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DER ARCHITEKT M. H. BAILLIE-SCOTT im
-WIEN 5-0-
UR zwei Länder dürfen sich einer constanten
kunstgewerblichen Entwicklung rühmen:
Frankreich und England. Mit Bewusstsein
geschieht ja die Verquickung von Kunst und
Gewerbe, die Verschönerung der gewöhnlichen
Gegenstände des Alltagslebens erst seit den
Achtziger-Jahren des eben abgelaufenen Jahr-
hunderts und die dahinzielende agitatorische
Bewegung, deren in jedem Lande besondere
Art die Namen Ruskin und Morris, Lichtwark
und Van de Velde charakterisiren, wird von
dem Historiker als ein bedeutsames Zeichen für die Cultur an der jahr-
hundertgrenze aufgenommen werden müssen. Natürlich hat es 2000 Jahre
vor der bewussten Verquickung von Kunst und Gewerbe eine Umsetzung
des noch nicht ausgesprochenen Gedankens in die Praxis gegeben. Die
ersten künstlerischen Versuche eines Volkes sind kunstgewerbliche; die
Schnitzereien am Pfeil und Bogen, die naiven Verzierungen der Steintöpfe,
die ersten Bemühungen zu einer decorativen Hüttenfacade e- das sind die
Resultate des menschlichen Spieltriebes, und hier sind ja die Quellen der
Kunst. Heute befruchtet die Kunst das Kunstgewerbe, nachdem ein künst-
lerisch mässig fruchtbares Jahrhundert die beiden Schwestergebiete weit von
einander getrennt hatte. So schliesst sich der Reigen der Entwicklung: aus
dem Kunstgewerbe entstand die hohe Kunst in allen Varianten der Malerei,
der Bildhauerei, der Architektur und nach langen Umwegen werden nun
die Maler und Architekten wieder die Lehrer unserer Kunsttischler und
Kunsttöpfer.
Unterbrechungen und Stagnationen hat es in jeder Kunstentwicklung
gegeben; das physikalische Gesetz von Wellenthal und Wellenberg gewinnt
für den Betrachter aller Evolutionen unwiderlegliche, zwingende Wahrheit.
Allein es scheint in der That doch nur zwei Länder zu geben, die Jahr-
hunderte hindurch stets ein gewisses Quantum kunstgewerblicher Thätigkeit
geleistet haben, bei denen die Interessen der Producirenden von Interessen
der Consumirenden in gerechtem Verhältnisse erwidert wurden, und diese
Länder sind Frankreich und England. Dort brach die Entwicklung nie ab,
wie dies in Deutschland, Österreich und Italien geschah. Dort gab und gibt
es auch stets eine kunstgewerbliche Tradition, die, statt ein Hemmschuh zu
sein, der Entwicklung förderlich ist. Kein Vernünftiger wird für gewerbliche
Evolutionen das völlige Losreissen von der Tradition verlangen dürfen. Da
ist eine der mannigfachen Grenzen, die zwischen Kunst und Kunstgewerbe
aufgerichtet sind. Eine Technik verbessert man, gestaltet sie aus, fügt neue
Details dazu, lernt aus jahrhundertelanger Übung-es muss nicht jeder den
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