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Volltext: Monatszeitschrift VII (1904 / Heft 10)

Alt-Wiener Gärten. 
WIENER GÄRTEN. 
D ie meisten alten Residenzstädte, Wien ist unter diesen, 
besitzen ein dreifältiges Gartenwesen: die barocken 
Gartenschöpfungen des XVIII. Jahrhunderts, ursprüng 
lich zum Sommerpalast eines Fürsten gehörig und manche der 
Öffentlichkeit übergeben; die alte volkstümliche Gartenkultur 
im ländlichen Umkreis der Stadt; und die neuen städtischen 
Park- und Gartenanlagen. 
Die erste Art, jene alten barocken Gartenschöpfungen, gehören 
in gesundheitlicher und gartenkünstlerischer Beziehung zu 
den wertvollsten Gütern einer Stadt, deren Physiognomie sie 
wesentlich mitbestimmen. Sie überliefern einen Schatz vor 
bildlicher gartenarchitektonischer Grundsätze hinsichtlich Aus 
nützung der Terrainverhältnisse, der Anlage der Beete, Trep 
pen, Wege und der geschnittenen Laubwände, die geradlinig auf 
einen zentralen Punkt zulaufen, darin sich eine schöne Statue, 
ein Brunnen, eine Gartenplastik, wie von einem Hain um 
schlossen, erhebt. Sie sind Gartenkunst. 
Sie sind mit den Wiener Palästen in der ersten Hälfte des 
XVIII. Jahrhunderts entstanden und von daher mit den Namen 
des künstlerischen Dreigestirns Fischer v. Erlach, Lukas v. 
Hildebrand, Martinelli verbunden. Das Beispiel Ludwigs XIV. 
weckte den Ehrgeiz, der gesicherte Frieden nach abgewendeter 
Türkennot gab die Möglichkeit äußerer Prunkentfaltung. 
Die Ruhmsucht, die keine Gelegenheit mehr fand, in 
kriegerischen Taten zu glänzen, überbot sich nun im Glanz 
der Repräsentation. Die räumliche Rücksicht innerhalb der 
Stadtbefestigung setzte der Großzügigkeit architektonischer 
Monumentalanlagen enge Grenzen und verwies auf die offene 
Landschaft in der Umgebung. Da kein Feind zu fürchten 
war, wurden die Jagdschlösser zu Sommerresidenzen erweitert 
oder neue Schlösser erbaut, monumental in der Anlage und 
als Sommerpalais, maison de plaisance, während der guten 
Jahreszeit benützt. Die Winterpalais befanden sich in der 
Stadt. In der offenen Landschaft unbeengt, entstanden mit 
den Sommerpalais die großen Gartenschöpfungen, nicht als 
organische Entwicklung der Stadt, sondern als Anhängsel, 
einstmals ziemlich fernab gelegen, heute vom Häusermeer 
der Großstadt allseits wie von einem festen Ring umschlossen, 
Belvederegarten, Schwarzenberg-Garten, Augarten und zum 
Teil der Park zu Schönbrunn, von anderen herrlichen 
Gartenschöpfungen, die untergegangen sind, nicht zu reden. 
Die genannten Gärten mit Ausnahme des Augartens, der 
(Nach Stichen von Sal. Kleiner.) 
eben und tiet gelegen ist, stellen glückliche gartenarchi 
tektonische Lösungen des aufsteigenden Terrains dar. Hier 
hätte der heutige Gartenkünstler viel Gelegenheit, Wir 
kungen zu studieren. Das Lustschloß von Schönbrunn, ehe 
mals Jagdschloß und von J. B. Fischer v. Erlach zur Sommer 
residenz erweitert, mit großem Blumenparterre, Bassins» 
Springbrunnen und mit dem Gloriette auf der Anhöhe als 
krönenden Abschluß der Perspektive ist ein genialer Wurf, 
was die Ausnützung des schwierigen, ansteigenden Terrains 
zu Gunsten künstlerischer Wirkungen betrifft. Le Blond, 
ein Schüler Le Nötres, des berühmten Gartenarchitekten 
Ludwigs XIV., hat die Gartenanlage geschaffen. Indessen, es 
zwingt uns nichts, Namentafeln aufzurichten. Der Stil war Ge 
meingut der Zeit und wurde mit gleicher Geschicklichkeit und 
gleichem Raumverständnis von allen Künstlern behandelt. 
Im Belvedere und Schwarzenberg-Garten liegen auf kleinerem 
Gebiete ganz ähnliche Verhältnisse vor. Schloß und Garten, 
in beiden Lagern von Fischer v. Erlach entworfen, sind als 
raumkünstlerische Einheiten entzückend. Sie zeigen ein feines 
Widerspiel: im Belvedere steht das Schloß auf der Höhe 
und der Garten fällt in Terrassen ab; im benachbarten 
Schwarzenberg-Garten ist es umgekehrt der Fall. Aber immer 
ist die Lösung vollendet. Nach dem heutigen Zustande ahnen 
wir kaum, was es war. Man muß die alten Bilder und Stiche 
zu Rate ziehen, um das Wunder zu kennen. In steingemauerten 
Kaskaden, von plastischen Gruppen und Wasserkünsten be 
lebt, hob sich Terrasse über Terrasse, von Strahlenbogen der 
Fontänen überschnitten, in geschlossenen Wandflächen setzten 
sich in der Perspektive die dicht verwachsenen, geschorenen 
Laubwände fort, überragt von den höheren regelmäßig ge 
schnittenen Kronen, Würfel schob sich an Würfel, Freitreppen 
stiegen links und rechts empor zu höheren Bassins und 
abschließenden Kaskaden und Wasserwerken. Nischen in 
den Laubwänden beherbergten Gartenplastiken, den ganzen 
mythologischen Götterhimmel, das Blumenparterre vor dem 
Schloß bot in komplizierten Arabesken eine Fülle seltener 
und erlesener Blütenpracht, kegelförmig gestutzte Bäume 
bilden eine grüne Architektur und lange Kübelreihen von 
kugelförmig geschnittenen Orangenbäumen führten archi 
tektonische Leitlinien durch die verwirrende Zeichnung des 
Blumenparterres. Eine Orangerie gehörte zu den Requisiten 
der fürstlichen Hofhaltungen. 
Was wir heute davon sehen, ist ein Schatten des einstigen 
Zustandes. Die Kostspieligkeit der Instandhaltung, der ver- 
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