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Volltext: Das Kaiserlich Königliche Österreichische Museum und die Kunstgewerbeschule - Festschrift bei Gelegenheit der Weltausstellung in Wien, Mai 1873

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inländischen Arbeiter stehen häufig auf dem Punkte, dass sie nicht nur nicht 
selbst richtig und stilistisch zeichnen können, sondern die richtige stilistische 
Zeichnung, welche ihnen zur Ausführung in die Hand gegeben wird, gar nicht 
verstehen. Als die Wurzel dieser den Nationalwohlstand tief berührenden Uebel- 
stände wird allerseits der mangelhafte Unterricht im Zeichnen überhaupt und 
der Abgang eigentlicher Fachschulen für die höheren Kunstgewerbe bezeichnet.“ 
Es wird sodann hervorgehoben, dass die Nothwendigkeit der 
Errichtung höherer Zeichen- und Kunstgewerbeschulen heutzutage 
überall erkannt wird und mehr oder weniger alle Nationen trachten, 
dem täglich wachsenden Bedürfnisse der Industrie in diesem Punkte 
gerecht zu werden. Dies wird insbesondere an dem Beispiele 
Englands, Frankreichs, Belgiens, Deutschlands (Nürnberg) etc. nach 
gewiesen, und dann fortgefahren: 
„In Oesterreich macht sich die Nothwendigkeit der Errichtung einer 
höheren Kunstgewerbeschule täglich in immer weiteren Kreisen geltend. Die 
Handels- und Gewerbekammern und die Industrie- und Gewerbevereine variiren 
dieses Thema seit Jahren unablässig in ihren Berichten und Eingaben, und die 
Presse begleitet diese Rufe mit lautem Echo. 
Die Zielpunkte der Kunstgewerbeschule ergeben sich aus dem Vorerwähnten 
von selbst. Eine höhere Kunstgewerbeschule soll eine Anstalt sein, die nicht 
die Arbeiter, sondern die Künstler und Lehrer zu bilden hätte. In dieser Kunst 
gewerbeschule sollen Künstler im wahren Sinne des Wortes gebildet werden, 
solche Künstler, welche allen Anforderungen der Kunstindustrie, selbst der 
höchsten, genügen können, so dass man nicht mehr nöthig hätte, sich mit 
unvollständig oder auswärts gebildeten Zeichnern zu behelfen. Sie soll den 
Fabriken die Zeichner und Modelleurs, die im Inlande beinahe ganz fehlen, 
verschaffen, Künstler, welche mit erfinderischem Kopfe Schönheitssinn und 
völlige Ausbildung der Hand vereinigen, und so in unsere Fabriken einen 
künstlerischen Schwung bringen; sie soll den Goldschmied, den Möbelschnitzer, 
den Porcellanmaler, überhaupt den Kunsthandwerker zum Meister machen, 
nicht im gewerblichen, sondern im künstlerischen Sinne des Wortes. Sie soll 
endlich für die Fachschulen der Industrie, für Real-, Gewerbe- und andere 
Zeichenschulen die Lehrer erziehen, welche diese Schulen in Beziehung auf 
den Geschmack auf die richtige Bahn lenken und ähnlichen Instituten in den 
Kronländern vorstehen können.“ 
Nachdem ferner auseinandergesetzt worden ist, wesshalb die 
damals bestehenden Schulen in Oesterreich dieser Aufgabe nicht 
genügen konnten, wird zur Andeutung der Grundzüge für die 
Einrichtung einer Kunstgewerbeschule übergegangen. 
„Soll die Kunstgewerbeschule diejenigen Ziele wirklich erreichen, für 
welche sie bestimmt ist, so müssen die drei Hauptkünste, Malerei, Plastik und 
Architektur, in derselben in sorgfältigster Weise gepflegt werden, denn die 
gewerbliche Kunst ist ja nichts anderes als der Inbegriff dieser drei Künste, 
angewendet auf die Bedürfnisse des täglichen Lebens.
	        
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