497
Fügung gestellt werden. Dafür aber ist die Schule Michael Pachers in bisher noch
nicht dagewesener Vollständigkeit vertreten, wenn es auch nicht gelungen ist, die in
München befindlichen, vom Allerheiligen-Altar des Brixener Domes stammenden Kirchen-
väter zu gewinnen, die indessen in guten Abbildungen vertreten sind. Doch konnte
in dem Altarßügel mit Maria, Katharina und Margareta ein eigenhändiges Werk Michael
Pachers vorgeführt werden, das als Rest des von Pacher zwischen 1495 und x498 für die
Franziskanerkirche in Salzburg hergestellten Flügelaltars anzusprechen ist. Michael Pachers
Bruder Friedrich, welcher neuerlich italienische Züge in die Tiroler Malerei bringt und
stark unter Mantegnas Einfluss steht, ist höchst interessant vertreten durch eine „Taufe
Christi", das Mittelstück eines Flügelaltars und eine „Hinrichtung der heiligen Barbara". Von
ganz besonderem Interesse sind die Gestalten der Heiligen Stephanus und Jakobus
(Sammlung Sepp, München) und das Altarblatt der heiligen Jungfrau mit Margareta und
Barbara (Vintlefsche Sammlung, Bruneck), welche in Haltung und Blick der Figuren,
Bildung der Hände, Pracht und Wurf der Gewänder, die nächste Beziehung zu Michael
Pacher zeigen, aber doch schon derZeit nach seinem Tode, Anfang des XVI.Jahrhunderts,
zugehören. Im Zusammenhang damit stehen die Werke des von Semper so genannten
NeustiRer Meisters des heiligen Augustin, von gleich scharfer Charakteristik, aber eigen-
tümlich starrer Augenbildung. Aus der in Bozen unter unmittelbarem Einfluss Michael
Pachers gestandenen Holzschnitzerschule stammten eine Reihe trefflicher Skulpturen der
Ausstellung, so ein polychromierterAltar (Schwarz, Wien), eine reizende kniende Madonna
(Dr. Figdor), sowie ein dem Grafen Wilczek gehöriger, bisher für eine Arbeit Tilm.
Riemenschneiders gehaltener segnender Christus, welcher von Semper dem Michael Pacher
zugeschrieben wird. Auch die tirolische Skulptur des XVI. Jahrhunderts war durch einige
vorzügliche Stücke aus Wilczelischem Besitz, so durch eine aus Meran stammende
Maria auf einem Polster kniend, zur Seite Petrus und Paulus, und durch eine reizende
polychromierte Büste Kaiser Maximilians I. vertreten.
Eine weitere Gruppe von Gemälden führte den farbenprächtigen Brixener Maler des
XVLJahrhunderts, Andrä Haller, aus dessen Schule sich manch gutes Werk in Schleissheim
findet, undWerke der nord- und südtirolischen Malerschulen des XV.undXVI. Jahrhunderts
vor, welche fränkische und schwäbische Einflüsse zeigen. Eine Gruppe von Gemälden
Tiroler Künstler des XVII. und XVIII. Jahrhunderts (Troger, Platzer, Knoller, Lampi
sen., Jos. Koch u. a.) und eine weitere, Werke aller Länder aus tirolischem Privat-
besitz enthaltend, beschloss die Ausstellung. Das tirolische Kunsthandwerk war leider nur
sehr spärlich vertreten.
Man kann Professor Semper für die Veranstaltung der Ausstellung und für den licht-
vollen Katalog und Vortrag nicht genug danken; er hat sich dadurch nicht nur um den
Kongress, sondern um Tirol und Österreich neue grosse Verdienste erworben. Höchst
dankenswert sind die den Kongress-Teilnehmern gewidmeten Festgaben, deren Heraus-
gabe das Unterrichtsrninisterium gefördert hat: Die Wandgemälde in der Loggia des
Löwenhofes in Castello del buon consiglio zu Trient von Girolamo Romanino (9 Licht-
drucktafeln); alttirolische Kunstwerke des XV. und XVI. Jahrhunderts (16 Blatt); eine Aus-
wahl der landschaftlichen Handzeichnungen von Jos. Koch im Ferdinandeurn in Innsbruck
(5 Tafeln). Ferner bescherte Professor Schneider eine Studie „Zur Topographie südtiroler
Burgen" und K. Zimrneter eine Arbeit über Michelangelo und Franz Sebald Unterberger.
E. Leisching
ÖSTERREICH AUF DER AUSSTELLUNG DER VLÄMISCHEN
' PRIMITIVEN ZU BRÜGGE 1902. Zu den interessantesten Ausstellungs-
Veranstaltungen dieses jahres gehört unstreitig die „Exposition des primitifs Hamands
et de Part ancien", die zu Beginn des Sommers zu Brügge in Belgien eröffnet wurde.
Von einer Kommission ausgezeichneter belgischer Sachverständiger inszeniert, bietet