Dagegen schuf nun Crane Werke von ungeheuer einfacher und ein-
dringlicher Zeichnung mit flächenhaft hingesetzten Farben, die sich dem
Kindersinne einprägten und selbst bei billigstem Preise wirklich gut ausgeführt
werden konnten. Der Erfolg war auch ein ganz gewaltiger; schon die ersten
Bücher wurden in Hunderttausenden von Abzügen verbreitet. Crane mag ja
von einigen Zeichnern des „Punch", die diese markigen, einfachen Striche
bereits übten, und von japanischen Farbenholzschnitten, die ihm ein befreun-
deter Seeofficier aus Ostasien mitgebracht hatte, manches gelernt haben, aber
sicher nur Technisches. Und Techniken sind ja international und Allgemein-
gut, es gibt ja auch keine englisch- oder deutschnationale Locomotive. In
der Führung der Linien und gar im geistigen Gehalte ist Crane immer Eng-
länder und immer er selbst geblieben. Überall kommt seine liebenswürdige,
treue Kinderseele zum Ausdrucke und sein Sinn für das Feine und
Anmuthige.
Und zwar wird diese Feinheit und Anmuth seit dem ersten „Song of
Sixpence", bei dem die Figuren noch keinen Hintergrund haben, bei „Fairy
ship" (1869), „Beauty and the Beast", „The Frog Princess" (1873) immer
grösser, bis sie in „The Babys Opera" (1877) und „The Babys Bouquet"
(1879) bereits einen Höhepunkt erreicht. Von späteren Arbeiten sind
besonders „Cinderella" (Aschenbrödel), „Pan Pipes" (1882), „Babys Own
Aesop" (1886) und die reizenden Blumenbilder „Floras feast" und „Queen
Summer" (1888) hervorzuheben. Gerne behandelte er auch deutsche
Märchen, die in ihrer grossen Gemüthstiefe auch seiner Seele zusagten,
so ausser Aschenbrödel auch Blaubart und andere aus der Grimm'schen
Sammlung, die seine Schwester Lucy ins Englische übertragen hatte. Auch
der wundervolle Carton für einen Gobelin, der aus dem Besitze des South-
Kensington-Museums in London hier zu sehen war, behandelt einen
deutschen Stoff und kommt unserer Empfindung besonders nahe.
Es ist ja wahr, dass wir sonst unsere Märchen anders auffassen.
Ludwig Richter hat uns da am reinsten aus der Seele gesprochen; wir
sind ursprünglicher, etwas brutaler und doch geheimnisvoller, gruseliger
und trauter; aber auch den Reizen der englischen Auffassung, wie sie etwa in
der Abbildung auf Seite 98 hervortreten, können wir uns nicht verschliessen.
Es liegt eine ganz unaussprechliche Anmuth und Vornehmheit, ich möchte
sagen, jene naive Wohlerzogenheit darin, die uns am englischen Kinde so sehr
entzückt. Auch spricht aus dem Ganzen eine gewisse Schalkhaftigkeit, die
dem Engländer wie allen Niederdeutschen so sehr im Blute liegt und im
Verkehre mit Grossen, wie in dem Cyklus „Mrs. Mundi at home" (1875),
allerdings auch in scharfe Satire umschlägt; dem Kinde gegenüber gibt es
aber kein Spötteln, keine kalte Überlegenheit, da wird immer heiliger Ernst
oder freundliches Lächeln gewahrt.
In den Kreis der Kinderbilder gehören in gewissem Sinne auch die
Wandbilder für Schulen, die Crane entworfen hat, und die, wie Seite x02 zeigt,
wohl zu den eindrucksvollsten und reizendsten Schöpfungen der Art gehören.