MAK

Volltext: Monatszeitschrift I (1898 / Heft 4 und 5)

äusserlichen Charakteristica den herrschenden Bedürfnissen und den 
an das moderne Haus gestellten Anforderungen anzupassen. Man 
hielt den betreffenden Stil - und dies war der Grundgedanke - für 
derart entwicklungsfähig, dass die Umformung seiner Hauptmerkmale 
der Befriedigung neuer Bedürfnisse dienen könnte. Der Architekt aber, 
der sich mit der Arbeit früherer Perioden vertraut gemacht hat, 
gelangte zu der Überzeugung, dass die einzelnen Stilgattungen absolut 
nur gewissen Perioden angehörten und das natürliche, logische und 
vollendete Gebilde des Baukünstlers, sowie das zunehmende Geschick 
seiner Handwerker bedeuteten. Die lebendige Architektur entwickelte 
sich stufenweise mit dem Wachsthum und der künstlerischen Ent- 
faltung einer Nation, jede Generation fügte etwas bei. Eine blosse 
Wiederbelebung des Stils - sei es nun der classische oder der 
gothische - wie geschickt man dieselbe auch anfasse, bedeutet das 
Wiedererstehen der Form ohne das des Geistes, sie konnte nie zu 
weiterer Entwicklung führen, noch die Architektur aufs neue zu einer 
lebenden Kunst gestalten. Der moderne Architekt ist ein gewissen- 
hafter Zeichner, er hat die entschiedene Absicht, Charakteristisches zu 
schaffen, eine bestimmte Idee in Form zu bringen; er trägt in vollem 
Masse den constructiven Erfordernissen der Eigenheit des aufgewen- 
deten Materiales Rechnung und hütet sich vor einer mehr oder minder 
genauen Reproduction aus einer verflossenen Periode. Nicht als ob 
das moderne Bauwerk keine Tracen aus der Vergangenheit zeigen 
sollte: das Plagiat wird unbewusst begangen, jedes Detail nach 
Bedeutung und Zweckmässigkeit geprüft und beides durch die Art 
der Verwendung zum Ausdruck gebracht. 
Die Liebe zum heimischen Herde, die Wertschätzung dessen, 
was wir mit „home life" bezeichnen, ist allen Völkern und allen 
Zeiten gemein und der moderne Architekt, der in seinem Baue einen 
Gedanken zum Ausdrucke bringen will, findet hier ewig neue und 
würdige Inspiration. Längs der Landstrassen Englands und in dessen 
kleinen Städten und Dörfern finden sich zahlreiche alte Häuser von 
jeder Grösse, mannigfache Typen, alle von unsagbarem Reiz, alle in 
unzweideutiger Weise den Duft des Heims ausstrahlend. Kein Auf- 
häufen des Materiales auf gut Glück, noch allein Schutz gegen die 
Unbill des Wetters: der ganze Bau vielmehr der Ausdruck des 
„home feeling". Von Blumengärten und breiten sammtigen Rasen- 
plätzen umgeben, von Bäurnen beschattet und von geschnittenen 
Eibenhecken eingefasst, geben sie ein lebendiges Zeugnis ab für die 
guten alten Zeiten, die weniger hastig an einfacheren Menschen 
vorüberzogen, die sich mit den Freuden des Landlebens begnügten.
	        
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