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Volltext: Monatszeitschrift V (1902 / Heft 6 und 7)

„Chief des Lorrains, membre du lis de France, 
Duc compille en seve de noblesse, 
Rollant en cueur, Olivier en vaillance, 
Hector en fais, Lancelot en prouesse, 
Paris en corps, Ponthus en hardiesse, 
Tristan en bruyt, David en verite, 
Vray Salomon, Alexandre en largesse, 
Jesus vous doint vivre en prosperite" 
gibt das Leitmotiv nicht nur für die zweite, sondern noch für eine Reihe 
folgender Strophen an. 
Wichtiger als diese Art literarischer Tätigkeit ist die Frage, ob der 
Autor an dem sehr beachtenswerten illustrativen Schmucke der Arbeit 
teilgenommen habe. Diese Frage kann in gewissem Sinne bejaht werden. 
Betrachtet man das Titelbild, so denkt man unwillkürlich an die Bühnen- 
dichtungen Priers; er hat die mise en scene offenbar ganz vortrefflich 
verstanden, und dieses sein Verständnis wohl auch bei der Illustration des 
Werkes, die, wie wir meinen, nach seinen Angaben erfolgte, praktisch 
verwertet. Die vortreffliche Darstellung von Schlachten, die ungemeine 
Lebendigkeit, welche sowohl ländliche Szenen (mit dem „Pastourel") wie 
auch die Diskussionen des Burgunders mit dem Tode auszeichnet, und nicht 
zuletzt, wie bemerkt, das Dedikationsbild, sind hiefür Belege. Es liegt nahe, 
anzunehmen, dass hier der kniende Verfasser dem in reichen Kleidern vor 
ihm stehenden Herzoge die Verse rezitiert, die sich auf den Inschriftentafeln 
finden. Man beachte die Pose des Herzogs, der den Wurfspiess in der Hand 
hält, sowie die Personen des Gefolges, die sich mit dem im Vordergrunde 
dargestellten Vorgange beschäftigen. „Diese Figuren," bemerkt Waagen in 
seiner Beschreibung a. a. 0., II, 86, „sind mit der Feder zart und meisterlich 
gezeichnet und in Aquarell so leicht angetuscht, dass die Köpfe und die 
Luft gar nicht davon berührt werden und auch sonst das Pergament in den 
Lichtern überall durchschimmert. Die Gewänder, in der Art wie bei Memling 
geworfen, sind in den Lichtern in feiner Weise mit Gold gehöhet, das Grün 
sowohl bei ihnen als in den Landschaften saftig." 
Die aquarellierten Federzeichnungen unserer Handschrift - auf jeder 
der 69 Seiten findet sich ein Bild - zeugen von nicht allzureicher Palette, 
aber sie erzählen, wie aus der vorgelegten Probe ersichtlich, ganz vortrefflich, 
sind voll Leben und Eleganz und stehen auch in Handhabung der Perspektive 
auf der Höhe der Zeit, Beginn des XVI. Jahrhunderts. Das Gedicht selbst 
dürfte in den beiden letzten Jahrzehnten des XV. Jahrhunderts entstanden 
sein. Dass wir in der Wiener Handschrift das Dedikationsexemplar vor uns 
haben, ist nicht anzunehmen. 
Die illustrierten Werke älterer Geschichte, namentlich die Über- 
setzungen alter Autoren in der französischen Sektion unserer Ausstellung 
geben Anlass, auf eine Bemerkung zurückzugreifen, die bei Erläuterung des 
Bildes des Amazonenkampfes in der Teseide-Handschrift gemacht wurde. 
Unter den mittelalterlichen Historikern und Übersetzern altklassischer
	        
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