MAK

Volltext: Monatszeitschrift I (1898 / Heft 1)

Dasselbe gilt von der Ausmalung der Sainte-Chapelle, die niemand 
Geringerer leitete, als der als Architekt wie als Archäolog gleich her- 
vorragende Viollet-le-Duc. Auch dieser vermochte den Bann moderner 
fabriksartiger Technik nicht zu brechen. 
Am deutlichsten trat aber der Zwiespalt zwischen innerer Ab- 
sieht und Erfolg der Ausführung wohl bei dem Nürnberger Beispiele 
hervor. Leiter dieser Arbeit war der Direcftor des germanischen 
Museums, der hervorragende Architekt und Archäolog Essenwein. 
Wohl selten ist zu einem solchen Werk eine geeignetere Person 
gefunden worden, selten hat wohl ein Künstler mit grösserem Feuer- 
eifer sein Werk begonnen. Wer das umfassende Wissen und Können 
Essenweins auch in malerischer Richtung und selbst auf figuralem 
Gebiete, wozu sein Bildercyklus für St. Gereon in Köln Teinen gross- 
artigen Beleg bietet, zu würdigen verstand, der musste sich einen ausser- 
ordentlichen Erfolg versprechen. 
Der Mann, der sich zunächst diesen Erfolg versprach, war Essen- 
wein selbst und so arbeitete er an seinem Werke mit innerster Liebe, 
mit Hingebung, mit Leidenschaft. Es war geradezu berückend, ihn in 
dieser Begeisterung seine Absichten an Ort und Stelle auseinander- 
setzen zu hören. Als aber das Werk fertig war, wollte er nichts mehr 
davon wissen; die Erwartungen der mit geistigem Auge gesehenen 
Farbenwirkung hatten sich nicht erfüllt. Die Ursache davon liegt aber 
auch hier wieder in der modernen maschinellen, fabriksmässigen Her- 
stellungsart. Essenwein hätte nicht nur alle Figuren und Decorationen 
zeichnen, alle Farben angeben müssen, sondern er hätte selbst den 
Pinsel ergreifen, sich etwa nur einen oder zwei geeignete Gehilfen 
suchen, an diese einzige Arbeit seine Lebenszeit daranwenden müssen. 
Alles das, was in unserer fieberhaft rasch producirenden Zeit nirgends 
geschieht und nirgends geschehen ist, das gelang hier zu Kreuzenstein. 
Was bei den genannten Arbeiten dem leitenden Künstler vorschwebte, 
hier wurde es erreicht, und zwar offenbar mit förmlich spielender 
Leichtigkeit, weil alles ebenso naiv, ebenso der reinen Empfindung 
folgend, in nothwendiger Musse gemacht wurde, wie bei den Werken 
der Alten. Zur näheren Begründung nur ein Beispiel. 
Die Gewölbszwickel über dem Hochaltar enthalten feines Gold- 
linien-Ornament auf blauem Grunde. Diese Idee, in gewöhnlicher, 
moderner Fabriksmanier ausgeführt, gäbe, trotzdem sie gut ist, ein 
widerwärtiges Resultat, wie zahllose goldbestemte Blaugründe auf 
modernen Kirchengewölben bezeugen. Der blaue Grund würde ein- 
förmig gestrichen, wobei die Fleckenlosigkeit der Stolz des modernen 
Handlangers wäre; die Verzierung würde glatt in Vergoldung darauf
	        
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