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Hier sind Leinenwirkereien, die in der Subtilität der Kleinkunst, im Schmelz der
Farben an japanische Stickereien erinnern; blaugrüne Fruchtmedaillons finden sich gleich
Gobelins viel späterer Kulturen. Ja, die Ornamente, der Hund, der Blumenkorb, der
Vogel, von Rankenwerk umrahmt, lässt an biedermeierliche Straminstickerei denken. In
vielen Varietäten sieht man die Samt- und Seidentapeten Italiens und Spaniens.
Besonders schöne Exemplare tragen das Granatapfelzeichen, Gold in liladunklem
Samt. Der Samt liegt meist auf Atlas- oder Seidengrund und wird in Mustern geschnitten,
so dass er erhöht über der Fläche stehen bleibt.
Neben der prunkenden Schönheit glänzender Epochen behauptet sich gut ein
schlichter gewebter Wollbehang aus dem Deutschland des XVI. Jahrhunderts. Rostbraun
zeigt er einen hellen Fries laufender Kinder, die Figuren sind kräftig Hächenmässig, rein
ornamental, man könnte fast sagen plakatmässig behandelt; dieser Vorhang sieht gewissen
modern-skandinavischen oder englischen Arbeiten (den Friesen in Libertys Kinder-
zimmern) sehr ähnlich.
Bei Keller und Reiner war eine Ludwig Richter-Gedächtnisausstellung, deren
Inszenierung Erwähnung verdient.
Man hatte diesen Bildern aus der grossväterlichen Kachelofenecke einen Stil- und
Stimmungsrahmen, nicht gerade peinlich getreu der Richter-Zeit, aber immerhin in der
Atmosphäre seiner Vorstellungswelt gegeben.
Kleine, niedriggedeckte Kojen lagen wie Puppenstübchen nebeneinander voll innig
philiströsem Hausrat, Kommoden, Kanapees aus gelbbraunem Birnbaum mit Rips und
geblümter Seide bezogen. Stutzuhren aus Alabaster standen auf den Wandbrettern und
jene Zeichen des bürgerlich gewordenen Klassizismus, Urnen aus hellblauem Wedgewood,
weisses Berliner Porzellan mit schmächtigen Empireguirlanden, Biskuitstatuetten des
Kaisers Alexander von Russland. Und gut stimmten zu dieser lieblich-verschollenen Zeit
Vogelers durchbrochene Türen mit dem Laubgehänge, die mit so feinem und sicherem
Gefühle alte Spinettweisen variieren.
Diese Feinschmeckerneigung zum alten Stil, die Vogeler der Worpsweder zeigt,
und die auch Thomas Theodor Heine halb gefühlsironisch, halb ernsthaft kultiviert, ist
Natur geworden in dem Russen Konstantin Somoff. Nach Einzelbegegnungen sieht man
jetzt sein Werk bei Cassirer ausgestellt. Sein Motto gibt die Unterschrift eines seiner
Bilder, das ein junges schwärmerisches Mädchen im Reifrock mit einer Handarbeit zeigt:
Echo du temps passe.
Preziöse Lyrik liebt er, Parks mit Kugelbäumen und Statuen, Treppenwangen in
Kurven, geschnörkelte Gitter, zopiige Portale, Landhäuser mit farbigem Holzgitterwerk,
auf deren geschweiften Balkonen gefühlvolle Herren und Damen dem Sonnenuntergang
zusehen, gezirkelte Sentiments in gezirkelter Landschaft. Ein Dekorativer ist er, und seine
Handschrift beherrscht sicher die kulturellen Mittel, den Ausdruck jener Zeit. Die feine,
geperlte Kursiv, die er gern anwendet, hat die juweliersfinesse, die man im Strich Aubray
Beardsleys bewundert. Seine Farbengourmandise, seine Mischungen aus bleu mourant,
altrosa, mattgelb sind schmeichlerisch.
Er hat, seine Art selbsterkennend, auch objets d'art komponiert: Graphisches, Theater-
zettel von sicherer Lettern- und Raumwirkung; kokette Ex-libris aus der Boudoir-
atmosphäre, sehr weich, frauenhaü mit Fächern, Spiegeln, Perlenschnüren, Recamier-
Sophas. Emailkompositionen reizten ihn zu schwelgerischen triefenden Phantasien.
Theophil Gautier und Puschkin bildete er zärtlich nach und der Silhouettenstil alter
Almanache lockte ihn.
Persönlich schwingendes Nacherleben ist in diesem Künstler.
Die Sezessionsausstellung der „zeichnenden Künste" ist eröffnet worden. An-
regenden Genuss verspricht sie, sie bringt grosse Zyklen: Besnard, Rodin, Orlik,
Kubin, Israels, Zorn, Whistler; sie bietet zum ersten Male in Deutschland eine Serie
Tumerscher Aquarelle, die denen im Erdgeschoss der Londoner National Galery nicht