heimischem Stamm, das allerdings eine Zeitlang sehr üppig gedieh und, wie
es scheint, sogar in neuester Zeit wieder zu treiben beginnt.
Die theoretisierende Periode des XIX. Jahrhunderts bahnte an, was
durch einige temperamentvolle, energische Künstler in die Tat umgesetzt
werden sollte, die Wiederbelebung des Hausbaues, eine spezifisch englische
Renaissance der neuesten Zeit. Und dieser Neubelebung verdankt England
eine Blütezeit des Wohnhauses, die wir selbst mit erleben und die bereits
ihre segensreiche Wirkung auf den Kontinent ausgeübt hat.
Nie waren ja die hauptsächlichen Triebfedern, das Bedürfnis nach dem
eigenen Heim, die Liebe zum Lande, die Abneigung gegen die städtische
Überkultur aus dem englischen Volke verschwunden.
Die Bedingungen der Wohlhabenheit breiter Schichten, aufblühenden
Handels und Gewerbes waren gleichfalls vorhanden und so konnte es
künstlerischen Vorkämpfern gelingen, das wertvolle Vermächtnis aufzu-
nehmen und auszubauen.
Zwei parallel laufende Strömungen wirkten zusammen. Erstlich die von
Ruskin angeregte, in W. Morris verkörperte Reorganisation des Kunst-
gewerbes, die der handwerklichen Vollkommenheit, dem Naturstudium, der
ehrlichen Konstruktion wieder Geltung verschaffte; diese Bewegung war
anfänglich noch im Banne der mittelalterlichen Formgebung, von der sie
sich selbst allmählig befreite. Zweitens die Umgestaltung des eigentlichen
Hausbaues durch Ph. Webb, E. Nesdfield und N. Shaw, welche ihre formale
Anregung in den so malerischen und wirksamen ganz einfachen kleinen
Wohnbauten der städtischen Umgebungen aus dem XVII. und XVIII. Jahr-
hundert fanden, deren volkstümlicher Charakter nicht ganz zutreffend mit
dem Namen Queen Anne-Style gekennzeichnet wurde. In der Ausbildung
dieser Anregungen vollzog sich die fast vollständige Befreiung von Stilfesseln.
Die freieste und vollkommenste Ausbildung des Grundrisses, dem keine
regelmässige Achsenteilung oder symmetrische Massendisposition mehr
hinderlich war, brachte den so hochstehenden Ausdruck des raffinierten
modernen englischen Wohnbedürfnisses hervor, wie er in den zahlreichen
Leistungen der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts vorliegt. In formaler
Hinsicht wurde durch die freie Handhabung des einfachen Apparates „die
schlichte Ziegelfläche, das Pfannendach, die ziegelbehangenen Giebel, die
seitwärts aufsteigenden Schornsteine, das weiss gestrichene Holzwerk der
Fenster- und Türrahmen, vor allem aber die ausserordentlich anziehenden
Fenstermotive in der alt-bürgerlichen Baukunst" eine natürliche Ausgestaltung
von innen nach aussen erreicht. Örtliche Anregungen, wie hier die Benützung
von F eld- und Bruchstein zur Mauerbildung, dort die Aufnahme des Fach-
werkbaues, gelegentliche Einflussnahme der so verwandten holländischen
Motive des Wohnbaues, dann wieder Verschmelzung mittelalterlicher
Traditionen gestatteten bei der gründlichen Verarbeitung, die sie fanden,
eine grosse Mannigfaltigkeit des Ausdrucks, der stets von der Wirkung des
Inrienraumes und von der Anpassung an die umgebende Natur beeinflusst