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Volltext: Monatszeitschrift III (1900 / Heft 6)

Rodins Ausstellung eine ganze Reihe von Schöpfungen dieser Art sehen, 
bei denen, dank der sicheren Beobachtung und der festen Hand des Künstlers, 
ein einfacher, kaum sichtbarer Umriss, ganz breit, mit einem gleichmässigen 
Bisterton lavirt, schon hinreicht, eine genaue Vorstellung von derErscheinung 
des Augenblickes, ja sogar von dem Relief der Figuren zu geben. Das ist beim 
Zeichnen das Summum der Synthese, das sich nur mit dem Wesentlichen 
befasst, ein Princip, das Rodin später auch auf die monumentale statuarische 
Kunst angewandt hat. Bewundernswerte Arbeiten mit der kalten Nadel 
(denn Rodin ist auch Stecher, wie er in seinen Anfangen zuweilen auch 
Maler war), Porträts und Idealcompositionen (eine hievon ist ein Frontispice 
zur zweiten Serie der „Vie artistique" von Gustave Geffroy) zeugen gleichfalls, 
durch die augenfällige Einfachheit der Mittel, von der bedeutenden Macht 
des Erfassens. 
Der „heilige Johannes der Täufer", im darauffolgenden Jahre 1881 
ausgestellt (heute im Musee du Luxembourg), ein hagerer und robuster 
Anachoret, ausschreitend und mit einem Ausdrucke von Hartnäckigkeit 
predigend, ist durch die packende, wenn auch weniger eigenartige Auffassung, 
durch die intensive Lebendigkeit und durch das eingehende Studium der 
Modellirung, gleichsam der Bruder des „Mannes aus der Urzeit" zu nennen. 
Er wurde mit aller Ruhe aufgenommen und Rodins Name begann Verbreitung 
zu finden. 
Von nun an war seine Originalität anerkannt - wenngleich nicht von 
allen gutgeheissen. In der That wurde eine andere seiner Compositionen, 
das „besiegte Vaterland" bei dem Concurse zurückgewiesen, der 1880 zur 
Erinnerung an die Belagerung von Paris 187i für ein Denkmal ausgeschrieben 
worden war, mit der Bestimmung, auf dem Rond-point von Courbevoie 
errichtet zu werden. Eine Allegorie gemässigteren Charakters wurde seinem 
Werke vorgezogen. Und wie sehr war sie doch für ihre Bestimmung geeignet, 
diese Gestalt des Vaterlandes, deren einer Flügel halb gebrochen war, die, 
voller Beklemmung und Zorn, über die Leiche eines ihrer Vertheidiger weg, 
hinausschreit nach Widerstand und Rache! Seither hat Rodin verschiedene 
Varianten versucht. Eine dieser Originalschöpfungen, der „Genius des 
Krieges" (im Besitze des Herrn Pontremoli)" findet sich hier abgebildet. 
Als ferner Rodin im Jahre 187g durch Carrier-Belleuse, der damals 
Director der Kunstarbeiten in Sevres war, als Bildhauer in die Ateliers der 
grossen Manufactur kam, war er bald darauf auch schon gezwungen, seinen 
Posten aufzugeben, der Nergeleien halber, denen er durch die Functionäre 
der Anstalt ausgesetzt war. Man war dort erschreckt über die Kühnheit 
" Bei dieser Gelegenheit bemerken wir, dass kein einziges von den Werken Rodins in den Handel 
gebracht wurde, und dass alle existirenden Wiederholungen solcher Originalarbeiten sind. Da er es nicht dem 
Praktiker überlässt, die letzte Hand an eine Marmorarbeit zu legen, so erlaubt der Künstler noch viel weniger, 
dass ausserhalb seines Ateliers mehr oder weniger treue Reproductionen oder Recluctionen hievon angefertigt 
werden. Er erlaubt auch nicht, dass die Bronzen, die er giessen lässt, mit der gewöhnlichen künstlichen Patin: 
versehen werden, er zieht die natürliche vor, die beim Gusse und durch die hiebei sich entwickelnden Säuren 
entsteht.
	        
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