptreiz in vollendeten kleinen Figuren und Grup -
pen von oxydirtem Silber bestand, ein Genre, welches darin fehlgeht, dass
es das Ornament zur Hauptsache macht. Indessen machte es seinen
Hauptvertreter Fr oment-Me u ric e schnell berühmt. Italiener begannen,
namentlich für Schmuck, die antiken Goldarbeiten zu imitiren, und indem
alsbald der antikisirende Schmuck auch in der französischen Industrie
und durch dieselbe Mode wurde, gewöhnte man sich damit wenigstens an
zierliche Formen, feine und elegante Fassung, sowie an die zarteste aller
Goldschmiedarbeiten, das Filigran. Damit war einer würdigen Behandlung
des edlen Metalles wieder die Bahn gebrochen. Nun fehlte aber noch die
Farbe in der Goldschmiedekunst, das Email. Auch dieses wurde wieder
hervorgeholt und zwar aus der Renaissance. Die Nachahmung dieser letz -
teren hatte zwar Anfangs kein anderes Ziel als Fälschungen zu schaffen.
Dies bildete die Arbeit aus, hinderte sie aber auch mit offenem Visir an
das Licht zu treten. Auch das geschieht jetzt allmälig, und wir sehen
damit die Reform der Goldschmiedekunst von allen Seiten thatsächlich
begonnen.
Vergleichen wir nun mit diesen Bemerkungen die österreichische
Goldschmiedekunst, wie sie uns auf unserer Ausstellung entgegentritt, so
sehen wir, interessanter Weise, noch manche charakteristische Erschei -
nungen der jüngst vergangenen Zeit, andrerseits aber auch die Reformen
mehrseitig und kräftig in Angriff genommen.
Fast ganz der älteren Art gehört noch Jauner an, mit seiner rei -
chen, von grosser Thätigkeit zeugenden Collection, jedoch erinnert auch
vieles davon an jenes figürliche Genre der Franzosen, als dessen Reprä -
sentanten wir Froment-Meurice genannt haben. Diese letzteren Ar -
beiten mit kleinen freien Figuren, welche als die Hauptsachen erscheinen,
sind in meist oxydirtem Silber ganz vortrefflich ausgeführt und machen
viel eher den Eindruck, freie Arbeiten der plastischen Kunst in kleinem
Massstabe zu sein, denn Arbeiten der eigentlichen Goldschmiedekunst.
Für manches Auge werden sie Reiz genug haben. Die Gefässe und Ge-
6o
räthe dagegen sind schwer zu charakterisiren; es fehlt ihnen nicht art
eigener ausgeprägter Physiognomie, aber es gebricht ihnen an schöner
und schön gegliederter Form, sowie an dem entsprechenden Ornament.
Willkür, jedoch eine Willkür in engem Kreise, ist die vorherrschende
Charaktereigenschaft. Das ganze Genre, das die Individualität seines Mei -
sters und Urhebers ganz gut vertritt, kann heute nicht mehr Stich halten
und muss durch edlere Formen und edle Ornamente, denen die Re -
naissancearbeiten zum Vorbild dienen mögen, ersetzt werden.
Aehnlich beginnt die grossartige Collection der Silberarbeiten von
Klinkosch mit Reminiscenzen einer nunmehr glücklich vergangenen oder
doch wenigstens zum grössten Theile verschwundenen Zeit, aber sie endet
nicht damit. Die Ausstellung umfasst die glänzendsten Erzeugnisse einer
Reihe von Jahren und ist insofern, ausserdem dass sie Zeugniss ablegt
von der Bedeutung dieses Etablissements, auch historisch interessant. Dass
ihre Arbeiten darum mit dem Naturalismus beginnen, der, genährt und
gepflegt durch kostspielige Wettrennpreise und sonstigen Sport, vielleicht
in den grossen Silberarbeiten am meisten geschwelgt hat — wenigstens
auf dem plastischen Gebiete — ist an sich kein Tadel. Sie stammen eben
aus einer Zeit, wo der Naturalismus die Herrschaft hatte. Die Zeit ist
hoffentlich nicht mehr ferne, wo solche Arbeiten nicht mehr künstlerische,
sondern nur noch kunstgeschichtliche Bedeutung haben werden. Ganz
freilich ist sie noch nicht gekommen, denn in England, dem Lande des
Sports, huldigt man gerade in diesen Gegenständen und fast allein noch
in diesen, wie die Ausstellung von 1871 lehrte, dem Naturalismus, wenn
auch keineswegs mehr so ausschliesslich wie früher. Um so höher ist der
Fortschritt anzuschlagen, den das Etablissement von Klinkosch mit
seinen neuesten Arbeiten gemacht hat. Wir meinen hiermit besonders das
grossartige Tafelgeräth für den Grafen Edmund Zichy. Vielleicht ist auch
hier dem figürlichen Theil, namentlich in der dramatischen Bewegung
freier Figuren, zu viel Spielraum gegeben, man erkennt aber doch voll -
kommen das Bestreben, erstens jedem Gefäss und Geräth eine schöne
Form und gute reine Contour zu geben, und zweitens die Figuren in den
Hauptlinien, die sie bilden, an die Configuration des Geräthes anzu-
schliessen und ihr unterzuordnen. Und so muss es sein.
Wenn wir die Ausstellung von Klinkosch im Allgemeinen betrach -
ten, so wird uns noch eine Seite daran auffallen, das ist die Farblosigkeit.
Was bei den naturalistischen und überhaupt bei den grösseren Silberar -
beiten der letzten Jahre die Regel war, dass sie die weisse Silberfarbe
behalten haben, das ist auch bei den neuesten Arbeiten, zumal bei dem
erwähnten Tafelservice der Fall. Nur wenige Beispiele, ein paar Services
für Thee und Caffee und einige andere kleinere Gegenstände machen
eine Ausnahme. In Anbetracht, dass die weisse Silberfarbe, sowohl polirt
wie matt oder oxydirt, zur Decoration wenig günstig ist und noch un -
günstiger erscheint bei plastischen Arbeiten, die einen leichenhaften An-
6i
strich erhalten, in Anbetracht, dass in diesen Beziehungen die Vergoldung
viel glücklicher wirkt und auch in guten Kunstperioden durchgängig an -
gewendet worden ist, in Anbetracht dessen sollte auch unsere Gold -
schmiedekunst reichlicher auf die Vergoldung zurückkommen, sei es allein,
total, oder in Verbindung mit Silbertönen. Wir wünschen aber noch
eine Art Farbe in diese edle Kunst wieder eingeführt und das ist durch
das Email und ebenso durch das Niello, Verzierungsweisen, von denen
sowohl das Mittelalter wie die Renaissance, und früher schon die byzan -
tinische Kunst wie heute die überaus hoch stehende Goldschmiedekunst
der Indier einen so reichlichen und reizvollen Gebrauch gemacht haben.
Es kann die moderne Goldschmiedekunst nicht nachdrücklich genug darauf
aufmerksam gemacht werden.
Wir freuen uns darum um so mehr, unter den Goldschmieden, wel -
che diese Ausstellung benützt haben, in Ratzersdorfer bereits einen
eminenten Vertreter dieser feineren und farbigen Goldschmiedekunst zu
sehen. Alle die verschiedenen Weisen des Zeitalters der Renaissance leben
in seinen Werken wieder auf, das translucide und opake Email, die
Schleifung und Gravirung des Krystalls, das Niello, das Treiben der Fi -
guren und Ornamente in edlem Metall, möchte der Trefflichkeit der Ar -
beit bald auch die volle Schönheit der Formen, die Reinheit der Orna -
mente entsprechen, die wohl noch zu wünschen übrig lassen! Dann wer -
den diese Arbeiten bald nicht mehr des alterthümlichen Charakters, der
sie jetzt noch bekleidet, nöthig haben; sie werden die Liebhaberei der
Kunstfreunde und die Zierden der Cabinete sein. Aber es ist dazu eben
nöthig, dass Form, Technik und Ornament auf gleicher Höhe der Voll -
endung stehen, wie das z. B. bei dem von Ratzersdorfer mit email-
lirtem Golde gefassten Glasservice von Lobmeyr der Fall ist.
Wir sehen mit Vergnügen, dass sich das gleiche Gefühl auch an -
derswo in der Goldschmiedekunst regt und nennen in dieser Beziehung
unter den ausgestellten Arbeiten die Becher von Keller in Graz und
den Pocal von Wachs mann in Prag.
Einen grossen Fortschritt in anderer Weise bekunden auch die Ju -
welierarbeiten von E. Biedermann. Wir haben oben gesagt, dass die
modernen Juwelierarbeiten durchaus formlos geworden waren und vor
allem auch des Reizes einer zierlichen, ausgearbeiteten Fassung der Steine
entbehrten. Gerade auf diese Seite nun in Verbindung mit vollendet durch -
geführter Arbeit sehen wir Biedermann mit vollem Recht einen Nach -
druck legen und so wieder die Grundlage einer echten Juwelierkunst ge -
winnen. Nach dem Vorgänge, den die Castellani in Rom gemacht haben,
kann ein Etablissement, das den Anspruch macht, ein erstes zu sein und
auf der Höhe der Zeit zu stehen, auch nicht mehr anders verfahren. Es
muss aber auch hier einerseits auf eine schön gezeichnete, reizvolle
Composition geachtet werden und zum andern auf die farbige Haltung,
die auch hier nicht blos durch die Steine, sondern ebenso auch ducrh
62
»
Email erzielt werden kann. Ich verweise in dieser Beziehung auf das,
was Benvenuto Cellini in seinem Leben von ähnlichen Arbeiten, die ihm
verschiedentlich aufgetragen wurden, erzählt, sowie auf die Gegenstände
selbst, die sich aus seiner Zeit und Schule zahlreich erhalten haben. Sie
zeigen im Ornament reizende kleine opak emaillirte Figuren und neben
den Steinen auch sonst Email und Niello.
Zum Schluss dieser Besprechung der Goldschmiedekunst gedenken
wir noch anhangsweise der Berndorfer Fabrik von Sc holler und ihrer
Arbeiten in Alpacca-Silber, sowie der galvanoplastischen Nachbildungen
von Carl Haas. Was die ersteren betrifft, so werden die Gegenstände
aus imitirtem Silber keinem anderen Styl zu folgen haben als die Silber -
gegenstände selbst, und die Gesetze für diese gelten auch für jene. Daher
dürfte es wohl an der Zeit sein, dass auch diese Fabrik jenem Naturalis -
mus entsagt, von dem sich Klinkosch mit seinen neueren Arbeiten los -
gemacht hat und der sie noch völlig zu beherrschen scheint. Wenigstens
bedingt ei den Hauptcharakter der ausgestellten Gegenstände. Die gal -
vanoplastischen Arbeiten von Carl Haas, Copien alter Goldschmieds -
gegenstände, haben den Vortheil, dass die interessanten, oft sehr bedeu -
tenden Originale ihnen selbst ein grosses Interesse sichern. Und wirklich
ist eine ausgezeichnete Collection durch die Hilfe des österreichischen
Museums bereits vorhanden. Andrerseits müssen sie selber freilich darnach
angethan sein, und hierin sind die Arbeiten von Carl Haas in der That
alles Lobes werth, die Originale mit grösster Treue und Vollendung
wiederzugeben. Alsdann gewähren sie, obwohl Copien, doch selbst dem
Kunstfreund Interesse und sind im Stande, als Museumsgegenstände, als
mustergiltige Beispiele zur Reform der Goldschmiedekunst beizutragen.
In diesem Sinne gedenken wir ihrer an dieser Stelle.
F.
XIV.
Email.
(Carl Haas. 'Chadt. Rinal. — Hanusch. — Pavlansky. — Ratzersdorfer. — Hans
Macht. — F. Jäckel. — Jauner. — G. Lerl & Söhne.)
Die Kunst des Emailleurs ist beinahe in allen ihren Zweigen auf
der Ausstellung vertreten. Wir finden hier Email cloisonne, Email cham-
pleve (insofern auch das translucide in den ausgegrabenen Vertiefungen
des Silbergrundes eingefüllt ist), email translucide, Maler- und sog. kaltes
Email. Es fehlt ferner auch eigentliches opaques champleve nicht, das -
jenige Genre, in welchem das Mittelalter seine kirchlichen Prachtobjecte
der Goldschmiedekunst herstellte; somit können wir es aussprechen, dass
die gesammte in Abnahme und Verfall gerathene Technik in allen ihren
Eigenthümlichkeiten wieder in’s Leben gerufen hier vor uns steht. Des -
gleichen bietet die Ausstellung in stylistischer Beziehung das abwechs-
63
lungsreichste Bild in den vorhandenen Emailarbeiten. Dieselben umfassen
den ornamentalen Styl der orientalischen Völker, der Chinesen, sie zeigen
Nachahmungen des Romanisch-Gothischen, repräsentiren die Decoration dei
Renaissance und Hochrenaissance, die Grisaillemalerei des 17. Jahih. s
und die Barocke. Diesen Reichthum von Formen und Ornamenten, nicht
minder so vielfaches technisches Verfahren, hat die neueste Kunstindustrie
an der Hand alter Vorbilder dem Leben wiedergewonnen, ein beträcht -
licher Fortschritt, der evident wird, wenn wir uns erinnern, dass vor
10—20 Jahren das Ganze der herabgekommenen Emaillirkunst darin be -
stand, mit Maleremail gewisse Juwelierarbeiten in schlechten Zierratmotiven
um die natürliche Wirkung des Goldes und der Steine zu bringen.
Von grosser Wichtigkeit sind die Versuche des galvanoplastischen
Ateliers von Carl Haas in Wien, welche in Nachahmungen der chinesi -
schen Emaux cloisonnees, also derjenigen Schmelzarbeiten bestehen, deren
Zeichnung durch aufgelöthete, feine Metalldrähte contouriit wild. Diese
Arbeiten sind geeignet, das höchste Interesse zu ei regen. Mit grossen
technischen und chemischen Kenntnissen, mit äusserstei Subtilität in dei
Ausführung hergestellt, haben sie Anspruch auf unsere Anerkennung, im
Besondern betrachtet als Leistungen eines modernen Ateliers in einem in
Oesterreich noch gar nicht, selbst in Paris aber nicht mit vollkommenem
Erfolg versuchten Genre der Imitation, verdient das Unternehmen das
wärmste Lob; im Allgemeinen jedoch gewinnt man abermals die Ueber-
zeugung, von welcher Bedeutung die durch Jahrtausende geübte Produc -
tion jener Völker in jedem Sinne ist, deren Geschicklichkeit zu erreichen
unsere wissenschaftlichen Untersuchungen uns nicht helfen wollen.
Prof. J. Storck hat den Entwurf zu einem Bibeleinband gefertigt,
welcher mit Emails von dem geschickten Emailleur Chadt in Wien ver -
ziert wurde. Auch diese sowie die Bronzemontirung, welche in dem Eta -
blissement Aug. Klein ausgeführt wurde, sind nach der Zeichnung des
Genannten vollendet und lässt an Reinheit und Klarheit dei Farben,
welche zugleich äusserst harmonisch gestimmt und dem Glanze der Ver -
goldung in ihrem milden Schimmer entgegengestellt sind, nichts zu wün -
schen übrig. Die Technik ist jene des Grubenemails, die Flächen wurden
ausgegraben und das Metall der Kupferplatte nur an den Stellen der
Hauptumrisse stehen gelassen. Ich sage: an den Hauptcontouien, denn
darin wich man von den alten romanischen Vorbildern ab, welche aller -
dings nur die nothwendigsten Innencontouren, aber sämmtliche dann auch
durch die stehengebliebenen Theile der Platte gebildet haben. Diese
durch die Technik mehr noch als durch den allgemeinen Geschmack jener
primitiven Zeit gebotene Einfachheit verleiht den Kölner Emails aber auch
ihren charakteristischen Styl und in logischer Folge gibt umgekehrt wieder
das Anbringen vieler Innencontouren, noch mehr aber ihre Ausführung
im Email selbst, nicht durch den stehengebliebenen Theil der Platte,
ebenso auch dieser modernen Arbeit den ihrigen. Wir finden es bei Be-
6 4
trachtung des Ganges der Dinge,, im Hinblick auf die kunsthistorische
Entwicklung der letzten Perioden wenigstens sehr begreiflich, dass Jünger
des Renaissancestiles nicht archäologisch getreu in einem so anders be -
schaffenen Styl, wie es der alte deutsch-romanische ist, selbstständig werden
schaffen können und wollen, wir verargen es ihnen gar nicht, wenn sie
sich nicht entschliessen können, die Augen, Mund und Nase in den dar -
gestellten Gesichtern durch dicke Umrisse des vergoldeten Plattengrundes
zu geben, es widerstrebt allzusehr der gefälligen, zierlichen Weise ihres
gewohnten Styles. Der Freund der Renaissance mag seine Weise schöner
finden, als jene der alten Kölner Emails, und der Künstler der Neuzeit
mag vielleicht es kaum über das Herz bringen, streng altertümlich Neues
zu schaffen; — wir glauben das gerne, unser archäologisches Gefühl hat
aber doch auch sein bischen Recht.
Sehen wir doch auf den ersten Blick, welches das natürlich zube -
stimmte Gebiet des genannten Künstlers ist, sobald wir die eleganten
Festons, die zierlichen Gewinde von Blumen und Bändern an dem Mittel -
stucke des Tafelaufsatzes betrachten, welcher im Aufträge Sr. Majestät
v oHendet worden ist. Im hellsten durchsichtigen Schimmer, den der milde
Silbergrund noch bedeutend hebt, leuchten diese Guirlanden entgegen. Die
Farben haben beinahe die Klarheit des Glases und sind durchaus rein
herausgekommen; besonders das liebliche Grün und das satte Gelb ist
trefflich gelungen. Im Roth scheint es, als wären die Vorbilder der
Florentiner Emailhrkunst des i5. Jahrhunderts noch nicht völlig erreicht.
Auch dieses Werk verdankt seine technische Vollendung dem schon ge -
nannten Emailleur Chadt, dem fast alle in der Ausstellung befindlichen
Arbeiten angehören.
Translucide Emails ornamentaler Zeichnung auf silbernem Grunde
schmucken auch eine Cassette von vergoldeter Bronze aus dem Atelier
Hollenbach. Wir verrathen hiermit den verborgen gebliebenen Zeichner
dieser guten Ornamente, Architekt Franz Riewel. Auch diese Emails
sind im Renaissancestyl entworfen, in coloristischer Hinsicht zeichnen sie
sich durch ein angenehmes Blau aus, welches namentlich zu dem Silber
gut stimmt. Das eigentliche Gebiet des Künstlers aber ist die Kunst
einer alteren Periode, wir haben somit gerade den entgegengesetzten Fall
gegen den früheren. Von demselben Künstler rührt nämlich die Zeich -
nung der grossen Emailpiatten her, welche — wieder von C h a d t vor -
züglich ausgeführt, — den gothischen Altar des Formators J. Hainze in
Wien schmücken. Es sind etwa %' hohe Figuren von Heiligen, auf
lichtblau emailhrtem Fond, in Styl und Technik überaus getreu in der
Weise der romanischen Emails kölnischen Ursprungs vollendet. Die ganze
bigur wird durch die stehengelassenen Plattentheile gebildet und nur
schmale Innencontouren, Faltenzüge etc. sind durch die dem blauen Grunde
gleichartige Füllung ausgedrückt. Solche Emails, gewissermassen das
v\ iderspiel derjenigen, welche die Umgebung der Figur durch das ver-
65
goldete Metall darstellen, die Gewänder etc. durch farbige Schmelzmasse
und die Innencontouren wieder durch den stehengelassenen Grund
geben, kommen häufig genug vor, wir haben schöne Proben davon im
Schatze von St. Stephan zu Wien.
Wir reihen daran einen eigenthümlichen Versuch desselben wackeren
Emailleurs, der in technischer Beziehung nicht werthlos, in jeder andern
Hinsicht aber arg verunglückt ist, so dass wir die fleissige Arbeit bedauern
müssen, wo sie an unglücklich gewählter Aufgabe vergeudet erscheint.
Der Künstler hat nämlich ein 19 Zoll hohes und i5 Zoll breites Madon -
nenbild auf vergoldetem Kupfergrund ganz in Email dargestellt und zwar
im Style der altbyzantinischen Madonnenbilder, mit griechischen Schrift -
zeichen versehen etc. Etwas nützliches geht indessen doch vielleicht auch
aus dieser Verirrung hervor. Vielleicht werden Manche, welche beim
Künstler das Erwerben von kunstgeschichtlichen Kenntnissen für etwas
überflüssiges und zeitraubendes hinzustellen gewohnt sind, doch anderer
Meinung, wenn sie dieses Opus betrachten, in welchem also die Copie
eines Kunstwerkes der Tafelmalerei, der Malerei mit kalten Farben, mit
dem Pinsel, auf Kreidegrund, — ausgeführt ist in einer Technik, welche
nie mit Werken des Pinsels concurriren kann und in der byzantinischen
Kunst zu ganz andern Zwecken gedient hat. Ein wenig Belehrung über
die Technik der griechischen Tafelmalerei einerseits, über die Anwendung
von Email in der byzantinischen Goldschmiedekunst andererseits hätte den
trefflichen und äusserst strebsamen Meister vor einer solchen Verirrung
geschützt, Unterweisung, die gerade beim Eklekticismus des modernen
Kunstgewerbes, woselbst aus allen Zeiten, Stylen und Techniken der bun -
testen Beschaffenheit, oft Ein einziges Kunstwerk zusammenge — stellt
zu werden^'pflegt, den einzigen Schutz vor wilder Confusion bieten kann.
Von gediegener Zeichnung sind die Emails, welche in ornamentirten
Streifen die neuen Gascandelaber im Stiegenhause des Museums zieren.
Obwohl nicht Bestandtheile der Ausstellung, erwähnen wir sie dennoch
als gute Arbeiten von Chadt. Die Candelaber sind aus Tombak, mit dem
Ensemble übereinstimmend natürlich im Renaissancestyl von Oberbaurath
Ritter v. Ferstel entworfen. Die Idee, das Metall der Lichtträger mit
Schmelzfarbe zu verzieren, ist jedoch Schöpfungen der gothischen, vor -
zugsweise der englisch-gothischen Periode entlehnt. Der vergoldete Metall -
grund der Ornamente hat einen sehr satten angenehmen Ton, ein glanz -
loses tiefes Goldgelb. Lobende Erwähnung verdienen ferner noch die
Emailverzierungen an dem Bronzeluster des grünen Zimmers in der
Haas’schen Exposition, welcher aus dem Atelier Han u sch hervorge -
gangen ist; ferner die am Ehrenbecher des Künstvereines für Böhmen in
Prag, nach Zeichnung des Malers Fr. Wachsmann von Joh. Pavlansky
daselbst ausgeführten Ornamente.
Ratzersdorfer in Wien hat unter seinen ausgestellten Schmuck -
und Toilettegeräthen kaum ein Stück, das nicht mit Emails reichlich aus-
5
66
gestattet wäre. Wie alle aus diesem Atelier stammenden Arbeiten haben
auch die Emaillirungen einen ganz eigenthümlichen, bestimmten Charak -
ter. Zum grossen Theile wurden sie von dem sehr geschickten Künstler
Joh. Hrdliczka ausgeführt. Sie schliessen sich treu an Originale einer
Zeit an, die eben im Fache der Bijouterien, Goldschmied- und Bergkrystall-
arbeiten mustergiltige Leistungen hervorgebracht hat, copiren dieselben bei -
nahe, — doch aber meist nur im Styl, im Geist und Charakter, weniger
im Einzelnen, — und suchen ihren Werth in der möglichsten Annäherung
an die Vorbilder. Es mangelt nicht an Urtheilen, welche für solche Ten -
denzen Bezeichnungen wie sclavisch u. dgl. in Bereitschaft haben, wir aber
wollen uns wirklich noch bedenken, ob der obgemeldeten Richtung nicht
eher grosses Lob zuzuerkennen sei, indem durch ihr genaues, gewissenhaftes
Festhalten an den alten Mustern wenigstens vermieden wird, was dem
Freunde und Kenner der kunstgeschichtlichen Entwicklung bei modernen,
neu-alten Schöpfungen so oft störend entgegentritt: das Zusammenzwingen,
die geschichtswidrige Vermählung, wenn ich so sagen darf, von zehnerlei
Techniken, welche die Kunst der betreffenden Epoche nie als Ragout auf
Einer Schüssel auf den Tisch gestellt hat. Ihr Vorzüglichstes hat die ge -
nannte Firma geleistet in den emaillirten Gold- und Silberfassungen der
Glasgefässe von J. & L. Lobmeyr (im Aufträge Sr. Majestät). Die Zeit
Rudolf II. hat ihre kostbaren Gefässe von Bergkrystall mit solchem Schmelz -
werk geziert, ein Material, das wegen seiner Kostbarkeit und der Schwie -
rigkeit, welche es dem arbeitenden Künstler entgegensetzt, beinahe den
Edelsteinen zugerechnet wird. Wir haben hier die Bergkrystallgefässe in
schlichtes Glas übersetzt und auch dieses mit dem kostbaren Schmucke
des Emails geziert. Aber allerdings, wenn Glasgefässe dieser Auszeich -
nung würdig sind, so darf es von denen Lobmeyr’s gesagt werden.
Das eigentliche Maleremail ist vortrefflich vertreten durch die Aus -
stattung der Adresse, welche Sr. kais. Hoheit dem Erzherzog Rainer als
Protector des Oesterr. Museums durch die Mitglieder dieser Anstalt bei
der Eröffnung des neuen Hauses überreicht wurde. Das überhöhte vier -
eckige Mittelstück zeigt in einem reichen architektonischen Rahmen im
Style des ital. Quatrocento die Gestalten der Kunst und des Handwerks,
sich die Hände reichend. Die Architektur ist den Altar- oder Thürum -
rahmungen nachgebildet, wie sie in Venedig, Siena, Florenz gegen 15oo
geschaffen wurden, die Zeichnung hiezu entwarf Prof. Storck, jene der
Figuren Prof. Laufberger. Den Rahmen bilden io Medaillons der Künstler
Dürer, L. della Robbia, P. Vischer, B. Palissy, Giov. da Udine, Raphael,
Schongauer, W. Jamnitzer, H. Holbein und B. Cellini, nach gleichzeitigen
Portraits entworfen. Zur Ausführung des Emails hat man sich die Grisaillen
französischer Emailleure zum Muster genommen, welche in der Frühzeit
des 17. Jahrhunderts in den Limousiner Werkstätten immer häufiger ge -
fertigt wurden. Wir dürfen ihre Herstellung als eine der schönsten
Früchte bezeichnen, welche aus der jungen Saat unserer Kunstgewerbe-
h.
schule aufgekeimt sind und überdies wohl auch als die hervorragendste
Leistung in dem Fache, seit man nur wieder dieser Technik Aufmerksam -
keit zuwendet. Ihr Urheber ist ein junger, talentvoller Künstler, Hans
Macht, gebildet in den Fachschulen für Architektur und für figurales
Zeichnen und Malen an der Schule des Museums, die Leitung der Arbeit
übernahm Chadt. Wir wünschen recht sehr, dass es nicht mit diesem,
allerdings ausserordentlichen Anfänge sein Bewenden haben werde, und
namentlich, dass eine so ausgezeichnete Kraft, als welche Macht sich ge -
zeigt hat, auch fernerhin Gelegenheit haben möge, diese lang vernach -
lässigte Richtung in so würdiger Weise zu repräsentiren.
Die Emailmalereien von Fort. Jäckel in Wien gehören einem ver -
alteten Genre an, nicht minder fast alles an den von Jauner ausgestellten
Graveurarbeiten. Sogenanntes kaltes Email endlich zeigen die Schmuck-
und Nippsachen im Rococostyl von Gust. Lerl & Söhne, worunter
einiges Gute.
XV.
Das Glas.
(Allgemeines. - J. & L. Lobmeyr & Meyer’s Neffe in Adolf. — Das für Se. Majestät gefertigte
Service. — H. Ullrich. — Ludwig Moser. - Clemens Rasch. — Reich & Comp. —
J. Schreiber & Neffen. — Aug. Hegenbarth's Erben.)
Die Ausstellung des Oesterr. Museums bietet ein, wenn auch nicht
in Bezug auf die Zahl der daselbst vertretenen Fabriken, so doch in Hin -
sicht auf die Mannigfaltigkeit der ausgestellten Objecte nahezu vollstän -
diges Bild der österreichischen Glasindustrie, soweit diese als Kunst -
industrie hier in Betracht kommt.
Das Glas tritt uns gegenwärtig in einer ausserordentlichen Mannig -
faltigkeit in Bezug auf Form, Farbe und Bearbeitungsweise entgegen, in
einer Mannigfaltigkeit, wie sie keine der frühem Epochen aufzuweisen hat;
hierin hat es beinahe die Rolle der gebrannten Erde übernommen; — je
mehr diese in ihrer Bedeutung für die Luxusindustrie zurückgetieten ist,
umsomehr hat sich diese dem Glase zugewendet. Der Grund dieser Er -
scheinung dürfte aber darin zu suchen sein, dass das Porcellan, das seit
dem vorigen Jahrhunderte die gemeinem Erdwaaren, wie die Fayence
etc., in den Hintergrund gedrängt hatte, allein nicht alle Anforderung
und das Bedürfniss nach opaken Ziergeräthen bestreiten konnte; ein Theil
jener Objecte also, die ehedem die inzwischen meist stark zurückgegange -
nen oder jetzt ganz verschwundenen Erdwaaren-Fabriken geliefert hatten,
wird nun aus Glas gefertigt.
Es ist leicht einzusehen, dass schon hiedurch, durch die Neuheit der
Aufgabe, für die in den älteren Arbeiten und in der Tradition kaum
Vorbilder vorhanden waren, fremde und künstlerisch nicht sofort leicht
assimilirbare Elemente in die Glasmanufactur eingeführt wurden. Ueber-
5*
68
blicken wir diese selbst in der Gesammtheit ihrer Leistungen, wie sie sich
auf der Ausstellung des Museums im verkleinerten aber immerhin halb -
wegs zutreffenden Gesammtbilde darstellt, so finden wir, dass gegenwärtig
das opake Glas eine ausserordentlich wichtige Rolle spielt.
Das böhmische Glas hat eine reiche Vergangenheit; im Gegensätze
zum Venetianer Glase, das seinen künstlerischen Charakter hauptsächlich
durch die Schmelz- und Löthprocesse erhielt, ist bei ersterem immer
vorwiegend die Bearbeitung und künstlerische Ausschmückung durch den
Schliff in Anwendung gewesen, dessen Kenntniss in Böhmen ohne
Zweifel von der in Prag unter Rudolf II. in Blüthe gestandenen Bergkry-
stallschleifer-Schule datirt. Bis um Ende des vorigen und selbst bis in
die ersten Jahrzehnte dieses Jahrhundertes hat das böhmische Glas seine
decidirten Stylcharakter ziemlich treu bewahrt, so dass die Arbeiten sogar
aus jener späten Zeit heute noch immerhin als nachahmungswerthe Muster
dienen können; erst etwa in den letzten 3o Jahren ist hier ein Verfall
des Kunstgeschmackes eingetreten, dem entgegenzuarbeiten, und die Glas -
industrie wiederum auf die richtigen Wege zu bringen, einer der wichtig -
sten Operationspunkte der Reformbestrebungen auf kunstindustriellem
Gebiete sein muss. Es jist beim Glase nicht in gleichem Maasse wie bei
den Techniken der Bearbeitung der gebrannten Erde, die die Gegenwart
kaum um eine Species bereichert hat, immer sofort möglich, auf historische
Analogien und alte Vorbilder zu recurriren, denn die Mannigfaltigkeit der
Glassorten von heute hat durchaus nicht ihre Parallelen in früheren Epochen,
aber das Studium der Bedingungen, unter denen die natürlichen Eigen -
schaften des Glases ihre wahre künstlerische Verwerthung finden können
und sollen, wäre, richtig erfasst, schon an sich geeignet, eine Menge Miss -
griffe zu vermeiden und wenigstens vom Grunde aus Verfehltes aus der
Production fernzuhalten. Es ist hier nun freilich nicht der Ort auf
diesen Punkt weiter einzugehen, wie sich denn auch eine solche Erör -
terung nicht ohne stete Rücksicht auf die Gesetze der ornamentalen
Kunst überhaupt ausführen liesse; wir wollen aber unsere Uebersicht nach
den verschiedenen auf der Ausstellung repräsentirten Classen der Glas-
waaren anordnen, um so, soweit es hier angeht, die künstlerischen Ge -
sichtspunkte, die bei ihnen massgebend sind, hervorzuheben.
Nach den bei dem Glase sichtbar hervortretenden Bildungsproces -
sen lassen sich die Arbeiten aus Glas in zwei Hauptgruppen, die jedoch
untereinander mancherlei Uebergänge haben, sondern: je nachdem man
das Glas als eine harte krystallartige Masse, die ihre Form durch Schleifen
und ähnliches Bearbeiten (als schon harter Körper) erhalten hat, denkt,
oder den ursprünglich weichen, Schmelz- und dehnbaren Zustand in der
Formgebung und Verzierung zum Ausdrucke gelangen lässt. Im soge -
nannten Krystall finden wir die erstere, in den Alt-Venetianer Glasarbeiten
die letztere Auffassungsweise zur Geltung gebracht.
Das von der Firma J.&L. Lobmeyr und Mayer’s Neffe in Adolf
6g
im Vereine mit dem Juwelier Ratzersdorfer nach Zeichnungen von Prof.
Storck für Se. Majestät den Kaiser angefertigte Glasservice ist, wie über -
haupt ein Glanzpunkt der Ausstellung, so auch eines der schönsten Bei -
spiele der wahren Verwerthung der künstlerischen Motive, die die alten
Bergkrystallarbeiten als nächste Analogie und in reicher Fülle darbieten.
Trotzdem ist aber die Behandlung und künstlerische Bildung der einzelnen
Geräthe nicht nur in vollständigem Einklänge mit ihrem Zwecke und
ihrer Bestimmung — was man durchaus nicht von allen und oft am
wenigsten gerade von den am meisten prunkenden Schaustücken der
modernen Kunstindustrie sagen kann — sondern auch trotz der Anleh -
nung an die erwähnten Vorbilder doch wiederum so selbständig in der
Erfindung, dass sie einen wirklichen und wahrhaften Fortschritt auf kunst -
gewerblichem Gebiet bezeichnen. Die Formen sind durchaus von schönster
Gliederung und fein abgewogen, die Verbindungen und Knöpfe und der -
gleichen aus emaillirtem Golde in dem richtigen Masse angebracht, das
allein dazu dient, dem edlen Material den Charakter einer gediegenen Ele -
ganz zu ertheilen. Die Ornamente, Akanthusmotive, dazwischen Frucht -
gehänge etc., sind auf sogenannten »vollen Glanz« in ausserordentlich
vollendeter Weise eingeschliffen. Das Verdienst einer so präcisen Aus -
führung erscheint um so grösser, wenn man bedenkt, dass das Glas, trotz
oder eben wegen seiner geringem Härte, ein im Schliff, wo es auf grosse
Vollkommenheit der Detailausführung ankommt, eigentlich noch schwieri -
ger zu behandelndes Material ist als der Bergkrystall, indem dieser dem
Schleifrade mehr Widerstand entgegensetzt und daher eine zwar etwas
langsamere aber doch minutiösere Durchführung viel leichter gestattet
als das Glas, bei dem jeder Angriff mit dem Schleifmittel sofort tief ein -
dringt. Wir stehen nicht an diese Gläser zu dem Besten zu zählen, was
überhaupt die neuere Kunstindustrie hervorgebracht hat; wo wir aber
mit unserem Lobe so rückhaltlos sind, fühlen wir uns auch verpflichtet,
unser kleinstes Bedenken nicht verschweigen zu dürfen. Es betrifft eine
Nebensache, die grünen Weingläser, die sogenannten »Römer«. Es ist
nicht vollständig zu rechfertigen, dass man auch an diesen geschliffene
Verzierungen angebracht hat, denn die Form des Römers ist lediglich
eine — wenn man so sagen kann — aus dem Schmelzstyle des Glases
hervorgegangene, zudem ist auch jene Gestalt selbst eine gewissermassen
traditionell überkommene, die man nicht durch neue Zuthaten alteriren,
vielmehr wieder in ihrer Ursprünglichkeit herzustellen trachten sollte.
Proben eines mit ebenfalls auf »vollen Glanz« eingeschliffenen Or -
namenten gezierten Glasservices nach Zeichnungen von Friedrich Fisch -
bach hat H. Ullrich ausgestellt. Als der Arbeit eines Fachmannes sind
wir berechtigt, an dieses Werk höhere als nur gewöhnliche Anforderungen
zu stellen, und da wäre zu bemerken, dass hier nicht in allen Stücken
den Bedingungen der Schleifornamentation so genügend Rechnung ge -
tragen ist wie etwa — selbstverständlich auch abgesehen von dem dort
7°
grossem Reichthume der Durchführung — bei dem Service von Storck.
Fischbach ist in den Fehler verfallen, die geschliffene Ornamentation
blos wie eine vertiefte Zeichnung und nicht, wie es nothwendig ist,
als Intaglio zu behandeln. Aus dieser unrichtigen Auffassungsweise hat
sich als weitere Consequenz ergeben, Schraffuren, aufgesetzte Glanzlichter
und dergleichen anzubringen, was beim Glase (speciell hier) insofern styl -
widrig ist, als der Schliff wirkliche plastische Modellirung ist, die ge -
nannten Behelfe zur Hervorbringung eines körperlichen Scheines aber der
Darstellungsweise runder Körper in der Fläche entlehnt sind.
Wie die gemeinsam arbeitenden Firmen J. & L. Lobmeyr und
Meyer’s Neffe in Adolf überhaupt in Oesterreich an der Spitze der
künstlerischen Reform der Glasindustrie stehen, so nimmt auch ihre Ex -
position nicht blos in quantitativer, sondern auch und namentlich in
qualitativer Hinsicht in der Glasabtheilung die erste Stelle ein. Neben
dem beschriebenen kaiserlichen Glasservice finden wir da eine Reihe
anderer Suiten, bei denen die schönen Eigenschaften des böhmischen
Glases und der böhmischen Schleiftechnik mit künstlerischem Verständ -
nis verwerthet und hervorgehoben erscheinen. So ganz besonders bei
einem Service, dessen Geräthe sphärisch gewölbte Flächen von starkem
Glase mit verstreuten Ornamenten darauf zeigen; — der Glanz des
vielfältig gebrochenen Lichtes ist dabei zu so guter Wirkung gebracht,
dass das Ganze, ohne das unruhige Flimmern der gewöhnlichen reich
facettirten Gläser zu haben, von reicher und höchst reizend - gefälliger
Wirkung ist. Andere Gläser aus dem genannten Etablissement imitiren
mit Glück die Formen des vorigen Jahrhundertes, z. B. jene mit ebenen
Flächen und leicht abgerundeten Ecken, dann wieder moderne Compo-
sitionen die antike Motive wie Maeander, als Randfassungen und derglei -
chen verwerthen.
Weniger günstig in künstlerischer Rücksicht und auch im Hinblicke
auf den praktischen Gebrauch scheint uns ein Genre, das sich, von meh -
reren Etablissements ausgestellt (Lobmeyr, Ullrich), einer gewissen
Modebeliebtheit erfreut, nämlich mit einer Verzierung, die in abwechselnd
hell gelassenen und mattgeschliffenen Streifen von gleicher Breite besteht.
Nicht nur, dass die Wirkung dieser Streifen eine sehr unruhige ist, wird
auch durch die bei runden Gefässen immer concentrisch zusammenlaufen -
den Linien eine Dimensionsentwickelung allzukräftig gegen die übrigen
betont, was mit der Wesenheit der Geräthe natürlich nicht immer im
Einklänge steht. Metallgeschliffene Flächen, in grösserer Ausdehnung an -
gewendet, haben aber noch den Nachtheil, das Glas einer seiner schönsten
Eigenschaften, seines Glanzes und seiner Glätte zu berauben, sind also schon
aus diesem Grunde möglichst zu vermeiden und es sollten Mattirungen
mit Beschränkung und nur als verstreutes Ornament in Anwendung ge -
bracht werden, wie wir dies in sehr glücklicher Weise auf verschiedenen
andern Schalen, Coups, Desserttassen etc. von Lobmeyr sehen.
Ein grosser Glaskrater mit, mit Figuren geschmücktem Broncefuss,
ausgestellt von H. Ullrich, ist in dieser Beziehung ebenfalls durch die
hübsche Erfindung des mattirten Ornamentes bemerkenswerth, nur hat
man den unbegreiflichen Missgriff begangen, als Henkel des Kraters
metallene Widderköpfe mitten auf das Glas und ohne Verbindung mit
dem Fuss aufzuschrauben, was so wie es hier geschehen ist, sowohl vom
künstlerischen als praktischen Gesichtspunkt, der selbst bei einem blossen
Ziergerath nicht unberücksichtigt bleiben darf, entschieden verwerflich ist.
Kehren wir zu den eigentlichen Krystallgläsern zurück, so haben
wir noch ein Genre zu betrachten, dem zwar eine innere Berechtigung
nicht abzusprechen ist, das aber doch in der Weise, in der es bisher
zumeist verbeitet war, ziemlich auf den Aussterbe-Etat gesetzt zu sein
scheint; — wir meinen die überreich facettirten, kantigen und vielecki -
gen Gläser, die in Böhmen mit hoher technischer Vollendung fabricirt
werden. Zumeist wird aber leider nur auf diese alles Gewicht gelegt,
um ein recht brillant funkelndes und glitzerndes Werk hervorzubringen,
und die Durchbildung einer entsprechenden Kunst form wird allzuwenig
berücksichtigt. Gerade bei dieser Gattung des Krystallglases ist aber ein
verständiges Masshalten dringend geboten, denn die Kanten und Ecken
dürfen nicht allein die Hauptsache sein, sondern hier wie überall ist
eine klare Formenconstruction erste Bedingung. Einiges in diesem Genre
von den Firmen H. Reich, H. Ullrich und Schreibers Neffe zeigt
schon bessere Tendenzen, während Anderes noch gar viel zu wünschen
übrig lässt. Die Erzeugnisse von F. Moser in Karlsbad sind ihrer Mehr -
zahl nach, obwohl einer andern, aber doch verwandten Gattung ange -
hörig und ein ähnliches Beispiel, wie wenig eine blos manuell tüchtige
Ausführung den Mangel einer nach bewussten künstlerischen Grundsätzen
durchgebildeten Conception zu ersetzen vermag. Diese Gefässe mit den
ganz unmotivirt angebrachten Intaglio’s, styllosen Darstellungen von aller -
hand Landschaften und Figuren, zeigen jetzt nur, wieviel geleisten werden
könnte, wenn die Erfindung auf der Höhe der Ausführung stünde!
Beinahe ganz dasselbe gilt von den farbigen Vasen und Ziergefässen mit
eingeschliffenen Darstellungen, die Clemens Rasch ausgestellt hat.
Ohne alle Rücksicht auf die räumliche Anordnung auf die Flächen
der Geräthe, die sie zu bedecken bestimmt sind, componirt — wenn man
überhaupt dieses Wort auf derartige Anhäufung von Bäumen, Thier- und
Menschengestalten anwenden kann — ohne Rücksicht selbst auch nur
auf die einfachsten Gesetze der Zierkunst angeordnet, lassen diese Ar -
beiten all’ die Müh,e und Sorgfalt nur bedauern, die an sie verschwendet
wurde! Von einiger Entfernung gesehen, macht das Ganze — da die
Darstellungen hell auf dem färbigen Glas eingeschnitten sind — bei seiner
totalen Regellosigkeit nur den Eindruck einiger verstreuter bunter Farben -
flecken.
Es ist höchste Zeit, dass die Glasindustriellen zur Einsicht der ab-
72
soluten und principiellen Verwerflichkeit solcher Fabricate gelangen —
der sich täglich verfeinernde Kunstgeschmack unseres Publikums dürfte
sie sonst allzubald überholen. Dass aber schon eine bessere Einsicht, wenn
auch langsam, sich Bahn zu brechen beginnt, beweisen manche Arbeiten
die wir unmittelbar neben den beschriebenen als Erzeugnisse ein und der -
selben Firma ausgestellt finden. So hat Clemens Rasch einige fein
dessinirte Glaspocale exponirt, in deren Form und Ornamentation wir
einen sichtbaren Fortschritt zu geläuterteren Tendenzen mit Vergnügen
constatiren.
Aehnliches gilt von einigen von Aug. Hegen bart’s Erben ausge -
stellten Objecten.
Wenden wir uns nun zu jenen Gattungen Glasarbeiten, die ihre
Vollendung schon durch die blossen Feuerproceduren ohne oder mit nur
sehr geringer nachträglicher Bearbeitung erfahren, so sehen wir hier,
trotzdem diese Zweige, wenigstens soweit sie zur Kunstindustrie zu
rechnen sind, in Böhmen verhältnissmässig weniger cultivirt werden, doch
Beachtenswerthes geleistet. Namentlich Lobmeyr hat einige Suiten von
Gefässen ausgestellt, die zeigen, wie echter Kunstwerth einem Geräthe bei
der grössten Einfachheit schon durch ein gut aufgebautes Formschema
ertheilt werden kann. Auch bei H. Ullrich treffen wir theilweise auf
ein verwandtes Streben, einfache und daher billige Waaren, die aber doch
bessern Ansprüchen genügen können, zu erzeugen —■ ein Streben, das wir
überall mit Freuden begrüssen.
Sehr ansprechende und gefällige Effecte haben die beiden zuletzt
genannten Firmen bei manchen ihrer Erzeugnisse durch das Anbringen
eines schmalen farbigen Streifens oder Fadens hervorzurufen gewusst,
hingegen können wir uns mit den emaillirten, Monogramme oder Wappen
tragenden Schildchen auf hellem Glase weniger befreunden.
Das in neuerer Zeit vielfach in Aufnahme gekommene Aetzen des
Glases gibt ein vortreffliches Mittel an die Hand, frei und leicht gezeich -
nete Verzierungen auf Glas anzubringen, und da es bei diesem Verfahren
keiner energischen mechanischen Einwirkung bedarf, so gestattet es die
Ornamentirung selbst des zartesten Schmelzglases. Die Alt-Venetianer
babrication hat sich vielfach des in stylistischer Beziehung hiermit ver -
wandten Ein ritze ns der Ornamente vermittelst eines Diamants bedient.
Bei J. Schreiber’s Neffen sehen wir eine hübsch ausgestattete Lampen -
kugel in der vorerwähnten Weise geziert.
Wie schon eingangs bemerkt, sind die gefärbten und opaken Gläser
und besonders die letzteren auf der Ausstellung verhältnissmässig sehr
reich vertreten. Unter den gefärbten wird namentlich ein Genre viel
tabricirt, das seine Modelle in Form und Decoration den deutschen Glas -
arbeiten des 16. und 17. Jahrhunderts entlehnt; wir meinen die grünen,
mit farbigen Emailen gezierten Gläser. Lobmeyr und H. Ullrich haben
davon ziemlich viel und decorativ recht Wirksames zur Anschauung ge-
7 3
bracht. Man sollte nur vermeiden, die Farbe des Glases tiefgrün zu
machen, weil dies die malerische Wirkung insofern beeinträchtigt, als das
Ganze einen schweren Grundton erhält’, von dem sich die bunten Male -
reien dann allzuhart abheben. Bei den alten Originalen ist das grüne Co-
lorit zumeist nicht eigentlich beabsichtigte Färbung, sondern es ergab
sich von selbst aus der nur sehr geringen Reinheit der Masse, daher es
auch nie sehr energisch ist. In der Exposition Lobmeyr’s finden wir
auch venetianische Decorationsweisen des i5. Jahrhunderts und alt-orien -
talische Motive zum Theile recht glücklich verwerthet.
Bei den Überfangenen und opaken Gläsern treten die in den andern
Zweigen der Glasindustrie sich schon entschieden Bahn brechenden künst -
lerischen Reformbestrebungen bisher leider noch wenig hervor. Es sind,
mit nur geringen Ausnahmen immer dieselben styllosen naturalistischen
Malereien von Blumen, Landschaften und Figuren, denen wir hier be -
gegnen, Malereien und Vergoldungen, die vollständig willkürlich, plan-
und ziellos den Vasen und Geräthen angeheftet sind, dann immer noch
dieselben entweder schwächlich verblasenen oder harten und absoluten,
immer aber unerfreulichen und jedes gebildete Auge oft geradezu belei -
digenden Farben, gegen die der bessere Kunstgeschmack immer lauter zu
protestiren beginnt. Die Sucht nach »Nou'veautes«, in denen eine Fabrik
die andere überbieten wollte, und der Umstand, dass bei Hervorbringung
dieser zumeist dem Chemiker und künstlerisch ungebildeten Technologen
das erste Wort gelassen wurde, hat hauptsächlich zur künstlerischen De-
cadenz beigetragen, wenn auch vielleicht das commercielle Moment dabei
vorläufig nicht zu Schaden kam, — wir sagen vorläufig, denn wenn
irgendwo, so dürften gar bald die Industriellen eindringlich gemahnt wer -
den, dass die Zeit der Umkehr vor der Thüre steht! Und doch ist auch
für das opake Glas das Auflinden von echt künstlerischen Lösungen nicht
übermässig schwierig; eine Menge Analogien gibt es dafür, die sich leicht
entsprechend verwerthen lassen, wenn man nur mit gehöriger Berück -
sichtigung sowohl der Eigenthümlichkeiten des Originals als auch der
nothwendigen Umgestaltung dieser Eigenthümlichkeiten verfährt. So bieten
für das dunkle mehrfärbig Überfangene Glas die aufeinander gelagerten
Schichten einer Pietra dura-Camee Beziehungen dar, die wir in Werken
des Alterthums mehrfach aufgefasst finden (die berühmte Portlandvase etc.);
so liesse sich der Charakter mancher alter und orientalischer Arbeiten mit
gewissen Modificationen dem opaken Glase ertheilen etc. In dieser Hin -
sicht ist eine von Lobmeyr ausgestellte Suite von Gefässen, welche die
Bleu du Roy-Porcellane von Sevres imitiren, vorzugsweise bemerkens-
werth. Am wenigsten aber sollte man hier wie überall der Natur und in-
nern Wesenheit des Materiales gänzlich fremde oder gar gerade seine vor -
züglichsten Eigenschaften direct aufhebende Mittel in Anwendung bringen.
Dahin rechnen wir z. B. den Versuch einer Marmor - Nachahmung (!) in
Glas; das Mattmachen der ganzen Oberfläche, wodurch diese aus ihrer
74
Indifferenz gegen äussere Einflüsse, gegen Schmutz und Staub heraus -
gerissen und eines ihrer grössten Vorzüge verlustig wird, und Aehnliches
mehr. Bei allem dem ist aber nicht zu übersehen, dass man dem Fabri -
kanten nicht allein alle Vorwürfe aufladen kann; der Mangel an genügend
geschulten, ihre Aufgabe klar erkennenden Künstlern und Zeichnern mag
oft der Verwirklichung der besten Intentionen die unüberwindlichsten
Hindernisse in den Weg legen, und dass den zugeschärften Anforderungen
der Gegenwart gegenüber eine allgemeine Kunstbildung an sich nicht
genügt, in einzelnen Fächern des Kunstgewerbes mit Erfolg zu wirken,
sondern dass gerade hier, bei der nothwendig vorauszusetzenden Bekannt -
schaft mit den Bedingungen der praktischen Herstellung, die Ausbildung
der Specialistik unerlässlich nöthig wird, davon liefert die Ausstellung
mehr als ein Beispiel. So hat, um bei unserem Gegenstände zu bleiben,
ein sonst tüchtiger Maler, Isella, für die Firma H. Ullrich Zeichnun -
gen zu Glasgefässen gefertigt, die wir trotz mancher achtungswerthen
Details in ihrer Gesammtheit doch nur als verfehlt — in Form, Farbe und
Decorationsweise — bezeichnen müssen.
Glaslustres und Candelaber. Zweierlei Arten der Verwendung
des Glases bei diesen Geräthen kommen hier in Betracht, je nachdem das
Glas entweder selbst eine (wenigstens doch scheinbar) constructive Rolle
spielt, wie bei den Venetianer Glaslustres des 17. und 18. Jahrhunderts,
oder ob es blos als Decorationsmittel einer Metallconstruction erscheint.
Die grössere Mehrzahl der Lustres, die sich auf der Ausstellung befanden
und die beinahe lediglich von den Firmen Lobmeyr und Meyer’s Neffe
exponirt waren, gehörten dem zweitgenannten Genre an. Der metallische
Körper ist dabei gewöhnlich vergoldete Bronze, montirt mit Prismen
u. dgl., darunter viel Gelungenes, was um so mehr anzuerkennen ist, als
bekanntlich gerade das Zusammenbauen eines Lustres keine leichte Sache
ist, indem sowohl die enorme Verkürzung, in der die einzelnen Theile
gewöhnlich gesehen werden, als auch die Gliederung der ganzen Masse,
in der ein geschlossenes Zusammenhalten und doch ein freies und leichtes
Schweben zum Ausdruck kommen soll, in Betracht gezogen werden muss.
Dass auch die Verbindung von Glas und Metall eine künstlerisch schwie -
rige Aufgabe ist, ist ebenfalls einleuchtend. Neben den Lustres zeigen
sie aber auch einige Candelaber von Lobmeyr ziemlich glücklich gelöst.
Die Gaslustres im Style der Alt-Venetianer Fabrication, mit reich
gewundenen Armen, üppig hervorspriessendem Blätterwerk, Blumen und
Perlen werden gegenwärtig in Böhmen in höchst vortrefflicher Weise
imitirt (ebenfalls von Lobmeyr und Meyer’s Neffen ausgestellt), nur
würden wir warnen, dabei, über den Formenreichthum hinausgehend,
eine besondere Farbenwirkung, die beim Glase ohnehin allzuleicht bunt
und hart wird, anzustreben, denn gerade die Immaterialität des Colorits
derartiger Lustre aus farblosem Glase hat einen eigenthümlichen Reiz,
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indem sie die Vorstellung eines schwebenden Geräthes wesentlich
unterstützt.
Einige Lustre der Firma H. Ullrich zeigen theilweise verwandte
Tendenzen wie die eben erwähnten, während ihre Composition und ihr
Aufbau jedoch nicht in ganz gleichem Masse zu befriedigen vermögen.
Als vollständig misslungen müssen wir ein Exemplar aus mattem Glase
mit naturalistischen Blumenmalereien bezeichnen.
Wenn wir nun zum Schlüsse, den momentanen Stand der künst -
lerischen Bestrebungen auf dem Gebiete der Glasmanufactur in kurzen
Worten charakterisirend, gleichsam das Facit unserer Betrachtung ziehen,
so können wir sagen, dass Manches, was zur Hebung der künstlerischen
Seite dieser Industrie geschehen ist, sichtbare Resultate, ja bereits sogar
einzelne wahrhaft mustergiltige Leistungen hervorbringen geholfen hat,
dass überhaupt der Anfang, der erste also auch der schwierigste Schritt
auf dem Wege des Vorwärtsstrebens vielfach schon gemacht erscheint,
dass jedoch die grosse Masse der Production noch höchst energischer,
unausgesetzter Beeinflussung und Leitung dringend bedarf, bis auch sie
sich durchaus und mit Entschiedenheit den künstlerischen Reformen an -
geschlossen haben wird, jenen Reformen, die als nothwendig nun schon
bald allerwegen nicht blos erkannt, sondern auch praktisch bethätigt
werden. L.
XVI.
Porcellan.
(Allgemeine Bemerkungen. — Haas & Czizek. — M. v. Fischer in Herend. — F'ischer
& Mieg. — Wahlis. — Jäckel. — Zasche.)
Das europäische Porcellan hat das Unglück gehabt, ein junges Kunst -
material zu sein und erst geboren zu werden, als die Kunst alle glän -
zenden und echten Perioden hinter sich hatte und auf dem Gipfel des
Verfalles stand, in der Zeit des Rococo nämlich. Allerdings hat es in
den chinesischen und japanischen Arbeiten Vorbilder von sehr altem Datum
und es hat auch diese Vorbilder reichlich und ehrlich benützt. Wenn wir
nun auch nichts weniger als in Abrede stellen wollen, dass diese asiati -
schen Arbeiten ein künstlerisch bedeutendes und des .Studiums würdiges
Interesse bieten, noch dass sie vortreffliche Eigenschaften besitzen, nicht
blos technisch, sondern auch nach der malerischen und formellen Seite,
so müssen wir von ihnen als Vorbildern doch immer nur mit der
äussersten Kritik Gebrauch machen und müssen sie zuerst und vor allem
ihres bizarren Charakters entkleiden, um sie für uns heute kunstgerecht
zu machen.
Für den Anfang konnte das neuerfundene europäische Porcellan
auch nicht viel besseres thun, als sich an diese Vorbilder zu halten, mit
denen es ohnehin, da sie damals bei der eleganten Welt in Mode standen,
y6
den Zeitgeschmack traf, und es hat dies in den ersten Jahrzehnten seiner
Existenz fast einzig gethan. Alsdann aber stürzte es sich mit vollem Be -
hagen, als ob es seinen rechten Weg, sein Fahrwasser gefunden hätte, in
den Geist, den Styl und die Formen des Rococo und zwar so, dass man
selbst die ebenso kühne wie unhistorische Behauptung hat aufstellen
können: das Porcellan habe das Rococo geschaffen. Man stellte, die Be -
deutung des Porcellans schon an sich weitaus überschätzend, diese Behaup -
tung auf, ungeachtet das Rococo in Geist und Form mindestens drei
Jahrzehnte fertig war, ehe das Porcellan, das sich während dieser Zeit
mit der Imitation der asiatischen Arbeiten begnügt hatte, zu seiner
eigentlichen Entfaltung kam. Seitdem, um die Mitte des achtzehnten
Jahrhunderts, hat sich allerdings das Porcellan, so zu sagen, seinen
eigenen Rococostyl geschaffen, der um einer gewissen Lebendigkeit und
Naivetät willen, womit er die ornamentalen Kunstformen der Zeit sich
assimilirt hat und womit er sich im capriziösen, spielenden Geiste der
Zeit bewegt, seine eigentümlichen Reize hat.
Damit ist aber keineswegs gesagt, dass dieser Rococostyl des Por -
cellans auch der Styl des Porcellans ist, d. h. die formelle und orna -
mentale Ausdrucksweise, welche den Eigenschaften des Materials und der
feststehenden Bestimmung der Gegenstände einzig oder nur vorzugsweise
entspricht. Allerdings haben die grossen Porcellanfabriken in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts zahlreiche Gegenstände geschaffen, die,
obwohl heute unendlich überschätzt, doch viel Reiz an sich besitzen und
jedenfalls allem vorzuziehen sind, was in den letzten fünfzig Jahren von
der europäischen Porcellanfabrication geschaffen worden ist. Nichts desto-
weniger wäre es schlimm, wenn irgend ein Material, irgend ein Gefäss
oder sonstiges Geräth durch seine inneren Eigenschaften mit Nothwendig-
keit an die Formen des Rococo gebunden wäre, was auch in keiner
Weise der Fall ist. Diese willkürlichen, von der Symmetrie und aller
Gesetzmässigkeit abweichenden Formen haben immer nur einen bedingten
Werth, und wir können, soweit sie Werth und Geltung haben, wohl an
ihnen Vergnügen finden und wir mögen manche Lehre, manches Motiv
ihnen entnehmen, niemals aber können wir sie als unbedingtes Muster
für eine Reform des Geschmacks, auch nicht in Bezug auf das Porcellan,
aufstellen. Wir dürfen den Reiz und die Gefälligkeit dieser Gegenstände
nicht mit Schönheit verwechseln. Wirkliche Schönheit besteht nur in
Verbindung mit der Gesetzmässigkeit, und so müssen wir auch an dieser
in Bezug auf das Porcellan festhalten, wie immer wir sonst auch die ge -
stellten Aufgaben zu losen gedenken. Ob wir uns nun an die chinesisch -
japanischen oder an die Rococoformen halten, immer müssen wir sie
ihres bizarren oder capriziösen Charakters zu entkleiden, trachten voraus -
gesetzt, dass wir es mit einer Reform zu thun haben und uns nicht da -
mit begnügen, unter den obwaltenden Umständen relativ Gutes zu
schaffen.
TL
Die Zeit Ludwig XVI. und des Empire hat es versucht, die Por-
cellangefässe in strengeren Formen auszubilden, allein keineswegs mit
grossem Glück. Sie copirte entweder direct antike Gefässformen und
benützte sie verkleinert zu gänzlich anderer Anwendung — und dies ist
der seltenere Fall — wobei sich dann der Eindruck einer künstlichen
Uebertragung und einer gewaltsamen Anpassung des Fremdartigen nicht
vermeiden liess, oder sie versteifte die aus dem Chinesischen überkom -
menen und durch das Rococo hindurchgegangenen Formen, indem sie
dieselben der geraden Linie als Contour unterwarf, in allzuarger Weise.
Dagegen war diese Zeit entschieden glücklicher in der Ausbildung der
malerischen Seite, womit wir allerdings nicht die zahlreich vorkommenden
Porcellangemälde oder die Gemälde auf Tellern im Auge haben, sondern
die rein ornamentale Seite, insbesondere die Randverzierung, die es zu
den reizendsten Effecten gebracht hat. Da diese Art Ornamentation, in
welcher wir der Fabrik von Wien in den Jahren von 1790—1810 den
ersten Preis zuerkennen müssen, Glanz, Feinheit, Zartheit, Eleganz und
farbigen Reiz vereinigt, so ist sie auch dem Material, dessen Eigenschaften
in Feinheit, Glanz und Glätte bestehen, ganz angemessen, ohne dass wir
damit sagen wollen, dass sie die einzig berechtigte sei. Jedenfalls ist das
eine Weise, an die sich für uns anknüpfen lässt, zumal da die nachfol -
gende Zeit, die Wiederaufnahme des Rococo, der Blumennaturalismus,
die schwere stumpfe, undurchsichtige Farbendecoration, nur solche künstle -
rischen Seiten darbietet, von denen wir uns eben freihalten oder befreien
müssen. Die jüngsten Reformen auf diesem Gebiete, wie sie zunächst in
England versucht worden sind, haben in der That auch diesen Weg ein -
geschlagen und halten sich ganz im Geiste der malerischen Porcellan-
decoration aus dem Ausgange des achtzehnten und dem Anfänge jdes
neunzehnten Jahrhunderts. Nur muss allerdings für die Bildung der
Gefässe ein lebendigeres, frischeres, aber zugleich feineres Formengefühl
hinzutreten, ein Gefühl, das sich gleich fern hält von der ungerechtfer -
tigten oder mechanischen Uebertragung antiker Formen für einen den
Alten ganz unbekannten Gebrauch, wie von der Willkür des Rococo und
den Bizarrerien oder Monstrositäten des chinesischen Zopfes.
Treten wir mit diesen leitenden Gesichtspunkten an die Porcellan-
gegenstände heran, wie wir sie auf unserer Ausstellung sehen, so sind
es insbesondere zwei Firmen, welche unsere Aufmerksamkeit erregen, die
von Haas & Czizek in Schlaggenwald und die von M. Fischer in
Herend. Die erstere hat darnach mit Entschiedenheit den Weg betreten,
den wir angedeutet haben, wenn sie auch keineswegs dem Umfange der
Formen und der Mannigfaltigkeit der Decorationsweisen nach dasjenige
erschöpft, was auf diesem Wege der modernen Reform liegt. Dafür ist
der Charakter ihrer Werke ein durchaus harmonischer und soweit gleich -
förmig im Werth, dass nichts den Totaleindruck stört. Die zum Theil
sehr gelungenen Ornamente schliessen sich an die Alt-Wiener Weise der
78
erwähnten Periode an, ohne aber auf ihre Uebertreibungen, insbesondere
die Tellergemälde einzugehen. Sie halten sich mit vollem Recht an die
ornamentale Seite und betonen vor allen die Randverzierung. In dieser
Beziehung müssen wir das vom Architekten Alois Hauser gezeichnete
Tafelservice, das mit seiner Ornamentation reizende Effecte darbietet,
besonders hervorheben, dasselbe macht sich aber auch dadurch bemerk-
lich, dass es eine gewisse Schönheit und Reinheit der Gefässformen an -
strebt, bei denen der Boden des Gegebenen und Vorhandenen nicht
verlassen wird und bei denen mehr das Formgefühl, als die Form selbst
an die Antike anklingt. Der Vorgang ist sehr beachtenswerth, ohne dass
wir diese Lösung damit, als die allein richtige bezeichnen wollen.
Fischer von Herend hat einen anderen Weg eingeschlagen, oder
vielmehr er ist dem Wege treu geblieben, auf welchem er sich bisher
schon Jahrzehnte lang allein dem Strome des Ungeschmacks entgegenge -
stellt hat. Damals, als er begann oder seine Anstalt zu einer Kunstanstalt
erhob, hatte er nur die Wahl, entweder der schlechten Mode zu folgen
oder sich an die besten vorhandenen Muster aus der Kunstgeschichte des
Porcellans zu halten. Auf diesem Wege ist es dahin gekommen, die
verschiedensten und berühmtesten Arten des asiatischen wie des europäi -
schen Porcellans, von letzterem insbesondere diejenigen der Rococozeit,
auf das vollkommenste zu imitiren und durch die Ausbildung einiger
Specialitäten ein eigenes Genre zu gründen und selber eine Specialität in
der Geschichte des Porcellans zu werden. Dass er auch auf unserer Aus -
stellung dieser seiner nunmehr bekannten und anerkannten Weise treu
geblieben ist, indem seine Collection uns eine Blüthenlese aus der Ge -
schichte des Porcellans vorführt, ist umsomehr anzuerkennen, als einer -
seits die Arbeiten ihre künstlerischen Reize und Vorzüge besitzen, an -
dererseits die Lage der Fabrik, abseits und ohne Verbindung mit einem
Mittelpunkt der Kunst und seiner Hilfsmittel eine gewagte Reform im
modernen Sinne keineswegs begünstigt.
Viele Gegenstände der Collection von Fischer theilen mit dem
orientalischen und dem älteren europäischen Porcellan eine Eigenschaft,
welche von grosser künstlerischer Bedeutung ist und doch von unserem
Porcellan schon seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts oder eigentlich
schon von Anfang an absichtlich gemieden wurde. Das chinesich-japanische
Porcellan ist durchweg in der Masse farbig, d. h. es hat einen Ton, der
entweder grünlich, bläulich oder seladonartig ist und sich der Oberfläche
mittheilt. Dieser Ton verbindet die bunten Farben der Decoration zu
einer gemeinsamen Haltung und gibt eine Harmonie ähnlich derjenigen
auf Gemälden, von denen man sagt, dass sie »Ton« haben, eine Eigen -
schaft, die im Grunde jedem Bilde nothwendig ist. Man sieht also, dieser
farbige Ton des Porcellans ist ein Vorzug und kein Fehler, und es ge -
schah daher sehr zum eigenen Nachtheil, wenn die europäische Porcellan-
Fabrication fort und fort bemüht war, eine möglichst farblos weisse Masse
79
herzustellen, was ihr auch gelungen ist. Jemehr ihr das aber gelungen,
je schwieriger ist es ihr, die Härte der bunten Decoration, welche das
moderne Porcellan kennzeichnet, zu überwinden. Nur die weiche Masse
von Sevres, wie sie im vorigen Jahrhundert in Gebrauch war und das
glasige Porcellan von England haben einen zarten cremeartigen gelben
Ton bewahrt und das ist eine der Ursachen, warum die Malereien auf
diesen Gefässen viel mehr Reiz, Schmelz und Harmonie haben, als die auf
dem weissen und harten deutschen Porcellan, das als Masse sonst dem fran -
zösischen und englischen vorzuziehen ist.
Dieser gelbliche Ton kommt auch dem heutigen englischen Porcellan
zugute, im Uebrigen aber haben die modernsten Arbeiten, so vielfach sie
sich auch auf den Weg der Reform begeben haben, doch an der farb -
losen Weise festgehalten. Es muss aber hierin eine Reform eintreten und
das Porcellan muss seine starre Weise aufgeben und sich wieder in der
Masse färben, so gelind auch der Ton sein mag, den er annimmt. Es
wird das auch nicht ausbleiben.
Wenn wir oben die malerische Decoration des Wiener Porcellans
aus seiner Glanzepoche von 1790—1810 besonders als der Beachtung für
eine Reform würdig hervorgehoben haben, so haben wir damit allerdings
nicht blosse Copien gemeint, wie sie von Jäckel ausgeführt und aus -
gestellt sind, zumal solche nicht, welche das ganze Innere der Teller mit
Bildern erfüllen. Solche Copien haben nur darin Werth, dass sie jüngere
Künstler in Technik und Mahveise (erstere zumal hat manches Eigen-
thümliche) einüben. Das Interesse, welches sie sonst erwecken, ist ein
sehr bedenkliches, da sie leicht zum Missbrauch verleiten, und das um -
somehr, als mitunter wirklich echte w'eisse Wiener Teller mit der echten
Marke zu diesen Copien benützt werden. Da ist für denjenigen, der
nicht aus der geringeren Güte der Malerei zu schliessen vermag, das
Richtige schwer zu erkennen. Es gibt aber zwei Anhaltspunkte, welche
eine solche Copie leicht aufdecken: einmal sind die Copien durchweg auf
schlechterem Material als dasjenige, welches die Fabrik zu so exquisiten
Malereien zu benützen pflegte, und zum andern stimmen die eingedrückten
Jahreszahlen, wie sie alles Geschirr der Wiener Fabrik seit etwas vor
1790 trägt,'selten mit dem Styl der Malerei.
Einige Anklänge und Motive der Wiener Fabrik aus jener erwähnten
Periode, z. B. die Decoration mit erhabenem Golde, finden wir auch in
der gemeinsam ausgestellten Collection der Fabrik von Fischer & Mieg,
sowie von Wahlis. Im Uebrigen steht die ganze Collection so ziemlich
auf dem Standpunkt des europäischen Porcellans, bevor die moderne
Reform desselben begann. Die verschiedenen Motive sind daher auch
vielmehr französischer dann englischer Art und lassen einen bestimmt
ausgesprochenen Charakter, der uns zu besonderen Bemerkungen veran-
lasste, vermissen. Wir können uns daher dieser Collection gegenüber
mit den allgemeinen, in der Einleitung ausgesprochenen Bemerkungen
8o
begnügen. Es ist eine Ausstellung von Currentwaare, die der Mode folgt,
und in dieser Beziehung hat sie freilich auch ihr Interesse.
Ein paar grosse Gefässe mit Genregemälden scheinen davon eine
Ausnahme zu machen, aber die Ausnahme ist nur eine scheinbare, denn
eben solche Gemälde auf Porcellan, zumal auf Gefässe, sind Sache der
Mode und zwar einer Mode, die im Aussterben begriffen ist. Es hat
darum auch die Ausstellung des Porcellanmalers Zasche, so vortrefflich
die Arbeiten sind, doch nur ein relatives Interesse. Porcellangefässe sind in
der Ordnung und eine farbige Decoration ebenfalls. Wenn sich die
Malerei auf Porcellan aber vom Gefässe loslöset und zu einer selbststän -
digen Kunst sich erheben will, so beurtheilen wir sie auch vom absoluten
Standpunkt, und das »Porcellanartige« dieser Malerei, das in der übrigen
Kunst als unangenehme Eigenschaft berüchtigt geworden ist, kommt auf
dem eingerahmten Porcellanbilde zur gleichen Geltung. Die Porcellan-
gemälde sind auch in einer Zeit und unter einem Geschmacke entstanden,
wo man einen solchen Charakter des Malers liebte. Heute, da man jeder
Kunst in ihrer eigenen Weise gerecht werden will, kommt man mehr
und mehr davon zurück, gibt das selbstständige Porcellangemälde, das
allenfalls als Uebung für den Schüler noch Geltung haben mag, langsam
auf und legt allen künstlerischen Nachdruck auf Bildung und Decoration
des Gefässes. Und das dürfte wohl so in der Ordnung sein.
F.
XVII.
Thonindustrie.
(Brausewetter. — Die Inzersdorfer Ziegeleigesellschaft. — De Cente in Wiener-Neustadt.
— Znaimer und Gmundener Fayencen: Slowak, Klammerth, Schleiss.)
Wenn von den unerschöpflichen Hilfsquellen Oesterreichs die Rede
ist, und man dabei vorzugsweise auf die im Schoosse der Muttererde
ruhenden Bodenproducte denkt, so hat man gewiss Recht von der Uner-
schöpflichkeit der Thonlager in Oesterreich zu sprechen. Speciell in der
nächsten Nähe Wiens liegen ungeheure Thonlager, von Mödling ange -
fangen bis an die ungarische Grenze, vortrefflich in ihrer Qualität, uner -
schöpflich in ihrer Masse. Seit Jahrhunderten sind sie benützt worden,
die Riesenstadt Wien wurde damit aufgebaut und die Thonlager zeigen
noch immer eine kolossale Mächtigkeit. Die berühmten D rasch e’schen
Ziegeleien zu Inzersdorf liefern jährlich Millionen von Ziegeln. Solange
sie im Besitze des Herrn Heinrich Dräsche gewesen sind, wurden diese
Ziegellager nach Nützlichkeitsrücksichten vortrefflich ausgebeutet; was von
Kunstsachen dort gemacht wurde, ging nicht über das Mass einer Mittel-
waare hinaus. Kaum Ein Stück ist gemacht worden, das der Mühe werth
wäre, es in ein Museum zu stellen. In der figuralischen Thonplastik ist blos
Handwerksmässiges gearbeitet worden. Und gerade diese Plastik verlangt
8i
Künstler von Geist, nicht blos Routinieurs, welche ihre Kunstfertigkeit
den Capitalisten und Architekten zu x beliebigen Zwecken zur Verfügung
stellen. Wirklichen Kunstfreunden imponirt daher gar nicht die Anwendung
dieser figuralischen Plastik auf öffentlichen monumentalen Gebäuden; die
Terracotta-Figuren an der Facade und am Giebel des neuen Musik-Con-
servatoriums zeigen uns ganz deutlich, wie wirkungslos sie sind.
Jetzt sind diese Inzersberger Ziegeleien in die Hände einer Actien-
Gesellschaft übergegangen, und in mehr als einer Beziehung ist diese
neue Actien-Gesellschaft bemüht, diese werthvollen Thonlager rationeller
und künstlerischer auszubeuten. Der technische Betrieb derselben berührt
diesen Bericht wenig; von dem kunstgewerblichen sind in der Museums-Aus -
stellung einige hübsche Proben zu finden. Und da es zum ersten Male ist,
dass diese Gesellschaft mit neuen Richtungen vor das Publicum tritt, so
haben wir alle Ursache, diesen ihren Bestrebungen volle Aufmerksamkeit zu
schenken und ihre Leistungen mit Wohlwollen zu beurtheilen. Zu diesen
ausgestellten Producten der Inzersberger Ziegelei-Gesellschaft gehört ein
kleiner von dem Architekten Teirich entworfener Brunnen in Renais -
sancestyl und dann die von Ko sch auf Terracotta und anderen gebrannten
Thongattungen emaillirten Bauornamente, die an einem anderen Orte aus -
führlicher gewürdigt, wohl zu den glänzendsten und interessantesten ge -
hören, was die moderne Wiener Kunsttechnik geleistet hat. Wie man
hört, beschäftigt sich die Ziegelei-Actien-Gesellschaft auch mit der Idee
der Fabrication von emaillirten Oefen und Kaminen. Gelingt es ihr auf
diesem Gebiete geschmackvolle und zweckmässige Producte herzustellen,
so wird sie sich gewiss ein neues Verdienst um Förderung der österreichi -
schen Industrie erworben haben. Das Meiste, was auf diesem Gebiete
gemacht wird, entspricht höheren Anforderungen nicht. Jedenfalls müssen
wir hoffen, dass diese Gesellschaft das Genre der emaillirten, Thonwaaren,
nachdem die ersten Versuche so glücklich ausgefallen sind , weiter culti-
viren wird.
Herr De Cente in Wiener-Neustadt hat relativ wenig ausgestellt.
Einen guten unglasirten Salonofen, einige Vasen in holländischer Art und
einige Gruppen, ausgeführt nach den Formen der ehemaligen k. k. Wiener
Porcellanfabrik; Objecte, die an und für sich sehr gut sind, aber doch
nicht hinreichend genug, um den Umfang der Thonwaarenfabrik De
Cente’s in Wiener-Neustadt zu repräsentiren.
Umfassender hat Herrn Victor Brausewetter’s k. k. priv. Terracot-
ten- und Thonwaarenfabrik in Wagram bei Leobersdorf ausgestellt. Es
sind vorzugsweise Bauornamente, einige darunter glasirt, die zur Ausstel -
lung kamen, und dann einige figuralische, berechnet zum Gebrauche für
kleine Kirchen, für Gärten, Stiegenhäuser u. s. f. Alles, was zur Aus -
stellung kam, zeugt von einer verständigen Leitung der Fabrik und wird
insbesondere seiner guten Ausführung wegen von Fachmännern rühmlichst
anerkannt.
6
82
Am meisten Aufsehen haben aber auf der Ausstellung die Thon-
waarenfabrikanten aus Znaim mit ihren Geschirren und Fayencen gemacht.
Bekanntermassen gehören die Thonlager in der Umgebung von Znaim
zu den besten in der Monarchie, und versorgen seit längerer Zeit schon
einen grossen Theil des Österreichischen und ausserösterreichischen Ge -
schirrmarktes mit ihren Producten. Das beste Kochgeschirr, welches
Oesterreich producirt, rührt von Znaim her. Was aber bisher von dort
geliefert wurde, war nur Mittelwaare für den gewöhnlichen Hausgebrauch.
Es wurde weder auf Verbesserung der Form, noch auf die Verschönerung
des Ornamentes ein besonderes Gewicht gelegt.
Es wurde dort auch, insbesondere von den HH. Slowak und Lauer,
eine Art von Bauerngeschirre gemacht, das meist in Oberösterreich seine
Verwendung fand und auf das man sonst kein besonderes Gewicht gelegt.
Erst seitdem vom österreichischen Museum vor zwei Jahren in Znaim eine
keramische Ausstellung gemacht wurde, hat man angefangen, dieser Art
von Geschirrproduction eine grössere Bedeutung beizulegen. Das Vorur-
theil, das man gegen die Haus- und Bauernindustrie hat, fängt nach und
nach an zu verschwinden. Man gewöhnt sich an, dieselbe als eine gesunde
und volksthümliche Basis zu betrachten, auf der man weiter fortarbeiten
kann. Auch unter den Geschirrfabrikanten selbst beginnen edlere Ge -
sichtspunkte Platz zu greifen, und insbesondere zwei unter den Znaimer
Thonwaarenfabrikanten haben auf dieser Ausstellung schöne Erfolge er -
rungen, die Herren Franz Slowak und Alois Klammerth. Der Beifall,
welchen ihre Waaren gefunden haben, wird für beide eine Aufforderung
sein, diese Vortheile weiter zu verfolgen und die Stimmung des Publicums
dauernd zu erhalten.
Will die Znaimer Thonwaarenfabrication ihre Position behaupten, so
muss sie ernsthaft bemüht sein, allen Anforderungen gerecht zu werden,
welche man in Beziehung auf Form und in Beziehung auf Ornamentik
stellen muss. Vor Allem wird es nothwendig sein, dass die Znaimer Com -
mune dem Zeichen-Unterrichte in den Volksschulen eine besondere Auf -
merksamkeit schenkt, damit die Arbeiter etwas besser vorgebildet zu den
Fabrikanten kommen, als es bisher der Fall ist. In dem Volksschulgesetze
ist zwar ohnedem der Zeichen-Unterricht als obligater Gegenstand vor -
geschrieben, aber wie es scheint, existirt, wie anderwärts, so auch in
Znaim diese Verordnung mehr auf dem Papiere, als in der Wirklichkeit.
Wie die österreichischen Juristen der alten guten Zeit zu sagen pflegten,
dass die Verordnungen da sind, um umgangen zu werden, so gibt es jetzt
in der bösen neuen Zeit Landes- und Communal-Pädagogen, die, insbe-
sonders, wenn es sich um den Zeichenunterricht handelt, von der Ansicht
auszugehen scheinen, die Verordnungen im Volksschulwesen seien dazu
da, um sachte bei Seite geschoben zu werden. Zu unserem Vergnügen
hören wir, dass in diesem Momente die Znaimer Commune ernstliche
83
Schritte thut, eine Gewerbezeichenschule, mit besonderer Rücksicht auf
die Thonindustrie, in das Leben zu rufen.
Dann ist es für Znaim auch nöthig, die keramischen Ausstellungen
jährlich zu wiederholen; es kann dies um so leichter thun, als es in
dieser Beziehung von Seite des österreichischen Museums auf die liberalste
Unterstützung rechnen kann.
So schön die Znaimer Erfolge an und für sich sind, so können die -
selben doch nur als ein erster Schritt betrachtet werden, um das ganze
Gebiet der Keramik auf dem von der Natur so begünstigten Terraine von
Znaim nach allen Seiten hin weiter auszubilden. Thun dies die Bewohner
Znaims nicht selbst, so können sie sicher sein, dass über kurz oder lang
eine Actien-Gesellschaft sich aller dieser Vortheile bemächtigen wird, die
sie gegenwärtig noch allein in ihren Händen haben.
Herr Schleiss in Gmunden hatte gleichfalls eine nicht unbedeutende
Sammlung von Bauernfayencen ausgestellt, die in ihrer Art ganz gut
sind, aber weder im Materiale noch in der Glasur die Znaimer Thon-
waaren erreicht haben.
Die Fabrik von F rain (bei Znaim) hat gar nichts ausgestellt. Diese
Fabrik befindet sich schon seit Jahrzehenden im halben Verfalle. In den
Sammlungen des österreichischen Museums befinden sich sehr gute Stücke
aus dem Anfänge dieses Jahrhunderts — harte Thonwaaren in der Art
von der Wedgewoodwaare, die ganz gut ist und die heutigen Tages noch
Anwerth finden würde, wenn sie nur etwas rationell betrieben würde.
Auch in Oberösterreich gibt es noch hie und da Töpfer, die mit dem
Glasiren der Thonwaaren ganz gut umgehen können, aber selten Gelegen -
heit finden, aus ihrem Dunkel hervorzutreten. ■ Die böhmischen Thon -
waaren- und Fayence-Fabriken des vorigen Jahrhunderts haben gänzlich
aufgehört. Sie sind durch die in Deutschböhmen aufkommenden Porcellan-
fabriken von dem Markte verdrängt worden
Dass in der Volksindustrie der österreichischen Völker hie und da
noch gut glasirte, mit interessanten Ornamenten versehene Thonwaaren
erzeugt werden, sieht man am besten aus den slavonischen Thongeschir -
ren, die Herr Felix Lay aus Essegg dem Museum zum Geschenke ge -
macht hat. Auch in Wien kommen manchmal gute glasirte Thonöfen,
insbesondere aus der Fabrik des Herrn Bernhard Erndt vor; einer davon
ist in dem vom Atelier SchÖnthaler aufgesfellten Zimmer zu sehen,
sowie mehrere, sowohl weisse als farbige, in den Wohnräumen des Mu -
seums aufgestellt sind. E.
6’
8 4
XVIII.
Das chemische Atelier von Herrn F. Kosch *).
»Meine ßetheiligung an der Musterausstellung österr. Kunstgewerbe
bei der Eröffnung des neuen k. k. Museumsgebäudes reprasentirt einer -
seits meine frühere Thätigkeit als Chemiker der bestandenen k. k. Por-
cellanmanufactur in einer speciellen Erfindung eines lithographischen
Emaildruck-Verfahrens zur Decorirung von Porcellan, Steingut, Glas und
Email, andererseits die Ergebnisse neuer Versuche auf dem Gebiete der
Emailfarbentechnik in ihrer Anwendung auf Terracotta für Zwecke der
Bautechnik.
Bezüglich der Exposition meines lithographischen Gold- und Email -
farbendruckes, wurde dieses specielle Verfahren von mir im Jahre 1857
als Chemiker der k. k. ärarischen Pocellanmanufactur auf Veranlassung
einer grossen Bestellung von Seite des allerhöchsten Hofes, eines Speise-,
Thee- und Caffeeservices für 5oo Personen eingerichtet, in Folge dessen
nicht allein die eben bezeichnete Bestellung nach einem Zeitraum von
zwei Jahren bereits effectuirt werden konnte, sondern weitere Services
in reichster Ausstattung für die kaiserlichen Hoheiten die Herren Erz -
herzoge Leopold und Wilhelm nach Entwürfen des Herrn Architekten
Groner eben auf Basis der bereits vollständigen Einrichtung dieses
lithographischen Druckverfahrens ausgeführt wurden.
Von diesen speciellen Arbeiten befindet sich ein Speiseteller des
Hofservices unter den exponirten Gegenständen (Randverzierung in Gold
mit dem kaiserlichen Adler), — weiters ein Teller (Blätterornamente in
Farbe um ein Ovalschild mit dem Buchstab H in Goldgrund) von einem
Service, welcher mit Benützung der Steine, welche zur Anfertigung des
Services für Se. k. Hoheit den Herrn Erzherzog Wilhelm dienten,
für einen Banquier in New-York als letzte derartige Arbeit vor Auflas -
sung der Anstalt angefertigt wurde. Während des Bestandes des litho -
graphischen Ateliers an der k. k. ärarischen Porcellanmanufactur wurde
ferner dieses Verfahren in grossem Massstabe zur Anfertigung von Wap -
pen und Monogrammen benützt, deren Ausführung durch Handarbeit bei
kurzen Ablieferungsterminen unausführbar gewesen wäre.
Leider hatte der Beschluss der Auflassung der k. k. ärarischen Por -
cellanmanufactur zunächst auch den Verkauf aller Einrichtungsgegenstände
dieses bis dahin bestandenen Ateliers und zwar nach dem Auslande zur
Folge; — nur in besonderer Berücksichtigung der Tragweite meiner
diesbezüglichen Arbeiten in dieser speciellen Kunsttechnik wurde mir
persönlich von Sr. Excellenz dem damaligen k. k. Finanzminister Ritter
*) Von der Direction des Museums aufgefordert, einen Bericht über seine eigene
Ausstellung zu verfassen, hat Herr Chemiker F. Kosch die nachfolgenden Zeilen freund-
lichst eingeschickt, deren Veröffentlichung im Interesse der Leser des Ausstellungsberichtes
sein dürfte.
85
von Plener ausnahmsweise die Bewilligung ertheilt, als Staatsbeamter mein
eigenes Atelier neu gründen zu dürfen, um meine Erfindung auch der
Privatindustrie dienlich zu machen; das Atelier besteht noch gegenwärtig
Liechtensteinstrasse 3i. Weiters erfolgte an mich von England und dem
Rheine her die Aufforderung, mein patentirtes Verfahren dortselbst per -
sönlich einzurichten, welcher Einladung ich in Hanley Staffordshire bei
Livesley Powel & Comp, und im Jahre 1867 bei F. A. Mehlem in Bonn
Folge leistete.
Nach dieser Uebersicht der Geschichte meiner Erfindung glaube ich
weiters die verschiedenen Arten der Anwendungsweise dieses Verfahrens
an den exponirten Gegenständen besprechen zu müssen. In erster Reihe
möge der einfache Golddruck auf lithographischem Wege, welcher sowohl
auf Porcellan, Steingut, als auf Glas in grösster Schärfe und Reinheit er -
scheint, Erwähnung finden, indem nach diesem Verfahren derselbe von
einem Umdrucksteine mit der Walze gedruckt hergestellt wird und dem -
nach dem Drucke von einem gravirten Steine an Reinheit und Schärfe
nicht nachsteht; — indem ferner der Golddruck vom Umdrucksteine be -
werkstelligt wird, ist überdies nicht nur die Vervielfältigung einer gege -
benen Zeichnung eine nahezu unbegrenzte, da der gravirte Stein eben
nur allein zur Erzeugung des Umdrucksteines verwendet wird, sondern
es wird auch dadurch eine gleich starke Goldlage ermöglicht, was auf
die grosse Widerstandsfähigkeit, bezüglich Abnützung derselben beim
Gebrauche, einen wesentlichen Einfluss ausübt, sobald noch ausserdem
die chemische Präparirung des Goldes selbst mit der betreffenden Glasur
bei Porcellan- und Thonwaaren oder der Art der Composition des Glases
in Einklang gebracht wird.
Um auf die in Gold- und Emailfarben bedruckten Ausstellungsobjecte
überzugehen, mag hervorgehoben werden, dass namentlich für das Flach -
ornament, wo bestimmte scharfe Contouren sowie möglichste Gleichheit
der Gold- und Farbenlage wesentlich sind, eben die Art und Weise dieses
lithographischen Verfahrens von besonderer Bedeutung ist, — und dass
daher in dieser Richtung Vorzügliches geleistet werden kann. Viele in
dieser Decorationsweise ausgeführte Gegenstände dürften den Beweis dazu
liefern, wie: ein Blumentopf mit stylisirter farbiger Blumenguirlande, ebenso
eine bedeutendere Anzahl grosser und kleiner Teller; nichtsdestoweniger
macht dieses Verfahren auch die Anwendung von Kreidesteinen möglich,
um nach Art des lithographischen Oelfarbendruckes Decorationen in Email -
farben herzustellen, wie dann eine Pferdegruppe in Golddruck auf einer
Steingutplatte und ein Blumenbecher aus Beinglas mit Rahl’s Amoretten
diese Art der Ausführung repräsentiren.
Eine andere Technik, welcher in neuester Zeit meine Aufmerksamkeit
zugewendet wurde, ist, Aetzung und Gold auf Bein- und Krystallglas,
bei letzterem unter gleichzeitiger Anwendung von Transparentfarben auf
lithographischem Wege herzustellen; diese Decorationsweise anschau-
86
lieh zu machen, bin ich bisher leider nur auf kleine Objecte — an einigen
Stielgläsern und ßeinglasplättchen in der Reihe der Tabletten diverser
Medaillons — beschränkt. Ich hoffe jedoch, dass mir sehr bald Gelegenheit
geboten sein wird, namentlich in Anwendung von Goldcontour-Aetzung
und Transparentfarben ein grösseres Object zur Ausstellung zu bringen,
welches dann einer besonderen Beachtung dieser neuen Art der Decori-
rung des Krystallglases sich wohl erfreuen dürfte.
Ferner mag noch die Anwendung von aufgehöhtem Golde auf Gold -
unterdruck auf Krystallglas Erwähnung finden, in welcher Art der Aus -
führung ein Confectteller hinlänglich Gelegenheit bietet, diese Decorations-
weise zu würdigen.
All’ diese verschiedensten Arten der Technik in diesen speciellen
lithographischen Gold- und Emailfarbendruck-Verfahren, welche sich
bereits als ein wichtiger Factor für Decoration geltend gemacht haben,
können jedoch nur dann ihrem vollen Werthe zugeführt werden, sobald
dieses Verfahren als integrirender Bestandtheil mit einer Fabrik selbst
in Verbindung gebracht wird, wie dies seinerzeit an der k. k. Porcellan-
manufactur der Fall war; — denn wenn man die Verschiedenheit der
Oberfläche, wie Glasuren bei den keramischen Erzeugnissen oder die ver -
schiedenartigsten Glascompositionen, in Betracht zieht, so liegt die Unmög -
lichkeit nahe, Aetzung für Glas sowie Gold und Emailfarben für alle
Fälle anzupassen, um somehr als auch noch die verschiedene Art des Ein -
brennens dabei eine bedeutende Rolle spielt; — ebenso könnte in Ver -
bindung mit einer Fabrik allein die Möglichkeit geboten sein, die theil-
weise Benützung dieses Druckverfahrens in bestimmten Grenzen der An -
wendung bei Decoration eines Gegenstandes auszuüben, und gerade diese
Art der Verwendung wäre von der grössten Bedeutung; — denn wie viel
könnte in der Decoration im Allgemeinen geleistet werden, wenn das
einfache Verständniss Platz greifen würde, nur solche Th eile bei Decori-
rung eines Gegenstandes nach diesem Verfahren anzuwenden, wo es auf
eine vollkommene Gleichförmigkeit bei einer sich wiederholenden Zeich -
nung ankömmt, deren Durchführung mittelst Handarbeit bei Anfertigung
von vielen gleichen Objecten nahezu unmöglich ist; anderseits bei An -
wendung figuraler Gegenstände, wo die Orginalzeichnungen hervorragen -
der Künstler ihrem vollen Werthe nach auch der Massenproduction zu -
gänglich gemacht würden und so dem grossem Publicum wirklich Gutes
geboten werden könnte.
Um auf die Expositionsgegenstände überzugehen, welche sich speciell
auf farbig emaillirte Terracotten zum Zwecke der Anwendung derselben
in der Bautechnik beziehen, so gab zu diesen Arbeiten die erste Veran -
lassung der Wunsch des Herrn Oberbaurathes von Schmidt, den für Be -
dachungszwecke so vertheilhaft verwendbaren Thon der fürstl. Liechten-
stein’schen Ziegelei in Themenau bei Lundenburg, mit verschiedenen
bestimmten Farben emaillirt, zur Eindachung der Brigittenauer Kirche
8?
zu verwenden; in Folge dessen ich von Seite des fürstl. Liechtenstein’schen
Oberingenieurs v. Hampe aufgefordert wurde, diese bestimmten farbigen
Emails herzustellen, um weiters an der Themenauer Ziegelei selbst die
Emaillirung dieser Bedachungsziegel vornehmen zu können.
Diese für mich unter den schwierigsten Verhältnissen unternommene
Arbeit fand ihre Erledigung durch die bereits vor zwei Jahren vollendete
Bedachung der Brigittenauer Kirche, — die entferntere Lage derselben
entzog leider bisher dieses äusserst interessante Object einer allgemeinem
Beachtung. Wenngleich Muster dieser farbig emaillirten Bedachungs -
ziegel nicht gut als Ausstellungsgegenstand zulässig waren, so glaube ich
doch die Art und Weise der Herstellung, derselben vom chemisch-tech -
nischen Standpunkte aus erwähnen zu können, nachdem in dieser Rich -
tung Resultate erzielt wurden, welche in Bezug auf die Emailfarben -
technik im Allgemeinen von Bedeutung sind.
Mich leitete bei Aufnahme dieser Arbeit, in Berücksichtigung der
Beschaffenheit des mir zu Gebote stehenden Rohmateriales, der Gedanke,
die Zusammensetzungen der farbigen Emails derart zu bewerkstelligen,
dass dieselben in möglichst dünner Lage und bei vollkommener Vergla -
sung dem bereits gebrannten Thonkörper aufgeschmelzt würden. Um
dies zu bewerkstelligen war bei genauer Kenntniss der chemischen Be -
schaffenheit des Thones unbedingt erforderlich, bezüglich des Aggregat -
zustandes der Farbenemails selbst, deren Zusammensetzung so zu com-
biniren, dass diese gut auftragbar waren, indem die aus diesem Thone
gebrannten Bedachungsziegel als solche eine vollkommen gesinterte Masse
bilden, mithin Glasurflüssigkeit nur in höchst geringem Grade einsaugen,
was allerdings bei der bedeutenden Härte dieses Materiales, welche dabei
doch nicht glasartig ist, als eine vorzügliche Eigenschaft angesehen werden
muss, hingegen die bisher üblichen Glasirmethoden ausschlossen. Ich
fand die Lösung dieser Aufgabe in Anwendung strengflüssiger alkalifreier
Bleiglascompositionen in Verbindung mit den betreffenden färbenden
Metalloxyden und bindenden Thonerdesilicaten, als solche, welche auf dem
Thonkörper selbst erst zum farbigen Emaile aufschmelzen. — Dadurch
war die Möglichkeit geboten, dieselben als äusserst ductile Emailfarben -
körper gut auftragbar zu machen, während alle bisher verwendete,
namentlich boraxhältige Schmelze im gepulverten Zustande als äusserst
sulzige Massen für eine Fabrication im grösseren Massstabe mit dem
Pinsel bei was immer für einem Bindemittel unauftragbar sind. Weiters
wurde an der Themenauer Ziegelei selbst ein Emailschmelzofen erbaut,
in welchem 3ooo Stück Bedachungsziegel bei einem Brande emaillirt
werden konnten.
Eine Anzahl dieser in allen Farben emaillirten Bedachungsziegel
wurde im Herbste 1869 auf einem Lattengerüste am Dache des innern
Hofraumes des fürstl. Liechstenstein’schen Orangeriehauses befestigt und
erst im Frühjahre 1871 wieder abgenommen, um nach dieser Expositions-
88
dauer die Widerstandsfähigkeit derselben den Atmosphärilien gegenüber
genau prüfen zu können; die Emaillage zeigte sich bei sämmtlichen Far -
ben vollkommen unverändert; nachdem weiters diese Emails bei rich -
tigem Brande haarrissfreie sind, so erlitten dieselben auch in dieser Be -
ziehung keine Veränderung. •—- Diese Thatsachen sprechen in Rücksicht
auf die chemische Zusammensetzung des Themenauer Thones gegen die
bisher allgemein verbreitete Ansicht, dass nämlich ein bestimmter Kalkge -
halt des Thones eine unbedingte Nothwendigkeit sei, um denselben mit
haarrissfreier Bleiglasur versehen zu können.
Im Gegensätze zur chemischen Beschaffenheit des Themenauer
Thones stehen die Thone der Wienerberger Ziegelfabriks- und Baugesell -
schaft, welche ich auf Veranlassung des Herrn Oberbaurathes Ritter von
Ferstel in das Bereich meiner Studien gezogen, um eine bestimmte An -
zahl Medaillons und Schrifttafeln, welche aus diesen Thonen geformt
wurden und zur äusseren Ausschmückung beim Baue des neuen k. k.
Musealgebäudes Verwendung finden sollten, in farbiger Emaillirung auszu -
führen. Die für diese Thone speciell bearbeiteten farbigen Emails ge -
währen nicht nur in allen Fällen beim Belegen eine vollkommen gute
Bearbeitung derselben, sondern besitzen die Eigenschaft, auch mit einer
zweiten verschiedenen Belegfarbe bei einem Emailbrande auf diesen
Thonen aufzuschmelzen, wodurch nicht nur auf die einfachste Weise die
interessantesten Farbencombinationen zu erzielen sind, sondern auch die
Möglichkeit geboten wird derartige keramische Objecte verhältnissmässig
billig hersteilen zu können, wodurch allein eine ausgedehnte Verwendung
derselben möglich wird. — Dazu müsste wohl auch noch unbedingt das
bereits vorhandene Rohmateriale, wie dasselbe zur Erzeugung der gewöhn -
lichen Terracotten im grossen Massstabe dient, verwendet werden können,
welche Aufgabe vom chemisch-technischen Standpunkte aus bezüglich der
Erzeugung dieser speciellen Farbenemails selbst immerhin von nicht zu
unterschätzenden Schwierigkeiten begleitet sein müsste.
Von den in dieser speciellen Emailtechnik erzeugten Gegenständen
wählte ich als Expositionsgegenstand ein Medaillon (Böttcher) aus der
Reihe der für den Museumsbau bestimmten Objecte.
Die von dem Herrn Oberbaurathe Ritter von Ferstel zuerst ange -
wendete theilweise farbige Emaillirung auf röther Terracotta repräsentiren
einige in dieser Art ausgeführte Gegenstände vom Baue des k. k. Uni -
versitäts-Laboratoriums. «
i
8g
XIX.
Glasmalerei.
(Tiroler Glasmalerei-Anstalt in Innsbruck. — Meyr’s Neffe in Adolf. — C. Geyling,
J. Heilig in Wien.)
Wie die Plastik mit voller Berechtigung an der kunst g e w e r b liehen
Ausstellung theilhaben musste, weil ihre Anwendung in decorativer Weise
— ein Haupttheil dieses Genres — dieselben stylistischen und technischen
Normen bis zu gewissen Grenzen einzuhalten erfordert, als ihre selbst -
ständige Anwendung erheischt, ebenso durfte auch die Glasmalerei nicht
fehlen. Bildet dieselbe auch einen Zweig der eigentlichen Malerei, also
einer sogenannten selbstständigen Kunst, nicht des Kunstgewerbes im en -
geren Sinne, so ist sie doch von den Fortschritten der Kunsttechnik in
hohem Grade abhängig; ihr Genius neigt unverkennbar mehr zum Deco-
rativen hin und ist ihre gesammte Erscheinung unbedingt abhängig vom
Ornamente und ornamentaler Auffassung und Haltung ihrer Compositionen.
Historisch genommen schliesst sie sich als integrirender Theil an die poly -
chrome Ausstattung der Architekturen an, will in keiner Weise davon
losgetrennt betrachtet werden und gewährte stets im Gefühle ihrer deco-
rativen Bestimmung einem stylisirenden Element Eingang in ihre Schöpfun -
gen, welches ihr einen ganz verschiedenen Charakter verleiht, als jener
der übrigen Fächer der Malerei ist; übereinstimmend mit dem Geiste, der
harmonisch das gesammte Kunstgewerbe beherrscht, das sich anschliesst
an die grossen Hauptrichtungen der bildenden Kunst und in jenen guten
Zeiten, als noch die gesammte Kunst Ein Begriff war, den feinen aber
festen Kitt bildete zwischen den einzelnen Genres derselben.
Die Ausstellung von Kirchenornaten bietet darum ein so erfreu -
liches Bild, weil uns in den daselbst gebotenen Arbeiten endlich einmal
ein verständiges Würdigen des Zweckes und damit verbunden eine weise
Wahl des Styles entgegentritt. Man wollte dem Bedürfniss des katholischen
Gottesdienstes genügen und ging deshalb in der Wahl der anzuwenden -
den Stylformen, historisch völlig motivirt, auf jene Perioden zurück, deren
Kunst der wahrhafteste Ausdruck der kirchlichen Ideen war. Auch unter
den Werken der Glasmalerei haben wir einige zu verzeichnen, welchen
dieses Lob aus gleichem Grunde gebührt. Je getreuer Glasgemälde für
gothische oder romanische Kirchen dem Style der Zeit sich fügen, dessen
Gepräge auch die Architektur trägt, desto besser werden sie sein, desto
harmonischer zum Ganzen passen. Hier wäre es schlecht am Platze, nur
zu gothisiren, nur archaistisch zu entwerfen, denn auch die Architektur
des Tempels, dessen Fenster das Gemälde zieren soll, ahmt die alte Go-
thik nicht nach, sondern ist alte Gothik selbst. Hat auch die Kirche
selbst sich gegen die Annahme der verschiedensten Style nie geweigert
und dem Heterogensten Raum gegeben in ihren Schöpfungen der Kunst,
so geht diese dem Künstler dadurch gewordene Licenz doch nicht so weit,
9°.
dass wir zweierlei Stylrichtungen auf dies hin in einem und demselben
Werke zusammenstellen dürften.
Dafür verdient vor Allem die schon rühmlichst bekannte Tiroler
Glasmalerei-Anstalt von A. Neuhauser in Innsbruck die wärmste
Anerkennung. Ihre ausgestellten Malereien sind (nebst einigen geätzten
Ornamentmustertafeln nach französischen Vorlagen) durchweg mit der
genauesten Beobachtung alter Muster, ja mit wahrer Selbstverleugnung
ausgeführt. Mit Selbstverleugnung, denn es gehört eine hohe Einsicht
und eine sehr schätzenswerthe Kenntniss der geschichtlichen Entwicklung
in den Künsten dazu, wenn ein Künstler heutzutage, wo das allgemeine
Vorurtheil gegen die alte heimische Kunst geht und die Modehaftigkeit
der Renaissancenachfälschung allenthalben den Geschmack auf eine gewisse
Banalität geschniegelter Formen eindressirt hat, welcher das Markige,
Geistvolle, aber etwas echt deutsch Unbeholfene dieses Styles ein Gräuel
ist. Wir schätzen dieses hoch, weil es so unendlich leichter ist, unbewusst
in jenem breiten Gleise einherzutraben, als entschieden einer Ueberzeugung
zu folgen, wenn deren Consequenzen auch nicht hoffen dürfen, bei dem
Tagesgeschmacke grossen Anklang zu finden. Das einem gothischen Glas -
gemälde der Kirche von Nonnberg bei Salzburg nachgebildete Stück,
St. Petrus und Paulus, ist allerdings eine strenge Copie, beweist aber,
dass eine Anstalt wie die, aus welcher es hervorgegangen ist, durchaus,
in artistischer wie in technischer Hinsicht befähigt ist, eine neue Kirche
im Style des Mittelalters mit Glasmalereien auszustatten, welche der im
alten Geiste erdachten Architektur nicht wie ein fremdartiger Lappen aus
dem Harlequinkleide des 19. Jahrhunderts störend und unharmonisch
eingeflickt wären. Ein zweites Bild, auch nach altem Vorbilde, doch, wie
uns bedünken will, nach einem Tafelgemälde entworfen, zeichnet sich durch
tiefes Colorit und schöne Zeichnung sehr vortheilhaft aus. Was das
Tiroler Glasmalerei-Institut zu leisten im Stande sein wird, wenn auch die
Entwürfe zu den Arbeiten den Händen hervorragender Künstler ihren
Ursprung verdanken, das zeigt in eminentem Grade das Stiegenhausfenster
des Museums, welches in Innsbruck nach Zeichnung Prof, von Ferstel’s
ausgeführt wurde.
Ganz ornamental gehalten übt die leichte Malerei in den Formen
der Renaissance, und zwar mehr derjenigen, wie sie die spätere, an italie -
nischen Mustern gebildete Schule der Niederländer des 16. Jahrhunderts
pflegte, eine reizende Wirkung aus und liefert den Beweis, dass die An -
stalt auch diesem wälschen Genre trefflich gerecht zu werden vermag.
Wir erwarten die beiden andern Fenster für dieses Local mit erneutem
Vertrauen auf die gut geleitete Anstalt. In denselben werden grau in
grau Medaillonsporträts vorzüglicher österr. Kunstgönner, Stifter und
Ordner von Sammlungen des Kunstfaches in Ornamenten angebracht sein.
Die Verleugnung des Modernen und der Vortheile, welche dasselbe
zum Theil der alten Weise gegenüber im Gefolge hat, spricht sich in den
9 1
obenerwähnten Werken in technischer Beziehung auch darin aus, dass
man die einzelnen Glasstücke in kleinen Dimensionen Zuschnitt und ver -
bleite, so dass die Gemälde, getreu ihren alten Vorbildern, den mosaik -
artigen Charakter behielten. Das Nachgeben an eine Verlockung, welche
aus den mechanischen Fortschritten auf dem Gebiet der Glasbläserei
erwuchs, die Aenderung nämlich, durch welche man allmälig immer
grössere Platten anwendete, hat die gesammte Kunst der Glasmalerei im
Lauf der Jahrhunderte dem Verfalle entgegengeführt. Sie kam dadurch bald
in die Gefahr das Oelbild nachäffen zu wollen und erlag auch derselben.
Die ausgestellten grossen Kirchenfenster aus der Glasfabrik von Meyer’s
Neffe in Adolf bei Winterberg in Böhmen besitzen den Vorzug eines
schönen, starken Glases und haben ihre Verbleiungen dem Zug der Linien
und Schatten klug angepasst, wodurch ihr störendes Zerschneiden der
bemalten Flächen vermieden ist, in der Zeichnung aber ahmen sie leider
völlig den Styl der barocken Altartafeln nach, die unglücklichsten Vor -
lagen für unsern Zweig der Malerkunst.
Die Arbeiten C. Geyling’s in Wien für die Lothringer-Capelle
in Nancy erfreuen durch den satten Ton, der allerdings an der Grenze
steht, wo die Nachahmung der Oelmalerei im Glase anfängt. Die Cartons
dazu rühren von der Hand Michael Ri es er’s, Professor an der Kunst -
gewerbeschule, her und zeugen von einem klaren Verständnisse für die
einfache Linienführung, welche das Haupterforderniss eines Entwurfes tür
Glasgemälde ist. Ein Blick auf diese neuesten Leistungen der Geyling-
schen Anstalt lässt einen erheblichen Fortschritt, namentlich im Colorite,
gegen die früheren Arbeiten nicht verkennen. Von Josef Heilig in Wien
sehen wir drei verschiedene Arbeiten, die thronende Maria in dem Ca -
pellenfenster ist eine recht gefällige Figur, auch die Kraft der Fabentöne
verdient Anerkennung, die Architektur jedoch gemahnt noch an die spie -
lende decorative, nicht constructive Auffassung der Gothik, welche die
erste Hälfte unseres Jahrhunderts charakterisirt. Dagegen begrüssen wir
gerne die Wiederaufnahme der Wappenmalerei auf Glas, in welcher das
16. und 17. Jahrhundert, Deutschland, die Schweiz und die Niederlande
Vorzügliches geleistet haben. Vor Allem wäre diese Richtung der Glas -
malerei geeignet, dem fremdgewordenen Genre wieder die Thüre zu
Öffnen, die Thüre des Wohnhauses nämlich, durch welche heutzutage der
ganze wieder erstandene Chor der schönen alten Künste in’s Leben
eintreten zu sollen scheint. I.
92
XX.
Eingelegte und Mosaik-Arbeiten.
(Schmuckkasten und Cabinet' im Aufträge des allerhöchsten Hofes. — J. Schalhas. —
F. Schönthaler. — J. Leimer. — B. Ludwig. — V. Palhuber. — Wiesauer. — J. Schandl. —
H. Trinkl. — R. Kleihonz und Grund. — Ohrfandl. — Baron Löwenstern. — A. Klein.)
Von eingelegten Arbeiten sind solche mit Elfenbein, Holz, Metall
(Tauschirung und Boule), Stein und Leder auf der Ausstellung vertreten.
Schon diese Aufzählung gibt Zeugniss von dem Fortschritte, welchen die
Tischlerei der neuesten Aera gegen die vor wenigen Jahrzehnten genom -
men hat; die Anwendung von Elfenbeineinlagen war etwas seltenes, Holz -
intarsien durch das schlechteste Genre vertreten, welches in der Fläche
unmögliche Dinge darstellen wollte, Fernsichten, Perspectiven; Tauschi -
rung ist seit Jahrhunderten schier erst neu angewendet worden, die Boule -
technik aber ringt sich noch mühevoll aus dem Banne des Zopfes, dessen
Hätschelkind sie gewesen, los. Beinahe alle die genannten Arten von
Einlagen finden sich auf der Ausstellung an Objecten der Möbelschreinerei
vor, sie bilden deren zweite Gattung von Mitteln der Decoration, mit
denen sie malerisch wirkt, wie Schnitzerei und Drechslerei ihr zur Er -
reichung plastischer Wirkungen als Gehilfen zur Seite stehen. Aus der
Natur der Sache folgt, dass die eingelegten Ornamente in der Fläche
gedacht sein müssen, ein Hauptgrundsatz des Styles, welchen wir an den
ausgestellten Arbeiten mit Befriedigung fast durchgehends verständig be -
achtet erblicken. Nicht nur, dass die Darstellung von Architekturen etc.
seltener vorkömmt, man ist so weit, dass auch dem Ornament nicht
mehr scheinbare Körperlichkeit durch Schattenpartien und Modellirung in
der Zeichnung verliehen wird, wie die Barocke es, von den aufgemalten
Stuckoreliefs des Plafonds bis auf das kleinste Schnörkelornament in der
Vignette des Buchdruckers, eingeführt hatte; sondern es entstehen in der
Fläche für die Fläche ersonnene Compositionen, die nicht wie jene ba -
rocken Schnörkel nur räumlich genommen eingelegt, für’s Auge aber wie
Reliefs hervorstehend sind, Entwürfe, bei deren Vollendung die Meister
der Gegenwart hauptsächlich bei den Italienern der Frührenaissance, auch
bei den deutschen Kleinmeistern in die Schule gingen.
Das Bedeutendste, was die Ausstellung im Fache der eingelegten
Arbeiten in Elfenbein enthält, sind die Verkleidungen der Schubfächer an
dem im Auftrag des Hofes gefertigten Schmuckkasten; nach Zeichnung
des Architekten Prof. Josef Storck gravirt von Schwerdtner und
Bader, der Elfenbeinschnitt von Panigl. Die Zeichnung der einzelnen
Felder hat die herrlichen Compositionen zu Vorbildern, welchen wir auf Al-
degrever’s kleinen Blättern begegnen und von diesem grossen Meister des
deutschen Cinquecento zur Benützung für das Kunsthandwerk, Intarsia -
arbeiten, Goldschmiedverzierungen, Aetzungen und dergleichen erfunden
wurden.; Sie sind seit drei Jahrhunderten wohl zum ersten Male wieder an-
9 3
gewendet, jedoch nicht etwa copirt und abgeschrieben worden, sondern er -
scheinen hier in derjenigen Weise benützt, wie der geistvolle Künstler einer
späteren Epoche allein vorgehen kann, der die Schätze der Vergangenheit
verwerthen, dabei doch aber seine Selbstständigkeit beweisen will. Denn, um
in den Rahmen des Ganzen zu stimmen, dessen Formen den reinsten
Charakter der italienischen Renaissance besitzen, sind die Motive des alten
deutschen Meisters mit ihrem eigentümlichen Reize bewahrt und dennoch
in der Formengebung dem leichteren, zierlicheren Style des Südens näher -
gebracht. Ein ebenso grosser Vorzug des Werkes ist ferner, dass in der
Schattengebung, in dem Hineingearbeiteten, in den Schraffirungen des
Elfenbeines die Grenze eines strengen Masshaltens nicht überschritten,
sondern diesbezüglich die Manier der Stiche Aldegrever’s genau befolgt
wurde. Der ältere deutsche Kupferstich mit seinen wenigen und doch so
wirksamen Mitteln schlichter Linienführung zeigte die Weise und das
Mass für die Behandlung des Elfenbeins zu diesem Zweck. Wir heben
das hervor, weil heute nicht selten — und auch die Ausstellung hat
Beispiele davon — die Elfenbeineinlagen wie moderne Stahl- und Kupfer -
sticharbeiten in allzureicher, malerischer Manier schattirt und schraffirt
zu werden pflegen, wodurch sie von einiger Distanz auch den Eindruck
mit der Schere ausgeschnittener und auf das Ebenholz geklebter Stiche
machen.’ — Die technische Ausführung gehört, gleichwie die des ganzen
Schreines, zu dem exactesten der heutigen Technik und verdient den
Preis einer musterhaften Leistung.\
Ganz gefällige eingelegte Arbeit in diesem Stoffe, figurale Scenen,
Gruppen von Kindern und Ornamente, zeigt ferner ein im Atelier Schön-
thaler gefertigter Schrank von schwarzem Holze. Wir befinden uns damit
bei einem Ausstellungsgegenstand, von welchem das in dem Einleitungs -
artikel Gesagte gilt, wir sind leider nicht in der Lage den Künstler zu
nennen. Die Zeichnung und der Schnitt sind rein und scharf, in der
Schattengravirung höchstens etwas zu viel gethan. Das daselbst befind -
liche Notenpult hat dünne, stark geschweifte Ornamente von Elfenbein,
eine saubere Arbeit, die wohl von derselben Hand herrühren mag. End -
lich ist ein Tisch mit schön eingelegter Platte zu erwähnen, ausgeführt
vom Tischlermeister Josef Schalhas in Wien. Die Verzierungen sind
etwas phantastisch, doch recht genau und nett ausgeführt.
Die Holzintarsien zerfallen in figurale und ornamentale Compositio-
nen, wenn es gestattet ist, zu dieser Gruppe überhaupt eingelegte Holz -
arbeiten, also auch jene Mobilien herbeizuziehen, welche nicht ganze
Flächen in der Weise des Mosaiks von den Holzstückchen völlig incru-
stirt haben, sondern nur an einzelnen Theilen in decorativer Weise damit
verziert sind. Ganz eingelegt und mit figuralem Schmucke versehen ist
nur ein Gegenstand, das schöne, betstuhlartige Hausaltärchen Vom Bild -
hauer Josef Leimer, welches auch durch die reizende, stylvolle Behand -
lung des gothischen Schnitzwerks und der Standbilder im Innern des
94
Retables einen hervorragenden Platz behauptet. Der Archäologe wird
zwar fragen, wie Altarflügel in Intarsia zu einem gothischen, holzge -
schnitzten Innentheil kommen, wir aber haben mit diesem Punkte hier
nichts zu schaffen und freuen uns an der wackern Ausführung allein. Die
Aussenseiten beider Flügel stellen eine Kirchenbauscene vor, die Vorder -
seite des Altartisches sozusagen — das Rosenwunder der h. Elisabeth. Die
Compositionen sind ganz malerisch, mit Perspectiven, Bäumen etc. be -
handelt, und man muss zugeben, dass die grossen Schwierigkeiten in
diesem Material äusserst geschickt bewältigt sind. Der Künstler wollte
hier an der Stelle, wo das Mittelalter Gemälde anbrachte, solche in seiner
Technik nachahmen, begnügte sich aber doch wieder, die Darstellungen
braun in braun, nicht bunt zu geben, nur zu deni Gesichtern und Hän -
den ist Elfenbein, für Waffen und dergleichen eingelegtes Zink genom -
men. Das Ganze empfängt dadurch den Charakter von Fournierungen an
Möbeln des 17., 18. Jahrhunderts, mehr als von eigentlicher Intarsia -
arbeit. Zeichnung und Technik verdienen warmes Lob, sowie die An -
wendung des Genres zu kirchlichem Mobiliar ganz der historischen Tradi -
tion angemessen ist.
Wir möchten die Beschränkung auf zwei, drei Töne der Hölzer,
welche auch in Italien, dem Heimatlande unseres Kunsthandwerkes, die
ursprüngliche Weise war, bei unsern gesammten eingelegten Tischler -
arbeiten wieder gewahr werdei^ so lange man in buntfärbigen Holzarten
nichts besseres als jene immer wiederkehrenden styllosen Blumenbouquets
zuwege bringt, welche noch ein Erbtheil des verflossenen Jahrhunderts
sind. Den modernen Künstlern wäre deshalb das Studium des Teirich-
schen Intarsienwerkes angelegentlichst zu empfehlen, in welchem ihnen
durch die phantasievollen Schöpfungen der italienischen Frührenaissance
eine Fundgrube von Motiven geboten, zugleich aber angedeutet wird, in
welcher Weise die Alten mit den einfach gelben Einlagen auf braunem
Fond ganz andere Wirkung zu erzielen wussten, als eine bunte naturali -
stische Blume mit allen Schattirungen hervorbringt. Eine solche einfache
Farbenwahl zeigen die schönen Arbeiten, Büffet, Speisetisch und Stühle,
vom Kunsttischler Bernhard Ludwig in Wien. Das erstere hat auf dem
sattbraunen Grund von Nussholz stylvolle Ornamente in Ebenholz und
gelbem, künstlich gefärbtem. Die Ornamente und Trophäen an dem Damen-
secretär sind plastisch gedacht, daher minder entsprechend. Ein zweiter
von Ahorn zeigt auf dem lichten Fond dieses Materials antikisirende
Motive, Palmetten, Maeander, von Rosenholz eingelegt. Die Intarsia auf
griechische Muster angewendet, ist ein neuartiger Versuch; fiel die
Probe hier auch ganz artig aus, so bleibt das eigentliche Bereich der
Technik doch die Renaissance. Diese in ihrer prachtvollsten Entfal -
tung, mit' immer wechselnden Motiven, reich und phantasievoll sowie in
der reinsten Formenschönheit repräsentirt der schon genannte Schmuck -
kasten von Josef Storck; die Arbeit des Einlegens hat Tischlermeister
9 5
F. Michel mit seinem Gehilfen J. Eder gefertigt. Die zierlichen Blatt -
ornamente heben sich von dem schwarzen Holze des Grundes in einem
trüben Roth ab, dessen Ton im Verein mit dem dunkeln Fond die an -
genehmste Wirkung hervorbringt. Bis auf die Form der Wappen ist
der Styl der besten Renaissance-Kunstwerke beibehalten, die satte Farbe
dieses unteren und der Seitentheile bereitet das Auge in angenehmem
Uebergange vom Schwarz des Grundes zu den oben angebrachten Elfen-
beingravirungen vor. — Einfache geometrische Muster in wenigen Tönen
sehen wir auf Möbeln von Vincenz Palhuber und aus dem Schönthaler-
schen Atelier; der runde, für das Operntheater nach Entwurf von Franz
Schönthaler durch Tischlermeister Glückselig ausgeführte Tisch ver -
einigt Einlagen von Holz, Elfenbein und Metall.
Die Betrachtung der in bunten Hölzern ausgeführten Intarsien auf
der Ausstellung gewährt ein eigenes Interesse. Wir haben da ein Gebiet,
vor uns, welches noch gänzlich der Reform bedarf, auf längst überschrit -
tener Stufe steht, welches aber in der Art, wie es noch erhalten erscheint,
die Möglichkeit eines Aufschwunges durchaus nicht unter die Unwahr -
scheinlichkeiten zu verweisen zwingt. Es sind nämlich offenbar von der
Barocke her und durch dieses Medium somit auch aus den älteren
besseren Zeiten noch sehr anerkennenswerthe Traditionen in der Technik
geblieben und haben sich im Handwerk fortgefristet. Die Formgebung
fiel freilich dem Zopf und Naturalismus anheim, daher begegnen uns nur
Obst- und Blumenstücke mit allen Modellirungen und Schatten der Natur
oder Schnörkelformen des 18. Jahrhunderts. Das 16. Jahrhundert schuf
namentlich Trophäen, Musikinstrumente in bunter Intarsia, und wäre
dergleichen, — wenn schon wir zugeben müssen, dass es zum Verfall
hinüberleitete — doch ein besseres Vorbild noch als Schöpfungen der
genannten Zeit. Die Gefahr bei der Anwendung buntfarbiger Holzein -
lagen ist eine zwiefache: entweder wird der Künstler verlockt, die male -
rischen Reize eines Tafelgemäldes nachahmen zu wollen oder die Körper -
lichkeit von Gegenständen der Natur; in beiden Fällen ein Stylfehler und
bei grösster Mühe stets nur eine armselige Nachäffung. Nicht undenkbar
aber ist es, dass rein ornamentale und nur in der Fläche wirkende Com-
positionen auch in buntem Mosaik von edler Erscheinung sein könnten.
Dem Gesagten zufolge finden wir uns nicht veranlasst, an dem
Betschämel und Tisch vom Tischler Wiesauer in Gmunden die
Mängel in Composition und Zeichnung zu berühren, sondern lediglich
darauf Jainzuweisen, dass aus solchen Resten einer vormals bedeutend
gewesenen Kunstindustrie und Kunsttechnik, die sich in den Provinzen
noch häufiger erhalten haben und an solchen vom Hauptstrom der Mode -
wandelungen abgelegeneren Orten noch in jahrhundertalter Weise geübt
werden, Anknüpfungspunkte für eine Regeneration geboten sind. Es sind
noch lebendige Stämme da, die wir veredeln können, ohne neue Bäumchen
pflanzen zu müssen. Niemand wird leugnen wollen, dass die Zinkeinlagen
9 6
wie sie hier aus dem vorigen Jahrhundert noch erhalten erscheinen, zu
manchen Effecten glücklich verwendet werden konnten. Barocke Blumen -
gewinde und Schnörkel hat auch ein Tisch von Johann S c h a n d 1 in
Brünn, dabei ist der Zusammenstimmung der Farben jedoch eine ange -
nehme Gesammtwirkung nicht abzusprechen. Hans Trink l’s zwei kleine
Tischchen endlich vertreten die Neuzeit mit Blumen und Gartengeräth-
schaften naturalistischer Auffassung bei guter Ornamentation.
Ein dem Kranze der gegenwärtigen industriellen Techniken bisher
völlig mangelnder Zweig ist die Kunst, Stahl- und Eisenplatten zu gra-
viren und in die so entstandenen Vertiefungen Plättchen edlen Metalles,
Gold oder Silber, einzuschlagen, die Tauschirung oder Damascinirung,
ä la gemina.' [Ein Kind des Morgenlandes, fand sie im Mittelalter bereits
Eingang in unseren Bezirken, hatte sich daselbst aber auch aus der
eigenen Vorzeit sicherlich erhalten, da älteste germanisch-celtische Schmuck -
arbeiten sie nicht minder zeigen, wie heute noch zahlreiche Volksstämme
einer primitiven Cultur, Südrussen, asiatische Nomadenstämme, in dem Genre
treffliches hervorbringen. Die Glanzperiode der Tauschirung im Occident
ist bekanntlich jene Zeit der Renaissance, in welcher sie unter den kunst -
reichen Händen spanischer, italienischer und deutscher Harnischmacher
und Schwertfeger zur Verzierung kostbarer Prunkwaffen verwendet wurde.
Damals fertigte man aber auch Cassetten, Geld- und Juwelenschreine von
damascirtem Eisen und eine solche Arbeit schwebte den Künstlern vor,
welche den eigentlichen Tresor des Cabinetes ausführten, welches eben -
falls zu den im Auftrag des Hofes gefertigten kunstindustriellen Gegen -
ständen gehört. Den Entwurf zeichnete Valentin Teirich, Professor an
der Kunstgewerbeschule. Die Ausführung rührt her von der Firma
Ratzersdorfer in Wien, unter Leitung von Wrübel ausgeführt durch
Czellot und Dostal, die Eisenarbeit von Wertheim & Comp., unter
Leitung von Schult. Erfreulich ist es, zu sehen, wie der Künstler, wel -
cher in letzter Zeit durch die Herausgabe seiner Intarsien grossen Ein -
fluss dieser herrlichen Schöpfungen der Renaissance auf seine Arbeiten
empfangen hat, hier doch wieder, wo das Material einen andern Styl
erforderte, sowohl dieser Anforderung zu genügen, als die förderliche Ein -
wirkung seiner Studien an den Intarsien zu verwerthen wusste. Nachdem
jetzt die Technik des Tauschirens seit so langer Zeit wieder praktisch
verwendet wurde, ist es zugleich ein grosser Vortheil, dass es an einem
Werke statthat, an welchem wir nicht das Wiederaufleben dieser alten
Technik allein zu loben haben, sondern dieselbe auch schon in einer
Form an’s Licht tritt, welche den einstigen Leistungen ebenbürtig, styl -
richtig und gefällig zugleich heissen darf. — Eine anerkennenswerthe Arbeit
in Eisen ist die kleine Chatouille des Schlossers J. Dozkalik in Wien.
An den Arbeiten von Robert Kleihonz in Wien —Cassetten, ein
Kreuz, Clavierschild etc. — und an dem von Grund gefertigten Piano
finden wir auch Einlagen in Boulearbeit, mit Metall, Elfenbein und Perl-
97
mutter ausgeführt. Mit diesem Genre ist wohl wie gesagt der Styl seiner
Blütheperiode noch engverbunden, doch kann man an der Decoration des
Flügels bereits ein Raumgeben für die modern reinere Richtung gewahr
werden.
Steinmosaik repräsentiren Tischplatten in buntem Marmor von O h r-
fandl in Klagenfurt und von Löwen Stern in Oberalm bei Salzburg.
Die Muster sind in der allein richtigen Art in der Ebene gedacht, geo -
metrische Figuren in ganz guter Auswahl der Farben.
Die Ledermosaiken aus dem Etablissement August Klein, ebenfalls
unbekannten Urhebers, Sacktuch- und Handschuhsoufflets, verdienen noch
einige ^Vorte. In lichtem Braun auf dem schwärzen Leder angebracht,
ferner als blosse Umrisszeichnungen behandelt, zeigen die Darstellungen
deutlich, dass die Decoration griechischer Thongefässe als Muster vor -
schwebte. Aber hier ist nicht etwa das coloristische Princip allein den
antiken Vasendecorationen entnommen, wie an den Holzintarsien des
Storck’schen Schmuckschreines, woselbst die Zeichnung diese Farben nur
benützt, im übrigen aber selbstständig einen anderen Weg geht, — es ist
hier nicht das coloristische Princip allein entlehnt, sondern es schliesst
sich die Wahl der Gegenstände und der Styl ihrer Contourzeichnung
gleichfalls an die Vorbilder der antiken Töpferei an, — und dazu will
das Material denn doch nicht stimmen. Dass man zu solcher Nachahmung
antiker Vasenbilder ferner noch Pompejanische Figuren nicht blos be -
nützte, sondern copirte, also ursprünglich in Farbe, in Fresco ausgeführte
Gegenstände, wollen wir auch nur ohne weitere Discussion anführen. Die
technische Vollendung verdient, wie die Zeichnung manches Lob. — Unser
gerechtes Verwundern über die Leistungen des Buchbinders J. Wolf in
Gmunden wird Jeder theilen, der nur die niedlichen Täschchen, Fächer
und Futterale in gepresstem, buntem Leder betrachtet. In Gmunden, —
darin liegt das Besondere, denn diese Arbeiten dürfen mit Wiener Fabri-
caten, namentlich was Geschmack und Zeichnung anlangt, in die Schranken
treten. Möchten wir auch noch ein und das andere modehafte Blümchen
u. dgl. in natürlicher Wiedergabe hinweg haben, so gilt doch von
dem Ganzen, dass es zu den erfreulicheren Erscheinungen auf der Aus -
stellung zu zählen ist und das in einem Fache, welches beinahe aus -
nahmslos bisher der Tummelplatz der wildesten Geschmacksverirrung ge -
wesen ist.
/.
9 8
XXI.
Photographie.
(Entwickelung der Photographie. — Portraitphotographie. — Landschaftsphotographie. —
Photographie von Industrieobjecten und Alterthümern. — Reproductionsphotographie. —
Anwendung der Photographie für Unterrichtszwecke. — Ursachen des Zurückbleibens hin -
sichtlich der neueren Druckmethoden. — Pigmentdruck. — Staubfarbenbilder. Photoxy -
lographie. — Pyrophotographie. — Photogalvanographie. — Photolithographie. — Lichtdruck.)
Als Arago in der Deputirtenkammer am 3. Juli 183g eine Skizze
der hohen Bedeutung gab, welche die Photographie für Wissenschaft und
Kunst nach seinem Ermessen erlangen könnte, als Gay-Lussac in dei
Pairskammer am 3o. Juli desselben Jahres den Anschauungen seines ge -
lehrten Collegen vollkommen beipflichtete, mochte wohl manchen Hörer
ein Zweifel beschleichen. Wir erkennen nunmehr nach kaum 33 Jahren,
dass Arago mit wahrem Seherblicke die Dienste schilderte, welche das
jüngste Glied der graphischen Künste, nämlich die Photographie, allen
Zweigen menschlichen Wissens und Könnens zu leisten geeignet ist.
Die Photographie, der combinirten Benützung altbekannter chemischei
und physikalischer Erfahrungen entsprungen, hat mit reichlichen Zinsen
der Wissenschaft heimgezahlt, was sie ihr verdankt. Welchem Zweige dei
Wissenschaft und Kunst, welchem Zweige der Industrie hätte nicht die
Photographie bereits wesentliche Dienste erwiesen. Durch ihre Hilfe werden
Kunstdenkmale, Gemälde, Manuscripte mit sonst unerreichbarer Treue
wiedergegeben, Himmelskörper und die an ihnen sich vollziehenden Ver -
änderungen mit nie geahnter Schärfe dargestellt) Bauten, Maschinen, Zeich -
nungen in sicherer und vollendeter Weise und mit verhältnissmässig ge -
ringem Aufwand von Zeit und Kosten reproducirt. Die Geologie, die Kai-
tographie, das Kriegswesen können in unseren Tagen der Mitwirkung des
Photographen sich nicht entschlagen. Doch auch den älteren Zweigen dei
graphischen Künste ist unser Fach dienstbar geworden, indem es möglich
wurde, das Bild der Camera auf Stein zu übertragen, dasselbe in Kupfer
und Stahl zu ätzen, oder als Type für den Buchdruck herzustellen, oder
auf Porcellan und Glas einzuschmelzen. Diese Aufzählung, welche noch
keine erschöpfende genannt werden kann, zeigt, welche Bedeutung unser
Fach in etwas mehr als drei Decennien erreicht hat, wie sehr selbes be -
rechtigt. ist, auf einer kunstgewerblichen Ausstellung sich den älteren
Zweigen der graphischen Künste anzuschliessen.
Ueberblickt man die Beiträge, welche die Aussteller zu der photo -
graphischen Abtheilung geliefert haben, so lässt sich in mehrfacher Rich -
tung ein erfreulicher Fortschritt der Photographie in Oesterreich wahr -
nehmen. Als Hauptmomente sind hervorzuheben:
i. Die grössere Sorgfalt, wir möchten eigentlich, richtiger sagen, der
künstlerische Sinn, welcher im Portraitfach hinsichtlich der Stellung, Be -
leuchtung und Umgebung der zu portraitirenden Personen an den Tag tritt;
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2. die eifrigere Pflege, welche in neuerer Zeit das Landschaftsfach
gefunden;
3. die häufigere Anwendung der Photographie zur Reproduction
von Architektur- und Industrieobjecten;
4. das Streben, auch die neueren Vervielfältigungsmethoden bei uns
einzubürgern.
Ein hervorragender Schriftsteller auf dem Gebiete der Photographie,
welcher auch dem ästhetischen Theile dieses Faches eine besondere Auf -
merksamkeit gewidmet hat, sagt: »Die Erfahrung hat gezeigt, dass die
schärfste, fleckenloseste und überhaupt technisch vollendetste Photographie
eines Portraits oder einer Landschaft einerseits gänzlich unwahr er -
scheinen, anderseits vollkommen missfallen kann, wenn nicht in der -
selben die Gesetze des Schönen beachtet sind«, und an einer anderen
Stelle: »Der Photograph kann keinem idealen Gedankenflug folgen, nicht
die Gebilde einer schaffenden Phantasie in Marmor oder in Farben hin -
zaubern, seine Aufgabe ist: Wiedergabe der Natur. Man verlangt von
ihm höchstens eine schöne Wirklichkeit, Wahrheit in gefälliger
Form.«
Die Erfüllung dieser Anforderung ist keine leichte, denn der Pho -
tograph muss^dafür sorgen, dass an der aufzunehmenden Person das Cha -
rakteristische hervortritt, dass alle anderen nur nebensächlichen Theile
zurücktreten; er muss sowohl das Original in passender Weise vorbereiten,
als auch die hergestellte Matrize entsprechend modificiren. Der Photograph
muss das Original von jener Seite aufnehmen, an welcher etwaige Mängel
am wenigsten hervortreten, er muss durch verschiedene Kunstgriffe letz -
tere thunlichst zu verdecken suchen.
Bekannt ist in photographischen Kreisen ein Blatt, auf welchem ein
launiger College einunddieselbe Person in 2 5 verschiedenen Stellungen
und mit verschiedenem Arrangement photographirte, um den Einfluss von
Stellung, Beleuchtung und Umgebung zu zeigen. Mancher Laie be -
merkte nicht, dass alle 25 Aufnahmen das Portrait derselben Person waren.
Was die gefühllose Platte nicht zu leisten vermag, das muss eben der
Photograph durch künstlerische Anordnung und durch kleine Nachhilfen
leisten.
.In diesen beiden Richtungen hat vorzugsweise Wien in den letzten
Jahren eine hervorragende Bedeutung erhalten, und Wiener Schauspieler-,
vorzugsweise aber Mädchenportraits sind ein in allen Ländern Europa’s
ja sogar Amerika’s gesuchter Artikel des Kunsthandels geworden.
Das Portraitfach war auf der Ausstellung vertreten durch die
Firmen: V. Angerer, Adele, J. Gertinger, Dr. Heidt, J. LÖwy,
Fritz Luckhardt, C. Matzner, Prof. Mayssl (Brünn), E. Raben -
ding, Schrank & Massak, Se b astianutti (Triest), Dr. Szekely.
Alle Dimensionen, von der Visitkarte bis zum lebensgrossen Bilde, directe
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Aufnahmen und Vergrösserungsbilder wurden in ausgezeichneten Exem -
plaren zur Anschauung gebracht.
Verhältnissmässig zahlreich waren die Vergrösserungen zur Ausstellung
gebracht, die einen Zweig der Photographie bilden, der sich in Wien einer
eifrigen Pflege, und zwar nicht blos zur Befriedigung des Localbedarfes
erfreut. Vorzugsweise interessant war das von Sebastianutti in Triest
in zwei Dimensionen ausgestellte Turnierbild, wovon eines in der Grösse
von 3' X 4Y2', das andere in der Grösse von i3" X 18" von derselben
Matrize hergestellt war. Wenngleich das grössere Bild geeignet war, auf
die Mehrzahi der Besucher als eine ungewöhnliche Erscheinung Eindruck
zu machen, so war doch das kleinere, bei welchem die Retouche nicht
eine so bedeutende Rolle spielte wie bei dem grösseren, wegen seiner
gleichmässigen Schärfe in allen Details und wegen der Harmonie der
Töne für den Fachmann von grossem Interesse. Die anderen Vergrösse -
rungen dieses Ausstellers, sowie alle seine Leistungen gaben Zeugniss von
künstlerischer Auffassung und einer ausgezeichneten Technik. Von In -
teresse für Maler waren die auf Malerleinwand hergestellten Photogra -
phien, welche bestimmt sind, mit Oelfarbe übermalt zu werden. Während
andere Photographen bei ähnlichen Versuchen einen mehr oder weniger
starken Ueberzug z. B. aus Permanentweiss und einem Bindemittel auf -
tragen, der als Grundlage für das photographirte und zu übermalende
Bild dienen soll, stellt Sebastianutti die Photographie unmittelbar auf
der Leinwand dar.
Die Vergrösserungen und anderen Bilder Dr. Szekely’s zeichneten
sich, wie man es besonders bei den Portraiten bekannter Schauspieler
beobachten konnte, durch treffliche Wiedergabe des Charakters der Dar -
steller, entsprechendes Arrangement und treffliche Ausführung aus.
Durch grosse Naturwahrheit und höchst effectvolle Beleuchtung fes -
selten Luckhart’s Vergrösserungs-Portraits des Pianisten Franz Liszt,
sowie die daneben befindlichen kleineren Damenköpfe.
Löwy, welcher bei dieser Ausstellung vorzugsweise in anderen
Richtungen glücklich debutirte, brachte einige sogenannte Schattenbilder
von schöner Wirkung.
Die Vergrösserungsbilder von Schrank & Massak, insbesondere
das Portrait des Professors Schleiden, zeichneten sich durch richtige
Auffassung und treffliche Technik aus und Hessen die Vortheile der Her -
stellung solcher Bilder auf Albuminpapier gegenüber den bei weitem
häufiger hergestellten Vergrösserungen auf Salz- oder Arrow-root-Papier
erkennen.
Sehr sorgfältig retouchirt waren die Bilder aus dem Atelier Adele
und beinahe möchten wir aussprechen, dass bei folgenden Ausstellungen
die Objecte dieser Firma nicht in so hohem Masse Proben von der
Geschicklichkeit des Retoucheurs liefern sollten. Unter den zahlreichen
schön ausgeführten Köpfen heben wir hier insbesondere den für photogra-
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phische Studien besonders geigneten Kopf des Abgeordneten Smolka
hervor.
Es würde uns zu weit führen, wenn wir hier auf alle Einzelheiten
eingehen würden, so z. B. auf die durch schöne Gruppirung sich auszeich -
nenden Portraite V. Angerer’s und die trefflichen Cameephotographien
E. Ra bendin g’s, die durch geschmackvolles landschaftliches Arrange -
ment des Vordergrundes sich auszeichnenden Bilder Matzners, die
hübschen Schauspielerportraite Gertinger’s, die von W. Burger in
Ostasien aufgenommenen Volkstypen; wir wollen daher nur noch bei
den sogenannten Costume- und Interieur-Bildern Luckhardt’s verweilen.
Dieselben zählen zu den schönsten Leistungen, welche überhaupt auf
dem Gebiete der Portraitphotographie in unseren Tagen Vorkommen.
Das sorgfältige Studium von Stellung, Beleuchtung und allen Accessorien,
der schone, warme, purpurschimmernde Ton, welcher an Salomon’s viel -
gepriesene, aber doch im Arrangement nach unserem Ermessen oft
weit zurückstehende Bilder erinnert, die höchst geschmackvolle und dem
Charakter der Bilder entsprechende Adjustirung derselben, verleihen diesen
Darstellungen ein ganz eigenthümliches Gepräge. Die Bilder zeigten, dass
der Photograph auch als Künstler wirken kann.
Wir können das Portrait nicht verlassen, ohne eines, nach unserem
Ermessen glücklichen Versuches zu gedenken, mit dem Löwy bei dieser
Ausstellung hervortrat, indem er Hände und Füsse in verschiedenen
Stellungen, auf die Hälfte oder ein Drittheil der natürlichen Grösse
reducirt, photographirte. Solche naturgetreue Aufnahmen dürften für
Zeichner, Maler und Bildhauer von Interesse sein. Wie wir vernehmen,
will Löwy diese Studien fortsetzen und auf andere Körpertheile aus -
dehnen. Wir können nur wünschen, dass sein Streben in den Kreisen
Anerkennung finde, welchen er zunächst einen Dienst erweisen wollte.
Sehr erfreulich war die regere Betheiligung auf dem Gebiete des
Landschaftsfaches und der Ar ch itektur aufnahm e n , welche bis -
her bei uns weniger gepflegt wurden. Vertreten waren diese Fächer
durch die Aussteller: A. & V. Angerer, Victor Anger er, Franz An -
toine, Baldi & Würthle (Salzburg), W. Burger, M. Franken -
stein & Comp., L. Hardtmuth (Salzburg), Dr. Heid, F. W. Jantsch
(Reichenberg), J. Löwy, C. Matzner, E. Rabending, Hauptmann
Schopf, A. Widter.
Die Aufnahmen von Gmunden und anderen Gegenden des Salz -
kammergutes von Baldi & Würthle gehören durch treffliche Wahl des
Standpunktes, Schärfe, Klarheit, Wärme des Tones und ausgezeichnete
Behandlung des Himmels zu den trefflichsten Leistungen auf diesem
Gebiete. Die hervorragenden Leistungen dieser Firma wurden in jüngster
Zeit von Seite unserer photographischen Gesellschaft durch die Zuerken -
nung der Voigtländer-Medaille ausgezeichnet.
Schöne Studien rür Landschaftszeichner bieten die Aufnahmen von
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Felsen- und Baumpartien, sowie von Landschaften aus dem Salzkammer -
gut, welche L. Hardtmuth und V. Angerer ausstellten. Diese Blätter
zeichnen sich durch technische Vollendung und eine sehr glückliche
Wahl der Objecte aus. Die Aufnahme von Monumenten, so des Chri -
stinendenkmales, der Kanzel des Stephansdomes und anderer Objecte,
welche V. Angerer brachte, waren insbesondere wegen der glänzenden
Bewältigung der bei manchen derselben höchst misslichen Beleuchtungsver -
hältnisse wahrhaft mustergiltige Leistungen.
Dr. Heid und Löwy traten, soviel uns bekannt ist, zum ersten
Male bei einer Ausstellung mit grösseren Collectionen von Landschafts -
bildern auf; ersterer brachte Aufnahmen der Semmeringbahn, des Schlosses
Lippnitz und der Umgebung desselben, Baumpartien und einige treff -
liche Aufnahmen von Zugthieren, letzterer vorwaltend Aufnahmen von
Bauobjecten der Nordwestbahn und von in der Nähe gelegenen Städten
und Ortschaften, die durch Correctheit und richtige Wahl des Stand -
punktes sich auszeichnen. Mehrere Aufnahmen der Brückenconstructionen
sind wegen der glücklichen Bewältigung der Schwierigkeiten, die durch
die geringe Entfernung des Objectes geboten wurde, höcht interessant. Eine
Specialitat des letztgenannten Ausstellers sind die Landschaftsvergrösse-
rungen, welche correct ausgeführt, wegen ihrer schönen Wirkung gute
Decorationsobjecte für Zimmer abzugeben geeignet scheinen.
A. Widter’s Aufnahmen alter Baudenkmale sind durch richtige
Wahl des Standpunktes, correcte Zeichnung und wegen des Verschmä-
hens jeder Nachhilfe durch ihre Treue allgemein anerkannte Leistungen.
Wir. müssen nur bedauern, dass der Matrizenschatz dieses ausgezeichneten
und emsigen Dilettanten für das grössere Publikum und die weiteren
Kreise von Fachmännern beinahe vergraben ist.
C. Matzner brachte Aufnahmen aus dem Salzkammergute, dieser
reichen Fundgrube von Landschaftsmotiven, die durch Zartheit und Duft
sich auszeichneten.
W. Burger’s Aufnahmen von Bauten und Landschaften aus Indien,
Japan, China und Siam sind durch die Natur des Gegenstandes ebenso
interessant, als auch in technischer Beziehung wegen der bei solchen
Expeditionen sich bietenden Schwierigkeiten anerkennenswerthe Lei -
stungen.
E. Rabending brachte eine ausgezeichnete Collection von Interieur-
Aufnahmen aus dem Palais des Herzogs von Württemberg, welche wegen
der Schwierigkeiten, welche bei Aufnahmen in Wohnzimmern sowohl
hinsichtlich des Standpunktes, als auch hinsichtlich der Beleuchtung ge -
boten werden, die grösste Anerkennung verdienen.
Frankenstein’s Aufnahmen von Joseph Gasser’s Standbildern und
von Wiener Ansichten, welche sowohl er selbst als auch die Kunsthandlung
A. und V. Angerer ausstellten, sind schöne Leistungen, welche allgemein
anerkannt sind und sich eines guten Absatzes erfreuen.
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Ein Fach, welches leider nur durch einen Aussteller vertreten war,
ist die Stereoskopphotographie. Hofgärten-Director Antoine brachte eine
Collection von Glasstereoskopen zur Ansicht, welche grösstentheils Veduten
aus dem Laxenburger Park enthielt, die durch ihre künstlerische Wirkung
fesselten. — Bedenkt rfian, welche bedeutende Rolle die Stereoskopbilder
auf Glas und Papier im Kunsthandel Frankreichs und Englands spielen,
so ist das Zurückbleiben, das bei uns in dieser Branche constatirt werden
muss, sehr zu bedauern.
Schopf’s Aufnahmen des Platzes der Weltausstellung und der hie-
für aufgestellten Profile, F. W. Jantsch’s Aufnahmen aus dem nordöst -
lichen Theile Böhmens boten interessante Objecte.
Aufnahmen von Industriegegenständen und Alterthü-
mern brachten L. Anger er, W. B urg er, M. Frankenstein & Comp.,
Schrank & Massak und S. Widter.
Die Abbildungen von Bronzewaaren, Holzsculpturen, Gläsern und ähn -
lichen Objecten, welche L. Anger er ausstellte, zeigten, wie dieser viel -
seitige Photograph alle technischen Schwierigkeiten zu bewältigen weiss.
A. Widter’s Abbildungen von Rüstungen und Waffen aus der Am-
brasersammlung und dem Waffenmuseum des Arsenales sind ebenso
mustergiltig, wie die bereits früher erwähnten Aufnahmen der Baudenk -
mäler. Franken stein brachte eine Musterkarte von Neusilberobjecten,
Schrank & Massak mehrere Blätter aus dem Musterkataloge des Lam -
penfabrikanten R. Ditmar, und illüstrirten hiemit auch die Verwendung
der Photographie zu rein commerciellen Zwecken.
Eine glückliche Bewältigung der in den etwas dunklen Raumen der
Ambrasersammlung dem Photographen gebotenen Schwierigkeiten zeigten
die neuen Aufnahmen vieler Objecte derselben durch Schrank & Massak.
Sehr mager vertreten war die Reproduction von Zeichnun -
gen und Gemälden. In ersterer Richtung rettete L. Angerer gleich -
sam die Ehre der Wiener Photographen, indem er eine Collection der
für das Museum angefertigten Reproductionen von Dürer’schen Hand -
zeichnungen ausstellte.
Wer die Schwierigkeiten kennt, welche bei solchen Aufnahmen durch
die Färbung des Papieres, sowie durch die Abschwächung der Farbe
des Zeichenmateriales geboten wird, wer noch weiter bemerkt, dass
unter den ausgestellten Blättern auch Reproductionen von gemalten oder
doch mit einzelnen dick aufgetragenen Farben aufgehöhten Zeichnungen
sich befanden, muss die Virtuosität bewundern, mit welcher alle diese
Schwierigkeiten überwunden wurden.
Die Reproduction von Oelgemälden war durch zwei gute Blätter,
welche die Firma: Schrank & Massak ausstellte, vertreten; die Re -
production von Landkarten und Situationszeichnungen durch die höchst
correcten Blätter, welche sich unter den Objecten des Hauptmannes
Schopf fanden.
Das bei uns wahrnehmbare Zurückbleiben der Photographie hin -
sichtlich der Reproduction von Oelgemälden dürfte vorzugsweise durch die
eigentümlichen Verhältnisse bedingt sein, welche hinsichtlich der Ausübung
der Photographie in unseren bedeutendsten Galerien noch zu bestehen
scheinen. Durch dieselben fehlt der Sporn zu solchen Arbeiten, indem
es nicht möglich ist, jene Bilder photographisch zu vervielfältigen, hin -
sichtlich welcher mit Sicherheit auf Absatz gerechnet werden könnte.
Wir müssen auch sehr bedauern, dass die angeblich ein Monopol für Auf -
nahmen in der Belvedere-Galerie besitzende Firma nicht zu bewegen war,
die in jüngster Zeit gemachten Aufnahmen Holbein’scher Gemälde aus -
zustellen.
Auch die Anwendung der Photographie für naturwissenschaftliche
Studien fand mehrere Vertreter. Hieher gehören die reiche Sammlung
von ausgezeichneten Abbildungen der Cuppressineen Gattungen des Hof-
gärten-Directors Antoine und die trefflichen mit dem Mikroskop bei
Drummond schem Lichte erzeugten Abbildungen von anatomischen Präpa -
raten, von Theilen einzelner Medicinalpflanzen, welche Carl Haack lieferte.
Wer die Schwierigkeiten kennt, welche bei der Aufnahme grüner Pflan -
zen dem Photographen begegnen, wird die Schärfe und Modulation in
den Bildern Antoine’s bewundern müssen. Nicht minder wird der
Kenner den mikroskopischen Aufnahmen Haack’s wegen der Ausdauer,
die bei solchen, nur für ein begrenztes Publicum bestimmten Arbeiten
nothwendig ist, sowie wegen der scharfen Zeichnung die grösste Anerken -
nung zollen.
Es wäre zu wünschen, dass bei uns die Verwendung der Photo -
graphie für Unterrichtszwecke eine grössere Berücksichtigung fände, ins -
besondere würden wir empfehlen die Darstellung von Transparentbildern
für die Laterna magica eifrig zu pflegen, indem dieselben ein treffliches
Illustrationsmittel für Vorlesungen sind und es ermöglichen, die mannig -
fachsten Objecte in kurzer Zeit für ein grösseres Auditorium zur An -
schauung zu bringen. In Amerika und England sind solche Bilder bereits
ein allgemein verbreitetes Lehrmittel geworden.
Aus dieser Schilderung dürfte jeder Leser, sowie der aufmerksame
Beobachter der Ausstellung entnehmen, dass auf dem Gebiete des Druckes
oder vielmehr des Copirens mit Silberpräparaten in der Ausstellung so
ziemlich alle Anwendungen der Photographie, ja einige sogar glänzend
vertreten waren.
Wenden wir nunmehr unsern Blick jenen Zweigen der Photographie
zu, deren Streben dahin geht, Copien herzustellen, die nicht jenen Ver -
änderungen unterworfen sind, wie die gewöhnlichen mit Silberverbin -
dungen erzeugten Bilder, so müssen wir im Allgemeinen mit Bedauern
constatiren, dass nach unserem Ermessen diese Zweige bei uns, wenn -
gleich einige Berücksichtigung, doch noch nicht jene Pflege und Verbrei -
tung gefunden haben, welche selbe nach ihrer Bedeutung verdienen. Die
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Ursachen dieses Zurückbleibens dürften wohl in mehreren Verhältnissen
zu suchen sein. In erster Linie dürften die Schwierigkeiten und Unvoll -
kommenheiten, welche bei jedem neuen Verfahren hervortreten, manche
Experimentatoren abschrecken; in zweiter Linie sind die tüchtigeren
Photographen, welche vermöge ihrer gesicherten pecuniären Lage sowie
ihrer technischen Kenntnisse befähigt wären, das Studium der neueren
Methoden mit Erfolg zu betreiben, in der Regel mit Aufträgen so über -
häuft, dass ihnen hiezu weder Zeit noch Müsse bleibt.
Auch ist jener Kreis von Männern, welche in Wien vor mehreren
Decennien, wie ein Berres, ein Natterer, ein Waidei e, und andere
als Dilettanten wesentlich zur Ausbildung der Photographie beitrugen,
welche die damals noch junge Kunst durch rückhaltslose Mittheilung ihrer
Erfahrungen wesentlich förderten, auf ein kleines Häuflein zusammenge -
schmolzen, und erfordert auch das Studium, sowie die Prüfung der neuen
Methoden solche Hilfsmittel, dass zur Beistellung die Kräfte des einzelnen
Forschers meistens nicht hinreichen. Vergleicht man die Photographien,
welche vor 2 5 Jahren als ausgezeichnet bewundert wurden, mit den Lei -
stungen unserer Tage, so wird man erkennen, wie Forschung und Er -
fahrung zur Vervollkommnung des gewöhnlichen, auf der Reaction der
Silberverbindungeri beruhenden, photographischen Verfahrens beigetragen
haben.
Wir müssen aber auch bekennen, dass vielleicht noch andere Um -
stände dazu beitragen, bei uns die höhere Entwicklung der neueren Ver -
vielfältigungsmethoden zu hemmen. Als solche bezeichnen wir besonders
die geringe Unterstützung, welche die Photographie an unseren gewerb -
lichen Lehranstalten findet, und die Schwierigkeit, sich Capitalien zu
billigen Bedingungen zu verschaffen, um neue Methoden in die Praxis
einzuführen.
Während an anderen Orten die Photographie bereits würdig be -
funden wurde, als ein Fach, das für Künstler und Techniker von hoher
Bedeutung ist, in die Reihe der Unterrichtsfächer aufgenommen zu wer -
den, während man z. B. an .der königlichen Gewerbeakademie in Berlin
bereits seit Jahren ein photographisches Atelier eingerichtet und einen
Lehrer für Photographie bestellt, während an der Kunstschule zu Nürn -
berg, wie wir vernahmen, ein Cursus über Photographie gegeben vvird,
an der polytechnischen Lehranstalt in Dresden ein Docent; dieses Faches
fungirt und auch noch an anderen Orten, insbesondere an Ingenieur- und
Militärschulen in gleicher Weise photographische Curse in das Leben ge -
rufen und Ateliers eingerichtet wurden, harrt bei uns das jüngste Glied
der reproducirenden Künste, das gewiss in der kurzen Spanne yon drei
Decennien seine Lebensfähigkeit documentirt, der Wissenschaft und Kunst
bereits wesentliche Dienste erwiesen hat, an den Pforten der technischen
und artistischen Lehranstalten jener Berücksichtigung, die sie im vollen
Masse verdient und gey^ss wieder reichlich vergelten ppöchte.
io6
Zwar hatte es vor Jahren den Anschein, als ob in der Wiener
Staatsdruckerei eine Pflanzschule für Photographie und für ihre Verbin -
dung mit den anderen graphischen Künsten geschaffen worden wäre, doch
die eigenthümlichen Erfahrungen, welche der Erfinder einer lebensfähigen
Methode machen musste, zeigten, dass in der betreffenden Abtheilung
nicht der Geist der freien Forschung und des uneigennützigen, eben nur
die Förderung des Faches berücksichtigenden Strebens zur Geltung kam.
In neuerer Zeit scheint die Aufgabe der Staatsdruckerei eine wesentlich
andere zu sein, als ihr wenigstens zum Theile in früherer Zeit gestellt
war. Die Aufgabe als Musteranstalt, als eine Art Versuchsstation wirk -
sam zu sein, wurde ihr entzogen.
Auch am physikalischen Institute der Wiener Universität hatte unter
der Leitung des um die Einführung der Photographie in Oesterreich
hochverdienten Freiherrn von Ettingshausen die Photographie
wenigstens in dem engen Kreise der Seminaristen einige Pflege gefunden,
doch konnte dieselbe mit Rücksicht auf den eigentlichen Zweck der Lehr -
anstalt nicht in der Weise ausgedehnt werden, wie dies für die erfolg -
reiche Entwicklung der verschiedenen photographischen Zweige insbeson -
dere bei den gesteigerten Anforderungen der Gegenwart wünschenswerth
gewesen wäre.
Man hat bei uns für Hüttenmänner Curse über Metallurgie und
Probirkunde, für Landwirthe chemische Versuchsstationen, für Weber
eigene Webereischulen, für Maler specielle Curse über Physik und Chemie
in das Leben gerufen. Sollte die Photographie mit ihren Anwendungen
auf alle Zweige der reproducirenden Künste unberücksichtigt bleiben?
Gewiss würde das Fach sehr gewinnen, wenn an die Stelle der Empirie
ein Arbeiten auf Grundlage einertüchtigen theoretischen Vorbildung treten
könnte.
Man wird uns vielleicht einwenden, dass an anderen Orten, z. B.
in London, manche der neueren photographischen Methoden bereits ohne
solche Unterstützung eine eifrigere Pflege gefunden hat, als bei uns. Wer
aber bedenkt, zu welch billigen Bedingungen in London neuen Ideen
bedeutende Capitalien zur Verfügung gestellt werden, und wer die Ge -
schichte so mancher der einschlägigen Unternehmungen studirt, wird
einräumen müssen, dass wir unter ungleich ungünstigem Verhältnissen
arbeiten müssen.
Kehren wir nach diesem Excurse zum eigentlichen Gegenstände
zurück, so können wir trotz der eben geschilderten Verhältnisse auf
manche gelungene Leistung hinweisen.
Der Kohle- oder richtiger gesagt Pigmentdruck fand an Herrn
Hofgärten-Director Franz Antoine einen Vertreter, indem dieser aus -
gezeichnete Dilettant einige in schwarzer, rother und Bronzefarbe her -
gestellte Reproductionen linearer Zeichnungen ausstellte. Das hiebei be -
nützte Verfahren gehört zu den älteren und ist eben nur für lineare Dar-
107
Stellungen, also zur Reproduction von Holzschnitten, Kupferstichen, Feder -
zeichnungen u. dgl. m. geeignet. Ebenso hatte Herr Hauptmann Schöpf
einige sehr gelungene Pigmentbilder ausgestellt, worunter vorzugsweise
die Reproduction einer gewerblichen Zeichnung durch die Schärfe der
Linien und die Reinheit des Papieres sich auszeichnete. Herr Leth,
welcher bereits seit längerer Zeit mit grossem Fleisse Versuche über die
neueren Druckmethoden anstellt, hatte ebenfalls einige Blätter aus diesem
Gebiete gebracht. Doch der Pigmentdruck mit Uebertragung, welcher
auch die Wiedergabe der Halbtöne zulässt und der von Braun in Dör -
nach sowie von der Autotype Fine Art Company in London, endlich
auch in dem photographischen Departement der k. Artillerie in Woolwich
in grösserem Massstabe ausgeführt wird, war nicht vertreten. Wir wollen
hiemit uns gar nicht für den Pigmentdruck mit Uebertragung allzu warm
aussprechen, da bei manchen Modificationen desselben ein Abschälen der
Bildschichte nach längerer Zeit beobachtet wurde, wir wollten eben be -
tonen, dass nur jene Methode des Kohledruckes zur Anschauung gebracht
wurde, welche für lineare Zeichnungen practicabel ist.
Die Anwendung des Staubfarbenbildes zur Uebertragung von
Photographien auf den Holzstock brachte Jul. Leth in einer schonen
Suite von Blättern nach Federzeichnungen alter Meister zur Anschauung.
Diesem unermüdlichen Experimentator auf diesem Gebiete ist es bei
seiner Ausdauer gelungen, durch Anwendung des bisher für die Email -
photographien vorzugsweise verwendeten Verfahrens, lineare Zeichnungen
auf jedes beliebige Mass reducirt mit grösster Treue und bei völliger
Schonung des Holzstockes vor allen Einwirkungen von Chemikalien auf
den letzteren zu übertragen und auf diese Weise dem gewissenhaften
Xylographen die Möglichkeit zu bieten, ein wahres Facsimile zu liefern.
Leth hatte durch Nebeneinanderstellen eines für den Schnitt vorbereiteten
Holzstockes, des vollendeten Schnittes und des Druckes sein Verfahren
trefflich illustrirt. Die Festpublication des k. k. Museums für Kunst und
Industrie und eine grosse Zahl von Illustrationen, welche in Fachzeit -
schriften enhalten sind, zeigen die Wichtigkeit des Verfahrens und be -
weisen die Anwendbarkeit desselben. Mit grösster Anerkennung müssen
wir jedoch hiebei des Bad er'sehen Ateliers gedenken.
Wir müssen hier der Versuche gedenken, welche gemacht wurden,
dieses Verfahren auch zur Vervielfältigung anderer als linearer Zeich -
nungen zu verwenden. Diese Benützung der sogenannten Photoxylo -
graphie setzt aber ein grosses Verständnis für die Wiedergabe der ver -
schiedenen Töne durch Strichlagen, demnach eine gewisse Vorbildung des
Xylographen voraus, eröffnet aber auch die Möglichkeit einer den Inten -
tionen des Autors der Zeichnung oder der Natur des Gegenstandes nicht
entsprechenden Interpretation der Photographie. Dennoch müssen wir be -
kennen, dass wir bereits in dieser Richtung Resultate zu beobachten Ge-
ioS
legenheit hatten, die den Anforderungen, welche man häufig an xylogra-
phische Illustrationen stellt, entsprachen.
Eine zweite Anwendung des Staubfarbenbildes, nämlich die Pyro-
oder Emailphotographie, war durch zwei Aussteller, Märkl und
Jul. Leth, vertreten. Letzterer hatte eine reiche Sammlung von einge -
brannten Photographien auf Porcellan und Email ausgestellt und erwies
sich bereits wie bei früheren Ausstellungen als Meister in diesem Fache.
Insbesondere waren bei dem Porcellanservice mit Jagdbildern nach Rüster
Stücke von bedeutenden Dimensionen, welche eine besondere Geschick -
lichkeit im Uebertragen der als Träger des Bildes dienenden Collodium-
schichte documentirten. Der Farbton dieser Darstellungen war ein warmer,
dem der Photographie sehr nahe kommender, der Glanz ein vollkommener.
Letzteren Umstand müssen wir besonders hervorheben', da wir an meh -
reren Orten Emailphotographien sahen, denen der schöne Glanz fehlte.
Wenn in uns bei der Besichtigung von Leth’s schöner Ausstellung ein
Wunsch rege wurde, so war es der, dass dem tüchtigen Photographen
für seine trefflichen Leistungen bessere Porcellanobjecte zur Verfügung
stünden. Die Formen der Porcellanvasen, welche in unseren Porcellan-
niederlagen zu erhalten sind, zeichnen sich meistens durch Geschmack -
losigkeit aus, und der Photograph ist bei unseren Verhältnissen in der
Regel nicht in der Lage, sich mit den von Wien entfernten Fabriken in
Verbindung zu setzen, in welchen man übrigens auch nicht immer geneigt
istj den Anforderungen des guten Geschmackes Rechnung zu tragen.
Im Gebiete der Photolithographie fanden wir Repräsentanten
des Asphaltverfahrens und der Methode mit Chromgelatine. Eine schöne
Collection der verschiedenartigsten Darstellungen, als Landschaften, Archi -
tekturen, Blattstudien, Kunstobjecte, welche von der Firma Reiffen -
stein & Rösch ausgestellt wurde, zeigte, wie das Asphaltverfahren in
der Hand des gewandten Lithographen sehr gute Resultate geben kann.
Das Chromgelatine-Verfahren wurde von Jul. Leth in allen seinen Sta -
dien durch eine sehr instructive Zusammenstellung zur Anschauung ge -
bracht, woran sich noch insbesondere die Reproduction der sechs Dürer-
schen Reiterskizzen und mehrere andere Blätter desselben Meisters mit
Hilfe derselben Methode reihten. — Hauptmann J. Schopf hatte eine
schöne Collection von Photolithographien, welche im Wege einer ihm
eigenthümlichen Modification des Chromgelatine - Verfahrens hergestellt
waren, ausgestellt. Insbesondere müssen wir unter denselben die treff -
lichen Blätter hervorheben, welche die nach Fischbach’s Zeichnungen
erzeugten Spitzengewebe der Firma Fab er darstellten, sowie eine reiche
Sammlung von architektonischen Zeichnungen und Plänen, welche die
Firma O. Weigel ausstellte. Diese Blätter beweisen sowohl durch die
Nettigkeit der Zeichnung als auch durch die bedeutenden Dimensionen die
Leistungsfähigkeit des Schopf’schen Verfahrens.
iög
Der Lichtdruck oder die Albertotyple war durch vier Aus -
steller repräsentirt, nämlich durch Ludwig Anger er, Jul. Leth, Mär kl
und Sebastianutti (Triest). Die Ausstellung des ersteren, eine reiche
Sammlung der verschiedenartigsten kunstgewerblichen Objecte, Antiqui -
täten, ferner Reproductionen von Kupferstichen und Zeichnungen, endlich
auch Portraits umfassend, zeichnete sich durch Schärfe, Correctheit, zarte
Uebergänge und schöne Halbtöne aus und liess uns sehr bedauern, dass
dieser ausgezeichnete Fachmann in diesem Augenblicke das Verfallt en,
soviel uns bekannt ist, nicht ausübt. Die Blätter zeigten, welche ausge -
zeichneten Leistungen in diesem Fache erzielt werden können. — Ein
reiches Album von Lichtdrucken hatte Sebastianutti aufgelegt, welchei
in demselben besonders die Anwendung des Lichtdruckes für Visitkarten
mit Portrait darstellte und auch Druckplatten beilegte. Der Farbton von
S eb astianu tti’s Lichtdrucken nähert sich sehr dem der gewöhnlichen
Albumincopien. J. Leth hatte eine kleine Sammlung von Lichtdrucken,
besonders nach Rahl’schen Cartons, ausgestellt, die Zeugniss gaben von
dem Eifer, mit welchem dieser emsige und gewandte Experimentatoi auch
dieses Gebiet cultivirt. — Märkl brachte mehrere Lichtdrucke mit den
zum Drucke derselben benützten Platten, dann einige Reproductionen
nach Kupferstichen von bedeutender Dimension.
Auch die Photogalvanographie hatte in Haüptmänn Schopf
einen Vertreter gefunden, indem derselbe eine Landkarte und die hiefüi
mit Hilfe der Photographie und der Galvanoplastik hergestellte Dtuck-
platte zur Ausstellung brachte.
Jeder leidenschaftslose Beobachter musste anerkennen, dass in dei
photographischen Abtheilung der Museumsausstellung viele anerkennens-
werthe Leistungen vorgeführt würden und dass in den am Eingänge dieses
Berichtes angegebenen Richtungen ein entschiedener Fortschritt sich wahr -
nehmen liess. Wir wollen hoffen, dass die heimischen Photographen das
Jahr, welches noch bis zur Eröffnung der Weltausstellung verstreicht,
fleissig ausnützen und ihren ausländischen Collegen gegenüber sich als eben -
bürtige Concurrenten erweisen werden; wir wollen aber auch hoffen, dass
ihnen bei der Ausstellung selbst die Gelegenheit geboten sein wird, zu
zeigen, dass sie eine bedeutende Aufgabe, wie die Aufnahme der Aus -
stellungsobjecte, in kurzer Zeit und in anerkennenswerther Weise zu lösen
im Stande sind. E. Hg.
XXII.
Druck, Bücherausstattung, Einbände, Kupferstiche.
Die Buchdruckerkunst hatte sich an der Ausstellung des Museums
in befremdlich geringem Umfange betheiligt. Daraus geht nicht hervoi,
dass sie bei uns darniederläge; im Gegentheil sind die Druckereien mit
HO
Aufträgen überhäuft. Die in höchster Blüthe stehende Zeitungsindustrie,
die regere Verlagsthätigkeit, der unendliche Bedarf an Drucksorten für
Behörden und noch viel mehr für den geschäftlichen Verkehr nehmen
alle Pressen unablässig in Anspruch. Und grade dies mag die Ursache
der geringen Betheiligung an der Ausstellung gewesen sein, da für eine
solche noch ziemlich häufig nicht das, was täglich gemacht wird, sondern
ausdrücklich angefertigte Prunkstücke allein geeignet gehalten werden.
Ist das Fernbleiben so vieler bedeutender Firmen überhaupt bedauerlich,
so wird es das noch mehr durch dies (wahrscheinliche) Motiv, denn gerade
darauf kommt es ja an, die Durchschnittsleistungen kennen zu lernen,
nicht Arbeiten, welche mit besonderem Aufwande und unter besonders
günstigen Verhältnissen einmal und nicht wieder hergestellt wurden.
Namentlich interessant wäre es gewesen, wenn eine von den älteren Offi-
cinen den Entwickelungsgang des Geschmacks und der technischen Ver -
vollkommnung etwa seit zwanzig Jahren durch eine Reihe von Beispielen
veranschaulicht haben würde. Die letzten Jahrzehnte sind für die Buch -
druckerkunst in Oesterreich ausserordentlich wichtig gewesen. Während
man sonst, was schön ausgestattet werden sollte, glaubte »draussen«
drucken lassen zu müssen, sehen wir gegenwärtig Wiener Officinen für
das Ausland arbeiten. Man steht im Allgemeinen auf gleicher Höhe wie
in-Leipzig und anderen Hauptsitzen des Buchdrucks — eine Höhe, von
welcher aus eine weitere Erhebung allerdings noch eben so möglich wie
wünschenswerth bleibt. Noch hat die Mode auch auf diesem Gebiete zu
viel zu sagen. Die unschönsten Verzerrungen, die geschmacklosesten,
krausesten Verschnörkelungen werden acceptirt, wenn sie nur neu oder
wieder neu sind. Dem gegenüber ist von grosser Wichtigkeit, dass ge -
genwärtig die Frage, ob es nicht zweckmässig sei, den Gebrauch der so -
genannten deutschen Schriftzeichen (Fractur) aufzugeben und an deren
Stelle auch in Deutschland die lateinische Schrift (Antiqua) treten zu
lassen, in dem amtlichen Organ des Vereines der deutschen Buchhändler
lebhaft discutirt wird. Denn die lateinischen Schriftzeichen sind durchaus
nicht so verlockend für Künsteleien und Verzerrungen wie die Fractur,
welche ja von Haus eine Verkünstelung und Verzerrung der Antiqua ist.
Indem die Mönche die runden Formen durch eckige ersetzten, die graden
Linien brachen und verschnörkelten, lieferten sie zugleich die Vorbilder
für alle die Experimente, welche bis auf den heutigen Tag die Schönheit
und Leserlichkeit der deutschen Druckschrift beeinträchtigen. Bekanntlich
ist in diesem Augenblicke die deutsche nur mehr die einzige Sprache,
welche sich der Mönchsschrift bedient, Schweden, Dänen, Holländer,
Tschechen u. s. w. sind zu der Antiqua zurückgekehrt und auch bei uns
vermehrt sich zusehends die Zahl der mit den Typen der letzteren ge -
druckten Bücher und Zeitschriften, während sie für die sogen. Accidenz-
arbeiten schon beinah alleinherrschend ist. Und besonders erfreulicher
Weise wendet sich die Praxis immer mehr der durch Schönheit, Einfach-
111
heit und Klarheit gleich ausgezeichneten Renaissanceschrift zu, in welcher
auch das Vorliegende 'gedruckt ist, und die hoffentlich dazu beitragen
wird, den vollständigen Sieg der Antiqua über die Fractur und damit
die Befestigung des Styls gegenüber der Willkür auch auf diesem Gebiete
zu beschleunigen. , . ,
Erzeugnisse der Buchdruckerpresse waren ausgestellt von der K. k.
Hof- und Staatsdruckerei — eine Auswahl ihrer berühmten Drucke
arabischer, syrischer, kalmükischer, chinesischer etc. Texte —, C. Ge -
rold’s Sohn — eine bedeutende Anzahl würdig und geschmackvoll aus -
gestatteter Bücher, welche zugleich ein Bild der umfassenden Verlags-
thätigkeit dieser Firma gewährten. Typo- und lithographische Arbeiten
von Engel & Sohn, Ed. Sieger, L. C. Zamarski (sämmtlich m
Wien) und A. Trassier in Troppau — Werthpapiere der verschieden -
sten Art, Formularien u. dgl. — zeigten das Bestreben, Zweckmässigkeit,
zu welcher in diesem Zweige auch eine die Nachahmung erschweren e
complicirte Art der Herstellung gehört, mit geschmackvollem Arrange -
ment der Schriften, Embleme u. s. w. zu vereinigen. Autographie aut
Stein und Photolithographie war durch O. Weigel vertreten.
Einen'höchst erfreulichen Aufschwung hat in den letzten Jahren der
Holzschnitt genommen. Das Verdienst R. v. Waldheim’s um diesen
Zweig der reproducirenden Kunst ist ein bleibendes. Erst seinem, etwa
1856 gegründeten Institute verdanken wir die Herstellung von Holzschnitt -
arbeiten in Wien, welche künstlerischen Anforderungen genügen. Gegen -
wärtig scheint dasselbe sich freilich mehr auf Illustrationen zu populären,
für massenhaften Vertrieb berechneten Publicationen zu verlegen., Desto
entschiedener wird die künstlerische Richtung von F. W. Bad er’s noch
junger Anstalt für Holzschneidekunst gepflegt. Die Proben von figuralen
und landschaftlichen Darstellungen weisen nicht nur hohe technische Voll -
endung, sondern auch klare Erkenntniss des eigentümlichen Charakters
und der Grenzen dieses Vervielfältigungsmittels auf, und die für das
Oesterr. Museum ausgeführten Nachbildungen Dürer’scher Trachtenbilder
dürfen wohl als bahnbrechend für den Farbenholzschnitt angesehen werden.
Ein Schüler Bader’s, F. Bartel in Prag, hatte Vorzügliches in Alpha -
beten, Costümbildern u. a. m. ausgestellt.
Wenn aber frühere langjährige Vernachlässigung der meisten gra -
phischen Künste uns nöthigt, schon mit dem Erfolge zufrieden zu sein,
wo wir sagen können: wir thun es jetzt dem Auslande gleich; so hat
ein bestimmter Zweig sich rasch den Weltmarkt erobert: der lithogra -
phische Farbendruck. Ueber alle Meere gehen die Wiener »Oelfarben-
druckbilder« oder Chromolithographien. Und das ist nicht nur begreiflich,
sondern auch erfreulich. Man braucht nicht alle die vermittelst der Stein -
druckpresse hergestellten Copien von Oelbildern zu billigen, welche von
Conrad Grefe, Ed. Holzel, Katzianer & Reichmann, Reiffen-
stein & Rösch (sämmtlich in Wien) ausgestellt waren; mehrfach hatten
112
die Genannten sich an coloristische Aufgaben gewagt, welche äller An -
strengungen und Finessen des mit noch so vielen Steinen manipulirenden
Chromolithographen spotten. Im Durchschnitt aber wird höchst Respec-
tables geleistet, Und die Bedeutung dieser Industrie darf nicht unterschätzt
werden. Da sie verhältnissmässig sehr wohlfeil arbeitet, ist sie in der
Lage, die abscheulichen Schmierereien, welche bis vor Kurzem die Wände
nicht blos der Hinterwäldlerwohnungen diesseits und jenseits des Oceans
verunzierten, zu verdrängen und für die Ausbreitung eines besseren Ge -
schmackes in den am schwersten zugänglichen Regionen zu wirken.
Die Verzierung der Bucheinbände nimmt ihren Entwickelungsgang
parallel dem der ornamentalen Künste im Allgemeinen. Ermüdet von den
ewigen Palmettenkränzen und Perlenstäben, aus welchen Elementen die
Goldzier der Rücken und Deckel ziemlich stereotyp zusammengesetzt
wurde, griff man vor etwa dreissig Jahren auf die Muster des Rococo
zurück, deren Arabesken der Phantasie freieren Spielraum, reichere Ab -
wechslung gewährten. In den besten Fällen wurden die Deckel, aber
auch die Rücken, wie Wandfüllungen behandelt, deren barocke plastische
Einrahmungen hier in vertieftem Golddruck wiedererschienen. Häufiger
aber breiteten sich die Zierrathe in völliger Regellosigkeit und Launen -
haftigkeit aus, und die Mode scheute selbstverständlich auch vor dem
absolut Widersinnigen nicht zurück, wenn es »originell« war. Wenn Ge -
genwärtig wieder die Einbände aus jener Zeit nachgeahmt werden, bei
welcher wir fast in jeder Verlegenheit Hilfe suchen, so geschieht das
nicht aus blosser [Lust am Alterthümlichen oder aus Principienreiterei
sondern weil damals die Ornamentation sich, wie sie soll, den natürlichen
Bedingungen des Gegenstandes anpasste. So wird der Rücken eines Buches
durch die Bänder, auf welche die Druckbogen aufgereiht sind, ganz natur-
gemäss in Felder getheilt; es hat um so weniger Sinn, diese constructiven
Glieder künstlich zu verbergen, als sie die beste Gelegenheit zum An -
bringen von Ornamenten bieten. Die auch äusserlich stark hervortreten -
den Bänder schützen zugleich die Verzierungen, mit welchen die Felder
cäSsettenartig gefüllt sind, gegen zu schnelle Abnützung, wie die Metall -
knöpfe den Deckel. Allerdings sieht man diese Dinge noch oft ohne Ver -
ständnis behandelt wie bedeutungslosen Zierrath: anstatt der aufliegenden
Bänder erscheinen Vertiefungen oder die Knöpfe werden durch aufliegen -
den Bronze- und Emailschmuck, Wappenschilder u. dgl. m. überragt, so
dass sie, anstatt zu schützen, selbst gegen die Berührung mit der Tisch -
fläche geschützt werden. Im Allgemeinen ist man aber aber auf dem rich -
tigen Wege.
Auf unserer Ausstellung wurden die Einbände für den wirklichen
Gebrauch fast ganz in Schatten gestellt durch die prachtvollen und kost-
spieligen Hüllen für Diplome, Adressen, Albums u. s. w., wie sie aus
den Ateliers von Aug. Klein, Leopold Groner u. A. hervorgehen.
Wenn bei diesen Arbeiten die Aufmerksamkeit des Beschauers vornehm-
113
lieh durch die reichen geschnittenen, ciselirten, gravirten und emaillirten
Metallornamente, die edlen Steine, den Luxus an Sammt, Seide und ge -
presstem Leder etc. in Anspruch genommen wird, und die durch die
Zweckmässigkeit vorgeschriebenen Bedingungen für die Ornamentation gar
nicht in Frage zu kommen scheinen, so sind dieselben doch bei allen
guten Stücken vollauf berücksichtigt und haben hie und da orginelle Leistun -
gen veranlasst. So z. B., wenn der im Aufträge des Herzogs Philipp von
Württemberg von Aug. Klein nach dem Entwürfe des Prof. Storck
ausgeführte Einband einer Folioausgabe der Bibel als Rücken ein Ketten -
geflecht erhielt, das durch seine Solidität und Beweglichkeit ganz vor -
züglich zu den Grössenverhäitnissen des Buches und dem schweren, aufs
reichste mit Email ausgestatteten Deckel passt.
Einer sorgfältigen und mehr künstlerischen Behandlung der eigent -
lichen Bucheinbände wirkt die fabriksmassige Herstellung solcher seitens
der Verlagsbuchhandlungen entgegen. Vor wenig mehr als einem Men -
schenalter kamen die meisten Bücher noch »roh«, »in albis«, das ist in
ungefalzten und ungehefteten Bogen, in den Handel, man las sie wie eine
Zeitung oder schickte sie sofort zum Binden. Jetzt bürgert sich nach und
nach die englische Sitte ein, ganze Auflagen gleich binden zu lassen, zu
welchem Zwecke der für den Ueberzug bestimmte Kattun gleich im Stücke
gepresst und bedruckt wird. Auf diese Weise werden unsere Bibliotheken
von einer Uniformität bedroht, aber zum Glück auch wieder durch eine
andere Eigenschaft der Fabrikswaaren, den Mangel an Solidität, geschützt.
Ausgestellt hatten ausser den Obengenannten die Buchbinder MÖssl
in Innsbruck (ein Canon Missale nach der Zeichnung des Prof. Stolz),
Wolf in Gmunden, welcher mit gutem Geschmack sein Geschäft zu einer
Specialität für Ledermosaikarbeiten gemacht hat, und F. Hollensteiner,
dessen Exposition sehr gelungene Nachbildungen aller Pergament- und
Lederbände aufzuweisen hatte.
Die vornehmste von allen graphischen Künsten, der Kupferstich, hat
um so mehr Vorrecht auf eine selbstständige Besprechung in unserem
Berichte, als gegenwärtig von verschiedenen Seiten zusammenwirkende
energische Anstrengungen gemacht werden, ihn dem Zustande arger Ver -
nachlässigung, in welchen er sich so lange Zeit in Oesterreich befunden
hat, wieder zu entreissen. Vor der Berufung des Professor L. Jacobi an
die Akademie der bildenden Künste (vor etwa zehn Jahren) fehlte es für
die Pflege dieses Kunstzweiges in Wien an allem: an Stechern, an
Druckern, an Auftraggebern. Die Stiche, welche etwa ein Kunsthändler
für den Handel machen liess, die Nietenblätter der Kunstvereine, die
sporadischen Unternehmungen der Hof- und Staatsdruckerei, waren nicht
genügend, tüchtige Künstler heranzubilden und zu beschäftigen, und die
Photographie machte selbst dieser bescheidenen Thätigkeit fast ganz ein
8
ix4
Ende. Seitdem haben wir eine Schule erhalten, aus welcher schon jetzt
eine Anzahl tüchtiger jüngerer Künstler hervorgegangen ist; durch die
Umwandlung des sogenannten «älteren Kunstvereins« in die »Gesellschaft
für vervielfältigende Kunst«, welche bei der Publication von Nachbildun -
gen alter und moderner Gemälde Stich und Radirung in erster Linie
benutzt, ist Arbeit in solcher Fülle gegeben, dass mehrere auswärtige
Stecher und Radirer sich entschlossen haben, zeitweilig oder bleibend
ihren Aufenthalt in Wien zu nehmen und die vom Kunsthändler Kaeser
eingerichtete Kupferdruckerei wird uns hoffentlich auch aus der demüthi-
genden Verlegenheit befreien, werthvollere Platten zum Druck nach Berlin
oder Paris senden zu müssen. Zu wünschen bleibt dann nur noch, dass
auch die einheimische Papierfabrication sich wieder auf die Erzeugung
von Kupferdruckpapier verlege, welches heute durchwegs aus dem Aus -
lande bezogen werden muss.
Unsere Ausstellung gewährte bereits ein Bild dieses neuen Auf -
schwunges eines so hochwichtigen Kunstzweiges und der mit diesem in
Zusammenhang stehenden Kunstgewerbe. Se. Majestät der Kaiser hatte die
Exposition der Probedrucke von den Stichen L. Jacobi’s nach Winter -
halters Bildnissen des Kaisers und der Kaiserin, ferner der grossen von
H. Bültemeyer gestochenen Ansicht des St. Stephansdoms gestattet.
Ausserdem gab die obengenannte Gesellschaft einen Ueberblick über ihre
sehr erfreulichen Bestrebungen durch die Stiche und Radirungen aus
ihrem Album, theils Nachbildungen monumentaler Malereien und Staffelei -
gemälde, theils Orginale von Rudolf Alt, Bültemeyer, Claus, Doby,
Eisenhardt, Gau er mann, Laufberger, Petrak, Post, Sonnen -
leiter, Unger.
Da schon von Papierfabrication die Rede gewesen ist, dürfen wir
hier auch wohl eine Industrie anreihen, welche wenigstens durch das Ma -
terial in einer gewissen Verbindung mit den besprochenen Künsten und
Kunstgewerben steht: die künstlichen Blumen und Blattpflanzen der
Gräfin Pauline Baudissin, die, in einem kolossalen Bouquet ausgestellt,
auf’s neue durch ausserordentliches Naturgefühl überraschten und erfreuten.
B.
»
XXIII.
Zur kirchlichen Kunst.
Das Oesterr. Museum war bemüht gewesen, eine eigene Abtheilung
für kirchliche Kunst, insoweit dieselbe das Gebiet des Museums berührt,
auf dieser Ausstellung zu organisiren. Diese Bemühungen sind im letzten
Augenblicke gescheitert, vorerst aus dem Grunde, weil eine Reihe von
Gegenständen, die zur Ausschmückung von Kirchen bestimmt waren, nicht
fertig geworden sind.
Dass es ausserdem noch innere Schwierigkeiten gab und gibt, welche
der Ausstellung kirchlicher Einrichtungsgegenstände entgegenstehen, darf
nicht verhehlt werden. Zum Theil liegt dies in der Natur der kirchlichen
Gegenstände selbst. Sobald dieselben consecrirt sind, entrücken sie sich,
nach den Vorschriften des katholischen Ritus, der Berührung mit der
Laienwelt, und werden als heilige Objecte behandelt. Gegenstände solcher
Art können nur vor der Consecrirung und in der Regel nur auf kurze
Zeit ausgestellt werden, da sie meist in dem Augenblicke fertig werden,
in dem sie gebraucht werden. Sie konnten auf dieser Ausstellung nicht
erscheinen; hoffen wir denselben auf der permanenten kunstgewerblichen
Ausstellung des Museums zu begegnen, wo sie auch auf sehr kurze Zeit
ausgestellt werden können.
Aber bei gewissen der kirchlichen Kunst nahestehenden Kreisen
herrscht eine ordentliche Scheu, mit den Leistungen für kirchliche Kunst
den Boden der Oeffentlichkeit zu betreten — ob aus Demuth oder aus
Hochmuth, aus Furcht oder sonst einem Gefühle, wer weiss es?, wer
kann es beurtheilen?— Nutzen schaffen diese Künstler nicht; sie entfrem -
den dadurch das Publicum dem ganzen Ideenkreise, den sie vertreten.
Da handelt der Altmeister auf diesem Gebiete, Führich, ganz anders;
er scheut gar nicht, im »Oesterr. Kunstvereine« zu erscheinen; er erweist
mit diesem muth- oder bewusstvollen Auftreten der Kirche und der Kunst
einen viel grossem Dienst, als alle jene, die scheu sich vor der Oeffent -
lichkeit zurückziehen.
Die katholische Kirche und die Kunst, die ihr dient, ist gross ge -
worden im Lichte der Oeffentlichkeit. Die kirchliche Kunst ist keine
Kunst für Conventikel, Geheimvereine, blos sogenannte eingeweihte Kreise;
sie gehört dem Volke an, wie die Kirche sich dem Volke zuwendet. Wenn
die Klosterfrauen von Döbling nicht direct ausstellen, so versteht sich das
von selbst; wenn • aber Laienkünstler oder Besteller sich zurückziehen,
so hat dies gerade der katholischen Kirche gegenüber keinen Sinn. Wir
sind daher dem Erzbischof von Wien, dem einzigen Kirchenfürsten, der
durch Werke, die er angeregt hat, auf der Ausstellung vertreten ist, zum
Danke verpflichtet, dass er mit Arbeiten, die für die Stefanskirche oder
die Votivkirche bestimmt sind, insbesonders den herrlichen, von den
Schwestern zum armen Kinde Jesu mit wunderbarer Geschicklich -
keit gestickten Messgewändern auf der Museumsausstellung vertreten ist.
Trotzdem, dass keine specielle kirchliche Abtheilung geschaffen wer -
den konnte, so ist doch die Zahl der Gegenstände, welche für die Kirche
bestimmt sind, keine geringe; fast ausnahmslos zeigen dieselben ein Bestre -
ben nach stylvoller Durchbildung, charaktervoller Wahrung des Stoffes,
in dem sie gearbeitet, des Gegenstandes, den sie darstellen. Dieselben
bilden in allen Abtheilungen Zierden der Ausstellung.
Die Kronländcr sind in dieser Abtheilung zahlreich vertreten, ein
8*
deutlicher Fingerzeig, wie wohlthätig es für die Kunst ist, wenn der -
selben von der Kirche aus Anregungen gegeben werden.
Aus Tirol kamen zur Ausstellung Cartons von Mader, Glas -
gemälde für Kirchenfenster von Neuhauser, Messbuch von M ö s s 1,
einige wenige gestickte Messgewänder von Uffenheimer, Altarleuchter
von Bien dl, sämmtlich in Innsbruck, bemalte Holzfiguren von Purger
in St. Ulrich in Groden.
Aus Gmunden hat Untersberger einige Entwürfe, F ödin ge r eine
gut gearbeitete Monstranze, aus Prag F. Wachsmann Kirchenleuchter
und Zeichnungen, aus Adolf im Böhmerwalde Meyr’s Neffe Kirchen -
fenster zur Ausstellung gebracht.
Aus Wien hat auf dem Gebiete der Weberei und Stickerei
C. Giani eine Reihe hervorragender Objecte ausgestellt, Kästner styli-
sirte Stoffe für Kirchendecorationen und aus Döbling die »Schwestern zum
armen Kinde Jesu« Stickereien für die Messgewänder der Votivkirche aus -
gestellt; — auf dem Gebiete der Glasmalerei: Geyling und Heilig; —•
auf dem Gebiete der Metalltechnik sind einige sehr stylvoll gearbeitete Ge -
genstände von Brix & Anders, C. Haas, Hollenbachs Erben, von
Scheler, Wolff & Comp, zwei Candelaber für den Stefansdom nach
Fr. Sch midt’s Entwürfen.zur Ausstellung gebracht. Hr. Adler ein Ci-
borium und eine Altarglocke. Die Hollenbach’schen Objecte sind Eigenthum
des Erzherzogs Wilhelm und behandeln die mittelalterlichen Formen in
freierer Art, während sich Carl Haas, Brix & Anders ebenso stieng
als verständig an die Traditionen der mittelalterlichen Kunst anschliessen,
wie es Giani auf dem Felde der Weberei und Stickerei, die Döblingei
Schwestern und Uffenheimer auf dem der Stickerei, Mader im Fresco
und Neuhauser in der Glasmalerei thun.
Herr Hainze hat einen in Marmorcement vortrefflich ausgeführten
gothischen Altar ausgestellt, zu welchem Riewel’s kundige Hand die
Zeichnung, der ungemein thätige und geschickte Emailleur Chadt die
Emails gearbeitet hat.
Von Holzarbeiten ist ein von früheren Ausstellungen her schon be -
kannter Altar von Leimer, dessen eingelegte Arbeiten an einer anderen
Stelle gewürdigt wurden, und nebst den GrÖdener bemalten Holzfiguren,
noch einige Schnitzarbeiten Sagmeister’s ausgestellt.
In der Terracottenausstellung von Brausewetter kamen einige
Apostelfiguren und eine Maria mit dem Christuskinde und Johannes
vor, die sich für Kirchendecoration auch ihrer Wohlfeilheit wegen beson -
ders eignen.
Schliesslich gedenken wir noch einiger Aquarelle von Fr. Schmidt
und Jobst, darstellend Entwürfe sämmtlicher Altäre für die Brigittenauer
Kirche. Wir können nur bedauern, dass so wenige Gegenstände dieser
so hervorragenden Künstler sich in der Museumsausstellung befinden;
sie werden nur Eingeweihten ein Bild von der Richtung der Kirchendeco-
ration geben, die Fr. Schmidt verfolgt. Glücklicherweise wird die Innen-
decoration der Weissgärber Kirche wenigstens in der Wanddecoration in
der nächsten Zeit vollständig fertig und es wird ausserhalb der Ausstellung
möglich sein, die charakteristischen Bestrebungen auf dem Felde der
Wanddecoration zu verfolgen. E -
XXIV.
Hausindustrie.
(Südslavische. Hausindustrie. Felix Lay, Fr. Fischbach, die Gablonzer und Grödener
Hausindustrie.)
Das Oesterr. Museum darf sich rühmen, die erste Anstalt gewesen
zu sein, welche auf die volkswirtbschaftliche Bedeutung der Hausindustrie
Oesterreichs hingewiesen hat. In manchen Ländern ist die Hausindustrie
gänzlich erstorben. In der Österr. Monarchie hingegen gibt es Richtun -
gen der Haus-Industrie, die, wie die Weberei und Stickerei in der Buko -
wina, in Slavonien und in der Militärgrenze, auf jahrhundertelangen
Traditionen beruhen, und wieder gibt es Haus-Industrien, wie die Holz -
schnitzereien im Grödnerthale in Tirol, die Glasraffinene zu Haida,
Stein-Schönau und Gablonz in Deutschböhmen, welche die Frucht einer
jüngeren gewerblichen Volksthätigkeit sind.
Von der culturhistorischen Bedeutung dieser Hausindustrien wollen
wir hier absehen; von diesem Gesichtspunkte aus sind die Hausindustrien,
welche auf alten historischen Traditionen beruhen, als nichts anderes zu
betrachten, wie die Ueberreste der grossen gemeinsamen gewerblichen
Thätigkeit aller indo-germanischen Volksstämme, mögen diese] nun heutigen
Tages slavische, germanische oder romanische genannt werden.
Unser Standpunkt ist in dieser Sache weder der nationale, noch der
culturhistorische, sondern rein der kunstgewerbliche.
Vom gewerblichen Standpunkte aus betrachtet hat diese Volksthätig -
keit ihre ganz besondere Bedeutung, insbesondere dadurch, dass sich m
derselben gute Muster, gute Techniken und ein gesunder Farbensinn er -
halten hat. Durch ein Geschenk des Herrn Felix Lay in Essegg ist das
Oesterr. Museum im Stande gewesen, ein anschauliches Bild der kunst -
gewerblichen Haus-Industrie Slavoniens darzustellen.
In dieser kleinen aber gewählten Sammlung, welche dem Oesterr.
Museum durch Herrn Felix Lay zum Geschenke gemacht wurde, sind
Töpferei, Handweberei, Stickerei, Goldschmiedekunst, kurz die verschie -
denen Richtungen kunstgewerblicher Thätigkeit vertreten. Was auf diesem
kleinen Raume geboten wurde, ist stylvoll und charakteristisch. Herr
Felix Lay ist aber nicht dabei stehen geblieben, seine Kenntniss südsla-
vischer Kunstthätigkeit vom Standpunkte der Liebhaberei auszubeuten, er
sucht dieselbe sehr verständig zur Hebung des National-Wohlstandes
Slavoniens zu verwenden. Um die in der Hausweberei Slavoniens vor -
handenen Muster praktisch zu verwerthen und den slavonischen Geweben
verschiedener Art erhöhten Eingang auf dem europäischen Markte zu
verschaffen, hat derselbe sich mit dem Lehrer an der Kunstschule in
Hanau, Herrn Friedrich Fischbach, der sich das Studium der Flächen-
Decoration zu einer besonderen Aufgabe gesetzt hat, verbunden, und so
eben in Farbendruck ein Werk über südslavische Ornamentik hinausge -
geben, das sich auf der Musealausstellung befindet und ganz geeignet
ist, die Zwecke zu erfüllen, die mit der Herausgabe dieses Werkes ange -
strebt werden.
Von jener Art Haus-Industrie, welche moderneren Ursprunges, ist
relativ nur weniges auf der Musealausstellung vorhanden und zwar einige
bemalte Holzfiguren aus dem Grödnerthale, welche Herr Purger aus
St. Ulrich eingeschickt hat und von denen bereits in der Abtheilung über
Sculptur die Rede war, und ausserdem noch sind einige Glasschliffe aus
Gablonz in jüngster Zeit zur Ausstellung gekommen, Imitationen von
Edelsteinen aus freier Hand gearbeitet. Allerdings muss noch hinzugefügt
werden, dass der grösste Theil dessen, was als Glasschliff und Glasdeco-
ration in der Abtheilung für Glas zur Ausstellung kam, wohl als nichts
anderes zu betrachten ist, wie als Hausindustrie jener Bezirke Deutsch -
böhmens, von denen eben die Rede war.
Es ergibt sich auf den ersten Blick, dass diese moderne Hausindu -
strie von einem ganz anderen Standpunkte zu betrachten ist, als die alt -
historische Slavoniens. Diese moderne Hausindustrie hat alle. Fehler und
alle Vorzüge des modernen Industrialismus und bedarf zu ihrem Gedeihen
aller jener Unterstützung, jener aufmerksamen Pflege auch nach der
comrtierziellen Seite hin, ohne welche eine im grossen Style geübte In -
dustrie heutigen Tages nicht mehr gedeihen kann. Und diese Unter -
stützung wird dieser Hausindustrie in jüngster Zeit in grossem Masse zu
Theil, vor allem dadurch, dass Schulen errichtet werden, in welchen die
Arbeiter, alt und jung, welche auf weiten Gebieten in kleinen Häusern
zerstreut wohnen, Gelegenheit finden sich fortzubilden und die so gewon -
nene Geschicklichkeit in erhöhtem Grade zu verwerthen. E.
XXV.
Bemerkungen über das Verhältniss der Grossindustrie \ur Kunst.
Das Verhältniss der Grossindustrie zur Kunst nach allen Seiten hin
klar zu legen gehört zu den schwierigsten Aufgaben. Was hier gesagt
wird, kleidet sich in die bescheidene Form von Bemerkungen und diese
sollen sich auch nur auf das beschränken, wozu die Ausstellung Anlass gibt.
Von den Grossindustriellen sind mehr erschienen, als eigentlich er -
wartet wurde. Das materielle Interesse führt dieselben nicht auf eine
solche Ausstellung. Verhältnissmässig können sie wenig dabei gewinnen,
sie haben dabei mehr ein industrielles Interesse als ein commerzielles. Um
so schätzbarer und wichtiger ist für uns das Auftreten so bedeutender
Firmen, wie der Cosmanoser Kattundruck-Fabrik, der Neun -
kirchner Zitz- und Kattunfabrik, die Ausstellung der Stoffmuster-
Tableaux von Dormitzer’s Neffe, der Shawlfabrik von Hlawatsch und
Isbary, der Leinwandfabrik von August Küfferle & Comp, und an -
derer mehr. Die Beurtheilung der Leistungen solcher Fabriken muss von
ganz anderen Gesichtspunkten geschehen, als es bei den meisten Gegen -
ständen der Kunstindustrie der Fall ist. Vorerst muss bemerkt werden,
dass die Grossindustrie für den Weltmarkt arbeitet. Sie hat die Befrie -
digung von Massenbedürfnissen zur Aufgabe und beschäftigt sich dem zu
Folge nicht mit den Interessen und Wünschen Einzelner.
Diese ihre auf den Massenbetrieb gerichtete Production macht sie
abhängig von den Strömungen des Tages, von den herrschenden Rich -
tungen des Geschmackes, von den Bedürfnissen des Publicums, welches
der Abnehmer ihrer Waaren ist. Oft muss der Fabrikant, vielleicht gegen
seine bessere Ueberzeugung, das machen, wozu er von äusseren Verhält -
nissen gedrängt wird.
Die Grossindustrie ist theils Fabriksindustrie, theils Hausindustrie.
Insofern der Grossindustrielle viele kleine Leute beschäftigt, die zu
Hause arbeiten, ist er abhängig von dem technischen Geschicke und dem
„Uten Willen Vieler, so der Lyoner Seidenfabrikant, so der böhmische
Glasfabrikant, der die zahlreichen kleinen Leute braucht, die bei der Glas -
raffinerie in Schönau, Haida und Umgebung wohnen.
Aber auch derjenige Grossindustrielle, welcher Hausindustrie braucht,
ist zugleich selbst Fabriksunternehmer; als solcher erzeugt er in babriken
das Rohproduct, das dann in der Hausindustrie verarbeitet oder weiter
raffinirt wird. .
Derjenige Industrielle, welcher blos Fabrikant ist, ohne von dei
Hausindustrie irgend abhängig zu sein, lenkt seine Aufmerksamkeit in
erster Linie auf Erwerbung eines guten Rohproductes, auf eine geschickte
und intelligente Einrichtung des Maschinenbetriebes, auf zahlreiche und
tüchtig geschulte Arbeiter, die so präcis arbeiten, wie eine Maschine, und
auf den commerziellen Vertrieb.
Was den Grossindustriellen der Kunst etwas näher bringt, ist vorerst
die Nothwendigkeit, gute Zeichner oder Modelleure zu haben, über brauch -
bare Zeichnungen jeden Augenblick verfügen zu können. Mangeln ihm
gute Zeichnungen, so ist er entweder in seiner Geschmacksrichtung vom
Auslande abhängig, oder er bleibt auf einem ganz veralteten Standpunkte
stehen. Wie wichtig für die Grossindustrie diese Zeichner sind, haben die
Leiter der Cosmanoser Fabrik, F. Leitenberger und Dormitzer, da -
durch gewissermassen dargethan, dass sie, insbesondeie die Cosmanosei
120
Fabrik^ eine grosse Anzahl ganz lehrreicher und charakteristischer Zeich -
nungen ausgestellt haben, nach denen sie arbeiten.
Fabriken, denen Zeichner fehlen, können auf Ausstellungen der Art,
wie es die Musealausstellung ist, gar nicht erscheinen.
Nach dem Zeichner ist der Arbeiter ein wichtiges Moment für den
Grossindustriellen. Der Fabrikant ist wesentlich interessirt, dass gewisse
Arbeiter geschult, wenigstens einige Kenntnisse im Zeichnen, in der Wahl
der Farben und dergleichen haben, insbesondere muss ihm daran liegen,
dass die Zeichner oder Maler, welche die betreffenden Abtheilungen in
der Fabrik dirigiren, eine gute Schulung haben. Von welchem Einflüsse
solche Werkführer sind, davon gibt die Ausstellung der Schlaggenwalder
Porcellanfabrik ein treffendes Beispiel. Die Herren Haas&Czizek haben
den Malervorstand der Fabrik, Herrn Schmid, schon einige Male an die
Kunstgewerbeschule des Museums geschickt und dabei die Erfahrung ge -
macht, dass sie in ihrer Fabricationsart dadurch einen bedeutenden Schritt
nach vorwärts thun konnten. Wo die Grossindustrie der Hausindustrie
bedarf, ist sie in noch höherem Grade von der Geschicklichkeit und
Schulung der zahlreichen, aber vereinzelten Arbeitskräfte abhängig, welche
zu Hause sich mit der Ausführung der Aufträge beschäftigen.
Hier sind wir also schon auf einem' Punkte angelangt, wo die Kunst
mit der Grossindustrie in Berührung kommt. Der Grossindustrielle wird
schon erwägen müssen, woher und aus welchen Instituten er brauchbare
Zeichner beziehen kann und was er thun müsse, um der gänzlichen
ästhetischen Verwahrlosung der minderen Arbeiter entgegenzuarbeiten.
Es versteht sich von selbst, dass für die letzteren Fragen für ihn Alles
von Wichtigkeit ist, was sich auf Volks-, Gewerbe- und Fabriks-Zeichen -
schulen und auf jene Popularliteratur bezieht, die sich mit der elemen -
taren Bildung der Arbeiter abgibt.
Bei der grossen Abhängigkeit des Grossindustriellen von den Ein -
flüssen des Weltmarktes, von den Fortschritten der Maschine, von den
Eigenthümlichkeiten des Massenbetriebes, ist es daher für denselben un -
endlich schwerer als für andere Kunstindustrielle, sich in Geschmacksrich -
tungen selbstständige Geltung zu verschaffen und sich von den Einflüssen
der Mode unabhängig zu machen; ferner darf nicht ausser Acht gelassen
werden, dass es einem Grossindustriellen ausserordentlich schwer wird,
auf ein neues System von Fabrication in stylistischer Richtung überzu-
gehen, auch dann, wenn mit neuen Vorlagen die technische Fabrications -
art nicht verändert wird. Diese Schwierigkeiten liegen theils in der Natur
des Absatzgebietes und Absatzumfanges, in den Rücksichten auf vorhan -
dene Vorräthe, in den commerziellen Beziehungen eines Grossgeschäftes.
Dass es aber für einen Grossindustriellen überhaupt möglich ist, mit den
Vorurtheilen der Mode zu brechen, und dass dies geschehen kann, nicht
blos ohne Nachtheil, sondern auch zum Vortheile desselben, davon liefert
die gegenwärtige Ausstellung mehr als Einen Beleg.
I 2 I
In erster Linie ist in dieser Beziehung die Fabrik Philipp Maas
& Söhne zu rechnen. Grossindustrielle von europäischem Range, haben
Ph. Haas & Söhne die gänzlich veraltete Decoration von Teppichen, Go -
belins, Decken fast ganz aufgegeben, und bewegen sich auf der Höhe des
modernen Geschmackes, während ihre Concurrenten sich mit Dessins be -
gnügen, die über dem Mass des Gewöhnlichen in der Regel nicht stehen.
Nicht die Mode beherrscht Phil. Haas & Söhne, sondern sie beherrschen
und leiten Mode und Publicum, und das Publicum folgt gerne, sobald es
nur merkt, dass es wirklich eine geschmackvollere Waare erhält. Das
Verdienst, die Geschmacksreform in dieser Branche angeregt und durchge -
führt zu haben, gebührt in erster Linie Herrn Ed. R. v. Haas.
Aehnlich wie bei Phil. Haas & Söhne ist es mit der Anstalt für
Kunststickerei von Carl Giani, der es verstanden hat, den ganzen Zweig
der Stickerei und Malerei für kirchliche Kunst auf eine stylgerechte Bahn
zu lenken, der sich, wie die Musealausstellung lehrt, mit gleichem Ge -
schick auf die Möbelstofffabrication und verwandte Industriezweige wirft.
Ein wichtiges, hieher gehöriges Capitel ist die Eisenindustrie und
die Fabrication von Bauornamenten. Die Eisenindustrie ist auf der
Musealausstellung nur durch einige Eisengüsse aus der fürstl. S alra -
schen Eisengiesserei in Blansko vertreten und durch die prachtvoll
polychrome Schulstiege, aus geschmiedetem Eisen, die Eisengitter an den
Fenstern des Risalites und die Eisenthüren, hervorgegangen aus der
Fabrik Griedl.
Ausgeführt nach den Zeichnungen des Architekten H. v. Ferstel sind
das Musterarbeiten, wie sie nur selten erzeugt, weil selten Gelegenheit ge -
boten wird, sie zu schaffen. Die Figuren aus der F. Salm’schen Erzgiesserei
sind grossentheils nach antiken Figuren gearbeitet; sehr schön im Gusse
und ganz geeignet zur Verzierung von Gärten und Hallen. Nur im Gross -
betriebe ist es möglich, derlei Figuren zu produciren.
In diese Kategorie gehören auch die Producte der Berndorfer Metall-
waaren-Fabrik Schöll er & Co mp., die ihre technisch vortrefflich aus -
geführten Artikel auf eine eminente Höhe bringen könnten, wenn sie auf
Herstellung guter Modelle, Herbeiziehen künslerisch vollständig gebildeter
Kräfte das nöthige Gewicht legen würden. Auch Klinkosch, Hollenbach,
Schmeidler gehören, allerdings mit Artikeln, die auf der Ausstellung nicht
vertreten sind, in den Kreis der Grossindustrie.
Die Bauornamentik ist heutigen Tages theilweise an die Grossindu -
strie gewiesen. "Wie vortrefflich diese ihre Aufgabe erfüllt, wenn sie,
geleitet durch ein künstlerisches Gewissen und künstlerisches Verständniss,
am rechten Platze in Verwendung kömmt, zeigen alle Arbeiten, die am
Museum Vorkommen, in erster Linie die Steinarbeiten von Wasser -
burger und der Stuccolustro von Detoma, der vortrefflicher nicht
gearbeitet werden kann, als es geschehen ist.
Als grossindustrielle Ausstellungsobjecte erscheinen die Producte der
122
Inzersdorfer Z i egel - T er raco tt afabrik, auf die ihrer farbigen De-
coration halber einzugehen, schon speciell Gelegenheit genommen werden
musste — denn diese bildet einen Glanzpunkt der Ausstellung; ferner die
Ausstellung der Terracotta- und Thonwaarenfabrik des Herrn V. Brause -
wetter in Wagram, und die Zinkgesimse, ausgeführt in der Gesimsorna-
mentenfabrik von Fr. Manoschek in Wien. Die Arbeiten des Herrn Ma-
noschek sind sehr präcis und ganz gelungen in der technischen Durch -
führung. Die Arbeiten des Herrn Brausewetter empfehlen sich durch eine
sehr solide Fabricationsweise und grosse Billigkeit. Fachkenner behaupten,
dass sie ihrer Haltbarkeit und Solidität wegen französischen Erzeugnissen
ähnlicher Art bei weitem vorzuziehen sind. Bemerkenswerth ist auch der
Versuch, Glasurfarbe mit dem Thonornament in Verbindung zu bringen.
Auf dem Gebiete der Glasindustrie ist Herr L. Lobmeyr das, was
Herr Ed. v. Haas für die Webindustrie — ein Mann der intelligenten
Reform, der hervorragendste Vertreter der künstlerischen Seite der Glas -
raffinerie weit über die Gränzen Oesterreichs hinaus. Auch er beherrscht
die Mode und das Publicum.
Keiner dieser Fabrikanten hat dadurch verloren, dass sie zur rechten
Zeit in die Bahn des Fortschrittes einzutreten verstanden haben.
Bei vielen österr. Grossindustriellen signalisirt die Ausstellung eine
entschiedene Wendung zum Bessern, so insbesondere die in ihrer Art
ganz eminente Ausstellung von Aug. Klein; die Referenten der Fach -
gruppen für die Bronzeindustrie, für Weberei, Glas- und Porcellanfabrica-
tion, für Chromolithographie u. s. f. waren mehr als Einen Grossin -
dustriellen oder Fabrikanten zu nennen in der Lage, der sich bestimmt
gefunden hat, die hergebrachten Gleise zu verlassen und neue Bahnen
zu betreten.
Nicht wenige Kunstgewerbe, die auf einen En-gros-Betrieb ein -
gerichtet sind, stehen in einem in der Natur der Sache begründeten Ab-
hängigkeitsverhältniss von jenen Fabriken, in denen, sei es das Rohmate -
rial oder die rohe Form erzeugt wird. So ist die Spitzenfabrication von
der des Zwirnes, die Glasraffinerie von den Glasfabriken und so fort ab -
hängig. Wo beider Factoren Zusammenwirken, wo die Vorzüglichkeit des
Materiales mit der Ausbildung der Kunstform gleichen Schritt hält, da
ist auch das kunstindustrielle Product ein ganz vorzügliches. In hervor -
ragendem Masse zeigt sich das in der Lobmeyr’schen Glasausstellung,
welche zugleich eine Ausstellung der Glashütte von Meyr’s Neffe zu
Adolf im Böhmerwalde ist. Dort wird ein Glas erzeugt, welches auf allen
Weltausstellungen mit dem ersten Preise ausgezeichnet, dem Zeichner,
dem Glasschleifer ermöglicht, das schöne Materiale auch zur vollen Geltung
zu bringen. Von welcher Bedeutung ein intelligent geleiteter Fabriksbetrieb
im Grossen ist, zeigen die Fabricate von Meyr’s Neffe, wenn man die
Sorgfalt in Behandlung der Details aufmerksam betrachtet.
Auch J. Schreiber’s Neffen sind als Glasfabrikanten Grossindu-
123
strielle, die für Massenbedarf arbeiten, und deren Geschäft auch nach
jenen Seiten, die das Museum berühren, in einem erfreulichen Aufschwünge
begriffen ist.
Nicht unbemerkt aber wollen wir lassen, dass manche Zweige der
Kunstindustrie über eine ungenügende Erzeugung des Rohmateriales
klagen. So müssen Gypsgiesser vielfach ausländischen Gyps, Kunstbuch -
binder vielfach ausländisches Leder beziehen, um nur einige wenige Bei -
spiele anzuführen. Die Fabrication der Kirchenfenster macht wesentliche
Fortschritte, seitdem die Tiroler Glasmalerei-Anstalt in Innsbruck das so -
genannte Kathedralglas, das man früher nur aus England bezog, selbst
en-gros erzeugt.
In anderen Zweigen wieder ist Rohmaterial, Holz, Porcellanerde,
Marmor, Granit, Eisen hinlänglich vorhanden; aber es fehlt an einer ent -
sprechenden Verwerthung des Rohmaterials, an einem intelligent genug
geleiteten Fabriksbetrieb. Diese in der Natur der Dinge liegenden Ab -
hängigkeitsverhältnisse der Kunstindustrie von der Grossindustrie und der
Verarbeitung der Rohmaterialien zeigt deutlich, von welchem Werthe es
für die gesammte Kunstindustrie ist, wenn Chemie, Mechanik, Technologie
mitwirken, und Gewerbevereine und technische Schulen einen beleben -
den Einfluss auf die gesammte Industrie ausüben.
Allerdings gibt es noch immer ganze grosse Fabriksgebiete, wo es,
wie bei der Cassenfabrication, aus technischen Gründen ausserordentlich
schwer ist, den Anforderungen des Geschmackes erhöhte Rechnung zu
tragen, oder wo, wie auf dem Gebiete der Glasindustrie, es nicht möglich
geworden ist, die Unbildung des Geschmackes oder die Apathie der
Fabrikanten zu besiegen. »Wenn wir, — so sprechen manche Porcelian-
und Glasfabrikanten, — mit unserer Mittelwaare, die den Kennern ebenso
missfällt, als sie dem Publicum gefällt, so glänzende Geschäfte machen,
sollen wir uns bemühen, mehr zu machen als verlangt wird? — wir
reichen mit unseren Arbeitskräften ohnedem nicht aus; es kommen uns
mehr Bestellungen zu, als wir effectuiren können.«
Manches Wahre liegt in diesem Raisonnement; für manchen Produ -
centen, inbesonders für den, welcher seinen Markt nicht erweitern kann,
eine Rechtfertigung. Aber für eine ebenso grosse Anzahl von Fabrikanten
ist diese Art, sich zu rechtfertigen, nur Vorwand. So sprechen, nicht
blos auf dem Gebiete der Kunst oder Kunstindustrie, auch auf dem der
schönen Literatur, der Musik, alle jene, die etwas Gutes weder erzeugen
wollen noch erzeugen können. So sind die Vertreter des Schlechten, die
den Unsinn der Mode noch überbieten, noch thörichter sein wollen, als
die Tagesthorheit des Publicums. Und das sind Erscheinungen, für die
wir keine andern Worte haben, als die des Tadels, das sind Richtungen,
die zu bekämpfen unser Beruf ist.
Es ist möglich, dass diese Industriellen im Moment ihre Rechnung
finden und ihr Geschäft machen, wenn sie auf die niedere oder schlechte
124
Geschmacksbildung des Publicums speculiren, aber sie vergessen oder be -
denken nicht, dass die Geschmacksbildung in einem grossen Wandel
begriffen ist. Die Geschmacksbildung ist in raschem Wachsen und breitet
sich weiter und weiter. Viele, die bisher von den Leistungen dieser Art
Industrie entzückt waren, wenden ihr bereits verächtlich den Rücken;
sie finden zahllos Nachfolge und die Zeit ist nicht fern, wo auch die
Massen verschmähen werden, was sie noch heute anbeten. Alsdann sind
mittlerweile andere Fabriken, welche klug dem Zuge der Zeit gefolgt
sind, zuvorgekommen, haben Ehre und Terrain erobert, während jenen,
wenn sie umkehren wollen, das »Zu spät« entgegengerufen wird.
E.
XXVI.
Schlusswort.
(Die Lücke auf der Ausstellung. — Gewerbe - Institut [Athenäum]. — Ein Wort an das
Publicum.)
Die Aufgabe eines Berichtes über die Musealausstellung würde ein -
seitig aufgefasst sein, machte derselbe nicht auf die Lücken aufmerksam,
welche auf derselben hervorgetreten sind.
Diese Lücken sind verschiedener Natur und machten sich theilweise
auf Gebieten bemerkbar, welche nicht, im engsten Sinne des Wortes, in
den Kreis der Ausstellung des Museums gehören, und mehr die rein
technologische und mechanische Seite der Kunstgewerbe, als die künst -
lerische berühren.
Untersucht man nämlich die ausgestellten Objecte nicht vom Stand -
punkte des Geschmackes, sondern von dem der technischen Fertigkeit, so
sieht man ganz deutlich, dass in unserem Gewerbeleben und in unserer
Gewerbebildung eine grosse Lücke vorhanden ist. Ein grosser Theil un -
serer Industriellen, besonders die Kleingewerbe, sind wenig vertraut mit
den Fortschritten auf dem Gebiete der Technologie. Sie behelfen sich
mit theilweise veralteten Maschinen und Werkzeugen, und benützen die
Fortschritte der modernen Technik nicht in dem Masse, als es zu wün -
schen wäre. Auch hat man manche Ursache, über Mangel an Präcision
in der Ausführung zu klagen. Stücke, welche in dieser Beziehung allen
Anforderungen genügen, sind nicht gerade sehr häufig zu finden.
Unter diesen Umständen wird man es sehr begreiflich finden, dass
das Oesterr. Museum das Inslebentreten eines Gewerbe-Institutes freudig
begrüsst, welches sich zur Aufgabe setzt, diese Lücken in dem Gewerbe -
leben Wiens speciell in einer würdigen Weise auszufüllen. Mehrmals
wurden bereits Anläufe genommen, ein solches, insbesondere für die Hebung
der Kleingewerbe bestimmtes Institut zu gründen. Von Seite des nieder -
österreichischen Gewerbevereines und der Handels- und Gewerbekammer
für Niederösterreich wurden bereits mehrmals nach dieser Richtung hin
fl
125
Schritte gethan, aber immer blieb es bei den ersten Anläufen und nie
kam es zu einem wirklich praktischen Resultate. Die Wiener Weltaus -
stellung scheint die Gründung eines solchen Gewerbe-Institutes der Aus -
führung etwas näher zu rücken. Baron Schwarz war es, der gleich
beim ersten Auftreten als Leiter der Wiener Weltausstellung es aussprach,
man müsse diese benützen, um auch bleibende, nicht nur vorübergehende
Resultate zu erzielen. .
Schon zu der Zeit, wo Baron Schwarz als Secretär des n. o. Ge -
werbevereines wirkte, hat er Gelegenheit gehabt, die hier berührten Mängel
unseres Gewerbelebens kennen zu lernen. Beinahe zwei Jahrzehnte hat
sich derselbe im Auslande bewegt und Gelegenheit gehabt, die Industrie
des Auslandes zu studiren. Und wer wie er so eingeweiht ist in die
Zustände der Industrie des Auslandes, in die Ursachen ihres Gedeihens
und Wachsthums, dem konnte in dem Augenblicke, wo er m die Hei-
math zurückgerufen wurde, um die ehrenvolle Mission des Leiters der
Wiener Weltausstellung zu übernehmen, der Abstand nicht entgehen zwi -
schen der Fachbildung des Gewerbestandes des Inlandes und der des Aus -
landes, insbesondere Frankreichs, Englands, Belgiens u. s. f. . Er regte
daher sogleich die Idee an, man müsse die Weltausstellung benutzen, um
ein Gewerbe-Institut (Athenäum) in das Leben zu rufen, welches geeignet
ist, die eben berührten Lücken in der gewerblichen Ausbildung, insbeson -
dere der Kleingewerbe, entsprechend auszufüllen.
Dieses Institut soll sich an unmittelbare praktische Zwecke an-
schliessen, die dringendsten Bedürfnisse des Gewerbestandes Wiens befrie -
digen und sich in dem Masse erweitern und ausbilden, als es durch die
äusseren Umstände geboten wird. So auf dem Boden reeller praktischer
Bedürfnisse aufgebaut, ohne den Arbeiterstand und das Kleingewerbe
durch hohle Phrasen auf den Boden nie zu erfüllender Wünsche zu leiten,
wird ein solches Gewerbe-Institut nicht blos viel dazu beitragen, die
Arbeiterfrage, wenigstens nach einer Seite hin, einer vernünftigen Lösung
zuzuführen, es wird auch andererseits einen unmittelbaren praktischen
Nutzen haben, indem es die technologische Ausbildung fordert und die
Arbeiter selbst geschickter und gebildeter macht, als sie es bisher theil-
weise sind.
In dem Augenblicke, wo diese Zeilen zum Drucke gegeben werden,
ist bereits ein Comite thätig, um die ersten Grundzüge eines solchen
Gewerbe-Institutes mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse der
Kleingewerbe Wiens zu entwerfen.
Geht man von diesen ausschliesslich technischen Lücken in der
Kunstgewerbe - Ausstellung zu denjenigen über, welche sich mehr der
künstlerischen Seite nähern, so muss vorerst bemerkt werden, dass in
Oesterreich überhaupt einige Zweige der Kunstindustrie noch gar nicht
oder nur ungenügend betrieben werden, und andererseits auch bestimmte
126
Gegenstände nicht in dem Masse gemacht werden, als es den Bedürfnissen
unseres Publicums entspricht.
Am meisten lässt in dieser Beziehung die Metallindustrie, insbeson -
dere die Eisenindustrie, zu wünschen übrig. In feinem Porcellan wird
seit der Aufhebung der k. k. Porcellanfabrik in Wien fast gar nichts er -
zeugt, und Oesterreich ist genöthigt, seinen Bedarf an feineren Porcellan-
waaren aus der Meissner und Sevres-Fabrik zu decken. Die Fayence ist
in den ersten Anfängen. Die Fabrication von glasirten Thonöfen und
Kaminen ist ebenfalls noch sehr gering entwickelt, und so könnten wir
noch eine grosse Anzahl von Fabricationszweigen aufführen, die unge -
nügend vertreten sind und auf Gegenstände hinweisen, die, nicht in ge -
nügender Anzahl und nicht in hinlänglich guter Qualität erzeugt, Oester -
reich vom Auslande abhängig machen. Aber um Vollständigkeit der Aus -
führung ist es uns hier nicht zu thun, sondern es war nur unsere Ab -
sicht, im Grossen auf einige Lücken der Ausstellung aufmerksam zu machen,
ln Oesterreich speciell ist es nöthig dieses zu thun; denn viel zu viel
beruhigt man sich mit ersten Erfolgen und glaubt dann die Hände in den
Schooss legen zu können, und in diesen Fehler darf man im Oesterr.
Museum am wenigsten verfallen. Die auf dieser Ausstellung unzweifelhaft
errungenen Erfolge müssen vielmehr für die Aussteller und das Museum
ein Sporn sein, auf der Bahn des Fortschrittes vorwärts zu gehen, ohne
sich durch die Leidenschaften und Gehässigkeiten des Tages, durch un -
verständigen Tadel oder durch eben so unverständiges Lob von der Er -
füllung der Aufgabe abschrecken zu lassen, welche dem Museum selbst
durch den ersten Paragraph der Statuten vorgezeichnet ist, der da heisst:
»Das Museum hat die Aufgabe, durch Herbeischaffung der
Hilfsmittel, welche Kunst und Wissenschaft den Kunstge -
werben bieten und durch Ermöglichung der leichteren Be -
nützung derselben die kunstgewerbliche Thätigkeit zu för -
dern und vorzugsweise zur Hebung des Geschmackes in dieser
Richtung beizutragen.«
Ein wie grosses Feld der Thätigkeit uns hiernach noch offen bleibt,
haben wir rückhaltlos anerkannt. Um so unbedenklicher dürfen wir auf
eine Errungenschaft hinweisen, welche ausserhalb des in jener Weise um -
grenzten Gebietes liegt. Seit seiner Gründung ist das Museum bemüht
gewiesen, jedem strebsamen Talente zur Anerkennung zu verhelfen, und
hat deshalb, so weit es ihm möglich war, darauf gehalten, dass bei Aus -
stellung neuer -Arbeiten nicht blos die Firma, der Fabrikant, namhaft ge -
macht werde, sondern auch der Zeichner, der Modelleur, wo möglich die -
jenige Person, in deren Händen die Ausführung lag. Dieses System ist
auf der diesmaligen Ausstellung in grossem Maßstabe durchgeführt worden,
und insbesondere unsere ersten und grössten Industriellen gingen bereit -
willig auf den Gedanken ein, jeden Arbeiter zu nennen, der irgend einen
selbstständigen Antheil an der Herstellung des ausgestellten Objectes hatte.
127
Wir hoffen, dass dieses Beispiel nicht ohne Nachfolge bleiben werde, von
dem wir uns eine durchaus günstige Einwirkung auf die Beziehungen zwi -
schen Arbeitgeber und Arbeiter versprechen. Die materielle Lage der
letzteren verbessert sich unter dem Einflüsse der ausserordentlichen Reg -
samkeit im Geschäftsleben einerseits und mit Hilfe der Waffen, welche
das Coalitionsrecht ihnen liefert, fort und fort, für ihre Vor- und Fort -
bildung wird in umfassender Weise Sorge getragen, und wenn nun ein
jeder Arbeiter das Bewusstsein haben kann, dass es nur von seiner Lei -
stung abhängt, ob er in Zukunft ein namenloser Bestandtheil einer Ma -
schine bleiben, oder ob für seinen Fleiss und seine Geschicklichkeit auch
ihm, so gut wie seinem Brotherrn, äussere Ehre zu Theil werden soll,
ohne dass er nöthig hätte, die Lasten und Sorgen eines eigenen Geschäftes
zu übernehmen, so glauben wir darin nicht allein einen Sporn für den
Einzelnen, sondern auch ein Befriedigungsmittel für den ganzen Stand zu
erkennen.
*
Und nun, da wir mit diesen Bemerkungen dem Schlüsse des Aus -
stellungsberichtes zueilen, ist es passend, einige Worte auch direct an
das Publicum zu richten.
Die Kunstindustrie in Oesterreich ist eine junge Pflanze. Ihre Ge -
schichte reicht in wenige Jahrzehnte zurück. Sie hat keine historischen
Traditionen hinter sich, wie die Kunstindustrie in Frankreich, Italien,
in Belgien und am Rheine, wo Florenz, Venedig, Brügge, Antwerpen, Paris
Lyon, Limoges, Köln und andere Städte mehr schon in früh historischen
Zeiten Pffänzstätten grosser kunstindustrieller '[Tätigkeit gewesen sind.
Aus eben diesem Grunde bedarf aber diese junge Pflanze aufmerksamer
Pflege und jenes Schutzes von Seite des Publicums, welcher auf einer
wohlwollenden Stimmung und einem intelligenten Patriotismus beruht.
Es ist eine bare Thorheit, in Allem und Jedem von der Österreichi -
schen Kunstindustrie heute schon das verlangen zu wollen, was man in
Frankreich, in Italien und in Belgien als die Frucht eines jahrhundert -
langen kunstgewerblichen Ringens und Strebens betrachten kann. Und
vor Allem möchten wir davor unser Publicum warnen, dass es sich zu
sehr der falschen Bewunderung des Auslandes hingebe, und jener Nega -
tion und Oppositionssucht, die, bei uns mehr im Schwünge als irgendwo,
viele Keime zerstört, Muthlosigkeit in die Reihen der Industriellen ge -
bracht, und nirgendwo etwas Positives geschaffen hat.
Einen Factor im kunstindustriellcn Leben gibt es, zu dessen Pflege
und Förderung das Oesterr. Museum weder berufen noch berechtigt ist,
und dieses ist das, was man die »grosse Kunst« nennt.
Zur Pflege der grossen Kunst ist die Akademie der bildenden Künste
berufen, deren Reform wohl in dem Augenblicke schon eine vollendete
Thatsache sein wird, wenn sie in die neuen Räume einzieht, die zu
schaffen der Architekt Hansen berufen ist. Dort ist der Platz, wo das
f
128
Studium der Antike, die Lehre der Baustyle, das Studium der grossen
Malerei und figuralen Plastik, die Ideale der grossen Kunst im Auge be -
haltend, betrieben werden müssen. Nicht in einem zur Pflege der Kunst -
gewerbe geschaffenen Institute, sondern an der Akademie der bildenden
Künste ist der Ort, wo ein Museum der Gypsabgüsse im Geiste der mo -
dernen deutschen Kunstforschung aufgestellt werden muss.
Noch wichtiger als diese mit der Akademie der bildenden Künste im
Zusammenhänge stehenden Fragen sind die grossen Monumentalbauten,
welche in der nächsten Zeit in Wien zur Ausführung kommen sollen:
die Hof-Museen, das Hof-Schauspielhaus, die Universität, das Stadthaus,
das Parlamentshaus und die Akademie der bildenden Künste. Für das
kunstgewerbliche Leben Wiens ist es von unnennbarem Vortheile, dass
dasselbe seine Kraft an solchen grossen Bauten erproben, durch dieselben
Erziehung und geistige Richtung erhalten kann; von eben so grossem
Vortheile ist es ferner, dass unter den Architekten, welche zur Lösung
dieser Aufgaben berufen sind, sich Männer der verschiedensten Stylrich -
tungen befinden, Vertreter des Hellenenthums und der Gothik, der fran -
zösischen und italienischen Renaissance. Wie das architektonische Leben
Wiens aus diesem Grunde eben vor Einseitigkeit und Trockenheit gewahrt
ist, vor jenem Doctrinarismus, der anderswo die Physiognomie grosser
Städte zur Eintönigkeit verurtheilt, so kommt auch diese Mannigfaltigkeit
der Stylrichtungen unseren Kunstgewerben ganz besonders zu Statten.
Die Weltausstellung im nächsten Jahre wird deutlich zeigen, dass
die Herrschaft einer ausschliesslichen Stylrichtung im modernen Kunst-
und Kunstgewerbe-Leben vollständig gebrochen ist, und dass es nicht
mehr angeht, dass eine Richtung ausschliesslich über die andere zu Ge -
richt sitzt. Hoffen wir, dass auch die äusseren Umstände sich so gestalten,
dass wir einer Periode des Friedens und der Wohlfahrt entgegen gehen.
Denn Friede uud Wohlfahrt, Bildung und Sitte sind es, unter deren Schutze
Kunst und Kunstgewerbe am besten gedeihen. E.
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