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Volltext: Monatszeitschrift II (1899 / Heft 11)

die Sache in eine gute Hand legen. Schliesslich sollte ja ein öffentliches Denkmal 
in Wien auch verantwortet werden. Für das thatsächlich errichtete Bruckner- 
Denkmal werden immerhin zwei Entschuldigungen angeführt: das Vorhanden- 
sein einer Originalbüste 
Bruckners von Tilgner 
und das Vorhandensein 
des jungen Bildhauers 
Fritz Zerritsch, der in 
den letzten Jahren Tilg- 
ners sein Gehilfe, also 
Schüler gewesen. Herr 
Zerritsch hat Bruckner 
auch in seiner Heimat 
und auf dem Central- 
friedhofe in seiner tilg- 
nerisirenden Weise ver- 
ewigt, er war also schon 
im Zuge, und das übrige 
Kolo Moser, Entwurf für das Glasmosaikbild in dem Schaufenster der that die Wiener "Ge" 
Apollokerzen-Niederlage Am Hof müthlichkeit". Nun, das 
Ergebnis ist ein voll- 
kommen misslungenes Bruckner-Denkmal. Was daran Tilgnerisches ist, wird 
von fremder Zuthat erdrückt und kommt unter den ungünstigsten Bedingungen 
zur Anschauung. Die bloss lebensgrosse Büste (Halbfigur, mit Geberde der 
linken Hand, grüne Bronze) ist viel zu hoch gestellt, so dass die freie Luft 
sie ringsum benagt und unter Lebensgrösse herabdrückt. Dabei verliert sich 
auch das Charakteristische ihrer Behandlung, jener eigentlich etwas überpointirte 
malerische Naturalismus, der diese Büste aus den ersten Neunziger-Jahren, das 
Seitenstück zum uralten Domkapellmeister Gottfried Preyer, so populär gemacht 
hat. Die naive Gewaltsamkeit und ungeschickte Grösse in Bruckners Wesen, 
welche Tilgner selber wieder so naiv erfasst hat, dazu seinverwittertes Greisenthum, 
das bei aller Schlottrigkeit etwas Tyrannenhaftes hatte, das Alles geht da oben 
verloren. Diese Büste hätte man, so wie sie ist, auf einen einfachen mannshohen 
Sockel vor eine grüne Laubwand stellen müssen, Aug' in Aug' mit demZeitgenossen, 
der sich seiner unglaublichen Lebenswahrheit gefreut hätte. Statt dessen steht sie 
nun auf einem hohen Hermensockel aus grauem Granit, der, da die Büste breit abge- 
schnitten ist, mehr als vierschrötig ausfällt, dabei aber auf ein Paar schwächlich 
gegliederten Felsbrocken (noch dazu aus weissem Marmor) steht. Und vorne 
stürmt in sonderbarer Hast eine etwas kümmerliche Mädchenfigur aus weissem 
Marmor hinan,beide Arme emporgestreckt, um links eineDornenranke abzuwehren, 
rechts einen Lorbeerzweig zuüberreichen. Die Stellung ist ausnehmendungeschickt, 
und dass dem Mädchen dabei Alles, was sie am Leibe hat, das Hemd und die um- 
gehängte (in natura gedacht, mindestens dreissig Pfund schwere) Leier entgleitet, 
trägt noch wesentlich zu diesem Eindruck bei. Die Buntheit des Materials, das vier 
verschiedene Farbentlecken macht, vollendet die unglückliche Wirkung. Schade 
um den interessanten Bronzekopf, den man retten wollte und geopfert hat. Wir 
geben ernstlich den Rath, ihn wirklich zu retten, indem man den unverhältnis- 
mässigen Apparat beseitigt und einfach den Tilgnerschen Bruckner aufstellt. 

	        
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