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Eine ausgeglichene Stimmung hat das Badezimmer der „Neuen Gruppe". Kostbares
Material ist hier mit Sicherheit und Ruhe zu einem einheitlichen Ensemble komponiertworden.
Marmor von aparten Strukturen, sorg-
sam nach der Koloristik ausgesucht, bekleidet
die Wände; in die Rückwand ist über der
vertieft liegenden Wanne ein Relief ein-
gelassen, Nischen mit hängenden Piianzen
ilankieren es; farbig glühend wölbt sich eine
Oberlichtkuppel, Opalschalen bergen die
elektrische Beleuchtung, ein römisches Sofa
und ein Sessel mit vergoldeten Füssen bilden
das Mobiliar.
Es ist keine moderne Stimmung, nicht
das Bild englischer Hygiene-Ästhetik mit
Kacheln, Matten, Messing, Korbfauteuils,
sondern eher eine Alma Tadema'sche Il-
lusion, eine antikisierende Elegie. Fast
scheint es mehr zum Träumen nach dem
Bade gedacht, als zum modernen Training
derWassei-toilette; aber der Stil, dasThema,
das der Komponist sich wählte, sind voll-
ständig getroffen. Und diese Stilsicherheit
fällt in der undisziplinierten Umgebung sehr
angenehm auf.
Sympathisch bescheiden tritt ein junges
Unternehmen auf, das aus ganz kleinen
Anfängen heraus sich einen ernsthafteren
Platz zu erringen beginnt, die „Steglitzer
Werkstätten". Mit Druckversuchen fingen sie
an, heute haben sie eine grosse Druckerei,
eine Klasse für Buchbindekunst, sie stellen
Möbel, Stickereien, Applikationen her. Ge-
sunde Einfachheitstendenzen, ohne falsches I-"SMW Wien" Albßiß 3'011" und G115. 1018m
Schielen nach Aufputz um jeden Preis, eine Hofburg Wim
weise Selbstbeschränkung zeichnen sie aus.
Und diese Eigenschaften gelten auch von ihrem Ausstellungsinterieur, wenn auch seine
Formen nicht sehr persönlich sind und auch die Ausbildung der Einzelteile, der Beschläge
zum Beispiel, liebevoller hätte sein können.
Ein Satyrspiel zum Schluss dieser Revue: der Empfangsraum des Architekten
Biberfeld.
Dieser dekorative Sensationsdramatiker hat auch diesmal nach Verblüffungserfolgen
gestrebt und es ist ihm gelungen, seine Unmöglichkeiten früherer Jahre noch zu über-
trumpfen. Er hat diesmal seine Möbel versilbert, sie blinken in einem hässlichen Staniol-
Ton. Attrappen gleichen sie. Aus Pappe scheint die monströse versilberte Sphinx, die
die Tischplatte trägt, und pappen wirken auch die Putten, die ein unsicheres Kletter-
spiel an den Schränken üben. Als Beleuchtungsguirlanden hängen von den Ecken aus
eisernen Rachenöffnungen schwere Ketten, an Kerkerfesseln gemahnend, und ihre
mächtigen Ankerglieder benützt der Proportionskünstler, um winzige Glühbirnen tragen
zu lassen.
Dieser gefährliche Neuerer mit seinen Zerrbildern ist nur zu geeignet, Neues über-
haupt zu diskreditieren und lächerlich zu machen. Die Emsthafteren in der modernen
Bewegung sollten ihn sich vom Halse halten. Felix Poppenberg
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