Leistungen des heimischen Kunsthandwerkes sollten alljährig zu einem Gesammt-
bilde in diesen Hallen vereinigt, Zeugnis geben von den Fortschritten und
Wandlungen auf diesem Gebiete des menschlichen Schaffens. So wollten auch
wir es halten, und Eure Excellenz werden prüfen, inwieweit es uns gelungen ist,
diesem Ziele näherzukommen. Indem ich Euere Excellenz im Namen des Institutes,
dem ich vorzustehen die Ehre habe, den ehrerbietigsten Dank für Ihr Erscheinen
zum Ausdrucke bringe, bitte ichEuereExcellenz, die diesjährige Winter-Ausstellung
des österreichischen Museums eröffnen zu wollen."
Hierauf erwiderte Seine Excellenz Dr. Ritter von I-Ianel Folgendes:
„Eine grössere Ausstellung in diesem I-Iause, auf welches wir stolz zu
sein ein Recht haben, eröffnen zu dürfen, ist mir, dem derzeitigen Leiter des
Ministeriums für Cultus und Unterricht, eine willkommene Pflichterfüllung.
Es verbindet sich aber gerade mit dieser Ausstellung ein starkes sachliches
Interesse, welches weit hinausgreift über den Kreis der geehrten Anwesenden,
welche mit reger Aufmerksamkeit die Bestrebungen dieses Institutes zu ver-
folgen gewohnt sind; denn damit ist die Gelegenheit geboten, wieder einmal
an reicheren Proben die Früchte seiner ernsten und nunmehr ruhigen Arbeit
zu sehen, seine Erfolge zu vergleichen und zu prüfen. Die fortschrittliche
Bewegung aber auf dem Felde kunstgewerblichen Schaffens fesselt heute
unsere Blicke wie kaum zu einer anderen Zeit und wie kaum eine andere
culturelle Bewegung. Der mächtigen Entwicklung, welche das Kunsthand-
werk in allen Culturstaaten genommen hat oder zu nehmen beginnt, hat sich
auch Österreich nicht verschliessen können. Mochte auch in den Augen
mancher das, was die neue Geschmacksrichtung hervorbrachte, als Product
flüchtiger Laune und vergänglicher Nachahmung gelten, immer mehr wurde
dasselbe als das natürliche Ergebnis einer allen Culturvölkem gemeinsamen
Entwicklnng auf den Gebieten der grossen Kunst, der Wissenschaft, der
Technik, sowie des socialen Lebens erkannt und erzwang sich schrittweise,
wie alles natürlich Gewordene, Verständnis und Anerkennung. Und in der
That, wer wollte nicht sehen, dass das Kunstgewerbe aus dem Wandel und
dem Aufschwung der hohen Kunst und der wiederhergestellten innigeren
Verbindung mit derselben verjüngende Kraft schöpfte und dass die Er-
weiterung und Vertiefung kunstwissenschaftlicher Betrachtung seinem
Schaffen neue Quellen erschloss? Indem aber dem österreichischen Museum
für Kunst und Industrie auf Grund seiner Statuten und nach seinen Tra-
ditionen die Aufgabe obliegt, durch „I-Ierbeischaffung und Bereitstellung der
Mittel, welche Kunst und Wissenschaft bieten, die Leistungsfähigkeit der
Kunstgewerbe zu heben, den Geschmack der Kunstgewerbetreibenden und
des Publicums zu wecken und so die kunstgewerbliche Thätigkeit zu fördem",
wurde dasselbe wie von selbst auf neue Bahnen gelenkt und fühlte sich be-
rufen, als Vorkämpfer neuer Geschmacksrichtungen aufzutreten. Mag man
nun mit Recht oder Unrecht an seinen Bestrebungen mäkeln oder an seinen
Erfolgen nörgeln, jedenfalls gebürt ihm das eine Verdienst, die Gleichgiltig-
keit, mit welcher das Publicum bis vor kurzem dem Kunsthandwerke gegen-
überstand, gebrochen und warme Theilnahme für jede bemerkenswerte
Leistung entfacht zu haben; mit dem wiedererweckten Interesse aber stellt
sich von Tag zu Tag regere Lust, zu kaufen, und erhöhte Freude am
Schaffen ein.