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sich verlierenden Wiese unter dünnen hochstämmigen Bäumen tanzen
die Kinder des Dorfes den fröhlichen Sommerringelreigen. Ein älteres
Mädchen, ein liebliches Kind auf dem Arme schaut ruhig zu und im
I-Iintergrunde der Bauer mit dem pflügenden Pferde, auf dem
heimischen Boden ausruhend und den Blick zur Kinderschaar
heriibersendend.
Wenn ich nicht fürchtete, missverstanden zu werden, so würde
ich die hier abgebildeten Gemälde Thoma's „Friihling" und „Sommer"
als deutsche Marees' bezeichnen. Sie schlagen dieselben Töne an
wie jenes ins Land der Phantasie versetzte, im goldenen Zeitalter
classischer Nacktheit dahinträumende sehnende Daseinsglück Marees,
nur in deutschen Worten dahinfliessend, sanft und selig mit der heimat-
lichen Natur und Volksseele vermählt. Der junge Hirt sitzt unter den
Bäumen auf dem Felsblock, die Weidenpfeife blasend, ihm lauschen
versunken ein ernstblickendes Mädchen und ein blondlockiges Kind,
das in das Bild schaut, die herrliche sonnige Mailandschaft vor
Augen. Friedlich zieht ein Segel durch die Fluten des Flusses, ein
Mädchen pflückt die blühenden Wiesenblumen und ruhig grast die
Heerde. Frieden und volksliedduftiges Sommerglück tönen aus
dem Bilde.
Das andere Bild, auf dem Dorfanger, wiederholt die bei Thema
charakteristischen, hochragenden, unter der Krone mit dem Bildrande
abschneidenden Baumstämme im Vordergrunde und die schattigen
grünenden Bäume in der Mitte, zeigt links ein Ephebenmotiv ins
Deutschländliche übertragen. Ein Bauemjunge sitzt auf dem Rücken
des Rosses, dessen Hals ein anderer streichelt. Dahinter rechts ein
Mädchenreigen, der Fluss, das Dorf und der Himmel in duftiger reiner
Klarheit leuchtend.
Ich sprach vorhin von Th0ma's eigenartigem Freskostil. Worin
besteht er? Ein Paar köstliche Wandmalereien in einem Frankfurter
Gastzimmer und Aquarelle von ihm veranschaulichen ihn. Zunächst
sind es zwei Punkte, die ihn charakterisieren, die Wahl und der
Standort seiner Figuren einerseits und der Hintergrund andererseits.
So niedrig als möglich in der Augenlinie stehen seine Figuren vor
uns, ausserordentlich gross und scharf umrissen. Und dahinter eine
weite weit zurückgehende energisch verkürzte deutsche Landschaft
voll begliickenden Reizes. Und mit dieser Combination erreicht er eine
geradezu grossartige Raumwirkung, eine Wahrheit und Formenwir-
kung der Figuren, welche die energischsten „Taktilwerte" besitzen,
um diesen glücklichen Ausdruck des feinsinnigen Berenson zu verwen-
den. Es ist dasselbe Princip, wie es z. B. Mantegna in der Camera degli