Allgemeingut. Sie fordern Menschen als Staffage, die selber Stil haben. Auf diesen Möbeln,
zwischen diesen Wänden Typen, die nicht stimmen, das müsste schmerzhaft oder grotesk
wirken. Eine sehr gute Probe auf die innere Echtheit dieser Räume, darauf, dass sie nicht
nur Chambres garnies sind, sondern auch lndividualitätsausdruck, psychologische Zimmer
sozusagen, ist's, dass ihre Componisten völlig hineinpassen. Kein besserer könnte in dem
Musikzimmer, in dem Musikzimmer eines Modernen, der die feinen Reize der Vergangen-
heit schätzt, die Honneurs machen, als der schlanke, elegante Eckmann mit der nervösen
Intelligenz seiner Züge. Und auf dem überdachten Sofa könnte schwerlich ein anderer
geziemender sitzen, als Heinrich Vogeler in der altväterischen Gravität seiner geschweiften
Röcke und der vielfach verschlungenen Halstücher. Dieses Interieur passte wohl auch am
besten in sein eigenes weisses Landhaus, das in Worpswede steht, und das er im Bild
verewigte. Hoch der Giebel, die Baumgipfel ineinander verwachsen, ein Heckenzaun mit
Thür aus Lattenwerk und kugelgekrönten Steinpfeilern, die Treppe von breitgeschweiften
Wangen eingefasst, die als Schlusstücke Kuppelbäume tragen. Zu diesem Garten und zu
diesem Interieur stimmt das Lied Otto julius Bierbaums, das in Wolzogens „Überbrett "
allabendlich in der lieblichen Tracht von 1830 gesungen wird:
Ringelringelrosenkranz,
Ich tanz rnit meiner Frau,
Wir tanzen um den Rosenbusch,
Klingklanggloribusch . . .
Die Geschmackswelt dieses Interieurs ist aufs engste den litterarischen und zeich-
nerischen Neigungen zum Stilisiren und zum Spielen mit den Gefühlsornamenten
vergangener Zeit verwandt.
Bei Keller und Reiner findet man ferner guten Überblick über moderne Stoffe. Die
Aufnäharbeit steht in voller Blüte. F. und H. Wille zeigen Geschmack in der Wahl farbiger
Abtönung und in der ornamentalen Führung. Sie bleiben mit ihrer decorativen
Beglückung auch nicht bei den üblichen Stücken stehen, bei Kissen, Tischläufern, Deckchen,
sondern sie haben sich unternehrnungslustig auf die dankbare Fläche der Damencapes
gestürzt. Auf ihr lassen sie Wunderblumen spriessen, die bis zum Halse seine Trägerin
umranken.
Noch eines anderen, bisher von der Schmuckkunst vernachlässigten Möbels haben
sie sich samaritisch angenommen, der altmodischen Kannenwärmermütze. Brave, aber
kunstverlassene Hausfrauen pflegten sie mit emsiger Hand aus Wolle zu stricken, eine
Riesendorrneuse. In der Wille'schen Wiedergeburt, aus wattirter Seide mit allerliebstem
Applicationsspielwerk, gleicht diese Wärmehalle einer exotischen Fürstenmütze.
Sehr reizvoll und apart sind moderne Velvets, auf die das Muster nicht gedruckt ist,
sondern aus denen es, der Holzbrandmalerei ähnlich, herausgeätzt wird. Eine vollendete
organische Wirkung wird dadurch erzielt, eine Abschattirung, ein Übergeben der Töne,
die der einfache Aufdruck nie erreicht. Bei ihm kommt das Muster von aussen als
äusserliche Hinzufugung auf den Stoff, hier wird es aus dem Stoff herausentwickelt.
Die Motive sind von discretem Geschmack, alles nur ganz leicht und angedeutet, verästelte
Bäume, Blütenzweige, feines Filigranwerk der Sträucher, und das alles ohne jeden
betonten Farbencontrast, fast Ton in Ton schimmernd. Als Paraventfüllung vor allem sind
diese Stoffe, die erst gespannt zum vollen Ausdruck kommen, dankbar. Entfernt ver-
wandt scheinen sie den holländischen Batiks, die ja auch ihr farbiges Decor nicht mit
Aufdruck erzielen, sondern durch chemischen Einfluss aus dern Grundton entwickeln. Die
Batiks wirken aber farbenfreudiger als diese ganz gedämpfte Coloristik.
EifrigesBemühen zeigt sich, möglichst alle früher vernachlässigten Stücke des Haushalts
zu schmücken. Es gibt Briefkästen und Thürschilder in getriebenern Kupfer oder aus
geschnittenem Messing. Besonders bekümmert man sich auch um die elektrischen Licht-
schalter an der Wand und um die Klingelknöpfe. Für diese Kleinkunst sorgt ja besonders
Gurschners Caprice, von der ich den Wienem nichts neues erzählen kann. Schlichter sind