Seite 222 dieses jahrganges
der Zeitschrift besprechen
und haben dort auch auf
einige Gründe hingewiesen,
die der freien Entfaltung
dieses Kunstgebietes bisher
hinderlich waren.
Umso erfreulicher sind
die nun vorliegenden Ar-
beiten, von denen die mit
dem ersten Preise gekrönte
von Bertold Franke her-
rührt, einem jungen Künst-
ler, der jahrelang neben
l-Irdlicka eine I-Iauptstütze
der Werkstatt Storcks war
und nun ein reiches Feld der
Tätigkeit in Weipert, einem
Hauptsitze der österreichi-
schen Posamenterie, gefun-
den hat.
In dem vorliegenden
Entwürfe verrät sich der
feine und liebenswürdige
Kenner der PHanzenwelt,
und zugleich auch der gb Büste eines Sklaven von Michelangelo
übte Techniker; dennFranke
ist vom schlesischen Webstuhl an die Wiener Kunstgewerbeschule gekommen.
Der nächste Entwurf hat Paul Thoma in Asch und Alois Bohla in Deutsch-Liebau
zu Urhebern; von ersterem rührt die Bordüre, von letzterem das Innenmuster her. Der
dritte Entwurf ist von Bohla allein geschaffen.
Bezüglich des Technischen bemerken wir, dass das Schaffen von Mitteltönen der
Damastweberei keinerlei Schwierigkeiten bietet.
Während Franke mehr auf Grazie und durch vornehme Einfachheit überraschende
Wirkung ausgeht, zeigen diese Entwürfe ein reiches Linienspiel, das trotz verhältnis-
mässig kleiner Rapporte sehr lebensvoll wirkt.
jedenfalls scheinen unsere Zeichner bereits auf richtiger Fährte zu sein.
Unbedingt stehen diese Arbeiten auch schon weit über den öden, talentlns-natura-
listischen Arbeiten, wie sie heute in den Warenhäusern noch gang und gäbe sind.
Bei so klaren Aufgaben wie diesen können Wettbewerbe, wie man sieht, auch
Nützliches schaffen. Es wäre zu wünschen, dass sie sich öfter wiederholten. Dr.
INE SKLAVENBÜSTE VON MICHELANGELO. Vor kurzer Zeit
ist durch Vermittlung des Londoner Kunsthändlers Duveen wieder ein Skulpturwerk
nach Amerika gegangen, dessen Verlust wohl von allen Kunstfreunden der alten Welt
schmerzlich bedauert werden wird. Es ist dies ein herrlicher Marmorkopf des Michelangelo
aus der Sammlung des Herm Ravaisson-Mollien, des Conservateur du Musee du Louvre.
Die Entstehungsgeschichte dieser Marmorbüste ist so enge mit der des Grabes von
Papst julius II. verbunden, mit der „Tragödie des Grabes", wie sie von Condivi bezeichnet
wurde, dass es wohl am Platze ist, den Lauf der Ereignisse hier zu rekapitulieren.
Kurz nachdem Kardinal Giuliano della Rovere den päpstlichen Stuhl als Julius II.
bestiegen hatte, schlug Giuliano da San Galle, sein I-Iauptberater in Kunstangelegenheiten,