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206
Schnütgen!
Die Ausstellung kirchlicher Kunstgegenstände in Wien,
welche das k. k. österreichische Museum für Kunst und Industrie in diesem
Jahr für die Zeit vom JjL März bis 31. August veranstaltet hat, zählt zu
den periodischen Spezialausstellungen, welche in diesen Räumen alljährlich
stattfinden. Der Zweck derselben ist ein vorwiegend praktischer, insoweit
die Beeinflussung der modernen Kunst, vor Allem des Kunstgewerbes, das
Hauptziel der Veranstalter ist, welche bald aus dem Museums-Vorstände
allein bestehen, bald, wie im gegenwärtigen Falle, ans einflussreichen Per -
sönlichkeiten, die ihn verstärken. Welch reiche Früchte diese Einrichtungen
getragen haben, beweist ein Blick auf die österreichische, vornehmlich die
Wiener Kunstindustrie unserer Tage, die in diesem Museum ihren Aus -
gangs- und beständigen Mittelpunkt hat. Neben den praktischen Interessen
vertritt es aber auch streng wissenschaftliche, namentlich archäologische,
wie manche seiner Ausstellungen und Veröffentlichungen beweisen. Der
letztere Zweck trat bei einer Ausstellung kirchlicher Alterthümer, die schon
voi 27 Jahren in Wien stattfand, entschieden in den Vordergrund und
archäologische Tendenzen haben zumeist disr‘ähnlichen-Unternehmen her -
vorgerufen, weiche in unserer Heimath zuerst in’s Leben getreten sind
sich immer wiederholt haben, um gegenwärtig in der Crefelder Paramenten-
Ausstellung ihre Fortsetzung zu finden. Im Unterschiede von ihnen hatte
die soeben geschlossene Wiener Ausstellung einen ausschliesslich prakti -
schen Zweck, denjenigen nämlich, zunächst in Oesterreich der kirchlichen
Kunst durch Vorführung guter alter Vorbilder wieder neue Anregung zu
geben. In den Kreisen des Museums, welches über seine nächsten die
profane Kunst betreffenden Aufgaben, die weiteren Gesichtspunkte nicht
verliert, auch seine kirchlichen Kunst-Obliegenheiten glücklicherweise nicht
vergisst, scheint nämlich die Anschauung verbreitet, dass auch in Oesterreich
in dem letzten Jahrzehnt die kirchliche Kunst nicht nur hinter der weltlichen
entschieden zurückgeblieben sei, sondern überhaupt viel eher Rückschritte
als Fortschritte gemacht habe. Vortrefflich waren die Anfänge, die sie auch
dort zu Lande gemacht hatte, im Anschlüsse vornehmlich an die Anregung,
die von der Rheinprovinz und ihrem kunstgeschichtlichen Mittelpunkte, dem
Kölner Dome, ausgegangen war. Hervorragende Künstler, anfangs beson -
ders Architekten, stellten frisch und begeistert ihr ganzes Können in den
Dienst der neuerwachten kirchlichen Kunst. Was sie von tüchtigen Kunst -
handwerkern noch vorfanden und zu beeinflussen vermochten, unterstützten
sie zur Ausführung der zum Theile grossen und lohnenden Aufgaben, die
ihnen von hohen Gönnern und unternehmenden Corporationen gestellt
Die Ausstellung kirchlicher, Kunstgegenstände in Wien. 207
wurden. Die mittelalterlichen Kunstwerke, zunächst die der Architektur,
wurden gründlich erforscht und studiert, die neuen Bauten, die sich an
sie anschlossen, fingen bald an, ihren Geist zu athmen. Die dienenden
Künste folgten schnell nach, auch die Kleinkünste. Mögen letztere durch
den allzugrossen Einfluss der Baumeister von der Architektur vielfach
allzu abhängig, die Nachahmungen alter Formen in manchen Fällen allzu
sklavische gewesen sein, die besten Leistungen aus den fünfziger und
sechziger Jahren verdienen alle Anerkennung, weil sie hohen Ernst und
edles Streben verrathen. Leider zogen die begabtesten Meister allmählig
vom Gebiete der kirchlichen Kunstthätigkeit sich zurück. Lohnender
waren die Aufgaben, welche die profane Kunst ihnen stellte, denn diese
suchte sich bald der glänzenden Erfolge, welche auf dem kirchlichen
Kunstgebiete unverkennbar Vorlagen, zu bemächtigen. Dank den Mitteln
über die sie verfügte, und der ganzen Zeitströmung, die ihr von oben und
von unten entgegenkam, entfaltete sie eine grosse Energie, und in fast zu
schnellem Laufe ging sie auf ihre Ziele los. So gross auch die Zahl der
Künstler war, die auf das verlockende weltliche Kunstgebiet übertraten,
der Nachwuchs auf dem kirchlichen blieb noch stark genug, aber der
Geist schien ihm immer mehr zu entweichen. Anstatt den mittelalterlichen
Vorbildern, deren Studium sich doch so erfolgreich bewährt hatte, immer
enger sich anzüschliessen, entfernte er sich immer mehr von ihnen, allerlei
modernisirenden Neigungen zu Lieb, denen mannichfach in der oberfläch -
lichsten Weise das Wort geredet wurde. Leider verstummte mehr und
mehr das Gegenwort. Von einer eigentlichen berufenen Kritik war kaum
noch die Rede, die unbedeutendsten Erzeugnisse fanden hingegen wort -
reiche Lobredner. Wer kaum als Geselle in einer tüchtigen Werkstätte zu
gebrauchen gewesen wäre, machte sich als Meister breit und beging unter
unverständiger Patronage ungestört und unbehindert allerlei Gebilde, deren
stilistische Bezeichnungen nur als Anmassung und Lüge erschienen. Wenige
Meister nur retteten sich und ihren Schülern den Schatz des sorgfältigen
Studiums und ernsten Strebens, für den endlich wenigstens der Anfang
der Erkenntniss und Würdigung aufzugehen scheint. So ist es fast überall,
hier mehr dort weniger, in Deutschland, so scheint es auch wohl in Oeste -
reich zu sein, wo sich zugleich noch viel mehr als bei uns der kaufmännische
Geschäftsbetrieb der kirchlichen Kunstthätigkeit bemächtigt und sie fast zum
Monopol ausgebildet hat. Das österreichische Museum verdient daher hohe
Anerkennung und reichen Dank, dass es nach einem Heilmittel gesucht und
es in einer Ausstellung kirchlicher Kunstgegenstände gefunden hat. Diese
umfasst alte und neue Sachen vom frühen Mittelalter bis in die Gegen -
wart. Der praktische Zweck, für den der Vergleich ein besonders wichtiger
Faktor ist, liess auch auf die Erzeugnisse der letzteren nicht verzichten.
Was sich von ihnen, also von den modernen Arbeiten bereits seit kürzerer
208
Schnütgen:
oder längerer Zeit in den Händen der Besteller befindet, hat in der alten
Abtheilung unter dem Namen des Eigenthümers Aufnahme gefunden, was
noch im Besitze der Verfertiger ist, bildet unter deren Namen, meistens
als verkäufliche Waare, die andere Abtheilung.
Besprechung und Beurtheilung dieser Leistungen ist Sache der Zeit -
schriften und Fachblätter, welche die Behandlung der modernen Kunst -
erzeugnisse, sei es als Haupt-, sei es als Nebenzweck, sich zur Aufgabe
gestellt haben. Auch an kirchlichen Organen hierfür fehlt es weder in
Oesterreich, noch in Deutschland. Eine solche Besprechung gehört aber
nicht in die „Jahrbücher“, für die mir der ehrenvolle Auftrag geworden
ist, über die Wiener Ausstellung einen Ueberblick zu geben. Dieser
darf sich an dieser Stelle nur auf die alte Abtheilung beziehen und auf
diese auch, wenigstens im Allgemeinen, nur insoweit, als es sich um
archäologische Gesichtspunkte, allerdings im weiteren Sinne des Wortes
handelt.
Fragen wir zunächst nach der Art der ausgestellten Objekte, nach
ihrer Anzahl wie nach ihren Hauptausstellern den Catalog. Er lag schon
am Tage der Eröffnunng in sehr hübscher Ausstattung fertig vor und
führt im Inhalts-Verzeichnisse fünf Gruppen auf: 1. Buchausstattung
und Bucheinbände. 2. Textile Arbeiten. 3. Holzarbeiten.
4. Metallarbeiten und Email. 5. als Arbe-it-en . verschiedener
Art Elfenbein und Bein; Alabaster, Marmor, Stucco und Kehlheimerstein;
Thon, Wachs und Glas; Varia. Dass in diesen Gruppen die Königin der
kirchlichen Kunst, die Architektur fehlen musste, ist selbstverständlich.
Selbst Entwürfe zu ihr waren durch die Grenzen des Raumes ausge -
schlossen. Auch für grössere Gemälde und Altarwerke schien der Raum
nicht besonders geeignet und auch aus anderen Gründen eine Beschränkung
auf kleinere Gemälde und Holzfiguren angezeigt, ln dieser Umgrenzung
beschreibt der Catalog auf 113 Seiten 1047 Nummern. 42 derselben, die
vornehmlich den Glanzpunkt der metallischen Abtheilung bilden, sind als
ganz aussergewöknlicher höchst schätzbarer Beitrag die Abbildungen aus
früheren Veröfientlichungen beigefügt, sei es als in den Text gedruckte
Illustrationen, sei es als Extra-Tafeln. Die Nachträge umfassen noch ein
Hundert weiterer Nummern mit 2 Illustrationen, und auf ein Hundei t von
Gegenständen mag sich auch noch belaufen haben, was zu spät eingegangen
war, um noch in den Nachträgen Beschreibung oder Erwähnung finden zu
können. Es besteht hauptsächlich in höchst merkwürdigen Stickereien und
Metallsachen aus drei Klöstern der Bukowina, sowie in verschiedenen Leih -
gaben aus Privatbesitz. Der letztere hat sich im Ganzen der Ausstellung
gegenüber etwas kühl verhalten, denn mehrere hervorragende Privatsamm -
lungen der Kaiserstadt fehlen ganz. Dafür sind freilich andere, nament -
lich die von Figdor und Trau, sowie vom Fürst Liechtenstein und Graf
Die Ausstellung kirchlicher Kunstgegenstände in Wien. 209
Wilczek um so glänzender vertreten. Der öffentliche Kunstbesitz, zu dem
wohl auch der den Klöstern gehörige gerechnet werden darf, ist, insoweit es
sich um den deutschen Th eil des Reiches handelt, fast ausnahmslos zur Ver -
fügung gestellt worden, während die ungarischen und polnischen Theile sich
eine sehr grosse Zurückhaltung auferlegt haben. Nachdem die kaiserliche
Familien-Fideicommiss-Bibliothek und die Hofburg-Capelle ihre Schränke
geöffnet, verschiedene Erzherzoge aus ihren Schätzen mitgetheilt hatten,
durften die alten österreichischen Abteien und Stifter, deren conservative
Interessen auch im Anfänge dieses Jahrhunderts einem erheblichen politi -
schen Widerstande nicht begegnet sind, ihre Kostbarkeiten nicht vorent -
halten. Sie sind zwar längst bekannt und die meisten von ihnen ver -
öffentlicht, aber ihr zweifelloser Ursprung UDd ihre künstlerische Bedeutung
verschafft ihnen immer wieder neue Geltung. Rechnet man dazu, was
einzelne Kirchen, was Sammlungen und Museen geschickt haben, so ver -
vollständigt sich das herrliche Bild, so herrlich, dass eine Wiederholung
desselben kaum noch erwartet werden kann. Ueber jeden einzelnen Gegen -
stand gibt der Catalog, der überall die Hand des Fachmannes erkennen
lässt, knappe, aber durchaus klare und präzise Auskunft. Bestimmung
und Material, Technik und Stil, Ursprungszeit und Massverhältnisse werden
genau angegeben und was von besonderer Wichtigkeit ist, die Schriften
verzeichnet, in denen einzelne Objekte bereits ex professo behandelt und
beschrieben sind. Alle diese Vorzüge sichern dem Gataloge einen hohen
dauernden Werth. Einem Rundgauge durch die Ausstellung wird am besten
die systematische Anordnung des Cataloges zu Grunde gelegt, der inner -
halb der einzelnen Gruppen die Gegenstände ihrer Bestimmung gemäss zu -
sammenstellt, um in diesen Unterabtheilungen für die Reihenfolge das Alter
massgeblich sein zu lassen.
Beginnen wir also mit der Gruppe der illustrirten Handschriften,
welche nach derjenigen der Stickereien und Metallarbeiten die reichste ist.
Sie stellen in wahrhaft glänzender Reihe die Entwicklung der Schrift und
Miniatur durch acht Jahrhunderte dar, aus der karolingische^ Epoche bis
in die letzte Zeit der Renaissance. Die ältesten sind Evangelienbücher mit
den Evangelistenbildern. Ihnen folgen Sakramentarien, Breviarien, Missalien,
Antiphonarien, Horarien; Armenbibeln, Gebetbücher u. s. w. schliessen die
Serie. Die ältesten Codices gehören noch den Klöstern, in denen sie ent -
standen, oder für die sie gemacht sind. Im Besitze von öffentlichen Bi -
bliotheken finden sie sich nur vereinzelt. Dem Geschäftsbetriebe verfallen
alte kostbare Handschriften glücklicherweise äusserst selten. Nicht bloss
in Deutschland sind sie in der Geschichte der Malerei für die älteste
Periode bis tief ins XI. Jahrh. hinein die einzigen, für die folgende Zeit
sehr gewichtige Zeugen. Nur aus ihnen sind die massgeblichen Einflüsse
für jene zu erkennen und zu bestimmen. Und weiche Bedeutung haben
14
210
Schnütgen:
sie in ikonographischer und culturgeschichtlieher Beziehung! Auch die
technische ist nicht zu vergessen, obwohl sie für unsere Besprechung in den
Hintergrund tritt. Sie bilden desswegen schon seit langer Zeit, namentlich
aber seit einigen Jahren den Gegenstand sorgfältigster Forschung, deren
bedeutungsvolle Frucht ein eminenter Fortschritt in Bezug auf die Kennt-
niss der karolingischen Malerei, ihres Ursprunges und ihrer Entwickelung
ist. In dem Codex millenarius von Kremsmünster klingen noch klassische
Reminiscenzen nach neben den irischen Einflüssen, die ihn beherrschen und
wie in der einfachen Färbung, so namentlich im Ornament sich geltend
machen bis zu den Fischmotiven, aus denen die Buchpulte der Evange -
listen sich zusammensetzen. Auch in den blattgrossen Purpurinitialen der
Evangeliarien aus Prag und Göttweih wirkt dieser Einfluss noch nach,
während der Wyssehrader Codex in seinen schwungvollen Initialen, wie in
seinen grossen figürlichen Darstellungen ganz selbstständige Gestaltung
zeigt. Wie er mit zwei anderen Evangeliarien das XI. Jahrli. vertritt,
zeigen ein Brevier, Ceremoniale, Missale die eigenartige Behandlung, welche
das XII. Jahrh. in der Contour- und colorirten Federzeichnung pflegte.
Diese steigert sich noch im XIII. Jahrh., welches reich vertreten ist. Den
Glanzpunkt aber in der langen Serie der illuminirten Codices bilden fünf
Manuscripte aus dem Anfänge des XIV. Jahrh.: die „Walialaw’s Bilder-
bibeP 1 , das „Passiouale der Aebtissiu KunigundeK r die berühmte. Biblia
pauperum aus St. Florian, das Speculum liumanae salvationis aus Krems -
münster und die Concordantia caritatis aus Lilienfeld. Die Bilderbibel
enthält 188 Blätter und auf jeder Seite zwei Bilder aus dem alten und
neuen Testamente, die noch manche romanisirende Reminiscenzen aufweisen,
eine wahre Fundgrube für die Archäologie uud ihre Ilülfswissenschaften.
Noch viel besser als hier sind die zahlreichen ganz ausgemalten und voll
ausgereiften frühgothischen Darstellungen in dem Passionale, künstlerisch
wie ikonographisch in dieser Periode nur noch von der nebenanliegenden
Bilderbibel übertroffen mit ihren überaus edlen und zarten Umrisszeichnungen.
Sie ist längst facsimilirt und nur auffallend, dass sie von den Künstlern
bei der Ausstattung von Kirchen und von Büchern so wenig benutzt wird.
Ihr schliessen sich Speculum und Concordantia wie ihrem Inhalte, so ihrer
künstlerischen Bedeutung nach würdig an. Neben diesen vornehmlich der
Belehrung dienenden Büchern stellte schon das XIV. Jahrh. die für den
Chorgesang bestimmten in den Vordergrund, in denen der Initial zu neuem
die ganze Illustration beeinflussenden Leben ersteht und die Randver -
zierungen ihre glänzende Laufbahn beginnen. Hier mischen sich unter die
deutschen Produkte bereits die italienischen und burgundischen, nachdem
die französischen schon früher eingetreten waren. Die Manuscripte, welche
nicht dem officiellen kirchlichen Gebrauche, sondern der Privat-Andacht
dienten in Form von Gebetbüchern, Horarien, livres d’heures, zeichnen sich
Die Ausstellung kirchlicher Kunstgegenstände in Wien.
211
nicht bloss durch die höchste Vollendung in der Zeichnung und Composi-
tion, sondern auch durch die grösste Zartheit in der Farbe und Ausführung
aus, würdig der grossen flandrischen Meister und der Schulen, aus denen sie
hervorgegangen. Die Gebetbücher Karls des Kühnen, Philippos des Schönen
und Karls V. fehlen nicht in diesem feierlichen Aufzuge, zu dem Trau
in Wien allein 30 hervorragende Nummern gestellt hat, für einen Privat -
sammler ein beispielloser Erfolg. An Reichthum werden sie fast nur noch
überboten durch das Praclit-Missale aus Zara, welches italienischen Ur -
sprungs ist und durch den Pergamentcodex mit den Heiligen aus der
Sippschaft Maximilians I., der aus Spanien stammt. Die. 5 Bibeln aus
den Klöstern Putna, Dragomirna und Suezewitza, welche nicht über das
XVII. Jahrh. hinaufreichen, haben in den figürlichen Darstellungen den
alten byzantinischen Charakter, wenn auch mit allerlei Abschwächungen, be -
wahrt, während die Ornamente zum Theile von persischen Erinnerungen zehren
und die vegetabilischen Randeinfassungen die späte Ursprungszeit am deutlich -
sten verrathen. Der Grund ist theils in Blattgold, theils in Farbe ausgeführt;
die Ikonographie ist griechisch, während die Inschriften serbisch lauten.
Den zweiten Theil der ersten Gruppe bilden die illustrirten Druck -
werke, welche circa 70 Nummern, unter ihnen Seltenheiten allerersten
Ranges, umfassen. Sie beginnen mit drei Blockbüchern, den bekannt -
lich vor Erfindung des Letterndruckes durch Holzplatten hergestellten mit
Text versehenen Bilderbüchern. Zwei von ihnen sind Armenbibeln, also
eine Sammlung von Holzchnitten mit Darstellungen aus dem alten und
neuen Testament, die von einigen erklärenden Zeilen begleitet sind; das
dritte ist eine Apokalypse. Bibeln, Heiligen-Legenden, Passionsbücher, fast
alle noch vor 1500 gedruckt, bilden den weiteren Inhalt dieser werthvollen
Sammlung, die bis auf den „Seelentrost“ von 1478 und den „Schatz -
behälter“ von 1491 fast ausschliesslich Eigenthum des Herrn Trau. An
sie schliessen sich wiederum vorwiegend aus demselben Besitz, wie aus dem
des österreichischen Museums nur Heiligthumsbücher an, d. h. mit Holz -
schnitten oder Kupferstichen ausgestattete Verzeichnisse der Heiligthümer,
also der Reliquien und ihrer Behälter in einer Wallfahrtskirche. Diese
meistens recht primitiven, weil für die Andacht vornehmlich gemachten Ab -
bildungen haben natürlich um so grössere Bedeutung, wenn die Originale
nicht mehr vorhanden, was leider die Regel ist. So sind aus dem Wiener
Heilthum von 1502, welches nicht weniger als 274 Abbildungen von Re -
liquienbehältern aufweist, nur drei von diesen noch vorhanden, resp. nach -
weisbar. Dieses Wiener Heilthum, welches den Vorzug hat, auch eine
Abbildung des alten Heilthumstuhles zu enthalten, war in einem colorirten
und in einem ungefärbten Exemplare ausgestellt. Von letzteren hat das
österreichische Museum durch seinen Bibliothekar Dr. Ritter eine Facsimile-
Reproduction herausgeben lassen. Das „Heilthum zu Rom“ vom Jahre 1500,
212
Schnütgen:
sowie das zu Trier vom Jahre 1512 verdienen als Seltenheiten besondere
Beachtung. Zwischen ihnen steht der Zeit nach (1509) das Heilthum zu
Hall in Tirol, welches aus 145 eingeklebten Holzschnitten von den be -
treffenden Heiligthümern besteht, zwischen denen die umfängliche Beschrei -
bung mit der Hand eingetragen ist, ein für die Drucklegung unmittelbar
vorbereitetes, aber nicht zum Drucke gelangtes, dadurch natürlich um so
merkwürdigeres und werthvolleres Exemplar. Von dem Heilthum zu An -
dechs liegen zwei Ausgaben vor mit wenigen Holzschnitten, während die
grosse Tafel, die sich von demselben im Nationalmuseum zu München be -
findet, in 5 Reihen eine sehr grosse Anzahl von Reliquiaren, auch Gewän -
dern aufweist, die farbig aufgemalt und mit Inschriften versehen sind. Sie
ist eine Stiftung des Abtes Johann von Andechs und des Herzogs Sigmund
von Baiern und trägt die Jahreszahl 1497.
Den Heilthumsbüchern sind nämlich die Heilthumstafeln vorangegangen,
zuerst durch Handzeichnung und wohl zum Zwecke der Inventarisirung her -
gestellt, später durch Holzschnitt resp. Kupferstich vervielfältigt; diejenigen
von Aachen und Maastricht scheinen die ältesten zu sein. Sie sind, ob -
gleich gewiss, wie die ersten Holzschnitte und Kupferstiche überhaupt zur
Zeit massenhaft verbreitet, nachgerade zu den grössten Raritäten ge -
worden. — Eine Serie von mehrfach auf Pergament gedruckten Gebet-
und Erbauungs-Büchern bringt die interessante Gruppe der illustrirten
Druckwerke zum Abschlüsse, deren hohe vorbildliche Bedeutung für die
heutige in so hohem Aufschwünge begriffene Textesillustration unverkenn -
bar ist, auf deren nähere Ausführung an dieser Stelle aber verzichtet
werden muss.
An die Gruppe der Buchausstattung schliesst sich auf’s engste die
der Bucheinbände an, von denen circa 50 Muster vorliegen. Sie illu-
striren diesen kunstgeschichtlich, noch mehr kunstgewerblich bedeutsamen
und gerade in unsern Tagen besonders beachteten Kunstzweig in seiner
Entwickelung vom zehnten Jahrhundert an gut, wenn auch nicht lückenlos.
Die alten Ritualbücher wurden als besondere Werthstücke, als Denkmäler,
betrachtet und entsprechend behandelt, resp. ausgestattet. Die Holztafeln,
in die sie gebunden wurden, bedeckte allerlei kostbarer Schmuck, der sich
aber meistens auf die Vorderseite, das Frontale, beschränkte. Ein Elfen -
beinrelief ist gern als Mittelzier verwendet, allerlei Metallschmuck umgibt
cs, Filigran, Email, getriebenes und gravirtes Ornament. Den Höhepunkt
in dieser Art der Ausstattung bezeichnet die romanische Periode, die hier -
durch drei Exemplare vertreten ist. Bei dem einen nimmt die Mitte ein
sehr altes Elfenbeinrelief in der Form einer Diptychontafel ein, deren
Metallfassung äusserst einfach, aber ursprünglich ist. Bei dem • folgenden
Bande gehört die Elfenbeinschnitzerei dem XI. Jahrh., der sie umgebende
Silberrand mit eingravirten Ranken erst der spätgothischen Epoche an.
Die Ausstellung kirchlicher Kunstgegenstände in Wien.
213
Als letzter Ausläufer der romanischen Periode ist ein Lederhand zu be -
trachten, dessen seltenen Schmuck durch Hornplättchen geschützte Miniatur -
bildchen ausmachen. Den frühgothischen Stil vertritt ein Deckel mit der
getriebenen Darstellung der majestas Domini. Die Mandorla, die den Hei -
land umgibt, der Regenbogen, auf dem er steht resp. sitzt, sind durch
schmale rothe und blaue Emailstreifen gebildet, die der vergoldete Metall -
streifen trennt, um eine feine und vornehme Wirkung hervorzurufen,
welche die Durchbrechung des Hintergrundes und die Verzierung des
Randes mit Emailtäfelchen und Steinen noch steigert. Als Metallband
reiht sich ein Deckel an, dem die Inschrift (1446) ein etwas höheres
Alter sichert als ihm sonst beigelegt werden möchte. Ein durchbrochener
Strahlenkranz, den fünf gegossene Löwenköpfe schmücken, lässt den ge -
musterten Sammetgrund durchscheinen, ein in spätgothischen Masswerk-
musterungen durchbrochener Rand bildet die Einfassung dieses einfachen,
aber höchst wirkungsvollen Frontales. Drei silbergetriebene Einbände, deren
Deckel sich in Charnieren bewegen bei fest behandeltem Rücken, hat Herr
von Lanna ausgestellt. Der eine zeigt auch geätzte Ornamente, der
andere armenische Schriftzeichen; sämmtlich gehöreu sie dem XVII. Jahrh.
an. Nur bis in den Anfang desselben reichen auch die Metalleinbände an
den fünf Bibeln zurück, die bereits oben als Eigenthum von drei Klöstern
der Bukowina erwähnt wurden. Wie ihre innere Ausstattung, so zeigt
ihr äusserer Metallschmuck auf’s deutlichste die byzantinische Tradition.
Die flachen Reliefdarstellungen, unter denen eine mit dem Weltgericht,
sind roh behandelt, nicht minder die Evangelistenbilder auf den Ecken. Die
Borte, die das Mittelbild umsäumt, ist bald graviert, bald durchbrochen.
Buckelartige mit Rippen verzierte Knöpfe sind Schutz und Schmuck zu -
gleich. Besondere Beachtung verdient die Behandlung der Rücken, die hier
aus Reiben doppelt funktionirender Charniere, dort aus zahlreichen in
einander greifenden ürahtmaschen bestehen. Bald glatt, bald gewunden,
bald im Silber-, bald im Goldton verbinden auch sie mit dem praktischen
Zwecke die dekorative Wirkung in sehr vortheilhafter Weise. — In der
Zeit des Barocks sind metallische Einbände als Ausnahmen zu betrachten,
bei denen dazu dem Sammtgrunde, wie ihn auch das Missale aus Lam -
bach zeigt, durch zahlreiche Durchbrechungen zur Mitwirkung verholfen
werden sollte. Die Metallzier hatte ja schon in der gothischen Periode
angefangen, sich auf die Ecken und die Metallrosette zu beschränken,
dem Leder die weitere Ausstattung überlassend. Allerlei geometrische
Musterungen und Ranken, theils von Figuren, theils von Ornament im
Blinddruck und im Reliefschnitt belebt, gliedern den anfangs noch wenig
organisch behandelten Dekel. Als ein hervorragendes Muster der ge -
schnittenen und gepunzten Ledertechnik erscheint die Bibel aus der Hof -
bibliothek, auf deren gothischem Frontale ein Engel die Wappenschilde
214
Schnütgen:
hält, ein höchst dankbares mustergültiges Motiv. Dass die folgende Pe -
riode, welche die eigentliche Glanzzeit des Einbandes bezeichnet, durch die
Einführung der Goldpressung und der Ledermosaik, auf der Ausstellung
so schwach vertreten ist, hat wohl vornehmlich darin seinen Grund, dass
diese Prachtexemplare nur selten einen kirchlichen Charakter haben. Das
Buch war inzwischen, dank der Erfindung der Buchdruckerkunst, zu einem
eigentlichen Gebrauchsgegenstande geworden und die grossen Fortschritte
auf dem Gebiete seiner Ausstattung, zu welchen der Orient den Weg ge -
zeigt hatte, kam namentlich den hervorragenden Profanwelken zu gute,
die auf’s kostbarste einbinden zu lassen, eine Liebhaberei der Bibliophilen
wurde.
Die zweite Gruppe der Ausstellung umfasst: Textile Arbeiten,
namentlich alte Gewebe und Stickereien, auch mehrere Posamente und
Spitzen. Gewebe, die bis in das vorige Jahrtausend zurückreichen, gehörten
früher zu den allergrössten Seltenheiten. Seitdem aber die Nekropolen
der altkoptischen Christen in Aegypten untersucht worden sind, zählen
selbst solche Gewebe, die bis in die altchristliche Periode hinaufgehen, zu
Tausenden. Herr Theodor Graf in Wien hat im Jahr 1884 die erste
derartige Sammlung nach Europa gebracht und bald dem österreichischen
Museum für Kunst und Industrie überlassen, dem der bekannte Orienta -
list Prof. Dr. Karabaezek zu ihr einen eingehenden wissenschaftlichen
Katalog anfertigte. Die glänzenden Erfolge des ersten Entdeckers hat
andere Forscher zu weiteren Untersuchungen angeregt, deren Resultate so
ergiebig waren, dass der Kunstmarkt, zumal der deutsche, mit ihnen ge -
radezu überschwemmt ist. Fast alle Museen, namentlich die von Berlin
und Düsseldorf sind in den Besitz von umfassenden derartigen Sammlungen
gelangt, deren Erwerbung in der letzten Zeit nicht einmal erhebliche Opfer
forderte. Ob das Kunstgewerbe aus ihnen grossen Vortheil ziehen wird,
bleibt zweifelhaft. Die archäologische Wissenschaft aber wird sich noch
viel mit ihnen zu beschäftigen haben, und an ihrer Hand wohl zu ganz oder
theilweise neuen Anschauungen in Bezug auf die Entwickelung der lextil-
kunst gelangen. Wenn diese aber auf sicheren Grundlagen sich aufbauen
sollen, dann wird eine üeberwachung der Funde unbedingt erforderlich
sein. Hiergegen scheinen die Hauptausbeuter der Leichenfelder, als welche
schlaue Griechen und Araber angegeben werden, sich bis jetzt energisch
gesträubt zu haben. Sie haben ein Interesse daran, im Trüben zu fischen,
die Spuren zu verwischen, vielleicht gar absichtlich in die Irre zu führen.
Und doch kommt Alles darauf an, ganz zuverlässig zu erfahren, wo, unter
welchen Umständen, in welcher Verbindung die einzelnen Stoffe — um
diese handelt es sich hier ja zunächst — gefunden sind, die sich oft
gegenseitig zu erklären und zu bestimmen vermögen, wenn anders die
Gemeinschaftlichkeit ihrer Herkunft über jeden Zweifel erhaben ist. Als
Die Ausstellung kirchlicher Kunstgegenstände in Wien. 215
feststehend scheint angenommen werden zu dürfen, dass die Leichen, wie
der Männer, so der Frauen und Kinder zunächst mit der Fest-Tunika, also
dem langen bis auf die Knöchel herunterreichenden Untergewande bekleidet
waren, welches nicht als neues für die Sepulkralausstattung eigens ange -
fertigtes, sondern als bereits getragenes Kleid in das Grab mitgegeben
wurde. Diese Tunika war in Bezug auf den grösseren oder geringeren
Reichthum ihrer Ausstattung von der sozialen Stellung des Betreffenden,
beziehungsweise von der Art abhängig, wie er sich im Leben kleiden
durfte. Bei den Männern sind gewöhnlich die Achseln mit runden Me -
daillons, Brust und Rücken mit langen über die Schultern laufenden
schmalen Streifen (angusti clavi) geschmückt, nicht selten auch noch mit
vierekigen Scheiben, welche die Brust und mit runden, welche rechts wie
links die untere Parthie zieren. Bei den Tuniken der Frauen scheint der
Schmuck sich vornehmlich auf die Verbrähmung des unteren Saumes, wie
am Gewände selbst, so an seinen Aermeln beschränkt zu haben. Diese
Schmuckstücke sind dem immer aus Leinen, bald dünnerem und feinerem,
bald dickerem und gröberem, bestehenden Gewände gewöhnlich in Wollen -
fäden gobelinartig eingewebt. Manchfach aber, zumal wenn sie breiter
gehalten (lati clavi) reicher ausgestattet, mit Purpur gefärbt, sind sie extra,
sei es auf dem Wege der Weberei oder der Stickerei hergestellt, um auf -
genäht zu werden. Als aufgeheftete Medaillons erscheinen ausnahmsweise
auch gemusterte Seidenstoffe, deren vegetabilische und animalische Ver -
zierungen, zumal wenn letztere in Jagdscenen sich finden, an persische
und sassanidische Darstellungen erinnern. Ob sie aus persischen Fabriken
stammten, oder aus heimischer Industrie, etwa in Alexandrien hervor -
gegangen, oder ob sie gar von Byzanz eingeführt waren, welches schon
am Ende des IV. Jahrh. das Land unterjochte, entzieht sich einstweilen
nicht nur jeder sicheren Bestimmung, sondern selbst jeder begründeten
Vermuthung. Die bisherigen ohnehin etwas vagen Anhaltspunkte für die
Bestimmung ähnlich dessinirter Seidengewebe reichen hier nicht mehr aus
und um so mehr macht das Bedürfniss nach neuen zuverlässigen Kriterien
sich geltend. Diente die Tunika (zuweilen in mehreren übereinander -
gezogenen Exemplaren) dazu, die Leiche zu bekleiden, dann wurde das
Obergewand, die toga oder das pallium, benutzt, um sie zu bedecken.
Aus einem grossen viereckigen Tuche bestehend wurde sie für den sommer -
lichen Gebrauch ebenfalls aus dünnem Leinen, für den winterlichen aus
einer Art Rubberstoff, einem zottigen Leinengewebe gebildet. Vier
gi'osse gobelinartig eingewirkte und gleichfalls langharige Schilde, von
Wolle verzieren gewöhnlich die Ecken. Nachdem die mumifizirte Leiche
damit umhüllt war-, wurde sie auf ein Sykomorenbrett gebunden, um in,
dem Anscheine nach, sehr seltenen Fällen auf einem Tannenbrettchen in-
schriitlich Namen und Lebensumstände des Bestatteten beigefügt zu
5
216
Schnütgen:
erhalten. Eine grosse Ausnahme scheint es auch gewesen zu sein, wenn
ein rorträtgemälde beigelegt wurde, denn von einem solchen haben sich
verhältnissmässig nur wenige Exemplare gefunden. Für die Sammlung des
Herrn Graf sind sie nachgerade auf dreissig angewachsen. Die meistens
ganz dünnen Sykomoren-, zuweilen stärkere Tannenbrettchen von circa
25 cm Breite und circa 35 cm. Höhe haben einen ganz dünnen Malgrund
erhalten. Auf diesen sind die Brustbilder entweder mit Wasserfarbe oder
mit Wachsfarbe aufgetragen. Sie stellen Kinder und Greise, Männer und
Frauen dar, letztere in der Regel mit rosarother, also purpurner Tunika
und mit Halsschmuck wie Ohrgeschmeide. Obwohl nur wenige die eigent-
l
liehe Künstlerhand verrathen, manche dilettantenhaft behandelt sind, zeichnet
alle eine flotte Manier, die meisten eine gute Modellirung aus. Die Carnation
ist durchweg klar und frisch, der Ausdruck sehr lebendig und anmuthig, die
Technik eine so vorzügliche, dass die Farbe, trotzdem die Brettchen viel -
fach zerbrochen und beschädigt sind, die ursprüngliche Frische fast ganz
bewahrt haben. Dass es sich hier um die Abbildungen der Verstorbenen
handle, die sie begleiten, ist nicht anzunehmen. Die heitere Lebenslust,
die aus ihnen spricht, schliesst diesen Gedanken aus. Da sich an ihnen
kein religiöses bezw. christliches Abzeichen findet, so waren sie von der
„Ausstellung kirchlicher Kunstgegenstände“ ausgeschlossen, der Herr )
Graf von seinen mit christlichen Emblemen verzierten ägypti -
schen Stoffen 27 Nummern anvertraut hat. Spezifisch christliche
Darstellungen bilden ja überhaupt hei diesen Funden eher die Ausnahme,
als die Regel. Die meisten Verzierungen sind dem vegetabilischen und
animalischen Gebiete entnommen und ganz allgemeiner Art. Die persön -
lichen Darstellungen, die in reichster Abwechselung als einzelne Er -
scheinungen, aber auch als Gruppen wiederkehren, sind zum Theil der
heidnischen, namentlich der römischen Mythologie entlehnt. Auf und ab -
steigende Reihen von Standfiguren, die von kleinen Medaillons in abweichen -
der Richtung unterbrochen werden, bilden eine besonders häufig vorkoinmende
Dekoration. Bei ihnen begegnet öfters der Nimbus, der in dieser Gestalt
doch wohl nur als ein christliches Sinnbild zu betrachten ist. Auf den
ausgestellten Stoffresten findet er sich mehrfach, sowohl bei den schon wohl
der inohamedanischen Epoche angehörigen beiden grösseren Köpfen, neben
denen die betreffende griechische Inschrift: (Hl. Dionysos etc.) die Gewiss -
heit der christlichen Bedeutung noch erhöht, als auch bei den wohl weiter
zurückreichenden kleineren Darstellungen. Zahlreich sind diese namentlich
auf den clavi einer Tunika vertreten. Auch einen von T liieren umgebenen
Heiligen sowie eine Reiterfigur schmückt der Nimbus. Sogar der Kreuz -
nimbus, der stets den drei göttlichen Personen Vorbehalten geblieben ist,
kommt vereinzelt vor. Noch häufiger als der Nimbus, begegnet das Kreuz
und zwar stets in der griechischen Form, bald mit deu rechtwinkelig,
Die Ausstellung kirchlicher Kunstgegenstände in Wien. 217
also geradlinig auslaufenden, bald mit den sich erweiternden Balkenendi-
gungen, in welcher Gestalt es den Beinamen des koptischen führt. Bald
sind die Balken leer, bald mit Punkten, Tupfen, Rosetten ausgefüllt, bald
ohne Umrahmung, bald von einem Kreise eingefasst, dessen Zirkel orna -
mental, auch mit Thiergebilden ausgestattet sind, in einem Falle auch mit
dem Alpha und Omega. In der einen wie in der anderen Gestalt ist der
obere Balken nicht selten durch einen Ring ersetzt, wodurch das Ganze
die Gestalt eines verchristlichten Nilschlüssels gewinnt. Dieser Ring er -
scheint sogar einmal mit dem Monogramme Christi in der ältesten Form
ausgefüllt. Eine Leinendeke ist mit in blauen, grünen und rothen Wollen -
fäden eingestickten Kreuzchen ganz besäet. Ein colossaler Teppich von circa
6 m Höhe, dessen reiche Musterung trotz der vielen Löcher und Lücken
vollständig erkennbar ist, hat in seinem weissen Rande abwechselnd rothe
und schwarze Kreuze. Die breite daran sich anschliessende Borte ist mit
Palmetten gemustert. Mit ihr wechselt wiederum ein weisser Streifen ab,
in den auf der Langseite zehn Nilschlüsselkreuze ebenfalls gobelinartig
eingewirkt sind. Das grosse rundbogig geschlossene Mittelfeld enthält
ebensolche Kreuze und in den oberen Ecken zwei gegeneinandergekehrte
Vögel, die auch einen christlichen Charakter zu haben scheinen. Christ -
liche Sinnbilder beherrschen hier also vollständig diesen riesigen Teppich,
der haute-lisse gewebt, zugleich ein technisches Meisterwerk ist. Noch mehr
Interesse, als diese uralten gewebten Stoffe verdienen die gleichfalls hier
ausgestellten Reste eines grossen gedruckten Figurenteppichs. Von
den auf Leinen mit blauer Farbe aufgedruckten 32 cm hohen Heiligen -
figuren sind drei, welche durch die griechischen Inschriften als Petrus,
Markus, Lukas bezeichnet sind, vollständig erhalten, von zwei anderen nur
die unteren Hälften. Die Figuren sind mit aus zwei concentrischeu Kreisen
gebildeten Nimben ausgestattet. Ihre Bekleidung besteht in der langen
Tunika und in dem Pallium, welches den rechten Arm frei lässt. Sie sind
vorzüglich gezeichnet, so edel in der Bewegung und in der Linienführung,
dass sie die Vermuthung, griechischen Ursprungs und sehr hohen Alters
nahe legen. Da das Christenthum schon sehr früh in Aegypten Eingang,
Bischof Annianus schon im Jahre 62 in Alexandrien Aufnahme gefunden
hat, so würden selbst bis in das erste Jahrhundert zurückreichende christ -
liche Darstellungen in Aegypten nicht zu befremden brauchen. Auch durch
die Technik wird diese frühe Datirung nicht ausgeschlossen, denn Plinius
erzählt, dass die Aegypter es verstanden haben, durch verschiedene Beitzen,
die sie auf die gewebten Stoffe auftrugen, unsichtbare Muster zu bilden,
die bunt, sogar mehrfarbig wurden, wenn sie eigens präparirt in den Farb-
kessel getaucht wurden (vergl. Semper der Stil Bd. I. S. 203). Dieses
combinirte Drucken und Färben, wenn auch nur in einem Tone, liegt
hier vor. In diesem selben bläulichen Tone sind auch die Ornamente ge-
218
Schnütgen:
halten, welche die Figuren einfassen als Zickzackrand mit eingelegtem
Blatt und welche die bunte Umrandung bilden, in der Kreise, Eosetten
und ihre Constellationen zu Musterungen sich zusammensetzen. Dieser
merkwürdige Stoff übertrifft an Schönheit Umfang, Inhalt, Alter alle
Zeugdrucke, die bis dahin bekannt geworden sind, auch den im Berliner
Kunstgewerbemuseum befindlichen von Lessing entdeckten und als sassa-
nidisch beschriebenen kleinen Adler, der einen Ganymed hält. Es ist ihm
daher eine genauere Untersuchung als sie hinter Glas stattfinden kann,
und eine eingehendere Beschreibung, als sie hier möglich ist, gar sehr zu
wünschen.
Fast zu lange haben wir uns bei den koptischen Geweben aufgehalten,
deren Beschreibung knapper ausgefallen wäre, wenn nicht ein besonderer
Umstand gestattete, die Beschreibung der an sich für unseren Zweck bedeu -
tungsvolleren mittelalterlichen Paramente hier wesentlich zu beschränken.
Die hervorragendsten derselben sind nämlich auf der am 11. Okt. eröffneten
Crefelder Textilausstellung erschienen, wo sie von unserer Seite grössere
Beachtung beanspruchen und verdienen, als in Wien. Die „Jahrbücher“
werden gewiss nicht darauf verzichten wollen, ihnen dort im Zusammen -
hänge mit den übrigen in reicher Fülle vorhandenen Kostbarkeiten eine be -
sonders intensive Aufmerksamkeit zu widmen. Beschränken wir uns also bei
den Paramenten, die in Geweben und Stickereien bestehen, auf einen
Ueberblick. — Für die meisten derselben, also für die Mehrzahl der litur -
gischen Bekleidungsstücke lag bereits in der karolingischen Periode eine
ausgebildete Form vor. Aus dieser frühen Zeit hat sich aber kein ein -
ziges Exemplar vollständig erhalten, wohl aber manches Bruchstück. Die
romanische Periode aber ist hier durch mehrere wohl erhaltene Ornate
vertreten, unter denen die wohl noch dem XI. Jahrh. angehörige Brixener
Glokencasel den ersten Platz einnimrat. Sie hat im Unterschiede von fast
allen alten Messgewändern die ursprüngliche Form ganz unverkürzt be -
wahrt. Die gewaltige Adlerfigur, die ihre Musterung bildet, zeigt auf
byzantinischen, das ganz schmale Börtchen, welches über die Schultern
laufend vorn wie hinten ein Gabelkreuz bildet, auf palermitanischen Ur -
sprung hin. Hat an ihr die Stickerei gar keine Verwendung gefunden,
dann beherrscht diese ausschliesslich die beiden folgenden etwa um ein
Jahrhundert jüngeren Casein aus dem Stifte St. Paul. Quadrate bilden bei
beiden die Hauptformen für die zahlreichen Darstellungen, Gold und viel -
farbige Seide das Material, in denen diese auf dem Leinenfond ausgeführt
sind, gleich vorzüglich in Zeichnung wie* in Technik. Sie haben auch noch
die glockenförmige Gestalt, die erst im XIV. Jahrh. zu der rautenförmigen
mit abgerundeten Ecken reducirt wurde, desswegen hat auch die noch dem
Anfänge dieses Jahrh. entstammende Seidencasel aus dem Stifte Melk, die
mit geometrischer Musterung und grosser Darstellung der Kreuzigung be-
Die Ausstellung kirchlicher Kunstgegenstände iu Wien. 219
stickt ist, noch diese alte Form. Die beiden frühgothischen Pluviale aus
St. Paul und aus St. Michael in Salzburg mit ihren kleinen Kapuzen (aus
denen später die anfangs auch ganz kleinen Schilde sich entwickelt haben)
theilen mit den vorher genannten Gewändern die technische Ausführung,
die namentlich bei letzterem durch den Goldfond eine sehr brillante ist. —
Der Beutel aus dem Kapuzinerkloster in Wien ist eine überaus delikate
romanische Seidenstickerei, nicht minder die ebenfalls mit Perlen ver-
briihmte Aermelborde an den im Uebrigen mit der Stricknadel herge -
stellten Bischofshandschuhen au3 Brixeu, die ein byzantinisches Zellen -
schmelz-Medaillon schmückt. An Alter steht ihnen die aus demselben
Schatze stammende Mitra, deren Schmuck nur in gewebten (wohl siciliani-
schen) Borten verschiedener Breite besteht, nur wenig nach. Mit ihr mag
die erst im XVII. Jahrh. zu einer Bursa verarbeitete Parura aus Brünn
die Ursprungszeit theilen. Die frübgothische Periode vertritt am glänzend -
sten das berühmte Salzburger Antipendium, welches ganz mit der Nadel
hergestellt ist bis auf einige merkwürdiger Weise in Metall getriebene auf -
geheftete Appliquen. Hier sind Anordnung, Zeichnung, Ausführung, Er -
haltung gleich vorzüglich. Aus derselben Zeit stammen auch einige gut
ausgeführte gestickte Caselkreuze, die aber beschnitten sind, von den im
XVI. Jahrh. immer knapper sich gestaltenden Messgewändern in Mitleiden -
schaft gezogen. Sie sind fast alle durch Flachstickerei entstanden und durch
das Bestreben ausgezeichnet, durch schwere Betonung der Gewandfalten
und stark aufgetragene grünliche und gelbliche Lichter die Figuren, um so
lebendiger und wirkungsvoller von dem in der Regel goldenen Rautengrunde .
sich abheben zu lassen. Bei einem dieser der Akademie zu Prag gehörigen
auch durch die Grösse seiner Figuren hervorragenden Kreuze wird die'
Wirkung noch erhöht durch die mit Perlen ausgefüllten und von ver -
goldeten Metallwulsten eingefassten Nimben. Von geringerer Bedeutung
sind sieben gestickte Caselkreuze, die Christus am Kreuz und unter ihm
Maria und Johannes in der schematischen Weise darstellen, die sich bis
tief in’s XVI. Jahrh. fortsetzt. Die Reliefstickerei, die stilistisch als eine
Verirrung, technisch aber als eine Errungenschaft zu betrachten ist, er -
scheint auf mehreren Gewändern des Brünner Domes, namentlich auf einer
Casel von violetter Atlasseide, die die Jahreszahl 1487 trägt und ihre ur -
sprüngliche Gestalt bewahrt hat. Maria ist im Strahlenkränze dargestellt
von vier Engeln umgeben, unter ihr eine gekrönte Standfigur mit Wappen.
Sogar der Mantel von dieser und das Untergewand der Gottesmutter sind
reich mit Golddessins ausgestickt. Ranken bilden ringsumher die Ein -
fassung. — Bevor wir, mit diesem glänzenden Gewände an die Schwelle
der Renaissance gelangt, ihre reichen Erzeugnisse auf unserer Ausstellung
prüfen, müssen wir noch einiger älterer Stickereien gedenken. Zunächst
handelt es sich um zwei gestickte Mitren; die eine aus Admont hat inter-
220
Scbnütgen:
essante Borten: goldenes Rankenwerk auf Netzgrund und metallene Aus -
läufer wie an der Spitze, so an den herabhängenden Bändern, die andere
ist auf goldbesticktem Grunde mit Medaillons ausgestattet, die mit rund -
lichen Goldpailletten umsäumt sind. Zwei mit Satteldächern bedeckte Re-
liquienschreinchen aus Melk sind aus Seide gebildet und in einfacher aber
sehr wirkungsvoller und mustergültiger Weise mit aufgestickten Buchstaben
resp. Namen verziert. Farbige Kordel bildet ringsumher die Einfassung,
ein aus Goldfäden gedrehter Knopf die Giebelbekrönung. Der etwas
aussergewöhnlicher Weise in Stramin gestickte spätgothiscbe Teppich vom
Nonnberg hat ein Monogramm als Mittel-, die Evangelistensymbole als
Eckenverzierung. Der grosse gestickte „Sibyllen“-Teppich, der zu den
noch in den letzten fünfzehn Jahren aus Hildesheim massenhaft ver -
schleppten und verschleuderten Alterthümern zählt, gehört in die Classe
der in den hannoverschen Klöstern gegen den Schluss des Mittelalters mit
Vorliebe angefertigten Dekorationstapisserien, wie sie sich besonders in den
Stiftern von Wienhausen, Lüne u. s. w. noch zahlreich erhalten haben.
Ihre vornehmlich der christlichen Naturanschauung und der heidnischen
Mythologie entlehnte Ikonographie gestattete auch sie als Fussteppicho
zu benutzen. Als Wandbehang dagegen diente der von Figdor ausgestellte
Gobelin, auf dem der Tod Mariens in ganz vortrefflicher Zeichnung er -
scheint, in die aber das Gold keine Aufnahme gefunden hat. Das kleine
aber reizende Seideudeckchen vom Nonnberg mit den in Gold aufgestickten
grün contourirten Figuren von 10 fliegenden Engeln, deren Köpfchen gemalt
sind, war wohl zu einem Kelchtuche bestimmt. An dieses deutsche Mach -
werk schliesst sich der Entstehungszeit nach eine sehr interessante italie -
nische Casel an, die erst vor Kurzem in den Besitz des österreichischen
Museums gelangt war. Die breiten Stäbe sind in der sogen, burgundiseben
Technik, einer Art Lasurstickerei auf Goldfäden, ausgeführt und stellen
übereinandergeordnete sitzende Figuren unter dekorativem Baldachin vor.
Stäbe wie Gewand haben noch ihre ursprüngliche Gestalt und der sehr
dekorative und doch vornehme Stoff des letzteren besteht in grossen
Granatapfelmustern, die dem gelben Seidengrunde in schwerer Silber-Frise-
Technik eingebunden sind. Diese Casel eröffnet die lange Reihe der präch -
tigen Renaissance-Ornate, welche in den grossen Vitrinen vornehmlich durch
ihre Goldstickereien reichen, wenn auch fast nur ornamentalen Glanz ver -
breiten. Die Ranken auf der grünen Nikolsburger Casel zeichnen sich durch
edlen Linienfluss aus; die Goldarabesken auf dem Kremsmiinsterer Messge-
wande, die dichter und mit Pailletten durchstreut auf den Stäben, viel loser
im Uebrigen gehalten sind, heben sich von dem rothen Atlasgrunde sehr
feierlich ab. Ein ebenso schöner nur etwas jüngerer aber vollständiger
Ornat aus Prag bat zugleich den Vorzug, auf beiden Seiten mit dichten
Goldranken bestickt zu sein, hier auf weissem, dort auf rotbem Atlasgrund.
Die Ausstellung kirchlicher Kunstgegenstände in Wien. 221
Auch der Dom von Linz und die Schottenkirche in Wien haben vorzüg -
liche Barock-Gewänder geschickt, eine Dalmatik aus spätem aber noch
edel behandeltem Goldbrokat das Stift Lambach und endlich das Mechita-
ristenkloster in Wien kaum ein Jahrhundert alte Paramente, die in Con-
stantinopel von armenischen Frauen angefertigt sind. — Mit Reliefspitzen
ist eine Casel überzogen, deren hellrother Grund einen wirkungsvollen
Contrast bildet zu den fein ausgeführten Blumen. In durchbrochener
Technik sind auch eine überaus feine Kelchdecke von Figdor gehalten,
sowie mehrere in Gold und Farben ausgeführte Leinenstickereien, die so
vornehm in der Wirkung, wie fein in der Tecknik sind.
Bevor wir den Ueberblick über die zweite Gruppe schliessen, müssen
wir noch einer sehr interessanten Serie von Stickereien unsere Aufmerk -
samkeit schenken, die erst lange nach Eröffnung der Ausstellung einge -
troffen waren und daher in dem Cataloge keine Erwähnung mehr haben
finden können. Es sind die durch ihre Bestimmung und Form, durch ihre
Ausstattung und technische Behandlung merkwürdigen liturgischen Stickereien
aus den bukowinischen Klöstern Putna, Dragomirna und Suczew'itza.
Sie bestehen in Stolen, Man ip ein, Kelchdecken, Teppichen mit den
Darstellungen der Grablegung Christi, des Todes oder der Himmelfahrt
Mariens, endlich in Grabdecken. Nur wenige von ihnen reichen bis in
den Ausgang des XV. Jahrh. zurück, die meisten gehören dem XVI., einige
erst dem XVII. Jahrh. an. Die serbische Inschrift, mit der jede geschmückt
ist, enthält ausser ikonogrnphischen Angaben fast immer auch eine Zeit -
bestimmung. Ihr ganzer liturgisch-ikonographischer Apparat wird von
orientalischen und griechischen Traditionen beherrscht. Diesem Formen -
kreise gehören auch die iiguralen Darstellungen an, die auf ihnen eine grosse
Rolle spielen. Haltung, wie Bewegung, Ausdruck wie Ausstattung der ein -
zelnen Figuren erinnern auf’s lebhafteste an solche Vorbilder. Die ornamen -
talen Beigaben hingegen weisen schon mannichfache andere Einflüsse auf,
persische auf der einen, italienische und deutsche auf der andern Seite. Die
sehr sorgsame und reiche Technik zehrt noch entschieden von den griechi -
schen Reminiscenzen, das Gold hat starke Verwendung wie zu den Ge -
wändern, so namentlich zu den Attributen und Inschriften gefunden, auch
das Silber ist nicht vernachlässigt. Für die farbigen Theile ist meistens
Seide, in einigen Fällen auch, namentlich bei den späteren Erzeugnissen,
Wolle gebraucht worden. Dis Ausführung in dem einen, wie in dem audern
Material ist eine sehr sorgsame. Neben dem Plattstich erscheint der ältere
Kettenstich und, zumal für die Hintergründe, der kräftige Emailstich. Den
Fond bildet anfangs Seide, später auch Sammt.— Von den Kelchdecken
gehen zwei, die eine quadratische Gestalt haben, bis in das Jahr 1481
zurück. Die unlängst auf neuen Stoff aufgenähten Stickereien stellen unter
einem von einem Vorhänge überspannten Baldachin den Heiland hinter
a
222
Schnütgen:
einem Altäre stehend dar, dessen Vorderseite mit einem Patriarchalkreuze
und den betreffenden Monogrammen verziert ist. Rechts wie links von
ihm erscheinen je drei mit Namen versehene Apostel, denen er auf der
einen Decke die hl. Hostie, auf der andern den Kelch reicht in ganz ähn -
licher Weise, wie auf der vatikanischen Kaiserdalmatik, die bekanntlich dem
XII. Jahrh. angehört. Unmittelbar neben Christus steht ein, wie er selber, mit
Nimbus geschmückter Engel. Eine dichte Goldinschrift bildet die Umrahmung.
Die Untergewänder sind in Silber, die Mäntel in Gold ausgeführt, farbige
Eäden nur für die Contouren, Perlen nur benutzt um Christus wie den
Engel rings damit einzufassen. Die heiden anderen nicht unerheblich
jüngeren Kelchdecken setzen sich aus fünf kleinern Sammtquadraten zu -
sammen, die ein griechisches Kreuz bilden. Das mittlere Quadrat ist mit
einer grossen Kelchkuppe geschmückt, in der ein Kind liegt; je fünf Engel,
von denen der vorderste in ganzer Figur ein Flabeilum — Stange mit Sera -
phimscheibe — trägt, flankiren es. Auf jedem der vier anstossenden Qua -
drate ist ein Engel mit Stola unter einem Bogen dargestellt. — Von den
fünf Stolen, die je eine Länge von 27 2 —3 m, eine Breite von circa 22 cm
haben, ist eine als Geschenk der Fürstin Marghitta, Gemahlin von Simeon
Moghila und mit der Jahrezzahl 1607 bezeichnet. Sechs übereinander -
geordnete Standfiguren von Heiligen steigen auf jeder Seite zur Mitte auf,
die durch drei Brustbilder markirt ist. Auf dem rothen Seidenfond ist
nur wenig Farbe gebraucht, desto mehr Gold. Ganz ähnlich, aber etwas
einfacher sind die andern Stolen gemustert, während die fünfte eine viel
reichere Behandlung erfahren hat. Medaillons mit figurenreichen Darstellun -
gen aus dem Leben und Leiden des Herrn gruppiren sich auf beiden Seiten
übereinander um sich in der Abendmahlsscene zu vereinigen. Geometrisch ge -
musterte Ansätze mit Quasten bilden die Ausläufer. — Die sechs Manipeln,
die wohl alle erst dem XVII. Jahrh. angehören, haben die trapezförmige
Manchettenform, wie sie sich bei den Abyssiniern bis heute erhalten hat,
das Mittelfeld ist mit Figuren oder Kreuzen in Gold bestickt, der untere
und obere Rand mit Inschrift in Silber versehen. Ringe dienen an den
Schmalseiten zur Befestigung. — Zwei grosse und zwei kleinere Teppiche
mit der Darstellung der Grablegung Christi (Aer) werden wohl als
Antimensia, also als Ersatz für einen (Altar-) Tisch d. h. für einen Trag -
altar zu betrachten sein. Die Griechen pflegten nämlich den Altar bei
seiner Consekrirung mit einer mehr oder minder reich verzierten Decke
zu belegen, die der Bischof nachher nicht selten in Stücke zerschnitt,
damit sie in Ermangelung von den bei den Griechen viel minder üblichen
steinernen Tragaltärchen zur Aufnahme der Oblaten und zur Darbringung
des hl. Opfers benutzt würden. Da die Griechen den Altar mit Vorliebe
als das Grab des Heilandes betrachteten, so war die Grablegungsscene ihnen
als Schmuck für das Antimensium besonders naheliegend und geläufig.
Die Ausstellung kirchlicher Kunstgegenstände in Wien.
223
Von den beiden kleineren Decken stammt die eine aus dem Jahre 1490.
Sämmtliche in Gold und Silber ausgeführte Darstellungen sind auf neuen
Seidenstoff übertragen. Christus liegt im Grabe, zu seinen Häupten sitzt
seine hl. Mutter, in der Mitte mit aufgerichteten Armen Magdalena, die
linke Hand hält der hl. Johannes, zwischen ihnen und ringsherum comple-
tiren die Gruppe die anderen Personen, zu denen vier Engel die untern,
vier die obere Parthie ausfüllen, je zwei derselben mit Flabellen in den
Händen. — Die andere kleine, ohne Zweifel jüngere Decke ist oblong und
zeigt den Heiland nur von den drei Marien, sowie unten und oben von je
zwei Engeln umgeben. Diese tragen je ein Flabellum mit Seraphimscheibe,
jene knien oben mit ausgestreckteu Händen. — Die beiden anderen viel
grösseren Antimensien stammen aus dem Jahr 1592 und 1598. Um das
ältere läuft eine Inschrift in Silber, ein Ornamentband in Gold, die Evange -
listensymbole bilden die Ecken, unten wie oben erscheinen Engel, von
denen je zwei Flabellen-Scheiben mit Inschriften halten. Am Kopfe sitzt
ausser der hl. Mutter Maria Jakobe, in der Mitte Magdalena, zu Füssen
Johannes, Joseph von Arimathia und Nikodemus. Auch hier sind Perlen
zur Verbrähmung benutzt. — Noch viel reicher ist die letzte Decke be -
handelt, die eine grosse Goldinschrift umsäumt, daneben eine Serie von
33 Medaillon mit Büsten unten durch eine Darstellung des Todes Mariä
unterbrochen. In den Ecken wiederum die Evangelistensymbole und unten
wie oben je zwei Flabellen tragende Engel. Zwischen ihnen gruppiren sich,
wie vorher, die sechs typischen Personen, oben erscheint dazu in Medaillon-
iorm die laube als hl. Geist von zwei anderen ebenfalls dreistrahligen Me -
daillons (die wohl Sonne und Mond versinnbilden) flankirt. Gold und Silber
sind hier spärlicher verwendet, die Fleischtheile überaus fein behandelt,
sehr wirkungsvoll auch der reich gemusterte Grund. — Ein Teppich von
ähnlicher Grösse und Behandlung mit der Jahreszahl 1510 stellt den Tod
Mariens vor. Christus empfängt im Strahlenkränze unter einem Bogen
schwebend die Seele seiner hl. Mutter, die von den zwölf Aposteln und
zwei anderen heiligen Priestern umgeben ist. Engel, zum Theil mit Sera-
phim-Flabellen, umschweben die traditionell geordnete Gruppe, die noch
durch das kleine Bildniss der Stifterin in fürstlicher Kleidung vervollständigt
wird. Grosses Bankenwerk, unten einige burgartige Anlagen einschliessend,
umgeben die reiche Darstellung. — Viel kleiner und älter ist ein quadratischer
Behang, der unten den Tod Mariens, oben die Aufnahme ihrer Seele in
den Himmel zeigt, indem Gott Vater von Engeln umgeben das von Christus
getiagene kleine Kind empfängt. Perlen contouriren auch hier die aus
Gold- und Silberfäden mit farbigen Falten gestickten Figuren. — Drei
Gr ab decken bringen diese merkwürdige Sammlung zum Abschlüsse. Die
älteste derselben mit dem Datum 1476 stellt die Fürstin Maria, Gemahlin
Stephans des Grossen, wohl ungefähr in natürlicher Grösse dar, die Hände
224
Schnütgen:
übereinandergelegt, die Augen geschlossen, im Schmucke einer schönen
Krone und reichen Geschmeides, in einem von schweren Granatapfelmuste -
rungen dicht besetzten Gewände. Ein auf zwei Halbsäulen sich entwickeln -
der arabischer Bogen bekrönt sie baldachinartig; Medaillons mit Doppel -
adler, oder Monogrammen füllen die Ecken; eine mächtige Goldumschrift
vollendet die ganze Stickerei, die auf rother Seide vornehmlich in Gold
und Silber ausgeführt und trotz ihres Alters vorzüglich erhalten ist. --
Dem im Jahre 1607 gestorbenen moldauischen Fürsten Jeremie Moghila
ist die folgende Grabdecke gewidmet, welche ihn lebend und auf einem
Stuhl sitzend in guter Charakterisirung darstellt. Ein reicher Mantel um -
gibt ihn, eine Mütze ziert sein Haupt. Die oberen Winkel füllt rechts eine
doppelchorige Kirche, über der die „dextera manus Dei“, rechts ein Wappen
aus. Unten bilden je ein grosses in Gold und Silber ausgeführtes Blatt
die seitliche Ausstattung. Die Blattwerkmusteruugen, die den Sammt-
grund beleben, verrathen persische Anklänge. — Aus demselben Jahre
stammt die Grabdecke des Fürsten Simeon Moghila, der stehend mit der
Krone abgebildet ist, die Hände über der Brust gekreuzt. Das Untergewand
ist in Silber gestickt, der Mantel mit grossen Blumen auf Sammtgrund
gemustert. Zwei aufsteigende Blumenständen bilden mit zwei Wappen die
seitliche Zier, ein Ornamentband und eine kleine Silberumschrift die Ein -
fassung. — Die weniger summarische Behandlung, welche diese liturgisch,
stilistisch und technisch merkwürdigen Stickereien hier erfahren haben, mag
ihre Entschuldigung finden in deren Eigenart, sowie in dem Umstande, dass
der Catalog sie ganz unerwähnt gelassen hat und eine anderweitige Wür -
digung ihnen auch vorenthalten geblieben zu sein scheint.
Mit ihnen hat die zweite Gruppe der Ausstellung in unserer Be -
sprechung ihren Abschluss gefunden.
Die dritte Gruppe umfasst Holzarbeiten: Kirchenmobilien,
Altäre, Reliefs und Einzelfiguren. Dass ihre Zahl ein Hundert nicht er -
heblich übersteigt, könnte auffallend erscheinen angesichts des Umstandes,
dass kein kirchlicher Kunstzweig der Vergangenheit einen so grossen
Nachlass aufzuweisen haben möchte, als jener der Holzarbeiten. Es daif
aber hierbei nicht übersehen werden, dass kleinere Kirchenmöbel aus dem
Mittelalter selten und für die Aufnahme grösserer diese Sääle nicht aus -
reichen würden, dass Holzfiguren aus dem frühen Mittelalter äusseist lar
und in der Regel sehr roh, aus der spätem Zeit vielfach zu handwerks-
mässig sind und in zu grossen Dimensionen in diese Räume nicht recht
gepasst hätten. Ein vollständiges Entwickelungsbild ist es daher nicht,
was sich hier darbietet, aber ein höchst lehrreiches ohne jeden Zweifel.
Bei dem Versuche es zu analysiren, begegnen wir zunächst dem derben
aber höchst charakteristischen und merkwürdigen Thronstuhl aus Norwegen,
den Minutoli dort erwarb, Figdor auf einer Kunstauktion in Köln erstand.
225
Die Ausstellung kirchlicher Kunstgegenstände in Wien.
Dazu gibt es keine Aualogieen deutscher Herkunft. Viel vornehmer ist das
berühmte Faldistorium vom Nonnberg mit seinen romanischen Löwenköpfen
und Reliefs aus Elfenbein, sowie mit dem gothisclien Holzgestell und den
wohl im Anfänge des XV. Jahrh. aufgemalten Miniaturen. Drei geschnitzte
Faltstiihle aus dem XVI. und XVII. Jahrh., einer mit Armlehnen versehen,
schliessen sich an, ebenso mustergültige als seltene Exemplare, die Figdor
in seiner auch an alten Möbeln sehr reichen Sammlung zu vereinigen ge -
wusst hat. Das Sängerpult desselben Besitzes und das Messpültchen aus
Kremsmünster, beide aus weichem Holz, welche um die Wende des Mittel -
alters nach süddeutscher Sitte mit eingeschnittenem Flachornament ver -
sehen uud mit etwas Farbe belebt sind, verdienen besondere Beachtung,
wie der spätgothische Tabernakel mit seinen Maaswerkfüllungen. Die
beiden mit Satteldach bekrönten Reliquienschreinehen aus Klosterneuburg
haben den Vorzug einfacher aber sehr harmonischer Anordnung und
ursprünglicher Bemalung. Das oblonge Kästchen aus Wilhering, welches
ringsum mit durchbrochenen und vergoldeten Bleireliefs umkleidet ist, wie
sie das XIV. Jahrh. zur Ausstattung von glanzversilberten Schreinchen
mit Vorliebe verwandte, hat leider eine vollständige Erneuerung erfahren.
Die wenigen Schnitzaltäre sowohl wie die einzelnen Reliefs zeichnen sich
weder durch hohes Alter, noch durch hervorragende Schönheit aus. Es
fehlt aber doch nicht an spätgotischen Flachgruppen, welche besonderer
Beachtung werth sind. Diese verdienen noch mehr die Einzelfiguren, die
ohne sehr zahlreich zu sein, zu einer guten chronologischen Serie sich ver -
einigen. Diese beginnt freilich erst mit der frühgothischen Periode, über
welche Holzfiguren überhaupt sehr selten hinausreichen. Will man den Fi-
gurenstil aus den früheren Epochen kennen lernen, so muss man sich den
Elfenbeinsculpturen zuwenden, die auf der Ausstellung in aussergewöhn-
licher Zahl und Güte vertreten, aber in einer anderen Gruppe untergebracht
sind, desswegen hier noch nicht behandelt werden können. Eine kleine
sitzende Holzmadonna des Grafen Wilczek weist noch romanische Reminis-
cenzen auf, eine andere mit alter Bemalung hat frühgothischen Charakter,
von dem die ebenfalls bemalte schlanke und edle St. Georgsfigur nur noch
Erinnerungen zeigt. Einen gewaltigen Crucifixus von etwas übertriebenem
usdrucke, wohl ein ehemaliges Triumphkreuz, hat Graf Wilczek ge -
schickt, einige gute Statuetten und Gruppen des XV. Und XVI. Jahrh.
furst Liechtenstein, vier vortreffliche Evangelistenfiguren Frau Lang.
Das Statuettchen der klugen Jungfrau und die St. Catharinenbüste aus
oem Besitze fies Museums sind von aussergewölmlicher Schönheit. An sie
schhesst sich das italienische Frührenaissancefigürchen der hl. Margaretha
dem der ganze Reiz der reichen Bemalung erhalten geblieben, würdig an.'
Auch die beiden grau angestrichenen und nur in den Carnationstheilen
bemalten Standfigürchon von Maria und Johannes (unter dem wohl nicht
15
226
Schnütgen:
mehr vorhandenen Kreuze) dürfen ihrer flotten Behandlung wegen nicht
unerwähnt bleiben. Nirgendwo aber zeigt sich diese hier deutlicher, als
an der lebensgrossen Madonna, die dem Tilman Riemenschneider zu ge -
schrieben wird. Der Realismus, der sie bereits beherrscht, charakterisirt
in noch viel höherem Maasse die Sculpturen der beiden folgenden Jahr -
hunderte, die hier auch nicht fehlen. Einige sind von tiefem Gefühl und
vorzüglicher Durchführung, so eine Pieta mit weinendem Engel. — Unter
diesen Figuren fehlt auch die sogen, kleine Plastik nicht. Sie ist vor -
nehmlich in den sogen. Athoskreuzen vertreten, d. h. in Kreuzen mit ganz
kleinen geschnitzten Darstellungen aus dem Leben Christi, die von Mönchen
auf dem Berge Athos nach alten byzantinischen Vorbildern seit Jahrhunderten
handwerksmässig bis in die neueste Zeit angefertigt werden, um (zuweilen
mit Reliquien versehen) als Devotionsobjekte zu dienen. Je weiter sie
in der Zeit zurückreichen, desto strenger ist ihr Stil, obwohl sie dessen
Eigenthiimlichkeiten bis jetzt zu bewahren gesucht haben. So häufig sie
aus den letzten Jahrhunderten begegnen, so selten kommen solche vor,
die sich durch ihre metallische Ausstattung als mittelalterliche Erzeugnisse
mit Sicherheit zu erkennen geben. Griechische Kirchen scheinen sie noch
in manchen Exemplaren zu besitzen. Bald sind es getriebene oder gia-
virte Inschriften, bald Filigranornamente und Niellen, bald siebenbürgischer
Emailschmuck, der sie bestimmt. Von Pilgern mitgebracht erhielten sie
ihre in der Regel in Borten und Streifen bestehende Fassung gewöhnlich
erst, wenn sie am Orte ihrer Bestimmung angelangt waren. Grösse und
Anordnung sind bei ihnen verschieden, meistens haben sie zwei, zuweilen
drei Querbalken, ausser diesen wohl auch noch zwei bimförmige Ausläufer,
die seitlich zu jenen emporstreben. Diese Kreuze sind hier in ausserge-
wöhnlicher Anzahl erschienen. Zwei derselben stammen aus dem Kloster
Putna, das eine ausnehmlich gross mit an den Schmalseiten ringsumherlaufen -
den Inschriftfriesen und mit einem Metallknaufe, der in eine Hülse ausläuft,
also das Aufstecken auf eine Tragstange, oder auf ein Postament ermög -
licht. Das andere ist mit Borten von Filigran-Email geschmückt, wie das
XV. Jahrh. es in Ungarn und in den südlich angrenzenden Ländern zu so
reicher und glänzender Entfaltung gebracht hat an liturgischen Gefässen,
aber auch an Schmuckgegenständen. An einem besonders grossen und
reich ausgebildeten Kreuze aus Dragomirna ist die Filigrantechnik ohne
Schmelzwerk, aber in sehr entwickelter Weise verwendet, während ein
anderes aus dem Dome von St. Pölten glänzenden Stein schmuck und fein
durchgeführtes Niello aufweist. Auf einer Nachahmung dieser Kreuze und
ähnlich behandelter Medaillons und Kapseln mögen die auf der Ausstellung
auch nicht fehlenden Gebetnüsse beruhen, die fast alle in der sp'ätgothi-
schen Periode enstanden sind. Die letzten von ihnen, die flandrischen Ur -
sprunges, sind vollendete Kunstwerke von höchster Feinheit, aber auch die
Die Ausstellung kirchlicher Kunstgegenstände in Wien.
227
geringsten derselben übertreffen an Selbstständigkeit der Erfindung und an
Korrektheit der Durchführung alle diese Miniaturgrüppchen vom Berge
Athos, die auf schematischer Wiederholung und handwerksmässiger Ver -
vielfältigung beruhend, fast als eine Art von Verknöcherung erscheinen. —
Da in diese dritte Gruppe auch die wenigen Gemälde Aufnahme gefunden
haben, welche hier vorhanden, so werden wir ihrer noch mit einigen
Worten zu gedenken haben. Ein Flügelaltärchen aus der Schule von
Siena mit der Jahreszahl 1338 ist ein überaus anmuthiges und edles
V erk, ebenso ein Altar mit doppelten Flügeln, der aber mindestens ein
halbes Jahrhundert jünger ist. Ein Triptychon mit Miniaturen vom Nonn-
beig und ein grösseres Gemälde vom Jahre 1410 zeichnen sich zugleich
duich den Vorzug aus, dass ihnen der ursprüngliche Rahmen erhalten ge -
blieben ist, an letzterem sogar mit Minuskelinschrift in Silber auf rothem
Grunde. Auf graue Leinwand sind mit wenigen Lokalfarben 12 Dar -
stellungen aus dem Leiden Christi derb und kräftig um 1500 aufgemalt,
um ein Fasten- oder Hungertuch zu bilden. — Gering an Zahl, aber vor -
züglich au Qualität sind auch die vom Grafen Wilczek und vom Stifte
Herzogenburg gesandten Glasmalereien. Sie bestehen in herrlichen früh -
gothischen Grisaille-Ornamenten mit farbigen Einfassungen, sowie in geome -
trisch gemusterten Feldern mit Standfiguren und Brustbildern, selbst mit
Donator und Donatrix, aus der Mitte des XIV. Jabrh., wahre Muster har -
monischer Stimmung. Aus derselben Zeit stammt ein Feld mit Wappen,
sowie eine Grisaille-Tafel mit zwei kleinen Darstellungen. Das XV. Jahrh.
ist nur durch drei kleinere Bilder, die Frührenaissance nur durch eine
Madonna im Strahlenkränze vertreten.
Die vierte Gruppe, welche die Metallarbeiten und das Email umfasst,
übertrifft alle anderen an Werth und Bedeutung. Was hier an Kelchen, Ci-
borien und Monstranzen, an Oelgefässen und Reliquienbehältern der mannich-
fachsten Art, an Taufgefässen und Aquamanilien, an Krummstäben und
Rauchfässern, an Kreuzen und Crucifixen, an Lampen und Leuchtern, kurz
an kirchlichem Geräth aus der altchristlichen Periode bis in das vorige
Jahrhundert vereinigt, ist geradezu überwältigend, eine vollständige Ge -
schichte dieses so hervorragenden Kunstzweiges. Und was hier an Her -
stellungsverfahren vorliegt, an Guss-, Treib-, Ciselir-, Filigran- und Gravir-
Arbeiten, an Zellen- und Gruben-Schmelz, an Relief- und Maler-Email, an
Niello- und Tauschirung, an Stein-Fassung und Verzierung, bietet einen
vollständigen Ueberblick über sämratliche dem Goldschmiede, der in ge -
wissem Sinne den Architekten, Maler und Bildhauer in seiner Person zu
vereinigen hatte, im Mittelalter geläufige Techniken. Eine oberflächliche
Aufzahlung oder Zusammenstellung würde hier ohne besonderen Nutzen
sein, eine eingehende systematische Behandlung aber einen Raum bean -
spruchen, der hier auf einmal nicht in Beschlag genommen werden kann,
228
Sehilütgen:
zumal nach dem bereits verbrauchten. Es dürfte sich daher empfehlen,
aus den einzelnen Hauptbestandtheilen dieser Gruppen gelegentlich
wieder kleinere Gruppen zu bilden unter eigenen Ueberschriften wie „der
Kelch und seine Geschichte“, „die Monstranz und ihre Entwickelung“
u. s. w. u. s. w. In diesen wären dann den einzelnen hier vorhandenen
Objekten die Stellen anzuweisen, die ihnen in diesen langen und vielgestal -
tigen, der wissenschaftlichen Durchforschung noch sehr bedürftigen Ent -
wickelungsstadien zukommen.
Die letzte Gruppe umfasst Arbeiten verschiedener Art, zunächst aus
Elfenbein und Bein. Sechs romanische Krummstäbe, fast alle noch im
ursprünglichen Stifterbesitz, treten zugleich auf, einzelne von ihnen auch
sehr merkwürdig und lehrreich durch die Art ihrer Bemalung, die beim
Elfenbein wie beim Marmor ein besonderes Interesse beansprucht. Die
Pyxis von Figdor, von der es zweifelhaft bleibt, ob sie ursprünglich schon
für Hostien bestimmt war, gehört zu den letzten Ausläufern der altchrist -
lichen Periode, während das XI. Jahrh. durch zwei mit Hoch-Reliefs um -
kleidete Tragaltärcheu aus dem Stifte Molk vorzüglich vertreten ist. Die
beiden uralten reich reliefirten Hornreliquiare aus dem Prager Dome sind
ebenso grosse Seltenheiten wie Merkwürdigkeiten. Mehrfach erscheinen
Reliquienkästchen. Eines derselben mit eingravirten und farbig ausge -
strichenen kleinen Kreisen und grösseren Segmenten dürfte orientalischer
oder nordischer Herkunft und viel älter sein, als der Katalog angibt.
Eine sehr elegante Verbindung von Elfenbein und Bronze zeigt ein der
Frührenaissance angehöriges Schmuckkästchen. Die zahlreichen Elfenbein -
tafeln bilden eine vorzügliche Illustration der kleinen Plastik vom X. bis
ins XVIII. Jahrh. Dem Alter wie der Bedeutung nach stehen an der
Spitze die beiden Tafeln von Figdor, die aus der Rheinprovinz stammend
zuerst auf der Kölner Ausstellung 1876 Beachtung fanden und seitdem
auch literarisch sind gewürdigt worden, ursprünglich wohl die beiden
Flügel eines Triptychons. An sie schliesst sich unmittelbar und durchaus
würdig das herrliche Relief aus Heiligenkreuz an, welches den hl. Papst
Gregor darstellt, dem eine auf seiner Schulter sitzende Taube in’s Ohr
diktirt. Die Relieftafel mit der Darstellung des Todes Mariens scheint
eine griechische Orginalarbeit zu sein. Das bemalte Diptychon aus Kloster -
neuburg wird französischen Ursprunges sein, deutscher Abstammung wohl
das sehr edle Triptychon aus dem Besitze des Fürsten Liechtenstein, dem
sich das etwas spätere Diptychon aus Kremsmünster würdig an die Seite
stellt. Noch etwas später ist das Flügelaltärchen aus St. Florian, wohl eine
spanische Arbeit. Auch an guten Statuettchen fehlt es nicht. Zu den
besten zählt die Madonna auf altem Metallfusse aus dem Prager Domschatze.
Als Abschluss dieser Elfenbeingruppe erscheint eine Serie von Cruzifixen
der letzten Jahrhunderte. Sie vervollständigt den Ueberblick über die
Die Ausstellung kirchlicher Kunstgegenstände in Wien. 229
Geschichte des Kreuzes und des Gekreuzigten, zu dem die Metallgruppe
zahlreiche Beiträge liefert aus dem frühen Mittelalter bis an seinen äusser-
sten Schluss. Die Alabaster-Statuetten und -Reliefs reichen fast alle
bis ins XIV. und XV. Jahrh. zurück. Die spärliche Bemalung, die ihnen
meistens zu Theil wurde, verleiht ihnen einen eigenthümlichen Reiz, ob -
wohl sie in der Regel mehr die Hand des Kunsthandwerkers, als des eigent -
lichen Künstlers verrathen. Die beiden italienischen Marmorreliefs des Fürsten
Liechtenstein sind gute Leistungen aus dem XV. resp. XVIII. Jahrh.,
die beiden Reliefs aus Kehlheimerstein in neuerer Zeit gut ausgeführt im
Anschlüsse an Arbeiten des XVI. Jahrh., das Tragaltärchen aus Kehl -
heimerstein mit der Jahreszahl 1506, welches Graf Enzenberg geschickt
hat, ist mit eingravirten bezw. geätzten Darstellungen versehen, die durch
wenig Farbe gehoben sind. Auch einige colorirte Thonreliefs verdienen
Beachtung, noch mehr ein bemaltes Wachsrelief ans dem XIV. Jahrh., als
grosse Rarität. Die gothischen Glasbecher, meistens Maigelein- und
Nuppengläser, ursprünglich zu profaner Benutzung bestimmt sind erst später
kirchlichen Zwecken dienstbar gemacht worden, nämlich der Aufbewahrung
von Reliquien in Altären, wozu sie im XV. und XVI. Jahrh. mit Vorliebe
verwandt wurden. Das Wachssiegel des consekrirenden Bischofs wurde
entweder zu den Reliquien in das Gefäss gelegt, welches meistens mit
einem Schieferplättchen bedeckt wurde, oder es bildete kapselartig den
eigentlichen Verschluss der Oeffnung, wie bei dem weissen Glase, welches
mit gelblichem Wachs verschlossen ist um ein ovales Siegel in rother Farbe
aufgediückt zu erhalten. Ganz ähnlich ist ein kleines unscheinbares, aber
meikwürdiges durch Guss hergestelltes Bleigefäss behandelt, welches dem -
selben Zwecke diente. Quadronen verzieren den Fuss, Kuppen den Bauch,
die Henkel sind zum Theile abgebrochen, ebenso der Rand, dem ein Wachs -
pfropfen etwas umförmlich aufgedrückt ist. Das Siegel geht bis in’s
XIV. Jahrh. zurück, dem auch das Gefäss angehören dürfte. — Auffallend
späilich sind geschnittene und plastische Lederarbei ten vertreten, die
namentlich in Spanien und Italien, aber auch in Deutschland für kirch -
liche Zwecke mannichfach gebraucht wurden, vornehmlich als Reliquien -
täschchen, Tabernakelthürchen, Hausaltärchen, noch mehr als Etuis für
kostbare liturgische Gefässe oder Bücher. Zu den schönsten, wenn auch
nicht zu den ältesten Erzeugnissen dieser Technik zählt das Triptychon
aus dem österreichischen Museum durch die Anwendung von Gold und
Farbe zu ganz eigenartiger Bedeutung erhoben. — Es soll den Schluss
unserer Besprechung bilden mit dem Ausdrucke des verbindlichsten Dankes
an seinen Besitzer, bezw. an dessen Vorstand der diese herrliche Aus -
stellung veranstaltet und alles aufgeboten hat, sie so anregend und lehr -
reich, wie nur immer möglich zu machen.
Schnütgen.
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