277
mehr zutage, sondern auch in der Anord-
nung der Blumen, die, je weiter sie sich
von ihren ursprünglichen Vorbildern ent-
fernen, desto mehr vom Rande gegen die
Mitte des Gefässes zu Vorrücken, denn das
Betonen der Mitte ist ein echt europäischer
Zug. Schliesslich genügt für die Mitte
keine einzelne Blume mehr, es muss ein
Strauss von Blumen sein, während die
übrige Fläche dafür mit umso kleineren
Blümchen verziert wird.
In der Wiener Blumenmalerei der
Fünfzigexjahre des I8. Jahrhunderts liegt
im Vergleiche zu der Meissens insoferne
ein eigenartiger Zug, als sie eine viel
grössere Breite und dekorative Grosszügig-
keit aufweist, wie sie zum Beispiel im
Loudon-Service noch deutlich zu erkennen
ist, später aber verschwindet.
Zu diesen beiden Gattungen, dem
Blumendekor und der chinesisch-japani-
schen Ornamentierungsweise kommt nun
der plastische Rocailledekor neu hinzu,
die Verzierung mit phantastisch geformten,
muschelartigen Gebilden, die in bestimmten
Farben abschattiert werden. Besonders
beliebt zu solcher Abschattierung, die den
Zweck hat, die plastische Wirkung des . _ __
Gebildes zu steigern, ist ein leuchtendes Kühlgefäss in Kupferluster mit Reliefgolddekor
Purpurrot, dann aber auch Grün und Gold, (Kamm N" 999)
seltener Blau. - Dieses Rocaillegenre zwingt all-
mählich die gesamte Produktion unter seine kapri-
ziösen Formen. So werden zum Beispiel
Servierplatten für Tee- oder Kaffeeservice
von ganz malerischem, unsymmetrischem
Aufbau modelliert. Sie steigen stufenartig
an und werden rückwärts von Strauch-
artigen Gebilden oder Schälchen aus Ästen
und grünen Blättern begrenzt.
Bei grösseren Servierplatten dieser Art
tritt auch figurale Plastik hinzu und ihr Auf-
bau hatdanneine konzentrischeAnordnung.
In dieselbe Gruppe von Gefässen, die
Zuckerdose, kobaltblau mit Reliefgolddekor fast ganz in ornamentale Gebilde aufgelöst
(Aus der Sammlung Karl Mayer)
36