MAK

Volltext: Monatszeitschrift IV (1901 / Heft 2)

88 
befriedigt nicht mehr. Man ist sich des Widerspruchs, der in der Wiederbelebung histo- 
rischer Bauweisen liegt, bewusst geworden und fühlt, dass man damit der Zeit vorenthält, 
was diese von Einem fordern kann. Auch in den alten Städten, denen die Vergangenheit 
ein besonders kräftiges Gepräge verliehen hat, büsst die Neuschöpfung des Alten ihre 
künstlerische Zauberkraft mehr und 
mehr ein. Die historische Bauweise, 
durch die man gehofft hatte, den 
künstlerischen Charakter der alten 
Städte zu erhalten, hat sich als ein 
ästhetischer Irrthum erwiesen, un- 
sere Städte sind dadurch nicht künst- 
lerisch reicher geworden. Den Ver- 
gleich mit den Originalschöpfungen 
halten die Nachbildungen doch nicht 
aus. Nur indem wir original schaffen, 
können wir hoffen, mit der Vergan- 
genheit in Harmonie zu bleiben. Die 
Bedeutung, welche die historische 
Kunst gehabt hat, liegt darin, dass 
sie der, den künstlerischen Charakter 
unserer Städte verderbenden, sich 
für modern haltenden, aber jedes 
künstlerischenWertes entbehrenden 
Pseudokunst einen Damm entgegen- 
setzte und dann, dass gerade sie es 
war, die unsere Kunst frei und 
selbständig gemacht hat. Bevor die 
Moderne ans Licht trat und damit 
der Baukunst die Aufgabe zufiel, sich 
ihrer Pflege zuzuwenden, war histo- 
rische Echtheit das einzige Mittel 
wahrer künstlerischer Gestaltung. 
Diese Zeit ist nun überwunden. Ein 
Gebäude der technologischen Abtheilung des Bayerischen neuer Stil kündigt sich in allen 
Gewerbemuseurns in Nürnberg, mittlerer Tbeil der Fagade Zweigen unserer Kunst an und vep 
langt gebieterisch seine Rechte. 
Seine Pflege ist jetzt die vornehmste Aufgabe unserer Architektur, denn nur dadurch 
kann es gelingen, unseren Städtebildern wieder einen künstlerischen Charakter zu geben. 
Die Schönheit ist an keinen bestimmten historischen Stil gebunden. Wie könnte Einem 
sonst das Durcheinander von Stilweisen, das wir in unseren Städten, ja zuweilen an einem 
Bauwerk antreffen, gefallen? Schönheit entsteht vielmehr überall, wo mit ursprünglicher 
Schöpferkraft gestaltet wird. Darum ist die beste Anpassung an das Alte nicht dessen stil- 
getreue Wiederholung, sondern allein die freie künstlerische That. 
Von dieser Erkenntnis geleitet, hat es der Erbauer und Leiter jenes Museums Ober- 
baurath Theodor von Krarner unternommen, bei dem im Spätjahr des vergangenen 
Jahres vollendeten, dem Hauptgebäude gegenüberliegenden Bau für die technologischen 
Abtheilungen die neue Kunst zum Worte kommen zu lassen und damit der künstlerischen 
Baufreiheit in Nürnberg eine Gasse gebrochen. Um der Zukunft das schöne Stadtbild 
unverfälscht zu überliefern, hat das XV. Jahrhundert in Nürnberg vornehmlich die Gothik 
und die Renaissance gepflegt, vereinzelt waren die Versuche, daneben das Barock zur 
Geltung zu bringen. Hier wurde nun ein weiterer Schritt nach vorwärts gethan und auf der 
Grundlage des Barock eine moderne Gesammtwirkung angestrebt. Am Barock wurde fest- 

	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.