Alt-Wiener Gärten.
WIENER GÄRTEN.
D ie meisten alten Residenzstädte, Wien ist unter diesen,
besitzen ein dreifältiges Gartenwesen: die barocken
Gartenschöpfungen des XVIII. Jahrhunderts, ursprüng
lich zum Sommerpalast eines Fürsten gehörig und manche der
Öffentlichkeit übergeben; die alte volkstümliche Gartenkultur
im ländlichen Umkreis der Stadt; und die neuen städtischen
Park- und Gartenanlagen.
Die erste Art, jene alten barocken Gartenschöpfungen, gehören
in gesundheitlicher und gartenkünstlerischer Beziehung zu
den wertvollsten Gütern einer Stadt, deren Physiognomie sie
wesentlich mitbestimmen. Sie überliefern einen Schatz vor
bildlicher gartenarchitektonischer Grundsätze hinsichtlich Aus
nützung der Terrainverhältnisse, der Anlage der Beete, Trep
pen, Wege und der geschnittenen Laubwände, die geradlinig auf
einen zentralen Punkt zulaufen, darin sich eine schöne Statue,
ein Brunnen, eine Gartenplastik, wie von einem Hain um
schlossen, erhebt. Sie sind Gartenkunst.
Sie sind mit den Wiener Palästen in der ersten Hälfte des
XVIII. Jahrhunderts entstanden und von daher mit den Namen
des künstlerischen Dreigestirns Fischer v. Erlach, Lukas v.
Hildebrand, Martinelli verbunden. Das Beispiel Ludwigs XIV.
weckte den Ehrgeiz, der gesicherte Frieden nach abgewendeter
Türkennot gab die Möglichkeit äußerer Prunkentfaltung.
Die Ruhmsucht, die keine Gelegenheit mehr fand, in
kriegerischen Taten zu glänzen, überbot sich nun im Glanz
der Repräsentation. Die räumliche Rücksicht innerhalb der
Stadtbefestigung setzte der Großzügigkeit architektonischer
Monumentalanlagen enge Grenzen und verwies auf die offene
Landschaft in der Umgebung. Da kein Feind zu fürchten
war, wurden die Jagdschlösser zu Sommerresidenzen erweitert
oder neue Schlösser erbaut, monumental in der Anlage und
als Sommerpalais, maison de plaisance, während der guten
Jahreszeit benützt. Die Winterpalais befanden sich in der
Stadt. In der offenen Landschaft unbeengt, entstanden mit
den Sommerpalais die großen Gartenschöpfungen, nicht als
organische Entwicklung der Stadt, sondern als Anhängsel,
einstmals ziemlich fernab gelegen, heute vom Häusermeer
der Großstadt allseits wie von einem festen Ring umschlossen,
Belvederegarten, Schwarzenberg-Garten, Augarten und zum
Teil der Park zu Schönbrunn, von anderen herrlichen
Gartenschöpfungen, die untergegangen sind, nicht zu reden.
Die genannten Gärten mit Ausnahme des Augartens, der
(Nach Stichen von Sal. Kleiner.)
eben und tiet gelegen ist, stellen glückliche gartenarchi
tektonische Lösungen des aufsteigenden Terrains dar. Hier
hätte der heutige Gartenkünstler viel Gelegenheit, Wir
kungen zu studieren. Das Lustschloß von Schönbrunn, ehe
mals Jagdschloß und von J. B. Fischer v. Erlach zur Sommer
residenz erweitert, mit großem Blumenparterre, Bassins»
Springbrunnen und mit dem Gloriette auf der Anhöhe als
krönenden Abschluß der Perspektive ist ein genialer Wurf,
was die Ausnützung des schwierigen, ansteigenden Terrains
zu Gunsten künstlerischer Wirkungen betrifft. Le Blond,
ein Schüler Le Nötres, des berühmten Gartenarchitekten
Ludwigs XIV., hat die Gartenanlage geschaffen. Indessen, es
zwingt uns nichts, Namentafeln aufzurichten. Der Stil war Ge
meingut der Zeit und wurde mit gleicher Geschicklichkeit und
gleichem Raumverständnis von allen Künstlern behandelt.
Im Belvedere und Schwarzenberg-Garten liegen auf kleinerem
Gebiete ganz ähnliche Verhältnisse vor. Schloß und Garten,
in beiden Lagern von Fischer v. Erlach entworfen, sind als
raumkünstlerische Einheiten entzückend. Sie zeigen ein feines
Widerspiel: im Belvedere steht das Schloß auf der Höhe
und der Garten fällt in Terrassen ab; im benachbarten
Schwarzenberg-Garten ist es umgekehrt der Fall. Aber immer
ist die Lösung vollendet. Nach dem heutigen Zustande ahnen
wir kaum, was es war. Man muß die alten Bilder und Stiche
zu Rate ziehen, um das Wunder zu kennen. In steingemauerten
Kaskaden, von plastischen Gruppen und Wasserkünsten be
lebt, hob sich Terrasse über Terrasse, von Strahlenbogen der
Fontänen überschnitten, in geschlossenen Wandflächen setzten
sich in der Perspektive die dicht verwachsenen, geschorenen
Laubwände fort, überragt von den höheren regelmäßig ge
schnittenen Kronen, Würfel schob sich an Würfel, Freitreppen
stiegen links und rechts empor zu höheren Bassins und
abschließenden Kaskaden und Wasserwerken. Nischen in
den Laubwänden beherbergten Gartenplastiken, den ganzen
mythologischen Götterhimmel, das Blumenparterre vor dem
Schloß bot in komplizierten Arabesken eine Fülle seltener
und erlesener Blütenpracht, kegelförmig gestutzte Bäume
bilden eine grüne Architektur und lange Kübelreihen von
kugelförmig geschnittenen Orangenbäumen führten archi
tektonische Leitlinien durch die verwirrende Zeichnung des
Blumenparterres. Eine Orangerie gehörte zu den Requisiten
der fürstlichen Hofhaltungen.
Was wir heute davon sehen, ist ein Schatten des einstigen
Zustandes. Die Kostspieligkeit der Instandhaltung, der ver-
I8l