1.94
und das Somrnerrefectorium, so sehen wir einen Zug von Grossartig-
keit gepaart mit heiterer Anmuth durch das Ganze gehen, welcher
den Beschauer mit innigem Behagen erfüllt. Prandauers Geist war
allen Anforderungen irdischer Grösse in den Ausdrucksformen der Bau-
kunst gewachsen. Auch die dienenden Künste, Sculptur und Malerei,
wusste er für den Eindruck des Vornehmen Uefflich zu verwenden,
wie die Ausstattung der Säle und des Treppenhauses bezeugt. Er
hat die italienischen und französischen Bauformen nicht matt und
ängstlich copirt, sondern in ihren Geist sich liebend versenkt und sie
an dem rechten Platze und in den richtigen Verhältnissen mit Geschick
wiedergegeben. Was er aber im Gebiete der kirchlichen Architektur
zu leisten vermochte, zeigt die herrliche Melker Stiftskirche, eine der
schönsten, welche in der Periode des Barockbaues in Europa errichtet
wurden. Gerade diese Kirche ist ein leuchtendes Zeugnis dafür, dass
Prandauer die Gabe selbständiger Denkungsart hatte und wo es die
Umstände gestatteten oder forderten, aus dem Borne eigenen Geistes
und Erfindens schöpfte. Einer der besten Kenner des Barockbaues
in der Gegenwart schliesst sein Urtheil über unseren Baumeister mit
den Worten: „Prandauers Name verdient neben dem Schliiters und
Pöppelmanns, aber auch neben Gerhart, Thomasius, Leibniz und
Sebastian Bach in das Ehrenbuch deutscher Nation eingezeichnet zu
werden."
AUS DEM WIENER KUNSTLEBEN 50
VON LUDWIG HEVESI-WIENSW
OBERT RUSS. In der Galerie Miethke hat eine Ausstellung von Bildern
und Studien des Wiener Landschaftsmalers Robert Russ stattgefunden,
die dann zur Versteigerung gelangten. Der gut illustrirte Katalog wies an
250 Nummern auf. Meistens waren es Arbeiten der letzten Jahre, doch soll
Einzelnes bis in die Zeit des Zimmermann-Schülers zurückgereicht haben. Die
Blüte Russ' fällt unstreitig in die Makart-Zeit. Die starke malerische Strömung
jener Jahre hob ihn, man möchte sagen, über sich hinaus. Im Makart-Kreise
herrschte ein Ehrgeiz, sich und andere zu übertreffen. Man experimentirte Fir
sein Leben gern und jedes neue Bild sah nach etwas Anderem aus. Die
Figurenmaler zogen natürlich von Makart selbst an; man denke an Leopold
Müllers grossen „Markt zu Tantah" und Einzelnes von Huber. Die Landschafter
aber gingen auf malerisch-technische Abenteuer aus. Ihr drittes Wort war
„Zufäl1igkeiten". Schindler ging damals durch drei oder vier Manieren. Robert
Russ hatte einen jugendlichen Drang ins Grosse, Starke, der sich freilich bald
verlor, denn er ist im Grunde ein Zierlicher, zeichnerisch Spintisirender, ein
Verwandter Hugo Charlemonts. In jenem jungen Schwung gelang ihm aber doch
eine mächtige decorative Wirkung, wie die seines grossen „Heidelberger