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DIE MINIATURENAUSSTELLUNG DER
K. K. HOFBIBLIOTHEK (I) HP VON RUDOLF
BEER-WIEN 51b
LS im Jahre rgoo die k. k. Hofbibliothek die
,,Gutenbergausstellung", die sich vornehmlich an
den Typographen und Kulturhistoriker wendete,
eröffnete, durfte man bereits erwartungsvoll
ahnen, was durch die vorjährige Miniaturen-
Ausstellung, die gleichfalls im Prunksaal der
Bibliothek zu sehen war, zur Gewissheit wurde.
Dadurch, dass eine altehrwürdige Sammlung
unserer Monarchie mit einemmale ihre Schreine
öffnete und eine Fülle der merkwürdigsten, von
profanen Augen nie gesehenen Dinge ausbreitete, war ein neuer Faktor in
das geistige Leben unserer Residenz eingefügt worden. Trotz der schönen
zeitlichen und stilistischen Anordnung, die die Aussteller zu beobachten
verstanden, fragte sich der durch die Hunderte und Hunderte wundersamer
Bilder verwirrte Besucher, in welcher Richtung die nach so vielen Bezie-
hungen anregende Ausstellung wohl am fruchtbarsten fortwirken möchte.
Die allgemeine Anerkennung, die sie fand, lässt sich nicht anders als durch
den eben angedeuteten Umstand erklären. Die mittelalterliche Miniaturen-
handschrift bildet den Mittelpunkt verschiedener Interessenkreise. Der Eine
wird sich vornehmlich für den Stoff, den man gerne mit Illustrationen
geschmückt sah, interessieren, ein Zweiter lieber die Entwicklung künst-
lerischer Stile prüfen, ein Dritter den Malwerkstätten in und ausser
Deutschland nachspüren, ein Vierter die mittelalterlichen Büchereien aus
so kostbaren einzelnen Reliquien zusammensetzen wollen, ein Anderer
wieder in der sorgfältigen Aufspeicherung solchen Gutes die Kunstliebe der
Habsburger und damit einen wichtigen Zug in dem Charakterbilde unserer
Herrscher verfolgen. Zu solchem Prüfen und Suchen gibt der jüngst
erschienene Katalog der Ausstellung erwünschte Behelfe und trotz seines
anspruchslosen Auftretens überaus reiche, den Gegenstand fast erschöpfende
Daten."
Etwas, was bisher noch nicht geboten wurde, will die vorliegende Ver-
öffentlichung an die Hand geben. Aus dem unendlich reichen Bilderschatze
sollten zum mindesten einige der bezeichnendsten Motive - nach bestem
Ermessen aus den einzelnen Denkmälern der verschiedenen Stile und
Schulen ausgewählt - in guter Nachbildung vorgeführt werden. Was Kunst
Weit-ß} eitere-r}!
" K. k. Hofbibliothek. Katalog der Miniaturenausstellung. z. AuHage, Wien, rgox. Eine Wiederholung
der dort geborenen Quellennachweise erschien bei den folgenden Ausführungen, welche die einschlägigen
Vorarbeiten natürlich verwerten, nicht geboten. Manche schätzbaren Anregungen verdankt der Verfasser dem
Direktor der k. k. Hofbibliothek, Hofrat Professor Dr. j. Karabacek, und dem Wiener Kunsthistoriker Dr. Heinrich
Modern.