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Dass es aber in England an schöpferischer Kraft nicht fehlt, dass man
nur, übersättigt von dem mühelos zuströmenden Reichthum, auf manchen
Gebieten des öffentlichen Lebens den Antrieb zur Bethätigung derselben
verloren hat, zeigt eben die moderne englische Baukunst.
In England hat man früher
und stärker als auf dem Con-
tinent den Wert selbständigen,
ganz persönlichen Schaffens,
freier Verwendung der überlie-
ferten Bauformen erkannt, hat
man seit den Sechziger-Jahren
im ungestörten, lang dauernden
Genusse des Friedens und einer
aus der allgemeinen Wohlhaben-
heit erwachsenen, durch Gene-
rationen gepflegten Cultur wirk-
lich Hervorragendes geschaffen.
Auch in England hatten Classi-
cismus und Romantik, Hel1enis-
mus und Gothik im Beginn des
XIX. Jahrhunderts geherrscht,
vielfach noch unheilvoller als
irgendwo sonst. Auch hier war
der Nachahmung griechischer
Bauten, die in geistlosester Form
zum Beispiel an Inwoods St. Pan-
craskirche (1819 bis x822) zu
London auftritt, allmählich der
Übergang zur italienischen Hoch-
renaissance gefolgt, als deren
verständnisvoller Pfleger Sir Charles Barry (1795 bis 1860) gelten darf.
Seltsamerweise wurde aber Barrys Weltruf nicht durch seine Renais-
sancebauten, wie Reform-Club und Treasury-Building, begründet, sondern
durch den Bau des Parlamentshauses, das er nach dem Siege in der grossen
Concurrenz von 1835 im englisch-gothischen Perpendicularstil ausführte und
das durch die monumentale Grösse der Anlage, die künstlerische Feinheit
und Kostbarkeit der Einzelbildungen, durch die „historische Echtheit" der
Stilformen wirklich den Ruhm verdiente, den man ihm spendete zu einer
Zeit, da all' dies in erster Linie den Masstab für die Beurtheilung von
Bauten ergab.
Der historische und künstlerische Beirath Barrys war Augustus Welby
Pugin, der „Vater des neugothischen Stiles in England". Wohl hatte schon
vor ihm in England die Gothik, die hier niemals ganz untergegangen war,
am Ausgang des XVIII. Jahrhunderts eine dilettantische Neubelebung
R. Norman Shaw, New Zealand Chambers,
Leadenhall Street, London
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