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NEUE WEGE IM MÜNCHNER KUNST-
GEWERBE 56' VON ARTUR WEESE-
MÜNCHEN 5b
,} ÜNCHEN ist diejenige Stadt in Deutschland,
die zuerst in die all ' k t b-
gemeine uns gewer
liche Bewegung praktisch eingegriffen hat.
Die Thatsache ist um so bemerkenswerter,
als München die Hochburg der deutschen
Renaissanceschwärmerei war und ebenso
die vorausgehende Heideloffsche Gothik
hier ihren festen Sitz hatte. Die kunst-
gewerblichen Anfänge der Romantiker sind
allerdings längst überwunden, vielleicht
schon vergessen; aber ihre Spuren finden
sich auch heute noch in Künstlerkneipen und Privathäusern. Man muss
lächeln bei dem Gedanken, dass ernste Männer diese antiquarischen
Spielereien für künstlerische Leistungen nehmen konnten, an denen
nur der Spitzbogen und die Kreuzblume an die Gothik erinnert, die
Behandlung der Einzelforrnen aber klar beweist, wie unzulänglich das
Experiment ausfällt, den Geist vergangener Zeiten heraufbeschwören
zu wollen.
In der Tendenz stimmten darin auch die historischen Wieder-
belebungsversuche eines jüngeren Geschlechtes überein, das mit
Butzenscheiben und Vertäfelungen, mit traulichen Erkern und steif-
beinigen Stühlen dem Publicum als besseren Ersatz die deutsche
Renaissance anpries, Damals appellirte man doch vor allem an das
patriotische Hochgefühl der wiedererstandenen Nation, die man nach
den glänzenden Siegen draussen sofort reif glaubte, um auch im Garten
der Kunst reiche Lorbeeren zu pflücken. Wie freudig griff die
Künstlerwelt nach dem ausgebildeten Formenschatz des Dürefschen
Zeitalters, als es plötzlich hiess, den unzähligen Nachfragen nach
deutschen Werken genügen. Begabte Männer traten auf den Plan,
ein lustiges Schaffen begann. Und das Gute ist daraus entsprungen,
dass München, zumal durch die ungeheure Bauleidenschaft König
Ludwigs II., einen geschulten Handwerkerstand gewann, der in
Deutschland ohne Gleichen dastand. Freilich, nach den Bedürfnissen
der Zeit zu fragen, das hatte man über aller Arbeit vergessen. Nicht
der Zweck bestimmte die Formen der Möbel, sondern der Kanon, der
in den Vorlagestichen der alten Nürnberger und Augsburger Meister
festgelegt und in billigen Reproductionen selbst in der arrnseligsten
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