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inländischen Arbeiter stehen häufig auf dem Punkte, dass sie nicht nur nicht
selbst richtig und stilistisch zeichnen können, sondern die richtige stilistische
Zeichnung, welche ihnen zur Ausführung in die Hand gegeben wird, gar nicht
verstehen. Als die Wurzel dieser den Nationalwohlstand tief berührenden Uebel-
stände wird allerseits der mangelhafte Unterricht im Zeichnen überhaupt und
der Abgang eigentlicher Fachschulen für die höheren Kunstgewerbe bezeichnet.“
Es wird sodann hervorgehoben, dass die Nothwendigkeit der
Errichtung höherer Zeichen- und Kunstgewerbeschulen heutzutage
überall erkannt wird und mehr oder weniger alle Nationen trachten,
dem täglich wachsenden Bedürfnisse der Industrie in diesem Punkte
gerecht zu werden. Dies wird insbesondere an dem Beispiele
Englands, Frankreichs, Belgiens, Deutschlands (Nürnberg) etc. nach
gewiesen, und dann fortgefahren:
„In Oesterreich macht sich die Nothwendigkeit der Errichtung einer
höheren Kunstgewerbeschule täglich in immer weiteren Kreisen geltend. Die
Handels- und Gewerbekammern und die Industrie- und Gewerbevereine variiren
dieses Thema seit Jahren unablässig in ihren Berichten und Eingaben, und die
Presse begleitet diese Rufe mit lautem Echo.
Die Zielpunkte der Kunstgewerbeschule ergeben sich aus dem Vorerwähnten
von selbst. Eine höhere Kunstgewerbeschule soll eine Anstalt sein, die nicht
die Arbeiter, sondern die Künstler und Lehrer zu bilden hätte. In dieser Kunst
gewerbeschule sollen Künstler im wahren Sinne des Wortes gebildet werden,
solche Künstler, welche allen Anforderungen der Kunstindustrie, selbst der
höchsten, genügen können, so dass man nicht mehr nöthig hätte, sich mit
unvollständig oder auswärts gebildeten Zeichnern zu behelfen. Sie soll den
Fabriken die Zeichner und Modelleurs, die im Inlande beinahe ganz fehlen,
verschaffen, Künstler, welche mit erfinderischem Kopfe Schönheitssinn und
völlige Ausbildung der Hand vereinigen, und so in unsere Fabriken einen
künstlerischen Schwung bringen; sie soll den Goldschmied, den Möbelschnitzer,
den Porcellanmaler, überhaupt den Kunsthandwerker zum Meister machen,
nicht im gewerblichen, sondern im künstlerischen Sinne des Wortes. Sie soll
endlich für die Fachschulen der Industrie, für Real-, Gewerbe- und andere
Zeichenschulen die Lehrer erziehen, welche diese Schulen in Beziehung auf
den Geschmack auf die richtige Bahn lenken und ähnlichen Instituten in den
Kronländern vorstehen können.“
Nachdem ferner auseinandergesetzt worden ist, wesshalb die
damals bestehenden Schulen in Oesterreich dieser Aufgabe nicht
genügen konnten, wird zur Andeutung der Grundzüge für die
Einrichtung einer Kunstgewerbeschule übergegangen.
„Soll die Kunstgewerbeschule diejenigen Ziele wirklich erreichen, für
welche sie bestimmt ist, so müssen die drei Hauptkünste, Malerei, Plastik und
Architektur, in derselben in sorgfältigster Weise gepflegt werden, denn die
gewerbliche Kunst ist ja nichts anderes als der Inbegriff dieser drei Künste,
angewendet auf die Bedürfnisse des täglichen Lebens.