Gelbliche spielende Färbung, ferners sichtlich jüngere Abfeilungen am
Gelenk des Deckels, das wohl in seiner ursprünglichen Gestalt in das
Charnier des neuen Henkels nicht recht passen wollte, und vor allem sein
bei alten Originalhenkeln dieser Form nahezu nie vorkommender schräger
Ansatz an den Mundrand der Kanne: ein wagrechter Ansatz - die normale
Stellung - liess sich eben nicht erzielen, da der Henkel zu kurz war, als
dass man ihn, bei wagrechtem Ansatze, in nur einigermassen schwung-
voller Linie zu seiner unteren Befestigungsstelle hätte fuhren können.
Kommt somit das einzige scheinbar stichhältige Gegenargument gegen
die Zuweisung unseres Stückes an Sachsen ausser allen Betracht, so
bestätigt ein anderes Moment nicht nur unwiderleglich diese Zuweisung,
sondern es gestattet auch eine ganz genaue Bestimmung des Ursprungsortes
unserer Kanne: die Form, aus der der Fuss der Linzer Kanne gegossen ward,
wurde nämlich nicht bloss zum Gusse des Fusses eines gleichfalls unsignirten
Leuchters der Sammlung Demiani in Leipzig verwendet, sondern auch
zur Herstellung des Deckels der vorstehend abgebildeten und bei Demiani
auf Seite 72 besprochenen, 1:562 datirten, 47 Centimeter hohen Zunftkanne der
Zittauer Maurerinnung, die gegenwärtig in der dortigen Stadtbibliothek
aufbewahrt wird und sich durch zwei Zittauer Stadtstempell und das
Meisterzeichen des Zittauer Zinngiessers Paul Weisse mit aller Bestimmt-
heit als Zittauer Arbeit documentirtß
Trotz der Verwendung der gleichen Form dürfte man aber wohl kaum
berechtigt sein, auch unser Stück, das in allen übrigen Einzelheiten, ins-
besondere technisch, einen durchaus anderen Charakter trägt - man ver-
gleiche namentlich die Exactheit der Dreharbeit am Zittauer Stück mit der
relativen Schleuderhaftigkeit der Dreharbeit an der Linzer Kanne, deren
Verfextiger beim Drehen an zahlreichen Stellen ins Ornament „hineinfuhr", -
dem Meister des Zittauer Maurerinnungshumpens zuzuschreiben: die
gestochene Form, aus der der Fuss unseres Stückes} der Fuss des
Demianfschen Leuchters und der Deckel der Zittauer Kanne gegossen
wurden, dürfte eben, wie dies ja erwähntermassen häufig der Fall war, der
verblüffenden technischen und stilistischen Ungleichheit der Details, leicht zur Annahme verleiten, dass man es
mit einer modernen Fälschung zu thun habe, der man durch ein meist ja auch eine ähnliche schmutzig-graue
Farbe ergebendes Säurebad den verritherischen Glanz der Neuheit hätte benehmen wollen. Doch lassen sich
derartige Filscherproceduren ausnahmslos durch den bei unserem Stück absolut nicht vorhandenen Siuregeruch
und -Geschmack leicht und untriiglich constatiren. Die unschöne Färbung der Linzer Kanne, die übrigens eine
ganze Reihe documentarisch nachweisbar alter Edelzinnarbeiten in nach viel schwarzerer Nuancirung tragen,
dürfte wohl auf irgend welche atmosphärische Eindiisse zurückzuführen sein und verdächtigt ihre Echtheit in
keiner Weise.
1 Vergleiche iiber die in Sachsen übliche Markirung der Zinnwaren den interessanten Artikel
K. Berlings „Sächsische Zinnmarken" in „Kunstgewerbeblatw, III, H. 7.
2 Ich benütze mit besonderer Freude diese Gelegenheit, meinen böflichsten Dank dem hochlöblichen
Stadtrath von Zittau und dem l-Ien-n Stadtbibliothekar Professor Dr. Th. Gärtner für das ausserordentliche Zuvor-
kommen auszusprechen, mit welchem der erstere über glltige Intervention des letzteren, lediglich zum Zwecke
des Vergleiches der Linzer Kanne mit dem Zittauer Humpen, diesen auf seine Kosten hat photographiren lassen.
5 Die im Vergleich mit dem flachen Deckel der Zittauer Kanne stark gewölbte Gestalt des Fusses des
Linzer Stücks widerspricht, angesichts der sonstigen völligen Übereinstimmung, durchaus nicht der Verwendung
einer und derselben Form: der Fuss der Linzer Kanne trägt nämlich deutlich sichtbare Spuren einer erst nach
dem Gusse erfolgten Zurechtbiegung zu seiner gewölbteren Gestalt.