hervorgreift ins Licht und in ihrer Höhlung das Lieben und Hassen der Menschlein hält.
Neu für Wien ist Medardo Rosso (geb. Turin), der im Malerischmachen der Plastik so weit
geht, dass er das Kind „im Sonnenlicht" und ein Frauenantlitz im Wehen der Luft, als
vorübergehende Erscheinung gleichsam darstellt. Rosso ist die äusserste Linke der Pariser
Plastik und hat sogar Rodin in seinen letzten Werken beeinflusst. Er war Rodins Sporn
zum Gestalten dessen, was auf der Grenzlinie des plastisch noch Gestaltbaren steht. Die
Ausstellung aller dieser Dinge in innerem Zusammenhänge ist ein Unternehmen neuer Art,
wie es auch in Paris noch nicht versucht wurde. Sie wird vermutlich Schule machen.
EDIZ. Im Hagenbund sieht man eine bedeutende Ausstellung von Bildern und
Zeichnungen des Ehepaares Karl Mediz und Emilie Mediz-Pelikan. Diese beiden
Künstler, die nach gemeinsamen Lehr- und Arbeitsjahren in München-Dachau, Knokke
(der Gatte hat sich auch in Paris gefördert) und Dresden eine eigentümliche gemeinsame
Doppelphysiognomie zeigen, sollen nächstens wieder in das heimatliche Wien übersiedeln.
Der starke Eindruck, den sie hier machen, ist nicht zu unterschätzen. Es ist in ihnen ein
kerniges, strenges Wesen, ein „deutsches" Etwas. Unendlicher Fleiss, bis in alle Fasern
der Sachlichkeit hinein, und dabei ein germanischer Hang zu phantasieren, das Gesehene
zu symbolisieren. Schon vor einem Jahre, als das Unterrichtsministerium die „vier Eis-
männer" von Karl Mediz erwarb, stand man unter dem eigenartigen Eindrücke dieser
Zweiseitigkeit. Dann lernte man die Sammlung Dresdener Kreideporträts kennen und jetzt
füllt sich derÜberblickdurch weitere namhafte Werke. VonK. Mediz sieht man insbesondere
auch das grosse Bild: „Gottscheerinnen" (sein Vater war ein deutscher Gottscheer), das
vor vierjahren mit seinem kecken Dreiklang von hellemGrün, Weiss und Blau die Dresdener
erschreckt hat. Es schlägt eine rücksichtslose Note an, aber sie klingt. Aus der letzten Zeit
des Künstlers falltbesonders das Bild: „Der heilige Brunnen" auf, dem wir seinen ursprüng-
lich beabsichtigten Titel: „Die Gotik" zurückwünschen möchten. In einer gotischen
Brunnenkapelle (Stift Heiligenkreuz) steht ein uralter Brunnen, der alle denkbaren und
undenkbaren Patinafarben spielt. Auf seinem Sockel sitzt eine ernste Frau, in bürgerlich
schlichtemiGewande (Bildnis der Frau Mediz), aber mit blauen, pfauenäugigen Fittichen.
Die bunten Fenster schauen wie erstaunte Augen aus dem Halbdunkel auf die seltsame
Erscheinung. Auch hier ist ein symbolisches Motiv, dessen geistige Unterstellungen unab-
weislich sind, mit der äussersten Stoffwahrheit behandelt. Ebenso real gegeben, wie die
lebensgrossen tirolischen Bauerntypen an einer anderen Wand, oder alle Zufälligkeiten
der Rinde an den Baumstämmen, die beiden Künstlern so ans Herz gewachsen sind. Gewiss
sind es ihre besonderen Realismen - diese Rinde, jene Wadenstrümpfe u. s. f. _ was
das Auge des Beschauers zunächst fesselt und ihm einen neuen Eindruck macht. Aber das
ist nur ein Teil ihrer Weltanschauung, es gehört mit zu dem Wunder, als das sie diese
Welt erblicken. Den Ausdruck für dieses Wunder suchen sie noch, in grossen Bildern und
kleinen Studien von südlichen Klippengestaden (Dalmatien, Korfu) und nördlichen Gletscher-
gegenden (Gross-Venediger). Die Gletscherbilder, in denen so mancher Zug eine erlebte
Wahrheit atmet, während die Atmosphärik noch viel Willkürliches behält, sind die Früchte
des letzten, Sommers. Es ist ein weiter Weg von da zurück bis zu jener ungarischen Bäuerin
im gestickten Schafpelz (i892), dessen saftig realistische Lederherrlichkeit noch an früheres
München erinnert. Aber der Weg hat zum Ziele geführt.
KLEINE AUSSTELLUNGEN. In der Galerie lVliethke hat Ad. Franz Seligmann
eine Ausstellung seiner Bilder und Zeichnungen veranstaltet. Der vielseitige Künstler
hat in früheren Jahren so manchesmal Aufmerksamkeit erregt. Der Operationssaal Billroths
- fast hätten wir gesagt: das Atelier Billroths - (1890) ist hier wieder zu sehen. Er hätte
das Zeug, so mit gewandter Hand die Wiener Gesellschaft zu illustrieren. Noch grösser
aber war immer sein Talent, sich von seinem Talent abziehen zu lassen. Gewisse grosse
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