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Volltext: Monatszeitschrift III (1900 / Heft 3)

schmeichelt er uns vor, bis er uns in die Stimmung bringt, sie zu ergänzen. Hans von 
Marees hätte das erleben sollen. Zwei Bilder mit Adam und Eva stehen technisch etwas 
weniger hoch, sind aber überaus poetisch erfunden. In dem einen schläft Adam auf 
blumiger Au, während Eva nachdenklich einen Zweig des Apfelbaumes gefasst hält. 
Hinten ein breites Wasser, darin ein Eiland mit zwei rothblühenden Bäumen, und dahinter 
eine sandige Küste, die zu umwölkten Bergen ansteigt - ihre Zukunft. Das andere Bild 
ist die Ermahnung des Herrn im Paradiese; voll naiver Züge, aber auch malerisch und 
zeichnerisch zu naiv. Das darf man nur, wenn man es nicht besser kann. Vom Grafen 
Kalckreuth sieht man das grosse Dreibild mit den drei Lebensaltern des Weibes; auf- 
blühendes Mädchen, schaffende Mutter, und in der Mitte das vom Alter gebeugte 
Mütterchen. Es ist vielleicht sein bestes Bild, auch malerischer als er sonst zu sein pflegt. 
Von Leibl mehrere vorzügliche Bilder, darunter ein stark verkürztes Mädchenprolil von 
classischer Gesundheit der Form und des Vortrags, und ein uraltes Runzelgesicht voll 
Wirklichkeit, die nur etwas zu vollkommen durchgebosselt ist. Von Stuck sieht man den 
bekannten „wilden Jäger" und einen jener weiblichen Köpfe, die man kennt. Von Slevogt 
das Dreibild vom „verlorenen Sohn", voll Ausdruck und geflissentlicher Hässlichkeit, aber 
malerisch durchgreifend, besonders der Flügel, wo die farbenbunte Orgie stattfindet. Von 
Dettmann unter anderem einen Sonnenuntergang über waldigen Hügeln, wo die 
abgeernteten Halden und die Schafheerde mit ihrer Staubwolke köstlich in Sonne 
schwimmen. Von Kuehl mehrere vortreffliche Interieurs. Von Dill vorzügliche Dachauer 
Dämmerungen. Von Uhde zwei Rahmen voll Poesie, von Thema einen älteren Rheinfall, 
mit naiv gesehener Landschaft, in der der Fall selbst eigentlich kein rechtes Wasser wird. 
Die naivsten Landschaften sind freilich die des alten Karl I-Iaider in München, der aber 
noch viel naivere ausgestellt hat, mit Wäldern, in denen wirklich jeder einzelne Baum 
einzeln gemalt war. Auch Haberrnann und Leistikow sind erschienen, und Fritz Stahl 
mit einem mondbeglänzten Abend auf Capri, der wirklich etwas von dortiger Local- 
stimmung gibt. Es sind vorjährige Sachen von den deutschen Ausstellungen. Neu für 
Wien ist Oskar Zwintscher, der Meissnerjunge, dessen schwere, starke Ursprünglichkeit 
aber näherer Bekanntschaft bedürfte. Und auch aus Breslau hat die Secession einen 
Jungen geholt, der kam, sah und siegte. Es ist der Stuck-Schüler Eugen Spiro, dessen 
lebensgrosse Porträtligur eines im Winde spazierenden Mädchens Aufsehen macht. Das 
leichte rosa Baregekleid ist an allen Kanten mit schwarzem Sammt gesäumt und dieses 
Schwarz schlängelt sich pikant über die ganze Figur hin. Die kräftige und leichte 
Behandlung kündigt eine Eigenart an. Etwas zu trüb und lehmig ist ihm das Porträt des 
Kunstgelehrten Dr. Masner ausgefallen, das aber geistigen Gehalt hat. 
Unter den Plastikern steht Charles Van der Stappen voran. Er hat eine ganze 
Sammlung von 18 Arbeiten geschickt; zwölf davon sind Skizzen oder Details von seinem 
grossen Bildwerke „Uiniinie bonte" in Brüssel, dessen Mittelpunkt der heilige Martin 
ist. Es sind meist einzelne oder gruppirte Acte von ausdrucksvoller Bewegung, mit 
einer knotigen, knorrigen Anatomie, die brillant hinskizzirt ist. In den ausgeführten 
Arbeiten ist der Meister voll tragischer Empfindung, wie in dem ergreifenden 
Christuskopf des „Gegeisselten", oder von einer schwermüthigen Getragenheit, 
wie in der Büste: „la resignee", oder von einer harten Charakteristik, wie 
in dem Kopfe des knieenden Bischofs. Überhaupt herrscht der Ernst in seiner Welt- 
anschauung vor; selbst einfache Existenzbilder, wie seine Büste einer seeländischen 
Fischersfrau haben einen Zug von Feierlichkeit. Damit hängt es wohl auch zusammen, 
dass Van der Stappen in der Einfachheit immer weiter geht. Die kleinere Bronze- 
wiederholung seiner Marmorgruppe: „La nourrice de Yhumanite" ist dafür ein geistreiches 
Beispiel. Der Einfluss Meuniers hat da wohl mitgespielt. Die genannte Gruppe, eine 
nackte Frau, die sich zu einem Kinde bückt, um es zu nähren, ist ein höchst mannigfaltig 
bewegtes und doch geschlossenes Gebilde von hohem Reiz. Auch zwei vorjährige Haupt- 
werke sind da: die elfenbeinerne „Jeanne d'Arc" (eigentlich „In hoc signo vinces"), die
	        
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