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DAS WINTERPALAIS vDES PRINZEN EUGEN S"
VON JOSEF DERNJAC -WIEN S0
I _ fß i, 7 N der Verjüngungsepoche Wiens nach der
3" ' zweiten Türkenbelagerung entstehen ausser den
Palästen der erbgesessenen Geschlechter im
historischen Adelsviertel, ausser dem alten
Rathause und der böhmischen Hofkanzlei
nur wenige Monumentalbauten profanen
Charakters in der nördlichen Partie der Stadt,
dafür aber umso zahlreichere östlich von der
Kärntnerstrasse und dern Stephansplatz.
Bekanntermassen zählte jener Teil nur eine
verhältnismässig geringe, dieser hingegen eine grosse Menge uralter
Kirchen und Klöster. Ist es purer Zufall, dass die grossartigsten Paläste
des Kärntnerviertels gerade dem Nikolai-, Franziskaner- und Himmel-
pfortkloster gegenüber sich erheben? Hat man in Anbetracht der religiösen
Grundstimmung der Zeit und zumal der höheren Gesellschaftssphären nicht
einigen Grund zu der Annahme, dass dieses, nur mehr vom Weihrauch-
duft parfümierte und von den Typen der Hierarchia ecclesiastica belebte
Milieu die reichbegüterten Besitzer uralter oder ziemlich neuer Namen,
die in der eingangs erwähnten hochfeudalen Stadtgegend einen Bauplatz
entweder nicht suchen mochten oder in erwünschter Ausdehnung nicht
finden konnten, sozusagen mit magischer Gewalt an sich gezogen hat? Was
mag wohl den Prinzen Eugen bewogen haben, gerade dem Kloster der
Himmelspförtnerin vis-a-vis seine „I-Iütte" sich zu bauen? War nirgends
anders in diesem Quartier ein Komplex von Gründen, wie er ihn für seinen
Palastbau benötigte, für ihn zu haben, oder „kaprizierte" er sich auf eine
Reihe von kleinen Häusern in der I-Iimmelpfortgasse hauptsächlich aus dem
Grunde, weil auch das Fauconnefsche Ballhaus sich darunter befand,
in dem man den Skandal eines der Volksmoral nicht sonderlich frommenden
Theaterunwesens dicht vor den gottgeweihten Mauern eines Frauen-
klosters nachgerade lange genug geduldet hatte?
Im Jahre 1703 wurde der Bau des Palastes begonnen, 1711 bis zum
dreizehnten Pilaster im Westen vollendet. In den Jahren 171g bis 1725
kamen noch fünf Achsen mit dem westlichen Portale hinzu. In Bezug auf
die weiteren Schicksale, von denen das Denkmal betroffen wurde, muss mit
Rücksicht auf den zur Verfügung stehenden Raum an dieser Stelle auf
die kleine, anlässlich der „Wiener Kunstwanderungen" vom k. k. Finanz-
ministerium herausgegebene Schrift: „Das Gebäude des k. k. Finanzmini-
steriums, ehemals Palast des Prinzen Eugen von Savoyen in Wien", 1902,
80, 14 S., verwiesen werden. Von älteren Darstellungen ist das bekannte
Kuriositäten- und Memorabilien-Lexikon von Realis in keinem Falle zu
umgehen. 1745 kam der Palast wieder in den Besitz des Staates. Von den
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