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Volltext: Monatszeitschrift VII (1904 / Heft 10)

heimischem Stamm, das allerdings eine Zeitlang sehr üppig gedieh und, wie 
es scheint, sogar in neuester Zeit wieder zu treiben beginnt. 
Die theoretisierende Periode des XIX. Jahrhunderts bahnte an, was 
durch einige temperamentvolle, energische Künstler in die Tat umgesetzt 
werden sollte, die Wiederbelebung des Hausbaues, eine spezifisch englische 
Renaissance der neuesten Zeit. Und dieser Neubelebung verdankt England 
eine Blütezeit des Wohnhauses, die wir selbst mit erleben und die bereits 
ihre segensreiche Wirkung auf den Kontinent ausgeübt hat. 
Nie waren ja die hauptsächlichen Triebfedern, das Bedürfnis nach dem 
eigenen Heim, die Liebe zum Lande, die Abneigung gegen die städtische 
Überkultur aus dem englischen Volke verschwunden. 
Die Bedingungen der Wohlhabenheit breiter Schichten, aufblühenden 
Handels und Gewerbes waren gleichfalls vorhanden und so konnte es 
künstlerischen Vorkämpfern gelingen, das wertvolle Vermächtnis aufzu- 
nehmen und auszubauen. 
Zwei parallel laufende Strömungen wirkten zusammen. Erstlich die von 
Ruskin angeregte, in W. Morris verkörperte Reorganisation des Kunst- 
gewerbes, die der handwerklichen Vollkommenheit, dem Naturstudium, der 
ehrlichen Konstruktion wieder Geltung verschaffte; diese Bewegung war 
anfänglich noch im Banne der mittelalterlichen Formgebung, von der sie 
sich selbst allmählig befreite. Zweitens die Umgestaltung des eigentlichen 
Hausbaues durch Ph. Webb, E. Nesdfield und N. Shaw, welche ihre formale 
Anregung in den so malerischen und wirksamen ganz einfachen kleinen 
Wohnbauten der städtischen Umgebungen aus dem XVII. und XVIII. Jahr- 
hundert fanden, deren volkstümlicher Charakter nicht ganz zutreffend mit 
dem Namen Queen Anne-Style gekennzeichnet wurde. In der Ausbildung 
dieser Anregungen vollzog sich die fast vollständige Befreiung von Stilfesseln. 
Die freieste und vollkommenste Ausbildung des Grundrisses, dem keine 
regelmässige Achsenteilung oder symmetrische Massendisposition mehr 
hinderlich war, brachte den so hochstehenden Ausdruck des raffinierten 
modernen englischen Wohnbedürfnisses hervor, wie er in den zahlreichen 
Leistungen der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts vorliegt. In formaler 
Hinsicht wurde durch die freie Handhabung des einfachen Apparates „die 
schlichte Ziegelfläche, das Pfannendach, die ziegelbehangenen Giebel, die 
seitwärts aufsteigenden Schornsteine, das weiss gestrichene Holzwerk der 
Fenster- und Türrahmen, vor allem aber die ausserordentlich anziehenden 
Fenstermotive in der alt-bürgerlichen Baukunst" eine natürliche Ausgestaltung 
von innen nach aussen erreicht. Örtliche Anregungen, wie hier die Benützung 
von F eld- und Bruchstein zur Mauerbildung, dort die Aufnahme des Fach- 
werkbaues, gelegentliche Einflussnahme der so verwandten holländischen 
Motive des Wohnbaues, dann wieder Verschmelzung mittelalterlicher 
Traditionen gestatteten bei der gründlichen Verarbeitung, die sie fanden, 
eine grosse Mannigfaltigkeit des Ausdrucks, der stets von der Wirkung des 
Inrienraumes und von der Anpassung an die umgebende Natur beeinflusst
	        
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