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Volltext: Monatszeitschrift V (1902 / Heft 8 und 9)

verschieden ornamentierte Felder, bei denen dreierlei Farben, Gelb, Blau 
und Rot, vorherrschen, so erinnert man sich sofort an die charakteristischen 
Merkmale irisch-angelsächsischer Omamentation, die in den früher mit- 
geteilten Proben, in dem lateinischen Evangeliar (cod. 1224) und auch in 
dem durch diesen Stil beeinflussten Sacramentar Gregors des Grossen 
(cod. 958) deutlich zur Geltung gelangen und hier an prächtigen, ihrem 
Ursprung nach weit auseinanderliegenden Denkmälern studiert werden 
können. 
Die Frage, ob die Anlehnung frühmittelalterlichen, italienischen Buch- 
schmuckes an irisch-angelsächsische Muster dem sogenannten „Reichsstil" 
angehörte oder durch besondere lokale Einflüsse bedingt war, bleibe hier 
in all ihren Einzelheiten unerörtert. Die italienischen Forscher geben 
Einfluss jenes nordischen Stiles zu, und zwar zunächst mit Rücksicht 
auf die berühmteste frühmittelalterliche Schreibschule Oberitaliens, die 
des Klosters Bobbio, das 612 von einem irischen Mönche, dem heiligen 
Columban, gegründet wurde. Auch das noch ältere Montecassino im 
Neapolitanischen (519 vorn heiligen Bernhard gegründet), eine hochange- 
sehene PHegestätte der longobardischen Schrift, von der die Hofbibliothek 
ein schönes, mit mächtigen Initialen geziertes Spezimen in dem cod. 903 
(XJahrhundert) besitzt, stand in Beziehung zu Irland, und eine hieraus sich 
ergebende Einwirkung auf den in so vielen prächtigen Denkmälern erhaltenen 
cassinensischen Buchschmuck stellt Piscicelli fest. 
Eine zu Bobbio im VIII. oder IX. Jahrhundert hergestellte {igural und 
ornamental reich geschmückte Miniatur" trägt ausgesprochenes irisches 
Gepräge, und nicht minder interessant ist es, dass eine Umrahmung in der 
gleichfalls in Bobbio geschriebenen Handschrift des Lebens Columbans aus 
dem IX. Jahrhunderth" auffallend an die von uns reproduzierten Rahmen 
des eben erwähnten Sacramentars Gregors des Grossen erinnert; nur sind 
diese, wie genauere Vergleichung zeigt, ebenmässiger durchgebildet als die 
Bobbienser Randzier. 
Doch diese Gesichtspunkte sind es nicht allein, welche den prächtigen, 
den ganzen Längsraum der riesigen Foliokolumne einnehmenden Anfangs- 
buchstaben F aus dem cod. 1167 der Beachtung wert erscheinen lassen. 
Er bietet nämlich, worauf hier zum erstenmal hingewiesen wird, das 
wichtigste Kennzeichen, um die Wiener Handschrift in eine Zahl schön 
ausgestatteter italienischer Bibeln aus dem XI. und XII. Jahrhundert, 
(sämtlich in Atlantenfolio, also, wie man damals sagte, „biblia magna"), 
einzureihen, von denen die mehr erwähnte Arte sacra auf Tafel XXXIV, 
XXXVI und XXXVII gute Proben bietet. Zu der Ähnlichkeit in der Form 
des Buchstabens, im Flechtwerk an den oberen Querbalken und dem im 
Dreieck zulaufenden Schaftende kommt noch die Gruppierung der die 
d" Paleogral-la artistica ll, 14 . 
d" Arte Sacra, Tafel X. 
"M: Ebenda, Tafel XV.
	        
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