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Volltext: Monatszeitschrift V (1902 / Heft 6 und 7)

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bildern beigegeben sind. Eine Ausnahme macht das Dedikationsbild, das für 
sich allein wirken soll. Wieder hat hier Waagen eine sehr sorgfältige 
Beschreibung geliefert: „Wir sehen hier den unter einem purpurnen, mit dem 
reichen Wappen und mit feinen goldnen Verzierungen geschmückten Trag- 
himmel thronenden Herzog mit dem goldnen Vliess in einem schwarzen Pelz, 
welcher lebhaft die Linke nach dem ihm von dem Übersetzer überreichten 
Buche ausstreckt. Vor dem Thron auf einem Teppiche mit dem französischen 
und anderen Wappen ein weisses Windspiel. Rechts vom Thron hohe 
Geistliche, darunter ein Kardinal und die „gens de la robe", links die „gens 
de Pepee", Ritter vom goldnen Vliess. Sämtliche Köpfe sind sehr lebendige, 
auch in der wahren und klaren Färbung individualisierte Bildnisse, die 
Verhältnisse lang, die Beine mager, ganz wie bei Rogier van der Weyden, 
die Hände zu klein. Die Räumlichkeit ist sehr fein im einzelnen ausgebildet, 
die Fenster durch lasiertes Silber angegeben. Die meisten sehr gut impa- 
stierten Farben sind von einem matten Glanz. Auf dem Rande vierzehn 
Wappen der von Philipp beherrschten Provinzen." 
Die Bemerkung über die individualisierenden Bildnisse erfährt eine 
Ergänzung dadurch, dass in der links (vom Beschauer rechts) vom König 
erscheinenden jugendlichen Gestalt offenbar Prinz Karl (der Kühne) zu 
sehen ist, an der andern Seite aber der Kanzler Nicolas Rollin, dessen 
von Roger van der Weyden auf dem Seitenflügel des Altarwerks zu 
Beaune gemaltes Bildnis, wie jüngst Dr. Karl Voll (München) nach- 
gewiesen hat," grosse Übereinstimmung mit unserem Miniaturporträt 
zeigt. Der Umstand, dass der 1433 geborene Prinz Karl als etwa 16 bis 
18 Jahre alter Jüngling dargestellt wird, gestattet einen Schluss auf die Zeit, 
in der das Bildnis angefertigt wurde, also Mitte des 15. Jahrhunderts. 
Wieso Waagen den grünen Ledereinband, der heute das Manuskript ein- 
schliesst, für den „Original- und Lieblingseinband Philipp des Guten" halten 
konnte, ist nicht recht verständlich. Ein Blick auf das Dedikationsbild 
zeigt, dass das Buch in gar kostbarer Hülle übergeben wurde und das 
entsprach denn wohl den tatsächlichen Verhältnissen, wenn auch der 
Miniator an Farbe des Einbandes und an Einzelheiten sich Änderungen 
erlauben durfte. Wir haben ja hier offenbar denselben Akt von Barbarei 
zu konstatieren, auf den wir bereits bei Besprechung des Teseide-Manu- 
skripts hinweisen mussten. Auch dieses hatte früher einen herrlichen, 
im alten Bücherinventar genau beschriebenen Einband, und trägt heute 
dasselbe unwürdige, abgegriffene Gewand aus grünem Leder wie der 
„Girard". 
Dass die zweite hier reproduzierte, in dem Manuskript mit der Über- 
schrift: „Comment et a qui fut le noble Conte Girard de Roussillon mariez" 
versehene Darstellung keine Verrnählungsfeier aus der Zeit Karl des Kahlen, 
sondern aus der Philipp des Guten, und zwar am burgundischen Hofe, bietet, 
"' Beiträge zur Eyck-Forschung. Beilage zur „Allgemeinen Zeitung" (München). Nr. 155, 6. Nov. xgox.
	        
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