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Nr. 24
Meine Ansichtskartensammlung.
Von H. von Raimann (Bad Ischl).
eignissen, die sich auf unserer Erde abspielen werden
oder abgespielt haben. In mehr oder weniger künstleri
scher Ausführung erhielten wir die Mitteilungen, aber bei
dieser Art Karten fragt man nicht so sehr nach der Aus-
Alle Geschehnisse der letzten zwanzig Jahre ziehen
mit wenigen Ausnahmen — an meinen Blicken vorbei,
wenn ich die bunten Blätter betrachte, die eifrige Men
schen verfertigt haben, um Kunde zu geben von den Er-
viiren mit zarten Farben oder in einfarbiger Tintierung
und so gehen meist interessante Darstellung und an
nähernd vollkommene Herstellung Hand in Hand. Frei
lich ist dies erst eine Errungenschaft neuerer Zeit. Wenn
ich die Karten ansehe, die vor beiläufig fünfzehn Jahren
uns geboten wurden, und die man damals hübsch fand,
so ist das nur ein neuer Beweis für die altbekannte Tat
sache, daß das Auge des Menschen erzogen werden muß,
und erzogen werden kann. Und wirklich — wir sind er
zogen worden, derart, daß wir vielleicht jetzt schon etwas
zu verwöhnt sind, und zu große Forderungen stellen an
diesen Zweig der Industrie.
Wenn wir nun auf die Sujets übergehen, und sie
Revue passieren lassen, sehen wir, daß es bei uns in
Oesterreich in erster Linie unser Kaiser ist, der immer
von neuem im Bilde vor uns erscheint, und man muß sich
wundern, wie erfinderisch die Köpfe in den lithographi-
Fig. o.
sehen Anstalten sind, die uns alle halben Jahre die Ge
stalt des greisen Herrschers in Serien verschiedener
Karten zu zeigen imstande sind. Namentlich viel verlangt
werden die Bilder, die den Kaiser als Jäger zum Gegen
stand haben, und wer die Möglichkeit hatte, den Mon
archen in Ischls Bergen in dieser Tracht zu sehen, für
den ist es geradezu erstaunlich, wie getreu die natürliche,
ungezwungene Haltung, die gewinnende Güte, die in der
einfachen Landumgebung ja noch mehr zum Ausdruck
kommen kann, als in der immerhin steiferen Etikette der
Stadt, wiedergegeben ist.
Fig. 6.
führung, weil der Gegenstand dominiert. Gewiß ist es er
freulicher. wenn die interessante Begebenheit auch auf
hübsche Weise vorgeführt wird, und nach Möglichkeit
nehmen ja unsere großen Kartenverläge auf eine gefällige
Art der Herstellung Bedacht. Die Photographien werden
mit tunlichst wenig ülanzlichtern angefertigt, die Gra-
Ich besitze eine kleine Separatsammlung von Bildern
des Kaisers, zirka 900—1000 Stück in allen Lebensaltern,
bei allerlei Anlässen. Von dem kleinen, kaum einjährigen
Kind auf den Knien seiner schönen Mutter, der Erz
herzogin Sophie, bis zum heutigen Tage, als Zweiundacht-
zigjähriger zur Jagd reitend. Alle Jahre dazwischen sind
vertreten, und die markantesten Ereignisse und Zeiten in
des Kaisers Leben: im Kreise seiner Geschwister sehen
wir ihn, heiter spielend: neben Radetzky die Feuer
taufe empfangend; als Jüngling in der Burg zu Olmütz
nie Bürde der Krone mutig übernehmend; als Bräutigam
am Starnbergersee bei München mit der »Rose von
Bayern«, bei seiner Hochzeit in der Augustinerkirche zu