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S ist eine gewaltige Aufgabe, welche die
moderne Kunstbewegung Allen denen ge-
stellt, die sie ergriffen hat. Den Einzelnen
nicht minder wie den Völkern. Wie ein
brausender Sturmwind kam sie in freudigem
stolzem Wagemuth, geneigt, am liebsten
; alles hinwegzuraffen, was nicht jung und
frisch, was nicht aus sich selbst heraus
entstanden, auf sich selbst allein vertrauend
erscheint. Diese moderne leidenschaftliche
Bewegung zur Kunst hat etwas universell
Künstlerisches, sie hat die stolze jauchzende Kraft allseitigster Gestal-
tung, die Kraft, einen grossen einheitlichen Stil zu bilden, der den
harmonischen sinnlich reflectirten Ausdruck einer ganzen Cultur
darstellt.
Sie hat die Kraft, einen Stil zu bilden, denn noch geht der Weg
steil bergauf, die leuchtende I-Iöhe vor sich als schimmemdes Empo-
rium. Aber sie wird sie zweifellos erreichen. Der Beweise sind zu
viele und überzeugende. '
Und der überzeugendste Beweis dünkt mich die nationale Mo-
dificirung des modernen, ursprünglich englischen, von japanischen
und anderen national differenzierten Einflüssen durchsetzten Stils.
Die Franzosen begannen wohl am frühesten, es folgten die Holländer,
die Belgier, die Deutschen und zuletzt auch die Slaven, denn ein guter
Theil des unsagbar anziehenden, geheimnisreich Reizvollen in
Mucha's Kunst hat nichts mit dem Milieu der Boulevards zu thun,
sondern schlägt Accorde an, die ihren Wiederhall finden in der
uralten Volkskunst der Hanna und Slovakei, in der melancholischen
Märchenpracht slavischer Volkslieder und Sagen. Mucha's Kunst
ist slavischer als seine kurzsichtigen Stammesgenossen annehmen,
denn ihnen erscheint er jetzt noch mehr als ein künstlerischer Renegat,
als ein Pariser.
Gerade bei den Deutschen war die Aufnahme des neuen Stils
und dessen Nationalisirung auf schweren inneren sowohl, wie
äusseren Widerstand gestossen. Einmal weil wir das classische Volk
der Philister sind, das bei dem entzückenden Reichthum an genialen