In dem Bildschmuck des Titelblattes hat Attavantes ein an Reichtum,
Geschmack und sorgfältiger Durchführung kaum zu übertreffendes Meister-
werk geschaffen. Die Randleisten legen ein halbes Dutzend herrlicher
Muster reichster Renaissancezier vor und sind in solcher Feinheit und
Klarheit durchgeführt, dass sie geradezu als Vorlagen für Goldschmiede
angesehen werden können.
Auch in der Hieronymus-Handschrift (cod. 930) erscheint das königliche
Wappen unberührt; wie aber dieses Wappen an sich schon Variationen
aufweist, bezüglich welcher unsere allgemeinen Bemerkungen zu ver-
gleichen sind, so können auch die reich ausgestatteten Randleisten mit
dem Schmuck der Attavantes-Handschriften nicht'in eine Linie gestellt
werden. Man hat vermutet, dass sie dem Florentiner Franc. Ant. de Chierico
zuzuweisen sind. Die in den teils ovalen, teils kreisrunden Eckmedaillons
erscheinenden Apostel sind mit besonderer Sorgfalt ausgeführt. Ähnlich sorg-
sames Studium bekunden das Porträt des Königs Matthias in der Mitte des
linken und das Bild des Erlösers mit der Weltkugel in der Mitte des rechten
Randes. Grosse künstlerische Feinheit atmet auch die unter dem Titel und
neben den Text gestellte, den am Schreibpult arbeitenden heiligen
Hieronymus darstellende Miniatur. Es ist, wie man sieht, keine Initial-
füllung; das Bild hat sich von solchem Anschluss völlig emanzipiert, diese
stilistisch vielleicht anzufechtende Freiheit aufs Schönste genützt. Die
geistige Arbeit ist auf dem Gesicht des würdigen Heiligen vorzüglich zum
Ausdruck gelangt, nicht minder die Heimlichkeit der Studierstube. Bei
allem Ernst der Darstellung hat sich der Meister darin gefallen, einen jungen
Burschen beim Fenster hereingucken und den Kirchenvater bei seiner
Arbeit beobachten zu lassen. So bewundernswert sämtliche Einzel-
heiten der Randleisten erscheinen, so kann man sich doch der Empfindung
nicht erwehren, dass durch die im ganzen überladene Komposition die
Wirkung derselben wesentlich beeinträchtigt wird.
Geradezu verschwenderisch ist die Ausstattung der beiden ersten
Blätter der berühmten Handschrift mit der im Auftrage des Königs Matthias
Corvinus von Antonio Bonfini hergestellten lateinischen Übersetzung der
Werke des Philostratus (cod. 25).
Waagen machte darauf aufmerksam, dass diese beiden Blätter aufs
engste mit den Miniaturen eines heute in der Bibliotheque Royale zu
Brüssel aufbewahrten Missales verwandt sind. Dieses Manuskript gehört
ebenso wie der Wiener Philostratus zu den prächtigsten aller erhaltenen
Corviniani und trägt die Signatur des Meisters Attavantes, der fünf Jahre
an ihrer Ausschmückung gearbeitet haben soll. Hierdurch wird Waagen ver-
anlasst, auch die Miniaturen der Wiener Handschrift „mit Sicherheit dem-
selben Künstler" beizumessen. In beiden Manuskripten führt das Titelblatt
in der Mitte die freie Nachahmung eines antiken Triumphbogens mit einem
Bogen vor. In dem Wiener Exemplar gewahrt man an dem Postament
einen Kampf von Kentauren, darüber einen Bären an der Kette