Ebenfalls in der Rotunde, an einem besonderen Ehrenplatz, war das wohl merk-
würdigste und berühmteste aller Bücher, die „42zeilige Bibel" aufgelegt, die von Gutenberg
in Verbindung mit Fust hergestellt ist. Zu dem Interesse, welches die grosse Seltenheit und
die historische Bedeutung des Druckes bot, gesellte sich noch das der Schönheit; denn bei
dieser merkwürdigen Kunst stellt die früheste Jugend zugleich eine kaum jemals wieder
erreichte Blüte dar. Diesem unzweifelhaft Gutenberg'schen Drucke gegenüber fanden
in besonderer Vitrine mit der Aufschrift „Concurrenten Gutenbergs" eine Anzahl anderer,
ältesterDruckePlatz, die sämmtlich aus Mainz stammen, darunter das herrliche „Psalterium"
von x45 7.
Daran schloss sich in den beiden Längssälen, in zwei Reihen von Vitrinen ausgelegt,
eine mit grosser Sorgfalt zusammengebrachte Auswahl der ältesten und interessantesten
Drucke, nicht etwa chronologisch nach ihrer Entstehung, auch nicht in der Folge des Ein-
tretens der verschiedenen Druckstätten in die Geschichte der Druckerkunst, sondern in
grossen Gruppen angeordnet nach den Ursprungsgebieten, combinirt theilweise mit dem
Gesichtspunkte der Sprache. Innerhalb dieser Gruppen war die Eintheilung nach Druck-
stätten gewählt und überall deren erstes Auftreten, soweit die Hof-Bibliothek dazu imstande
war, markirt. Im allgemeinen war die lncunabelzeit, das XV. Jahrhundert, die Grenze,
welche der Auswahl der Drucke gesteckt war; doch wurde sie in nicht seltenen Fällen
überschritten, um Erstlingsdrucke oder sonst hervorragend wichtige Drucke aus späteren
Perioden nicht auszuschliessen, principiell dort, wo das betreffende Land erst später mit
der Druckerkunst bekannt wurde. Es waren folgende Gruppen vertreten: Drucke in
lateinischer Sprache aus deutschen Druckstätten, Drucke in deutscher Sprache aus deutschen
Druckstätten, Drucke in griechischer Sprache, Drucke aus England, den nordischen Reichen,
Spanien, Italien, Frankreich, endlich aus den Balkanländem und in verschiedenen orien-
talischen Sprachen; begreiflicherweise war der österreichischen Druckerkunst eine besondere
Ausdehnung zugestanden, die ausgestellten Wiener Drucke erstreckten sich bis tief in das
XVI. Jahrhundert.
Einen besonderen Charakter trug die Ausstellung der Musikalienabtheilung der Hof-
Bibliothek, welche sich zur Aufgabe gestellt hatte, eine vollständige und detaillirte
Geschichte des Notendruckes von seinen Anfängen bis in die neue Zeit in sorgsam
gewählten Beispielen vor Augen zu stellen. Die Landkarten-Abtheilung war wenigstens
durch einige wenige Seltenheiten vertreten.
Noch eine Gruppe trat mit geschlossenem Charakter hervor: die Maximilianea.
Meisterwerke wie das Gebetbuch des Kaisers Maximilian oder sein „Thewrdan " durften
wegen ihrer unvergleichlichen typographischen Schönheit allerdings in einer Druck-
ausstellung kaum fehlen, obgleich sie schon jenseits der Grenze der Incunabeln liegen. Es
drängte sich dabei der Gedanke auf, auch die übrigen vom Kaiser Maximilian ins Leben
genifenen Werke beizufügen, von denen die Hof-Bibliothek so eigenartige Documente
besitzt, und so ein Bild der gesammten litterarisch-artistischen Bestrebungen dieses
Monarchen darzubieten. Freilich musste man sich mit Rücksicht auf den verfügbaren
Raum mit einigen Proben begnügen. Mitten unter den kostbaren Originalentwürfen,
Originalholzstöcken und Probedrucken (einige mit handschriftlichen Bemerkungen des
Kaisers selbst) zu den verschiedenen Werken, in denen Maximilian seine Thaten und sein
Geschlecht verherrlichte, war ein herrliches Holzschnittbildnis des Kaisers von der Hand
Albrecht Dürers angebracht. Dieses Blatt, von dem ausser diesem Exemplar nur noch
zwei bekannt sind, gehörte nicht zum alten Besitzstand der Bibliothek, sondern war erst
einige Monate vor Eröffnung der Ausstellung auf der Auction der berühmten Dürer-
Sammlung Cornille-d'Orville in Stuttgart erworben worden.
Der grosse Erfolg, den die Ausstellung in allen Kreisen hatte, bewies, dass eine
solche Veranstaltung aufs Glücklichste einem vorhandenen Bedürfnisse entgegenkam.
Die Ausstellung wird nicht vereinzelt bleiben. Schon jetzt rüstet man sich in der Hof-
Bibliothek zu einer zweiten, welche die dort verwahrten Schätze von Miniaturen zur