MAK

Volltext: Alte und Moderne Kunst XXV (1980 / Heft 171)

sind noch lange der dekorativ orientierten Rich- 
tung des Kunsthandwerks der Zeit um 1900 ver- 
pflichtet". 
Von größerer Bedeutung als die Handarbeit, die in 
den meisten der genannten Institutionen geför- 
dert wird, ist natürlich die industrielle Fertigung 
von Textilien. Vor allem Wiener Fabrikanten bemü- 
hen sich, moderne Künstler als Entwerfer ihrer 
Stoffe und Teppiche zu engagieren: Neben Moser 
und Hoffmann sind in diesem Zusammenhang 
z.B. Alfred Roller, Otto Prutscher, Robert Oerley 
(Abb. 1), Dellavilla, Wimmer oder Peche zu nen- 
nen". Außer Backhausen sind Firmen wie Philipp 
Haas 8. Söhne, A. Fiemmich's Söhne sowie S. E. 
Steiner S. Komp. an dieser Entwicklung auf dem 
Gebiet der Dekorationstextilien beteiligt. Die Fir- 
ma J. Ginskey ist für Knüpfteppiche nach Künst- 
lerentwürfen bekannt". 
Sind für die ersten Jahrzehnte unseres Jahrhun- 
derts bei den Dekorationsstoffen eingewebte Mu- 
ster charakteristisch - webtechnisch oft sehr raf- 
finierte Losungen wie das Hohigewebe (Abb. 2, 8) 
-, werden mit dem Ende des Jahrzehnts zuneh- 
mend bedruckte Stoffe hergestellt (Abb. 5): riSie 
gestatten eine so freie Farbwahl und ein so be- 
wegliches Ornamentrr wird 1911 diese Vorliebe be- r 
gründet". Der vielschichtige Textildekor des zwei- 
 
  
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ten Jahrzehnts läßt sich mit Druckstoffen leichter 
verwirklichen. Neben Naturformen sind abstrakte 
Ornamente, wie die in der Malerei, z. B. bei Klimt, 
schon viel früher dominierende Spirale (Abb. 5, 
10), außerdem stark vereinfachte, schematisierte 
Pflanzenformen (Abb. 10, 14, 15) beliebt. Daneben 
gibt es aber auch expressionistische, hoizschnltt- 
artige Muster, wie sie Ludwig Jungnickel und 
Franz von Ztllow entwerfen". Geometrisch klare 
Motive findet man vor allem im unmittelbaren Um- 
kreis Joseph Hoffmanns (Abb. 9, 11). in Zukunft 
bestimmen die Entwürfe der Wiener Werkstätte - 
die hauptsächlich für Druckstoffe geschaffen wer- 
den - den Geschmack und das hohe Niveau so- 
wohl der Dekorations- als auch der Kleidertexti- 
lien. 
Bis heute hat man keinen Beleg gefunden, der den 
Beginn der Stoffproduktion im Zusammenhang 
mit der Wiener Werkstätte exakt bestimmt. Soweit 
den Quellen zu entnehmen ist, werden die Textl- 
lien für die frühen Ausstattungen der Wiener 
Werkstätte - z. B. für das Sanatorium in Purkers- 
dorf" oder für das Palais Stoclet" - in Wiener 
Firmen, vor allem bei Backhausen gewebt und 
geknüpft, gelegentlich auch gedruckt, ohne daß 
sie unter dem Namen der Wiener Werkstätte ver- 
kauft oder an der Webekante signiert werden, wie 
bestimmte spätere Druckstoffe (Abb. 9). Eine eige- 
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12 Teewärmer, Seide mit Wolle bestickt, Entwurf und 
Ausführung von Melitta Löffler für die Wlener Werk- 
stätte. Enlvorben 1912. OMAK, lnv. Nr. W. l. 1082, L. 31, 
B. 37 cm 
13 Kirchenstoff, Seide und Metaiiladen, Entwurf: Prof. 
Fteich.__Ausfllhrung: Jch. Backhausen G. Söhne, Wien, 
1912. OMAK, Inv. Nr. W. l. 1204, L. 120, B. 57 cm 
14 Kirchenetoff, Seide, Entwurf: Prof. Frömei, Villach, 
Ausführung: A. Flemmlch's Söhne, Wien. Erworben 
1913. OMAK, lnv. Nr. W. I. 1198, L. 120, B. 57 cm 
  
 
 
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15 Bedrucktes Leinen i-Schwalbenschwanzlr, Entwurf: 
Dagoberl Peche, ausgeführt für die Wiener Werkstät- 
te, um 1913. ÖMAK, lnv. Nr. T 11146, L 250, B. 120 cm 
16 Bedruckter Baumwoiimoiino r-Marina-r, Entwurf: Dago- 
bert Peche, ausgeführt für die Wlener Werkstätte, um 
1913. OMAK, O. lnv. Nr., L. 30,5, B. 65 Cm 
Anmerkungen 33 - 56 (Anm. 33 - 41 s. S. 4) 
" K. u. Khw. Xlil, 1911. S. 663 
ß Vgl. Anm. a7 __ 
" im Archiv der Wlener Werkstätte, das sich heute im österreichi- 
schen Museum für angewandte Kunst befindet, gibt es eine Kar- 
tei, in der Notizen für den Stoltdrucker festgehalten Sind. Die 
Karten für das Muster r-lrriand. zeigen als letztes Datum 1929. 
ß K. u. Khw. XV, 1913, Abb. S. 627 
" Musterbuch WW S. 104 
" Vgl. F. NOVOtny, J. Doboy: Gustav Klimt, Salzburg 1967, Taf. B3, 
Kat. Nr. 196. Das Kleid wird später verändert und befindet sich 
heute im Costume Institute des Metropclltan Museum of Art in 
New York. Eine ähnlich vielfältige Verwendung laßt sich auch 
für Wlmmers mmelset. nachweisen - vgl. Anm. 36: Sonla Knips 
tragt auf einem Foto von um 1911 ein Kleid aus diesem Stoff. 
Vgl. C.M. Nebenay: Gustav Klimt, div-Taschenbuch, München 
1978, Abb.149.lm Musterbuch WW befindet sich das Muster auf 
S. 55. 
" Vgl. B. Zuckerkandl In: Wiener Journal, 19. Mal 1923 
4' Vgl. H. Ankwlcz-Kleshoven: Dagobert Peche, in: Ausstellung von 
Arbeiten des modernen österreichischen Kunathandwerks. 
Dagobert-Peche-Gadächtnls-Aussteilung, Wien 1923 
i" 2.5. Deutsche Kunst und Dekoration XXXII, 1913, Abb. S. 374 
5' B. Zuckerkarldli Dagebert Poche. in: Deutsche Kunst und Deko- 
ratlon XXXIX, 1916111, S. 343 
H Vgl. z. e. Shawl im Österreichischen Museum für angewandte 
Nr, W, I. 1334 
.A.: Klnderzelchnungen, in: Hohe Warte I, 1904iO5, 
atalog der Ausstellung von Arbeiten der Kunstgewer- 
Wlan 1906, S. 20, und dazu K. u. Khw. IX, 1906. S. 512 
" Vgl. M. Dreger: Beginn und Blüte der Wiener Seldenweberei, In: 
K. u. Khw. XVlll, 1915, Abb. 39H. 
" Katalog der Ausstellung für kirchliche Kunst, Wien 1912, S. 5711. 
1' 1913 kauft das Museum I8 Kircherlstottbahrlen, fast alle 57x 
120 cm groß (lnV. Nr. W.l. 1193 -1209, 1222). 
 
 
 
ne Produktion von Geweben oder Teppichen hat 
es in der Wiener Werkstätte aber auch dann sicher 
nicht gegeben. Hoffmann schreibt selbst 1928 
zum 25jährigen Bestehen der Vereinigung: nEs be- 
stehen Werkstätten für  Mode und Wirkwaren, 
Perlarbeiten, Stickereien und Stoffbemalung  
Stoffe, gewebte und bedruckte, Teppiche, Tape- 
ten und bedruckte Seidenstoffe werden in mit der 
Wiener Werkstätte verbundenen vorzüglichen 
Werken gearbeitet. Spitzen, kleine Wirkereien und 
besondere Merkwürdigkeiten werden als Heimar- 
beit mit Sorgfalt und Liebe hergestellt"... Ähnli- 
ches in bezug auf die Herstellung, aber zu einem 
früheren Zeitpunkt, der ein Licht auf den Beginn 
der Stoffproduktion werfen konnte, liest man in 
der nNeuen Freien Pressen vom 5. Oktober 1910. 
Hier ist vom Exkiusivverkauf der Produkte der Wie- 
ner Werkstätte in Berlin, im Warenhaus Werthei- 
mer, die Rede: nDie deutsche Gesellschaft (i.e. 
Wertheimer) hat außerdem mit den bedeutendsten 
deutschen Firmen der Textil-, Seiden- oder ähnli- 
cher Branchen langiährige Verträge abgeschlos- 
sen, behufs von Erzeugung von Stoffen nach Ent- 
würfen der Wiener Werkstätten Abbildungen von 
Stoffen, von denen es - offenbar irrtümlicherwei- 
se - heißt, sie seien in der Wiener Werkstätte 
ausgeführt worden, findet man zum ersten Mai in 
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"Kunst und Kunsthandwerkrr von 1911, wo über 
die vAusstellung österreichischer Kunstgewerbeu 
1911112 berichtet wird. Es sind Druckstoffe nach 
Entwürfen von Lotte Frömel-Fochler _ "Geier. 
und uGrünfink-i - und Eduard Wimmer - "Amei- 
sen". Hartwig Fischel widmet in seiner Rezension 
den Textilien ungewöhnliche Beachtung: "Große 
Aufmerksamkeit wurde in dieser Ausstellung dem 
Gebiet der Textilarbeit geschenkt, welches ja in 
erster Linie dazu berufen scheint, neue Ideen auf- 
zunehmen und weiterzuverarbeiten und weiches 
eine so einflußreiche Rolle spielt, sowohl in der 
Raumgestaltung als auch in der Kleidungtß." in 
den Nischen des Hauptraumes befinden sich Vitri- 
nen mit Stoffen von Backhausen, Haas, Steiner 
und aus der Produktion für die Wiener Werkstätte. 
Außerdem bestehen Möbelbezüge, Wandbespan- 
nungen und Vorhänge aus Stoffen, die Mitarbeiter 
der Wiener Werkstätte entworfen haben. Auf 
Grund dieses Materials kann man wohl anneh- 
men, daß die Stoffherstellung im Namen der Wie- 
ner Werkstätte um 1909110 beginnt. 
Ein Musterbuch für Kleiderstoffe der Wiener Werk- 
stätte, wahrscheinlich aus der Anfangszeit der 
Stoffproduktion, gibt einen Überblick über die 
Vielfalt der gleichzeitig entworfenen Muster (Abb. 
10, 11). Neben einfachen zweifarbigen Mustern 
aus geometrischen Elementen (Abb. 11) findet 
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